6241 | Schriftsasse ist der im Gerichtsstand erster Instanz dem Hofgericht oder einer anderen Zentralbehörde zugeordnete →Landsasse. |
6242 | Schriftsässigkeit ist die bevorrechtigte unmittelbare Unterstellung eines Menschen (oder einer Sache) unter die obere landesherrliche Behörde vom Spätmittelalter (etwa 1440) bis zum 19. Jh. (1848-1871). Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971 |
6243 | Schrobenhausen Lit.: Hamann, S., Schrobenhausen, 1977 |
6244 | Schröder, Richard (Treptow a. d. Tollense 19. 6. 1838-Heidelberg 3. 1. 1917), Vater Justizrat, später Rechtsanwalt (Studium in Göttingen und Berlin, Selbsttötung), wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Richthofen, Homeyer, Beseler, Gierke) und kurz in Göttingen 1866 außer-ordentlicher Professor in Bonn und 1872 ordentlicher Professor in Würzburg, 1882 in Straßburg, 1885 in Göttingen und 1888 in Heidelberg. Er verfasst die Geschichte des ehelichen Güterrechts (1869ff.) und ein erfolgreiches Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte (1884ff.). Lit.: Stutz, U., Richard Schröder, ZRG GA 38 (1917), VII; Webler, M., Leben und Werk des Heidelberger Rechtslehrers Richard Carl Heinrich Schroeder, 2005 |
6245 | Schulchan ‘Arukh →Karo |
6246 | Schuld (Wort um 765 belegt) ist einerseits die Bewertung eines Verhaltens als vorwerfbar (Verschulden), andererseits ein Verpflichtetsein zu einem Verhalten (Leistensollen). Die Vorwerfbarkeit wird grundsätzlich dort unbeachtet gelassen, wo das Eintreten eines Erfolgs bereits eine Folge nach sich zieht. Von daher könnte von einem erst allmählichen Entstehen des Ver-schuldens auszugehen sein. Verpflichtungen zur Leistung kennt schon das altrömische Recht. Innerhalb des Verschuldens wird im Laufe der Zeit zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit und weiteren Unterteilungen (unbedingter →Vorsatz, bedingter Vorsatz, grobe →Fahrlässigkeit, leichte Fahrlässigkeit) unterschieden. Bei den Verpflichtungen nimmt insbesondere ihre Zahl ins Unübersehbare zu. Streitig bzw. unklar ist das Verhältnis von S. als Leistensollen und →Haftung als Einstehenmüssen, insbesondere, ob in älteren Zeiten jede Schuld eine Haftung nach sich zieht oder ob neben jeder Schuld zusätzlich Haftung durch besonderes Geschäft begründet werden muss. Lit.: Kaser § 32 II 5; Hübner 493; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 15, 26, 35, 42, 49, 62, 63, 91, 116, 126, 163, 166, 204, 213, 240, 263, 269; Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, 1895; Puntschart, P., Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896; Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910, Neudruck 1969; Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 1966), 150; Engelmann, W., Irrtum und Schuld, 1922, Neudruck 1975; Kuttner, S., Kanonistische Schuldlehre, 1935; Hasler, J., Geschichte der Verschuldungsfreiheit in der Schweiz, 1941; Rotthaus, K., Redde und Schult, Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Benöhr, H., Die Entscheidung des BGB für das Verschuldensprinzip, TRG 46 (1978), 1; Diestelkamp, B., Die Lehre von Schuld und Haftung, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 21; Zimmermann, R., The law of obligations, 1992; Luthe, R., Die zweifelhafte Schuldfähigkeit, 1998; Hattenhauer, C., Schuldenregulierung nach dem westfälischen Frieden, 1998; Stübinger, S., Schuld, Strafrecht und Geschichte, 2000; Schmidt-Recla, A., Theorien zur Schuldfähigkeit, 2000; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Graeber, D., Schulden, 2012, 6. A: 2012 |
6247 | Schuldanerkenntnis (1888) ist der einseitig verpflichtende Vertrag, in dem der eine Teil (möglicherweise auch unabhängig von der Wahrheit) anerkennt, dem anderen eine Leistung als abstrakte Verbindlichkeit zu schulden. Im prozessualen Sinn kennt bereits das Mittelalter der Sache nach ein S. Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010 |
6248 | Schuldfähigkeit ist die Fähigkeit des Menschen, schuldhaft zu handeln. Lit.: Schmidt-Recla, A., Theorien zur Schuldfähigkeit, 2000 |
6249 | Schuldhaft ist die Haft wegen nicht erfüllter Schuld. Die S. entsteht aus der Schuldknechtschaft. Im Mittelalter kann bei fruchtloser Vermögensvollstreckung der Verurteilte in private S. oder später in öffentliche S. genommen werden. Durch Gesetz vom 29. 5. 1868 (4. 5. 1868 in Österreich, 1869 Zürich, 1874 Schweiz) wird nach dem Vorbild Englands und Frankreichs (1867) die S. beseitigt. Lit.: Köbler, DRG 116; Rintelen, M., Schuldhaft und Einlager im Vollstreckungsverfahren, 1908; Baumgart, R., Die Entwicklung der Schuldhaft im italienischen Recht des Mittelalters, 1914; Planitz, H., Der Schuldbann in Italien, ZRG GA 52 (1932), 134; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004 |
6250 | Schuldklage ist als Klage wegen einer Schuld eine Klageart seit dem Hochmittelalter. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973 |
6251 | Schuldknechtschaft ist die Überführung des nichtleistenden Schuldners in die Knechtschaft. Der Zugriff auf die Person des Schuldners steht im Mittelpunkt des klassischen römischen Zivilprozesses. Die S. ist auch dem germanischen und mittelalterlichen Recht bekannt. Danach wird sie von der →Schuldhaft abgelöst. Im Deutschen Reich wird die Personalexekution (Vollstreckung in einen Menschen) durch Gesetz vom 16. April 1871 abgeschafft und durch die allein noch zulässige Realexekution (Vollstreckung in das Vermögen einer Person) ersetzt. Lit.: Kaser §§ 32 II 4c, 81 III 1, 85 II 2a; Söllner § 8; Hübner; Köbler, DRG 33, 202; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910, Neudruck 1969; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004 |
6252 | Schuldner (Wort 1258 belegt) ist im Schuldverhältnis der zur Leistung Verpflichtete. Er muss anfangs auch mit seiner Person (Schuldhaft), später nur noch mit seinem Vermögen haften. Mehrere S. können Gesamthandsschuldner sein, Gesamtschuldner oder Teilschuldner. Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010 |
6253 | Schuldnerverzug →Verzug |
6254 | Schuldrecht (Wort 1550 belegt) ist das Recht der Schuldverhältnisse. Im römischen Recht wird die (lat. [F.]) obligatio bei Gaius (um 160 n. Chr.) als (lat. [F.]) res angesehen und deswegen dort behandelt. Allerdings wird streng zwischen (lat. [F.]) actio in rem (Klaganspruch gegen eine Sache) und actio in personam (Klaganspruch gegen eine Person auf ein bestimmtes Verhalten) Das S. wird als eigenes Rechtsgebiet erst in der Neuzeit erkannt und ist deswegen noch im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Öster-reichs (1811) als persönliches Sachenrecht Teil des Sachenrechts. Inhaltlich wird es stark vom römischen Recht geprägt. Seit dem 18. Jh. werden allgemeine Grundelemente als allgemeines Schuldrecht ausgesondert. Rechtstatsächlich nimmt das S. an Bedeutung stetig zu, weshalb das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) das S. auch vor dem Sachenrecht einordnet. Lit.: Köbler, DRG 164, 213, 217; Meyer, E., Über das Schuldrecht der deutschen Schweiz, 1913; Leonhard, F., Allgemeines Schuldrecht des BGB, 1929, Neudruck 2013; Leonhard, F., Besonderes Schuldrecht des BGB, 1931, Neudruck 2013; Charmatz, H., Zur Geschichte und Konstruktion der Vertragstypen im Schuldrecht, 1937; Stumpf. Karlheinz, Das Schuldrecht in den Fürstentümern Ansbach-Bayreuth im 17. und 18. Jahrhundert. Diss. jur. München 1957; Wenn, H., Das Schuldrecht Samuel Pufendorfs, 1958; Schubert, W., Windscheids Briefe an Planck, ZRG RA (1978), 283; Walliser, P., Zur Entscheidung des Schuldrechts, (in) Berner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1979, 1979; Lieb, M., Grundfragen einer Schuldrechtsreform, AcP 183 (1983), 327; Medicus, D., Zum Stand der Überarbeitung des Schuldrechts, AcP 188 (1988), 168; Ebel, W., Grundlegung zu einer Darstellung eines deutschen Schuldrechts des Mittelalters, ZRG GA 105 (1988); Zimmermann, R., The law of obligations, 1992; Gaibler, B., Das Schuldrecht des Oberpfälzer Landrechts, 1995; Benke/Meissel, Übungsbuch zum römischen Schuldrecht, 3. A. 1996, 8. A: 2014; Ranieri, F., Europäisches Obligationenrecht, 3. A. 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, hg. v. Artz, M. u. a., 2013 |
6255 | Schuldschein Lit.: Wackernagel, J., Städtische Schuldscheine als Zahlungsmittel, Beiheft 2 der VSWG 1924, 1 |
6256 | Schuldturm ist der öffentliche Ort (in der Stadt), in dem der Schuldner zwecks Vollstreckung für den Gläubiger in Haft genommen wird. In Sachsen wird die Überantwortung des zahlungsunfähigen Schuldners in die Hand des Gläubigers in den kursächsischen Konstitutionen (1572) durch die öffentliche Haft im Schuldturm ersetzt. Die Personalexekution endet im Deutschen Reich durch Gesetz vom 16. 4. 1871. Lit.: Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004 |
6257 | Schuldübernahme (Wort 1691) ist die vertragsweise Übernahme einer bestehenden Schuld durch einen neuen Schuldner (zusätzlich neben oder anstatt des bisherigen Schuldners, so dass der bisherige Schuldner ganz ausscheiden oder neben einem neuen Schuldner weiter auch Schuldner bleiben kann). Im römischen Recht ist die S. nur als Novation oder durch Prozess-vertretung möglich. Seit dem Spätmittelalter, vermehrt seit dem 18. Jh. wird die S. zulässig. In der Mitte des 19. Jh.s wird S. zu einem Fachausdruck. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) fordert bei der den bisherigen Schuldner befreienden (privativen) S. die Mitwirkung (z. B. Zustimmung) des Gläubigers, die bei zusätzlichem Eintritt eines weiteren Schuldners (kumulative S.) nicht erforderlich ist. Lit.: Kaser § 55 III; Hübner 567; Köbler, DRG 127, 214; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schlicht, C., Die kumulative Schuldübernahme, 2004; Wesener, G., Zession und Schuldübernahme im Codex Theresianus, (in) Spuren des römischen Rechtes, 2007, 693; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010 |
6258 | Schuldverhältnis (1838) ist das zwischen Schuldner und Gläubiger bestehende Rechtsverhältnis. Es wird als allgemeine Erscheinung erst im 19. Jh. (in der ab 1874 tätigen Entwurfskommission des Bürgerlichen Gesetzbuchs des deutschen Reiches vielleicht durch Hermann Karl Freiherr von Leonhardi [1809-1875]) erfasst. Lit.: Köbler, DRG 213; Seiler, H., Die Systematik der einzelnen Schuldverhältnisse, Diss. jur. Münster 1957 masch.schr.; Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, hg. v. Schubert, W., Recht der Schuldverhältnisse, Bd. 1ff. 1978ff.; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, hg. v. Schubert, W., Recht der Schuldverhältnisse, 1980ff.; Hadding, W., Schuldverhältnis, Forderung, rechtlicher Grund, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a. 1997; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010 |
6259 | Schuldverschreibung (1585) ist die Urkunde (Wertpapier), in der sich der Aussteller zur Zahlung einer bestimmten verzinslichen Geldsumme oder zu einer sonstigen Leistung an den Gläubiger verpflichtet (Schuldverschreibungsgesetz vom 4. 12. 1899). Lit.: Vogel, H., Das Schuldverschreibungsgesetz, 1996; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010 |
6260 | Schuldversprechen (1873) ist das eine →Schuld begründende einseitige Versprechen. Es ist bereits im altrömischen Recht möglich. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 27; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechts-wortschatzes, 2010 |