5761 | Reichsgesetz ist das vom →Reich geschaffene bzw. für das Reich geltende →Gesetz. Im Heiligen römischen Reich entsteht das R. auf Vorschlag (Proposition) des Kaisers durch Zustimmung der drei Kurien Kurfürstenkollegium, Reichsfürstenrat und Städtekollegium (Reichsgutachten) und des Kaisers (Reichsschluss). Wegen des verwickelten Verfahrens ist das R., von einigen Ausnahmen abgesehen (z. B. Constitutio Criminalis Carolina, Reichskammergerichtsordnung, Reichspolizeiordnung), nicht sehr bedeutsam. Dagegen wird im zweiten Deutschen Reich durch R. das deutsche Reichsrecht auf fast allen Gebieten vereinheitlicht (→Strafgesetzbuch, →Straf-prozessordnung, →Zivilprozessordnung, →Bürgerliches Gesetzbuch). Seit dem 19. Jh. wird das R. formell im Reichsgesetzblatt publiziert. Lit.: Köbler, DRG 148; Zeumer, K., Studien zu den Reichsgesetzen des 13. Jahrhunderts, ZRG GA 23 (1902), 61; Hartz, W., Die Gesetzgebung des Reichs, 1931; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Diestelkamp, B., Die deutsche Reichsgesetzgebung im 19. und 20. Jahrhundert, (in) Särtryk ur Rättshistorika studier (Serien II) Bd. 7 1982, 206 |
5762 | Reichsgesetzgebung →Reichsgesetz |
5763 | Reichsgraf ist seit der frühen Neuzeit der zum →Reich in unmittelbarer Beziehung stehende →Graf. Lit.: Böhme, E., Das fränkische Reichsgrafenkollegium im 16. und 17. Jahrhundert, 1989; Schmidt, G., Der Wetterauer Grafenverein, 1989; Arndt, J., Das niederrheinsch-westfälische Reichsgrafenkollegium, 1991; Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992; Busch, T., Herrschen durch Delegation, 2008 |
5764 | Reichsgut ist im Mittelalter das dem →Reich zustehende Gut (Eigen, Lehen u. s. w.). Die Abgrenzung des Reichsguts vom Hausgut ist kaum sicher durchzuführen. Seit dem Spätmittelalter ist das alte R. dem König verloren. Er muss sich allein auf sein Hausgut stützen. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 112, 150; Niese, H., Die Verwaltung des Reichsgutes im 13. Jahrhundert, 1905; Kraft, R., Das Reichsgut im Wormsgau, 1934; Rotthoff, G., Studien zur Geschichte des Reichsguts in Niederlothringen und Friesland, 1953; Mascher, K., Reichsgut und Komitat am Südharz, 1957; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Metz, W., Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte, 1967; Faußner, H., Herzogsgut und Reichsgut, ZRG GA 85 (1968), 1; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969; Boshof, E., Königtum und Königsherrschaft, 1993 |
5765 | Reichshaftpflichtgesetz ist das vor allem die →Gefährdungshaftung für Personenschäden bei dem Betrieb einer Eisenbahn anordnende Gesetz des zweiten Deutschen Reichs von 1871. Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 216; Schubert, W., Das Reichshaftpflichtgesetz ZRG GA 100 (1983), 238 |
5766 | Reichsheer →Heer Lit.: Kroeschell, DRG 2; Frauenholz, E. v., Entwicklungsgeschichte des deutschen Heerwesens, Bd. 1ff. 1935ff.; Huber, E., Heer und Staat in der deutschen Geschichte, 1938, 2. A. 1943; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Huber, E., Heer und Staat in der deutschen Geschichte, 1938, 2. A. 1943 |
5767 | Reichsheimstättengesetz ist das am 10. 5. 1920 nach amerikanischem Vorbild zur Sicherung einkommensschwacher Familien geschaffene deutsche Reichsgesetz, das dem Staat eine Art Obereigentum an der Heimstätte vorbehält. Lit.: Kroeschell, 20. Jh., 52; Wormit, H., Das Reichsheimstättengesetz, 1941, 4. A. 1967 |
5768 | Reichshistorie ist im 17. und 18. Jh. eine Hilfswissenschaft des deutschen Staatsrechts, die vor allem in Gießen, Marburg, Jena, Helmstedt, Halle und Göttingen gepflegt wird (→Thomasius, →Ludewig, →Gundling, →Pütter). Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Roeck, B., Reichssystem und Reichsherkommen, 1984; Aufklärung und Geschichte, hg. v. Bödeker, H., 1986; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988 |
5769 | Reichshofgericht →Hofgericht Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 114; Franklin, O., Das Reichshofgericht, Bd. 1f. 1867ff., Neudruck 1967; Vogel, Beiträge zur Geschichte des deutschen Reichshofgerichts, ZRG GA 2 (1881), 151; Hüttebräuker, L., Ein Reichshofgerichtsprozess zur Zeit Karls IV., ZRG GA 56 (1936), 178; Wohlgemuth, Das Urkundenwesen des deutschen Reichshofgerichts, 1973; Battenberg, F., Gerichtsschreiberamt und Kanzlei des Reichshofgerichts 1235-1451, 1974; Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts, bearb. v. Battenberg, F. u. a., 1987 |
5770 | Reichshofkanzlei ist die 1558/1559 für den Schriftverkehr des Reiches eingerichtete Kanzlei in Wien, die neben der Reichskanzlei und der Kanzlei des Reichskammergerichts steht. Sie nimmt die Kanzleigeschäfte des Reichshofrats wahr. Lit.: Groß, L., Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei, 1933 |
5771 | Reichshofrat bzw. anfangs königlicher oder kaiserlicher Hofrat ist der nach mittelalterlichen Vorläufern (am 13. 12.) 1497 begründete Hofrat (für Rechtssachen aus Reich und Erbländern und Gnadensachen) des Königs bzw. des Kaisers des Heiligen römischen Reiches in Wien (1559 Reichshofrat, Ordnung vom 3. 4. 1559). Er wird zunächst zur obersten Regierung und Justizbehörde bestimmt. Er entwickelt sich aber allmählich zu einem mit dem →Reichskammergericht konkurrierenden Gericht des ihn allein besetzenden und finanzierenden Kaisers (im 18. Jh. ganz überwiegend Reichshöchstgericht). Es ist mit dem Hofratspräsidenten als Vertreter des Kaisers und mit 12 bis 34 Räten besetzt. Es ist zuständig für kaiserliche Reservatrechte und Privilegien, Reichslehnssachen und Kriminalklagen gegen Reichsunmittelbare, örtlich auch für Reichsitalien, ab 1620 nicht mehr für die österreichischen Erbländer Bei einem Zuständigkeitsstreit mit dem Reichskam-mergericht entscheidet die frühere Befassung. Allmählich gewinnt der R. im Verhältnis zum Reichskammergericht wegen der kürzeren Verfahrensdauer das größere Gewicht (vielleicht 100000 Sacheinheiten bzw. Verfahren, etwa 70000 Akten aus der Prozesstätigkeit). Geordnet ist sein wenig strenges und wohl deswegen auch schnelleres Verfahren in Reichshofratsordnungen (z. B. 1527, 1537, 1541, (lat. [M.]) ordo consilii (Ratsordnung) um 1550, 1559, 1594, 1617, 1626). Von 1559 bis 1806 sind 445 Reichshofräte tätig. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 150, 153, 200; Fahnenberg, E., Literatur des kaiserlichen Reichskam-mergerichts und Reichshofrats, 1792; Fellner, T./Kretschmayr, H., Die österreichische Zentralverwaltung, 1907, Neudruck 1970, Nr. 4, 10, 12, 15; Gschließer, O. v., Der Reichshofrat, 1942; Sellert, W., Über die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Reichshofrat und Reichskammergericht, 1965; Landes, D., Achtverfahren vor dem Reichshofrat, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Die Ordnungen des Reichshofrates 1550-1766, hg. v. Sellert, W., 1981ff.; Jessen, P., Der Einfluss des Reichshofrates und des Reichskammergerichts, 1986; Hammerschmidt, E., War Hiob Ludolf Reichshofrat?, ZRG GA 104 (1987), 268; Reichshofrat und Reichskammergericht, hg. v. Sellert, W., 1999; Ortlieb, E., Im Auftrag des Kaisers. Die kaiserlichen Kommissionen des Reichshofrats, 2001; Hartmann-Polomski, C., Die Regelung der gerichtsinternen Organisation und des Geschäftsgangs der Akten als Maßnahmen der Prozessbeschleunigung am Reichshofrat, 2001; Ortlieb, E./Polster, G., Die Prozessfrequenz am Reichshofrat, ZNR 2004, 189; Ortlieb, E./Westphal, S., Höchstgerichtsbarkeit im alten Reich, ZRG GA 123 (2006), 291; Gerichtslandschaft altes Reich, hg. v. Amend, A. u. a., 2007; Ullmann, S., Geschichte auf der langen Bank. Die Kommissionen des Reichshofrats, 2006; Ehrenpreis, S., Kaiserliche Gerichtsbarkeit und Konfessionskonflikt, 2006; Petry, D., Konfliktbewältigung als Medienereignis, 2011 (Reichsstädtische Reichs-hofratsprozesse als frühneuzeitliche Medienereignisse) |
5772 | Reichshofratsprozess ist der seit dem Ende des 16. Jh.s vom →Reichshofrat ausgebildete besondere →Prozess. Er ist nicht durch ausführliche Prozessordnungen überliefert, weil der Reichshofrat sich stets auch als politisches Organ versteht. Er übernimmt den Reichskammergerichtsprozess nur soweit dies zweckmäßig erscheint und schränkt die Formalitäten des Prozesses stark ein. Dennoch ist er schriftlich. Die Artikulation hat nur geringe Bedeutung. Es gilt die Eventualmaxime. Ein Beweisinterlokut fehlt. Endurteile sind ziemlich selten. Gegen Urteile sind Revision, Nichtigkeitsklage und (lat.) →recursus (M.) ad comitia (Rekurs an den Reichstag) zugelassen. Lit.: Gschließer, O. v. Der Reichshofrat, 1942; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Die Ordnungen des Reichshofrates, hg. v. Sellert, W., 1981ff.; Die Akten des kaiserlichen Reichshofrats Serie Alte Prager Akten, Bd. 1ff. bearb. v. Ortlieb, E., 2008ff. |
5773 | Reichsinsignie ist das (weltliche) symbolische Zeichen des Heiligen römischen Reiches . →Insignie(n), Reichskleinod(ien) Lit.: Hofmeister, A., Die heilige Lanze, 1908; Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954 |
5774 | Reichsitalien ist der von 774 (Sieg Karls des Großen über die Langobarden) bis 1797 bzw. 1806 (Ende des Heiligen römischen Reiches) zum fränkisch-deutschen →Reich gehörige Teil →Italiens. Seine Zugehörigkeit ist im Hochmittelalter am deutlichsten. Eine genaue Kenntnis über alle Herrschaftsrechte in R. (um 1530 Mailand, Savoyen-Piemont, Parma-Piacenza, Modena-Reggio, Mantua, Montferrat, Florenz, Siena, Genua, Lucca und etwa 250 kleinere Lehen) besteht anscheinend zu keiner Zeit, zumal die sog. mathildischen Güter (Mathildes von Tuszien) zwischen dem Papst und dem König bzw. Kaiser des Heilgen römischen Reiches als Erben streitig sind. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pugliese, S., Le prime strette dell’Austria in Italia, 1932; Manaresi, C., I placiti del „Regnum Italiae“, Bd. 1ff. 1955ff.; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in Reichsitalien, Bd. 1f. 1970f.; Keller, H., Adelsherrschaft und städtische Gesellschaft in Oberitalien, 1979; Pauler, R., Das regnum Italiae, 1982 |
5775 | Reichsjustizamt ist das im zweiten Deutschen Reich seit 1877 für das Recht zuständige →Reichsamt. Lit.: Köbler, DRG 196; Vom Reichsjustizamt zum Bundesministerium der Justiz, Festschrift zum 100jährigen Gründungstag des Reichsjustizamtes, 1977; Schulte-Nölke, H., Das Reichsjustizamt und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, 1995 |
5776 | Reichsjustizgesetz ist das zum Anfang des Jahres 1877 veröffentlichte, am 1. 10. 1879 in Kraft getretenen, die Gerichtsbarkeit be-treffende Gesetze des zweiten Deutschen Reichs. Reichsjustizgesetze sind Gerichtsverfassungsgesetz, Zivilprozessordnung, Strafprozessordnung, Konkurs-ordnung, Rechtsanwaltsordnung und Gerichtskostengesetz). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 182; Müller, H., Die Entstehungsgeschichte des Gerichtsverfassungsgesetzes, Diss. jur. Tübingen 1939; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Sellert, W., Die Reichsjustizgesetze von 1877, JuS 17 (1977), 781 |
5777 | Reichskammergericht ist das als Gericht der Reichsstände im Zuge der Reform des Heiligen römischen Reichs 1495 aus dem königlichen Kammergericht entstehende Gericht. Seine Verfassung ist in der Reichskammergerichtsordnung von 1495 sowie späteren Reichskammergerichts-ordnungen (z. B. 1555) geregelt. Es ist mit einem vom Kaiser ernannten Kammerrichter (Vorsitzer) und erst 16, 1556 32, später bis zu 41, von unterschiedlichen Berechtigten (Kaiser, Kurfürsten, sonstigen Reichsfürsten) vorgeschlagenen (präsentierten), grundsätzlich je zur Hälfte adligen(, aber seit etwa 1530 auch fast durchweg gelehrten,) und (nur) gelehrten (und öfter nach Ernennung geadelten) Beisitzern (Assessoren, Urteilern), die anfangs zwei (1530), später vier Senaten zugeteilt sind, zu schwach und meist nicht vollständig besetzt. Es ist 1495 in Frankfurt am Main, 1527 in Speyer und 1693 in Wetzlar untergebracht. Die österreichischen Erbländer sind ausgenommen. Zuständig ist es teils in erster, teils in letzter Instanz vor allem für Rechtsverweigerung, Landfriedensbruch, bürgerliche Klagen gegen Reichsunmittelbare sowie die angesichts der sich häufenden Nichtappellationsprivilegien immer selteneren noch zulässigen Appellationen (auch in Polizeisachen). In Anspruch genommen wird es bei durchschnittlich etwa 250 Eingängen im Jahr (um 1500 70, um 1600 700, um 1700 200) örtlich vor allem am Rhein (also in der Nähe Speyers bzw. Wetzlars), ständisch hauptsächlich von städtischer Oberschicht und adliger Unterschicht sowie sachlich in Bezug auf Geldwirtschaft und Landfrieden (bis 1550 etwa 10000, bis 1594 etwa 30000, bis 1693 etwa 55000, bis 1760 etwa 60000, bis 1806 etwa 75000 Streitsachen, davon acht tatsächlich durchgeführte Revisionsverfahren). Es urteilt nach den hergebrachten örtlichen Gewohnheiten und Statuten sowie theoretisch subsidiär, praktisch aber vorrangig nach den gemeinen Rechten (römisch-kanonischem Recht des →usus modernus pandectarum). In sein Umfeld gehören Fiskalprokurator, Prokuratoren und →Advokaten. Vielleicht lässt sich eine steigende Zahl von Klagen im ausgehenden 18. Jh. mit einem neuen Glauben an alte Freiheiten in alten Urkunden erklären, der Frankreichs revolutionäre Vernichtung der alte Unfreiheiten bezeugenden alten Urkunden gegenübersteht. Mit dem Heiligen römischen Reich geht es 1806 unter. Seine Akten werden danach auf zahlreiche Archive verteilt. Erhalten sind von bisher etwa 77800 nachweisbaren Prozessakten in der Gegenwart noch schätzungsweise 71000 Prozessakten und Entscheidungen (einschließlich von Zwischenurteilen) in den noch erhaltenen Urteilsbüchern zu 47500 Prozessen (vorwiegend zwischen 1684 und 1806) bzw. 76203 Reichskammergerichtsakten in 46 Archiven (1847-1852 71617 Prozessakten nach dem Wohnsitz des Beklagten verteilt auf die vierzig Staaten - Anhalt-Bernburg, Anhalt-Dessau, Anhalt-Köthen, Baden, Bayern, Braunschweig, Bremen, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Hessen-Darmstadt, Hessen-Homburg, Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen, Holstein-Lauenburg, Kurhessen, Liechtenstein, Limburg, Lübeck, Lippe, Luxemburg, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Nassau, Oldenburg, Österreich, Preußen [1924 auf 12 Staatsarchive aufgeteilt], Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Sachsen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Weimar, Schaumburg-Lippe, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck, Württemberg, Belgien, mindestens 50 Lagerorte bekannt) (am 31. 3. 2003 43303 Akten verzeichnet und 69 Inventarbände bereits erschienen, 2010 rund 74800 = etwa 96 Prozent verzeichnet, [es fehlen noch Calenberg-Grubenhagen 642, Lüneburg 380, Metz, Lüttich, Wien rund 2000, dabei 14050 Verzeichnungen noch nicht veröffentlicht, rund 10600 Prozess-akten weniger ausführlich inventarisiert, Inventarisierung auch nicht völlig einheitlich, Gesamtbestand der überlieferten Reichskammergerichtsverfahren daher nur schwer zu überblicken], virtuelle Vereinung mit beträchtlichem Aufwand möglich, aber sinnvoll, vgl. http://www.hoechstgerichtsbarkeit.rub.de/-db/search.aspx, 38 Abfragekriterien; Schildt, B., Virtuelle Zusammenführung und inhaltlich-statistische Analyse der überlieferten Reichskammergerichts-prozesse, (in) Forschung in der digitalen Welt. Sicherung, Erschließung und Aufbereitung von Wissensbeständen, hg. v. Hering, R. u. a., 2006, 125ff., 31. 05. 2010 36054 Verfahren aus vollständig erfassten Verfahren und 2988 Verfahren - von 18152 - aus teilweise erfassten Inventaren, Verknüpfung mit der getrennt überlieferten, im Volltext zu veröffentlichenden Entscheidungsliteratur sinnvoll). Die sehr unterschiedliche Inanspruchnahme des Reichskammergerichts in Raum und Zeit lässt sich nicht durch eine einzige Ursache erklären. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 137, 147, 153, 200; Fahnenberg, E., Literatur des kaiserlichen Reichskammergerichts und Reichshofrats, 1792; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965; Poetsch, J., Die Reichsjustizreform von 1495, 1912; Spangenberg, H., Die Entstehung des Reichskammergerichts und die Anfänge der Reichsverwaltung, ZRG GA 46 (1926), 231; Repertorium der Akten des Reichskammergerichts Untrennbarer Bestand, bearb. v. Koser, O., Bd. 1f. 1933ff., Neudruck 2006; Repertorium der Akten des ehemaligen Reichskammergerichts im Staatsarchiv Koblenz, bearb. v. Looz-Corswarem, O. Graf zu u. a., 1957; Latzke, W., Das Archiv des Reichskammergerichts, ZRG GA 78 (1961), 321; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966; Hinz, M., Der Mandatsprozess des Reichskammergerichts, Diss. jur. Berlin (FU) 1966; Sellert, W., Die Ladung des Beklagten vor das Reichskammergericht, ZRG GA 84 (1967), 202; Pitz, E., Ein niederdeutscher Kammergerichtsprozess von 1525, 1969; Heusinger, B., Vom Reichskammergericht, 1972; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Weitzel, J., Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts als Appellationsgericht, ZRG GA 90 (1973), 213; Broß, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen der Reichskammergerichtsordnung von 1495, 1973; Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, hg. v. Laufs, A., 1976; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976; Diestelkamp, B., Das Reichskammergericht im Rechtsleben des 16. Jahrhunderts, FS A. Erler, 1976, 435; Duchhardt, H., Die kurmainzischen Reichskammergerichtsassessoren, ZRG GA 94 (1977), 88; Schulz, P., Die politische Einflussnahme auf die Entstehung der Reichskammergerichtsordnung 1548, 1980; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Findbuch zu den Reichskammergerichtsakten 1524-1806 (in Oldenburg), bearb. v. Eckhardt, A., 1982; Mencke, K., Die Visitationen am Reichskammergericht, 1984; Eberling, H., Findbuch zu den Reichskammergerichtsakten 1551-1806, 1985; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, FS A. Erler, 1986, 44; Ranieri, F., Recht und Gesellschaft im Zeitalter der Rezeption, 1986; Jessen, P., Der Einfluss des Reichshofrates und des Reichskammergerichts, 1986; Ebeling, H., Findbuch zum Bestand Reichskammergericht (1515-1806), Rep. 900 (des Staatsarchivs Osnabrück), 1986; Stein-Stegemann, H., Findbuch der Reichskammergerichtsakten im Archiv der Hansestadt Lübeck, 1987; Ranieri, F., Die Arbeit des Reichskammergerichts in Wetzlar, 1988; Hausmann, J., Die Kameralfreiheiten des Reichskammergerichtspersonals, 1989; Das Reichskammergericht in der deutschen Geschichte, hg. v. Diestelkamp, B., 1990; Kratsch, D., Justiz – Religion – Politik, 1990; Reichskammergerichts-akten im hessischen Staatsarchiv Darmstadt und im gräflich solmsischen Archiv in Laubach, bearb. v. Korte-Böger, A. u. a., 1990; Die politische Funktion des Reichskammergerichts, hg. v. Diestelkamp, B., 1993; Akten des Reichskammergerichts im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, hg. v. Brunotte, A. u. a., Bd. 1ff. 1993ff.; Bayerisches Hauptstaatsarchiv. Reichskammergericht, Bd. 1ff. 1994ff.; Diestelkamp, B., Reichskammergericht und Rechtsstaatsgedanke, 1994; Frieden durch Recht. Das Reichskammergericht von 1495 bis 1806, hg. v. Scheurmann, I., 1994; Fern vom Kaiser, hg. v. Hausmann, J., 1995; Diestelkamp, B., Rechtsfälle aus dem alten Reich, 1995; Friedenssicherung und Rechtsgewährung, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1997; Inventar der lippischen Reichskammergerichtsakten, bearb. v. Bruckhaus, M. u. a., 1997; Findbuch der Akten des Reichs-kammergerichts im Landesarchiv Magdeburg, Bd. 1, bearb. v. Lücke, D., 1997; Baumann, A., Das Reichskammergericht in Wetzlar (1693-1806) und seine Prokuratoren, ZRG GA 115 (1998), 474; Reichskammergericht, Köln Bd. 1ff., bearb. v. Kordes, M., 1998; Sailer, R., Untertanenprozesse vor dem Reichskammergericht, 1999; Oer, R. Freiin v., Der münsterische „Erbmännerstreit“, 1999; Reichshofrat und Reichskammergericht, hg. v. Sellert, W., 1999; Weitzel, J., Das Inventar der Akten des Reichskammergerichts, ZNR 1999, 408; Baumann, A., Advokaten und Prokuratoren am Reichskammergericht in Speyer (1495-1690), ZRG GA 117 (2000), 550; Inventar der Akten des Reichskammergerichts 1495-1806, Frankfurter Bestand, bearb. v. Kaltwasser, I., 2000; Baumann, A., Die Gesellschaft der frühen Neuzeit im Spiegel der Reichskammergerichtsprozesse, 2001; Volk, O., Die Wohnungen der Kameralen in Wetzlar, 2001; Fuchs, B., Die Sollicitatur am Reichskammergericht, 2002; Klass, A., Standes- oder Leistungselite?, 2002; Das Reichskammergericht am Ende des alten Reiches und sein Fortwirken im 19. Jahrhundert, hg. v. Diestelkamp, B., 2002; Prange, W., Vom Reichskammergericht in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, 2002; Stein, A., Advokaten und Prokuratoren am Reichskammergericht in Wetzlar (1693-1806) als Rechtslehrer und Schriftsteller, 2002; Jahns, S., Das Reichskammergericht und seine Richter Teil 2, 2003; Schildt, B., Inhaltliche Erschließung und ideelle Zusammenführung der Prozessakten des Reichskammergerichts mittels einer computergestützten Datenbank, ZNR 25 (2003), 269; Das Reichskammergericht, hg. v. Diestelkamp, B., 2004; Gedruckte Relationen und Voten des Reichskammergerichts, bearb. v. Baumann, A., 2004; Oestmann, P., Aus den Akten des Reichskammergerichts, 2004; In eigener Sache, hg. v. Westphal, S., 2005; Mader, E., Die letzten „Priester der Gerechtigkeit“, 2005; Ortlieb, E./Westphal, S., Höchstgerichtsbarkeit im alten Reich, ZRG GA 123 (2006), 291; Mader, E., Das Reichskammergericht, der Reichsdeputationshauptschluss und die Auflösung, 2006 (Vortrag); Baumann, A., Advokaten und Prokuratoren, 2006; Schildt, B., Reichskammergericht, JURA 2006, 493; Gerichtslandschaft altes Reich, hg. v. Amend, A. u. a., 2007; Diestelkamp, B., Prozesskosten in Verfahren am Reichskammergericht, FS Wilhelm Brauneder, 2008, 81; Friedrich, W., Territorialfürst und Reichsjustiz, 2008; Ein Zivilprozess am Reichskammergericht, hg. v. Oestmann, P., 2009; Akten des Reichskammergerichts im Hauptstaatsarchiv Hannover. Hochstift Hildesheim und benachbarte Territorien 1495-1806, bearb. v. Kauertz, C. u. a., Teil 1ff. 2009; Inventar der pfälzischen Reichskammergerichtsakten. Landesarchiv Speyer Best. E 6, bearb. v. Armgart, M. u. a., 2010; Das Reichskammergericht im Spiegel seiner Prozessakten, hg. v. Battenberg, F./Schildt, B., 2010; Baumann, A., Reichskammergericht und Universitäten, HZ 292 (2011), 365; Jahns, S., Das Reichskammergericht und seine Richter, Bd. 1 2011; Riemer, R., Frankfurt und Hamburg vor dem Reichskammergericht, 2011; Wunderlich, S., Das Protokollbuch von Mathias Alber, 2011; Bähr, M., Die Sprache der Zeugen, 2012; Diestelkamp, B., Ein Kampf um Freiheit und Recht, 2012 |
5778 | Reichskammergerichtsprozess ist der →Prozess vor dem Reichskammergericht. Er wird bereits in der Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1495 erstmals und lückenhaft und in insgesamt mehr als 15 Reichskam-mergerichtsordnungen (z. B. 1555) vertieft geregelt. Er beruht auf dem in Oberitalien entwickelten römisch-kanonischen Prozessrecht des Spätmittelalters. Der R. ist schriftlich. Es gelten der Verhandlungsgrundsatz, die Dispositions-maxime und das Prinzip der Artikulation. Nach Litiskontestation (→litis contestatio) und Ablegung des →Kalumnieneids kann der Beklagte auf den artikulierten Prozessvortrag des Klägers antworten. Über die bestrittenen Artikel wird Beweis erhoben. Nach der Beweisaufnahme kann der Beklagte artikuliert Einwände vorbringen. Da hierdurch die Prozessdauer verlängert wird, bemüht sich das Reichskammergericht bereits 1521 um Beschleunigung. 1654 wird die Artikulation beseitigt. Lit.: Ludolff, G., Corpus iuris cameralis, 1724; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965; Maass, P., Die Zivilprozessreform des jüngsten Reichsabschiedes, Diss. jur. Münster 1925; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1965; Hinz, M., Der Mandatsprozess des Reichskammer-gerichts, Diss. jur. Berlin 1966; Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, hg. v. Laufs, A., 1976; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Prozesspraxis im alten Reich, hg. v. Baumann, A. u. a., 2005 |
5779 | Reichskanzlei ist die →Kanzlei des →Reiches bzw. Hofes. Ihr steht 870 erstmals, seit 965 auf Dauer, seit dem 11. Jh. als Reichserzkanzler der →Erzbischof von →Mainz vor. König Maximilian I. trennt 1498 von der R. eine Hofkanzlei, die 1558 mit der R. zur Reichshofkanzlei verbunden wird. Seit Beginn des 17. Jh.s hat die R. ihren festen Sitz in Wien, wobei sich der Erzbischof von Mainz durch einen Reichsvizekanzler vertreten lässt. Für die österreichischen Erbländer treten österreichische Hofkanzlei und böhmische Hofkanzlei an ihre Stelle. Im zweiten Deutschen Reich ist (seit 1879) die R. die Geschäftsstelle des Leiters der Reichsregierung. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 150; Forstreiter, E., Die deutsche Reichskanzlei, Diss. phil. Wien 1924; Groß, L., Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559 bis 1806, 1933; Walter, A., Die deutsche Reichskanzlei, 1938; Hausmann, F., Reichskanzlei und Hofkapelle unter Heinrich V. und Konrad III., 1956; Koch, W., Die Reichskanzlei in den Jahren 1167 bis 1174, 1973; Herkenrath, R., Die Reichskanzlei in den Jahren 1174 bis 1180, 1977; Koch, W., Die Schrift der Reichskanzlei im 12. Jahrhundert (1125-1190), 1979; Akten der Reichskanzlei. Regierung Hitler 1933-1938, hg. v. Repgen, K., Teil 1 Bd. 1ff. 1983ff.; Herkenrath, R., Die Reichskanzlei in den Jahren 1181 bis 1190, 1985; Wahl—und Krönungsakten des Mainzer Reichserzkanz-lerarchivs 1486-1711, bearb. v. Schlösser, S., 1993; Neumann, M., Von der Reichskanzlei zum Bundeskanzleramt, AöR 1999, 1; Schütz, A., Kronrat und Reichskanzlei als Zentralbehörden des Reiches unter Ludwig dem Bayern, 2002 |
5780 | Reichskanzler ist der Leiter der Reichskanzlei bzw. im zweiten Deutschen Reich der Vorsitzende des Bundesrats bzw. de facto einzige Minister des Reiches, der meist zugleich Ministerpräsident Preußens ist (z. B. Otto von Bismarck). Gegenüber dem Reichstag ist der R. erst ab 28. 10. 1918 verantwortlich. Ab 1919 wird der R. als Leiter der aus mehreren Ministern bestehenden Reichsregierung vom Reichspräsidenten ernannt. Am 2. 8. 1934 vereinigt R. Adolf Hitler nach dem Tod des Reichspräsidenten Hindenburg das Amt des Reichspräsidenten mit dem Amt des Reichskanzlers. Mit seinem Tod endet die Reihe der R. In der Bundesrepublik Deutschland tritt 1949 der Bundeskanzler an seine Stelle. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 195, 196, 222, 230; Bärmann, J., Zur Entstehung des Mainzer Erzkanzleramtes, ZRG GA 75 (1958), 1; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. A. 1933, Neudruck 1968; Conze, W., Brüning als Reichskanzler, HZ 214 (1972), 310; Der Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler, hg. v. Hartmann, P., 1997; Kurmainz, das Reicherzkanzleramt und das Reich, hg. v. Hartmann, P., 1998; Fesser, G., Reichskanzler Fürst von Bülow, 2003; Hömig, H., Brüning, 2005; Stalmann, V., Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, 2009 |