5601 | recessus (M.) imperii (lat.) Reichsabschied |
5602 | Rechnung ist der Vorgang und das Ergebnis des Erfassens und Behandelns von Gegebenheiten durch Zahlen. Lit.: Mersiowsky, M., Die Anfänge territorialer Rechnungslegung im deutschen Nordwesten, 2000; Die ältesten Rechnungsbücher des Klosters Scheyern 1339-1363, hg. v. Toch, M., 2000; Weiss, S., Buchhaltung und Rechnungswesen des Avignoneser Papsttums (1316-1378), 2003; Die Aachener Stadtrechnungen des 15. Jahrhunderts, bearb. v. Kraus, T., 2004; Stadtkölnische Reiserechungen, bearb. v. Militzer, K., 2007; Mihm, M. u. a., Mittelalterliche Stadtrechnungen, 2007f.; Lübbers, B., Die ältesten Rechnungen des Klosters Aldersbach (1291-1373. |
5603 | Rechnungshof ist das die Rechnung, die Wirtschaftlichkeit und die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsführung des Staates überprüfende staatliche Organ seit dem Spätmittelalter bzw. 18. Jh. (Frankreich 1318, Sachsen 1707, 1761 Österreich Rechen-Cammer, 1854 oberste Rechnungs-Kontroll-Behörde, 1919 Staatsrechnungshof, Preußen 1714 General-Rechenkammer, 1824, Oberrechnungskammergesetz 1872). Lit.: Städtehaushalt und Rechnungswesen, hg. v. Maschke, E. u. a., 1977; Brodersen, C., Rechnungsprüfung für das Parlament in der konstitutionellen Monarchie, 1977; Zavelberg, H., 275 Jahre staatliche Rechnungsprüfung, (in) Die Kontrolle der Staatsfinanzen, 1989, 43; Störring, J., Die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten, 2013; Krysl, V., Die Rechnungshöfe in Bayern, Thüringen, Kärnten und der Steiermark im Rechtsvergleich, 2014; 300 Jahre externe Finanzkontrolle in Deutschland - gestern, heute und morgen. Festschrift, hg. v. Engels, D., 2014 |
5604 | Rechnungsprüfung ist die Überprüfung einer Rechnungsgestaltung. Sie beruht auf der im 12. Jh. sich ausbildenden Rech-nungslegung. Lit.: List, H., Die geschichtliche Entwicklung der Rechnungsprüfung, Diss. jur. Tübingen 1998; Mersiowsky, M., Die Anfänge territorialer Rechnungslegung, 1999 |
5605 | Recht (lat. ius N.) ist die menschliche, auf die Gerechtigkeit abstellende Sollensordnung (R. im objektiven Sinn) und der in ihr dem Einzelnen zustehende Anspruch (R. im subjektiven Sinn). Das R. ist ein Ergebnis des menschlichen Zusammenlebens. Es entsteht anfangs wohl regelmäßig aus der Sitte als dem Üblichen. Hinzu kommt zu einem unbekannten Zeitpunkt die bewusste Setzung (Gesetz, z. B. Codex Urnammu 2100 v. Chr., Codex →Hammurapi des babylonischen Königs Hammurapi 1728-1686 v. Chr.?, Lykurg, Solon, Drakon, →Zwölftafelgesetz in Rom 451/450 v. Chr.). In Rom erfolgt die Auslegung des Gesetzes wegen der Nähe von R. und Religion zuerst durch Priester, danach durch den rechtswissenschaftlich gebildeten Fachmann (Rechtskundigen). Verstanden wird diese Tätigkeit als (lat.) ars (F.) boni et aequi (Kunst des Guten und Gerechten, Celsus filius 129 n. Chr.). Der oströmische Kaiser →Justinian (527-565) fasst am Ende der spätrömischen Zeit das römische R. in →Institutionen, →Codex und →Pandekten (sowie →Novellen) zusammen. Das R. der Germanen ist ungeschrieben und wohl weitgehend durch Übung entstanden. Auf einen Rechtsgott wird es ebensowenig zurückgeführt wie in Rom. Als Gemenge von hergebrachten Sätzen (→Weistümer) und neuen Beschlüssen (→Konstitutionen) zeichnen die von den Germanen abstammenden Einzelvölker nach dem Vorbild der Römer und der Kirche ihr R. in den sog. →Volksrechten oder Stammesrechten zwischen dem 5. und 9. Jh. auf. Dieses R. muss nicht notwendig alt und gut sein, obwohl es vielfach alt und anerkannt ist. Seit dem 12. Jh. wird das R. nicht mehr personal, sondern territorial bestimmt (→Landrecht, →Stadtrecht). Neben das partikulare R. tritt das allgemeine (→gemeine) R. (kirchliches R., wiederentdecktes römisches R.). Placentinus († 1192) sieht dabei in (lat.) ius publicum und ius privatum duae res (zwei Dinge). Seit dem Spätmittelalter wird dieses in den Universitäten →gelehrte R. fast überall teilweise aufgenommen, an die zeitgenössischen Bedürfnisse (lat. usus [M.] modernus, moderner Gebrauch) angepasst und geordnet und der Begriff des Rechtes zunehmend positiviert. Seit dem 17. Jh. wird das R. verstärkt auf seine Natürlichkeit bzw. Vernünftigkeit überprüft (→Vernunftrecht, säkulares →Naturrecht). Im Ergebnis wird es vielfach in nationalen Gesetzbüchern festgelegt ([Bayern 1751-1756,] Preußen 1794, Frankreich 1804ff., Österreich 1811/1812, Spanien 1829ff., Italien 1865ff., Deutschland 1871ff.). Bis zur Gegenwart steigt die Flut rechtlicher Regelungen auf allen Ebenen (Vereinte Nationen, Europa, Staat, Provinz/Region/Land, Kommune u. s. w.) ins Unüberschaubare an (Deutschland 1996 ca. 85000 bundesgesetzliche Regelungen). Vorrangige Bedeutung erlangt dabei die →Verfassung. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 1, 3, 14, 29, 47, 51, 69, 79, 108, 113, 137, 140, 149, 180, 191, 205, 226, 229, 253; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 231; Grimm, J., Von der Poesie im Recht, Z. f. geschichtliche Rechtswissenschaft 2, 1 (1816), 25; Puchta, G., Das Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff., Neudruck 1965; Kern, F., Über die mittelalterliche Anschauung vom Recht, HZ 115 (1916), 496; Fehr, H., Das Recht im Bilde, 1923; Müller, G., Recht und Staat in unserer Dichtung, 1924; Holland, T., The elements of jurisprudence, 13. A. 1924; Stammler, R., Deutsches Rechtsleben, B. 1f. 1928ff.; Rehfeldt, B., Die Vergeistigung des Rechtes, ZRG GA 67 (1950), 373; Rehfeldt, B., Die Wurzeln des Rechtes, 1951; Wengler, L., Die Quellen des römischen Rechtes, 1953; Odenheimer, J., Der christlich-kirchliche Anteil an der Verdrängung der mittelalterlichen Rechtsstruktur und an der Entstehung der Vorherrschaft des staatlich gesetzten Rechts im deutschen und französischen Rechtsgebiet, 1957; Krause, H., Dauer und Vergänglichkeit im mittelalterlichen Recht, ZRG GA 75 (1958), 206; Schönfeld, W., Über die Heiligkeit des Rechts, 1957; Das subjektive Recht, hg. v. Coing, H., 4. A. 1962; Sawer, G., Law in Society, 1965; Hattenhauer, H., Zur Autorität des germanisch-mittelalterlichen Rechtes, ZRG GA 83 (1966), 258 (Antrittsvorlesung); Kaser, M., Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS 1967, 337; Böckenförde, E., Der Rechtsbegriff, Archiv f. Begriffsgesch. 12 (1968), 145; Zippelius, R., Das Wesen des Rechts, 2. A. 1969; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Schmelzeisen, G., Objektives und subjektives Recht – zu ihrem Verhältnis im Mittelalter, ZRG GA 90 (1973), 101; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; NS-Recht in historischer Perspektive, 1981; Gmür, R., Rechtswirkungsdenken in der Privatrechtsgeschichte, 1981; Schlosser, H., Rechtsgewalt und Rechtsbildung im ausgehenden Mittelalter, ZRG GA 100 (1983), 9; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Das römische Recht im Mittelalter, hg. v. Schrage, E., 1986; Grimm, D., Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft, 1987; Würtenberger, T., Zeitgeist und Recht, 1987; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Henke, W., Recht und Staat, 1988; Rüthers, B., Entartetes Recht, 2. A. 1989; Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten, hg. v. Schulze, R., 1992; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre des 18. Jahrhunderts, 1993; Recht und Verfahren, hg. v. Kroeschell, K., 1993; Rückert, J., Die Rechtswerte der germanistischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 275; Kroeschell, K., Der Rechtsbegriff der Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 315; Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997; Gaudemet, J., Les naissances du droit, 1997; Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, Bd. 1, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Diestelkamp, B., Recht und Gericht im heiligen römischen Reich, 1999; Blanke, H., Das Recht als Mittel der Machtpolitik, 2002; Rechtsbegriffe im Mittelalter, hg. v. Cordes, A. u. a., 2002; Rudolph, H., Rechtskultur in der frühen Neuzeit, HZ 278 (2004) 347; Uertz, R., Vom Gottesrecht zum Menschenrecht – Das katholische Staatsdenken in Deutschland (1789-1965), 2005; Die zeitliche Dimension des Rechts, hg. v. Pahlow, L., 2005; Stier, A., „Richtiges Recht“, 2006; Röder, T., Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, 2006; Rechtsveränderungen im politischen und sozialen Kontext mittelalterlicher Rechtsvielfalt, hg. v. Esders, S. u. a., 2006; Schröder, J., Zur Entwicklung des Rechtsbegriffs in der Neuzeit, Gedächtnisschrift Jörn Eckert 2008, 835; Ausbildung des Rechts, hg. v. Böse, K. u. a., 2009; Hamza, G., Die Untergliederung der modernen Rechtsordnungen und die römischrechtliche Tradition, Seminarios Complutenses 22 (2009), 191; Ausbildung des Rechts, hg. v. Böse, K. u. a., 2009; Grossi, P., Das Recht in der europäischen Geschichte, 2010; Bühler, T., Rechtsschöpfung und Rechtswahrung, 2012; Kontroversenum das Recht - Beiträge zur Rechtsbegründung bon Vitoria bis Suárez, hg. v. Bunge, K. u. a. 2012; Foljanty, L., Recht oder Gesetz, 2013; UNgerechtes Recht, hg. v. Müßig, U., 2013 |
5606 | Recht am Bild ist im 20. Jh. ein →Persönlichkeitsrecht eines Menschen an den von ihm angefertigten Abbildungen. Lit.: Kroeschell, DRG 3 |
5607 | Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist im deutschen Recht der Gegenwart ein absolut geschütztes Recht des § 823 I BGB. Lit.: Kroeschell, 20. Jh. |
5608 | Recht und Dichtung Lit.: Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Fehr, H., Die Dichtung im Recht, 1936; Schmidt-Wiegand, R., Recht und Dichtung, HRG, Bd. 4 1985, 232 |
5609 | Recht zur Sache s. (lat.) ius ad rem |
5610 | Rechtliches Gehör ist die rechtmäßige Anhörung eines Betroffenen. Die bereits dem griechischen (attischen) Verfahren im Altertum bekannte Notwendigkeit des rechtlichen Gehöres für ein einwandfreies Entscheidungsverfahren wird schon bei Seneca (4 v. Chr.-65 n. Chr., lat. audiatur et altera pars, es werde auch die andere Seite gehört) betont. Als eigenständiger Grundsatz tritt das rechtliche Gehör erst im Gefolge der Aufklärung hervor. Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Rüping, H., Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, 1976, 12; Wacke, W., Audiatur et altera pars, Jur. Arbeitsblätter 12 (1980), 594; Bretschneider, T., Die Rechtsprechung des bayerischen Verfassungsgerichtshofs, 2006 |
5611 | Rechtlosigkeit ist das Fehlen der →Rechtsfähigkeit. Die R. ist in gewissem Umfang Begleiterscheinung der ständischen Verschiedenheit vom Altertum bis ins 19. Jh. (Frankreich 1789 egalité). Lit.: Kaser; Hübner § 14; Budde, J., Über Rechtlosigkeit, Ehrlosigkeit und Echtlosigkeit, 1842; Schröder, H., Die Rechtlosigkeit der Frau im Rechtsstaat, 1979 |
5612 | Rechtsaltertum ist die sinnlich erkennbare Erscheinung vergangenen Rechtes (Gegenstände, Symbole, Quellen, Institute). Lit.: Kroeschell, DRG 1; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1992, 1994; Koch, E., Rheinhessische Rechtsaltertümer, 1939; Höfel, O., Rechtsaltertümer Rheinhessens, 1940; Amira, K. v., Germanisches Recht, 4. A., Bd. 2, ergänzt v. Eckhardt, K., 1967; Oestmann, P., Germanisch-deutsche Rechtsaltertümer im Barockzeitalter, 2000 |
5613 | Rechtsanwalt ist der unabhängige fachmännische Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Er ist rechtswissenschaftlich geschult. Er erscheint seit dem 12. Jh., wobei zeitweise zwischen →Advokat und →Prokurator unterschieden wird. Im Gegensatz zum →Fürsprecher ist er Vertreter in der Sache. Nach Freigabe der Rechtsanwaltschaft 1879 entwickelt sich der Rechtsanwaltsberuf zumal in Berlin zu einer klassisch jüdischen Profession (1933 19208 Rechtsanwälte im Deutschen Reich, etwa 5000 nichtarisch, in Wien am 13. 3. 1938 2541 Rechtsanwälte, am 31. 12. 1938 nur noch 771, in Berlin 1935 von 3400 = 54 Prozent jüdische Rechtsanwälte). Im 20. Jh. nimmt die Zahl der Rechtsanwälte entsprechend der Zunahme der Studierenden der Rechtswissenschaft (Erstsemester 1960 3173, 1970 6703, 1980 14446, 1990 15953, 2000 18455) stark zu (Deutschland 1960 18720, 1970 23599, 1980 37314, 1990 59455, 2000 110367). In der Deutschen Demokratischen Republik hat der R. bei insgesamt meist nur rund 600 Berufsvertretern keine besondere Bedeutung, doch bemüht sich die größte Zahl der Rechtsanwälte um korrekte Tätigkeit vor allem in Mietstreitigkeiten. Lit.: Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905; Hachenburg, M., Lebenserinnerungen eines Rechtsanwalts, 1927; Kollmann, Zur Entwicklung des Ausbildungs- und Prüfungswesens, FS Laforet, 1952, 445; Dübi, A., Die Geschichte der bernischen Anwaltschaft, 1955; Huffmann, H., Geschichte der rheinischen Rechtsanwaltschaft, 1969; Heinrich, R., 100 Jahre Rechtsanwaltskammer München, 1979; Ostler, F., Die deutschen Rechtsanwälte 1871-1971, 2. A. 1982; Entstehung und Quellen der Rechtsanwaltsordnung von 1878, hg. v. Schubert, W., 1985; König, S., Vom Dienst am Recht, 1987; Holly, G., Geschichte der Ehrengerichtsbarkeit der deutschen Rechtsanwälte, 1989; Siegrist, H., Advokat, Bürger und Staat, 1996; Die Geschichte des deutschen Anwaltsvereins, hg. v. Deutschen Anwaltverein, 1997; Rechtsanwälte und ihre Selbstverwaltung, hg. v. d. Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main, 1998; Anwalt ohne Recht. Das Schicksal jüdischer Rechtsanwälte in Berlin nach 1933, hg. v. Ladwig-Winters, S. u. a., 1998, 2. A. 2007; Neschwara, C., Die Entwicklung der Advokatur in Cisleithanien, ZRG GA 115 (1998), 441; Roth, C., Der Weg zu einem einheitlichen anwaltlichen Berufsrecht im wiedervereinigten Deutschland, Diss. jur. Regensburg 1999; Fortitudo temperantia Die Rechtsanwälte am Reichsgericht und beim Bundesgerichtshof, hg. v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte, 2000; Officium advocati, hg. v. Mayali, L. u. a., 2000; Schümann, D., Ein Beitrag zur Geschichte der mecklenburgischen Anwaltschaft, 2000; Königseder, A., Recht und nationalsozialistische Herrschaft – Berliner Anwälte 1933-1945, 2001; Wrabetz, P., Österreichs Rechtsanwälte, 2004; Wettmann-Jungblut, P., Rechtsanwälte an der Saar 1800-1960, 2004; Brunn, H./Kirn, T., Rechtsanwälte – Linksanwälte 1971-1981, 2004; Rüping, H., Rechtsanwälte im Bezirk Celle, 2006; Anwalt ohne Recht, hg. v. Bundesrechts-anwaltskammer, 2007; 200 Jahre Wirtschaftsanwälte in Deutschland, hg. v. Pöllath, R., 2009; Busse, F., Deutsche Anwälte, 2010; Krusche, S., Die Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959, 2012; Mauss, S., Nicht zugelassen, 2013 |
5614 | Rechtsanwendung (Zuordnung oder Zurechnung von einzelnen Sachverhalten zu allgemeinen Tatbeständen, →Subsumtion) ist die bewertende Anwendung der abstrakten Rechtssätze (Sollen) auf konkrete Sachverhalte (Sein). Sie entsteht mit den Anfängen von Rechtsvorstellungen. Sie erfolgt durch jedermann, insbesondere durch Urteiler und fachlich Vorgebildete. Lit.: Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977; Eckert, J., Gesetzesbegriff und Rechtsanwendung, Der Staat 1998, 571; Albrecht, M., Die Methode der preußischen Richter, 2005 |
5615 | Rechtsarchäologie ist die bewusste Beschäftigung mit den Gegenständen des vergangenen Rechtes (Örtlichkeiten, Geräten, Darstellungen, Handlungen str., Wort von Amira 1890). Die R. wird bereits im 17. Jh. sichtbar. Am nachdrücklichsten ist sie wissenschaftliches Untersuchungsobjekt bei Karl von →Amira. Lit.: Köbler, DRG 5; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Fehr, H., Das Recht im Bilde, 1923; Funk, W., Deutsche Rechtsdenkmäler, 1938; Frölich, K., Mittelalterliche Bauwerke als Rechtsdenkmäler, 1939; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Möller, T., Sühne- und Erinnerungsmale in Schleswig-Holstein, Nordelbingen 17/18 (1942), 89; Funk, W., Speer, Pfandschaub, Kreuz und Fahne, ZRG GA 65 (1947), 297; Frölich, K., Stätten mittelalterlicher Rechtspflege im niederdeutschen Bereich, 1946; Frölich, K., Denkmäler mittelalterlicher Strafrechtspflege, 1946; Frölich, K., Rechtsdenkmäler des deutschen Dorfes, 1947; Baltl, H., Rechtsarchäologie des Landes Steiermark, 1957; Hopf, H., Studien zu den Bildstöcken in Franken, 1970; Forschungen zur Rechtsarchäologie und zur rechtlichen Volkskunde, Bd. 1ff. 1978ff.; Carlen, L., Rechtsarchäologie in der Schweiz, FS H. Baltl, 1978; Maisel, W., Archeologia prawna polski, 1982; Schild, W., Alte Gerichtsbarkeit, 2. A. 1989; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Maisel, W., Rechtsarchäologie Europas, 1992; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Rechtsarchäologie und Rechtsikonographie, hg. v. Win, P. de, 1992; Carlen, L., Sinnenfälliges Recht, 1995 (Aufsätze); Bilder, Texte, Rituale, hg. v. Schreiner, K. u. a., 2000 |
5616 | Rechtsbehelf ist der vom objektiven Recht gewährte Behelf zur Ermittlung subjektiver Rechte. Lit.: Rechtsbehelfe, Beweis und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985; Gaillet, A., Der Einzelne gegen den Staat, ZRG GA 129 (2012),, 109 |
5617 | Rechtsberatung ist die Beratung von Laien durch Juristen in Rechtsfragen. Sie ist ursprünglich grundsätzlich erlaubt. Seit 1877 können im deutschen Reich Menschen, die das Verhandeln vor Gericht geschäftsmäßig betreiben, als Bevollmächtigte und Beistände in der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen werden (§ 143 II ZPO). Seit 1883 kann die gewerbsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten untersagt werden. Seit 1898 kann die Justizverwaltung geschäftsmäßige Vertreter (Rechtskonsulenten) als sog. Prozessagenten zulassen. Auf seit April 1932 verstärktes Drängen der Rechtsanwaltschaft wird 1935 im deutschen Reich ein Rechtsberatungsmissbrauchsgesetz geschaffen, das gleichzeitig die Rechtsberatung durch jüdische Rechtskonsulenten regelt. (1938 wird noch verbliebenen jüdeischen Rechtsanwälten der Beruf verboten und werden 172 als Rechtskonsulenten für Juden zugelassen.) Das Gesetz wird 2007 durch das im Wesentlichen ab 1. 7. 2008 geltende Rechtsdienstleistungsgesetz ersetzt, das den Grundsatz der Rechtsberatung durch Volljuristen aufrechterhält, aber gewisse Einschränkungen herbeiführt. Lit.: Rücker, S., Rechtsberatung, 2007; Weber, T., Die Ordnung der Rechtsberatung in Deutschland nach 1945, 2010 |
5618 | Rechtsbesitz ist der Besitz eines Rechtes. Seine Möglichkeit hängt ab von dem Verständnis des →Besitzes und der Sache. Dort wo Besitz nur die tatsächliche Herrschaft über körperliche Gegenstände (Sachen [im körperlichen Sinn]) betrifft, ist R. systemwidrig. In Österreich ist R. hinsichtlich dauernder Ausübung zugänglicher Rechte möglich, die mit der Innehabung einer körperlichen Sache verbunden sind (z. B. Mietrecht). Lit.: Köbler, DRG 162; Wesener, G., Zur Dogmengeschichte des Rechtsbesitzes, FS W. Wilburg, 1975, 453; Graff, J., Die Lehren vom Rechtsbesitz, Diss. jur. Köln 1983; Beermann, C., Besitzschutz bei beschränkten dinglichen Rechten, 2000 |
5619 | Rechtsbeugung ist die mindestens bedingt vorsätzliche falsche Anwendung oder Nichtanwendung von Recht durch einen Richter, anderen Amtsträger oder Schiedsrichter bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei. Im römischen Recht ist dies ein Fall des (lat.N.) falsum (Fälschung, Betrug), das eine Strafe nach sich zieht. Im Mittelalter werden Rechtsweigerung und R. nicht klar getrennt, so dass als Folge vielfach nur ein verfahrensrechtlicher Rechtsbehelf gewährt wird. Ein besonderer Straftatbestand des Amtsverbrechens der R. wird erst von Martin 1825 gefordert. Bis zur Mitte des 19. Jh.s setzt er sich trotz geringer tatsächlicher Bedeutung durch. Seit 2003 haftet der Staat für die europarechtswidrige Rechtsanwendung seiner Höchstgerichte, die beispielsweise ein Vorabentscheidungsverfahren einleiten, nach einer eindeutigen Zwischenauskunft des Europäischen Gerichtshofs ihr Vorabentschei-dungsersuchen zurücknehmen und trotz einer eindeutigen Stellungnahme der Europäischen Kommission überraschend rechtswidrig gegen die Zwi-schenauskunft des Europäischen Gerichtshofs entscheiden (z. B. C-224/2001). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Martin, C., Lehrbuch des deutschen gemeinen Kriminalrechts, Bd. 1f. 1821ff.; Cohn, G., Die Verbrechen im öffentlichen Dienst, 1876; Stock, U., Entwicklung und Wesen des Amtsverbrechens, 1932; Schmitt-Weigand, A., Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962; Schmidt-Speicher, U., Hauptprobleme der Rechtsbeugung, 1982; Spendel, G., Rechtsbeugung durch Rechtsprechung, 1984; Kraut, G., Rechtsbeugung, 1997; Möller-Heilmann, B., Die Strafverfolgung 1999; Hohoff, U., An den Grenzen des Rechtsbeugungstatbestands, 2000 |
5620 | Rechtsbuch ist das das Recht betreffende Buch bzw. die (umfassende) Aufzeichnung des geltenden Rechtes (durch einen Menschen ausßerhalb einer amtlichen Stellung) (rechtbuk [= mnd. rechtbōk] Berliner Stadtbuch 1397). Das R. ist insbesondere im Hochmittelalter und Spätmittelalter bedeutsam, in denen es die durch spärliche Gesetzgebungstätigkeit gelassene Lücke füllt. Das R. ist nur Rechtserkenntnisquelle. Bekannte Beispiele sind die (lat.) Constituta (N.Pl.) usus et legis (Festgesetztes des Gebrauchs und Rechtes) bzw. Constitutum (N.) usus (Festgesetztes des Gebrauchs) von Pisa (Mitte 12. Jh.), der Liber feudorum (Buch der Lehen), der →Sachsenspiegel, →Deutschenspiegel, →Schwabenspiegel, das Kleine Kaiserrecht, das Eisenacher R., das Freisinger R., das Görlitzer R., das Mühlhäuser Reichsrechtsbuch oder das Zwickauer R., die →Coutumes, die →Fueros, die →Siete Partidas, der (lat.) Liber legis Scaniae, →Gragas, →Ostgötalagh, →Westgötalagh oder die Werke des Ranulf de →Glanvill und des Henry de →Bracton. Teilweise werden auch das (lat.) Corpus (N.) iuris civilis oder einzelne römischrechtliche Werke (Florentiner R., Tübinger R.) als R. verstanden. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 102; Siegel, H., Die deutschen Rechtsbücher, 1899; Homeyer, G., Die deutschen Rechtsbücher, neu bearb. v. Borchling, C./Eckhardt, K./Gierke, J. v., Abteilung 2 Verzeichnis der Handschriften 1931, Abteilung 1 Verzeichnis der Rechtsbücher, bearb. v. Eckhardt, K., 1934; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris, 1968; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1ff. 1990; Oppitz, U., Ergänzungen zu „Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters“, ZRG GA 113 (1996), 345, 114 (1997), 444, 117 (2000), 607, 640 (Päsler, Ralf G.), 120 (2003), 371 (Oppitz, U.); Schmidt-Wiegand, R., Rechtsbücher als Ausdruck pragmatischer Schriftlichkeit, Frühmittelalterliche Studien 37 (2003), 435; Strauch, D., Rechtsbücher und Gesetzbücher im Norden, ZRG GA 130 (2013), 37 |