5461 | Protestant ist allgemein der Protestierende, insbesondere der gegen die kaiserliche Religionspolitik des 16. Jh.s und einen Beschluss der katholischen Reichstagsmehrheit im Heiligen römischen Reich (in Speyer am 19. 4. 1529) für eine bestimmte religiöse Einstellung Protestierende. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Hinschius, P., Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten, Bd. 1ff. 1869ff., Neudruck 1959; Reingrabner, G., Protestanten in Österreich, 1981; Graf, E., Der Protestantismus, 2000; Greschat, M., Protestantismus in Europa, 2005; Steiner, S., Reisen ohne Wiederkehr, 2006; Geheimprotestantismus und evangeliche Kirche in der Habsburgermonarchie und im Erzstift Salzburg, hg. v. Leeb, R. u. a., 2009 |
5462 | Protestatio facto contraria non valet (lat.) Die im Widerspruch zum Handeln stehende Verwahrung gilt nicht. Lit.: Teichmann, A., Protestatio facto contraria, FS K. Michaelis, 1972, 294; Köhler, H., Kritik der Regel, JZ 1981, 454; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Glosse Protestetur zu Liber sextus 1, 6, 25) |
5463 | Protokoll ist im engeren Sinn ein Teil einer Urkunde, im weiteren Sinn eine durch Unterschrift oder Genehmigung als richtig anerkannte Niederschrift über Verlauf und Ergebnis einer Verhandlung. Lit.: Kaser § 87 II 6; Kroeschell, DRG 2, 3; Protocolle der deutschen Bundesversammlung, 1816-1848, 1851-1866; Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts, Dresden 1866, 1984; Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, bearb. v. Achilles, A. u. a., Bd. 1ff. 1987ff., Neudruck 1984; Frenz, T., Papsturkunden, 1986 |
5464 | Protonotar (M.) oberster Schreiber |
5465 | Protonotarius (lat. [M.]) ist der oberste Schreiber, der im Deutschen Reich seit dem 12. Jh. (1150 Reichskanzlei) erscheint. Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1 2. A. 1912 |
5466 | Provence ist das die älteste römische Provinz in Gallien bildende Gebiet zwischen Mittelmeer, Rhone, Var und Alpen. Die P. kommt 1032 mit Burgund an das →Deutsche Reich, 1481 bei dem Aussterben der Grafen von Anjou durch Testament an →Frankreich. Sie ist dort ein Gebiet des Schriftrechts (droit écrit, römischen Rechtes). Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Buchner, R., Die Provence in merowingischer Zeit, 1933; Busquet, R., Histoire de la Provence, 4. A. 1966; Poly, J., La Provence, 1976 |
5467 | Provinz ist seit dem römischen Altertum (227 v. Chr.) ein räumlicher Teil eines Staates oder einer sonstigen Einrichtung (z. B. nach römischem Vorbild seit dem 4. Jh. die christliche Kirche). In Rom steht ein Statthalter an der Spitze der 297 n. Chr. mehr als 100 Provinzen. Im Frühmittelalter entspricht die P. (lat. provincia) dem Siedlungsgebiet eines Volkes. In der Neuzeit teilen verschiedene Staaten ihr Gebiet in Provinzen (Frankreich bis 1789, Preußen 1815). Lit.: Söllner §§ 12, 14; Holtzmann, R., Französische Verfassungsgeschichte, 1910; Wagner, P., Die geschichtliche Entwicklung der Metropolitangewalt, Diss. phil. Bonn 1917 masch.schr.; Jeserich, K., Die preußischen Provinzen, 1931; Metz, W., Bemerkungen über Provinz und Gau, ZRG GA 73 (1956), 361; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Die Provinzen des römischen Reiches, hg. v. Bechert, T., 1998 |
5468 | Provinzialedikt (N.) ist das vom römischen Priovinzialstatt-halter verkündete Edikt. |
5469 | Provinziallandtag ist der Landtag einer Provinz. Lit.: Croon, G., Der rheinische Provinziallandtag bis zum Jahre 1874, 1918; Schubert, W., Preußen im Vormärz, 1999 |
5470 | Provinzialrecht ist das besondere Recht einer Provinz im Verhältnis zum allgemeinen Recht. Lit.: Kamptz, v., Die Provinzial- und statutarischen Rechte der preußischen Monarchie, Bd. 1ff. 1804ff. |
5471 | Provinzialstand ist der eine →Provinz betreffende →Stand (Landstand, z. B. in Preußen). Lit.: Stephan, J., Die Entstehung der Provinzialstände in Preußen 1823, Diss. phil. Berlin 1914; Roebers, R., Die Einrichtung der Provinzialstände in Westfalen, Diss. phil. Münster 1915; Birtsch, G., Gesetzgebung und Reprä-sentation, HZ 208 (1969), 265 |
5472 | Provision ist im Kirchenrecht seit dem Mittelalter die Übertragung eines freien Kirchenamts durch die zuständige Stelle an einen geeigneten Menschen. Lit.: Bauer, H., Päpstliche Provisionen für niedere Pfründen, 1911; Schmidt-Rimpler, W., Geschichte des Kommissionsgeschäfts, 1915; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972 |
5473 | provocatio (lat. [F.]) Anrufung der Volksversammlung gegen ein magistratisches Strafurteil Lit.: Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988 |
5474 | Prozess ist ein rechtlich geordneter, von Lage zu Lage sich entwickelnder Vorgang zur Gewinnung einer (richterlichen) Entscheidung über ein behauptetes materielles Rechtsverhältnis. Das gerichtliche Verfahren entsteht vermutlich aus der rechtlichen Ordnung des außergerichtlichen Streites wegen der mit der →Selbsthilfe verbundenen schädlichen Folgen ganz allmählich. Bereits das altrömische Recht verlangt dabei, dass in allen nicht ganz eindeutigen Streitfällen eine Überprüfung in einem öffentlichen Verfahren (Erkenntnisverfahren) stattfindet und dass der verfolgende Zugriff (Vollstreckungsverfahren) nur in bestimmten Formen erfolgt. Kennzeichnend ist die wohl der Entlastung der Höchstmagistrate und zugleich der Rechtssicherheit der Betroffenen dienende Zweiteilung des Verfahrens in zwei Abschnitte (lat. in iure, vor Gericht bzw. apud iudicem, vor dem Richter). In Fällen allgemeiner Bedeutung befindet vielleicht anfangs der König, danach ein einzelner Magistrat, gegen deren Entscheidung jeder männliche freie Bürger die Volksversammlung anrufen kann (lat. [F.] →provocatio). Später wird das Legisaktionenverfahren (→legisactio) zum →Formularverfahren und dieses zum →Kognitionsverfahren. Über Verfahren bei den Germanen berichtet Tacitus (98 n. Chr.) in Umrissen. Das Frühmittelalter überliefert eine Reihe von Berichten über einzelne Verfahren, die das Nebeneinander von Richtern und Urteilern (Rachinburgen, Schöffen) erkennen lassen. Seit dem 12. Jh. wird in Anknüpfung an das römische Recht Prozessrechtsliteratur sichtbar (lat. ordines iudiciarii, Pilius, Aegidius de Fuscarariis 1266, Guilelmus Duranti, Johannes Andreae um 1346). Seit dem Spätmittelalter wird der in Oberitalien ausgebildete römisch-kanonische P. (→Schriftlichkeit, tatsächlicher Anwaltszwang, Artikulierung, →Berufsrichter, →Appellation, Reichskammergerichtsprozess, Reichshofratsprozess, sächsischer Prozess) aufgenommen und der Strafprozess verselbständigt. Im 19. Jh. setzt sich der in Frankreich ausgebildete liberale P. durch. Die Zahl der Prozesse ist groß. Lit.: Kaser §§ 80ff.; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 19f. u. ö.; Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen Zeit, 1893; Quellen zur Geschichte des römisch-kanonischen Prozesses, hg. v. Wahrmund, L., Bd. 1ff. 1905ff.; Gál, A., Die Prozessbeilegung nach den fränkischen Urkunden des 7.-10. Jahrhunderts, 1910; Klibansky, E., Gerichtsszene und Prozessform, 1925; Kafka, F., Der Proceß, 1925; Mitteis, H., Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich, 1927 (SB Heidelberg); Buchda, G., Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Nörr, K., Die Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Buchda, G., Über die „Vorrede“ im sächsischen Prozess des 15. Jahrhunderts, ZRG GA 91 (1974), 90; Behrends, O., Der Zwölftafelprozess, 1974; Battenberg, F., Herrschaft und Verfahren. Politische Prozesse im mittelalterlich römisch-deutschen Reich, 1995; Werkmüller, D., „Et ita est altercatio finita“, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 592; Macht und Recht, hg. v. Demandt, A., 1990; Prozessflut?, hg. v. Blankenburg, E., 1989; Große Prozesse, hg. v. Schultz, U., 3. A. 2001; Große Prozesse der römischen Antike, hg. v. Manthe, U. u. a., 3. A. 2001; Dubischar, R., Prozesse die Geschichte machten, 1997; Ferrari Zumbini, R., La lotta contro il tempo nel processo altomedievale, 1997; Prozessakten als Quelle, hg. v. Baumann, Anette, 2001; Zwicky, M., Prozess und Recht im alten Zug, 2002; Prozesspraxis im alten Reich, hg. v. Baumann, A. u. a., 2005; Les procès politiques (14.-17. siècle, hg. v. Bercé, Y., 2007 |
5475 | Prozessbuße ist die Buße einer Partei, eines Richters, Urteilers, Zeugen oder Schelters bei Verletzung einer Regel im →Prozess. Sie findet sich vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit. Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex Salica, 1867, Neudruck 1971; Bethmann Hollweg, M. v., Der Zivilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 5 1873, 176; Lampe, W., Die dilatura im germanischen Recht, Diss. jur. Göttingen 1921 masch.schr.; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 435; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess am Ende des alten Reiches, Diss. jur. Münster 1966; Wesener, G., Römisch-kanonisches Prozessrecht, FS G. Schmelzeisen, 1980, 360 |
5476 | Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit Prozesshandlungen selbst oder durch einen Prozessbevollmächtigten wirksam vorzunehmen oder entgegenzunehmen. Sie wird erst im 19. Jh. von der Parteifähigkeit und der Postulationsfähigkeit getrennt. Im älteren Recht ist sie entsprechend der Geschäftsfähigkeit ständisch geprägt und im Einzelnen örtlich und zeitlich verschieden gestaltet. Lit.: Kaser § 82 II 3e; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 167; Etzbach, E., Die Stellung der Parteien im Prozess, Diss. jur. Köln 1973 |
5477 | Prozessformel ist bereits im altrömischen Recht die zu jeder →Legisaktion gehörige, genau vorgeschriebene Spruchformel. Sie besteht nach ihrer Vermehrung im Formularprozess aus (lat. [F.]) praescriptio, intentio und condemnatio. Auch das englische Prozessrecht kennt seit dem Hochmittelalter eine beschränkte Zahl von Formularen des →writ. Lit.: Kaser § 83; Köbler, DRG 19, 33 |
5478 | Prozessgefahr ist im Hochmittelalter die Gefahr (mhd. vare), den →Prozess durch bloßes Versprechen beim Vortrag vor Gericht zu verlieren. Ihre Herkunft ist unklar (germanisch?, gelehrt). Zur Umgehung bedient man sich des →Fürsprechers als eines Vertreters im Wort, dessen Vortrag die Partei genehmigen muss. Sichtbar wird die P. in Stadtrechten, die ihren Ausschluss als Privilegierung erwähnen. Nach neuerer Ansicht ist im sächsisch-magdeburgischen Recht allenfalls das Beweisrecht von Formstrenge geprägt, wobei Formverstöße oft ausgeglichen werden können, so dass sich aus den Quellen nicht belegen lässt, dass in Sachsen vor Gericht die buchstäbliche Aus-legung gesprochenen Wortes ein Grundsatz des Prozessrechts war.. Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 116; Siegel, H., Die Gefahr vor Gericht und im Rechtsgang, 1866; Meyer, T., Gefahr vor Gericht, 2009 |
5479 | Prozesshandlung ist die prozessgestaltende Beteiligung der Partei und der Streitgehilfen bzw. ihrer Vertreter an einem →Prozess (z. B. Klage). Als allgemeiner Begriff wird die P. von Daniel →Nettelbladt (1719-1791) erkannt. Lit.: Köbler, DRG 156; Grunst, B., Prozesshandlungen im Strafprozess, 2002 |
5480 | Prozesskosten sind die bei einem →Prozess entstehenden Kosten. Sie trägt bereits im spätantiken römischen Recht die unterliegende Partei. Seit dem Spätmittelalter lösen die dem Staat zustehenden P. die dem Richter unmittelbar anfallenden Ansprüche ab. Dabei wird der Grundsatz, dass der Unterliegende die Kosten zu tragen habe, durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen. Seit dem Ende des 18. Jh.s werden diese Ausnahmen zurückgedrängt. Lit.: Kaser § 87 I 8; Köbler, DRG 56; Weber, A., Über die Prozesskosten, 5. A. 1811; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965, 333; Sellert, W., Die Akzessorietät von Kostentragung und Prozesserfolg, FS A. Erler, 1976, 509 |