5161 | Personalvollstreckung ist die Vollstreckung in die Person des Schuldners. Sie ist im altrömischen Recht mit Hilfe der (lat.) →legisactio (F.) per manus iniectionem möglich (Verkauf über den Tiber). Tatsächlich findet auch Schuldknechtschaft zwecks Abarbeitung einer Schuld statt. Gegen die Zeitenwende wird die P. durch die Vermögensvollstreckung zurückgedrängt. Die P. findet sich auch im Mittelalter. Erst 1868 wird die Schuldknechtschaft gesetzlich im Norddeutschen Bund und in Österreich beseitigt. Lit.: Kaser §§ 81 III 1, 85 II 2, 87 I 10; Köbler, DRG 20, 86; Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004 |
5162 | Personenname ist der →Name einer →Person im Gegensatz z. B. zum Ortsnamen. Personennamen erscheinen (einnamig - mehrgliedrig) in den frühesten Quellen. Sie werden meistens durch die Eltern gegeben. Seit dem 3. Jh. v. Chr. werden in Rom drei Namen üblich (Vorname, Name, Geschlechts-name). Im deutschen Bereich tritt zwecks Unterscheidung der mit den verhältnismäßig wenigen Namen („Vornamen“) gekennzeichneten Menschen seit dem Hochmittelalter zum Namen („Vornamen“) ein Beiname oder Zuname (oder Familienname) hinzu. In Österreich wird 1776 die freie Namensänderung ausgeschlossen. Am Ende des 19. Jh.s wird in Deutschland das Namensrecht als Persönlichkeitsrecht erkannt. Der P. kann rechtlich bedeutsame Aufschlüsse bieten. Lit.: Förstemann, E., Altdeutsches Namenbuch, Bd. 1 2. A. 1901, Neudruck 1966; Socin, A., Mittelhochdeutsches Namenbuch, 1903, Neudruck 1966; Schönfeld, W., Wörterbuch der altgermanischen Personen- und Völkernamen 1911, 2. A. 1965; Lutz, O., Recht in Familiennamen, 1925; Leiß, L., Bayerische Familiennamen und Rechtsgeschichte, 1934; Bach, A., Deutsche Namenkunde, Teil 1 Bd 1f. 2. A. 1952f.; Scheffer-Erhardt, C., Alt-Nürnberger Namenbuch, 1959; Kaufmann, H., Untersuchungen zu altdeutschen Rufnamen, 1965; Geuenich, D., Die Personennamen der Klostergemeinschaft von Fulda, 1976; Meyerholz, H., Bodenständige Familien in den Grafschaften Hoya und Diepholz, 1976; Reichert, H., Lexikon der altgermanischen Namen, 1987; Sonderegger, S., Prinzipien germanischer Personennamengebung, (in) Nomen et gens, hg. v. Geuenich, D. u. a., 1997, 1; Personennamen des Mittelalters, hg. v. d. Bayerischen Staatsbibliothek, 2. A. 2000 (Namensformen für 13000 Personen, 3500 Personennamen); Berger, E., Erwerb und Änderung des Familiennamens, 2002; Dictionnaire historique de l’anthroponymie romane (Patronymica Romanica) hg. v. Cano González, A. u. a., Bd. 1ff. 2003ff. |
5163 | Personenrecht (1691) ist das die →Person betreffende Recht im Gegensatz etwa zum →Sachenrecht (oder zum →Schuldrecht). Auf der Grundlage der griechischen Philosophie unterscheidet für das römische Recht nach Quintus Mucius Scaevola vor allem →Gaius (um 160 n. Chr.) zwischen (lat.) personae (F.Pl., Personen) und res (F.Pl., Sachen) sowie actiones (F.Pl., Klagansprüchen). Dem folgt man seit der Aufnahme des römischen Rechtes im Spätmittelalter zunehmend. In Preußen trennt das letztlich wohl am missglückten Postversand gescheiterte Project des Corpus juris Fridericiani Friedrichs des Großen, durch Cocceji das materielle Recht des Landes durch Gesetz zu vereinheitlichen, in Personenrecht 1749, Sachenrecht 1751, und Obligationenrecht 1753. Der Codex Maximilianeus Bavaricus civilis von 1756 behandelt die Personen neben Anderem im ersten seiner vier Teile (Teil 2 Hab und Gut, Teil 3 Erbe, Teil 4 Verträge). Das Josephinische Gesetzbuch (1787) erreicht nur die Vollendung des Personenrechts. Das Westgaliziische Gesetzbuch (1797) überschreibt das zweite seiner 19 Hauptstücke mit den Worten von den Rechten der Personen. Erst im →Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs von 1811 wird das P. (Von dem Personenrechte) aber ausdrücklich einer der drei Teile der Kodifikation. Lit.: Mühlpfort, W., Disputatio de iure personarum, 1611; Wieacker, F., Griechische Wurzeln des Institutionensystems, ZRG RA 70 (1953), 93; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts für die Ausbildung der allgemeinen Lehren, 1980; Quin, E., Personenrechte und Widerstandsrecht, 1999; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010 |
5164 | Personenstand (Wort 1818) ist der rechtliche Stand der (natürlichen) Person. Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010 |
5165 | Personenstandsgesetz von 6. 2. 1875 ist das im Kulturkampf die weltliche Zuständigkeit für das Personenstandswesen durchsetzende Gesetz des Deutschen Reiches. Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 209; Schubert, W., Zur Vorgeschichte und Entstehung der Personenstandsgesetze, ZRG GA 97 (1908=, 43 |
5166 | Personenverband ist die zu einer Einheit tendierende Mehrheit von Menschen. Der P. findet sich seit dem Altertum und dem Frühmittelalter. Er bildet eine Vorform der →juristischen Person. Lit.: Hübner 57, 121; Köbler DRG 36, 57, 238, 266 |
5167 | Persönlichkeit (Wort 1300) Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Dillmann, N., Der Schutz der Privatsphäre gegenüber Medien, 2012 |
5168 | Persönlichkeitsmissachtung wird im klassischen römischen Recht als (lat. [F.]) →iniuria erfasst. Lit.: Köbler, DRG 27 |
5169 | Persönlichkeitsrecht (1895) ist das Recht des Einzelnen gegenüber jedermann auf Achtung seiner Menschenwürde und auf Entfaltung seiner einzelmenschlichen Besonderheit. Als besondere Persönlichkeitsrechte werden das Recht am Namen seit längerer Zeit und das Recht am eigenen Bild seit kürzerer Zeit (vgl. RGZ 45,170 zu zwei Fotografien Bismarcks auf dem Totenbett 1898) geschützt. 1954 anerkennt der Bundesgerichtshof der Bundes-republik Deutschland ein allgemeines P. (BGHZ 13, 334). Als seine geschichtlichen Vorläufer können dabei Hugo Donellus (1590), die Naturrechtler und eine Mindermeinung des 19. Jh.s (Puchta, Gierke, Wind-scheid) angesehen werden. Seit 1999 anerkennt der Bundesgerichtshof Deutsch-lands die Vererblichkeit der vermögenswerten Bestandteile des Persönlich-keitsrechts (postmortales Persönichkeitsrecht z. B. nach Marlene Dietrich). Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 206, 266, 271; Scheyhing, R., Zur Geschichte des Persönlichkeitsrechts, AcP 158 (1959/60), 503; Leuze, D., Die Entwicklung des Persönlichkeitsrechts, 1962; Hamprecht, K., Persönlichkeitsrecht im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Würzburg 1965; Herrmann, M., Der Schutz der Persönlichkeit, 1968; Klingenberg, E., Vom persönlichen Recht zum Persönlichkeitsrecht, ZRG GA 96 (1979), 183; Simon, J., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 1981; Klippel, D., Historische Wurzeln und Funktionen, ZNR 1982, 132; Coing, H., Die Entwicklung der Persönlichkeitsrechte, (in) Rechtsstaat und Menschenwürde, 1988, 75; Seifert, F., Postmortaler Schutz des Persönlichkeitsrechts, NJW 1999, 1899; Klippel, D./Lies-Benachib, G., Der Schutz von Persönlichkeitsrechten um 1900, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 343; Austermühle, G., Zur Entstehung und Entwicklung eines persönlichen Geheimsphärenschutzes, 2002; Kastl, K., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 2004; Fischer, A., Die Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 2004; Martin, K., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner historischen Entwicklung, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Engel, C., Der Schutz von Privatpersonen vor Presseveröffentlichungen durch das Reichspressegesetz im Kaisserreich und in der Weimarer Republik, Diss. jur. Bonn 2011 |
5170 | pertinentiae (lat. [F.Pl.]) Zubehörstücke |
5171 | Perugia am oberen Tiber beruht auf dem etruskischen Perusia. 1549 kommt es an den Kirchenstaat, mit diesem 1870 an Italien (1861). Es ist Sitz einer Universität. Lit.: Ermini, G., Storia della università di Perugia, 2. A. 1971; Valleranci, M., Il sistema giudiziario, 1991; Stader, I., Herrschaft durch Verflechtung, 1997; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 33; Le più antiche carte della cattedrale di San Lorenzo di Perugia (1010-1300), hg. v. Maiarelli, A., 2006 |
5172 | Peter von Andlau (Andlau? um 1420-Basel 5. 3. 1480) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes in Heidelberg (1439) und des Rechtes in Pavia (1443) nach der Promotion 1444 Kaplan in Basel und Leiter juristischer Disputationen (1450) sowie 1460 Professor (1471 Rektor). Mit dem 1460 erschienenen (lat.) Libellus (M.) de Caesarea monarchia (De imperio Romano, Büchlein über die kaiserliche Monarchie bzw. Über das römische Reich) verfasst er unter kurialistischer Sicht die erste zusammenhängende Darstellung des deutschen Staatsrechts (Entstehung und Funktion von Herrschaft und Regierung, Reiche des Altertums, Übergang der Herrschaft, Kurfürsten, Adel, Reichstag, Kriegswesen, Pflichten des Kaisers, Pflichten gegenüber dem Kaiser, Ende des römischen Reiches). Auf der Grundlage der Bibel, des gelehrten Rechtes, der Schriften Jordanus von Osnabrücks, Thomas von Aquins, Felix Hemmerlins und Enea Silvio Piccolominis sowie der Goldenen Bulle schlägt er Aufnahme des römischen Rechtes durch engen Anschluss der Fürsten an den Kaiser und durch gelehrte Richter vor. Lit.: Hürbin, J., Eine Ergänzung des „Libellus de Caesarea monarchia“ Peters von Andlau, ZRG GA 16 (1895), 41; Hürbin, J., Peter von Andlau, 1897; Hürbin, H., Die Quellen des „Libellus de Cesarea monarchia“, ZRG GA 18 (1897), 1; Scheffels, G., Peter von Andlau, Diss. phil. Berlin 1955; Schubert, H., Die deutschen Reichstage, 1966; Peter von Andlau, Kaiser und Reich, hg. v. Müller, R., 1998 |
5173 | Peterspfennig ist die aus England seit dem 8. Jh. dem Papst als dem Nachfolger des Petrus geleistete Abgabe (Pfennig), die im Hochmittelalter und im Spätmittelalter auch in Norwegen, Schweden, Finnland, Island, Polen und Ungarn entrichtet wird. Seit 1871 ist der P. eine freiwillige Spende der Bistümer. Lit.: Jensen, O., Der englische Peterspfennig, 1903; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A., 1972, 307; Maschke, E., Der Peterspfennig in Polen, 2. A. 1980 |
5174 | Petition ist seit dem frühen 19. Jh. die Bittschrift an eine amtliche Stelle. Ein Recht zu einer P. ist zunächst ein Recht des Parlaments gegenüber dem Fürsten (Bayern 1818). Daneben erscheinen in England seit 1272 private Petitionen an das Parlament (rund 170000 erhalten, zunächst anglonormannisch, ab 1440 mittelenglisch) und kommt seit 1689 in England dem Einzelnen ein Recht zu, sich mit einer P. an den König, die Regierung, die Volksvertretung oder eine Behörde zu wenden, ohne dadurch Nachteile befürch-ten zu müssen. Hieraus wird im frühen 19. Jh. ein Mittel zur öffentlichen Erbringung politischer Forderungen, das die Reaktion seit 1819 zu unterdrücken versucht. 1848 wird das allgemeine Petititionsrecht verfassungsmäßig durchgesetzt. Lit.: Becker, K., Die Entwicklung des Petitions- und Beschwerderechts, Diss. phil. Greifswald, 1913; Gisiger, W., Das Petitionsrecht in der Schweiz, Diss. jur. Zürich 1935; Hoffmann, D., Das Petitionsrecht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Pistottnik, K., Das Petitionsrecht, Diss. jur. Wien 1969; Kumpf, J., Petitionsrecht und öffentliche Meinung, 1983; Mohme, D., Das Petitionsrecht, 1992; Dodd, G., Justice and Grace, 2007; Medieval Petitions, hg. v. Ormrod, W. u. a., 2009 |
5175 | petitorisch (begehrend [aus dem Eigentum]) Lit.: Fiedler, A., Der petitorische Rechtsschutz, 1995 |
5176 | Petrus Crassus (2. Hälfte 11. Jh.) verteidigt in Ravenna Heinrich IV. 1084 in der (lat.) Defensio (F.) Heinrici IV. regis mit Hilfe des römischen Rechtes gegen die Behauptung, dass der König sein Amt durch Wahl erlangen müsse. Lit.: Fauser, A., Die Publizisten des Investiturstreites, Diss. phil. München 1934, 905 |
5177 | Petrus de Bellapertica (Pierre de Belleperche) (um 1250 geboren-Lucenay-les-Aix-Jan. 1308) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans um 1280 Professor, 1296 Bediensteter (lat. clericus) des Königs und 1306 Bischof von Auxerre sowie Kanzler Frankreichs. Überliefert sind von ihm vor allem Vorlesungen (lecturae), Repetitionen und Distinktionen. Lit.: Feenstra, R., L’Ecole de droit d’Orléans, Revue d’histoire des Facultés de droit 13 (1992), 36; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 546 |
5178 | Petrus de Vinea (Capua vor 1190-San Miniato April 1249), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna 1221 Notar (?) und 1224 Richter Friedrichs II. Von ihm stammen die Novellenregeln der Konstitutionen von Melfi. Wahrscheinlich wegen Amtsmissbrauchs wird er im März 1249 geblendet. Lit.: Huillard-Bréholles, J., Vie et correspondance de Pierre de la Vigne, 1865, Neudruck 1966; Baethgen, F., Dante und Petrus de Vinea, 1955; Schaller, H., Handschriftenverzeichnis zur Briefsammlung des Petrus de Vinea, 2002 |
5179 | Petschaft (N.) Siegel |
5180 | Pfaffenkind ist das von einem zur Ehelosigkeit verpflichteten Geistlichen erzeugte uneheliche Kind. |