Köbler, Gerhard, Zielwörterbuch europäischer Rechtsgeschichte, 5. Auflage, 20140401. Fassung

A

A. A. (lat. [M.]) ist die Abkürzung für den abstrakt Aulus Agerius genannten Kläger des römischen →Formularprozesses.

Lit.: Söllner § 9

Aachen ist der ohne nachweisbare Kon­tinuität zu einer römischen Siedlung an den Ausläufern des Hohen Venn 765/766 als fränkische königliche →Pfalz erscheinende Ort, der nach der Reichsteilung 843/877 in eine Randlage gerät. Von 936 (Otto I.) bis 1531 (Ferdinand I.) ist es Krönungsstätte der deutschen Könige (mit Thronsetzung auf einen Marmorthron). 1071 wird A. (lat. [N.]) oppidum genannt, 1087 werden [lat. M. Pl.) cives erwähnt. In den 1120er Jahren kommt ein Stadtsiegel auf. 1166 erhält A. besondere Rechte. Die 1192 neben der Gesamtheit der Bürger nachweisbaren →Schöffen ent­wickeln sich seit 1134 (?) zu einem bedeutenden →Oberhof für teilweise bis zu 200 meist aus Reichsgut stammende Gerichte. Bis 1254 wird A. freie →Reichsstadt (Reichslandstadt) bis zur Besetzung durch Frankreich (1794). Über Preußen (1815) gelangt es 1946 zu Nordrhein-Westfalen.

Lit.: Loersch, H., Achener Rechtsdenkmäler, 1871; Schwabe, W., Der Aachener Oberhof, 1924; Schwabe, W., Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 47 (1925), 48/49 (1926/1927); Herkens, R., Der Anspruch Aachens auf Krönung der deutschen Könige nach 1531, Diss. jur. Bonn 1959; Regesten der Reichsstadt Aachen, bearb. v. Mummenhoff, W. u. a., 1961ff.; Falkenstein, L., Der „Lateran“ der karolingischen Pfalz zu Aachen, 1966; Aachener Urkunden, bearb. v. Meuthen, E., 1979; Kraus, T., Jülich, Aachen und das Reich, 1988; Die Aachener Stadtrechungen des 15. Jahrhunderts, bearb. v. Kraus, T., 2004; Herrmann, T., Anfänge kommunaler Schriftlichkeit, 2006; Tschacher, W., Königtum als lokale Praxis, 2010

Aargau ist das um die Aare gelegene Land, das als A. 763 erstmals erscheint. 1415 erobert die Eidgenossenschaft der →Schweiz Teile des Gebiets. 1798/1803 wird daraus der Kanton A., der 1831 eine liberale Verfassung erhält.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Merz, W. u. a., Die Rechtsquellen des Kantons Aargau, Teil 1ff. 1898ff.; Merz, W., Mittelalterliche Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau, 1906; Nabholz, H., Der Aargau nach dem habsburgischen Urbar, Argovia 33 (1909); Dubler, H., Der Kanton Aargau und das Bistum Basel, 1921; Merz, W., Die Jahrzeitbücher der Stadt Aarau, Teil 1f. 1924ff.; Merz, W., Geschichte der Stadt Aarau im Mittelalter, 1925; Aargauer Urkunden, Teil 1f. 1931ff.; Strebel, K., Die Verwaltung der freien Ämter im 18. Jahrhundert, 1940; Werder, M., Die Gerichtsverfassung des aargauischen Eigenamtes, 1941; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,440; Geissmann, H., Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für den Kanton Aargau (1847-1855), 1991

Abandon ist die wohl im spätmittelalterlichen italienisch-französischen Seerecht entstehende Möglichkeit der Aufgabe der Rechte an einem Gegenstand, um Haftungsfreiheit bzw. später Versicherungsleistung zu erlangen. Der A. erscheint erstmals in einem Statut der Stadt Kampen vom 14. 2. 1372. Im 19. Jh. findet der A. Eingang in das Recht der juristischen Personen des Gesellschaftsrechts.

Lit.: Hantke, G., Der Abandon, 1912; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Helberg, O., Der Abandon in der Seeversicherung, 1925; Martin, L., L’abandon, 1957; Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim Seefrachtvertrag, (in) Wirkungen europäischer Rechtskultur, 1997, 595

abdingbar (Adj.) durch Vereinbarung abänderbar

Lit.: Kähler, L., Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012

Abecedarium (bzw. Promptuarium, Remissorium, Vocabularium) ist das auf Grund antiker Gedankengänge seit dem 13. Jh. entstehen­de alphabetisch geordnete Sammelwerk eines Rechtsgebiets (römisches Recht, kirchliches Recht, um 1400 Greifswalder A. für →Sachsenspiegel und Sachsenspiegelglosse mit 7 Handschriften, 1402 Preetzer A., 1414ff. A. von Achte bis Wunden, vor 1421ff. Schlüssel des Landrechts, 1. H. 15. Jh. Rechtsabecedarium der 2200 Artikel, E. 15. Jh. Erlanger Promptuarium mit etwa 1400 Artikeln, 1490-1493 Remissorium Kaspar Popplaus).

Lit.: Steffenhagen, E., Das Preetzer Abecedarium mit dem Richtsteig Landrechts, Z. d. Ges. f. Schleswig-Holstein-Lauen­burgische Gesch. 22 (1892), 297; Die Rechtssumme Bruder Bertholds, hg. v. Hamm, M. u. a., 1980, 143ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 77

Abendmahlsprobe ist die an das christliche Abendmahl anknüpfende Form des →Gottesurteils.

Aberacht ist die seit dem Hochmittelalter belegte, nach fruchtlosem Verstreichenlassen einer Frist von →Jahr und Tag eintretende Verstärkung der →Acht.

Lit.: Siuts, H., Bann und Acht, 1959

Aberdeen am Don in Schottland wird um 1130 Sitz eines Bischofs und 1494/1495 Sitz einer Universität.

Lit.: Keith, A., A thousand Years of Aberdeen, 1972; The Aberdeen Stylebook 1722, hg. v. Meston, M./Forte, A., 2000

Aberglaube (15. Jh. in Glosse zum Sankt Trudperter Hohenlied) ist der von einem herrschenden Glauben als abwegig verwor­fene Glaube (lat. [F.] superstitio).

Lit.: Feine, J., Der Aberglaube, 1857; Schefold, K. u. a., Der Aberglaube im Rechtsleben, 1912; Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hg. v. Bächtold-Stäubli, H., Bd. 1ff. 1927ff., Neudruck 1987, digitalisierte Fassung 2006; Freytag, N., Aberglauben im 19. Jahrhundert, 2003; Hersperger, P., Kirche, Magie und Aberglaube, 2010

Abfall ist der nach Nutzung einer Sache verbleibende, nicht mehr genutzte oder nutz­bare Rest (z. B. Knochen, Verpackung, Altöl). Zum Wohl der Gesellschaft muss er vor allem in den Städten gesammelt und zunächst gelagert (deponoiert), nach seiner großen Vermehrung seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s aus wirtschaftlichen Überlegungen aber vor allem auch wiederverwertet werden.

Lit.: Abfall, hg. v. Rusterholz, P./Moser, R., 2004

Abgabe ist die Leistung von Gegenständen an die Allgemeinheit, an eine besondere Ein­richtung oder an besondere Einzelne. Die rechtliche Grundlage der A. ist verschieden. Meist beruht die A. auf einer Pflicht zur Unterstützung als Gegenleistung für einen Schutz oder eine Gebrauchsmöglichkeit. In der Naturalwirtschaft besteht die A. in Sachen, in der Geldwirtschaft in Geld. 1919 fasst das Deutsche Reich das Recht der Abgaben in der Reichsabgabenordnung (Enno Becker, u. a. Beginn der Überführung des Steuerstrafrechts aus dem Verwaltungs­straf­recht in das Kriminalstrafrecht) zusammen, die 1976 im Sinne eines Mantelgesetzes für die Abgaben erneuert wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Pöhlmann, C., Was ist Seltertum, ZRG GA 55 (1935), 243; Becker, A., Was ist Seltertum, ZRG GA 56 (1936), 398; Löning, G., Muntepenninge, ZRG GA 59 (1939), 273; Müller, W., Die Abgaben von Todes wegen in der Abtei St. Gallen, 1961; Henning, F., Dienste und Abgaben der Bauern im 18. Jahrhundert, 1969; Steuern, Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer, E., 1994; Giese, F., Abgabenordnung im Dritten Reich, 1998; Gehm, M., Die steuerstrafrechtlichen Bestimmungen in der Reichsabgabenordnung vom 13. Dezember 1919, 2010

Abgeordneter ist allgemein der durch eine Anordnung an eine Stelle Gesetzte, insbeson­dere der Volksvertreter im Parlament. Er ist nach dem vorzugswürdigen Grundsatz des freien Mandats nicht an den Willen der ihn Abordnenden gebunden (so aber DDR 1968), sondern in seiner Entscheidung nur seinem Gewissen und der Verantwortung für die Gesamtheit unterworfen. In Österreich führt die Februarverfassung des Jahres 1861 ein von den Landtagen besetztes Abgeordneten­haus als zweite Kammer des Reichsrats neben dem Herrenhaus ein (1873 direkte Wahl, wegen des Nationalitäten­konflikts zeitweise handlungsunfähig, 12. 11. 1918 letzte Sitzung).

Lit.: Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung, bearb. v. Best, H. u. a., 1996

Abkürzung ist die aus Zweckmäßigkeits­gründen gekürzte Form einer Gegebenheit (z. B. eines Wortes oder Weges).

Lit.: Kirchner, H., Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. A. 2008; Schuler, P., Abkürzungs­lexikon, 2007 (vom Verlag zurückgezogen); Frenz, T., Abkürzungen. Die Abbreviaturen der lateinischen Schrift, 2010

Ablass ist die im 11. Jh. (u. a. Clermont 1095 Ablass für Teilnahme am Kreuzzug, 1187 für geldliche Förderung eines Kreuzzugs, um 1300 von Verbindung zu Kreuzzügen gelöst) in der christlichen →Kirche aus der Bitte um Vergebung und Nachlass einer Folge (Buße) entstehende, auch vor Gott verbindliche Befreiung von zeitlichen Sündenfolgen. Die ältesten Ablässe begnügen sich mit einem Erlass von 20 oder 40 Tagen Buße. Die zahlenmäßige und artmäßige Erweiterung führt bereits im 13. Jh. zu scharf gerügten Missständen. Der Kauf von A. (auch für Verstorbene) wird ein wichtiger Anlass für die reformatorischen Ziele (John Wyclifs, Johannes Hus’ und) Martin →Luthers. Nach gegenwärtigem Verständnis der katholischen Kirche ist A. Nachlass zeitlicher Strafe vor Gott für Sünden, deren Schuld bereits getilgt ist (can. 992 CodIurCan 1983).

Lit.: Paulus, N., Geschichte des Ablasses im Mittelalter, Bd. 1f. 1922f.; Köhler, W., Dokumente zum Ablassstreit von 1517, 2. A. 1934; Poschmann, B., Der Ablass, 1948; Bornkamm, H., Thesen, 1967; Ehlers, A., Die Ablasspraxis des Deutschen Ordens im Mittelalter, 2007

Ablösungsgesetzgebung ist die Gesetz­gebung des 19. Jh.s zur Beseitigung grund­herrschaftlicher Rechte bzw. aufgespalteten Eigentums mit oder ohne Entschädigung zwecks Förderung wirtschaftlicher Entwick­lung und aufgeklärter Gedanken. Dazu erlässt nach der Aufhebung aller Frondienste, Zehnten und anderen Feudalrechte durch die Nationalversammlung Frankreichs am 4. 8. 1789 der Staat →Preußen am 9. 10. 1807 das Edikt betreffend den erleichterten Besitz des Grundeigentums sowie die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner, das die persönliche Ab­hängigkeit der →Bauern von den →Grund­herren entschädigungslos auf­hebt. Dem fol­gen am 14. 9. 1811 zwecks Aufhebung der auf privatrechtlichen Titeln beruhenden dinglichen Abhängigkeit das Edikt, die Rechte der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse (Regulierungsedikt) betreffend und das Edikt zur Beförderung der Landeskultur (Landeskulturedikt), nach denen der Bauer auf Antrag eines Beteiligten Eigentum an dem von ihm bewirtschafteten Hof erhält, wofür er als erblicher Besitzer ein Drittel, als nicht­erblicher Besitzer die Hälfte des Grundes dem Grundherrn überlassen oder eine dauernde Rente zahlen muss. Dadurch werden viele Bauern überfordert, so dass sie ihr neues Eigentum aufgeben müssen. Um dies zu vermeiden, richten Sachsen und Kurhessen (1832) öffentliche →Renten­banken ein, die dem Grundherrn den Ablösungsbetrag in Rentenbriefen entrichten und dadurch den Bauern die Tilgung der Ablöseschuld in 40 bis 60 Jahren ermöglichen. Abgelöst werden auf Grund wirtschaftlicher Überlegungen auch die Nutzungsrechte der Bauern in staatlichen oder grundherrschaftlichen Wäldern (Hessen 1814, Preußen 1821).

Lit.: Danckelmann, B., Die Ablösung der Waldgrundgerechtigkeiten, Bd. 1f. 1880ff.; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887

Abmeiern ist das (vorzeitige) Beendigen des grundherrschaftlichen →Meierrechts durch den Grundherrn in Niedersachsen und Ost­westfalen seit dem 14. Jh. Seit 1597 (Salzduhmscher Landtagsabschied) wird das A. vor allem aus fiskalischen Überlegungen verrechtlicht (Meierordnungen, z. B. Calen­berg 1772), mit der →Bauernbefreiung durch Ersetzung des Meierrechts durch Eigentum beseitigt.

Lit.: Pfeiffer, B., Das deutsche Meierrecht, 1855; Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwest­deutsch­land, 1896; Mohr, W., Die Abmeierung, 1942; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1961

Abschichtung ist die (dem römischen Recht unbekannte) vermögensrechtliche Verselb­ständigung eines Kindes bei (tatsächlichem) Ausscheiden aus dem Hausverband. Sie betrifft im Mittelalter fast nur Söhne. Der Sohn kann A. verlangen, sobald er „zu seinen Jahren kommt“ (d. h. mündig wird). Regelmäßig wird der Sohn abgeschichtet, wenn er bei Eheschließung einen selb­ständigen Haushalt gründet. Mit der A. erlischt die väterliche Herrschafts- und Schutzgewalt. Die Teilungs­quote ist unterschiedlich (z. B. Kopfteil vom Ganzen, Sohneskopfteil von der Hälfte). Die A. wird in Österreich durch (den Codex Theresianus von 1766 und) das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 (vollständig 1919), im deutschen Reich durch das Bürgerliche Gesetzbuch von 1896/1900 und im Schweizer Recht durch das Zivilgesetzbuch von 1907/1911 durch das Erreichen der Vogtbarkeit bzw. der Großjährigkeit bzw. der Volljährigkeit ersetzt

Lit.: Hübner 702; Adler, S., Eheliches Güterrecht und Abschichtungsrecht, 1893; Knothe, H., Die Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen, 1980; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1999

Absetzung ist die Entfernung eines Menschen aus einer Tätigkeit und eines Wertes aus einem Vermögen (z. B. Absetzung für Abnutzung). Die A. eines Amtsträgers begegnet schon früh (z. B. Vertreibung des römischen Königs). Sie wird in der Neuzeit verrechtlicht.

Lit.: Bund, K., Thronsturz und Herrscherabsetzung im Frühmittelalter, 1979; Krah, A., Absetzungsverfahren, 1987; Rexroth, F., Tyrannen und Taugenichtse, HZ 278 (2004), 27; Wallner, M., Zwischen Königsabsetzung und Erbreichsplan, 2004; Schubert, E., Königsabsetzung im deutschen Mittelalter, 2005

Absicht ist der unmittelbar auf den Erfolg als Ziel gerichtete Wille des Täters. Das römische Recht kennt den (lat. [M.]) dolus als Bezeichnung eines Verschuldens. Im Mittelalter wird der auf den Erfolg als Ziel gerichtete Wille oft durch (lat.) animo deliberato, cum deliberato consilio, contumaciter, dolose und (mhd.) geverlich oder mutwillig beschrieben. Folgen zieht in erster Linie das im Bewusstsein der Rechts­widrigkeit gewollte Unrecht nach sich. Im 20. Jh. wird die für den deliktischen Vorsatz das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit verlangen­de Vorsatztheorie (Binding 1877) im Straf­recht durch die als subjektive Voraussetzung der Rechtswidrigkeit bereits die Möglichkeit der Einsicht in das Verbotensein der Tat ge­nügen lassende Schuldtheorie (Kohlrausch 1903, Carl Schmitt 1910) verdrängt.

Lit.: Mayer, M., Die schuldhafte Handlung und ihre Arten im Strafrecht, 1901; Schmitt, C., Über Schuld und Schuldarten, 1910 His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964, 68ff.; Beul, C., Si mensor falsum modum dixerit, 1998

absolut (Adj. bzw. Adv.) vollständig, unbe­dingt, uneinge­schränkt, gegen jedermann wirkend (Ge­gensatz relativ)

absolutio (F.) ab instantia →Instanzentbindung

Absolutismus ist die im Einzelnen sehr vielfältige Regierungsform, bei welcher der Inhaber der Herrschaftsgewalt (Monarch) dem Untertanen gegenüber grundsätzlich unbe­dingte (absolute, unbeschränkte) Macht hat. Der frühe A. entwickelt sich in Spanien, Frankreich und England bis zum Ende des 15. Jh.s. Unterstützt wird der A. durch theoretische Ansichten, welche die Ent­theologisierung der Herrschaft und die Unteilbarkeit der Staatsgewalt fordern (→Machiavelli, Nicolò [1469-1527], Il principe, 1513, →Bodin, Jean [1529-1596], Les six livres de la République, 1576, [lat.] maiestas est summa in cives ac subditos legibusque soluta potestas, die maiestas ist die [zeitlich unbegrenzt] gegenüber den Bürgern und Untertanen bestehende höchste und von den Gesetzen [nicht aber von göttlichem Recht, Naturrecht, Fundamentalgesetzen] losgelöste Gewalt). Begünstigt wird der A. dadurch, dass die Stände vielfach konfessionell gespalten sind und deswegen den Frieden in einem Land nicht sichern können. Mittel zur Durchsetzung der absoluten Herrschaft werden die Aufstellung eines stehenden Heeres, der Aufbau einer allein vom Herrscher abhängigen Beamtenschaft und die Einführung eines Staatswirtschaftssystems. Voraussetzung des A. ist die Entmachtung des →Adels hinsichtlich der Mitwirkung (bzw. formaler Mitspracherechte [Ersetzung durch informale Verständigung]) bei der →Landes­herrschaft (in der Regel ohne Änderung der förmlichen Rechtsgrundlage der Herrschaft, z. B. Habsburg bzw. Österreich seit 1620). Der Höhepunkt des A. wird unter Ludwig XIV. (1643-1715) in →Frankreich erreicht. Im Heiligen römischen Reich eifern dem viele Landesfürsten nach (z. B. Friedrich Wilhelm [1620-1688] von Brandenburg bzw. Preußen, August der Starke [1670-1733] von Sachsen bzw. Polen, Maria Theresia in Österreich). In der Mitte des 18. Jh.s (Friedrich II. in Preußen, Joseph II. in Österreich, Anna Amalia und Carl August in Sachsen-Weimar, Peter Leopold in Toskana, Gustav III. in Schweden, Katharina II. in Russland) setzt im aufgeklärten A. (Reformabsolutismus) der Fürst als erster Diener des Staates wohlfahrtsstaatliche Änderungen in Gang (Bildungspolitik, Bauernbefreiung, Gerichts­organisation). In Frankreich beendet die Revolution des Jahres 1789 den als Anspruch bedeutsamen, als Wirklichkeit kaum tatsächlich durchgesetzten A.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Bodin, J., Les six livres de la république, 1576, http://www.koebler­gerhard.de/Fontes/BodinJeanLesSixLivresDeLaRepublique1576.pdf; Hobbes, T., Leviathan 1651; Feine, H., Einwirkungen des absoluten Staats­gedankens auf das deutsche Kaisertum, ZRG GA 42 (1921), 474; Fehr, H., Der Absolutismus in der Schweiz, ZRG GA 69 (1952), 182; Sturmberger, H., Kaiser Ferdinand II. und das Problem des Absolutismus, 1957; Carsten, F., Princes and parliament in Germany, 1959; Conrad, H., Rechtsstaatliche Bestrebungen, 1961; Schnur, R., Individualismus und Absolutismus, 1962; Oestreich, G., Geist und Gestalt des frühmodernen Staates, 1969; Conrad, H., Staatsgedanke und Staatspraxis, 1971; Dreitzel, H., Protestantischer Aristotelismus und absoluter Staat, 1970; Absolutismus, hg. v. Hubatsch, E., 1973, 2. A. 1988; Der aufgeklärte Absolutismus, hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1974; Anderson, P., Lineages of the Absolutist State, 1974; Aufklärung, hg. v. Hinrichs, E., 1985; Hubatsch, W., Das Zeitalter des Absolutismus 1600-1789, 4. A. 1975; Anderson, P., Die Entstehung des absolutistischen Staates, 1979; Aspekte des europäischen Absolutismus, hg. v. Patze, H., 1979; Reinalter, H., Aufgeklärter Absolutismus und Revolution, 1979; Mousnier, R., La monarchie absolue en Europe, 1982; Meyer, J., Frankreich im Zeitalter des Absolutismus, 1990; Henshall, N., The Myth of Absolutism, 1992; Dreitzel, H., Absolutismus und ständische Verfassung in Deutschland, 1992; Cornette, J., Absolutisme et Lumières, 1993, 2. A. 2000, 3. A. 2003, 4. A. 2005, 5. A. 2008; Der Absolutismus – ein Mythos?, hg. v. Duchhardt, H., 1996; Vec, M., Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat, 1998; Reformabsolutismus und ständige Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G. u. a., 1998; Duchhardt, H., Das Zeitalter des Absolutismus, 3. A. 1998 (mit rund 1400 Literaturnachweisen); Hinrichs, E., Fürsten und Mächte, 2000; Der aufgeklärte Absolutismus im europäischen Vergleich, hg. v. Reinalter, H. u. a., 2002; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003, (Müßig, U., Recht und Justizhoheit,) 2. A. 2009; Reinalter, H., Lexikon zzum aufgeklärten Absolutismus, 2005; Absolutismus, ein unersetzliches Forschungskonzept?, hg. v. Schilling, L., 2008; Feist, D., Absolutismus, 2008; Blänkner, R., „Absolutismus“, 2011 (= Dissertation von 1990)

Abstimmung ist das durch Abgabe einzelner Entscheidungen (Zustimmung, Ablehnung, Enthaltung) erfolgende Verfahren zur Ermittlung des Willens (Gemeinwillens) einer Gesamtheit von zu einer Entscheidung zugelassenen Menschen oder Personen hinsichtlich einer bestimmten Frage. Als eine besondere Form der A. ist bereits im antiken Athen der Ostrazismus bekannt, bei dem der Angehörige des Volkes mittels je eines Tonscherbens (griech. ostrakon) darüber abstimmen kann, ob ein Bürger, der die politische Ordnung gefährdet, für 10 Jahre ohne Verlust des Vermögens und seiner sonstigen Rechts­stellung verbannt werden soll. Im Einzelnen erfolgen dann Abstimmungen nach ziemlich unterschiedlichen Regeln (z. B. Stimm­zählung und Mehrheitsentscheidung in der Goldenen Bulle 1356, Willensbildung nach Kurien im Reichstag des Heiligen römischen Reiches), bis in der Mitte des 19. Jh.s sich die Einheitlichkeit des Abstimmungskörpers mit grundsätzlich gleichem Stimmrecht (Verfas­sung des deutschen Reiches von 1848) durchzusetzen beginnt. Im 20. Jh. ist die A. des Volkes über eine politische Frage ein Entscheidungs­verfahren unmittelbarer Demo­kratie. Eine Sonderform der A. stellt die →Wahl dar.

Lit.: Stutz, U., Die Abstimmungsordnung der Goldenen Bulle, ZRG GA 43 (1922), 217; Stutz, U., Der Jüngste stimmt zuerst, ZRG GA 49 (1929), 435; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Scheuner, U., Das Mehrheitsprinzip, 1973; Heun, W., Das Mehrheitsprinzip, 1983; Bleicken, J., Die Verfassung der römischen Republik, 2000

Abstraktion (1571) ist die Lösung eines all­gemeine Merkmale enthaltenden Umstands von einzelnen Erscheinungsformen. Im 19. Jh. setzt die →Pandektistik auf der Grundlage einer Entscheidung des römischen Juristen Julian/Iulianus (Hadrumetum um 100-um 170) die Trennung des →Verfügungsge­schäfts (→Übereignung, →Abtretung) von dem ihm als Grund (lat. [F.] causa) zugehörigen →Verpflichtungsgeschäft und die Trennung des Innenverhältnisses (Auftrag) vom Außenverhältnis (Vollmacht) mit Hilfe des Prinzips der A. durch (Abstraktionsprinzip).

Lit.: Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Landwehr, G., Abstrakte Rechtsgeschäfte, (in) Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, 1990, 173; Eisenhardt, U., Die Entwicklung des Abstraktionsprinzips, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Ferrari, F., Vom Abstraktionsprinzip und Konsensualprinzip zum Traditionsprinzip, ZEuP 1993, 52; Rodríguez-Rosado, B., Abstraktionsprinzip und redlicher Erwerb als Mittel zum Schutze des Rechtsverkehrs, 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Abt (Lehnwort lat. abbas, abbatem [Akk.] 4. Jh., „Abt, Vater“, Lehnwort gr. ábba, aram. abba, „Vater“, Lallwort) ist seit dem 4. Jh. der Leiter einer rechtlich selbständigen Nieder­lassung eines christlichen →Ordens des weströmischen Gebiets. Er wird als geist­licher Vater (lat. pater [M.] spiritualis) verstanden. Die auf den Kirchenvater Augustinus (354-430) zurückgehende Ordensregel Benedikts von Nursia (480-547) legt Einzelheiten der Stellung genauer fest. Demnach erfordert die Weihe zum anfangs vom Bischof eingesetzten, nach den Novellen Justinians von sämtlichen Mönchen gewählten A. vorbild­liche Lebensführung und Weisheit. Der A. hat gegenüber den Mönchen Rechte wie ein Vater gegenüber Kindern. Deshalb schulden die Mönche Gehorsam und Ehrerbietung. Im fränkischen Reich tritt neben das freie Wahlrecht der Mönche das Einsetzungsrecht eines jeweiligen Herrn (einer Gründerfamilie). Seit karolingischer Zeit wird der A. auch mit weltlichen Aufgaben betraut. Synoden von Rom (826) und Poitiers (1078) sowie das Konzil von Vienne (1311/2) legen die Voraussetzung der Weihe zum Priester für den A. fest. Im 11. und 12. Jh. dringt der Grundsatz der freien Wahl für kurze Zeit wieder vor.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hegglin, B., Der benediktinische Abt, 1961; Salmon, P., L’abbé dans la tradition monastique, 1963; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Seibert, H., Abtserhebungen, 1995; Wiech, M., Das Amt des Abtes im Konflikt, 1999

Abtei (lat. [F.] abbatia) ist seit der frühen Neuzeit die von der Stellung und Tätigkeit eines Abtes übernommene Bezeichnung für die von einem →Abt geleitete, rechtlich selbständige Niederlassung eines christlichen Ordens. Die A. kann →Reichsabtei, landsässige A. oder der römischen Kirche unterstellte freie A. sein.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Blume, K., Abbatia, 1919; Wehlt, H., Reichsabtei und König, 1970; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Brandstetter, A., Die Abtei, 1999

Äbtissin ist die Leiterin einer rechtlich selb­ständigen Nieder­lassung eines christlichen Frauenordens (des weströmischen Gebiets). →Abt

Abtreibung ist der künstlich herbeigeführte vorzeitige Abgang der (beseelten) menschlichen Leibes­frucht aus dem Mutterleib. Die A. ist nach römischem Recht zeitweise zulässig. Die →Kirche wertet sie zunächst in jedem Fall als →Mord, Gratian (um 1140) beurteilt aber die A. vor dem 40. Tag der Schwangerschaft auf Grund von Exodus 21,22-23 milder. Die Aufklärung lehnt die kirchliche Lehre ab. Seit etwa 1970 (z. B. Österreich 1974) wird die kirchliche Auffassung im weltlichen Recht zunehmend eingeschränkt und der medizinisch einfach gewordene Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft als (nach einer Beratung in Deutschland seit 1995 zwar rechtswidrig, aber) straffrei zugelassen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Lewin, L., Die Fruchtabtreibung, 4. A. 1925; Huser, R., The Crime of Abortion, Diss. Washington 1942; Noonan, J., The Morality of Abortion, 1970; Jerouschek, G., Lebensschutz und Lebensbeginn. Kulturgeschichte des Abtreibungsverbots, 1988; Gante, M., § 218 in der Diskussion, 1991; Geschichte der Abtreibung, hg. v. Jütte, R., 1993; Onstein, H., Die Entwicklung der Straftatbestände der Abtreibung, Diss. jur. Münster 1996; Müller, P., Die Abtreibung, 2000; Jerouschek, G., Lebensschutz und Lebensbeginn, 2002; Bett, J., Die Beurteilung der embryopathischen Indikation zum Schwangerschaftsabbruch, Diss. jur. Tübingen 2003; Putzke, S., Die Strafbarkeit der Abtreibung in der Kaiserzeit, 2003; Koch, C., Schwangerschaftsabbruch, 2004; Behren, D. v., Die Geschichte des § 218 StGB, 2004; Usborne, C., Cultures of Abortion in Weimar Germany, 2007

Abtretung (lat. [F.] cessio) (1360) ist die Übertragung einer Forderung von einem bisherigen →Gläubiger (Zedenten) auf einen anderen (Zessionar), der damit neuer Gläubiger wird. Sie ist im römischen Recht ausgeschlossen, weil die Verbindlichkeit als höchstpersönliches Band zwischen Gläubiger und Schuldner betrachtet wird. Erst spät lässt das römische Recht mit Hilfe der Einrichtung des Prozessmandats (Geltendmachung der Forderung des Gläubigers durch einen Beauftragten) und der Novation in Form einer Stipulation zwischen Schuldner und Neugläubiger wenigstens die Übertragung eines selbstän­digen Rechtes zu, eine fremde Forderung auszuüben. Im Gegensatz hierzu entwickelt sich wohl in den mittelalterlichen Städten die rechtsgeschäftliche Übertragung von Forderungen, die zunächst grundsätzlich der Mitwirkung des Schuldners durch Einwilligung gegenüber dem bisherigen Gläubiger oder durch Gelöbnis gegenüber dem neuen Gläubiger be­darf (ausgenommen gerichtlich festgestellte Forderungen). Ver­einzelt bestehen auch Verbote von Ab­tretungen. Das Zustim­mungser­fordernis ent­fällt seit dem Spätmittel­alter (letztlich) unter dem Einfluss des ge­mei­nen Rechtes, in dem das deutschrechtliche Ge­dankengut die Übertragung der Forderung auch der Substanz nach eröffnet, so dass be­reits der →Codex Maximilianeus Bavaricus civilis von 1756 (II 3 § 8) die A. aufnimmt (ALR I 11 §§ 376ff., Code civil Art. 1689ff., ABGB §§ 1392ff.). Im 19. Jh. unterliegt die einschränkende Lehre Christian Mühlen­bruchs (1817) der durch Windscheid und Bähr geprägten Vorstellung von der Abtre­tung als einem abstrakten Verfügungsgeschäft (§§ 398ff. BGB, Art. 183ff. bzw. 164ff. Obligationen­recht der Schweiz). In England gilt die Forderung als solche bis 1873 als nicht übertragbar.

Lit.: Kaser § 55; Köbler, DRG 127, 165, 214; Mühlenbruch, C., Die Lehre von der Zession, 1817; Buch, G., Die Übertragbarkeit von Forderungen im deutschen mittelalterlichen Recht, 1912; Schumann, H., Die Forderungsabtretung im deutschen, fran­zösischen und englischen Recht, 1924; Luig, K., Zur Geschichte der Zessionslehre, 1966; Huwiler, B., Der Begriff der Zession in der Gesetzgebung seit dem Vernunftrecht, 1975; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Hoop, G., Kodifi­kationsgeschichtliche Zusammenhänge des Ab­tre­tungsverbotes, 1992; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Scheffzek, S., Der Einfluss der Mühlenbruch’schen Zessionslehre auf ausgeählte Gerichte, 2011; Ebinger, B., Die Forderungsübertragung nach Code civil und badischem Landrecht, Diss. jur. Mannheim 2011

Abtriebsrecht ist das Recht der Angehörigen einer Siedlungsgemeinschaft, den Zuzug eines Fremden zu verhindern. Es ist im Titel XLV (De migrantibus) des fränkischen Volks­rechts (lst. [M.] Pactus legis Salicae, 507-511) bezeugt und besteht bis in das 19. Jh. Allerdings kann ein Herr einem Fremden ein Niederlassungsprivileg ge­währen.

Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.

Abzahlung (1530) ist die planmäßig in kleineren Raten oder Teilbeträgen erfolgende Zahlung einer Schuld.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Abzahlungsgesetz ist das deutsche Gesetz vom 16. 5. 1894, das außerhalb des 1896/1900 geschaffenenen Bürgerlichen Gesetzbuchs die nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika seit etwa 1835 vom Handel umworbenen mittellosen Käufer beweglicher Sachen, die aus wirtschaftlichen Gründen etwa Nähma­schinen, Möbel oder Kleidung nur gegen Zahlung des Preises in Raten kaufen können, vor Benachteiligung (z. B. durch Verfall d. h. Rücknahme der Kaufsache bei Zahlungs­versäumnis und Fortbestehen der Zahlungs­pflicht) schützen will. Es wird mit Wirkung vom 1. 1. 1991 durch das Ver­braucher­kreditgesetz abgelöst, das zum 1. 1. 2002 in das Bürgerliche Gesetzbuch eingearbeitet wird. In Österreich wird 1896 ein Raten­gesetz, 1979 ein Konsumentenschutz­ge­setz erlassen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Benöhr, H., Konsumenten­schutz vor 80 Jahren, ZHR 138 (1974), 492; Schubert, W., Das Abzahlungsgesetz von 1894, ZRG GA 102 (1985), 130; Fendel, R., Der Berliner Möbelleihvertrag, 1991

Abzahlungskauf →Abzahlungsgesetz

Abzugsrecht ist das Recht zum Abzug des Einzelnen aus seinen bisherigen unfreien Rechts­verhältnissen, gegebenenfalls unter einer Geldleistung. Der Abzug findet sich in vielen spätmittelalterlichen Weistümern mit unter­schiedlichen Regelungen. Mit der Bauernbefreiung des 19. Jh.s wird das A. überflüssig.

L.: Möhlenbruch, R., Freier Zug, ius emigrandi, Auswanderungsfrieheit, Diss. jur. Bonn 1977

acceptatio (lat. [F.]) Annahme

acceptilatio (lat. [F.]) Empfangnahme →stipulatio

accessio (lat. [F.]) Hinzutreten, Zuwachs

accessio cedit principali (lat) - Zuwachs­ folgt rechtlich der Hauptsache. Verbindung

Accursius (Bagnolo [Certaldo] bei Florenz 1182 oder 1185-Bologna 1260 oder 1263) wird in einer bäuerlichen Familie geboren und lehrt nach dem Studium des römischen Rechtes in Bologna (Azo, Jacobus Balduinus) und der Promotion seit etwa 1215. Bis kurz nach 1230 legt er (in Bearbeitung eines unvollendeten Werkes Azos?) fünfbändige, durch etwa 1200 Handschriften überlieferte Erklärungen (Kommentare) zu allen Teilen der justinianischen Kompilation in Form von Glossenapparaten (lat. glossa [F.] ordinaria) mit insgesamt 96940 Einzelglossen (22365 zum Digestum vetus, 17969 zum Infortiatum, 22243 zum Digestum novum 17814 zum Codex, 4737 zu den Institutionen, 7013 zum Authenticum und 680 zu den libri feudorum, Summe dieser Zahlen 92811) vor, in denen er Problemlösungen unter umfangreicher Verwertung der voran­gehenden Literatur bietet. Außerdem sind 8 seiner Gutachten (Konsilien) erhalten, während eine bezeugte Summe nicht überliefert ist. Zu seinen Schülern zählen Odofredus und Papst Innozenz IV.

Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 106; Genzmer, E., Zur Lebensgeschichte des Accursius, FS L. Wenger, Bd. 2 1945, 223; Atti del convegno internazionale di studi accursiani, ed. Rossi, G., Bd. 1ff. 1968; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 335; Jakobs, H., Magna Glossa, 2006

Achilleisches Hausgesetz →Dispositio Achillea

Achramire (lat.-afrk.), adchramire, ist die frühmittelalterliche Bezeichnung für das Versprechen (Geloben), einen Gerichtstag wahrzuneh­men, einen Eid zu leisten oder einen Bürgen oder Zeugen zu stellen (Lex Salica [507-511] 62 u. ö.). Das a. erfolgt unter Übergeben oder Zuwerfen eines (gekerbten) Stäbchens (lat. [F.] →festuca, vielleicht ursprünglich mit der [lat., F.] framea, Lanze).

Lit.: Köbler, LAW; Daberkow, M., Adhramire und die germanische framea, Z. f. d. P. 49 (1923), 229

Acht ist im mittelalterlichen deutschen Recht die als Unrechtsfolge (Strafmittel oder Verfahrensmittel) mögliche allgemeine Verfolgung. Die A. folgt auf verschiedene Taten, die eine niedrige Gesinnung widerspiegeln (z. B. Mord, Treubruch). Wird der Täter in der Tat ergriffen, so kann er folgenlos getötet werden. Im Übrigen bedarf es eines besonderen Verfahrens, in dem die A. erklärt wird. Der Geächtete steht außerhalb des Rechtes, ist Feind aller und kann von jedem folgenlos getötet werden. Das beweg­liche Vermögen des Geächteten wird verteilt, die Liegenschaft verwüstet. Mindere Formen der A. sind zeitlich (z. B. auf ein Jahr) befristet. Bei fruchtlosem Ablauf einer damit verbundenen Gestellungsfrist (Ungehorsams­acht) verfällt der Betreffende in →Aberacht. Die vom König oder seinem Gericht verhängte A. gilt als →Reichsacht im ge­samten Reich. Lösung aus der A. ist möglich. Im Laufe des Mittelalters entwickelt sich die A. zu einer differenzierten Rechts­figur, die mit Erstarkung der staatlichen Gerichts­herrschaft verschwindet (wegen der Vollstreckungsschwäche des Reiches vom Reichskammergericht zuletzt noch 1698, vom Reichshofrat zuletzt noch 1709 ausgespro­chen).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Eichmann, E., Acht und Bann, 1909; Künßberg, E. Frhr. v., Acht, 1910; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Poetsch, J., Die Reichsacht, 1911; Ruf, F., Acht und Ortsverweis im alten Land- und Stadtgericht Nürnberg, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 46 (1955), 1; Siuts, H., Bann und Acht, 1959; Landes, D., Das Achtverfahren, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Jacoby, M., Wargus, 1974; Kampmann, C., Reichsrebellion und kaiserliche Acht, 1992; Weber, M., Zur Bedeutung der Reichsacht in der frühen Neuzeit, ZHF Beiheft 19 (1997), 55

Achtbuch ist das über die von einem Gericht ausgesprochene →Acht (und dadurch die Geächteten) geführte Buch (Register), wie es anscheinend erstmals der Reichslandfriede des Jahres 1235 vorsieht (z. B. Lübeck 1243, Iglau 1249, Rostock 1258, Rothenburg ob der Tauber 1274, Nürnberg 1285, Achtbuch der Reichshofgerichtsschreiber Petrus Wacker und Johann Geisler zwischen 1417 und 1445 mit fast 600 Einträgen u. a.).

Lit.: Schultheiß, W., Nürnberger Rechtsquellen, Bd. 1f. 1960, 16; Battenberg, F., Das Achtbuch der Könige Sigmund und Friedrich III., 1986

Achtklausel ist die in mittelalterlichen Verträgen enthaltene Vereinbarung, sich für den Fall der Vertragsverletzung der Acht zu unterwerfen.

Lit.: Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter, 1987´6, 288

acta (lat. [N.Pl.]) →Akten

acta municipalia (lat. [N.Pl.]) Gemeinde­ak­ten

Actio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Möglichkeit, vor Gericht zu verlangen, was einem zusteht (Klaganspruch). Im →For­mularprozess trägt der Kläger in Gegenwart des Beklagten das Begehren vor dem Gerichtsmagistrat vor und beantragt die Er­teilung einer bestimmten a. Ergibt sich, dass der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt keine bereits anerkannte a. rechtfertigt, ent­fällt der Antrag. Allerdings kann der Gerichts­magistrat, wenn er das Begehren des Klägers gleichwohl als rechtsschutzbedürftig erachtet, eine a. in factum in Aussicht stellen. Die zugelassenen actiones, von denen jede ihre eigene Formel hat, werden vor allem im 4. Buch der Institutionen Justinians im Titel (lat.) De actionibus (Von den Klagan­sprüchen) zusammengestellt. Im Hochmittel­alter anerkennt beispielsweise Johannes Bassianus 169 verschiedene actiones. Im 19. Jh. (Windscheid 1856) wird aus der römischrechtlichen a. der materiellrechtliche →Anspruch.

Lit.: Kaser § 82; Söllner § 9; Köbler, LAW; Windscheid, B., Die actio des römischen Civilrechts, 1856; Bethmann Hollweg, C. v., Der Civilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 6 1874, 16; Peter, H., Actio und writ, 1957; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts, 1996; Kollmann, A., Begriffs- und Problemgeschichte des Verhältnisses von formellem und materiellem Recht, 1996; Gröschler, P., Actiones in factum, 2002; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002

Actio (F.) ad exhibendum (lat.), Klaganspruch auf Vorlegung, Vorweisung (vor dem Prätor), Herausgabe, Exhibi­tionsklage (vgl. § 809 BGB, Klage auf Besichtigung) ist eine (lat.) actio in personam, durch die der bei einer (lat.) actio in rem feh­lende Einlassungszwang umgangen werden kann.

Lit.: Kaser §§ 26 III 3, 27 I 5, 34 II 3

actio (F.) adiecticiae qualitatis (lat.) Klag­anspruch aus Haftung für Gewaltunterworfene

Lit.: Kaser §§ 11, 15, 49, 60, 83; Wacke, A., Die adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280

actio (F.) aestimatoria (lat.) Klaganspruch zur Schätzung (aus Trödelvertrag)

Lit.: Köbler, DRG 48

actio (F.) arbitraria (lat.) Klaganspruch zur Schätzung bzw. zum Ermessen

Lit.: Kaser §§ 8 IV, 83 II, 87 II

Actio (F.) auctoritatis (lat.), Klaganspruch wegen Eviktion (Entwerung) gegen den Verkäufer, Gewährschaftsklage, ist im rö­mischen Recht der Klaganspruch eines wegen einer durch Manzipation erworbenen Sache von einem Dritten angegriffenenen und vom Veräußerer nicht geschützten oder unter­liegenden Käufers auf den doppelten Kauf­preis.

Lit.: Kaser §§ 7, 27, 32, 51; Söllner § 8; Brägger, R., Actio auctoritatis, 2013

Actio (F.) certae creditae pecuniae (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch auf eine bestimmte Gelddarlehensschuld.

Lit.: Kaser §§ 39, 83

actio (F.) civilis (lat.) Klaganspruch nach dem Zivilrecht

actio (F.) commodati (lat.) Klaganspruch aus Leihvertrag

Lit.: Kaser § 39 II

Actio (F.) communi dividundo (lat.) ist im römischen Recht der wohl im 3./2. Jh. v. Chr. durch eine (lat.) lex (F.) Licinnia geschaffene Teilungs­klaganspruch mindestens eines Angehörigen einer Vermögensgemeinschaft.

Lit.: Kaser §§ 23 IV 83

actio (F.) conducti (lat.) Klaganspruch des Mieters  u. s. w.

Lit.: Kaser §§ 42, 83

actio (F.) confessoria (lat.) Servitutenklag­anspruch, Nießbrauchsklaganspruch

Lit.: Kaser §§ 28, 29

actio (F.) contraria (lat.) Gegenklaganspruch (bei unvollkommen zweiseitig verpflich­ten­den Verträgen z. B. Aufwandsersatzkla­gean­spruch des Entleihers, Verwahreres, Beauf­trag­ten oder Pfandgläubigers)

Lit.: Kaser § 38 IV 2

Actio (F.) de deiectis vel effusis (lat.), Klageanspruch wegen hinausgeworfener oder ausgeschütteter (Sachen), ist im römischen Recht der gegen den Inhaber von Räumen wegen eines durch Hinauswerfen oder Ausgießen von Sachen aus den Räumen entstandenen Schadens gerichtete, verschul­densunabhängige Scha­dens­ersatzanspruch ei­nes Verletzten auf das Doppelte des Schadens (Quasidelikt, Erfolgshaftung?).

Actio (F.) de dolo (lat.), Klaganspruch wegen Arglist, ist im römischen Recht der auf Anregung des C. Aquilius Gallus im 1. Jh. v. Chr. vom Prätor bei Fehlen einer anderweitigen actio gewährte, binnen Jahresfrist geltend zu machende Klag­anspruch des durch einen Betrug Ge­schädigten gegen den Täter auf Ersatz des Schadens, der durch Wiedergutmachung abgewendet werden kann, andernfalls Infamie nach sich zieht.

Lit.: Kaser §§ 8, 83; Söllner § 9

Actio (F.) de in rem verso (lat.), Klage wegen des auf eine Sache Verwendeten, Klaganspruch wegen eingetretener Bereicherung, ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen einen Gewalthaber auf Herausgabe des Wertes, den ein Gewalt­unterworfener aus einem Ver­pflich­tungs­geschäft erlangt und zu einer Bereicherung des Vermögens des Gewalt­habers verwendet. Das nachklassische römi­sche Recht erweitert den Anwen­dungsbereich auf Geschäftsfüh­rung durch Freie, das gemeine Recht entwickelt die a. zu einem allgemeinen Bereiche­rungs­anspruch wegen nützlicher Verwendung.

Lit.: Kaser § 49; Söllner § 12; Chiusi, T., Die actio de in rem verso, 2001

actio (F.) de pauperie (lat.) Klaganspruch wegen Minderung durch Schaden seitens eines vierfüßigen Nutztiers, den der Ei­gen­tümer durch Herausgabe des Tieres ab­wenden kann

Lit.: Kaser § 50 II 4

actio (F.) de peculio (lat.) Klaganspruch über das Sondergut eines Gewaltunterworfenen gegen den Gewalthaber wegen vom Gewaltunterworfenen begründeter Geschäfts­verbindlichkeiten bis zur Höhe des Wertes des Sonderguts im Verurteilungszeitpunkt

Lit.: Kaser §§ 49 II, 83 II; Söllner § 12

Actio (F.) depositi (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch des Hinterlegers auf Rückgabe der hinterlegten Sache gegen den Verwahrer.

Lit.: Kaser §§ 39, 83; Walter, T., Die Funktionen der actio depositi, 2012

actio (F.) de recepto (lat.) Klaganspruch aus Garantieerklärung

Lit.: Kaser § 46 III 3

actio (F.) de tigno iuncto (lat.) (schon im Zwölftafelgesetz enthaltener) Klaganspruch des römischen Rechtes über den bei einem Hausbau rechtswidrig verwendeten Balken oder später eines anderen Gegenstand eines andern, den der Verwender nicht lostrennen, sondern nur mit dem doppelten Wert ersetzen muss

Lit.: Kaser § 26 III 3; Köbler, DRG 25; Hinker, H., Tignum iunctum, ZRG RA 108 (1991), 41

actio (F.) empti (lat.) Kaufklaganspruch

Lit.: Kaser §§ 51, 83 II; Söllner § 9

actio (F.) exercitoria (lat.) Klaganspruch gegen den Reeder für Geschäfte des Kapitäns bei dem Betrieb eines Schiffes

Lit.: Kaser § 49 II 3; Wacke, A., Die adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280

Actio (F.) ex stipulatu (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch des Gläubigers gegen den Schuldner, der in der einseitig verpflicht­enden Stipulation eine unbestimmte Leistung versprochen hat.

Lit.: Kaser §§ 40, 83; Söllner §§ 9, 24

actio (F.) ex testamento (lat.) Klaganspruch aus Testament

Lit.: Kaser §§ 32 II 4, 76 II

actio (F.) familiae erciscundae (lat.) Erbteilungsklaganspruch

Lit.: Kaser §§ 65, 66, 73, 81; Söllner §§ 8, 9

actio (F.) fiduciae (lat.) Klaganspruch aus Sicherungsübereignung

Lit.: Kaser §§ 24, 31, 38, 83; Söllner § 9

actio (F.) finium regundorum (lat.) Grenz­feststellungsklaganspruch

Lit.: Kaser § 23

Actio (F.) furti non manifesti (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen den nicht handhaften Dieb auf das Doppelte des Wertes der entzogenen Sache, während die actio furti manifesti auf das Vierfache des Sachwerts gerichtet ist.

Lit.: Kaser § 83; Kaser, M., Die actio furti, ZRG RA 96 (1979), 89

actio (F.) honoraria (lat.) prätorischer Klag­anspruch

Lit.: Kaser § 4 II 1

actio (F.) in factum (lat.) auf den Sachverhalt zugeschnittener Klaganspruch des Prätors bei Fehlen einer actio im Edikt und Anerkennung eines Rechtsschutzbedürfnisses (z. B. bei von der lex Aquilia nicht erfassten mittelbaren Schädigungen)

Lit.: Söllner § 15; Gröschler, P., Actiones in factum, 2002

actio (F.) iniuriarum (lat.) Schadensersatz­klaganspruch

Lit.: Kaser §§ 34, 35, 83; Söllner § 8; Moosheimer, T., Die actio iniuriarum aestimatoria, 1998; Balthasar, S., Der Schutz der Privatsphäre im Zivilrecht, 2006

actio (F.) in personam (lat.) persönlicher Klaganspruch (wegen Forderungen aus einem Schuldverhältnis auf Leistung, wobei Ein­lassungszwang des Gegners besteht)

Lit.: Kaser § 4 I, II, 82 II; Söllner § 9

actio (F.) in rem (lat.) sachverfolgender Klaganspruch (zur Durchsetzung von absoluten Rechten auf eine [ursprünglich in der Gerichtsstätte vorhandene] Sache ge­genüber einem sich in Widerspruch zu den Rechten des Klägers Setzenden, wobei kein Einlassungszwang des Gegners besteht)

Lit.: Kaser §§ 4, 83 II; Söllner § 9

Actio (F.) institoria (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen einen Unter­nehmer aus einer von seinem Angestellten ein­ge­gangenen Verbind­lichkeit.

Lit.: Kaser § 49; Wacke, A., Die adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280; Hamza, G., Bemerkungen zur actio ad exemplum institoriae im römischen Recht (in) Seminariios Complutenses de derecho Romano, 25 (20129, 175

actio (F.) iudicati (lat.) Vollstreckungs­klag­anspruch

Lit.: Kaser §§ 32, 85

actio (F.) legis Aquiliae (lat.) Schadensersatzklaganspruch

Lit.: Kaser § 51; Söllner § 8; Kaufmann, H., Rezeption und usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958

actio (F.) locati (lat.) Klaganspruch des Ver­mieters  u. s. w.

Lit.: Kaser §§ 42, 83 II

actio (F.) mandati (lat.) Klaganspruch aus Auftrag

Lit.: Kaser §§ 56, 57, 83

actio (F.) mixta (lat.) gemischter Klag­anspruch (zugleich sachverfolgender und pönaler Klaganspruch)

Actio (F.) negatoria (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch, mit dem der zivile Eigentümer sich dagegen wehren kann, dass ein anderer sich ein nicht bestehendes Recht zur Einwirkung auf die Sache (z. B. Dienstbarkeit, Recht auf Immission) anmaßt.

Lit.: Kaser § 27 II; Ogorek. R., Actio negatoria und industrielle Beeinträchtigung des Grundeigentums, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 40; Thier, A., Zwischen actio negatoria und Aufopferungsanspruch, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 407; Kawasumi, Y., Von der römischen actio negatoria zum negatorischen Beseitigungsanspruch, 2001

actio (F.) negotiorum gestorum (lat.) Klaganspruch aus Geschäftsführung

Lit.: Kaser §§ 38, 44, 56, 64, 83

actio (F.) noxalis (lat.) Schadensersatz­klaganspruch wegen Noxalhaftung des Ge­walt­habers

Lit.: Köbler, DRG 27

Actio (F.) nullitatis (lat.) ist der mittel­alter­liche Nichtigkeitsklaganspruch

Lit.: Köbler, DRG 117

actio (F.) operarum (lat.) Klaganspruch auf ver­sprochene Dienste

Lit.: Kaser §§ 16 II, 39 II

Actio (F.) Pauliana (lat.) ist die unter Justinian (527-565) die (lat.) restitutio in integrum und das (lat.) interdictum frau­datorium aufnehmende Gläubigeranfech­tungs­­klage gegen den unentgeltlichen oder wis­sen­den Erwerber aus gläubigerbenach­teiligenden Rechtsgeschäften des Schuldners.

Lit.: Willems, C., Actio Pauliana und fraudulent conveyances, 2012

actio (F.) pigneraticia (lat.) Pfandklag­anspruch (in rem oder in personam)

Lit.: Kaser §§ 31, 39

actio (F.) poenalis (lat.) Strafklaganspruch

actio (F.) popularis (lat.) Popularklagan­spruch, von jedermann aus dem Volk erhebbarer Klaganspruch (z. B. actio de de­iectis verl effusis), bei dem die Buße an den Kläger, die Gemeinekasse bzw. Staatskasse oder an beide fällt

Lit.: Kaser § 50 I 1

actio (F.) praescriptis verbis (lat.) Klagan­spruch der (vom Prätor in der Klaganspruchsformel genau) vorgeschrie­be­nen Worte (z. B. bei Innominatkontrakt)

Lit.: Kaser § 45 II; Kranjc, J., Die actio praescriptis verbis, ZRG RA 106 (1989), 434; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002

actio (F.) praetoria (lat.) prätorischer Klag­an­spruch

Lit.: Kaser § 4 II

actio (F.) pro socio (lat.) Klaganspruch gegen den Gesellschafter

Lit.: Kaser § 43 I

Actio (F.) Publiciana (lat.) ist im römischen Recht der wohl im letzten vorchristlichen Jahrhundert vom Prätor geschaffene sachverfolgende Klag­anspruch des besseren Besitzers (z. B. Ersitzungsbesitzers, bo­nitarischen Eigentümers) gegen den schlech­teren Besitzer (also nicht gegen den zivilen Eigentümer) auf Herausgabe der Sache (vgl. § 1007 BGB, 372 ABGB).

Lit.: Kaser §§ 27, 83; Söllner § 9; Apathy, P., Die publizianische Klage, 1981

actio (F.) quanti minoris (lat.) Minderungs­klaganspruch (binnen einem Jahr geltend zu machen)

Lit.: Kaser § 41 VI 4; Söllner § 9

Actio (F.) quod iussu (lat.) (Geheißklage) ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen den durch Geheiß (lat. [N.] iussum) zu Rechtsgeschäften ermächtigenden Hausvater bzw. Gewalthaber wegen des Geschäfts eines Haussohns bzw. Gewaltunterworfenen.

Lit.: Kaser §§ 49, 83; Schleppinghoff, A., Actio quod iussu, Diss. jur. Köln 1996

actio (F.) redhibitoria Wandelungsklag­an­spruch (binnen sechs Monaten geltend zu machen)

Lit.: Kaser §§ 34, 41; Söllner § 9

actio (F.) rei uxoriae (lat.) Klaganspruch auf Herausgabe des Heiratsguts der Frau

Lit.: Kaser §§ 33, 34, 36; Söllner §§ 9, 24; Söllner, A, Zur Vorgeschichte und Funktion der actio rei uxoriae, 1969

actio (F.) Serviana (lat.) Pfandklaganspruch des Pfandgläubigers (anfangs nur des Verpachtenden) auf Herausgabe der Pfandsache von jedem Besitzer

Lit.: Kaser § 31 III

actio (F.) stricti iuris (lat.) strengrechtlicher Klaganspruch

Lit.: Kaser §§ 33 IV, 36 III, 37 I

actio (F.) tutelae (lat.) Klaganspruch gegen den Vormund

Lit.: Kaser §§ 62 IV 4, 83 II 3

actio (F.) utilis (lat.) (vom Präter im Einzelfall) brauchbar (anwendbar) gemachter allgemeiner Klaganspruch (z. B. Anwendbarmachung der actio legis Aquiliae des Eigentümers auf andere dinglich Berechtigte oder auf den Hausvater eines verletzten Hauskinds)

Lit.: Kaser § 55 II 3; Stolmar, R., Die Genesis der actio utilis, 1988; Stolmar, R., Die formula der actio utilis, 1992

actio (F.) venditi (lat.) Kaufpreisklag­anspruch des Verkäufers

Lit.: Kaser §§ 41 III 2, 83 II 3

actus (lat. [N.]) Trift →Dienstbarkeit

actus (M.) iuridicus (lat.) →Rechtsgeschäft

Lit.: Köbler, DRG 164

actus (M.) legitimus (lat.) bedingungsfeindliches Rechtsgeschäft

Lit.: Kaser §§ 34, 41

Additio (F.) sapientium (lat.) ist die innerhalb der →Lex Frisionum überlieferte Niederschrift über Rechtsmitteilungen zweier Männer namens Wlemarus und Saxmundus.

Lit.: Heck, P., Die Entstehung der Lex Frisionum, 1927; Siems, H., Studien zur Lex Frisionum, 1980

Adel ist die Gesamtheit der erblich bevor­rechtigten Familien einer Gesellschaft. Derar­tige Erscheinungen treten in ver­schiedenen Kulturen auf. Sie sind Wand­lungen unterwor­fen. Die Herkunft des mit­telalterlichen deutschen Adels ist un­geklärt. Neben wirtschaftlichen Gesichts­punkten (ererbter Boden?) spielt wohl auch die Herrschaft über Menschen eine Rolle. Nicht sicher feststellbar ist die Bedeutung charismatischer Elemente (Heil, Behaup­tung göttlicher Abkunft). Die germani­schen (lat. [M.Pl.]) principes (Ersten, Anführer) lassen sich nicht als A. sichern. Das salfränkische Volksrecht (507-511?) kennt noch keine rechtliche Aussonderung erblich bevorrechtigter Familien, doch ist es nicht ausgeschlossen, dass der aus der spät­römischen Reichsbeamtenschaft her­vor­­ge­­gangene römische Senatorenadel vergleich­bare fränkische Strukturen als Gegenstück findet. Mit den fränkischen Königen steigen viele ihrer Anhänger über die Zuteilung von wichtigen Aufgaben auf. Infolge von Heirats­ver­bindungen und militärischen Erfolgen ent­wickelt sich ein engerer Kreis bedeutender Familien, denen zunehmend die höchsten Ämter des Reiches vorbehalten werden (Reichsadel). Weil ihre Lehen seit dem Ende des 9. Jh.s erblich werden, festigt sich ihre örtliche Bindung zu bestimmten Gebieten. Diese oberste Schicht des bereits in den karolingischen Volksrechten durch ein beson­deres →Wergeld sowie im Übrigen durch →Ebenburt (Ebenbürtigkeit) und spä­ter →Pairsgericht gekennzeichneten Adels wird seit dem Hochmittelalter zu den →Landesherren bzw. →Reichsfürsten. Demgegenüber tritt der vielfach der Unfreiheit entstammende, durch Herren­dienst entstandene →niedere Adel in den Dienst der Landesherren ein. Seit 1346 kann der A. (vom König) durch Urkunde an Bürger verliehen werden (Briefadel). Mit dem Absolutismus wird die politische Bedeutung des Adels im Land beschnitten. Durch Säkularisation, Me­diatisierung, Be­seitigung der Grundherrschaft und Ein­führung des 1789 in Frankreich revo­lutionär verwirklichten Gleichheits­grund­satzes wird der rechtliche Vorrang des Adels (im deutschen Gebiet) in der jüngeren Neuzeit (bis 1918) beseitigt (Österreich 3. 4. 1919 Gesetz über die Auf­he­bung des Adels, Führung verwaltungs­strafbar). Mit der Bo­denreform in der sowjetischen Besatzungs­zone (1945-1949) werden ihm dort auch die wirtschaft­lichen Grundlagen entzogen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 78, 87, 98, 111, 120, 132, 135, 149, 206, 225; Guilhermoz, P., Essai sur l’origine de la noblesse en France, 1902; Wittich, W., Altfreiheit und Dienstbarkeit des Uradels in Niedersachsen, Vjschr. für Sozial- und Wirtschafts­geschichte 1906; Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche, 1910; Mayer, E., Der germanische Uradel, ZRG GA 32 (1911), 1; Mayer, E., Zur Lehre vom germanischen Uradel, ZRG GA 37 (1916), 93; Ernst, V., Die Entstehung des niederen Adels, 1916; Lintzel, M., Die Stände der deutschen Volksrechte, 1933; Dungern, O. v., Adelsherrschaft im Mittelalter, 1927, Neudruck 1967; Otto, E., Adel und Freiheit, 1937; Stutz, U., Zum Ursprung und Wesen des niederen Adels, 1937; Bader, K., Zur Lage und Haltung des schwäbischen Adels am Ende des alten Reiches, Zs. f. württ. LG. 5 (1941), 335; Tellenbach, G., Vom karolingischen Reichsadel zum deutschen Reichsfürstenstand, 1943; Hiesel, R., Die staats­rechtliche und soziologische Stellung des Stadtadels, 1952; Sprandel, R., Der merovingische Adel, 1957; Bergengruen, A., Adel und Grundherrschaft im Merovingerreich, 1958; Kläui, P., Hochmittelalterliche Adelsherrschaften im Zürichgau, 1960; Deutscher Adel 1430-1555, hg. v. Rößler, H., 1965; Deutscher Adel 1555-1740, hg. v. Rößler, H., 1965; Störmer, W., Früher Adel, 1973; La noblesse, hg. v. Contamine, P., 1976; Fleckenstein, J., Die Entstehung des niederen Adels und das Rittertum, 1977; Sablonier, R., Adel im Wandel, 1979; Lemmel, H., Die genetische Kontinuität des mittelalterlichen Adels, 1980; Werner, M., Adelsfamilien im Umkreis der frühen Karolinger, 1982; Barbero, A., L’aristocrazia, 1987; Europäischer Adel 1750-1950, hg. v. Wehler, H. u. a., 1990; Althoff, G., Verwandte, Freunde und Getreue, 1990; Ritter­orden und Adels­gesellschaft im spätmittel­alterlichen Deutschland, hg. v. Kruse, H. u. a., 1991; Hoyningen-Huene, I. Frfr. v., Adel in der Weimarer Republik, 1992; Adel in der frühen Neuzeit, hg. v. Endres, W., 1993; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993; Ranft, A., Adelsgesellschaften, 1994; Fehrenbach, E., Adel und Bürgertum im deutschen Vormärz, HZ-258 (1994), 1; Jackman, D., Das Eherecht und der frühdeutsche Adel, ZRG GA 112 (1995), 158; The European Nobilities in the Seventeenth and Eighteenth Centuries, Bd. 2 1995, 2. A. 2007; Geschichte des sächsischen Adels, hg. v. Keller, K. u. a., 1997; Contamine, P., La noblesse au royaume de France, 1997; Nobilitas, hg. v. Oexle, G. u. a., 1997; Dumoulin, K., Die Adelsbezeichnung im deutschen und ausländischen Recht, 1997; Rösener, W., Adelsherrschaft als kultur­historisches Phänomen, HZ 268 (1998), 1; Werner, K., Naissance de la noblesse, 1998; Peters, U., Dynastiegeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999; Reif, H., Adel im 19. und 20. Jahrhundert, 1999; Baudisch, S., Lokaler Adel in Nordwestsachsen, 1999; Binder-Krieglstein, R., Österreichisches Adelsrecht 1868-1918/19, 2000; Nobles and Nobility in Medieval Europe, hg. v. Duggan, A., 2000; La noblesse dans les territoires angevins, hg. v. Coulet, N. u. a., 2000; Conze, E., Vom deutschen Adel – Die Grafen von Bernstorff im zwanzigsten Jahrhundert, 2000; Stockert, H., Adel im Übergang, 2000; Der europäische Adel im Ancien Régime, hg. v. Asch, R., 2001; Schmilewski, U., Der schlesische Adel, 2001; Janse, A., Ridderschap in Holland, 2001; Zwischen Nicht-Adel und Adel, hg. v. Andermann, K. u. a., 2001; Mauerer, E., Südwest­deutscher Reichsadel im 17. und 18. Jahrhundert, 2001; Pečar, A., Die Ökonomie der Ehre. Der höfische Adel am Kaiserhof Karls VI. (1711-1740), 2003; Zunker, D., Adel in Westfalen, 2003; Malinowski, S., Vom König zum Führer, 2003; Hengerer, M., Kaiserhof und Adel, 2004; Adel und Moderne, hg. v. Conze, E./Wienfort, M., 2004; Schneider, J., Spätmittelalterlicher deutscher Niederadel, 2003; Theilemann, W., Adel im grünen Rock, 2004; Funck, J., Feudales Kriegertum und militärische Professionalität, 2004; Hechberger, W., Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter, 2004, 2. A. 2010; Hechberger, W., Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter, 2005; Crouch, D., The Birth of Nobility, 2005; Kleines Lexikon des Adels, hg. v. Conze, E., 2005; Dendorfer, J., Adelige Gruppenbildung und Königsherrschaft, 2005; Barth, T., Adelige Lebens­wege im alten Reich, 2005; Fried, J., Konradiner und kein Ende, ZRG GA 123 (2006), 1; Hoch­mit­telalterliche Adels­familien in Altbayern, Franken und Schwaben, hg. v. Kramer, F. u. a., 2006; Adel im Wandel, hg. v. Bumiller, C., 2006; Adel im Wandel, hg. v. Hengerer, M. u. a., 2006; Ruppel, S., Verbündete Rivalen, 2006; Matzerath, J., Adelsprobe an der Moderne, 2006; Adel in Sachsen-Anhalt, hg. v. Labouvie, E., 2007; Votypka, V., Böhmischer Adel, 2007; Adel und Nationalsozialismus im deutschen Südwesten, hg. v. Haus der Geschichte u. a., 2007; Adel in Bayern, hg. v. Haus der bayerischen Geschichte, 2008; Sikora, M., Der Adel in der frühen Neuzeit, 2009; Adel im „langen“ 18. Jahrhundert, hg. v. Haug-Moritz, G. u. a., 2009; Adel in Schlesien, hg. v. Harasimowicz, J. u. a., 2010; Adel in Hessen, hg. v. Conze, E. u. a., 2010; Risch, H., Der holsteinische Adel im Hochmittelalter, 2010; Adel verbindet, hg. v. Van Driel, M. u. a., 2010; Groß, O., Die Debatten über den Adel im Spiegel der Grund­rechtsberatungen in den deutschen Parlamenten 1848/1849, 2013

Ädile sind im römischen Recht zunächst die beiden Vorsteher des plebejischen Sonderheiligtums (lat. [F.] aedes [sacra], Tempel), die auch die Aufsicht über die dort stattfindenden Märkte haben. Im Jahre 367 v. Chr. wird ihnen die allgemeine Polizeigewalt übertragen. Ihnen werden zwei weitere Ä. zur Seite gestellt, die abwechselnd aus Patriziern und Plebejern gewählt werden sollen. Sie erhalten die Marktgerichtsbarkeit, in deren Rahmen sie ein eigenes Edikt aufstellen. Außer in Rom gibt es Ä. später auch in anderen Gemeinden.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 8, 15; Söllner §§ 6, 8; Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

aditio (lat. [F.]) Antritt

adiudicatio (lat. [F.]) Zuspruch

adjektizisch (hinzukommend, erstreckend) z. B. im römischen Recht Klagansprüche gegen den Gewalthaber auf Grund von Geschäften Gewaltunterworfener (z. B. actio de in rem verso, actio de peculio, actio quod iussu, actio tributoria) oder gegen den Geschäftsherrn auf Grund von Geschäften von Geschäftsführern (z. B. actio institutoria, actio exercitoria), die keine selbständigen Verbindlichkeiten be­grün­den, sondern die Ver­bindlichkeiten des Schuldners (Gewaltun­terworfenen, Geschäfts­führers) nur auf einen anderen (z. B. Gewalthaber, Geschäftsherrn) erstrecken

Adler ist der Vogel, der als König der Vögel bereits im Altertum als Begleitzeichen des höchsten Gottes (Zeus, Jupiter) erscheint und bald als Zeichen der römischen Weltherr­schaft verwendet wird. Diese Symbolik übernimmt anscheinend Karl der Große. Unter Friedrich I. Barbarossa wird der goldene A. auf farblosem Grund zum Reichs­wappen, das im 13. Jh. schwarz auf goldenem Grund gestaltet wird. Am Ende des 12. Jh.s tritt der ebenfalls schon antike Doppeladler in Siegeln von Reichsstädten neben den einfachen A. Um 1230 geben die Reichs­fürsten den bis dahin wegen ihrer königlichen Lehen geführten A. fast durchweg auf. Unter Kaiser Sigismund wird 1433 der schwarze Doppeladler im goldenen Feld Reichswappen, neben dem der König bis zum Ende des Heiligen römischen Reiches  den einfachen A. führt. 1848 erklärt die Bundesversammlung den Doppeladler zum Wappen des geplanten Deutschen Reiches, 1871 das Deutsche Reich den einköpfigen schwarzen A. in Gold mit aufgelegtem preu­ßischem Adlerschild, 1919 den einköpfigen schwarzen A. in Gold, der 1950 von der Bundesrepublik Deutschland über­nommen wird. Österreich verwendet 1804 den Doppel­adler als Reichswappen, versieht ihn aber mit je einer Krone und führt 1919 den ein­köpfigen schwarzen A. mit Hammer und Sichel in den Fängen ein, der von 1934 bis 1945 durch einen Doppeladler ersetzt, 1945 aber mit einer zusätzlichen gesprengten Eisenkette wieder aufgenommen wird. Preu­ßen führt seit 1320 zusätzlich den kaiserlichen A., der 1525 als schwarzer A. in Silber ge­staltet und mit einer goldenen Krone um den Hals und einem silbernen S(igismund) auf der Brust versehen wird. 1701 wird der gekrönte schwarze A. in Silber Wappen des König­reichs.

Lit.: Gritzner, E., Symbole und Wappen des alten deutschen Reiches, 1902; Korn, H., Adler und Doppeladler, Diss. phil. Göttingen 1969, Neudruck 1976; Hattenhauer, H., Deutsche Nationalsymbole, 1984; Hattenhauer, H., Geschichte der deutschen Nationalsymbole, 2. A. 1990; Hattenhauer, H., Deutsche Nationalsymbole, 3. A. 1998; Reichel, P., Schwarz Rot Gold, 2005

admallatio (lat. [F.]) Ladung

administratio (lat. [F.]) Verwaltung

Lit.: Busch, J., Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 42; Busch, J., Vom Amtswalten zum Königsdienst, 2007

Administrativjustiz (F.) durch die Verwaltung wahrgenommene Gerichtsbarkeit in Verwaltungsangelegenheiten (im 19. Jh.)

Lit.: Pahlow, L., Administrativjustiz versus Justizstaat, ZNR 2000, 11

Administrator ist seit dem Ende des 13. Jh.s der Verwalter eines Bistums.

Lit.: Busch, J., Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 43

admonitio (lat. [F.]) Ermahnung (z. B. Kapitular admonitio generalis vom 23. 3. 789)

Lit.: Buck, T., Admonitio und Praedicatio, 1997; Die Admonitio generalis Karls des Großen, hg. v. Mordek, H. u. a., 2012

adoptio (lat. [F.]) Annahme an Kindes Statt →Adoption

Adoption ist die Annahme eines Menschen als Kind unabhängig von der tatsächlichen Verwandtschaft. Das römische Recht kennt in diesem Zusammenhang neben der (lat. [F.]) adrogatio eines Menschen sui iuris und verschiedenen testamentarischen Geschäften in Anknüpfung an die Zwölftafelgesetzge­bung die (lat. [F.]) adoptio eines Menschen alieni iuris, bei der ein Vater seinen Sohn dreimal (bzw. eine Tochter oder einen Enkel einmal) dem künftigen Adoptivvater zu treuen Händen durch →Manzipation (lat. [F.] →mancipatio) überträgt, dieser ihn dreimal (bzw. einmal) freilässt, der Adoptierende vor dem Gerichtsmagistrat behauptet, dass das Kind das seine sei, der Vater nicht widerspricht und der Magistrat den Menschen dem Adoptivvater zuteilt. Das frühmittel­alterliche Recht nimmt mit ähnlicher Ziel­setzung die →Affatomie bzw. das Speergedinge vor. Zu Beginn der Neuzeit wird die römischrechtliche A. in einge­schränkter Form an einzelnen Stellen aufgenommen (Freiburg im Breisgau 1520) und findet erst danach allgemein (entweder als adoptio plena d. h. volle Verwandtschaft oder als adoptio minus plena Erbberechtigung des Adoptierten nach dem Adoptierenden) Eingang in die ver­nunftrechtlichen Kodifikationen (CMBC 1756 I, 4, § 5; I, 5 § 12, ABGB 1811 §§ 181ff., Code civil Art. 343ff., Bad LR Art. 343ff.). Wie schon im römischen Recht, so sollte auch im Allgemeinen Landrecht (II 2 §§ 666ff. Preußens die A. vor allem Kinderlosen einen Erben verschaffen. In Deutschland wird sie 1900 in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen und 1976 neu gefasst, in Großbritannien 1926 eingeführt. Sie dient zunehmend der Kinderfürsorge und der Befriedigung ideeller Wünsche.

Lit.: Kaser § 60; Söllner §§ 8, 25; Hübner; Köbler, DRG 21, 268; Pappenheim, M., Über künstliche Ver­wandtschaft im germanischen Rechte, ZRG GA 29 (1908), 304; Pitzorno, B., L’adozione privata, 1914; Eich­mann, E., Die Adoption des deutschen Königs durch den Papst, ZRG GA 37 (1916), 291; Kuhn, H., Phi­lologisches zur Adoption bei den Germanen, ZRG GA 56 (1947), 1; Wackernagel, W., Die rechtliche Stellung der Nachkommen des Adoptivkindes, Diss. jur. Basel 1953; Diederichsen, U., Wandlungen des Adop­tionsrechts, StAZ 1977, 301; Coing, H., Euro­päisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schubert, W., Die Projekte der Weimarer Republik zur Reform des Nicht­ehelichen-, des Adoptions- und des Ehe­scheidungs­rechts, 1986; Haibach, U., Familienrecht in der Rechts­sprache, 1991; Jussen, B., Patenschaft und Adoption, 1991; Knütel, R., Zur Adoption im römischen Recht, (in) Familienrecht in Geschichte und Gegenwart, 1992, 3; Schoenenberger, M., Histoire du droit de l’adoption, (Diss. jur. Freiburg i. Ü.) 1995; Sturm, F., Die Auf­nahme der Adoption in den Code civil, (in) Wirkungen europäischer Rechtskultur, 1997, 1305ff.; L’adoption dans le droit savant, hg. v. Roumy, F. u. a., 1998; Neukirchen, C. Die rechtshistorische Entwicklung der Adop­tion, 2004; Kurtz, D., Das Institut der Adoption im preußischen Allgemeinen Landrecht und im franzö­sischen Code civil, 2006; Wesener, G., Adoptio, FS Wilhelm Brauneder, 2008, 699; Schott, C., Kindesannahme - Adoption - Wahlkindschaft, 2009; Warnecke, M., Zwangs-Adoptionen in der DDR, 2009

advocatus (lat. [M.]) Herbeigerufener (Rechtsbeistand) →Advokat, (mlat.) →Vogt

Advokat (lat. [M.] advocatus) ist seit dem 5. Jahrhundert in der christlichen Kirche ein Funktionsträger. Im 8. Jh. schreibt die Kirche die Zuziehung solcher (lat.) advocati (M.Pl.) in weltlichen Streitigkeiten der Geistlichen vor. Bis 1340 wird ihr Aufgabenkreis durch päpstliche Dekrete näher bestimmt. Am Ende des 14. Jh.s findet das Wort als Fremdwort Eingang in das Deutsche. Im Prozess verfasst der A. als Bera­ter und Vertreter einer Partei Klageschriften und andere Stellungnahmen und trägt sie in seinem Plädoyer vor Gericht mündlich vor. Mit der Rezeption übernimmt zeitweise (KGO 1421, RKGO 1495) der →Prokurator den Vortrag vor Gericht. In Preußen wird 1793 kurzfristig die Advokatur abgeschafft. 1878 wird der Ausdruck A. im Deutschen Reich durch →Rechtsanwalt ersetzt.

Lit.: Söllner §§ 9, 11; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 56, 86, 117, 153; Fournier, P., Les officialités au Moyen Age, 1880; Hogan, J., Judicial Advocates and Procurators, 1941; Hermesdorf, B., Licht en schaduw in de advocatuur der Lage Landen, 1951; Gänßlen, G., Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten der Reichsstadt Ulm, 1966; Grahl, C., Die Abschaffung der Advokatur, 1993; Siegrist, H., Advokat, Bürger und Staat, 1996; Scherner, K., Advokaten, Revolutionäre, Anwälte, 1997; Neschwara, C., Die Entwicklung der Advokatur in Cisleithanien, ZRG GA 115 (1998), 441; Officium advocati, hg. v. Mayali, L., 2000; Baumann, A., Advokaten und Prokuratoren, 2006; 200 jaar orde van Advocaten te Antwerpen, hg. v. Bogaerts, P. u. a., 2012

aedilis (lat. [Adj.]) Haus-, s. Ädil

AEIOU ist die von dem der Buchstabenmagie zugetanen Kaiser Friedrich III. (1440-1493) von Habsburg seit 1437 verwendete Zeichenfolge, deren vielfache lateinische und deutsche Erklärungen (z. B. [lat.] Austriae est imperare orbi universo, Alles Erdreich ist Österreich untertan, [lat.] Austria est inter omnes universa, Österreich ist unter allen das vielseitigste) erst später erscheinen.

aequitas (lat. [F.]) Billigkeit, Gerechtigkeit

Lit.: Rühl, P., Das aequitatis iudicium im fränkischen Königsgericht, ZRG GA 20 (1899), 207; Kirn, P., Aequitatis iudicium, ZRG GA 52 (1932), 53; Ostwaldt, L., Aequitas und Justitia, 2009

Aequitas (F.) canonica (lat.) ist die aus den Umständen des Einzelfalls eine Abweichung vom geltenden Recht begründende kano­nische Billigkeit. Auf Grund von antiken Vorläufern (griech. epicheia, lat. supraiustitia) und kir­chenrechtlichen Sammlungen des 10. und 11. Jh.s wird sie von Gratian (1140) verwendet. Ziel ist die praktische Verwirk­lichung des Ge­rech­tig­keits­ideals. Hauptsäch­lich dient die a. c. der Auslegung und Er­gänzung rechtlicher Regeln.

Lit.: Wohlhaupter, E., Aequitas canonica, 1931; Maitland, F., Equity, 1936; Hering, C., Die aequitas bei Gratian, (in) Studia Gratiana Bd. 2 1954, 96; Horn, N., Aequitas in den Lehren des Baldus, 1968; Caroni, P., „Aequitas“ romana, „misericordia“ patristica ed „epicheia“ aristotelica nella dottrina dell’ „aequitas canonica“, 1971; Equity in the World’s Legal Systems, hg. v. Newman, A., 1973; Maifeld, J., Die aequitas bei L. Neratius Priscus, 1991; Landau, P., Der Einfluss des kanonischen Rechtes, (in) Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1991, 39; Wesener, G., Aequitas naturalis, (in) Der Gerechtig­keits­anspruch des Rechts, 1996, 82

aequus (lat. [Adj.]) eben, gleich, billig, ge­recht

aerarium (lat. [N.]) Staatskasse, Staatsschatz

aestimatum (lat. [N.]) Trödelvertrag

Affatomie ([F.] „Indenschoßsetzung“) ist das förmliche Verfahren des altfränkischen Rechtes (fränkische Volksrechte, Kapi­tu­larien, Formeln), durch das Güter eines kinderlosen Erblassers in drei zeitlich ge­trennten Handlungen im Ding, im Haus und im Königsding Dritten zugewendet werden können.

Lit.: Hübner; Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962, Tit. 46, §§ 1-6, Tit. 105, § 1; Schmidt, R., Die Affatomie der lex Salica, 1891; Sousa Costa, A. de, Studien zu volkssprachigen Wörtern in karolingischen Kapitularien, 1993, 162; Schmidt-Recla, A., Mancipatio familiae und Affatomie, (in) Leges – Gentes – Regna, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2006, 461

Affektion (F.) Zuneigung, Liebhaberei

Affektionsinteresse (N.) Liebhaberwert

Lit.: Kindler, M., Vom Ursprung des Affektionsinteresses im römischen Recht und seiner Rezeption, 2013

Africanus (Sextus Caecilius Africanus) ist der als Schüler des →Julian bekannte hochklassische römische Rechtskundige des 2. Jh.s n. Chr. († 175?), von dem Epistulae und Quae­stiones bezeugt sind (insgesamt 35 Spalten in Otto Lenels Palingenesie).

Lit.: Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961; Africani quaestiones. Studien zur Geschichte und Dogmatik des Privatrechts, hg. v. Harke, J., 2011

Afrika ist der südlich Europas gelegene Kontinent, dessen günstige klimatische Gegebenheiten die Entwicklung des modernen Menschen ermöglichen, dessen Nordrand schon dem römischen Reich an­gehört, dessen südliche Teile aber erst mit dem Beginn der Neuzeit in das europäische Gesichtsfeld treten und dann als Kolonien durch Portugal, England, Frankreich, Belgien und Deutschland in Besitz genommen werden, bis sie sich nach der Mitte des 20. Jh.s zu verhältnismäßig selbständigen Staaten befreien können.

Lit.: Davidson, B., Old Africa rediscovered, 1959; Davidson, B., Urzeit und Geschichte Afrikas, 1961; Strauch, H., Afrikas Weg zur Einheit, Diss. jur. Zürich (um 1965); Zimmermann, R., Der Einfluss Pothiers auf das römisch-holländische Recht in Südafrika, ZRG GA 102 (1985), 168; Davidson, B., The Black Man’s Burden, 1992; Iliffe, J., Geschichte Afrikas, 2. A. 2003; Harding, L., Geschichte Afrikas im 19. und 20. Jahrhundert, 1999, 2. A. 2010; Hazdra, P., Afri­kanisches Gewohnheitsrecht, 1999; Wesseling, H., Teile und herrsche, 1999; Afrika, hg. v. Grau, I. u. a., 2000; Das Afrika-Lexikon, hg. v. Mabe, J., 2001; Ansprenger, F., Geschichte Afrikas, 2002; Fage, J./Oliver, R., Kurze Geschichte Afrikas, 2002; Giliomee, H., The Afrikaners, 2003; Kleines Afrika-Lexikon, hg. v. Hofmeier, R. u. a., 2004; Marx, C., Geschichte Afrikas, 2004; Guérivière, J. de la, Die Entdeckung Afrikas, 2004; Koloniale und postkoloniale Konstruktionen von Afrika und Menschen afrikanischer Herkunft in der deutschen Alltagskultur, hg. v. Bechhaus-Gerst, M. u. a., 2006; Schuerkens, U., Geschichte Afrikas, 2009; Schicho, W., Geschichte Afrikas, 2010; Harding, L., Das Königreich Benin, 2010; Weckner, F., Strafrecht und Strafrechtspflege für Afrikaner und ihnen gleichgestellte Farbige in Deutsch-Ostafrika, 2010; Wllace, M., History of Namibia, 2011; Thornton, J., A Cultural History of the Atlantic World 1250-1820, 2012; Brett, M., Approaching African History, 2ß13; Marx, C., Südafrika, 2012

Afterlehen ist die seit dem Anfang des 14. Jh.s entstandene Bezeichnung für das von einem Lehnsmann in einem weiteren, von ihm begründeten Lehnsverhältnis an einen (Unter-)Lehnsmann (Aftervassallen) weitergegebene Lehen. Im Gegensatz zu England und der Normandie ist in Deutschland und Frankreich der Empfänger des Afterlehens dem (Ober-)Lehnsherrn nicht zu Dienst und Treue verpflichtet.

Lit.: Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafen von Katzenelnbogen, 1969

Agnat ist der über Männer Verwandte. Im römischen Recht sind adgnati (M.Pl.) alle freien Menschen, die in demselben Haus­verband (oder in manus) stehen oder noch ständen, wenn ihr gemeinsamer Stammvater noch lebte. Im germanisch-deutschen Sprachbereich sind die Agnaten die Verwandten, die sich in rein männlicher Linie auf einen gemeinsamen Stammvater zurückführen lassen (→Schwert­magen). Der verschiedentlich behauptete Vor­rang des agnatischen Prinzips vor dem kognatischen Prinzip ist nicht nachweisbar.

Lit.: Kaser § 12; Kroeschell, DRG 1; Schmid, K., Zur Problematik von Familie, Sippe und Geschlecht, Haus und Dynastie, ZGO 105 (1957), 1; Dölling, H., Haus und Hof in westgermanischen Volksrechten, 1958

Agrarverfassung ist die (rechtliche) Grundordnung der landwirtschaftlich ge­nutzten Grundstücke einer Allgemeinheit. Die römische A. ist zunächst durch klein­bäuerliche naturale Hauswirtschaft gekenn­zeichnet, doch bewirkt die Entwicklung Roms zu einer Weltmacht den Übergang der römischen Kleinbauern in das Proletariat, während die Patrizier durch Sklaven Plantagenwirtschaft betreiben können. Die A. der Germanen ist umstritten. Eher un­wahrscheinlich ist die durch Berichte Caesars und Tacitus’ nahegelegte urkommunistische A. mit jährlicher Ackerverlosung. Vielmehr dürften Haus und umliegendes Ackerland oder Weideland bereits familienmäßig zuge­ordnet gewesen sein. Vielleicht als Folge der Landnahme in der Völkerwanderung und der Begegnung mit provinzialrömischen Zustän­den entsteht die →Grundherrschaft als überwiegende Form des Betriebs der →Landwirtschaft. Mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft im Hochmittelalter werden Naturalabgaben der abhängigen bäuerlichen Hintersassen in Geldleistungen umgewandelt. Östlich von Elbe und Saale setzt sich vor allem seit der frühen Neuzeit die Gutsherr­schaft durch, die abhängige Bauern zu Tagelöhnern macht. An die Stelle von Ren­tengrund­herrschaft und Gutsherrschaft tritt nach der von der Aufklärung verursachten franzö­sischen Revolution von 1789 im 19. Jh. (1807-1848) das →Eigentum des einzelnen (befreiten) Bauern. Im 20. Jh. führt die politische, wirtschaftliche und technische Entwicklung zur Zerschlagung des Großgrundeigentums einerseits und zur Not­wendigkeit der Bildung größerer Wirt­schaftseinheiten (landwirtschaftliche Produk­tionsgenossenschaf­ten in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR, Landpacht) andererseits. Nach dem zweiten Weltkrieg wird die A. von Industrialisierung, Europäi­sierung und Globalisierung geprägt, die das Ende des kleinbäuerlichen Familienbetriebs einleiten. Gleichwohl gilt noch zu Beginn des 21. Jh.s Sonderrecht für das landwirtschaft­liche Grundeigentum.

Lit.: Köbler, DRG 133, 174; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, 1856; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887; Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896; We­ber, M., Agrarrecht, Agrargeschichte, Agrarpolitik - Vorlesungen 1894-1899, hg. v. Aldenhoff-Hübinger, R., 2007; Dopsch, A., Die Wirtschaftsentwicklung der Karolin­gerzeit, 2. A. 1921; Weber, M., Wirtschaftsge­schich­te, 1923; Kötzschke, R., Allgemeine Wirtschaftsge­schichte des Mittelalters, 1924; Wührer, K., Beiträge zur ältesten Agrargeschichte des germanischen Nordens, 1935; Lütge, F., Die Agrarverfassung des frühen Mittelalters im mitteldeutschen Raum, 1937, 2. A. = Neudruck 1966; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Lütge, F., Geschichte der deutschen Agrarverfassung, 1963; Blaschke, K., Grundzüge und Probleme einer sächsischen Agrarverfassungsge­schichte, ZRG GA 82 (1965), 223; Wege und Forschungen der Agrargeschichte (FS Günther Franz), hg. v. Haushofer, H. u. a., 1967; Groß, R., Die bürgerliche Agrarreform in Sachsen, 1968; Jamin, R., Aufbau, Tätigkeit und Verfahren der Auseinandersetzungsbehörden bei der Durchführung der preußischen Agrarreformen, 1985; Brakensiek, S., Agrarreform und ländliche Gesellschaft, 1991; Rösener, W., Agrarwirtschadt, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter, 1992; Achilles, W., Deutsche Agrargeschichte im Zeitalter der Reformen und der Industrialisierung, 1993; Corni, G. u. a., Blut und Boden, 1996; Agrargeschichte, hg. v. Troßbach, W. u. a., 1998; Kluge, U., Agrarwirtschaft und ländliche Gesellschaft im 20. Jahrhundert, 2005; Agrarreformen und ethnodemographische Veränderungen - Süd­ost­eu­ro­pa vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis in die Ge­gen­wart, hg. v. Krauss, K., 2008; Oberkrone, W., Ordnung und Autarkie, 2009

Agustín, Antonio (Saragossa 1516-Rom 1586) schafft nach Studien in Alcala, Salamanca, Padua und Bologna (Alciat) im päpstlichen Dienst die Grundlage für die geschichtliche Bearbeitung der Quellen des kirchlichen Rechtes.

Lit.: Bernal Palacios, A., Antonio Agustín y su „Recollecta in iure canonico“, (in) Revista española de derecho canonico 45 (1988), 487

Ägypten ist das sich längs des unteren Nils erstreckende Gebiet Ägyptens, in dem seit dem Ende des 4. Jt.s v. Chr. eine Hochkultur erkennbar ist, deren Rechtssätze nur wenig bekannt sind. 30 v. Chr. fällt Ä. (nach mehr als 330 Königen aus 30 Dynastien) an die Römer, später wird es rasch vom →Islam erfasst. Aus dem Erbe des osmanischen Reiches wird es 1882 von Großbritanien besetzt, zwischen 1922 und 1946 aber schrittweise verselbständigt.

Lit.: Grünau, W. v., Die staats- und völkerrechtliche Stellung Ägyptens, 1903, Neudruck 2013; Friedell, E., Kulturgeschichte Ägyptens und des Alten Orients, 1936, Neudruck 1998; Seidl, E., Einführung in die ägyptische Rechtsgeschichte, 2. A. 1951; Otto, E., Ägypten, 1953, 5. A. 1959; Seidl, E., Ägyptische Rechtsgeschichte 2. A. 1968; Goedicke, H., Die privaten Rechtsinschriften, 1970; Lurje, M., Studien zum altägyptischen Recht, 1971; Seidl, E., Rechtsgeschichte Ägyptens als römischer Provinz, 1973; Wolff, H., Das Recht der griechischen Papyri Ägyptens, Bd. 2 1978; Vercoutter, J., L´Egypte, Bd. 1 1992; Hölbl, G., Geschichte des Ptolemäerreiches, 1994; Assmann, J., Ägypten, 1996; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Reclams Lexikon des alten Ägypten, hg. v. Shaw, I. u. a., 1998; Boochs, W., Altägyptisches Zivilrecht, 1998; Huß, W., Ägypten in hellenistischer Zeit, 2001; Clauss, M., Das alte Ägypten, 2001; Wolff, H., Das Recht der griechischen Papyri Ägyptens, hg. v. Rupprecht, H., Bd. 1 2002; Hölbl, G., Altägypten im römischen Reich, 2005; Capponi, L., Augustan Egypt, 2005; Langner, U., Forschungsarbeiten zur frühen Kultur der Menschhheit, 2007; Bingen, J., Hellenistic Egypt, 2007; Ägypten unter fremden Herrschern, hg. v. Pfeiffer, S., 2007; Hornung, E., Einführung in die Ägyptologie, 6. A. 2008, 7. unv. A. 2010; Booth, C., Das alte Ägypten, 2009; Cities and Urbanism in Ancient Egypt, hg. v. Bietak, M. u. a.,, 2010; Kubisch, S. u. a., Kleopatra, 2011; Clauss, M., Der Pharao, 2011; Rupprecht, H., Recht und Rechtsleben im ptolemäischen und römischen Ägypten, 2011; Bauschtz, J., Law and Enforcement in Ptolemaic Egypt, 2013; Jin, S., Richten und Schlichten, 2013; History and Society during the Mamluk Period (1250-1517), hg. v. Conerman, S., 2014

Ahnengrab

Lit.: Meier, J., Ahnengrab und Brautstein, 1944; Meier, J., Ahnengrab und Rechtsstein, 1950

Ahnenprobe ist der Nachweis der (adeligen) Abkunft vom 12. bis 19. Jh.

Lit.: Langer, C., Die Ahnen- und Adelsprobe, 1862; Klocke, F. v., Westdeutsche Ahnenproben, 1940; Medien der Kommunikation im Mittelalter, hg. v. Spieß, K., 2003, 139ff.

Ahrweiler

Lit.: Krahforst, P., Stadtverfassung und Gerichtswesen im mittelalterlichen Ahrweiler, Diss. jur. Bonn 1962; Inventar des Archivs der Stadt Ahrweiler 1228-1795, bearb. v. Zimmer, T., 1965

Akademie ist die bei dem Hain des griechischen Helden Akademos in Athen von Plato (428/427-348/347 v. Chr.) gegründete, griechische, 529 n. Chr. vom oströmischen Kaiser Justinian verbotene Philosophen­schule, deren Grundgedanke 1454 in Italien (Terranuova/Florenz) wieder­belebt wird. Seitdem versammeln sich nach dem Kooptationsprinzip bedeutende univer­sitäre Gelehrte in außeruniversitären Aka­demien (Accademia dei Lincei 1603, Accademia del Cimento 1657, Leopoldina Schweinfurt 1652) vor allem zwecks Netzwerkbildung. Der entscheidende Anteil an der Entwicklung der modernen Welt kann aber eher den Uni­ver­sitäten (z. B. Halle 1694, Göttingen 1737, Berlin 1810) als den Akademien (Preußen 1700, Österreich 1847) als Wis­senschafts­netzwerken zugesprochen wer­den.

Lit.: Electoralis academiae scientiarum Boicae primordia, Briefe aus der Gründungszeit, 1959; Lepper, H., Die Einheit der Wissenschaften, 1987; Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin, hg. v. Kocka, J., 1999; Die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1914-1945, hg. v. Fischer, W., 2000; Göttinger Gelehrte, hg. v. Arndt, K. u. a., 2001; Hammerstein, N., Innovation und Tradition, HZ 278 (2004), 591; Kopetz, H., Die österreichische Akademie der Wissenschaften, 2006; Die Gründung der Leopoldina, hg. v. Toellner, R. u. a., 2008; Bolewski, H., Die Idee der Akademie, hg. v. Bolewski, M., 2009; Denker, Forscher und Entdecker, hg. v. Willoweit, D., 2009 (22 Lebensbilder); Joos, K., Gelehrsamkeit und Machtanspruch um 1700, 2012

Akademie für deutsches Recht ist die am 26. Juni 1933 auf Einladung des Staats­ministers Hans Frank im Justizministerium Bayerns von Wilhelm Kisch, Otto von Zwie­dineck-Südenhorst, Wilhelm Heuber, August von Finck, Wilhelm Arendts, Wilhelm Kißkalt, Karl Lasch und Hans Frank vorbereitete, durch bayerisches Gesetz vom 22. September 1933 als Körperschaft des öffentlichen Rechtes anerkannte außer­universitäre wissenschaft­liche Einrich­tung der nationalsozialis­tischen Zeit (1933-1945) zur weltanschaulichen Umgestaltung des Rechtes (mit anfangs 95 Mitgliedern). Die A. f. d. R. wird mit ver­schiedenen Gesetzesvorhaben befasst (u. a. Volks­gesetzbuch). Ihr wissenschaft­licher Er­trag bleibt vor allem aus zeitlichen Gründen notwendigerweise eher gering. Mitglieder sind (nach Pichinot) Albert, Anders, Arendts Carl, Arendts Wilhelm, Becker, Belitz, Berck­emeyer, Bertram, Bilfinger, Bilke, Blomberg, Böhringer, Bohne, Bormann, Bosch, Bouhler, Brand, Brandt, Braunmühl, Breska, Bruns, Buch, Buchner, Bühler, Bürckel, Bumke, Bussmann, Buttmann, Buzengeiger, Calker, Correll, Dahm, Darré, Denzler, Dersch, Dierig, Dietrich, Ditten, Dorpmüller, Droege, Duisberg, Ebbecke, Eckhardt, Emge, Engert, Epp, Eschstruth, Exner, Fabian, Feder, Feise, Fiehler, Finck, Firle, Fischer, Flick, Florian, Forster, Freisler Oswald, Freisler Roland, Freytag-Loringhoven, Frick, Fritzsche, Frowein, Frundt, Gaertner, Gaus, Geffroy, Geldmacher, Gelpcke, Gerdes, Gleispach, Glück, Goebbels, Goerdeler, Göring, Goltz, Gonella, Gottl-Ottilienfeld, Grau, Grauert, Grimm, Grohé, Gürtner, Haushofer, Heckel, Hedemann, Helfferich, Hellmuth, Henkel, Herle, Heß, Heuber, Heymann, Hierl, Hildebrandt, Hilgard, Hilland, Himmler, Huber, Hueck, Huecking, Hühnlein, Jessen, Jordan, Jung, Kaufmann, Keppler, Kerrl, Kilpper, Kisch, Kißkalt, Klagges, Klausing, Klauer, Kleiner, Kleinmann, Klitzsch, Kluge, Koch, Koellreutter, Kohlrausch, Krämer, Krohn, Krupp von Bohlen und Halbach, Kyser, Lammers Clemens, Lammers Hans-Heinrich, Lange Heinrich, Lange Karl, Lechner, Lehmann, Lehnich, Lent, Lenz, Ley, Linde, Linz, Lippert, Lohse, Luetgebrune, Lüer, Lutze, Madaus, Mansfeld, Meerwald, Meißner, Menge, Merck, Meyer Alfred, Meyer Herbert, Meyer Karl, Mezger, Mikorey, Minoux, Mitteis, Mönckmeier, Mößmer, Moritz, Müller-Erzbach, Mutsch­mann, Nagler, Neef, Neubert, Neurath, Nicolai, Niemczyk, Nipperdey, Noack, Noell, Noetzel, Oberlindober, Oboussier, Oertel, Oetker, Olscher, Opel, Oppikofer, Palandt, Papen, Pfundtner, Poensgen, Popitz, Popp, Pschorr, Racke, Ranz, Reemtsma, Reinhardt, Reinhart, Reusch, Ribbentrop, Rienhardt, Röhm, Rohde, Römer, Rößner, Roselius, Rosenberg, Rothenberger, Röver, Rühle, Rust, Sack, Sahm, San Nicolo, Sauckel, Saure, Schacht, Schaeffer, Schaffstein, Scheurl-Defersdorf, Schieck, Schippert, Schirach, Schlegel, Schlegelberger Franz, Schlegelberger Paul, Schmidt, Schmitt Carl, Schmitt Kurt, Schmitz, Schnauß, Schoetensack, Schraut, Schreyer, Schröder, Schroer, Schüßler, Schuhmann, Schultze, Schwarz F. X., Schwarz Otto, Schwarz, Schwede, Schwerin, Schwerin von Krosigk, Selchow, Seldte, Sellier, Sibeth, Siebert Ludwig, Siebert Wolfgang, Siemens, Simon Gustav, Simon H. A., Simons, Singer, Specht, Spiethoff, Sprenger, Springorum, Stauß, Steinaecker, Steyrer, Stock, Stoll, Stolleis, Streicher, Stuckart, Stutz, Teichler, Telschow, Terboven, Tewaag, Thierack, Thyssen, Tiemessen, Tischbein, Todt, Töwe, Tribius, Ullrich Arthur, Ullrich Hans, Ulrich, Vögler, Volkmar, Wagner Adolf, Wagner Josef, Wagner Robert, Wahl, Waldeck und Pyrmont, Waldmann, Walz, Weidemann, Wein, Weinrich, Weiß, Wirth, Witte, Wolpers, Wolff, Würdinger, Wüstendörfer, Zangen, Zarnack, Zwiedeneck-Südenhorst, als kor­respondierende Mitglieder u. a. Fehr, als Ausschußvorsitzende u. a.Dersch, Kunkel, Felgentraeger, Schmidt-Rimpler, Lehnich, Ulmer, Blomeyer, Wieacker, Scheuner, in Arbeitsgemeinschaften Lang, Predöhl, Boesler, Moeller, Schmölders, Gerhardt, Helander, Beckenrath, Brink­mann und Lam­pe.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Pichinot, H., Die Akademie für deutsches Recht, 1981; Akademie für Deutsches Recht, 1933-1945, Protokolle der Ausschüsse, hg. v. Schubert, W., Bd. 1ff. 1986ff.; Anderson, D., The Academy for German Law 1933-1944, 1987; Wacker, G., Der Erbrechtsausschuss, 1997

akademisch (Adj.) die Akademie oder Universität betreffend (z. B. akademische Gerichtsbarkeit der Universität über Pro­fes­soren, Studenten, Angehöri­ge, Bedien­stete bis zum 19. Jh.)

Akklamation (F.) Zuruf, Zustimmung

Akkreszenz (F.) →Anwachsung

Akkusation (F.) Anklage

Akkusationsprozess ist der durch Akku­sation (Anklage) seitens eines (privaten) Anklägers begründete, seit dem 4. Jh. (Konstantin) aus dem römischen Recht in das kirchliche Recht (6./7. Jh.) übernommene Prozess. Er erfordert eine →Anklage (lat. [F.] accusatio). Kenn­zeichnend sind die dem Ankla­geschriftsatz beizufügende Verpflich­tung des Anklägers zum →Talion für den Fall der Falschanklage und der →Kalum­nieneid. Im Hochmittelalter wird der A. auf den →Strafprozess einge­schränkt. Die Constitutio Criminalis Carolina (Peinliche Gerichts­ordnung Kaiser Karls V.) von 1532 behandelt den A. in Art. 6 noch, doch hat er bereits zu dieser Zeit keine wirkliche Bedeutung mehr. Ein Gegensatz zum A. ist der →Inquisitionsprozess. Seit dem 19. Jh. (1848) ist öffentlicher Ankläger der Staats­anwalt. →Anklagepro­zess

Lit.: Köbler, DRG 156; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899; Herde, P., Audientia litte­rarum contradictarum, Bd. 1 1970; Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von Akkusationsprozess und peinlicher Frage, 1971

Akten ist die seit dem 15. Jh. (1500 acten) gelegentlich erscheinende Bezeichnung der in Gericht und Verwaltung in einer Ange­legenheit entstehenden Schriftstücke. Solche A. kennt schon die Antike (59 v. Chr. [lat. N. Pl.] acta senatus). Nach dem frühmittel­alterlichen Rückgang des Schriftwesens wer­den sie erst im 14. Jh. wieder bedeutsamer.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 3, 5, 105, 145; Neuss, E., Aktenkunde der Wirtschaft, 1954; Dülfer, K., Urkunden, Akten und Schreiben in Mittelalter und Neuzeit, Archival. Z. 53 (1957), 11; Schellenberg, T., Akten- und Archivwesen in der Gegenwart, 1961; Weitzel, J., Das Inventar der Akten des Reichs­kammergerichts, ZNR 1999, 408; Prozessakten als Quellen, hg. v. Baumann, A. u. a., 2001; Zala, S., Geschichte unter der Schere politischer Zensur, 2001; Als die Welt in die Akten kam, hg. v. Lepsius, S. u. a., 2007; Hochedlinger, M., Aktenkunde, 2009

Aktenversendung (lat. transmissio [F.] actorum) ist die in der frühen Neuzeit ver­breitete Übung der Gerichte, in einem anhängigen Verfahren (auf Antrag oder von Amts wegen) die Akten mit der Bitte um ein(en) Urteil(svorschlag) an eine rechts­kundige Stelle zu versenden, um danach die Antwort als eigenes Urteil zu verkünden. Sie baut auf dem mittelalterlichen →Oberhof auf, bezieht aber nach itali­enischem Vorbild Juristen und deren →Fakultäten immer stärker ein (vgl. Art. 219 CCC). Seit der Mitte des 18. Jh.s schränken staatliche Gesetze die A. ein (Preußen 1746, Bayern 1753). Mit den Reichsjustizgesetzen der Jahre 1877/1879 (§ 16 GVG) endet die der Unmittelbarkeit des Richters widersprechende A. im Deutschen Reich.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 155, 201; Bülow, O., Das Ende des Aktenversendungsrechts, 1881; Löning, G., Spätes Lob der Aktenversendung, ZRG GA 63 (1943), 333; Ebel, W., Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts, 1961; Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger Juristenfakultät, 1962; Gehrke, H., Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur, 1974; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983

Aktenwesen →Akten

Aktie (1492) ist der Anteil an der →Aktien­gesellschaft. Im 15. Jh. ist A. in Amsterdam und Brügge der klagbare Anspruch und das diesen verbriefende Papier, in Zeugnissen von 1606/1607 (niederländisch-ostindische Han­delscompagnie, VOC) vielleicht der Anspruch auf Dividende (aus dem Anteilsschein des Kapitalgebers) und im Code de commerce Frankreichs von 1807 ein Teil des Kapitals einer Handelsgesellschaft.

Lit.: North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995; Aktienrecht im Wandel, hg. v. Bayer, W. u. a., Bd. 1f. 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Aktiengesellschaft (1828) ist die Ge­sellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (juristische Person), die ein in Aktien zer­legtes Grundkapital hat und für deren Ver­bindlichkeiten den Gläubigern nur das (gesamte) Gesellschaftsvermögen (unbe­schränkt) haftet (nicht auch der Gesellschafter mit ihrem sonstigen Ver­mögen). Auf der Grundlage erster Durch­brechungen des Grundsatzes der persönlichen Haftung des handelnden Kaufmanns infolge des wachsenden Kapitalbedarfs in Bergbau und Fernhandel im 15. Jh. entsteht (auf römischen Grundlagen) nach Vorläufern (Genua 1407 St. Georgsbank) die A. aus den Bedürfnissen der Beschaffung hohen Kapitals und der Streuung großen Risikos im Kolonialhandel am Beginn des 17. Jh.s (English East India Company 1600 zunächst als Rahmen für auf einzelne Unternehmungen beschränkte terminated stock companies, Vereinigte [Niederl­ändische] ostindische Handelscom­pagnie VOC 20. 3. 1602, Schwe­den 1615, Dänemark 1616, Branden­burgisch-Ostin­di­sche Com­pagnie 1651, Nieder­lande Öster­reichs 1719). Sie wird mehr und mehr als Zusam­menschluss mit eigenem Vermögen angesehen. Sie beruht zunächst auf einem einzelnen Privileg (Oktroisystem). Gesetz­lich wird die A. im französischen Code de commerce (1807, 14 Artikel, „anonyme Gesellschaft“), (im Eisenbahngesetz Preußens von 1838,) im Gesetz über die Aktien­gesellschaften für die königlich preußischen Staaaten vom 9. November 1843 (Konzession als Verwaltungsakt auf der Grundlage eines Ge­s­etzes [Konzes­sionssystem], Vorstand und Ge­neralver­sammlung, Verwaltungsrats­mo­dell) und im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetz­buch (1861, Kombinations­mo­­dell aus Aufsichtsrat und Verwaltungs­rat, Kon­zessionssys­tem 1870 durch System der Normativbestimmungen mit Anspruch auf Erteilung bei Vorliegen der Voraus­setzungen ersetzt), danach in Deutschland (nach zwei Notverordnungen von 1930 und 1931) 1937 in einem eigenen, 1938 auf Österreich erstreckten, 1945 geringfügig entnazifizierten, 1965 und 1994 novellierten Aktiengesetz (ab 1931 Ab­schluss­prüfermodell, 1937 Aufsichts­rat als [nachträgliches] Kon­trollor­gan, 1998 ex-ante-Überwachung) gere­gelt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 167, 217, 242, 272; Gesetz über die Aktiengesellschaften vom 9. November 1843, hg. v. Baums, T., 1981; Lehmann, K., Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts, 1895; Cohn, G., Die Aktiengesellschaft, Bd. 1 1921; http://www.­koeblergerhard.de/Fontes/Aktiengesetz1937.pdf; Schu­macher, H., Die Entwickelung der inneren Organisation der Aktien­gesellschaft, 1937; Lévy-Bruhl, H., Histoire juridique des sociétés de commerce en France, 1938; Bösselmann, K., Die Entwicklung des deutschen Aktien­wesens, 1939; Rauch, K., Die Aktienvereine in der geschichtlichen Entwicklung des Aktienrechts, ZRG GA 69 (1952), 238; Reich, N., Die Entwicklung des deutschen Aktienrechts, Ius commune 2 (1969), 239; Gmür, R., Die Emder Handelscompagnien, FS H. Westermann 1974, 167; Großfeld, B., Die rechts­politische Bedeutung der Aktiengesellschaft im 19. Jahrhundert, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v., Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 236ff.; Baums-Stammberger, B., Der Ver­such einer Aktiengesetzgebung in Sachsen 1836/37, 1989; Landwehr, G., Die Organisationsstruktur der Aktienunternehmen, (in) Vom Gewerbe zum Unternehmen, 1982, 251; Land­wehr, G., Die Verfassung der Aktiengesellschaft, ZRG GA 99 (1982), 1; 100 Jahre modernes Aktienrecht, hg. v. Schubert, W. u. a., 1984; Schubert, W., Die Entwürfe der Weimarer Republik zur Reform des Aktienrechts, ZRG GA 103 (1986), 140; Akademie für deutsches Recht 1933-1945. Protokolle der Ausschüsse 1 Ausschuss für Aktienrecht, hg. v. Schubert, W., 1986; Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik. Die Protokolle der Verhandlungen im Aktienrechtsausschuss des vorläufigen Reichswirt­schaftsrats, hg. v. Schubert, W. u. a., 1987; Gaastra, F., De geschiedenis van de VOC, 1991; Nörr, K., Zur Entwicklung des Aktien- und Konzernrechts, ZHR 150 (1986), 155; Frey, M., Die spanische Aktien­gesellschaft, 1999; Hartung, W., Geschichte und Rechtsstellung der Compagnie in Europa, 2000; Bahrenfuss, D., Die Entstehung des Aktiengesetzes von 1965, 2001; Kalss, S./Burger, C./Eckert, G., Die Entwicklung des österreichischen Aktienrechts. Geschichte und Materialien, 2003; Söhnchen, M., Die historische Entwicklung der rechtlichen Gründungs­voraussetzungen, 2005; VOC 1602-2002 400 Years of Company Law, hg. v. Gepken-Jager, E. u. a., 2005; Thiäner, F., Das Verhältnis von Aufsichtsrat und Abschlussprüfern, 2007; Aktienrecht im Wandel, hg. v. Bayer, W. u. a., Bd. 1f. 2007; Velte, P., Das aktienrechtliche Verwaltungs- und Aufsichtsrats­mo­dell, ZRG GA 127 (2010), 188; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Fleckner, A. Antike Kapitalvereinigungen - ein Beitrag zu den konzeptionellen und historischen Grundlagen der Aktiengesellschaft, 2010; Ellenberg, S., Herrschaft und Reform, 2012

Aktiengesetz ist das die Aktie bzw. Aktiengesellschaft betreffende Gesetz. (z. B. Deutsches Reich 1937)

Aktienrecht (1873) ist das die Aktie betreffende Recht.

Lit.:; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010;  Borgers, T., Das Oberappellationsgericht zu Lübeck und seine Rechtsprechung zum Aktienrecht, 2012

Aktionär ist der Gesellschafter der Aktiengesellschaft.

Aktionensystem ist das auf die (lat. [F.]) actio (z. B. im römischen Recht die Rechtsschutzverheißung im edictum perpe­tuum) als Klaganspruch ausgerichtete Rechts­system, das den Sachverhalt nicht unter einen Tatbestand subsumiert, sondern auf seine Klagbarkeit untersucht. Bernhard Windscheid (1817-1892) trennt den materiellen Anspruch von der verfahrensrechtlichen (lat.) actio. Damit endet im deutschen Recht das A.

Aktivlegitimation (F.) Klagebefugnis

Akzeptation (Annahme, Anerkennung) ist die meist durch Überleitungsgesetz umge­setzte weltliche Anerkennung (Trans­formation) kirchlichen Rechtes im Spätmittelalter (z. B. Pragmatische Sanktion von Bourges 1438, Mainzer Akzeptation 1439).

Lit.: Hürten, H., Die Mainzer Akzeptation, 1955

Akzessorietät (F.) Abhängigkeit eines rechtlichen Umstands von einem anderen, zu lat. [M.] accessor, Hinzutretender

Lit.: Gerhold, S., Die Akzessorietät der Teilnahme an Mord und Totschlag, 2014

Akzise (zu lat. [V] accidere, auferlegen, cisa, Einschnitt [auf dem Kerbholz]) ist die im 11. Jh. in Spanien (1001) und Venedig, im 13. Jh. im deutschen Reich (Köln 1206, Stendal 1314 Bierziese) bezeugte, ursprünglich städtische, meist am Stadttor erhobene →Verbrauch­steuer (auf z. B. Wein, Bier, ausgedehnt auf Salz, Getreide, Fleisch). In den zusätzliche Einkünfte benötigenden Ländern wird die auf die reine Warenbewegung abstellende A. nach niederländischem Vorbild im 17. Jh. bedeutsam (Württemberg 1633, Sachsen 1641, Brandenburg 1641, Kurpfalz 1699), deren Einführung die Landstände noch bewilligen. Im 19. Jh. tritt die A. gegenüber der Einkommensteuer zurück (abgeschafft in Bayern 1808, im Wesentlichen in Preußen 1820, in Sachsen 1834), wird aber in der Form der alle Bereiche des Warenumsatzes erfassenden Umsatzsteuer (oder später der auf den jeweils erzielten Mehrwert beschränkten Mehrwertsteuer) im 20. Jh. (1916 bzw. 1918) wieder belebt.

Lit.: Köbler, DRG 113; Der Akzisenstreit, hg. v. Blesgen, D. u. a., 1717, Neudruck 2006; Knipping, R., Die Kölner Stadtrechnungen des Mittelalters, 1897; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992; Schwennicke, A., Ohne Steuer kein Staat, 1996; Ullmann, H., Der deutsche Steuerstaat, 2005

Alarich Breviarium Alarici

Albanien ist der südosteuropäische, nördlich Griechenlands an der Adria gelegene Staat mit einer Fläche von 28748 qkm und rund 3,1 Millionen überwiegend muslimischer Einwohner (Skipetaren oder Albaner), deren seit dem 15. Jh. schriftlich bezeugte Sprache zum albanischen Zweig der indo­germanischen Sprachenfamilie zählt. Das von Menschen streitiger Herkunft bewohnte Gebiet wird im 1. Jt. v. Chr. griechisch beeinflusst und gerät 168 v. Chr. unter römische Herrschaft, unter der es 395 n. Chr. Ostrom zugeteilt wird. Am Ende des Mittel­alters wird das von 1392 bis 1479 Venedig unterstehende A. von den Osmanen erobert. Am 28. 11. 1912 erklärt sich A. für unab­hängig, 1928 zum von 1939 bis September 1943 in Personalunion mit Italien ver­bundenen Königreich. Am 11. 1. 1946 ent­steht die Volks­republik A., die sich zu­nehmend abschließt. Im Dezember 1990 endet die kommunistische Einparteien­herrschaft. Seit freien Wahlen vom März 1991 bemüht sich A. um eine Öffnung. Das albanische Recht ist dementsprechend im Wandel der Zeiten griechisch, römisch, osmanisch (Geltung der →Megelle [1869-1876] bis 1928), westlich, sozialistisch und demokratisch geprägt. Das mehrheitlich von Albanern bewohnte Gebiet Kosovo kann sich 2008 mit internationaler Hilfe von Serbien verselbständigen.

Lit.: Frasheri, K., The History of Albania, 1964; Skendi, S., The Albanian National Awakening, 1967; Ruß, W., Der Entwicklungsweg Albaniens, 1979; Lendvai, P., Das einsame Albanien, 1985; Albanien im Umbruch, hg. v. Altmann, F., 1990; Albanien, hg. v. Neuwirth, H. u. a., 1995; Mustafaj, B., Albanien, 1997; Kohl-Libal, C. v., Albanien, 1998; Schmitt, O., Das venezianische Albanien, 2001; Kohl, C. v., Albanien, 2. A. 2003; Albanien, hg. v. Jordan, P. u. a., 2003; Schubert, P., Albanische Identitätssuche, 2005; Köbler, G., Rechtsalbanisch, 2008 (Internet); Ordolli, S., Histoire constitutionelle de l’Albanie, 2008; Albanische Geschichte, hg. v. Schmitt, O., 2009; Löhr, H., Die Gründung Albaniens, 2010; Schmitt, O., Die Albaner, 2012; Morscher, L., Albanien 2013

Albericus (de porta Ravennate) ist ein zwischen 1165 und 1194 bezeugter Glossator (Glossen, Summula de testibus).

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 200

Albericus de Rosate ist ein in Rosciate bei Bergamo aus vornehmer Familie um 1290 geborener, in Padua ausgebildeter, praktisch tätiger, im September 1360 verstorbener Jurist (Kom­mentare zu Codex und Digesten, alphabetum bzw. dictionarium utriusque iuris, opus statutorum, kleinere Schriften).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 665; Albericus de Rosate, Dictionarium, per Decianum, F., 1581, Neudruck 2008 (372 Blätter)

Albertiner →Wettin

Albertus Gandinus s. Gandinus, Albertus

Albigenser

Lit.: La Croisade albigeoise, hg. v. Roquebert, M., 2004

Albrecht, Wilhelm Eduard (Elbing 4. 3. 1800-Leipzig 22. 5. 1876) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Königs­berg und Göttingen und der Promotion (1822) und Habilitation (1824) in Königsberg 1829 Professor für deutsches Recht. 1830 wird er Nachfolger seines Lehrers Karl Friedrich Eichhorn in Göttingen, wo er in einer Rezension den Staat als juristische Person erklärt und 1837 (als einer der Göttinger Sieben) entlassen wird. Ab 1838 wirkt er in Leipzig, ist Vertreter Oldenburgs, Schwarz­burgs und Anhalts im Bundestag des Deut­schen Bundes und nimmt für Harburg an der deutschen Nationalversammlung von 1848 teil.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/AlbrechtWi­lhelmEduard-DieGewerealsGrundlagedesaelterendeut­schenSachenrechts1828.pdf Albrecht, W., Die Gewere als Grundlage des älteren deutschen Sachenrechts, 1828; Kück, H., Die Göttinger Sieben, 1935; Borsdorff, A., W. E. Albrecht, 1993

Alcala de Henares ist die östlich Madrids in Spanien gelegene Stadt, die auf römische Grundlagen zurückgeht und 1118 den Mauren wieder abgewonnen wird. 1348 wird dort durch die Cortes ein bedeutendes Rechtsbuch verkündet. 1498/1508 wird eine 1836 nach Madrid verlegte Universität gegründet.

Alciat, Andreas (Alzate bei Como 1492-Pavia 1550), Kaufmannssohn, wird nach dem Studium (Latein, Griechisch, 1507 Rechts­wissenschaft) in Pavia und Bologna(, 1516 Promotion Universität Ferrara, Advokat Mailand,) 1518 nach Avignon berufen, (1522 Advokat Mailand, 1527 an die Universität Avignon zurückgekehrt,) und 1529 nach Bourges sowie 1533 nach Pavia berufen, (1541-1546 Ferrara). Er begründet mit Budé und Zasius die vom →Humanismus geprägte Rechtswissenschaft ([lat.] Paradoxa [N.Pl.] iuris civilis, 1518, De verborum significatione, 1530), die im (lat.) →mos (M.) Gallicus zum Ausdruck kommt. Zeitlebens ist er auch ein geschätzter Gutachter.

Lit.: Köbler, DRG 143; Omnia … opera, 1557, Neudruck 2004; Moeller, E. v., Andreas Alciat, 1907; Viard, P., André Alciat, 1926; Osler, D., Development in the text of Alciatus’ Dispunctiones, Ius commune 19 (1992), 219; Troje, H., Humanistische Jurisprudenz, 1993; Belloni, A., L’amministrazione della giustizia a Milano, (in) Cunabula iuris, 2002, 1ff.

Aldermann (ae. ealdorman) ist seit dem Mittelalter an verschiedenen Stellen (z. B. Hamburg 1266, London 13. Jh.) ein Funktionsträger mit unterschiedlichen Befug­nissen.

Lit.: Dollinger, P., Die Hanse, 5.A. 1998; Wormald, P., The making of English law, Bd. 1 1999

Aldricus ist ein zwischen 1154 und 1177 bezeugter Glossator, von dem vielleicht eine Schrift über anwendbares Ortsrecht stammt.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 202

Alemanne ist der Angehörige eines wohl am Ende des 2. Jh.s n. Chr. vor allem aus elbgermanischen Sueben gebildeten, im 3. Jh. erstmals erwähnten germa­nischen Stammes, der 259/260 den römischen Limes durchbricht und das Gebiet am oberen Rhein besiedelt (am Anfang des 4. Jh.s im Breisgau). 496/497 unterliegen die von einem König geführten Alemannen den →Franken. Etwa zu dieser Zeit setzt die sich über Jahrhunderte hinziehende Christianisierung ein. Zu Beginn des 7. Jh.s zeichnen die Alemannen ihr Recht im →Pactus Alamannorum und zu Beginn des 8. Jh.s in der →Lex Alamannorum auf. 746 wird ihr Herzogtum vom fränkischen König endgültig beseitigt. Im fränkisch-deutschen Reich lebt das Volk der Alemannen in den Ländern Schwaben (Baden, Würt­temberg), Elsass, Kantonen der Schweiz, Liechtenstein und Vorarlberg fort.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Cramer, J., Die Geschichte der Alamannen, 1899; Grundfragen der alemannischen Geschichte, hg. vom Institut für geschichtliche Landesforschung, 1955; Die Alemannen in der Frühzeit, hg. v. Hübener, W., 1974; Zur Frühgeschichte der Alemannen, hg. v. Müller, W., 1975; Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978; Borgolte, M., Die Geschichte der Grafschaften Alemanniens in fränkischer Zeit, 1984; Borgolte, M., Die Grafen Alemanniens, 1986; Geuenich, D., Geschichte der Alemannen, 1997, 2. A. 2004; Die Alamannen, hg. v. archäologischen Landesmuseum, 1997; Hellmuth, D., Frau und Besitz, 1998; Franks and Alamanni, hg. v. Wood, I., 1998; Bücker, C., Frühe Alemannen im Breisgau, 1999; Siegmund, F., Alemannen und Franken, 2000; Hartung, W., Die Alamannen, 2003; Die Alemannen und das Christentum, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003; Krapp, K., Die Alamannen, 2007; Drinkwater, J., The Alamanni and Rome 213-496, 2007; Alamannen zwischen Schwarzwald, Neckar und Donau, hg. v. Ade, D. u. a., 2008; Tarodunum/Zarten - Brigobanis/Hüfingen, hg. v. Kleiber, W., 2009; Alemannische Dialektologie, hg. v. Huck, D., 2014

Alemannien →Alemanne, →Schwabe

Alexander III., der (um 1120?) als Roland (Bandinelli?) in Siena geboren wird und in Bologna (vor 1142) Theologie und die Rechte lehrt (wohl verschieden von dem Dekretisten magister Rolandus), veranlasst als Papst (1159-1181) und Gegner Friedrichs I. Barbarossa bedeutsame →Dekretalen (insge­samt mehr als 700, u. a. zur Papstwahl [Zweidrittelmehrheit der wäh­lenden Kardi­näle] und zur Eheschließung).

Lit.: Pacaut, M., Alexandre III, 1956; Baldwin, M., Alexandre III and the XIIth century, 1968; Weigand, R., Magister Rolandus und Papst Alexander III., AKKR 149 (1980), 3; Laudage, J., Alexander III. und Friedrich Barbarossa, 1997

Alexander der Große (Pella/Makedonien 20. 7. 356 v. Chr.-Babylon 10. 6. 323 v. Chr.) ist der das von seinem Vater geerbte Reich Makedonien zeitweise bis Indien ausdehnende König, mit dem die Zeit des Hellenismus beginnt.

Lit.: Barceló, P., Alexander der Große, 2007; Demandt, A., Alexander der Große, 2009

Alexander von Roes (2. H. d. 13. Jh.s, um 1225-vor 1300) ist Kanoniker in Köln und weilt nach 1280 mehrfach in Italien. Er verfasst dort drei Werke. In ihnen setzt er sich zugunsten des deutschen Königs gegen Ansprüche des französischen Königs ein ([lat.] Memoriale [N.] de prerogativa Romani imperii, 1281).

Lit.: Schraub, W., Jordan von Osnabrück und Alexander von Roes, 1910; Alexander von Roes, Schriften, hg. v. Grundmann, H. u. a., 1958; Horst, H., Weltamt und Weltende bei Alexander von Roes, 2002

Alfenus Varus (um 39. v. Chr.) ist ein römischer Rechtskundiger.

Lit.: Liebs, D., P. Alfenus Varus, ZRG GA 127 (2010), 32

Aller guten Dinge sind drei (d. h. der Kläger muss dem Beklagten in drei Gerichtsterminen die Möglichkeit zur Gegenwehr geben).

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 76 (Henisch 1616)

Allgäu

Lit.: Wiedemann, R., Der „Allgäuische Gebrauch einer Gerichtsbarkeit nach Personalitätsprinzip, 1932; Zinsrodel des Klosters Mehrerau 1290-1505, bearb. v. Bilgeri, B., 1940

Allgemeine Deutsche Civilprozessord­nung ist das 1866 Entwurf gebliebene zivilprozessuale Gesetzgebungsprojekt des Deutschen Bundes, dem die Bürgerliche Prozessordnung (1850) Hannovers des Ministerialbeamten Adolf Leonhardt zugrun­de liegt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; http://www.koebler­gerhard.de/Fontes/ProtokollederCommissionzurBeratungeinerAllgemeinenCivilprozessordnungfuerdiebundesdeutschenBundesstaaten1865.pdf Protocolle der Com-mission zur Beratung einer allgemeinen Civilprozessordnung, 1862ff., Neudruck 1985

Allgemeine Deutsche Wechselordnung ist das auf Grund eines 1847 von allen Mitgliedstaaten des →Deutschen Bundes ausgearbeiteten Entwurfs von der Frankfurter verfassungsgebenden National­versammlung angenom­mene, am 27. 11. 1848 verkündete Gesetz zur Vereinheitlichung des partikularen Wechsel­rechts, das nach Schei­tern der Einigungs­bestrebungen des Jahres 1848 in den einzelnen Mitgliedstaaten durch Landesgesetz (als gleichlautendes allgemeines deutsches Recht) in Kraft gesetzt wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Protocolle der zur Beratung einer Allgemeinen Deutschen Wechsel-Ordnung in der Zeit vom 20. October bis zum 9. December in Leipzig abgehaltenen Conferenz, 1848; Huter, U., Das Reichsgesetz über die Einführung einer allgemeinen Wechselordnung, JZ 1978, 77ff.; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs, ZHR 144 (1980), 484; Pannwitz, K. v., Die Entstehung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung, 1998; http://www.­koeblergerhard.de/Fontes/AllgemeineDeutscheWechselordnung1848.pdf

Allgemeine Gerichtsordnung (Österreichs) ist das (nach ersten Ansätzen der Jahre 1709 und 1753 vor allem von April 1774 bis September 1775 von Joseph Hyazinth Froidevo [Arlesheim 1735-Weidling 15. 8. 1811] in Fortschreibung des vom gemeinen Recht stark geprägten Prozessrechts Böhmens ausgearbeitete,) 1781 in Österreich zwecks Rechtsvereinheitlichung kompilatorisch ge­schaffene Gesetz (Publikation 1. Mai 1781, JGS 13, Einführung mit Patent vom 9. 4. 1782) zur Regelung des gemeinrechtlichen Zivilpro­zesses (geheimes Aktenverfahren mit Ver­­handlungsmaxime, Eventualmaxime, grund­­sätzlicher An­waltszwang, mittelbarer Beweis­aufnahme und gebundener Beweis­regel), das 1796 abgeändert in Westgalizien (Westga­lizische Gerichtsord­nung), später in Ostgali­zien, der Bukowina, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Dalmatien und Istrien in Kraft tritt und erst durch die ältere Allgemeine Ge­richtsordnung und erweiterte Westgali­zische Gerichtsordnung vereinheitli­chende öster­reich­ische Zivilprozess­ordnung von 1895 abgelöst wird.

Lit.: Köbler, DRG 155; Baltl/Kocher; Loschelder, M., Die österreichische Allgemeine Gerichtsordnung von 1781, 1978

Allgemeine Gerichtsordnung (Preußens) ist die 1793 (Sanktionierung, Ende 1794/Anfang 1795 Druckfassung) bzw. 1795 für Preußen auf der Grundlage (des Projects des Codicis Fridericiani Marchici von 1748 mit Anhängen von 1761 und 1769) und) des (lat.) Corpus Juris Fridericianum Erstes Buch von der Prozessordnung von 1781 (Patent vom 26. 4. 1781) in Anpassung an das Allgemeine Landrecht geschaffene Zivilprozessordnung (1822 gegenüber der ursprünglichen Fassung unverändert, aber um Anhang von 1815 erweitert), die in vernunftrechtlicher Prägung (Erforschung der Wahrheit) eine Abkehr vom gemein­rechtlichen, als zu langwierig empfun­denen Zivilprozess versucht, ohne ihre Ziele wirk­lich erreichen zu können.

Lit.: Köbler, DRG 141, 155; Nörr, K., Reinhardt und die Revision der Allgemeinen Gerichtsordnung für die preußischen Staaten, 1975; Eckert, J., Die Entstehung der Allgemeinen Gerichtsordnung, (in) Das Preußische Allgemeine Landrecht, hg. v. Wolff, J., 1995; Busch, S., Die Entstehung der Allgemeinen Gerichtsordnung für die preusßischen Staaten, 1999

Allgemeine Geschäftsbedingung (Wort bei Hinrichs, ZHR 20 [1875], 391) ist die all­gemein verwendete Geschäftsbeding­ung. Allgemeine Geschäftsbedingungen entstehen (nach Vorläufern in [mit­telalterlichen For­melsammlungen und] Policen von Versi­cherungen im ersten Drittel des 18. Jh.s) als Folge der Massengeschäfte nach der indus­triellen Revolution am Ende des 19. Jh.s (Ei­senbahnbetriebsreglements, Postord­nun­­­gen, 1919 Berliner Spedi­teurbe­dingungen), werden trotz der erkennbaren Vor­teilssiche­rung der Verwender (mittels Haftungsbe­schrän­kungen, Beweislast-um­keh­rungen, Ge­richts­standsklauseln, Rück­trittsvorbehalten und Verfallklauseln) zunächst nur vorsichtig im Einzelfall gerichtlich kontrolliert, am 9. 12. 1976 in Deutschland aber in einem eigenen Gesetz über das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen gesetzlich geregelt, das 2002 als §§ 305ff. in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Raiser, L., Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, 2. A. 1961; Pohlhausen, R., Zum Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1978; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Helm, J., AGB-Regelungen im Transportrecht des ADHGB, FS E. Brandner, 1996, 219; Prang, T., Der Schutz der Versicherungsnehmer, 2003; Röder, T., Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, 2006; Hellwege, P, Allgemeine Geschäftsbe­dingungen, 2010; Webersberger, M., Freizeich­nungsklauseln in allgemeinen Konossementsbe­dingungen, 2014

Allgemeine Gütergemeinschaft →Gütergemeinschaft

Allgemeiner Teil (1807) ist der die allge­mei­nen Erscheinungen besonderer Teile zusammenfassende (und voranstellende) Teil einer Gesamtheit. Eine Unterscheidung zwischen Gattung ([lat.] genus, N., Geburt, Geschlecht, Gattung) und Art ([lat.] species, F., Sehen, Anblick, Gestalt, Bild, Stück) sowie zwischen (lat.) generalis (zum Geschlecht gehörig, zur Gattung gehörig, allgemein) und (lat.) specialis (besondere) ist bereits dem lateinischen Altertum bekannt. Allgemeine Einführungen in das Recht werden in den Versuchen des Franciscus Connanus (1508-1551) und Hugo Donellus (1527-1591), sich von der wenig sys­tematischen Reihenfolge der Bestimmun­gen der justinianischen Kom­pilation(en) zu lösen, sichtbar. Johannes Althusius (Diedenshausen 1557-Emden 1638) überschreibt im Index capitum seiner Dicaelogicae (1618) den ersten Teil des ersten Buches mit (lat.) agit de generalibus (handelt von den allgemeinen [Angelegen­heiten]), doch wird dies nicht weiter beachtet. Im Gefolge naturrechtlicher Sys­te­matisierungs­ansätze (Erhard →Weigel [1625-1699], Samuel →Pufen­dorf [1632-1694], allgemeine Einleitung in das Recht und seine Anwendung sowie Auslegung in Jean Domats [1625-1695] Loix civiles dans leur ordre naturel [1689-1695], Christian Wolff [1679-1754] 1711 [Jus naturae, Band 1 De obligatione et iure hominum universali]) veröffentlicht Christian Wolffs Schüler Georg Darjes 1740 (lat.) Institutiones jurisprudentiae universalis (Einrichtungen der universellen Jurisprudenz), in denen er in einer (lat. [F.]) pars generalis (einem allgemeinen Teil) de iurium atque obligationum objecto (von der Rechte und Verbindlichkeiten Gegenstand), de iurium atque obligationum diversitate (von der Rechte und Verbindlichkeiten Ver­schiedenheit) und de acquisitione iurium et obligationum generatim (vom Erwerb der Rechte und Verbindlichkeiten im Allge­meinen) handelt. 1749 legt Christian Wolffs weiterer Schüler Daniel Nettelbladt (Rostock 1719-Halle 1791) ohnvorgreifliche Gedan­cken, den heutigen Zustand der bürgerlichen und natürlichen Rechtsgelehrtheit in Teutschland, deren nöthige Verbesserung und dazu dienliche Mittel betreffend vor, in denen er eine vom Demonstrieren der Rechtssätze nach Gründen ausgehende straffe Defini­tionen verwendende Darstellung des positiven Rechtes verlangt, in der alles systematisch so geordnet werden soll, dass das Allgemeine vor dem Besonderen und das Zusammen­gehörige beieinander steht. Nach erfolg­reichen Elementarsystemen des gleichen Jahres verfasst er 1761 eine (lat.) Introductio (F.) in jurisprudentiam positivam Germa­norum com­munem (Einleitung in die allgemeine positive Jurisprudenz der Deutschen), die neben einem allgemeinen Teil eine kurze Enzyklopädie und Methologie sowie eine straffe Rechts- und Lite­rärgeschichte enthält. 1767 entsteht Johann Stephan Pütters Versuch einer juristischen Enzyklopädie und Methodologie, die eine systematische, durch einen allge­meinen Teil grundgelegte Darstellung des römischen Rechtes verlangt. 1772 bietet Daniel Net­telbladt in seiner (lat.) Nova introductio (F.) in jurisprudentiam positivam Germanorum com­munem wohl erstmals einen ausgeführten allgemeinen Teil in zwei Büchern mit 7 bzw. 5 Sektionen über allgemeine rechtliche Fach­wörter, Personen, Tat­sachen, Sachen, Rechts­handlungen, Be­grün­den, Auflösen, Bestätigen von Verbind­lichkeiten, Stellver­tretung, An­fech­tung, Erwerb, Verlust und Bewahrung von Rech­ten, Eigentum, Schadensersatz, Sicherheits­leistung, Arrest, Sequestration, Protest, Besitz und Rechtsmittel. Nach weiteren ähnlichen Werken (Hofacker 1773, Habernickel 1776) ordnet (der Hallenser Schüler Daniel Nettelbladts) Gustav →Hugo in seinen (lat.) Institutionen des heutigen römischen Rechtes 1789 das Privatrecht noch klarer ([Einleitung in 7 Paragraphen über Gegenstand der bürgerlichen Rechts­pflege, Entscheidungs­grund­lagen des Rich­ters, Un­möglichkeit der Vorausbestimmtheit der Entscheidung, römi­sches Recht in Deutsch­land, Justinians Leistung, teilweise Un­brauchbarkeit durch Änderung der Verhält­nisse, Vereinfachung durch Vorausschickung des Allgemeinen,] Realrechte, persönliche Obliga­tionen, Familienrechte, Verlassen­schaften, Prozess). Christoph Christian Dabelow (Neu-Buckow 1767-Dorpat 1830), ebenfalls Schüler Net­telbladts in Halle, bietet 1793 eine Einleitung in die deutsche positive Rechtswissenschaft und 1794 ein System der heutigen Civilrechtsgelahrtheit, die beide 1796 eine zweite Auflage erfahren, wobei das System des gesamten heutigen Zivilrechts von 1796 in seinem allgemeinen Teil Personen, Sachen, Handlungen, Zeit, rechtliche Geschäfte, Eide, Wahrheit, Rechte, Verbind­lichkeiten, Si­cherheiten, Besitz, Verjährung, Rechtsmit­tel, Schaden, Schadensersatz, Ver­waltung frem­der Sachen und Wieder­einsetzung in den vorigen Stand erfasst. Hugos Erkenntnisse vertieft sein Göttinger Schüler Georg Arnold Heise in seinem Grundriss eines Systems des gemeinen Zivilrechts zum Behuf von Pandekten­vorlesungen (1807, allgemeine Lehren [Von den Quellen des Rechtes, Von den Rechten im Allgemeinen, Von Verfolgung und Schützung der Rechte, Von den Subjecten und Objecten des Rechtes], dingliche Rechte, Obligationen-Recht, jura potestatis, das gesamte Erbrecht, Restitutio in integrum) zu einem allgemeinen Teil des Privatrechts. Durch →Savigny erlangt diese Vorstellung allgemeine Verbreitung und erfasst später über das Privatrecht hinaus auch Strafrecht und Verwaltungsrecht und andere Rechtsge­biete.

Lit.: Köbler, DRG 158, 199, 206, 213, 237; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Jakobs, H./Schubert, W., Materialien zur Entstehungs­geschichte des BGB - Allgemeiner Teil, 1985; Lehmann, A., Nettelbladt und Dabelow als die eigentlichen Begründer eines allgemeinen Teiles, FS G. Maier, 1994, 39; Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997; Hollstein, T., Die Verfassung als „Allgemeiner Teil“, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Der Allgemeine Teil des Privatrechts, hg. v. Baldus, C. u. a., 2013

Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) ist die →Kodifikation des Privat­rechts in →Österreich. Sie wird mit dem Ziel der Rechtsvereinheitlichung der verschie­denen habsburgischen Herrschaftsge­biete schon von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) als Codex Leopoldinus Leopolds I. (1640-1705) ohne Erfolg angeregt. 1709 setzt Joseph I. (erfolglos) Kompilationskom­missi­onen in Prag und Brünn ein, (nach der 1749 die österreichische Monarchie mit Ausnahme der ungarischen Länder von einer Länderu­nion in eine Einheit umwandelnden Reform Maria Theresias) 1753 Maria Theresia eine Kommission (Kompilations­kommission [Jo­seph von Azzoni], 1756 Aufgabe auf die 1755 gebildete Revisions­kommission übertragen) zur Abfas­sung ([einer allgemeinen Gerichts­ord­nung und] eines gleichen Landrechts in al­len benachbarten österreichisch-deutschen Erb­landen bzw.) eines (lat.) →Codex (M.) The­resianus (Theresianisches Gesetzbuch), der (die) Provin­zialrechte, das gemeine Recht, die Gesetze anderer Staaten und das all­gemeine Recht der Vernunft berücksich­tigen soll. Der umfangreiche, in drei Teilen 1766 fertiggestellte, vor allem auf dem gemeinen Recht beruhende Entwurf (ein vierter Teil sollte das Zivilprozessrecht enthalten) wird le­diglich als brauchbare Materialsammlung angesehen (und deswegen 1770 von Maria Theresia nicht sanktioniert und 1772/1773 von der geplanten Verbindung mit dem Zivil­prozessrecht gelöst). Der bis 1774 auf etwa die Hälfte gekürzte Entwurf Johann Bernhard Hortens (Entwurf Horten) wird 1776 nicht weiter beraten, (nach Ehepatenten vom 16. 1. 1783 und 3. 5. 1786) in seinem die ge­setz­liche Erbfolge betreffenden Teil 1786 aber als Erbfolge­patent vom 11. 5. 1786 und in seinem personenrechtlichen Teil am 1. 11. 1786 zum 1. 1. 1787 als Allgemeines Bür­gerliches Ge­setz­buch, ErsterTeil (bzw. [später so ge­nann­tes] →Josephi­nisches Gesetzbuch) Josephs II. in den deutschen Erblanden (Österreichs bzw. Habsburgs) in Kraft gesetzt, doch ver­zögern sich die Arbeiten an den übrigen Teilen durch die nunmehr geplante Einbe­ziehung Ungarns und unterbricht der Tod Josephs II. (20. 2. 1790) den weiteren Fort­gang. Ab 1793 bzw. 1794 arbeitet Karl Anton von →Martini an Hand der Benützung des Ent­wurfs Hortens und des (1794) in Kraft gesetzten Allgemeinen Landrechts Preußens einen neuen, etwas stärker naturrechtlich ge­prägten Entwurf (1796 Entwurf Martini mit 8859 Wortformen) aus, der (nach Inkraftsetzung der Zivil­prozess­ordnung und des Strafgesetzes 1796 und ge­ringer Umarbeitung) durch Patent vom 13. 2. 1797 als Bürgerliches Gesetzbuch für West­ga­lizien (→Westgalizisches Gesetz­buch) für das von den Habsburgern aus der dritten Teilung Polens 1795 erworbene Erbland West­galizien und durch Patent vom 18. 9. 1797 auch für das bereits 1772 erlangte Ost­galizien kundgemacht wird (Bürgerliches Gesetzbuch für Galizien [und Bukowina] 1. 1. 1798). Dieses Bür­gerliche Gesetzbuch für Ga­lizien wird als sog. Urentwurf unter der Lei­tung Franz von →Zeillers zwischen 1801 und 1810 in drei Lesungen (unter Abbau der naturrechtlichen Prägung wegen der fran­zö­si­schen Revolution) beraten und nach kaiser­licher Sanktion vom 7. Juli 1810 (ohne Dar­le­hensbestimmungen) bzw. 29. 4. 1811 (Darle­hensbestimmungen) als Anlage zum kaiser­lichen Patent vom 1. 6. 1811 (JGS 94) kund gemacht und zum 1. 1. 1812 (mit 7344 Wortformen und 4313 Lemmata) unter Aufhebung des gemeinen Rechtes und grundsätzlich der Privatrechtsgesetze (als allgemeines, d. h. einheitlich für alle Einwohner ohne örtliche und ständische Unterschiede bzw. für den ge­samten Bereich der Rechtsver­einheitlichung gel­tendes, als neuständisches Gesetzbuch stän­dische Unter­schiede nur formal nicht be­rück­sichtigendes und damit verdeckendes) für die gesamten deutschen Erblande des ös­terrei­chischen Kaisers (Resolution vom 18. 8. 1810) (zunächst nur in Nieder­österreich, Ober­österreich [ohne Innkreis und Teile des Hausruckkreises], Böh­men [ein­schließlich Marktredwitz und sog. Fraisch­bezirk in der Oberpfalz, in Gel­tung bis 31. 12. 1899], Mähren, Schlesien, Galizien und Lodomerien [z. T., ohne Bezirke Wieliczka, Podgorze und Tarnopoler Landschaft], Bukowina, Teile des Haus­ruck­kreises, Steiermark, Kärnten [ohne Oberkärnten], Militär­grenze [17. 7. 1811] [mit Warasdiner, slavonischer, siebenbür­gischer und banatischer Militärgrenze], nicht aber in Ungarn, Kroatien-Slawo­nien, Sieben­bürgen) als reines, aber nicht voll­ständiges Pri­vat­rechtsgesetzbuch (mit drei Teilen und 1512 Paragraphen, deutscher Text authen­tisch, 7344 Wortformen von 4313 ver­wendeten Wörtern) in Kraft gesetzt und zwi­schen 1815 und 1820 nach und nach auch in den Gebieten eingeführt, die durch den Frieden von Paris oder die Akte des Wiener Kongresses an die Monarchie zurückfielen oder von ihr erworben wurden (z. B. 1815 bzw. 1816 Lombardo-Venetien, [Lombardei 1816-1865, Venetien 1816-1871], 1815 Tirol mit Vorarlberg, 1817 Salzburg, Brixental, Zillertal, Innviertel, Hausruckviertel, 1820 Karlstädter Kreis, 1878 par­tiell-subsidär Bos­nien-Herzegowina). Der (nicht eindeutig be­kann­te, vielleicht durch Ab­stände des Wappens auf dem Titelblatt im Ausmaß von 47 bzw. 7. bzw. 9 Millimetern er­kennbare, an­schei­nend in § 591 die Zei­chen­folge … Or­dens; Jünglinge unter 18 Jahren, Frauens­personen, Sinnlose, Blinde, Taube, oder Stum­me … aufweisende) Erst­druck wird dem Kaiser am 24. Juni 1811 über­reicht (amtlich publizierter Text in Justiz­ge­setzsammlung 1817, Nr. 946). Inhaltlich beruht das A. B. G. auf dem römisch-ge­meinen Recht bzw. dem jün­geren (lat.) usus (M.) modernus pandec­tarum (Schuldrecht, ge­willkürtes Erbrecht), (wenigen Einschüben aus dem) einheimischen Recht (Sachenrecht, Erbvertrag), kirchlichen (kanonischen), durch die Grundsätze des spä­ten Vernunftrechts gefilterten Recht (Eherecht für Katholiken) und dem Naturrecht (Syste­matik mit Ein­teilung nach Person und Sache, angeborene, schon durch die Vernunft ein­leuchtende Rechte des Menschen in § 16, Auslegungsre­geln z. B. § 7, angeborene Frei­heit der In­besitznahme freistehender Sachen § 381, Parentelenordnung). Von Savigny wird es 1814 in seiner Schrift vom Beruf als miss­lun­gen bewertet. Durch Patent vom 29. 11. 1812 bzw. 1846 (Erbrecht) wird es von Liechten­stein übernommen (, wo der Text um zwei Fünftel gekürzt und seit dem 20. Jh. an das Recht der Schweiz angeglichen wird, so dass um 2010 dort nur noch etwa 40 Prozent der ursprünglichen Paragraphen gelten). In Mol­dau wird es 1817 im Wesentlichen in den Codex Callimachus übersetzt. 1852 wird es (mit Anpassungen vor allem im Eherecht und ohne tatsächliche öffentliche Anwen­dung) in Ungarn (im Neoabsolutismus gegen den Willen der Ungarn 1853-23. 6.1861, danach aber freiwillige Kryptore­zeption), Kroatien und Slawonien (bis 1918, ohne Novel­lierungen), in der Woi­wod­schaft Serbien und im Temescher Banat, durch Patent vom 29. 5. 1853 in Siebenbürgen und 1855 in Krakau eingeführt. Bern (1824/­1830, Luzern (1831/­1839), Solothurn (1841/­1847) und Aargau (1847/1855), Bayern (Ent­wür­fe von 1832/­1834), Sachsen (Entwurf 1852), Serbien (1844) und Montenegro (1888 Code Bogisic) dient es als Vorbild, Bosnien und Herze­gowina seit 1878 als subsidiäre Rechtsquelle nach dem einheimischen (z. B. ottoma­ni­schen) Recht. Nach verschiedenen Verän­derungen bereits durch Hofdekrete vor 1848 wird das A. B. G. (1855 Ehegesetz für Ka­tho­liken mit Geltung nur von 1856 bis 1868,) 1914 (Personenrecht, Familienrecht, Vor­mund­schaftsrecht, gesetzli­ches Erbrecht), 1915 (Grenzberichti­gung), 1916 (Eigentums­vor­be­halt, Belastungsverbot, Schuldüber­nah­me, Auslobung, Schadenser­satz, Verjährung) unter dem vor allem durch Joseph Unger (1818-1913) vermittelten Ein­fluss der deut­schen historischen Rechts­schule in drei durch kai­ser­liche Notverordnung in Kraft gesetzten Teilnovellen pandektistisch no­vel­liert (rund 15 Prozent der nun 1511 Pa­ra­graphen, 51 Pa­ra­graphen neu geschaffen, vom alten Bestand 199 mehr oder weniger stark verändert). Berücksichtigt werden dabei außer dem Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reiches von 1900 die Vorarbeiten des Obli­gationenrechts (1881) und des Zivil­ge­setzbuchs (1907/1911) der Schweiz, das All­gemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (1861) und das deutsche Handelsgesetzbuch (1897) sowie der Entwurf eines Zivil­gesetz­buchs Ungarns (1900/1913). Erfasst werden ver­schiedene Sachgegenstände (Verkürzung der Verschollenheitsfristen bei der Todeser­klä­rung, Verbesserung der Rechts­stellung der Frau und des unehelichen Kindes und der un­ehe­lichen Mutter, Begrenzung der gesetz­li­chen Erbfolge der ehelichen Verwandten, Ehegattenerbrecht zu Eigentum statt zu Nieß­brauch, Nachbarrecht, Eigentumsvor­behalt an Maschinen, Realver­kehr, Realkredit, Angebot und Annahme von Verträgen, unerlaubte Verträge, Verträge zu Gunsten Dritter, Gewährleistung, Schadens­ersatz, Auslobung, Gastaufnahme, Anwei­sung, Schuldübernahme bei Übernahme eines Vermögens oder Geschäfts, Lohnzah­lungs­zeitpunkt, Lohnfort­zahlung bei unver­schuldeter Verhinderung des Arbeitnehmers, Kündigungsfristen und Fürsorgepflichten des Arbeitgebers. Seit 15. 6. 1922 gilt es im Burgenland (zunächst ohne Eherecht). Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 wird das Eherecht durch das Ehegesetz (Gesetz zur Ver­ein­heitlichung des Rechtes der Ehe­schließung und der Eheschei­dung), das Personenrecht durch das Personen­stands­ge­setz und vorübergehend bis 1947 das Tes­tamentsrecht durch das Testa­mentsgesetz (Gesetz über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen vom 31. 7. 1938) des Deut­schen Reiches geändert, seit den 70er Jahren des 20. Jh.s durch mehrfache Novellierung das gesamte Familienrecht. Seit 1896 (Raten­ge­setz, Mietengesetz 1923, Konsumen­ten­schutz­gesetz 1979) wird es durch Nebenge­setze ergänzt. Nach 1945 ist es im sozialistischen Rechtskreis außer Kraft ge­setzt. Das Familienrecht wird auf Grund des Gleichheitsgrundsatzes vollständig ver­ändert. 1984 wird die Sachwalterschaft aufge­nommen. In Nebengesetzesn sind etwa das Recht des Wohnens, der Ver­brau­cherschutz, das internationale Privatrecht, die Haftpflicht, die Patientenverfügung (2006) und die ein­getragene Partnerschaft (2010) geordnet. Vielleicht steht bzw. stehen in der Gegenwart noch die Hälfte oder drei Fünftel (Ogris) oder zwei Drittel (Brauneder) der ursprünglichen Paragraphen in Geltung (am 14. 2. 2011 861 von einst 1502 Paragraphen [1-3, 5-20, 22-23, 26-28, 33, 38-42, 44-46, 162, 286-299, 302-309, 311-356, 361-363, 365-366, 369-385, 387, 398, 400-421, 423-430, 438-450, 452-455, 457-468, 473-480, 482-484, 486-539, 542, 544-550, 552-565, 567, 570-573, 575-578, 580, 582-583, 588-589, 594-596, 601-614, 617, 647-668, 672-699, 701-715, 717, 719-721, 723-729, 733-737, 738-740, 750, 761, 763-764, 766, 770-778, 782, 786, 790-791, 793-795, 797-798, 802-804, 808-809, 812-814, 816-818, 820-821, 823-827, 829-843, 846, 854-858, 867, 869, 872, 874, 877, 880, 883, 888-901, 904, 907-913, 915, 923, 929-930, 934, 936-950, 952-969, 971-982, 1002-1020, 1023, 1025-1028, 1030-1033, 1035-1046, 1048-1051, 1053-1058, 1060-1069, 1071-1079, 1083-1095, 1099, 1103, 1106, 1108, 1110-1116, 1118-1120, 1176-1195, 1197-1209, 1211-1216, 1234-1236, 1246-1254, 1262, 1267-1277, 1279-1294, 1296-1297, 1299-1304, 1306, 1309-1313, 1317-1318, 1321-1326, 1331-1332, 1337-1338, 1340-1345, 1347-1355, 1357, 1359-1373, 1375-1399, 1411-1419, 1424-1438, 1441-1445, 1447-1457, 1459-1466, 1468, 1470-1473, 1475-1477, 1479, 1481-1484, 1488, 1491-1493, 1496-1502,] entfernt sind etwa Erbzinsvertrag, Widerlage, Morgengabe oder Obereigentum und Untereigentum).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 141, 185, 205; Banniza, J. Gründliche Anleitung zu dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuche, Bd. 1 1787; Wildner von Maithstein, I., Lexikon sämtlicher Worte des österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetz­buches, 1843; Harras von Harrasowsky, P., Geschichte der Kodifikation des österreichischen Civilrechtes, 1868; Pfaff, L., Über die Materialien des öster­reichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetz­buches, Grünhuts Zs. 2 (1875), 254; Ofner, J., Der Ur-Entwurf, Bd. 1f. 1889; Festschrift zur Jahrhundertfeier des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, 1911; Slapnicka, H., Österreichs Recht außerhalb Österreichs, 1945; Dölemeyer, B., Die Revision des ABGB durch die drei Teilnovellen von 1914, 1915 und 1916, Ius commune 6 (1977), 274; Ogris, W., 175 Jahre ABGB, 1986/7; Caroni, P., Der unverstandene Meister, FS H. Baltl, 1978, 107; Seemann, O., Die mit „1811“ datierten Drucke des ABGB, 1995; Neschwara, C., Die Geltung des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in Ungarn und seinen Nebenländern von 1853 bis 1861, ZRG GA 113 (1996), 362; Frohnecke, E., Die Rolle des ABGB in Gesetzgebung und Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, 2001; http://www.koeblergerhard.de/­Fontes/ABGB1811.htm; Österreichs Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 3 hg. v. Berger, E., 2010; 200 Jahre ABGB (1811-2011). Die österreichische Kodifikation im internationalen Kontext, hg. v. Dölemeyer, B./Mohnhaupt, H., 2012 (darin S. 367 Deutsch, A., Billig streitet die Vermuthung ... - Zu Wortwahl und Gesetzesspreche im AbGB); Festschrift 200 Jahre AGBG, hg. v. Fischer-Czermak u. a., 2011; 200 Jahre ABGB - Ausstrahlungen, hg. v. Geistlinger u. a., 2011 (u. a. besonders Ogris, W., Das ABGB innerhalb und außerhalb Österreich, 2011); 200 Jahre ABGB - Richterinnenwoche, 2012; 200 Jahre ABGB 1811-2011, hg. v. Barta, H., 2012; Mattiangeli, D., Die Anwendung des ABGB in Italien im 19. Jahrhundert und seine historischen Aspekte, 2012; 200 Jahre ABGB, hg. v. Fenyves, A. u. a., 2012; Zweihundert (200) Jahre Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) und europäisches Vertragsrecht, hg. v. Kodek, G., 2012; Vom ABGB zum europäischen Privatrecht, hg. v. Welser, R., 2012; Die ältesten Quellen zur Kodifikationsgeschichte des österreichischen ABGB, hg. v. Neschwara, C., 2012; Das ABGH in den „vaterländischen Blättern“, hg. v. Kohl, G. u. a., 2012;

Allgemeines Deutsches Gesetz über Schuldverhältnisse ist das seit 1863 von den Mitgliedstaaten des →Deutschen Bundes zwecks Rechtsvereinheitlichung bzw. Rechts­angleichung beratene (allgemeine deutsche) Gesetz, dessen (→Dresdener) Ent­wurf im Jahre 1866 gerade der Bundes­versammlung zugeleitet ist, als der Deutsche Bund am Gegensatz zwischen Österreich und Preußen zerbricht, so dass der Entwurf dieses Gesetzes nicht weiter behandelt wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Hedemann, J., Der Dresdener Entwurf von 1866, 1935; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866, hg. v. Francke, B., 1973; Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts, 1866, 1984

Allgemeines Deutsches Handelsgesetz­buch ist das auf Grund des Vorbilds des französischen →Code de commerce (1808) nach Scheitern eines 1848 auf Anregung der deutschen Nationalversammlung (Frankfurter Paulskirchenversammlung eingesetzten Ge­setz­gebungsausschusses seit 1856 von einer Kommission des Deutschen Bundes vorbe­reitete, nach preußischer (1850-1856) und österreichischer (1842, 1853, 1857) Vorlage(n) 1861 im (Nürnberger) Entwurf entstandene Handelsgesetzbuch, das die Mitgliedstaaten des →Deutschen Bundes auf Empfehlung der Bundesversammlung vom 31. 5. 1861 durch überein­stimmende Ein­zel­staatsgesetze (u. a. Preußen 1. 3. 1862, Öster­reich 1. 7. 1863 Allgemeines Handelsgesetz­buch, Anlage zum Gesetz 17. 12. 1862 RGBl. 1863, 1, [ohne Seerecht] in Geltung bis 1938, Württemberg 15. 12. 1865, Schaumburg-Lippe 1. 1. 1870) ab 1862 als als allgemeines deutsches Recht in Kraft setzen. An seine Stelle tritt im Deutschen Reich 1897 das →Handelsgesetzbuch (Österreich 24. 12. 1938).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Protokolle der Kommission zur Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, hg. v. Lutz, J., Bd. 1ff. 1958ff., Neudruck 1984; Thöl, H., Zur Geschichte des Entwurfes eines allgemeinen deutschen Handels­gesetzbuches, 1861; Goldschmidt, L., Der Abschluss und die Einführung des allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs, ZHR 5 (1862), 204ff.; Lindau, L., Register zu dem Allgemeinen Deutschen Handels­gesetzbuch, 1867; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, ZHR 144 (1980), 484; Wild, P., Der Einfluss des All­gemein­en deutschen Handelsgesetzbuchs auf die Privatrechtsdogmatik, Diss. jur. Saarbrücken 1966; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; http://www.koeblergerhard.de/­Fontes/AllgemeinesDeutschesHandelsgesetzbuch1861.htm

Allgemeines deutsches Recht ist das in der Mitte des 19. Jh.s durch Parallelgesetzgebung der Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes entstandene Recht. →Allgemeine Deutsche Wechselordnung, →Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch

Lit.: Köbler, DRG 182

Allgemeines Gesetzbuch für die preußischen Staaten (1791) ist eine älteren gescheiterten Versuchen folgende Vorstufe für die Kodifikation →Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten (1794). Vorausgeht eine Kabinettsordre des Königs vom 14. 4. 1780, nach der „alle Gesetze für unsere Staaten und Untertanen in ihrer eigenen Sprache abgefasst, genau bestimmt und vollständig gesammelt werden“, „nur das Wesentliche mit dem Natur-Gesetz und der heutigen Verfassung Übereinstimmende aus dem römischen Recht abstrahirt, das Unnütze weggelassen, Unsere eigene Landes-Gesetze am gehörigen Ort eingeschaltet und solcher­gestalt ein subsidiarisches Gesetz-Buch, zu welchem der Richter beim Mangel der Provinzial-Gesetze recurriren kann, ange­fertigt“ werden soll. Eine Kabinettsordre vom 27. 7. 1780 konkretisiert den Auftrag, dem das Corpus iuris Justinians zu Grund gelegt werden soll. Der unter Leitung Johann Casimir von Carmers hauptsächlich von Carl Gottlieb Svarez und Ernst Ferdinand Klein auf der Grundlage von Auszügen aus dem Corpus iuris civilis Justinians nach einer systematischen natürlichen Ordnung erar­beitete Entwurf eines allgemeinen Gesetz­buchs für die preußischen Staaten wird seit 1784 in sechs Abteilungen gedruckt (Erster Teil Personenrecht, erste Abteilung von dem Hausstand 1784, zweite Abteilung von den Rechten und Pflichten der verschiedenen Stände des Staates 1785, dritte Abteilung Rechte und Pflichten des Staates gegen die Bürger 1786, zweiter Teil Sa­chenrecht), erste Abteilung Titel 1-6 1787, zweite Abteilung Titel 7-13 1787, dritte Abteilung Titel 14-22 1788). Die nach der Veröffentlichung eingereichten Vorschläge (Monita) werden verwertet und in einer Svarezschen Revision 1790/1791 genutzt. Am 20. 3. 1791 reicht von Carmer das Publi­kationspatent für das Allgemeine Gesetzbuch für die preußischen Staaten ein, dessen Inkrafttreten zum 1. 6. 1792 geplant wird. Am 18. 4. 1792 verschiebt der König die Geltung aus politischen Gründen bis auf Weiteres. Wegen des Gebietsgewinns Preußens aus der zweiten Teilung Polens (1793) wird das im Privat­recht einem abgewandelten Instituti­onen­system folgende Werk am 1. 6. 1794 als Allgemeines Landrecht für alle preußischen Staaten in Kraft gesetzt.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Entwurf­einesallgemeinenGesetzbuchesfuerdiepreussischenStaaten1Theil1Abtheilung1784.pdf u. a. Svarez, Carl Gott­lieb, Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die preußischen Staaten, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Register zum allgemeinen Gesetzbuch für die preußischen Staaten (1792), hg. v. Krause, P., 2004; Finkenauer, T., Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Allgemeinen Landrecht, ZRG 113 (1995), 40; Barzen, C., Die Entstehung des „Entwurf(s) eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten“, 2000

Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und derselben Bestrafung ist das unter Joseph II. gewisse aufgeklärte Grundsätze verwirklichende Strafgesetzbuch Österreichs von 1787, das noch vom Strafzweck der Abschreckung ausgeht.

Lit.: Baltl/Kocher;http://www.koeblergerhard.de/Fontes/­Strafgesetz1787.pdf

Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten (ALR) ist das als →Kodifikation zum 1. 6. 1794 in Kraft gesetzte umfassende Vernunftrechtsgesetzbuch →Preußens. Ihm gehen als ältere, im Ergebnis erfolglose Ver­suche der Rechtsvereinheitlichung der recht­lich ganz verschieden geordneten Teile Brandenburg-Preußens ein Ersuchen Friedrich Wilhelms I. von Preußen an die juristische Fakultät der Universität Halle an der Saale (1714) und das von Samuel von →Cocceji bearbeitete Projekt eines Corpus juris Fridericiani Friedrichs des Großen (Teilentwürfe 1749, 1751) voraus. Als Folge des sog. →Müller-Arnold-Prozesses (1. 1. 1780) erarbeiten nach einer Kabinettsorder Friedrichs des Großen (14. 4. 1780 betreffend die Verbesserung des Justizwesens bezüglich der Gerichtsverfassung, des Prozessrechts und des materiellen Rechtes) der neu berufene Großkanzler Johann Heinrich Casimir von →Carmer und Carl Gottlieb →Svarez (außer dem Corpus juris Fridericianum von 1781 für das Verfahrensrecht und einer Hypotheken­ordnung von 1783) an Hand des römischen Rechtes nach natürlicher Ordnung und der Sonderrechte der einzelnen Provinzen einen vom König (1785) als zu weitläufig zu­rückgewiesenen Entwurf aus (1783-1788, zwischen 1784 und 1788 in sechs Bänden veröffentlicht). Nach Überarbeitung an Hand zahlreicher eingegangener Monita und Denk­schriften wird 1791 ein Entwurf eines →allgemeinen Gesetzbuchs für die preußischen Staaten vorgelegt, (nach Einreichen des Publikationspatents am 20. 3. 1791) sein Inkrafttreten zum 1. 6. 1792 verfügt, aber nach nicht mehr vollständig aufklärbaren Vorgängen am 18. 4. 1792 auf unbestimmte Zeit suspendiert. 1794 wird das Gesetzbuch nach dem 1793 bei der zweiten Teilung Polens erfolgten Erwerb umfangreicher Gebiete (Südpreußen, Neu-Ostpreußen) unter geringer Umarbeitung (Aufhebung des Verbots der Machtsprüche und einiger Bestimmungen über die Ehe zur linken Hand) als A. L. R. erlassen (Anlage zum königlich preußischen Patent vom 5. 2. 1794). Das Gesetz umfasst in zwei Teilen („Eigentum“, „Gesellschaft“) mit 23 und 20 Titeln sowie 19194 Paragraphen (fast) das gesamte private und öffentliche Recht (Privatrecht, Gemeinde­recht, Beamten­recht, Staatsrecht, Kirchen­recht, Lehnrecht, Strafrecht), das es fürsorglich und kasuistisch abhandelt. Sein vom Einzelnen (über Ehe, Familie und Stände) zum Staat fortschreit­ender Aufbau ist vernunftrechtlich. Anknüpf­ungspunkt ist (noch) nicht der Mensch als ohne weiteres rechtsfähiges Wesen, sondern der Mensch, soweit er nach Geburt, per­sönlichen Verhältnissen und Stand Rechte und Pflichten hat. Inhaltlich stellt es in seiner Ausrichtung auf das gemeine Wohl einen Ausgleich zwischen altständischer Gesell­schaft und aufgeklärter Freiheit dar, der die fortschrittlichen Ideen des Bürgertums nur eingeschränkt verwirklicht. Im Privatrecht folgt es einem abgewandelten Institu­tionensystem. Von Savigny wird es abgelehnt (1816 „Sudeley“), aber ab 1819 in Vorlesungen an der Universität vorgetra­gen. In den 1815 auf dem Wiener Kongress gewonnenen Rheinlanden, in denen Frankreich 1806/1807 seinen 1804 geschaf­fenen Code civil in Kraft setzt, und in den 1866 bei Auflösung des Deutschen Bundes erlangten Gebieten wird es nicht eingeführt. Durch das Strafgesetzbuch von 1851, das Allgemeine Deutsche Handels­gesetzbuch von 1861 und schließlich durch das →Bürgerliche Gesetz­buch (1896/1. 1. 1900) wird es Stück für Stück abgelöst.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140, 184, 151, 160, 198; Eggers, C. v., Lehrbuch des Natur- und allgemeinen Privatrechts und gemeinen preußischen Rechts, 1797; Thieme, H., Die preußische Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 355; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Conrad, H., Die geistigen Grundlagen des ALR, 1958; Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, hg. v. Hattenhauer, H., 1970, 2. A. 1994, 3. A. 1996; Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, Register 1973; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1975; Das nachfriderizianische Preußen 1786-1806, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1988; Mühleisen, H., Zur Ord­nung der Akten und Materialien des Allgemeinen Land­rechts, ZRG GA 108 (1991), 194; Schwennicke, A., Die Entstehung der Einleitung des preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, 1993; Friedrich Carl von Savigny, Landrechtsvorlesung 1824, hg. v. Wollschläger, C. u. a., 1994ff.; Gemeinwohl - Freiheit - Vernunft - Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F., 1995; Das Preußische Allgemeine Landrecht, hg. v. Wolff, J., 1995; 200 Jahre allgemeines Landrecht, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1995; Kodifikation gestern und heute, hg. v. Merten, D. u. a., 1995; Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die Preußischen Staaten, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Finkenauer, T., Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Allgemeinen Landrecht, ZRG GA 113 (1996), 40; Benthaus, R., Eine „Sudeley“?, Diss. jur. Kiel 1996; Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G., 1998; Zur Ideen- und Rezeptionsgeschichte des preußischen Allgemeinen Landrechts, hg. v. Gose, W. u. a., 1999; Dilcher, G., Forschungen zum ALR-Jubiläum, ZNR 2001, 285; Steinbeck, J., Die Anwendung des allgemeinen Landrechts in der richterlichen Praxis, 2004; Benöhr, H., Die Urheber des ALR, ZRG GA 121 (2004), 493; Register zum allgemeinen Gesetzbuch, hg. v. Krause, P., 2004; Albrecht, M., Die Methode der preußischen Richter, 2005; http://www.­koeb­lergerhard.de/Fontes/ALR1fuerdiepreussischenStaaten1794teil1.htm;http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ALR2fuerdiepreussischenStaaten1794Teil2.htm; Hilgen­stock, C., Die Anwendung des Allgemeinen Landrechts in der richterlichen Praxis, 2009; Bitter, A. v., Das Strafrecht des preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, 2013; Stegmaier, W., Das preußische Allgemeine Land­recht und seine staatsrechtlichen Normen, 2013

Allgemeines Persönlichkeitsrecht ist das einer Person an ihrer Persönlichkeit insgesamt zustehende Recht. Erste Ansätze hierfür finden sich bei Donellus (Doneau 1527-1591), Pufendorf, Thomasius und Wolff (vgl. § 83 Einl. ALR, § 16 ABGB), doch lehnt Friedrich Carl von Savigny ein a. P. ab, weil Inju­rienstrafenklage und Strafrecht genü­genden Schutz bieten. Demgegenüber treten später Otto von Gierke und Josef Kohler für ein a. P. ein. Bei der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird auf ein a. P. bewusst verzichtet, nur der Namens­schutz in § 12 geregelt und der Schadensersatz bei imma­teriellen Schäden eingeschränkt (§ 253 BGB, anders Art. 28 ZGB Schweiz 1907/­1911). Seit 1954 wird ein a. P. in Deutschland durch die Recht­sprechung (BGHZ 13, 334, 1958 BGHZ 26, 349, 1974 BVerfGE 34, 269, vgl. 1956 BGHZ 20, 345 pönale Geldentschä­digung) anerkannt. Als Rechtsgrund wird Art. 2 Iff. GG angesehen (vgl. BGHZ 128,1). Beachte auch § 201a StGB.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Teil 1 1910, 58; Irmscher, K., Der privatrechtliche Schutz der Persönlichkeit in der Praxis des gemeinen und partikularen Rechts, 1953; Scheyhing, R., Zur Geschichte des Persönlichkeitsrechts im 19. Jh., AcP 158 (1959/1960), 503; Leuze, D., Die Entwicklung des Persönlichkeitsrechts im 19. Jh. 1962; Simon, J., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine gewerb­lichen Erscheinungsformen, 1981; Gottwald, S., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 1996; Goebel, J., Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 2004; Kastl, K., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 2004; Martin, K., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 2007

Allgemeines Vermögensgesetzbuch für das Fürstentum Montenegro ist das vor allem unter der Mitarbeit Baltazar →Bogisics (1834-1908) 1888 in Kraft gesetzte Privatrechtsgesetzbuch Montenegros (ohne Familienrecht und Erbrecht).

Lit.: Zimmermann, W., Valtazar Bogisic (1834-1908), 1962; Hamza, G., Bemerkungen zur Privatrechts­entwicklung in Montenegro (in Spomenica Valtazara Bogišića, 1011, 315

Allgemeinverfügung ist die zu Beginn des 19. Jh.s entstandene, lange zwischen Ver­ordung und Verwaltungsakt stehende, zuletzt dem Verwaltungsakt zugeordnete Einrichtung des allgemeinen Verwaltungsr­echts.

Lit.: Wandschneider, S., Die Allgemeinverfügung, 2009

Alliierte →Alliierte Hohe Kommandantur

Alliierte hohe Kommandantur Berlin ist das gemeinsame Organ der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs für Berlin seit Juli 1945. Nach dem Auszug des sowjetischen Stadtkom­mandanten am 16. Juni 1948 tagen die drei westlichen Stadt­kommandanten allein. Die Hoheitsge­walt über →Berlin (West) wird bis zur Ver­einigung Berlins (1990) von den drei Westalliierten ausgeübt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schiedermair, H., Der völkerrechtliche Status Berlins, 1975; Grant, H., Die Alliierten und die Teilung Deutschlands, 1985

Alliierte hohe Kommission ist das oberste Organ der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs für die Bundesrepublik Deutschland einschließlich der westlichen Sektoren Berlins vom 21. 9. 1949 bis 5. 5. 1955. Die A. H. K. hat ihren Sitz auf dem Petersberg bei Königswinter. Sie besteht aus den 3 Hohen Kommissaren der beteiligten Mächte.

Lit.: Vogt, H., Wächter der Bonner Republik, 2004

Alliierter Kontrollrat ist das am 30. 7. 1945 errichtete Organ der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs für die Ausübung der obersten Gewalt in Deutschland, insbesondere die Entscheidung aller Deutschland als Ganzes betreffenden Fragen. Der Alliierte Kontrollrat erlässt auch Gesetze. Am 20. 3. 1948 stellt er wegen der gegensätzlichen Ansichten der westlichen Mächte einerseits und der Sowjetunion andererseits seine Tätigkeit ein. In Österreich werden nach dem ersten alliierten Kontrollabkommen vom 4. 7. 1945 ein aus den vier militärischen Kom­missaren der vier Besatzungsmächte ge­bildeter Alliierter Rat und ein Exeku­tivkomitee mit Stäben (insgesamt als Alliierte Kommission bezeichnet) einge­richtet, deren oberste Gewalt durch das zweite alliierte Kontrollabkommen vom 28. 6. 1946 abge­schwächt wird.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245; Jaenicke, G., Der Abbau der Kontrollratsgesetzgebung, 1952; Etzel, M., Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen, 1992; Schmoeckel, M., Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen, ZRG 112 (1994), 431; Mai, G., Der Alliierte Kontrollrat in Deutschland, 1995

Alliiertes Recht ist das von den alliierten Besatzungsmächten (in Deutschland nach 1945) geschaffene oder veranlassete Besat­zungsrecht.

Allmende (mhd. almende) ist die mehreren zur allgemeinen Nutzung zustehende Wirtschaftsfläche (einer Gemeinde oder ähnlichen Körperschaft). Es ist mehr als zweifelhaft, ob die Anfänge der vor allem im Hochmittelalter bezeugten A. in die germanische Landnahme zurückreichen. Inhaltlich besteht die A. aus Wäldern, Weide und Ödland. Nutzungsberechtigt sind regel­mäßig die Inhaber mehrerer (nahe liegender) Hofstellen bestimmter Größe (Markgenossen). Schon früh versucht der König und später auch der Landesherr, ein Allmendregal durchzusetzen. Das 19. Jh. strebt nach Beseitigung der A. zugunsten von Alleineigentum. →Alm

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96, 121; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, 1856; Weiss, J., Die Hackwaldallmende der Stadt Eberbach, ZRG GA 17 (1896), 77; Rüttimann, K., Die zugerischen Allmendkorporationen, 1904; Rennefahrt, H., Die Allmend im Berner Jura, 1905; Wopfner, H., Das Almendregal des Tiroler Landesfürsten, 1906; Omlin, H., Die Allmendkorporationen der Gemeinde Sarnen, 1913; Litscher, M., Die Alpkorporationen des Bezirkes Werdenberg, 1919; Meyer, E., Die Nutzungs­korpora­tionen im Freiamt, 1919; Haff, K., Überbleibsel strenger Feldgemeinschaft auf friesischen und skandinavischen Inseln, ZRG GA 46 (1926), 378; Haff, K., Die alten Feld- und Wiesengemeinschaften der Insel Föhr und ihre Erbbücher, ZRG GA 47 (1927), 673; Bergdolt, W., Badische Allmenden, ZRG GA 48 (1928), 466; Weber, K., Zur Rechtsgeschichte der Wiesengemeinschaften der Hallig Hooge, 1931; Plett, E., Zur Rechtsgeschichte des Spätlandes auf Oster­landföhr, 1931; Kirchner, R., Die Allmende und ihre Schicksale in Unterfranken, Diss. jur. Würzburg 1931; Mantel, K., Der Gemeindewald in Bayern, Diss. jur. Würzburg 1933; Rynning, L., Bidrag til norsk almenningsrett I, 1934; Brinkmann, O., Die Bedeutung der Allmende im neuen Deutschland, 1935; Grass, N., Beiträge zur Rechts­geschichte der Alpwirtschaft, 1948; Fischer, H., Zum Gebietsrecht der Stadtallmende, ZRG GA 71 (1954), 209; Sidler, R., Die schwyzerische Unterallmeind­korporation, Diss. jur. Zürich 1956; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Wehrenberg, D., Die wechselseitigen Beziehungen zwischen Allmendrechten und Gemeindefronverpflichtungen, 1969; Schildt, B., Bauer - Gemeinde - Nachbarschaft, 1996; Below, S. v. u. a., Wald, 1998; Zückert, H., Allmende und Allmendaufhebung, 2003; Schmidt-Wiegand, R., Allmende, (in) Worte des Rechts, 2007, 347

Allod ist das keinen zusätzlichen Beschrän­kungen unterliegende Familiengut (19. Jh., vgl. Lex Salica 59). Es steht insbesondere im Gegensatz zu →Lehen. In Deutschland gibt es immer A., während in Frankreich (wegen der Vermutung nulle terre sans seigneur) A. eher selten und in England A. seit 1066 (Domesdaybook) verschwunden ist. A. kann zu Lehen gemacht werden und Lehen in A. verwandelt werden. Mit dem 19. Jh. geht A. in →Eigentum auf.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Chenon, E., Étude sur l’histoire des alleux en France, 1888; Rauch, K., Die Übertragung der steirischen Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht der Babenberger, ZRG GA 58 (1938), 448; Ebner, H., Das freie Eigen, 1969; Spieß, K., Das Lehnswesen, 2002, 2. A. 2009

Allodifikation ist die (ausdrückliche oder stillschweigende) Umwandlung von Lehen in →Allod. Tatsächlich findet in der Neuzeit eine allmähliche A. der deutschen Landesfürstentümer statt (bis 1806). Innerhalb der Landesfürstentümer erfolgt (nicht zuletzt aus steuerlichen Überlegungen) eine A. der Lehen von 1702 (Preußen) bis 1919 (Mecklenburg).

Lit.: Köbler, DRG 211; Loewe, V., Die Allodifikation der Lehen unter Friedrich Wilhelm I., (in) Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 11 1898; Deter, G., Allodifikation, ZRG GA 130 (2013), 205

Allthing ist die vielleicht 930 eingerichtete politische Versammlung der seit der 2. Hälfte des 9. Jh.s vor allem von Westnorwegen aus besiedelten Insel →Island. Das A. wird in der zweiten Junihälfte jedes Jahres im Südwesten abgehalten. Teilnahmeberechtigt ist jeder thingsteuerfähige Freie, teilnahmeverpflichtet jeder Häuptling (Gode) und jeder neunte Mann. Auf dem A. hat der Gesetzessprecher oder Rechtssprecher (lögsögumadr) das Recht vorzutragen, ist Recht zu setzen und zu klären und müssen Urteile gefällt werden. 1271/81 endet diese ältere Gestaltung. 1798 wird das A. aufgelöst.

Lit.: Kuhn, H., Das alte Island, 1971

Alm →Almrecht

Almrecht ist das Recht der Alp oder (aus alben kontrahiert) Alm als der hochgelegenen, vielleicht seit 3000 Jahren in den Sommermonaten bewirtschafteten Weideflä­che (vor allem des Alpenraums). Diese gehört teils Genossen­schaften, teils Grundherren. Das Eigentum an den Grundstücken ist oft durch besondere Rechte und Dienstbarkeiten eingeschränkt (z. B. Schneefluchtrecht auf unteren Almen).

Lit.: Weiß, R., Das Alpwesen Graubündens, 1941; Grass, N., Beiträge zur Rechtsgeschichte der Alpwirtschaft, 1948; Moritz, A., Die Almwirtschaft im Stanzertal, 1956; Grass, N., Forschungen zur Alpwirt­schaft, ZRG GA 81 (1964), 368; Ramseyer. R., Das altbernische Küherwesen, 1961; Gietzen, H., Die Almen des Stubaitales, 1964; Schweizerischer Alpkataster, hg. v. d. Abteilung für Landwirtschaft des eidgenössischen Volkswirtschaftsde­partements in Bern, 1962ff.; Hägele, E., Die Hinterriss, Diss. staatswiss. Innsbruck 1967; Edelmann, M., Die Almen im Tegernseer Tal, 1966; Werner, K., Die Almwirtschaft des Schnalstales, 1969; Starz, R., Die Almwirtschaft in der Wildschönau, Diss. staatswiss. Innsbruck 1970; Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Schenk, P., Die Almwirtschaft im Alpbachtal (Tirol), 1974; Zwittkovits, F., Die Almen Österreichs, 1974; Grass, N., Oswald von Wolkenstein und die Almwirtschaft, ZRG GA 92 (1975), 105; Tremel, F., Zur Rechtsgeschichte des Almwesens, FS N. Grass Bd. 2 1975, 3; Untersuchungen zur eiszeitlichen und frühmittelalterlichen Flur, hg. v. Beck, H., 1980; Arnold, G., Die Korporation Ursern, 1990; Grass, N., Alm und Wein, 1990 (Aufsätze)

alodis (lat.-afränk.) →Allod

Alp Alm

Alpen ist der Name des Italien von Frankreich und Deutschland trennenden euro­päischen Gebirges.

Lit.: Die Alpen in der europäischen Geschichte des Mittelalters, 1965; Die Alpen, hg. v. Mathieu, J. u. a., 2005; Wege über die Alpen, hg. v. Oster, U., 2006; Le Alpi porta d’Europa, hg. v. Pani, L. u. a., 2009; Winckler, K., Die Alpen im Frühmittelalter, 2012

Altar ist der in der christlichen Kirche für geistliche Handlungen verwendete Tisch, mit dem auch Rechtshandlungen (z. B. Stif­tungen, Eide, Gottesurteile) verbunden werden können.

Lit.: Carlen, L., Orte, Gegenstände, Symbole kirchlichen Rechtslebens, 1999; Viek, S., Der mittelalterliche Altar als Rechts­stätte, Mediävistik 17 (2004)

Alsfeld in Oberhessen übernimmt nach 1556 weitgehend wörtlich das Frankenberger Stadtrechtsbuch.

Lit.: Gerhardt, H., Das Alsfelder Stadtrechtsbuch, Diss. Freiburg im Breisgau 1993

Altdorf bei Nürnberg, 1504 von der Pfalz an Nürnberg gelangt, 1553 sehr zerstört, ist von 1575 an Sitz des 1526 nach Vorschlägen Melanchthons im Egidienkloster Nürnbergs eingerichteten Gymnasiums und von 1622 bis 1809 Sitz einer Universität (Donellus, Rittershusius, 1599 Wallenstein, 1667 Leibniz).

Lit.: Will, G., Geschichte und Beschreibung der nürn­bergischen Universität Altdorf 1796, Neudruck 1975; Die Matrikel der Universität Altdorf, hg. v. Steinmeyer, E. v., 1812, Neudruck 1980; Mummen­hoff, G., Die Juristenfakultät Altdorf in den ersten fünf Jahrzehnten ihres Bestehens, Diss. jur. Erlangen 1957; Loiermann, H., Die Altdorfer Juristen, FS K. S. Bader 1965, 267; Mährle, W., Academia Norica (1575-1623), 2000

alte Kulm →Kulm

Altena

Lit.: Lappe, J., Die Freiheit Altena, 1929

Altenteil ist die einem Bauern und seinem überlebenden Ehegatten nach Übergabe seines Hofes an seinen Nachfolger zustehende Versorgung. Das seit der Mitte des 14. Jh. nachweisbare A. wird bei freien Bauern durch (seit dem 16. Jh. nachweisbaren) Vertrag vereinbart (und in neuerer Zeit im Grundbuch dinglich gesichert), bei grundherrschaftlichen Bauern auch in Hofrechten festgelegt. Es haftet am Hofgrundstück. Die Anerbengesetz­gebung des 19. Jh.s kennt eine gesetzliche Regelung, deren Ausgestaltung der Vereinbarung überlassen ist. Art. 96 EGBGB verweist für den schuldrechtlichen Vertrag auf das Landesrecht.

Lit.: Piepenbrock, J., Die Entwicklung des Altenteils oder der Leibzucht, 1925 (Diss.); Weiland, H., Die geschichtliche Entwicklung des bäuerlichen Altenteils, 1940; Weber, H., Der deutsche bäuerliche Übergabevertrag, 1941; Czerannowski, B., Das bäuerliche Altenteil in Holstein, Lauenburg und Angeln 1650-1850, 1988; Schäfer, A., Übernahme und Altenteil, Diss. jur. Bonn 1994

Alter ist die für das Recht in verschiedener Hinsicht bedeutsame, durch die dem Menschen vorgegebene Dimension Zeit bedingte Erscheinung menschlichen Lebens. Schon das römische Recht unterscheidet zwischen Kleinkindern (lat. [M.Pl.] infantes), Nochnichtgeschlechts­rei­fen (lat. [M.Pl.] impuberes) und Geschlechtsreifen (lat. [M.Pl.] puberes), wobei der Eintritt der Reife bei Männern mit vollendetem 14., bei Frauen mit vollendetem 12. Lebensjahr angenommen wird und volle Geschäftsfähigkeit bedeutet. Allerdings besteht (wohl schon früh) bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs ein besonderer Schutz bei Rechtsgeschäften. Nach den frühmittelalter­lichen Volksrechten tritt Mündigkeit zunächst nach der jeweiligen einzelnen Geschlechts­reife ein, später mit der Vollendung des 10. Lebensjahrs (angel­sächsisches Recht vor 1000) oder 12. Lebensjahrs (Edictus Rothari [643] 155, Leges Liutprandi [721] 18). Der Unmündige kann bestimmte Handlungen nicht vornehmen, andere nach Erreichen der Mündigkeit widerrufen. Die väterliche Gewalt dauert aber bis zur →Abschichtung fort. Nach dem Sachsenspiegel kann diese Rechtsstellung des Unmündigen freiwillig bis zum Ablauf des 21. Lebensjahrs und nach dem 60. Lebensjahr fortgeführt werden. Mit der Rezeption seit dem späteren Mittelalter dringt die römische Regelung der (lat. [F.]) infantia (Kindheit) ein (Geschäftsunfähig­keit). Wer älter als sieben Jahre alt ist, kann zwar Rechte erwerben, aber bis zur Geschlechtsreife keine Pflichten begründen bzw. bis zur Volljährigkeit (meist 25 Jahre) das Vermögen nicht ohne Zustimmung eines Kurators verringern, allerdings auf Antrag diese Rechtsstellung bereits mit 20 bzw. für Frauen mit 18 Jahren erreichen (lat. sog. [F.] venia aetatis, Erlaubnis des Alters). Nach dem österreichischen Codex Theresianus von 1766 (V § IV 98), dem preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 (II 18 § 696) und dem österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1811/1812 (§ 21) tritt die Volljährigkeit mit 24 Jahren ein, im Deutschen Reich seit 1875 mit 21 Jahren, in der Deutschen Demokratischen Republik und in der Bundesrepublik Deutschland (1975) mit 18, in Österreich (1919) mit 21, dann (1973) mit 19 und danach (2001) auch mit 18 Jahren. Daneben gibt es die Schulpflicht mit 6 Jahren, die Religionsmün­digkeit mit 14 Jahren, die beschränkte Ehe­mündigkeit, Testierfähigkeit und Eidesfähig­keit mit 16 Jahren und den Heranwachsenden zwischen 18 und 21 Jahren im Strafrecht bzw. Ju­gendstrafrecht.

Lit.: Kaser § 14; Hübner 63ff.; Wackernagel, W., Die Lebensalter, 1862; Eckhardt, K., Die Volljährig­keits­grenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 1; Helfen­stein, U., Beiträge zur Problematik des Lebensalters in der mittleren Geschichte, 1952; Luther, G., Ehemündigkeit, Volljährigkeit, Strafmündigkeit, 1961; Cromberg, H., Die Knabenschaftsstatuten der Schweiz, 1970; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Aging and the Ages, hg. v. Sheehan, M., 1990; Alter und Gesellschaft, hg. v. Borscheid, P., 1995; Schäfer, D., Alter und Krankheit in der frühen Neuzeit, 2004; Schlegel-Voß, L., Alter in der Volksgemein­schaft, 2005; Generationengerechtigkeit?, hg. v. Bra­kensiek, S. u. a., 2006; Timmer, J., Alters­grenzen politischer Partizipation in antiken Gesellschaften, 2008; Lebensalter und Recht, hg. v. Ruppert, S. 2009; Youth and Age in the Medieval North, hg. v. Lewis-Simpson, S., 2008; Brunozzi, K., Das vierte Alter im Recht, 2012; Wagner-Hasel, B., Alter in der Antike, 2012

Alteri stipulari nemo potest (lat.). Für einen anderen kann man sich nichts versprechen (bzw. sich versprechen lassen).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Ulpian 170-223)

Alternativentwurf zur Strafrechtsreform ist der 1966 von reformfreudigen deutschen Strafrechtsprofessoren vorgelegte Entwurf, der die Liberalisierung des deutschen Straf­rechts in der anschließenden Novellierung maßgeblich mitbestimmt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Altershilfe für Landwirte ist eine durch Gesetz vom 27. 7. 1957 (zum 1. 10. 1957) in Deutschland errichtete Abteilung der Sozialversicherung, die von Alterskassen bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossen­schaften betrieben wird.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Altersversicherung →Sozialversicherung

Altertum ist der mit den ersten schriftlichen Aufzeichnungen (3000-2800 v. Chr.) bzw. dem 11. Jh. v. Chr. beginnende, vor allem die Völker der Gegend vom Mittelmeer (Griechen, Römer) bis zum Zweistromland erfassende und mit der Völkerwanderung (476 Eroberung Westroms durch die Germanen) allmählich endende geschichtliche Abschnitt der menschlichen Kulturent­wick­lung. →Antike

Lit.: Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1ff. 1975ff.; Buchwald, W. u. a., Tusculum-Lexikon grie­chischer und lateinischer Autoren, 3. A. 1982; Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissen­schaft, Gesamtregister I, II, 1997ff. (mit CD-ROM); Ott, M., Die Entdeckung des Altertums, 2002; Piepenbrink, K., Das Altertum, 2006

Althochdeutsch ist die normalisierende Bezeichnung der zwischen (500 bzw.) 750 und 1050 als der alten deutschen Sprachperiode im südlichen (hochgelegenen) Deutschland (Alemannen, Bayern, Franken) gesprochenen, dem Germanischen folgenden und dem →Mittelhochdeutschen voraus­gehenden Sprachen (z. B. althochdeutsches Lex-Salica-Bruchstück).

Lit.: Baesecke, G., Vor- und Frühgeschichte des deutschen Schrifttums (2, 1), 1950; Schützeichel, R., Die Grundlagen des westlichen Mitteldeutschen, 1961; Schützeichel, R., Althochdeutsches Wörterbuch 1969, 6. A. 2004; Sonderegger, S., Althochdeutsch als Anfang, 1977; Köbler, G., Wörterbuch des althoch­deutschen Sprachschatzes, 1993; Köbler, G., Taschen­wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1994; Meinecke, E./Schwerdt, J., Einführung in das Althochdeutsche, 2001; http://www.koeblergerhard­.de/­ahdwbhin.html; Nievergelt, A., Althochdeutsch in Runenschrift, 2009,

Althusius (Althaus), Johannes (Diedens­hau­sen bei Berleburg 1557 [oder um 1563]-Emden 12. 8. 1638), Hof­pre­digerssohn, wird nach dem Studium in Marburg (Pädagogium), Köln (1581) Basel (Amerbach, 1586 Promotion) und Genf (D. Gothofredus) nach Herborn (1588) berufen (1592-1596 Steinfurt). Von 1604 bis 1638 wirkt er in Emden als Ratssyndikus. Sein Hauptwerk (lat. [F.] Politica methodice digesta, Politik methodisch behandelt, 1603) ist der erste deutsche Versuch einer systematischen Staatslehre, den A. zu einer allgemeinen, mit noch mittelalterlicher Naturrechtsvorstellung behafteten Rechtslehre ausbaut, der aber im beginnenden Absolutismus letztlich von beschränkter Wirkung bleibt.

Lit.: Köbler, DRG 148; Gierke, O. v., Johannes Althusius, 1880, 2. A. 102, 3. A. 1913, 4. A. 1929, 5. A. 1958, 6. A. 1968, Neudruck 1980, 7. A. 1981; Reibstein, E., Johannes Althusius als Fortsetzer der Schule von Salamanca, 1955; Winters, P., Die „Politik“ des Johannes Althusius und ihre zeitgenössischen Quellen, 1961; Althusius-Bibliographie, hg. v. Scupin, H. u. a., Bd. 1f. 1973; Friedrich, C., Johannes Althusius und sein Werk, 1975; Politische Theorie des Johannes Althusius, hg. v. Dahm, G. u. a., 1988; Wyduckel, D., J. Althusius - Die deutsche Literatur zwischen 1450 und 1620, 1991; Politische Begriffe und historisches Umfeld in der Politica methodice digesta, hg. v. Bonfatti, E. u. a., 2002; Althusius, J., Politik, übers. v. Janssen, H., hg. v. Wyduckel, D., 2003; Jurisprudenz, politische Theorie und politische Theologie. Beiträge des Herborner Symposions zum 400. Jahrestag der Politica des Johannes Althusisus 1603-2003, hg. v. Carney, F. u. a., 2004

Altmärkische Glosse zum Sachsenspiegel →Stendaler Glosse

Altniederfränkisch ist die im Nordwesten des fränkischen Reiches in der altdeutschen Zeit des Frühmittelalters gesprochene Sprache, aus der sich das Mittel­nieder­ländische und das Niederländische ent­wick­eln.

Lit.: Köbler, G., Sammlung altniederfränkischer Tradition – Texte – Glossen, 2002

Altona

Lit.: Maertens, R., Das Landgericht Altona (1879-1937) und die Anfänge des Landgerichts Itzehoe (1937-1945), 2011

Altsächsisch ist die zwischen (500 bzw.) 750 und 1200 als der alten deutschen Sprach­periode von den Sachsen gesprochene, dem Mittelniederdeutschen vorausgehende Spra­che (z. B. →Heliand).

Altzelle

Lit.: Urkundenbuch des Zisterzienserklosters Altzelle, Teil 1 1162-1249, bearb. v. Graber, T., 2006; Die Zisterzienser und ihre Bibliotheken, hg. v. Graber, T. u. a., 2008

Alzey

Lit.: 1750 Jahre Alzey, hg. v. Becker, K., 1973

Amberg in der Oberpfalz wird erstmals 1034 in einer Gabe Konrads II. an das Hochstift Bamberg erwähnt. Spätestens 1242 ist es Stadt. Die älteste erhaltene (deutsche) Bestätigung des Stadtrechts stammt von 1294.

Lit.: Denkmäler des Amberger Stadtrechts, hg. v. Laschinger, J., Bd. 1ff. 1994ff.

Amerbach, Bonifacius (Basel 1495-1562), Schüler Zasius’ und Alciats, Freund des Erasmus von Rotterdam, Professor der Pandekten in Basel und Anwalt (Familie aus Amorbach, ursprünglicher Name Welcker).

Lit.: Die Amerbachkorrespondenz, hg. v. Hartmann, A. u. a., Bd. 1ff. 1942ff.; Kisch, G., Humanismus und Jursprudenz, 1955; Troje, H., Graeca leguntur, 1971; Hagemann, H., Die Rechts­gut­achten des Bonifacius Amerbach, 1997; Hagemann, H., Die Rechtsgutachten des Basilius Amerbach, 2001

Amerika ist der wohl frühgeschichtlich (um 13000 v. Chr., Prä-clovis-Funde bei Austin in Texas) von Sibirien aus (über eine Landbrücke nach Alaska von Asiaten/­In­di­a­nern) be­siedel­te, um die erste Jahrtau­send­wende von Wikingern und 1492 von Kolumbus auf der von Europa aus nach Westen gerichteten Suche nach Indien (nochmals) entdeckte, von Amerigo Vespucci (Florenz 1451?-Sevilla 1512) im Gefolge der Entdeckung der Amazonasmündung (1502) als verschieden von Indien erkannte, am 25. 4. 1507 von Martin Waldseemüller und Matthias Ringmann in der (lat.) Cosmographiae Introductio (F., Einleitung in die Weltbe­schreibung) als Amerika benannte, im Süden von Spanien und Portugal und im Norden vor allem von England (und Frankreich) in Besitz genommene Kontinent, dessen verschiedene Kolonien bzw. Staaten sich seit dem 18. Jahrhundert von den Kolonial­mächten lösen, aber im 20. Jahr­hundert von den 1776 von Großbritannien verselbständigten →Ver­einigten Staaten von A. stark geprägt werden.

Lit.: Bravo Lira, B., Beziehungen zwischen den europäischen und ibero-amerikanischen Kodifi­kationen, ZRG GA 103 (1986), 294; Die neue Welt, hg. v. Edelmayer, F. u. a., 2001; Semper, F., Die Rechte der indigenen Völker in Kolumbien, 2003; Weber, K., Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel 1680-1830, 2004; Arens, W./Braun; H., Die Indianer Nordamerikas, 2004; Depkat, V., Geschichte Nord­amerikas, 2004; König, H., Kleine Geschichte Lateinamerikas, 2006; Gemegah, H., Die Suche nach den ersten Amerikanern, 2007; Klemke, U., Die deutsche politische Emigration nach Amerika 1815-1848, 2007; Taladoire, E./Courau, J., Die Maya, 2007; Winfield, A., Eugenics and Education in America, 2007; Place and Native American Indian History and Culture, hg. v. Porter, J., 2007; Borge, F., A New World for a New Nation, 2007; Gemegah, H., Die Suche nach den ersten Amerikanern, 2007; Amerika, hg. v. Lehmkuhl, U. u. a., 2008; The Cambridge History of Law in America, hg. v. Grossberg, M. u. a., Bd. 1ff. 2008; Rinke, S., Revolutionen in Lateinamerika, 2010; Lerg, C., Amerikqa als Argument, 2011; The Oxford Encyclopedia of American Political and Legl History, hg. v. Critchlow, D., 2012; Campbell, J., Crime and Punishment in African American History, 2012; Rinke, S., Lateinamerika und die USA, 2012

Amira, Karl von (Aschaffenburg 8. 3. 1848-München 22. 6. 1930), Richterssohn, wird nach dem Studium in München (Konrad Maurer) 1875 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau und 1892 in München. Seine Hauptwerke betreffen Nordgermani­sches Obligationenrecht (1882ff., unvollen­det), die Dresdener Sachsenspiegelbilderhand­schrift (1902, 1925/6) und die germanischen Todesstrafen (1922).

Lit.: Amira, K., Über Zweck und Mittel der germanischen Rechtsgeschichte, 1876; http://www.koeblergerhard.de/­Fontes/AmiraKarlvonGrundrissdesgermanischenRechts3A1913.pdf Amira, K. v., Grundriss des germanischen Rechts, 1890, 2. A. 1897, 3. A. 1913; Puntschart, P., Karl von Amira und sein Werk, 1932; Karl von Amira zum Gedächtnis, hg. v. Landau, P. u. a., 1999; Hein, O., Vom Rohen zum Hohen, 2001, 313ff.

Amnestie (griech. amnestia, F., Nicht­erinnerung) ist im Strafrecht die Begnadigung einer Mehrheit von Straftätern (in Griechen­land seit dem 6. Jh. belegt, Athen 403 v. Chr., erstmals 196 v. Chr. A. benannt). Im 16./17. Jh. wird die Bezeichnung in das Deutsche aufgenommen. Im 19. Jh. wird im deutschen Sprachraum für eine A. ein formelles Gesetz erforderlich. A. kann Rechtssicherheit und Rechtsstaat gefährden.

Lit.: Usteri, P., Ächtung und Verbannung im griechischen Recht, 1903; Waldstein, W., Untersu­chungen zum römischen Begnadigungsrecht, 1964; Hammel, F., Innerstaatliche Amnestien, 1993; Süß, F., Studien zur Amnestiegesetzgebung, 2001

Amortisation (F.) Tilgung

Amortisationsgesetz ist das weltliche Gesetz, das die Freiheit des kirchlichen (oder auch jüdischen) Grunderwerbs und die Zunahme des abgabenfreien Kirchenguts einschränkt (z. B. Lübeck 1220/1226, Judenburg 1269, Österreich 1303, vgl. Ssp LR I 25 § 1, ALR II 11 § 1199) (, weil die tote Hand das einmal Ergriffene nicht mehr hergibt). Das österreichische Konkordat von 1855 und Art. 137 III WRV beseitigen diese wenig wirksamen Beschränkungen endgültig.

Lit.: Moshamm, F. v., Über die Amortisationsgesetze überhaupt, 1798; Kahl, W., Die deutschen Amortisationsgesetze, 1879; Lea, H., The Dead Hand, 1900; Borries, A. v., Die Erwerbsbeschränkungen der manus mortua in Preußen, Diss. jur. Leipzig 1904; Olivier-Martin, F., Histoire du droit français, 2. A. 1951, 483f.; Haegele, K., Die Beschränkungen des Grundstücksverkehrs, 3. A. 1970; Schmidt, P., Die Privatisierung des Besitzes der toten Hand in Spanien, 1990

Amsterdam an der Mündung der Amstel in das Ijsselmeer entsteht um 1270 und erhält um 1300 Stadtrecht. 1632 wird eine Universität eingerichtet.

Lit.: Koning, H., Amsterdam 1977

Amt (Wort um 765) ist die Aufgabe oder der Dienst. Im römischen Recht hat nach dem Sturz des Königs vom Jahr 510 v. Chr. der Höchst­magistrat (lat. consules [M. Pl.] Berater) das höchste A. der Republik. Hieraus entwickelt sich durch Schaffung weiterer Magistraturen ein nach Zustän­digkeiten gegliedertes System der Träger herrschaft­licher Gewalt (mit einem vielleicht seit dem 2. J. v. Chr. regelmäßigen [lat.] cursus [M.] honorum). Dieses wird durch die Einführung des Prinzipats abgeändert (Res­sortbezogenheit, auf den Kaiser ausgerichtete Hierarchie, Rangklassen, Qualifikationskri­terien, Besol­dung). Zu den leitenden Ämtern treten zahlreiche nachgeordnete Dienststellen hinzu. Bereits bei Caesar ist dabei keltisch-lat. (M.) ambactus als Bezeichnung für die gallische Adlige umgebenden Männer bezeugt (Commentarii de bello Gallico VI, 15). In der fränkischen Zeit wird das System der Römer zwar grundsätzlich übernommen, aber erheblich vereinfacht. Hinzu kommt eine verstärkte personelle Bindung durch die Belehnung. Insbesondere das A. (Dienst, Dienstverhältnis, Herrschaft, lat. [N.] ministerium) des Grafen wird als Lehen übertragen. Bald danach werden die dem Adel verliehenen Ämter vielfach durch ihre Inhaber dem König entzogen und zu eigenem Recht behauptet. In den seit dem 12. Jh. dementsprechend entstandenen Ländern ersetzt der Landesherr die Lehnsmannen durch festbesoldete absetzbare Amtsträger und macht das A. wieder zur staatlichen Einrichtung. Das örtliche Tätigkeitsgebiet wird zum A. im räumlichen Sinn. Wer mit einem A. betraut ist, ist Beamteter und wird zum →Beamten. Seit dem 17. Jh. entstehen Verzeichnisse der Ämter (Amtskalender z. B. in England, Frankreich, dem Kirchenstaat um 1670, in Österreich um 1690 [1692], in Kursachsen 1702, in Preußen 1704 oder in Nürnberg 1705). Seit dem ausgehenden 19. Jh. ist das öffentliche A. ein Kernbegriff der Verwaltung. Das A. im öffentlichen Dienst wird bestimmt durch seine Bezeichnung, die Laufbahn und die damit verbundene Besol­dung.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 111, 197, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Conrat, M., Ein Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG GA 29 (1908), 239; Conrat, M., Ein Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG GA 30 (1909), 326; Keutgen, F., Ämter und Zünfte, 1903; Lappe, J., Geschichte des Amtes Waltrop, 1938; Beyerle, D., Das frühmittelalterliche Schulheft vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1; Grube, W., Vogteien, Ämter, Landkreise, 1960; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Banngewalt, 1960; Richardson, H./Sayles, G., The Governance of Medieval England, 1963; Forsthoff, E., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. A. 1973; Bauer, V., Repertorium territorialer Amtskalender, Bd. 1f. 1997ff.; Brommer, P., Die Ämter Kurtriers, 2003; Beck, H., Karriere und Hierarchie, 2005; Löffler, U., Dörfliche Amtsträger im Staatswerdungsprozess, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Ämtertraktat →Decurio de gradus

Amtmann ist der Inhaber eines Amtes. Im Mittelalter ist A. (ahd. ambahtman als Wiedergabe von lat. villicus, officialis, procurator) vor allem der Verwalter eines grundherrlichen Hofverbands (im Südwesten auch der Dorfvorsteher) und danach der Leiter eines landesherrlichen Amtsbezirks. Seit 1921 ist A. (unter Lösung von einem bestimmten Amtsgebiet) ein Beamter des gehobenen Dienstes.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 113, 151; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Agena, K., Der Amtmann im 17. Jahrhundert, 1972; Kroeschell, K., Der Amtmann, http://www.rewi.hu-berlin.de/FHI/zitat/0201­kroeschell.htm; Klingebiel, T., Ein Stand für sich? Lokale Amtsträger in der frühen Neuzeit, 2002

Amtsanwalt ist (seit 1877/1879) der Vertreter des Staates vor dem Amtsgericht.

Lit.: Rüping, H., Polizeianwalt - Amtsanwalt - Staatsanwalt. Zur Geschichte der Amtsanwaltschaft in Deutschland, FS Wolfgang Sellert, 2000, 537

Amtsbuch (19. Jh.) ist das aus Lagen zusammengesetzte Buch (oder die Rolle), das (bzw. die) zur Ausübung eines →Amtes gehörige Eintragungen enthält. Solche Amtsbücher sind seit dem Ende der römischen Republik die (lat. [M.Pl.]) commentarii der Magistrate und Priester sowie später des Kaisers. Im Mittelalter entsteht im 9. Jh. das Traditionsbuch und werden seit dem 12. Jh. viele Amtsbücher (Grundbuch, Lagerbuch, Schreinsbuch, Stadt­buch, Kopialbuch, Register, Imbreviaturbuch) eingerichtet. →Stadtbuch

Lit.: Der kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1 1986, 1257ff.; Reetz, J., Hamburgs mittelalterliche Stadtbücher, Z. d. Ver. f. hamburg. Gesch. 44 (1958), 95; Pätzold, S., Amtsbücher des Mittelalters, Archivali­sche Zeitschrift 81 (1998), 87; Kreter, K., Stadtbücher und Register 1289-1533, Hannoversche Geschichts­blätter 48 (1994), 47; Verwaltung und Schriftlichkeit in den Hansestädten, hg. v. Sarnowski, J., 2006

Amtsgericht ist das seit der frühen Neuzeit partikular für den Umfang eines →Amtes (Verwaltungsbezirkes) eingerichtete, bei­spielsweise in Baden durch Verordnung vom 22. Juli 1857 zum 1. September 1857 an die Stelle der Ämter gesetzte →Gericht, das durch das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz 1877/1879 zum einheitlichen Eingangsgericht (1893 im Deutschen Reich 1924 Amtsgerichte mit 4409 Richtern, 42% Einmannamtsge­richte) der ordentlichen Gerichtsbarkeit bestimmt wird.

Lit.: Köbler, DRG 200, 261; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Steinbach, E./Kniffka, R., Strukturen des amtsgerichtlichen Zivilprozesses, 1982; 150 Jahre Amtsgericht Diepholz, hg. v. Kruthaup, E. u. a., 2002; 150 Jahre Amtsgericht Soltau, hg. v. Rundt, S., 2002; 150 Jahre Amtsgerichte im Bereich des ehemaligen Königreichs Hannover, 2002; 125 Jahre rheinische Amtsgerichte, hg. v. Lünterbusch, A. u. a., 2003; Fischer, D., 150 Jahre badische Amtsgerichte, 2007; Dee Gerichtsbarkeit wird ausgeübt durch Amtsgerichte - 150 Jahre Amtsgerichte im Oldenburger Land, red. v. Welp, J., 2008; 100 Jahre Amtsgericht Elmshorn, 2010

Amtshaftung ist die neben den Ersatzan­sprüchen des Einzelnen für die Aufopferung seiner Rechtsgüter für das allgemeine Wohl stehende Art der →Staatshaftung. Ihr geht vor allem die spätmittelalter­liche Syndikats­klage gegen einen absichtlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Urteil fällenden Richter voraus. Im späten 18. und im 19. Jh. wird allgemeiner eine Haftung jedes Beamten für eine Verletzung seiner Amtspflichten anerkannt (II 10 § 89 ALR für jede Fahr­lässigkeit), wobei jede den Dienstvertrag verletzende Handlung dem Herrscher bzw. dem Staat nicht zugerechnet werden kann und deshalb eine private Ersatzpflicht des Beamten auslösen muss. Seit 1831 wird vereinzelt eine Ersatzpflicht des Staates geschaffen (Sachsen-Altenburg, 1852 Sach­sen-Coburg-Gotha). Das Bürgerliche Gesetz­buch des deutschen Reiches von 1900 hat für eine öffentlichrechtliche Ersatzpflicht des Staates keine Zuständigkeit und bestimmt deshalb in § 839 nur eine deliktische Ersatzpflicht des Beamten. Demgegenüber sehen Bayern 1899, Preußen 1909 und § 1 des Reichsbeamtenhaftungsgesetzes vom 22. 5. 1910 eine zwar mittelbare, aber primäre Haf­tung des Staats vor. Art. 131 WRV leitet die Haftung reichseinheitlich vom Beamten auf den Staat über. Dem schließt sich Art. 34 GG an. Das eine unmittelbare, verschuldens­unab­hängige Staatshaftung für Amtspflicht­verletzung festlegende Staatshaftungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist wegen (seinerzeit) fehlender (, inzwischen in Art. 74 I Nr. 25 GG geschaffener) Zuständigkeit nach einem Urteil des Bundesverfassungs­gerichts vom 19. 10. 1982 nichtig. Die 1969 im Staatshaftungsgesetz der ehemaligen Deut­schen Demokratischen Republik geschaffene un­mittelbare, vom Verschulden unabhängige Staats­haftung für rechtswidriges hoheitliches Handeln ist zwar im Einigungsvertrag von 1990 aufrechterhalten, aber inzwischen durch Landesgesetz abgeschafft oder eingeschränkt. Das Recht Österreichs kennt eine ver­gleichbare A., das Recht der Schweiz eine mittelbare, meist verschuldensunabhängige Haftung des Staates.

Lit.: Loening, E., Die Haftung des Staates aus rechtswidrigen Handlungen seiner Beamten, 1879; Heidenhain, M., Amtshaftung und Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff, 1965; Kohl, J., Die Lehre von der Unrechtsunfähigkeit des Staates, 1977; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im Justizstaat, 1995; Haaf, T., Das Tonabbau-Urteil des Reichsgerichts (1912), 2012

Amtsherzogtum ist das als königliches Amt vergebene →Herzogtum (9. Jh.) im Gegensatz zu dem aus der Heerführerschaft eines Volkes erwachsenden →Herzogtum.

Lit.: Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1974

Amtshilfe ist die auf Ersuchen einer Behörde von einer anderen Behörde geleistete ergänzende Hilfe. Sie entwickelt sich im 19. Jh. und wird von der Rechtshilfe durch Gerichte erst in der 2. H. des 20. Jh.s abgegrenzt. Sie beruht anfangs auf Übung, Vertrag oder Einzelgesetz. Im späteren 20. Jh. ist sie durch Verwaltungsverfahrensgesetze allgemein geregelt.

Lit.: Dreher, M., Die Amtshilfe, 1959; Schlink, B., Die Amtshilfe, 1982

Amtskalender →Amt

Amtspflicht (Wort 1499)

Lit.:Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Amtspflichtverletzung (Wort 1896) ist die Verletzung einer einem Amtsträger gegenüber einem Dritten obliegenden Pflicht. Sie begründet nach § 839 BGB (1900) einen Schadens­ersatzanspruch (Amtshaftung, Staatshaftung).

Lit.: Köbler, DRG 217; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Amtsrecht ist im römischen Recht das vom Amtsträger geschaffene Recht (lat. →ius [N.] honorarium).

Lit.: Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

Amtssasse ist der im Gerichtsstand erster Instanz dem örtlichen Amt zugeordnete →Landsasse.

Amtsverfolgung ist die Verfolgung eines Unrechtserfolgs durch die Allgemeinheit bzw. den Staat von Amts wegen ohne Antrag des Verletzten. Sie findet sich bereits in Rom und erscheint seit dem Frühmittelalter. →Offizialmaxime

Amtsvergehen ist das in einem →Amt begangene Vergehen. Als gedankliche Einheit werden die A. erst gegen Ende des 17. Jh.s erkannt. Noch das preußische Allgemeine Landrecht (1794) behandelt im Abschnitt Verbrechen der Diener des Staates straf­rechtliche und disziplinare Sanktionen nebeneinander. Unter französischem Einfluss wird danach das Standesdisziplinarrecht der Beamten vom Strafrecht geschieden (in Preußen 1849 zwei Verordnungen über das Disziplinarrecht). Im preußischen Strafge­setzbuch von 1851 werden Verbrechen und Vergehen im Amt als Sonderdeliktsgruppe zusammengefasst (§§ 309-331).

Lit.: Stock, U., Entwicklung und Wesen der Amtsverbrechen, 1932; Sturm, W., Die Entwicklung der Sonderverbrechen, 1939; Schmitt-Weigand, A., Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962; Lüpkes, H., Die Verbrechen der Diener des Staats, 2004

Amtsvormundschaft ist die durch den Staat von Amts wegen übernommene Vormundschaft.

Analogie ist der bereits der griechischen Philosophie bekannte Schluss von der (eigentlichen) Gleichheit mindestens zweier zunächst (nach dem Wortlaut des Gesetzes) rechtlich verschieden behandelter Tatbestände auf die (wegen der Gleichheit notwendige) Ausdehnung der Rechtsfolge eines (ersten) Tatbestands auf den zweiten oder weiteren Tatbestand. Der Begriff analogisch taucht in der juristischen Literatur im 16./17. Jh. auf, wobei man unter analogischer Interpretation die Beseitigung von Widersprüchen versteht. Im frühen 19. Jh. wird auf Grund von Immanuel Kants Überlegungen zur Systematisierbarkeit des empirischen Wissens die alte Verbindung von ausdehnender Auslegung und Ähnlich­keits­schluss aufgelöst und die A. als „rein logische“ (wissenschaftliche bzw. gerichtliche) Ergänzung des Rechtes aus dem – nur noch positiven und in sich geschlossenen – Rechtssytem verstanden (Feuerbach, Hufe­land, Savigny). Zwischen Gesetzesanlogie und Rechtsanalogie wird seit dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts unterschieden.

Lit.: Falk, J., Die Analogie im Recht. Eine Studie zur neueren Rechtsgeschichte, Diss. jur. Gießen, 1906; Diedenhofen, P., Die Artikel 104/105 der peinlichen Gerichtsordnung, 1938; Steinwenter, A., Prolegomena zu einer Geschichte der Analogie, FS F. Schulz 2 (1951), 345; Langhein, A., Das Prinzip der Analogie als juristische Methode, 1992; Chanos, A., Begriff und Geltungsgrundlagen der Rechtsanalogie, 1994; Raisch, P., Juristische Methoden, 1995, 78; Schröder, J., Zur Analogie, ZRG GA 114 (1997), 1; Höltl, J., Die Lückenfüllung der klassisch europäischen Kodi­fikationen - Zur Analogie im ALR, Code civil und ABGB, 2006

Analogieverbot ist das Verbot für alle im Strafverfahren beteiligten staatlichen Stellen, →Analogie eines Strafgesetzes zu Ungunsten des Handelnden (Angeschuldigten) vorzu­nehmen, und damit die strenge Bindung des Richters an den Wortlaut des Gesetzes. Seit dem späten 18. Jh. wird Analogie zu Ungunsten Handelnder verboten (Österreich 1787). Im Deutschen Reich wird am 28. 6. 1935 das A. aufgehoben, nach Ende der nationalsozialisitschen Herrschaft (1945) aber wieder hergestellt. →Nullum crimen, nulla poena sine lege.

Lit.: Köbler, DRG; Schottlaender, A., Die geschichtliche Entwicklung, 1911; Kleinheyer, G., Vom Wesen der Strafgesetze, 1968; Schreiber, H., Gesetz und Richter, 1976; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Weber, W., Analogie- und Rückwirkungsverbot, Diss. jur. Bonn 1998

Analytical jurisprudence ist die von John →Austin (1790-1859) begründete Strömung der englischen Rechtswissenschaft.

Anarchie (F.) Herrschaftslosigkeit

Lit.: Der Anarchismus, hg. v. Oberländer, E, 1972; Lösche, P., Anarchismus 1977; Anarchismus, hg. v. Diefenbacher, H., 1996

Ancien régime ist die Bezeichnung für die monarchisch-feudale Regierungsform (in Frankreich vor der französischen Revolution des Jahres 1789 bzw. allgemein) zwischen etwa 1650 und 1800.

Lit.: Köbler, DRG 129, 132; Fehrenbach, E., Vom ancien régime zum Wiener Kongress, 5. A. 2008

Andelang ist der bei der Übereignung von Grundstücken im fränkisch-alemannischen Gebiet bis zum Ende des 11. Jh.s verwendete, nicht sicher bekannte Gegenstand (Hand­schuh?).

Lit.: Goldmann, E., Der andelang, 1912; Frommhold, G., Das andelang-Rätsel, ZRG GA 35 (1914), 426; Balon, J., L’andelangus, ZRG GA 79 (1962), 32

Andernach am Rhein führt von 1173 bis 1256 einen den Schreinskarten von Köln ähnlichen Rotulus (→Grundbuch).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Inventar des Archivs der Stadt Andernach, Bd. 1ff., bearb. v. Heyen, F., 1965ff.

Andlau →Peter von

Andorra ist die aus sechs Tälern zu politischer Einheit (Principat d’Andorra) zusammengefasste Tallandschaft im Südosten der ibero-baskisch besiedelten Pyrenäen. Seit dem späten 9. Jh. lassen sich dort Abgabenrechte der Grafen von Urgel und der Bischöfe von Urgel feststellen. Im 11. Jh. treten die verschiedenen Täler zu einer Einheit zusammen. Am 8. 9. 1278 werden durch Schiedsspruch (Paréage) Unklarheiten beseitigt. Die Rechte der Grafen fallen über Zwischenstufen 1607 bzw. 1620 an Frankreich. Das ursprüngliche Recht Andorras nimmt römische und katalanische Sätze auf. 1748 wird das Gewohnheitsrecht aufgezeichnet. In der Gegenwart ist A. ein Fürstentum, dessen von den Souveränen (Staatspräsident Frankreichs, Bischof von [La Seu d’] Urgel) delegierte Rechte durch einen französischen Departementspräfekten und einen spanischen Provinzzivilgouverneur bzw. ihre Vikare (Viguier, Viguer) wahr­genommen werden (Kondominium). Die Verfassung vom 14. 3. 1993 schafft einen Consell General (Generalrat, Parlament) mit je 7 Abgeordneten aus jeder der vier Gemeinden, dem der Ministerpräsident verantwortlich ist, dem gegenüber aber die beiden coprínceps noch Einspruchsrechte haben. Seit 1. 7. 1991 besteht ein Han­delsabkommen mit der Europäischen Ge­meinschaft, seit 28. 7. 1993 ist A. Mitglied der Vereinten Nationen und seit November 1994 Mitglied des Europarats.

Lit.: Guilera, J., Una història d’Andorra, 1960; Engels, O., Schutzgedanke und Landesherrschaft, 1970; Belinguier, B., La condition juridique des vallées d’Andorre, 1970; Ourliac, P., La juris­prudence civile d’Andorre, 1972; Valls Taberner, F., Privilegis i ordinacions de les valls d’Andorra, 1990; Gergen, T., Sprachengesetzgebung in Katalonien, 2000; Consell General, Die Verfassung des Fürstentums Andorra, 2002

Andreas de Isernia ist ein in Isernia im Süden der Apenninen wohl nach 1220 geborener, in Neapel ausgebildeter und lehrender, vielleicht 1316 verstorbener Jurist ([lat.] commentaria [N. Pl.] in usus feudorum, lectura [F.) zu den sizilianischen Konstitutionen, ritus [M.] regiae summariae regni Neapolitani bzw. de iure Dohanarum).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 507

Anefang ist das rechtsförmliche Anfassen einer abhandengekommenen und vom Verfolger wiedergefundenen beweglichen (, durch Kennzeichen erkennbaren) Sache unter der Behauptung des besseren Rechtes an ihr (lat. [F.] intertiatio). Der (z. B. in der Lex Ribvaria 37, 1 [7. Jh.] schon und im Sachsenspiegel, Landrecht II, 36 [1221-1224] noch belegte) A. bedeutet eine Klageerhebung gegen den Besitzer, der sich im nachfolgenden Verfahren verteidigen muss. Vor Gericht kann der Besitzer sich insbesondere dadurch vor dem Diebstahls­vorwurf befreien, dass er die Sache dem übergibt, von dem er sie erhalten hat. Führt dies zur Entdeckung des Diebes, so muss dieser die Sache herausgeben und Diebstahlsbuße leisten. Kann der Ange­griffene sein besseres Recht darlegen, muss der Angreifer eine Buße wegen unrechten Anefangs leisten. Seit dem Hochmittelalter geht der A. allmählich in die Herausgabeklage (bzw. den →Herausgabeanspruch) bzw. für alle auf freiem Markt erworbene Sachen in einen Lösungsanspruch über.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 91; Köbler, WAS; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, 824ff.; Meyer, H., Entwerung und Eigentum, 1902; Rauch, K., Spurfolge und Anefang, 1908; Meyer, H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37 (1916), 382; Goldmann, E., Tertia manus und Intertertiation, ZRG GA 39 (1918), 145, 40 (1919), 199; Rauch, K., Spurfolge und Dritthandverfahren, ZRG GA 68 (1951), 1; Anners, E., Hand wahre Hand, 1952; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971

ane geværde (mhd.) ohne Gefährdung, aufrichtig

Aneignung (Wort 1800) ist der (originäre) Erwerb des Eigentums an einer herrenlosen (eigentümerlosen) Sache durch Inbesitznah­me (lat. [F.) occupatio]). Die ersten Aneignungen fallen in die Anfangszeit des Rechtes überhaupt. Im römischen Recht wird an aufgegebenen (lat. [F. Pl.]) res mancipi mit Inbesitznahme nur bonitarisches Eigentum erworben, während der zivile Eigentums­erwerb Ersitzung verlangt. Im Laufe der Geschichte wird die A. vom abgeleiteten Eigentumserwerb (→Übereignung) zurück­gedrängt, so dass A. ziemlich selten wird.

Lit.: Kaser § 26 I 1; Köbler, DRG 24, 40, 73, 90, 124; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Anerbe ist der durch das →Anerbenrecht begünstigte →Erbe.

Lit.: Köbler, DRG 123, 162, 175, 210

Anerbenrecht ist das Recht des Übergangs eines landwirtschaftlichen Betriebs auf einen einzelnen von mehreren vorhandenen Erben. Eine derartige Gestaltung fehlt noch in den frühmittelalterlichen Volksrechten, bildet sich aber spätestens im spätmittelalterlichen deutschen Reich aus, wobei grundherr­schaftlicher Einfluss (Interesse an einem einzigen Ver­pflichteten) gestaltend gewesen sein kann. Daneben ist aber (freiere) Real­teilung in Mitteldeutschland und Süd­deutsch­land verbreitet. Der Liberalismus lehnt das A. als freiheitsfeindlich ab, weshalb die Verfassung Preußens die Teilbarkeit des Grundeigentums sichert. Aus wirt­schaft­lichen Gründen sehen partikulare Gesetze aber seit dem späteren 19. Jh. A. vor, das dann zur Anwendung kommt, wenn der Hofinhaber (bestimmter großer oder eingetragener Höfe) nicht durch letztwillige Verfügung einen Hoferben auswählt (Österreich 1. 4. 1889, Tirol Höfegesetz 12. 6. 1900, Kärnten Erbhofgesetz). Das Reichserbhofgesetz des Jahres 1933 verallgemeinert die Anerbenrechtsregelung des Höfegesetzes Hannovers (1909). 1947 treten in der französischen und ameri­kanischen Be­satzungs­­zone die alten Anerben­gesetze wieder in Kraft. In der britischen Besatzungszone wird eine Höfeordnung erlassen, die das Bundesver­fassungs­gericht, wegen der Bevorzugung der Söhne, 1963 als verfassungswidrig ansieht, worauf eine verfassungsgemäße gesetzliche Regelung am 24. 8. 1964 erfolgt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Miaskowski, A. v., Das Erbrecht und die Grundeigentumsverteilung im deutschen Reiche, 1882ff.; Hagmeister Meyer zu Rahden, G., Die Entwicklung des ravensbergischen Anerbenrechts, 1936; Mauß, H., Anerbenrecht im niederrheinisch-westfälischen Grenzgebiet, 1938; Mayer-Edenhauser, T., Untersuchungen über Anerben­recht und Güterschluss in Kurhessen, 1942; Gebb, J., Über den Versuch des deutschen Anerbenrechts, Diss. jur. Greifswald 1955; Bischoff, W., Die Geschichte des Anerbenrechts in Hannover, Diss. jur. Göttingen 1966; Kroeschell, K., Geschichtliche Grundlagen des Aner­ben­rechts, Agrarrecht 6 (1978), 147; Deutsches Agrarrecht, hg. v. Kroeschell, K., 1983; Brauneder, W., Studien II 1994, 357ff.; Buchenroth, A., Die Heimatzuflucht, 2004; Wöhrmann, H., Das Landwirtschaftserbrecht, 9. A. 2007

Anerkenntnis →Schuldanerkenntnis

Anerkennungszins ist der wegen seiner geringen Höhe wirtschaftlich bedeutungslose, aber als erkennbares Zeichen eines be­stehenden Abhängigkeitsverhältnisses recht­­lich bedeutsame Zins (z. B. Freigelassen­er, Erbbauberechtigter  u. s. w.).

Lit.: Schröder, R./Künßberg, E. v., Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 7. A. 1932, Neudruck 1966

Anfechtung (Wort 1261) ist die nachträgliche Beseitigung einer eingetretenen Rechtswir­kung durch Willenserklärung und bzw. oder Verfahrens­handlung des durch die Rechtswirkung Be­troffenen. In diesem Sinne ermöglicht bereits die →(lat.) querela [F.] inofficiosi testamenti (Beschwerde des pflichtwidrigen Testaments) des klassischen römischen Rechtes die Entkräftung eines Testaments, das bestimmte nahe Angehörige des Erblassers übergeht. Im spätantiken Recht werden auch die Fälle der (lat.) →in integrum restitutio (F.) so verstanden. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) ordnet die A. im allgemeinen Teil ein.

Lit.: Kaser § 9 I 1; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 209; Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach deutschem Stadtrecht des Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210; Harder, M., Die historische Entwicklung der Anfechtbarkeit von Willenserklärungen, AcP 173 (1973), 209; Düwel, L., Die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe, 2006; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Anfechtungsklage ist die Klage, die auf die nachträgliche Beseitigung bestimmter Rechtsfolgen durch Urteil gerichtet ist. Im 19. Jh. gibt es eine A. gegen den Beschluss auf Eröffnung des Konkurses oder gegen polizeiliche Verfügungen. In Deutschland ist seit 1960 eine A. gegen einen (rechts­widrigen) Verwaltungsakt statthaft.

Lit.: Köbler, DRG 263

angariae (lat. [F.Pl.], aus dem Persischen, Abgaben an reisende Boten des Königs Persiens) Spanndienste, Beherbergungspflich­ten in Antike und Frühmittelalter, seit 1789 weitgehend abgeschafft

Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. Bd. 2 1928, 308

Angebot (Wort 1783) ist die auf den Abschluss eines →Vertrags gerichtete →Willenserklärung. Das im Wesentlichen im Naturrecht seit Hugo Grotius als allgemeine Erscheinung herausgearbeitete A. ist im älteren gemeinen Recht und im angloame­rikanischen Recht nicht bindend, nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1896/1900) aber verbindlich. Wird das Angebot von dem Empfänger angenommen, so entsteht ein Vertrag unter den Beteiligten. Dem Gläubiger vom Schuldner angeboten wird auch die Leistung.

Lit.: Zimmermann, R., The Law of Obligations, 1996; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Angelsachse ist der Angehörige der im 5./6. Jh. unter den sagenhaften Führern Hengist und Horsa von Norddeutschland auf die britischen Inseln auswandernden, seit etwa 775 (Beda, Paulus Diaconus) mit der Sammelbezeichnung Angelsachsen (lat. [M.Pl.]Angli Saxones) benannten →Sachsen, Angeln (aus Schleswig) und Jüten. Die Angelsachsen bilden unter Verdrängung der einheimischen →Kelten mehrere Klein­königreiche (Kent, Sussex, Wessex, Essex, East Anglia, Mercia, Northumbria), in denen sie von römischen und von schottischen Missionaren zum Christentum bekehrt wer­den. Den Königen von Wessex gelingt im 9. Jh. die Einigung, doch werden die Angel­sachsen 1016-1042 von den Dänen beherrscht und 1066 bei Hastings von dem →Normannen Wilhelm dem Eroberer unterworfen. Aus der Zeit bis 1066 ist mit insgesamt rund 1500-1800 Urkunden zu rechnen, von denen mehr als 1150 vom Herrscher ausgestellt sind (von etwa 670 bis 900 rund 450 Urkunden, davon 2-3 Originale aus dem 7. Jh., 17-18 aus dem 8. Jh. und etwa 55 aus dem 9. Jh.).

Lit.: Köbler, DRG 81; Schmid, R., Die Gesetze der Angelsachsen, 1858; Liebermann, F., Die Gesetze der Angelsachsen, Bd. 1ff. 1898ff., Neudruck 1960; Attenbourgh, F., Laws of the Earliest English Kings, 1922; Robertson, A., Laws of the Kings of England, 1925; Braude, J., Die Familiengemeinschaften der Angelsachsen, 1932; Wilson, D., The Anglo-Saxons, 2. A. 1970; Vollrath-Reichelt, H., Königsgedanke und Königtum bei den Angelsachsen, 1971; Wallace-Hadrill, J., Early Germanic Kingship, 1971; Torkar, R., Eine altenglische Übersetzung von Alcuins de virtute et vitiis Kap. 20, 1981; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990,;4. A. 2002; The Anglo-Saxons, hg. v. Hines, J., 1997; Dunn, M., The Christianization of the Anglo-Saxons c. 597-c. 700, 2009; Kleinschmiedt, H., Die Angelsachsen, 2011; Bihrer, A., Die Angelsachsen, 2014

Angelsächsisches Recht ist das Recht der →Angelsachsen (zwischen der Mitte des 5. Jh.s und etwa 1066). Es ist überliefert durch Rechtsbücher (lat. [F.Pl.] leges, Gesetz­bücher) der angelsächsischen Kö­nige des 7. bis 11. Jh.s, durch allgemeine Rechtsauf­zeichnungen unbekannter Ver­fasser und durch Urkunden und allgemeine Geschichtsquellen. Den Beginn bilden die in der Volkssprache niedergeschriebenen Rechtssätze Aethel­berhts von Kent (597-616) und in jüngerer Überlieferung Ines von Wessex (688-694). Von Alfred dem Großen von Wessex stammt ein (ae.) domboc (887-899), von König Knut eine weitere umfangreiche Sammlung (1018-1023). Nichtoffizielle Kompilationen stellen der →Quadripartitus, die Leis Willelme (A. 12. Jh.), die Consiliatio Cnuti (12. Jh.) und die →Leges Henrici Primi (1114-1118) dar, mit denen das angelsächsische Recht noch weit in die normannische Zeit Englands reicht. Die Überlieferung ist auf wenige Handschriften beschränkt, so dass mit deutlichen Verlusten zu rechnen ist. Christlicher Einfluss ist unübersehbar. Die Abgrenzung von aufge­zeich­netem Gewohnheitsrecht und neuem, ge­mein­sam mit Bischöfen und Adel gesetztem Recht (z. B. Todesstrafe für Diebstahl 925-939) bereitet Schwierigkeiten. Hauptgegen­stand der Rechtsbücher („Ge­setzbücher“) ist zunächst der Ausgleich von Unrechtserfolgen durch Buße an den Verletzten. Unter König Alfred nehmen kirchlicher Einfluss und königliche Anordnung zu. Ein Bezug auf geschriebenes Recht findet sich in den überlieferten Rechtsfällen, die vor dem vom reeve, ealdorman oder scirman des Königs geleiteten örtlichen Gericht verhandelt werden, nicht.

Lit.: Schmid, R., Die Gesetze der Angelsachsen, 1858; Liebermann, F., Zu den Gesetzen der Angelsachsen, ZRG GA 5 (1884), 198; Liebermann, F., Die Gesetze der Angelsachsen, Bd. 1f. 1998ff., Neudruck 1960; Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen im Grundriss, 1909; Liebermann, F., The national assembly in the Anglo-Saxon period, 1913; Attenborough, F., Laws of the Earliest English Kings, 1922; Bechert, R., Die Einleitung des Rechtsgangs nach angelsächsischem Recht, ZRG GA 47 (1927), 1; Würdinger, H., Einwirkungen des Christentums auf das angelsächsische Recht, ZRG GA 55 (1935), 105; Goebel, J., Felony and Misdemeanour, 1937; English Historical Documents I, hg. v. Whitelock, D., 1955; Sawyer, P., Anglo-Saxon Charters, 1968; Harding, A., Law Courts of medieval England, 1973; Korte, D., Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik angel­sächsischer Gesetze und Rechtsbücher des 6.-12. Jahr­hunderts, 1974; Rivers, T., A Reevaluation of Aethelberht 31, ZRG GA 93 (1976), 315; Scharer, A., Untersuchungen zu den angelsächsischen Königs­urkunden des 7. und 8. Jahrhunderts, Diss. phil. Wien 1978 (masch.schr.); Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, ;4. A. 2002; Wormald, P., The Making of English Law, 1999; Scharer, A., Herrschaft und Repräsentation, 2000; Oliver, L., The Beginnings of English Law, 2002; Palmer, J., Anglo-Saxons in an Frankish World, 690-900, 2009

Anger

Lit.: Brednich, R., Tie und Anger, 2007

Angers

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 138

Angestellter ist der Arbeitnehmer, der vor­wiegend geistige Arbeit leistet. Die Gruppe der Angestellten wird im 19. Jh. als be­sonderer Teil der Arbeitnehmer erkannt.

Lit.: Dittrich, M., Die Entstehung der Angestelltenschaft in Deutschland, 1939; Hromadka, W., Das Recht der leitenden Angestellten, 1979; Bichler, B., Die Formierung der Angestelltenbewegung, 1997; Schulz, G., Die deutschen Angestellten, 2000

Anhalt über dem Selketal ist die vielleicht um 1050 errichtete Burg (in der Gegenwart Ruine), nach der sich ein seit etwa 1000 erkennbares Geschlecht (→Askanier) benennt (1215 [lat.] princeps [Fürst] in Anahalt), dessen Angehörige als einzige Grafen seit 1218 dem Reichs­fürstenstand angehören. Nach vielen Tei­lungen kommen die Güter 1863 im Herzogtum A. (1807) der Linie Anhalt-Dessau wieder zusammen, das am 12. 11. 1918 Freistaat wird (Verfassung 18. 7. 1919). Am 9. 7. 1945 wird A. innerhalb der sowjetischen Besatzungs­zone mit der Provinz Sachsen →Preußens ver­einigt und 1947 dem neugebildeten Land →Sachsen-Anhalt eingegliedert (1990-2003 Regie­rungs­bezirk Dessau).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schrecker, U., Das landesfürstliche Beamtentum in Anhalt, 1906; Schröder, A., Grundzüge der Territorialentwicklung der anhaltinischen Lande, Anhalt. Geschichtsbll. 2 (1926); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2895; Marcus, P., Herzog Bernhard von Anhalt, 1993; Die Fürsten von Anhalt, hg. v. Freitag, W. u. a., 2003; Rheinbündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; 800 Jahre Anhalt, hg. v. Anhaltischen Heimatbund, 2012

animo (lat.) durch Beherrschungswillen, →possessio, →animus

animus (lat. [M.]) →Wille

animus (M.) domini (lat.) Eigentümerwille

animus (M.) donandi (lat.) Schenkungswille →Schenkung

animus (M.) novandi (lat.) Abänderungswille →Novation

Anjou ist die Seitenlinie der →Kapetinger (erstes Haus begründet von [lat.]]vicecomes [M.] Fulco dem Roten um 898, Verlust der Grafschaft 1214/1259 an den König von Frankreich, 1154 Königtum in England mindestens bis 1399, 1499 Hinrichtung des letzten männ­lichen Plantagenet Earl Eduard von Warwick, zweites Haus 1246-1328/1351 als Apanage nach Übernahme der Grafschaft durch den König von Frankreich, drittes Haus 1351-1480), welche die Grafschaft Provence, Sizilien (1265-1282, Sizilien-Trinakria), Neapel (1265-1435, Sizilien-Neapel), Ungarn (1308-1386) und Polen (1370-1386) sowie in einer jüngeren Linie Lothringen (1431-1473) beherrscht. Die Landschaft A. (der keltischen Andekaver) um Angers zählt von 1154 bis 1204 unter dem Haus →Plantagenet zu →England. 1480/1481 fallen A. und Provence an den König von →Frankreich.

Lit.: Guillot, O., Le comte d’Anjou et son entourage au 11e siècle, 1972; Gillingham, J., The Angevin Empire, 1984; Michalsky, T., Memoria und Repräsentation, 1999; Kiesewetter, A., Die Anfänge der Regierung König Karls II. von Anjou (1278-1295), 1999; Berg, D., Die Anjou-Plantagenets, 2003; La justice temporelle dans les territoires angevins, hg. v. Boyer, J. u. a., 2005

Anklage ist die vor Gericht gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Straftat erhobene Anschuldigung. Sie tritt erst mit der Entstehung allgemeiner Streitbe­endigungseinrichtungen auf. In Rom erfolgt der Übergang zu einer allgemeinen staatlichen Strafverfolgung seit dem 2. vorchristlichen Jh. Danach erscheint eine Popularanklage bei Verfolgung gemeiner Verbrechen. Jeder Bür­ger kann durch Anzeige die A. vorbringen und erhält im Falle des Erfolgs einen Lohn. Im deutschen Mittelalter bildet die A. die Voraussetzung für den besonderen, seit dem 14. Jh. sichtbaren →Anklageprozess, bei dem der Betreiber Sicherheit stellen und im Fall des Unterliegens die Kosten tragen und den Angeklagten entschädigen muss. Im mehr und mehr vorherrschenden Inquisitionspro­zess erfolgt die A. durch den Richter auf dem endlichen Rechtstag. Im 19. Jh. wird nach dem Vorbild Frankreichs die öffentliche A. durch eine vom Gericht unabhängige Behörde eingeführt (Baden 1832 und Württemberg 1843 für Pressevergehen, Preußen 1846 für Kammergericht, 1849 allgemein). Seitdem gibt es eine private A. nur noch bei (wenigen) Privatklagedelikten.

Lit.: Köbler, DRG 156, 202, 118; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, 1879; His, R., Strafrecht des deutschen Mittelalters, 1920; Grossmann, S., Masken des Anklägers – Geschichte des Anklägers im amerikanischen Strafprozess, Diss. jur. Frankfurt am Main 2000

Anklagegrundsatz ist der Grundsatz, dass ein Strafverfahren nur auf Grund einer Anklage betrieben werden kann.

Anklageprozess ist der Strafprozess, der eine →Anklage (insbesondere seit dem 19. Jh. eine Anklage durch eine besondere öffentliche Anklagebehörde) (→Staatsan­walt­schaft) vor­aussetzt. Er ist in Frankreich eine unmittelbare Folge der französischen Revo­lution von 1789. In Deutschland setzt Baden 1832 erstmals Staatsanwälte ein. 1848 wird der A. von der (gescheiterten) Verfassung der Frankfurter Paulskirche vorgesehen. →Akkusations­prozess

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Kern, E., Geschichte des Gerichts­verfassungsrechts, 1954

Anklam ist die am Unterlauf der Peene vor 1243 von deutschen Siedlern angelegte Stadt, die vor 1283 der Hanse beitritt und spätestens 1292 Lübecker Stadtrecht übernimmt. Sie überliefert ein bedeutsames →Stadtbuch.

Lit.: Das Stadtbuch von Anklam, bearb. v. Bruinier, J., Bd. 1ff. 1960ff.

Anleite ist seit dem Hochmittelalter im deutschen Recht die Einweisung in ein fremdes Gut, insbesondere die Einweisung des Klä­gers in die Güter eines wegen Prozess­ungehorsams geächteten Beklagten in einem sich über rund 10 Termine erstreckenden Verfahren vor dem Reichshofgericht (Reichskammergericht und Reichshofrat bis 1654) oder einem kaiserlichen Landgericht vor 1784. Sachlich wird es durch das Versäumnisverfahren ersetzt.

Lit.: Kohler, J., Acht und Anleite des königlichen Hofgerichts, FS G. Cohn, 1915, 1; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter, 1984

Annahme →Vertrag

Annahmeverzug (M.) Gläubigerverzug, Verzug des Gläubigers mit der Annahme der Leistung des Schuldners

Annalen (Jahrbücher) sind in möglicher Parallele zu spätantiken Konsullisten seit dem 8. Jh. erscheinende, chronologisch geordnete Aufzeichnungen über denkwürdige Begeben­heiten (z. B. Quedlinburger Annalen Sankt Servatiusstift Quedlinburg 1008-1030 [ab Schöpfung]).

Lit.: Poole, R., Chronicles and Annals, 1926; Caenegem, R. van/Ganshof, F., Kurze Quellenkunde des westeuropäischen Mittelalters, 1964; Mc Cormick, M., Les annales, 1975; Hay, D., Annalists and Historians, 1977; Die Annales Quedlinburgenses, hg. v. Giese, M., 2004

Annahme (Wort 1715) ist die ein Angebot uneingeschränkt bejahende Willenser­klä­rung des Angebotsadressaten sowie die Entge­gennahme der Leistung des Schuld­ners durch den Gläubiger im Zeitpunkt der Leistung (andernfalls Annahmeverzug, Gläu­bigerver­zug).

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Annaten (14. Jh.) sind gewohnheitsmäßig entwickelte, seit der Mitte des 13. Jh.s bei der Verleihung freier nichtkonsistorialer Benefizien allgemein an den Papst geleistete Abgaben in Höhe eines ganzen oder halben Jahresertrags, die seit dem Konzil von Basel (1435) abkommen und seit 1917 grundsätzlich untersagt sind.

Lit.: Kirsch, J., Die päpstlichen Annaten, 1903; Hoberg, H., Die Einnahmen der apostolischen Kammer, Bd. 1f. 1955ff.; Denzel, M., Kurialer Zahlungsverkehr, 1991; Camera apostolica, hg. v. Ansani, M., 1994

Annweiler

Lit.: Seebach, H., Kleine Geschichte des Trifels und der Stadt Annweiler, 2009

Anschluss ist die von dem in Braunau gebürtigen Österreicher Adolf →Hitler 1938 nach mehrjähriger Vorbereitung durch poli­tischen Druck herbeigeführte Vereinigung →Österreichs mit dem Deutschen Reich. Dem A. geht 1918 der von den alliierten Sieger­mächten des ersten Weltkriegs verhinderte Versuch der aus den meisten deutsch­sprachigen Gebieten Österreich-Ungarns ge­bildeten Republik →Deutschösterreich vor­aus, sich mit dem →Deutschen Reich zu ver­einigen, wofür sich in Tirol 98,8 und in Salz­burg 99,1 Prozent der Abstimmungsbe­rechtig­ten aussprechen. Nach seiner Bestellung zum Reichskanzler im Deutschen Reich will Hitler dieses Ziel politisch erreichen. Am 12. 2. 1938 zwingt Hitler den österreichischen Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg (im Berchtesgadener Abkom­men), den national­sozialistischen Sym­pa­thisanten Seyss-Inquart als Sicherheits­minister zu bestellen, die freie Betätigung der Nationalsozi­alistischen deutschen Arbeiter­partei innerhalb der vaterländischen Front zuzulassen und alle Nationalsozialisten zu amnestieren. Eine für den 12. 3. 1938 von Schuschnigg angesetzte Volksab­stimmung für ein „freies und deutsches, unabhängiges und soziales, christliches und einiges Österreich“ unterbleibt wegen des am 11. 3. 1938 von Hitler erzwun­genen Rück­tritts des Bundeskanzlers Schuschnigg. Auf An­forderung (Bitte um „Hilfe“) Seyss-Inquarts an Hitler kommen deutsche Truppen. Danach bestellt der Bundes­präsident Österreichs (Miklas) Seyss-Inquart zum Bundeskanz­ler und tritt am 13. 3. 1938 zurück. Die Bundesregierung Österreichs beschließt auf der Grundlage des Ermächtigungsgesetzes von 1934 ein Bundesverfas­sungsgesetz über die Wieder­vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (BGBl. 1938, 75), auf Grund dessen Österreich ein Land des Deutschen Reiches wird. Eine Volksab­stimmung vom 10. 4. 1938 bejaht den A. zu 99,73%, doch wird dies nach 1945 verdrängt.

Lit.: Köbler, DRG 223; Baltl/Kocher; Kleinwächter, F./Paller, H., Die Anschlussfrage, 1930; Tirol und der Anschluss, hg. v. Albrich, T. u. a., 1988; Botz, G., Die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich, 1972, 3. A. 1988; Jung, O., Plebiszit und Diktatur, 1995; Roesler, J., Der Anschluss von Staaten, 1999; Krämer, K., Die Bestrebungen für einen Zusammenschluss zwischen Österreich und Deutschland 1918 bis 1921, Diss. phil.. Hannover 2003

Anschütz, Gerhard (Halle an der Saale 10. 1. 1867-Heidelberg 14. 4. 1948) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Tübingen (1899), Heidelberg (1900), Berlin (1908) und Heidel­berg (1916) und 1933 mit 66 Jahren auf Antrag emeritiert. Er ist Verfechter des demokratischen Gedankens und verfasst auf gesetzespositiv­istischer Grundlage den mit 14 Auflagen erfolgreichsten Kommentar zu der von ihm lose mitgestalteten Verfassung der →Weimarer Republik.

Lit.: Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933; Forsthoff, E., Gerhard Anschütz, Der Staat 6 (1967), 139; Gerhard Anschütz, Aus meinem Leben, hg. v. Pauly, W., 1993, 2. A. 2008; Dreier, H., Ein Staatsrechtslehrer, ZNR 20 (1998)

Ansegis (bei St. Rambert bei Lyon um 770-St. Wandrille/Fontenelle 20. 7. 833) ist der fränkische Benediktinerabt (823) von St. Wandrille bzw. Fontenelle in der Erzdiözese Rouen, der 827 in seinem vier Bücher (Karl der Große, Ludwig der Fromme, Weltliches, Kirchliches) umfassenden (lat.) Legiloquus liber (M.) in einfacher Ordnung 29 (von etwa 90 heute bekannten) →Kapitularien Karls d. Großen und Ludwigs des Frommen zusammenstellt, deren zwei Redaktionen (?) durch mehr als 60 (63), in vier Gruppen einteilbare Hand­schriften überliefert werden.

Lit.: Ganshof, F., Was sind die Kapitularien?, 1961; Die Kapitulariensammlung des Ansegis, hg. v. Schmitz, G., 1996

Anselm von Lucca verfasst zwischen 1081 und 1083 eine Sammlung (lat. [F.) Collectio) von Papstbriefen, Canones, patristischen Texten und römischen Rechtsquellen.

Lit.: Szuromi, S., Anselm von Lucca as Canonist, 2006

Anspruch (Wort 1291) ist das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 BGB) bzw. die von einem Kläger an einen Beklagten gerichtete Behauptung eines Rechtes mit einem bestimmten Inhalt. Im römischen Recht ist beides in der (lat. [F.]) actio (Klaganspruch) enthalten, wobei im Legisaktionenverfahren die Beachtung eines genauen Wortlauts erforderlich ist und im Formularverfahren nur verfahrensrechtlich durch­setzbare Rechte anerkannt werden (ak­tionenrechtliches Denken), wovon sich das spätantike Verfahren je nach Zweckmäßigkeit löst. Im Spätmittelalter werden die Anforde­rungen an die Geltendmachung von Ansprü­chen eher abgeschwächt. Der (lat.) usus modernus begnügt sich mit der Erkennbarkeit einer (lat.) actio. Savigny versteht die (lat.) actio als Klagerecht, das aus der Verletzung eines subjektiven Rechtes erwächst, als ein Recht im Zustand der Verteidigung. Nach Bernhard Windscheid (1856) ist dagegen der A. unabhängig von der jeweiligen Ent­scheidung eines Gerichts ein Recht.

Lit.: Windscheid, B., Die actio des römischen Civilrechts, 1856; Nörr, K., Das Aktionrenrecht bei Savigny, Ius commune 8 (1879), 110; Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht seit Savigny, 1965; Vossius, O., Zu den dogmengeschichtlichen Grundlagen der Rechtsschutzlehre, 1985; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium, 1996; Kollmann, A., Begriffs- und Problemgeschichte des Verhältnisses von formellem und materiellem Recht, 1996; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wort­schatzes, 2010

Anstalt (Wort 1250) ist die von einem Träger öffentlicher Verwaltung seit dem 18. Jh. zur Erfüllung einer besonderen Verwaltungsauf­gabe er­richtete, verwaltungsorganisatorisch oder recht­lich ver­selbständigte Verwaltungs­ein­heit von persön­lichen oder sachlichen Mitteln.

Lit.: Gerstlacher, C., Sammlung aller Baden-Durlachischen Anstalten und Verordnungen, Bd. 1ff. 1772f.; Weber, W., Die Entwicklung der Sparkassen, 1985; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Alexander, L., Anstalten und Stiftungen. Verselbständigte Vermögensmassen im römischen Recht, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Anstiftung ist die vorsätzliche Bestimmung eines anderen zu einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat (Versuch genügt). Als allgemeine Grundfigur des →Strafrechts wird die A. unter Herauslösung aus der Urheberschaft (intellektuelle Urheberschaft, so noch Feuerbach 1801) des (lat. [M.]) auctor erst im 19. Jh. ausgebildet (§ 34 I StGB Preußens 1851).

Lit.: Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der strafrechtlichen Teilnahmeformen im 19. Jahrhundert, 2006

Anthropologie (F.) Menschenkunde

Lit.: Dülmen, R. van, Historische Anthropologie, 3. A. 2001; Hoßfeld, U., Geschichte der biologischen Anthropologie in Deutschland, 2005

Antichrese ist das aus dem hellenistischen Bereich in das klassische römische Recht eingeführte Nutzpfand, bei dem der Pfandgläubiger mit Erlaubnis des Verpfänders die Früchte der Pfandsache ziehen darf.

Lit.: Kaser § 31; Hübner

Antike ([3000/2800 v. Chr. bzw.] 11. Jh. v. Chr.-4./6. Jh. n. Chr.) ist der vor allem durch die Kultur der (Sumerer, Assyrer, Ägypter, Juden,) Griechen und Römer gekenn­zeichnete, durch die Eroberung Westroms durch Germanen im Jahre 476 abgeschlossene geschichtliche Abschnitt der menschlichen Kulturentwicklung. →Altertum

Lit.: Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1ff. 1986; Selb, W., Antike Rechte im Mittelmeerraum, 1993; The Cambridge Ancient History, 2. A. Bd. 6, hg. v. Lewis, D., 1994; Dahlheim, W., Die Antike, 6. A. 2002; Löwe, G./Stoll, H, Lexikon der Antike, 1997; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Gehrke, H., Kleine Geschichte der Antike, 1999; Metzler Lexikon Antike, hg. v. Brodersen, K./Zimmermann, B., 1999; Lexikon der christlichen Antike, hg. v. Brauer, J./Hutter, M., 1999; Nickel, R., Lexikon der antiken Literatur, 1999; Geschichte der Antike, hg. v. Gehrke, H. u. a., 2000; Brandt, H., Das Ende der Antike, 2001; Grziwotz, H./Döbertin, W., Spaziergang durch die Antike, 2002; Die Rechtskulturen der Antike, hg. v. Manthe, U., 2003; Lexikon der antiken Gestalten in den deutschen Texten des Mittelalters, hg. v. Kern, M. u. a., 2003; Pöhlmann, E., Einführung in die Über­lieferungsgeschichte und in die Textkritik der antiken Literatur, Bd. 1 2. A. 2003; Personen der Antike, hg. v. Brodersen, K. u. a., 2004; Herrscherchronologien der antiken Welt, 2004; Höhepunkte der Antike, hg. v. Brodersen, K., 2006; Erinnerungsorte der Antike, hg. v. Stein-Hölkeskamp, E. u. a., 2006; Troianer sind wir gewesen, hg. v. Olshausen, E. u. a., 2006; Sonnabend, H., Die Grenzen der Welt, 2007; Geschichte der Antike – Quellenband, hg. v. Gehrke, H. u. a., 2007; Geschichte der antiken Texte – Autoren- und Werklexikon, hg. v. Egger, B., 2007; Historischer Atlas der antiken Welt, hg. v. Wittke, A. u. a., 2007; Baltrusch, E., Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung in der Antike, 2008; Mann, C., Antike, 2008; Stangl, G., Antike Populationen in Zahlen, 2008; Die Ideale der Alten, hg. v. Rosenberger, V., 2008; Antike - Recht - Geschichte, hg. v. Benke, N. u. a., 2009; Antike Oldenburg Geschichte Lehrbuch hg. v. Wir­belauer, E., 2009, 3. A. 2010; Leppin, H., Das Erbe der Antike, 2010

Antiochia (Kreuzfahrerfürstentum)

Lit.: Mayer, H., Varia Antiochena, 1993

Antisemitismus ist die die Juden (Semiten) ablehnende Haltung. Sie entsteht nach antiken, mittelalterlichen und frühneu­zeitlichen Vorläufern in der 2. Hälfte des 19. Jh.s (in Preußen Sozialkonservative wie Hermann Wagener seit der liberalen neuen Ära von 1858, in Österreich um 1885) neu. In dieser Zeit gelten Juden als Modernisie­rungs­gewinner des Libe­ralismus, wobei auch die katholische Kirche ihr Unbehagen über die gesellschaftlichen Veränderungen am steigen­den Einfluss der Juden zum Ausdruck bringt.→Jude

Lit.: Badinter, R., Un antisémitisme ordinaire, 1997; Scheil, S., Die Entwicklung des politischen Antisemitismus in Deutschland zwischen 1881 und 1912, 1999; Walter, D., Antisemitische Kriminalität, 1999; Katholischer Antisemitismus, hg. v. Blaschke, A. u. a., 2000; Kertzer, D., Die Päpste gegen die Juden, 2001; Bergmann, W., Geschichte des Antisemitismus, 2002; Ferrari Zumbini, M., Die Wurzeln des Bösen - Gründerjahre des Antisemitismus, 2002; Haury, T., Antisemitismus von links, 2002; El olivo y la espada, hg. v. Joan i Tous, P. u. a., 2003; Ley, M., Kleine Geschichte des Antisemitismus, 2003; Der Berliner Antisemitismusstreit 1879-1881, bearb. v. Krieger, K., 2003; Benz, W., Was ist Antisemitismus?, 2004; Wladika, M., Hitlers Vätergeneration, 2005; Terwey, S., Moderner Antisemitismus in Großbritannien 1899-1919, 2006; Mittmann, T., Vom Günstling zum Urfeind der Juden, 2006; Volkov, S., Germans, Jews and Antisemites, 2006; Sieg, U., Deutschlands Prophet - Paul de Lagarde und die Ursprünge des modernen Antisemitismus, 2007; Nonn, C., Antisemitismus, 2008; Brügmann, C., Flucht in den Zivilprozess, 2009; Herholt, v., Antisemitismus in der Antike, 2009: Antisemitische Geschichtsbilder, hg. v. Bergmann, W. u. a., 2009; Herbeck, U., Das Feindbild vom „jüdischen Bolschewiken“, 2009; Handbuch des Antisemitismus, hg. v. Benz, W., Bd. 1ff. 1209ff.; Albrecht, H., Antiliberalismus und Antisemi­tis­mus, 2010; Antisemitism in Eastern Europe, hg. v. Petersen, H. u. a., 2010; Imperien in der Antike, hg. v. Harrison, T., 2010; Bergmann, W. u. a., Antisemitismus in Zentraleuropa, 2011; Hofer, S., Richter zwischen den Fronten, 2011; Jahr, C., Antisemitismus vor Gericht, 2011; Nicosia, F., Zionismus und Antisemitismus, 2012

Antitribonianus ist das 1603 posthum erschienene Werk François →Hotmans, das im Angriff auf →Tribonian die Anwendbarkeit des (lat. [N.])Corpus iuris civilis in der Neuzeit bestreitet und die Schaffung eigener Gesetzbücher empfiehlt.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/HotmanFranz(HotomanusFranciscus)Antitribonian1603.pdf Baron, J., Franz Hotmans Antitribonian, 1888

Antrag (Wort 1325) ist das Angebot auf Abschluss eines →Vertrags.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Antrustio (lat. [M.], zu afrk. druht, lat.-afrk. trustis, M., bewaffnete Schar) ist der im Volksrecht der →Franken durch dreifaches Wergeld des Freien ausgezeichnete, auch in Kapitularien und Formeln erwähnte freie Königsmann.

Lit.: Bergengruen, A., Adel und Grundherrschaft im Merovingerreich, 1958; Olberg, G. v., Die Bezeich­nungen für soziale Stände, 1991

Antwerpen an der Schelde wird 726 erstmals urkundlich erwähnt. 1291 erhält es Stadtrecht. 1852 wird eine Universität eingerichtet.

Anwachsung (Wort 1453, Anwachsungsrecht 1721) ist die Erhöhung der Anteile anderer Berechtigter an einer (gesamt­händerischen) Gesamtheit im Wege der Gesamtnachfolge bei Wegfall eines Mitberechtigten. Sie hat wohl in alten gesamt­händerischen Gesamtheiten (z. B. Hausge­mein­schaft, Akkreszenz im klassisch­en römischen Erbrecht) Bedeutung und wird später eher zurückgedrängt (z. B. durch Eintrittsrechte, Realteilung). Durch das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) ge­winnt sie mit dem Gesamthandsprinzip an Gewicht.

Lit.: Kaser §§ 73 III, 76 III 1 154ff.; Hübner; Breuel, F., Geschichte des Anwachsrechts in Ostfriesland, 1954; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Meyer, H., Anwachs und Insel im hochmittelalterlichen Recht der Grafschaft Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333; Köbler, U., Werden, Wan­del und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Anwalt ist der Vertreter eines anderen (im Recht). Im römischen Recht ist Vertretung grundsätzlich ausgeschlossen. Im deutschen Bereich begegnen die ersten Anfänge im fränkischen Reich. Zum Hochmittelalter hin erscheinen Vertreter für Bischöfe (Vögte), Äbte, Gemeinden oder Genossenschaften. Bis zur zweiten Hälfte des 15. Jh.s setzt sich neben dem Fürsprecher als Vertreter im (loßen) Wort (Mund der Partei) die inhaltliche Vertretung der Partei in der Sache im bürgerlichen Rechtsstreit durch. Mit der Rezeption des römisch-kanonischen Prozessrechts wird am Ende des 15. Jh.s der meist rechtsgelehrte, praktisch geschulte →Prokurator zum Vertreter der Partei vor Gericht, der rechtsgelehrte →Advokat zum außer­gericht­lichen Berater (1495 am Reichskammergericht acht Prokuratoren, zwei Advokaten, seit 1500 bzw. 1530 Prüfungen), doch verwischen sich in Deutschland die Unter­schiede trotz Fortführung der verschiedenen Benennungen schon seit dem 16. Jh. wieder. Bedeutung hat der A. vor allem im Zivilprozess. In Preußen wird 1725 die Prokuratur abgeschafft und 1780 die Advokatur als freier Beruf beseitigt (Assistenzrat, Justizkommissar). Im 19. Jh. werden auch in Preußen wieder frei wählbare Prozessvertreter zugelassen, die seit 1849 (1878 im Deutschen Reich) Rechtsanwälte heißen (Österreich Advokatenordnungen von 1849 und 1868). Neben ihnen dürfen in Deutschland seit 2008 (Rechtsdienstleis­tungsgesetz) auch Nichtjuristen eingeschränkt Rechtsberatung durchführen.

Lit.: Kaser § 87 II IV; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155, 202; Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905; Kübl, F., Geschichte der österreichischen Advokatur, 1925; Bader, K., Vorsprecher und Anwalt in den fürstenbergischen Gerichtsordnungen, 1931; Böhm, O., Die nürnbergische Anwaltschaft um 1500 bis 1806, 1949; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des Gerichts­verfassungsrechts, 1954; Schlosser, H., Spätmittel­alterlicher Zivilprozess, 1971; Failenschmid, H., Anwalt und Fürsprech, 1981; Holly, G., Geschichte der Ehrengerichtsbarkeit der deutschen Rechtsanwälte, 1989; Krach, T., Jüdische Rechtsanwälte in Preußen, 1991; Grahl, C., Die Abschaffung der Advokatur unter Friedrich dem Großen, 1994; Siegrist, H., Advokat, Bürger und Staat, 1996; Krug, G., Die Advokat-Anwälte, Diss. jur. Mannheim 1996; Die Geschichte des Deutschen Anwaltvereins, hg. v. Deutschen Anwaltverein, 1997; Nirk, R., 50 Jahre NJW. Die Entwicklung der Anwalt­schaft, NJW 1997, 2625; Scherner, K., Advokaten, Revolutionäre, Anwälte, 1997; Treve, W., Rechts-, Wirtschafts- und Steuerberatung in zwei Jahrhunderten, 3. A. 1998; Klas, A., Standes- oder Leistungselite?, 2002; Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003; Reichspersonal, hg. v. Baumann, A., 2003

Anwaltszwang ist die (tatsächliche oder) rechtliche Verpflichtung, im →Prozess einen →Anwalt zu verwenden.

Anwartschaft ist die einer bestimmten Person zustehende rein tatsächliche Aussicht auf ein später zu erwartendes Amt oder Recht. Im deutschen Mittelalter hat der nahe Verwandte ein Anrecht auf den Nachlass (→Erbenwartrecht). Im 20. Jh. setzt sich die A. als werdendes Recht, das dem Vollrecht wesens­gleich ist, beim Kauf unter Eigen­tumsvorbehalt durch.

Lit.: Kaser § 10 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 269; Berger, W., Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, 1984

Anweisung (Wort 1271/1286) ist die schriftliche Aufforderung eines Teiles (Anweisender, Wort 1863) an einen anderen Teil (Angewiesener) (Deckungsverhältnis), Geld, Wertpapiere oder andere Sachen an einen die Anweisung dem Angewiesenen vorlegenden Dritten (Anweisungs­empfänger, Wort 1809) zu leisten (lat. [F.] delegatio zwischen Delegant, Delegat und Delegatar, Verhältnis zwischen Angewiesenem und Anweisungs­empfänger Valutaverhältnis). Sie hat römische Grundlagen. Sie gehört in die Frühzeit des →Wertpapiers (13./14. Jh.). Die pandektenwissenschatliche Erörterung des 19. Jh. bereitet die Gestaltung im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1896/1900 vor. Die A. kann Zahlungsanweisung oder Verpflich­tungsan­weisung sein.

Lit.: Eisenried, U., Die bürgerlich-rechtliche Anwei­sung und ihre Entstehung, 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Anwenderecht ist das in die Anfänge des dichteren Ackerbaus zurückreichende, seit dem 13. Jh. vielfach schriftlich bezeugte Recht, zur Bestellung des eigenen Feldes kurzzeitig ein Nachbargrundstück zu betreten und dadurch zu benutzen. Das Bürger­liche Gesetzbuch (1900) lässt das landesrecht­lich vorhandene A. als Teil des Nachbarrechts bestehen.

Lit.: Hübner 281; Götz, A., Das Anwenderecht, 1925; Schmidt-Wiegand, Anwende, Text und Sprachbezug in der Rechtssprachgeographie, 1985, 146

Anzeige ist die Mitteilung eines rechtlich erheblichen Vorgangs oder Zustands. Sie ist in verschiedenen Formen dem römischen Recht bekannt. Eine Verpflichtung zu einer A. bestimmter Handlungen stellt die Rüge­pflicht dar. Der hochmittelalterliche kano­nische Prozess unterscheidet im 12. Jh. die A. von der (lat. [F.]) accusatio. In der frühen Neuzeit genügt im Strafverfahren statt der Klage eines einzelnen Klägers die A. beim Richter zur Ingangsetzung des Verfahrens.

Lit.: Köbler, DRG 157; Kisker, S., Die Nichtanzeige geplanter Straftaten - §§ 138, 139 StGB, 2002

Aostatal

Lit.: Roddi, G., Il Coutumier Valdostano (1588), 1994 (Diss. jur. Freiburg im Üchtland)

Apanage ist die Ausstattung eines nachge­borenen Sohnes, Bruders oder sonstigen Mitglieds eines landesherrlichen Hauses zur Sicherung des standesgemäßen Unterhalts. Sie entwickelt sich nach älteren Vorläufern (Bretagne 990?, Dreux 1137?) im 13. Jh. in Frankreich. Einen Rechtsanspruch auf A. gibt es nur bei Vorliegen eines entsprechenden Hausgesetzes. Die meist bei Eintritt der Volljährigkeit fällige A. kann auf eine Person oder auf eine Linie bezogen sein.

Lit.: Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Wood, C., The French Apanages, 1966

Apel, Johann (Nürnberg 1486-27. 4. 1536) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg 1524 Rechtslehrer, 1530 Kanzler in Preußen und 1534 Rechtsberater in Nürnberg. 1535 schlägt er eine dialektische Lehrmethode für die Rechtswissenschaft vor. Außerdem bietet er erste systematische Ansätze.

Lit.: Köbler, DRG 144; Muther, T., Doctor Johann Apell, 1861; Wieacker, F., Einflüsse des Humanismus auf die Rezeption, Z. f. d. ges. Staatswiss. 100 (1940), 423

Apokalypse

Lit.: Fried, J., Aufstieg aus dem Untergang, 2001

Apostasie (F.) ist der von der Spätantike bis zur Aufklärung geahndete Abfall vom Glau­ben.

Lit.: Hinschius, P., System des katholischen Kirchenrechts, 1888ff.; Schauf, H., Einführung in das kirchliche Strafrecht, 1952

Apostelbrief ist im gelehrten Verfahrensrecht des Mittelalters der Bericht, den der untere Richter (lat. iudex [M.] a quo) auf die Bitte einer Partei, die →Appellation gegen seine Entscheidung erhebt, an den oberen Richter (lat. iudex [M.] ad quem) sendet. Er enthält eine Schilderung des bisherigen Verfahrens­ablaufs und eine Beurteilung der Berechtig­ung der Appellation sowie später auch die bisherigen Prozessakten.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Sägmüller, J., Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts, Bd. 2 3. A. 1914, 342

Apotheke („Aufbewahrungsort“, für Heilmittel zunächst in Klöstern, um 1241 verbietet Friedrich II. im Edikt von Salerno das Betreiben von Apotheken durch Ärzte, 1241 Löwenapotheke in Trier bezeugt) ist das Unternehmen des wissenschaftlich ausgebildeten, staatlich zu Herstellung und Verkauf von Arzneimitteln Berechtigten (Apothekers). Seit etwa 1850 gründen Apotheker Drogerien mit einem breiten Warenangebot, darunter auch Arznei­mittel. 1935 wird eine deutsche Apothe­ker­schaft geschaffen, 1937 eine Reichsapothe­ken­kammer eingerichtet. 1961 ergeht ein Arznei­mit­telgesetz.

Lit.: Schröder, G., NS-Pharmazie - Gleichschaltung des deutschen Apothekerwesens im Dritten Reich, 1988; Schlick, C., Apotheken im totalitären Staat, 2008; Schäfer, C., Apotheker und Drogist, 2009

Apothekenurteil ist die in drei Stufen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Einschränkung von Grundrechten (z. B. Berufsfreiheit) ordnende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Deutschlands vom 11. 6. 1958 über die Zulassung eines Apo­thekers in Traunreut.

Lit.: Henne, T., Das Lüth-Urteil, hg. v. Henne, T. u. a., 2004

appellatio (lat. [F.]) Anrufung, Berufung, →Appellation

Appellation ist im spätrömischen Verfah­rensrecht das aufschiebend wirkende Rechtsmittel zur Überprüfung der Ent­scheidung eines unteren Richters durch einen höheren Richter, das mit einem Urteil endet (Berufung). Die A. ist bei dem unteren Richter mündlich oder binnen 10 Tagen schriftlich einzubringen. Die A. wird im frühen Mittelalter in vereinfachter Form in der Kirche und in Oberitalien bewahrt. Im hohen Mittelalter wird die A. (mittels →Apostelbriefs), die seit dem 12. Jh. im kirchlichen Prozessrecht erscheint, aus dem oberitalienisch-kano­nischen Prozessrecht in Deutschland zuerst in geistlichen Gerichten aufgenommen. In Italien und Frankreich dringt sie rascher vor. Im Heiligen römischen Reich, in dem zwischen 1200 und 1450 (lat. [F.]) appellatio sehr unterschiedliche Einrichtungen benennen kann, ersetzt die A., die sich vor 1451 nur in einzelnen besonderen Fällen vor dem um 1450 grundsätzlich noch unmittelbar angerufenen, aber auch im älteren Rechtszugverfahren kaum eine nennenswerte Rolle spielenden König findet, in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s allmählich die ältere Urteilsschelte in weltlichen Verfahren. Die Appellations­verfahren verdrängen bald die erstinstanzlichen Rechtszugverfahren. Das 1495 eingerichtete Reichskammergericht ist vielfach Appellationsgericht (am Ende des 15. Jh.s zu 80%). Zur Eindämmung der A. wird dort 1521 eine Appellationssumme von 50 Gulden festgelegt, die über 150 (1570) und 300 (1600) Gulden bis 1654 auf 600 Gulden bzw. 400 Reichs­taler steigt, und wird 1530 dem Reichskammer­gericht die Annahme einer A. in Strafsachen verboten. In die gleiche Richtung wirken die Nichtappellations­privilegien (1470-03-21 Reichsstadt Nürnberg, 1480-07-10 Bayern Herzog, 1482-05-08 Augsburg Reichsstadt, 1485-11-05Augsburg Reichsstadt, 1493-04-27 Köln Stadt, 1495-08-24 Nürnberg Reichs­stadt, 1499-05-21 Windsheim, Nassau 1804-06-28, ins­gesamt (77) Aachen, Augsburg, Baden, Bayern, Biberach, Brandenburg, Brandenburg-Ansbach-Bayreuth, Braunschweig-Lüne­burg, Bremen Stadt, Bremen Erzstift, Brixen, Dinkelsbühl, Donauwörth, Ess­lingen, Frankfurt am Main, Giengen, Hamburg, Hanau-Münzenberg, Herford Stadt, Hessen-Kassel, Hessen-Darnstadt, Hessen-Rheinfels, Hessen-Marburg, Hil­des­heim Bischof, Holstein, Ingelheim Freiherr, Jülich Kleve Berg, Kaufbeuren, Kempten Stadt, Köln Kurfürst, Köln Stadt, Lindau, Lippe Graf, Lübeck Stadt, Lüttich Bischof, Magdeburg Erzbischof, Mainz Kurfürst, Manderscheid Graf, Meck­len­burg Herzöge, Memmingen Stadt, Merseburg Bischof, Mübster Stadt, Nas­sau, Neuenahr und Moers Graf, Nördlingen, Nürnberg Stadt, Öttingen Graf, Oldenburg und Delmenhorst Graf, Passau Bischof, Paumgarten Freiherr, Pfalz Kurfürst, Pommern, Rantzau, Regensburg Stadt, Reußen von Plauen Graf, Reutlingen, Rosheim Stadt, Rothenburg ob der Tauber, Rügen, Sachsen Kurfürst, Salzburg Erzbischof, Schwäbisch Hall, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Schweden König, Schwein­furt, Speyer Stadt, Straßburg Stadt, Trient Bischof, Trier Kurfürst, Ulm, Verden Bischof, Vorpommern, Waldeck Graf, Windsheim, Wismar, Worms Stadt, Württemberg, Würzburg Bischof). Am Reichshofrat ist die A. vor allem wegen der Appellationsprivilegeien nicht sehr häufig. 1879 wird die teuere und schwierige A. im Deutschen Reich durch die →Berufung ersetzt, in England erst 1875 wirklich zugelassen. →Konzil

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 34, 56, 114, 117, 152; Köbler, LAW; Perels, K., Die allgemeinen Appellationsprivilegien für Branden­burg-Preußen, 1908; Stölzel, A., Geding, Appellation, Hof, Hof­gericht und Räte, 1912; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Blaschke, K., Das kur­sächsische Appellations­gericht 1559-1835 und sein Archiv, ZRG GA 84 (1967), 329; Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86 (1969), 75; Weitzel, J., Zur Zuständigkeit des Reichs­kammergerichts als Appellationsgericht, ZRG GA 90 (1973), 213; Broß, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen der Reichskammerge­richts­­ord­nung von 1495, 1973; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation ans Reichskam­mergericht, 1976; Die kaiserlichen privilegia de non appellando, hg. v. Eisenhardt, U., 1980; Weitzel, J., Über Oberhöfe, Recht und Rechtszug, 1981; Rechtsbehelfe, Beweis und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985; Becker, H., Die Appellation vom Papst an ein allgemeines Konzil, 1988; Kern, B., Die Appellation in Kurpfälzer und verwandten Rechts­quellen des 15. Jahrhunderts, ZRG GA 106 (1989), 115; Seeger, T., Die Extrajudizialappellation, 1993; Morhard, A., Die gerichtliche Berufung, 1995; Diestelkamp, B., Die Durchsetzung des Rechtsmittels der Appellation, 1998; Szidzek, C., Das frühneuzeitliche Verbot der Appellation in Strafsachen, 2002; Strauch, D./Arntz, J./Schmidt-Troje, J., Der Appellhof zu Köln, 2002; Kannowski, B., Zwischen Appellation und Urteilsschelte - Über das Rechtsdenken des Johann von Buch, ZRG 123 (2006), 110; Hugo,.L., Vom Missbrauch der Appellation, hg. v. Oestmann, P., 2012; Appellation und Revision im Europa des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit, hg. v. Auer, L. u. a., 2013

Appellationsgericht (N.) Berufungsgericht (z. B. Österreich 1782 Erhebung der von den Gubernien getrennten Justizsenaten zu Ap­pellationsgerichten durch Joseph II., 1852 Oberlandesgerichte)

Appellationsprivileg ist das Privileg des deutschen Königs an Landesherren, das eine →Appellation aus dem jeweiligen Gebiet an den König ausschließt (Nichtappellations­privileg). Es betrifft anfangs wohl nur den Rechtszug nach einer Urteilsschelte und erst in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s die eigentliche Appellation. 1356 verleiht die →Goldene Bulle den Kurfürsten ein unbe­schränktes A., dessen Bedeutung deswegen umstritten ist, weil die Appellation 1356 noch nicht allgemein aufgenommen worden war (z. B. in Sachsen erst seit dem 16. Jh.).

Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsver­fassungsrechts, 1954; Bross, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen der Reichskammer­gerichts­ordnung von 1495, 1972; Eisenhardt, U., Die kaierlichen privilegia de non appellando, 1980

Appenzell erscheint 1071 erstmals als Abba­cella. Das zunächst unter der Herrschaft der Abtei Sankt Gallen stehende Gebiet gewinnt zwischen 1377 und 1429 Selbständigkeit. Seit 1411 ist A. zugewandter Ort der Eidgenos­senschaft der →Schweiz, seit 17. 12. 1513 dreizehntes Mitglied. A. besteht aus einem evangelischen Halbkanton (Außer­rhoden) und einem katholischen Halbkanton (Inner­rhoden).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Benz, R., Die rechtlichen Zustände im Lande Appenzell, Appenzellische Jahrbücher 46 (1918), 1; Wirz, H., Die Grundlagen der Appenzeller Freiheit, Appenzellische Jahrbücher 56 (1929); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Die Land- und Alpwirtschaft in Außerrhoden, 1974; Blickle, P., Verfassung und Religion – Voraussetzungen und Folgen der Landteilung des Appenzell 1597, ZRG GA 115 (1998), 339; Die Appenzellerkriege, hg. v. Niederhäuser, P. u. a., 2006

Approbation (F.) Billigung, Bestätigung (z. B. einer klösterlichen Genossenschaft, einer Verehrung oder einer Königswahl)

Lit.: Deußen, W., Die Approbation der deutschen Königswahl, 1879; Unverhau, D., Approbatio - Reprobatio, 1973 Aprilverfassung ist die am 25. 4. 1848 von Kaiser Ferdinand I. erteilte, vom Innen­minister Franz Xaver von →Pillersdorff geformte, nach dem 15. 5. 1848 zurückgezogene, erste formelle Verfassung Österreichs mit Gewaltenteilung, Reichstag und Grundrechten, aber ohne praktische Bedeutung.

Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/VerfOeAprilverfassung1848.doc

apud iudicem (lat.) vor dem Richter, →Prozess, Verfahren

Apulien im Süden Italiens gerät seit dem 9. Jh. v. Chr. unter den Einfluss der Griechen, wird 317 v. Chr. von Rom erobert und gehört nach dem Untergang Westroms über die Herrschaft von Ostgoten und Oströmern im Norden seit 570 zum Herzogtum Benevent der Lango­barden. In der Mitte des 11. Jh.s fällt es an die Normannen (1130 Sizilien), 1282 an das Königreich Neapel.

Lit.: Palumbo, P., Medio evo meridionale, 1978

aquae ductus (lat. [M.]) Wasserleitung(srecht), →Dienstbarkeit

aquae haustus (lat. [M.]) Wasserschöpf­ung(srecht)recht,→Dienstbarkeit

Aquileia nahe der Adria wird 181 v. Chr. als römische Kolonie (lat. [F.] colonia) gegrün­det. Der seit spätestens 314 nachweisbare Bischof bean­sprucht seit 558/568 den Titel eines Patriar­chen. 1077 wird der Patriarch Reichsfürst. Seit 1418 gelangt A. an Venedig, im 16. Jh. an Österreich und mit Venetien (1866) an Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gamber, K., Das Patriarchat Aquileja, 1987; Härtel, R., Die älteren Urkunden des Klosters S. Maria zu Aquileja (1036-1250), 2005

Aquilius →lex Aquilia

Aquitanien ist das Gebiet nördlich der Pyrenäen. Es wird seit 71 v. Chr. römisch, 418 westgotisch und 507 fränkisch. Im 7. Jh. entsteht ein fast selbständiges Herzogtum (bis 768), das im 9. Jh. erneuert wird. Durch Heirat der Erbtochter mit Heinrich II. →Plantagenet (1152) gelangt A. beim Thronantritt Heinrichs II. in England in eine Personalunion mit →England. Am Ende des hundertjährigen Krieges (1453/75) fällt A. von England an →Frankreich.

Lit.: Histoire de l’Aquitaine, hg. v. Higounet, C., 1971; Trabut-Cussac, J., L’administration anglaise en Gascogne, 1972

Äquivalenzprinzip ist der im 20. Jh. ausgebildete Grundsatz, dass zwischen dem Wert einer einzelnen Leistung der Verwaltung und der für diese geforderten Gebühr ein ausgewogenes Verhältnis bestehen muss.

Araber ist der Angehörige des in den mittelalterlichen lateinischen Quellen meist als (lat. [M.Pl.]) Saraceni bezeichneten semitischen Volkes, das zunächst auf der arabischen Halbinsel siedelt (853 v. Chr. in mesopotamischen Keilschriften erstmals er­wähnt). Die A. erobern nach der Bekeh­rung zum →Islam im frühen Kalifat (632-692) Ägypten, (638 Jerusalem,) Syrien, Irak und Persien. 711 wird Gibraltar erreicht, 716/717 Konstantinopel belagert und 732 ein Spanien einnehmender Vorstoß erst bei Tours und Poitiers von den Franken unter Karl Martell zurückgeschlagen. Im 9. Jh., in dem griechische und indische Schriften in die arabische Sprache übertragen werden, setzt der Zerfall des bald auf Bagdad (762, um 1000 Kalifenbibliotheken mit vielleicht 100000 Bänden, seit dem 12. Jh. Übersetzungen aus dem Arabischen und Griechischen in die lateinische Sprache) ausgerichteten Reiches in mehrere Einzelherrschaften ein. 1260 können die Mongolen abgewehrt werden. Das im 15. Jh. unter muslimisch gewordenen Osmanen gebildete osmanische Reich fasst die A. nochmals zusammen, doch geht 1492 mit Granada die letzte Herrschaft in Spanien verloren und werden im 19. Jh. die arabischen Länder mit dem Zerfall des osmanischen Reiches Gegenstand der Kolonialpolitik euro­päischer Staaten. Ein unmittelbarer Einfluss der A. auf das Recht Europas ist nicht nachweisbar, doch finden sich ausgehend von den wichtigsten Berührungsorten gewisse, Handel und Verwaltung betreffende mittelbare Auswirkungen (Kaufhöfe in Venedig, Seezoll in Pisa, Gesundheitsrecht in Sizilien, lat. contractus [M.] mohatrae). Im Übrigen geben die A. allgemein auch antikes Gedankengut und eigene Gelehrsamkeit fruchtbringend an das europäische Mittelalter weiter.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Amari, M., Storia dei Musulmani di Sicilia, Bd. 1ff. 1854ff.; Geschichte der arabischen Welt, hg. v. Haarmann, U./Halm, H., 4. A. 2001; Crespi, G., Die Araber in Europa, 1992; Halm, H., Die Araber, 2004; Walther, W., Kleine Geschichte der arabischen Literatur, 2004; Steinberg, G., Saudi-Arabien, 2004; Katzer, A., Araber in deutschen Augen, 2008; Schlicht, A., Die Araber und Europa, 2008; Ambrosetti, N., L’eredità arabo-islamica nelle scienze e nelle arti del calcolo dell’Europa medievale, 2008Burnett, C., Arabic into Latin in the Middle Ages, 2009; Thorau, P., Lawrence von Arabien, 2010; Schlicht, A., Geschichte der arabischen Welt, 2013

Aragonien (Aragón) im Nordosten Spaniens gelangt am Ende des 3. Jh.s v. Chr. von den Puniern an die Römer, im 5. Jh. n. Chr. an die Westgoten und 713 an die Araber. Kurz nach 800 wird es eine Grafschaft der Franken, die eine eigene (lat. [F.]) convenientia (958) hat und sich im Zuge der Rückeroberung der von den Arabern beherrschten Gebiete 1035 und 1134 zum Königreich entwickelt, in dem der →Fuero von →Jaca (1064) besondere Bedeutung hat. Dieses A. wird 1137 mit Katalonien und 1238 mit Valencia verbunden. Seit dem 13. Jh. dringt römisches Recht ein. 1247 werden die in 8, später in 12 Bücher gegliederten, vielleicht auf Vidal de Cañellas zurückgehenden, ausschließliche Geltung be­an­spruchenden Fueros de Aragón (Fori Aragonum) in Huesca verkündet. Unter die Herrschaft Aragoniens gelangen auch Sizilien (1282), Sardinien (1323) und Neapel (1442). Seit 1469 tritt A. hinter →Kastilien (1474 Personalunion) zurück und verliert die 1707 zunächst noch gewahrten Sonderrechte. Der Verlust der selbständigen Verwaltung (1833) wird erst 1982 wieder aufgehoben. Das überlieferte besondere Privatrecht gilt seit 1889 im Rahmen des Código Civil Español fort.

Lit.: Fori Aragonum 1476/1477, Neudruck 1979; Schwarz, K., Aragonische Hofordnungen, 1914; Klüpfel, L., Verwaltungsgeschichte des Königreichs Aragon, 1915; Vidal mayor, hg. v. Tilander, G., 1956; Lalinde Abadía, J., Virreyes y lugartenientes, Cuadernos de historia de España 1960, 98; Lalinde Abadía, J., La gobernación general en la corona de Aragón, 1963; Molho, M., El Fuero de Jaca, 1964; Lalinde Abadia, J./Fairen Guillen, V., Die aragonesischen Verfassungsprozesse, ZRG GA 91 (1974), 116; Los Fueros de Aragón, 1976; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privat­rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,258

Arba ‘at ha-Turim →Jakob Ben Ascher

Arbeit (Wort bereits germanisch) ist die auf Schaffung von Werten gerichtete körperliche oder geistige Tätigkeit des Menschen. Steht ursprünglich die damit verbundene Mühe im Mittelpunkt, so verlagert sich der Bedeutungskern besonders seit dem 19. Jh. auf die Unselbständigkeit und Fremd­be­stimmt­heit der Tätigkeit. Hinsicht­lich der A. treten deshalb, obwohl bereits im Mittelalter das dauernde Vorkommen vertraglich verein­barter Arbeitsverhältnisse in Stadt und Land und die beständige Sorge der Obrigkeit für Reglementierung der Entlohnung bezeugt sind, erst seit etwa 1840 Arbeitgeber und Arbeitnehmer einander gegenüber. Bezüglich der A. schließen sie den →Arbeitsvertrag, dessen Gestaltung Teil des →Arbeitsrechts ist, für das sich das besondere →Arbeits­gericht ausbildet. Bereits im 19. Jh. wird auch die Sicherung eines Rechtes des Einzelnen auf A. verlangt.

Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Arbeit und Rhythmus im Rechtsleben, ZRG GA 41 (1920), 370; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 154; Schröder, R., Zur Arbeitsverfassung des Spätmittelalters, 1984; Le travail au Moyen Age, hg. v. Hamesse, J. u. a., 1990; Jansen, R., Die Arbeitsverhältnisse an den deutschen Porzellanmanufakturen, 1990; Benöhr, H., Das Recht auf Arbeit in Frankreich 1848, ZRG GA 109 (1992), 179; Ritter, G., Arbeiter, Arbeiterbewegung und soziale Idee in Deutschland, 1996; Sellier, U., Die Arbeiter­schaftgesetzgebung, 1998; Brückner, W., Arbeit macht frei, 1998; Brandt, P., Geschichtliche Entwicklung und heutige Bedeutung des Begriffs der gefahrgeneigten Arbeit, 1998; Geschichte und Zukunft der Arbeit, hg. v. Kocka, J. u. a., 2000; Fossier, R., Le travail au moyen âge, 2000; Schaller, K., Einmal kommt die Zeit, 2001; Guinand, C., Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), 2003; Postel, V., Arbeit im Mittelalter, 2006; Steinfeld, R., Free Wage Labor and the Suffrage in Nineteenth Century England, ZRG GA 123 (2006), 267; Postel, V., Arbeit und Willensfreiheit im Mittelalter, 2009; Rijkers, F., Arbeit - ein Weg zum Heil, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Meskill, D., Optimizing the German Workforce, 2010; Humann, D., „Arbeitsschlacht“ Arbeitsbeschaffung und Propaganda in der NS-Zeit 1933-1939, 2011; Keiser, T., Vertragszwang und Vertragsfreiheit im Recht der Arbeit von der frühen Neuzeit bis in die Moderne, 2013

Arbeiter (Wort 1233-1267) ist der körper­liche Arbeit verrichtende Arbeitnehmer.

Lit.: Kulemann, W., Der Arbeiterschutz, 1893, Neudruck 2013; Bödiker, T., Die Arbeiterversicherung, 1895, Neudruck 2013; Lorenz, A., Kleine Geschichte der Arbeiter­bewegung in Deutschland von 1848 bis heute, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010;

Arbeiterkammer ist die in Österreich ab 1872 geplante, mit Gesetz vom 26. 2. 1920 eingerichtete, 1938 aufgelöste, durch Gesetz vom 20. 7. 1945 wiedererrichtete Vertretung der Arbeitnehmer (Arbeiter und Ange­stellten), die maßgeblich bei der Entwicklung des kollektiven Arbeitsrechts mitgewirkt hat.

Arbeitnehmer (Wort 1848) ist der im Arbeitsverhältnis die Arbeit ausführende Beteiligte im Gegensatz zum Arbeitgeber (Wort 1847).

Lit.: Pflaume, H., Organisation und Vertretung der Arbeitnehmer in der Bewegung von 1848/1849, 1934; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Arbeitsgericht ist das im Deutschen Reich 1926 für die erste Instanz (RGBl. 1926, 507, Inkrafttreten am 23. 12. 1926 bzw. 1. 7. 1927) geschaffene Eingangsgericht der vor allem auf Wunsch der Arbeit­nehmerseite für Streitigkeiten aus Arbeits­verträgen zu­ständigen, 1946/1953 gänzlich von der ordentlichen Gerichtsbarkeit verselbstän­digten Arbeitsgerichtsbarkeit (1927 Reichsar­beitsgericht). Vorläufer des Ar­beitsgerichts ist ein besonderes, mit Arbeitgeberbeisitzern und Arbeitnehmer­bei­sitzern besetztes Gewerbege­richt (1890, Österreich 1898). Es geht seinerseits auf den in Frankreich (Lyon 1806) von Na­po­leon auf Wunsch der Arbeitnehmer errichteten Conseil de prud’hommes zu­rück, der linksrheinisch nachgebildet (1808 Aachen-Burtscheid) und später in Preußen (1845) und im Norddeutschen Bund (1869) beibehalten wird. Noch früher gibt es in Preußen im 18. Jh. Fa­brikdeputationen und im Mittelalter allge­mein auch Entschei­dungen innerhalb der Zünfte.

Lit.: Köbler, DRG 234, 261; Kaskel, W., Die Arbeitsgerichtsbarkeit 1929; Globig, K., Gerichts­barkeit als Mittel sozialer Befriedung, 1985; Linder, M., The Supreme Labor Court, 1987; Brand, J., Untersuchungen zur Entstehung der Arbeitsgerichts­barkeit, Bd. 1 1990; Schöttler, P., Zur Mikrogeschichte der Arbeits­gerichtsbarkeit, Rechtshistorisches Journal 9 (1990), 127; Weiß, J., Arbeitsgerichtsbarkeit, 1994; 50 Jahre saarländische Arbeitsgerichtsbarkeit, hg. v. Präsidenten des Landesarbeitsgerichts, 1997; 50 Jahre Arbeitsgerichtsbarkeit des Landes Schleswig-Holstein, 1997; Brand, J., Untersuchungen zur Entstehung der Arbeits­gerichtsbarkeit in Deutschland, Bd. 2 2002, Bd. 3 2008; Bachem-Rehm, M., Die katholischen Arbeitervereine im Ruhrgebiet 1870-1914, 2004; Zimmermann, U., Die Entwicklung der Gewerbege­richts­barkeit in Deutschland, 2005

Arbeitsgesetzbuch ist das für das →Arbeitsrecht geschaffene Gesetzbuch (z. B. Deutsche Demokratische Republik 12. 4. 1961, 23. 11. 1966, 1977).

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Arbeitskampf (nach Kittner erster be­kann­ter Arbeitskampf auf deutschem Bo­den Breslau 1329) →Aussperrung, Streik

Lit.: Die Entwicklung des Arbeitskampfrechts, hg. v. Pohl, H., 1980; Sieg’l, C., Arbeitskämpfe seit dem Spätmittelalter, 1993; Schröder, R., Der ge­werb­liche Kampf, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 533; Dallmann, C., Die An­fänge des französischen Arbeitskampfrechts, Diss. jur. Würzburg 2002; Kittner, M., Arbeits­kampf, 2005 (61 Fallschilderungen zwischen 1155 v. Chr. und 2003 n. Chr.); Weber, P., Gescheiterte Sozialpartnerschaft - Gefährdete Republik, 2010; Arbeitskämpfe im Zeichen der Selbstermächtigung, hg. v. Leder, A., 2012

Arbeitslosenversicherung ist die bescheidenen gemeindlichen Anfängen (1913 in 13 deutschen Gemeinden eine Arbeits­losen­unterstützung vorhanden) folgend von 1918 an geschaffene, 1927 einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes zur Selbstverwaltung übertragene, 1969 aufgabenerweiternd im Ar­beitsförde­rungsgesetz geregelte und zum 1. 1. 1998 in das Sozialgesetzbuch (III) überführte →Sozialversicherung gegen die wirtschaft­lichen Folgen des Mangels einer Erwerbs­tätigkeit.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 233, 241; Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, hg. v. Benöhr, H., 1991; Führer, K., Arbeitslosigkeit und die Entstehung der Arbeitslosenversicherung, 1990; Lewek, P., Arbeitslosigkeit und Arbeitslosen­ver­sich­erung, 1992; Dorn, U., Arbeitslosigkeit, ZNR 1993, 12; Fukuzawa, N., Staatliche Arbeitslosenunter­stützung in der Weimarer Republik, 1995; Raithel, T. u. a., Die Rück­kehr der Arbeitslosigkeit, 2009

Arbeitslosigkeit →Arbeitslosenversicherung

Arbeitsmündigkeit →Mündigkeit

Lit.: Gefaeller, W., Entstehung und Bedeutung der Arbeitsmündigkeit, 1968

Arbeitsrecht ist das die →Arbeit be­treffende Recht. Es wird trotz der bereits im Hochmittelalter vorhandenen und seit dem 16. Jh. auch von den Landesherren ge­ordneten Tätigkeiten als Gesinde, See­mann, Bergmann, Kaufmannsdiener oder Handwerksgeselle als Rechtsgebiet erst am Be­ginn des 20. Jh.s verselbständigt (Stadthagen 1895 Arbeiterrecht, Sinz­heimer 1907f./1914, Potthoff 1925), nach­dem sich im 19. Jh. die obrigkeitlichen und genossenschaftlichen Bindungen infolge des Liberalismus lösen (z. B. Bauernbe­frei­ung) und →Arbeit zum Gegenstand frei­er vertraglicher Vereinbarung wird. Als erste gesetzliche Regelungen erscheinen Ar­beits­schutzbestimmungen (Eng­land 1802, Preußen 1839, Truckverbot 1849/­1869, Frauenschutz 1878, Gewerbe­aufsicht 1878), die das deut­sche Ar­bei­ter­schutz­ge­setz von 1891 verall­gemeinert. Flankierend wirkt die →Sozialver­siche­rung. Die seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s allmählich entwickelte Kollekti­vierung des Arbeits­rechts (1891 Arbeiterausschüsse, 1916 Hilfs­dienstge­setz) findet einen ersten Ab­schluss in der →Tarifvertragsver­ordnung (1918) und der zu­gehörigen Schlichtungs­ver­ordnung (1923). Durch die nationalso­zia­listische Regie­rung wird dann das kollek­tive A. durch eine autoritäre Arbeits­verfassung (1934 Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit) ersetzt, die nach 1945 wieder beseitigt wird. 1949 wird das Ta­rif­vertragsrecht neu gestaltet, 1951 die Mitbestimmung in der Montanindustrie ausgedehnt, in den Folgejahren eine Reihe weiterer Gesetze erlassen bzw. neu gefasst. Wo der Gesetzgeber nicht tätig zu werden vermag, tritt ersatzweise die Arbeitsge­richts­barkeit mit Richterrecht ein. In der Deutschen Demokratischen Republik wird 1961 ein Gesetzbuch der Arbeit erlassen, 1978 ein Arbeitsgesetzbuch. In der Euro­pä­ischen Wirt­schaftsgemeinschaft, Europä­ischen Gemein­schaft bzw. Europäischen Union gewinnt das europäische Recht an Bedeutung (z. B. Rechtsprechung des Europäischen Gerichts­hofs, Europäische Sozialcharta 1961). Erste Dar­stellungen des Arbeitsrechts stammen von P. Lotmar (1902/1908) und H. Sinzheimer (1907f./­1914). Als Besonderheit des Arbeitsrechts wird lange Zeit die Haftungs­einschränkung bei →gefahrge­neig­ter Tä­tigkeit angesehen.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 215, 227, 241; Sinzheimer, H., Über den Grundgedanken und die Möglichkeit eines einheitlichen Arbeitsrechts in Deutschland, 1914; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht im Mittelalter, 1934; Schmieder, E., Geschichte des Arbeitsrechts im deutschen Mittelalter, 1939; Siebert, W., Die Entwicklung der staatlichen Arbeitsverwaltung, 1943; Anton, G., Geschichte der preußischen Fabrikgesetzgebung, 1953; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Teuteberg, H., Geschichte der industriellen Mitbestimmung, 1961; Ebel, W., Quellen zur Geschichte des deutschen Arbeitsrechts bis 1849, 1964; Mampel, S., Arbeitsverfassung und Arbeitsrecht in Mittel­deutschland, 1966; Wedderburn, K., Cases and materials on labour law, 1967; Weidmann, P., Die soziale Entwicklung des zürcherischen Arbeitsrechts von 1815-1870, Diss. jur. Zürich 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3635; Ramm, T., Die Arbeitsverfassung des Kaiserreichs, FS W. Mallmann, 1978; Ramm, T., Die Arbeitsverfassung der Weimarer Republik, (in) In memoriam Sir Kahn-Freund, 1980; Umlauf, J., Die deutsche Arbeiterschutzgesetzgebung 1880-1980, 1980; Wege zur Arbeitsrechtsgeschichte, hg. v. Steindl, H., 1984; Schröder, R., Zur Arbeitsverfassung des Spätmittelalters, 1984; Tschudi, H., Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts, 1987; Lewisch, P., Der Wandel von Arbeitsethos und Arbeitsrecht in Österreich in der Zeit von Maria Theresia bis zum ABGB, 1988; Bohle, T., Einheitliches Arbeitsrecht in der Weimarer Republik, 1990; Wahsner, R., Arbeitsrecht unter’m Hakenkreuz, 1994; Rückert, J., Beschreibende Bibliographie zur Geschichte des Arbeitsrechts, 1996; Kim, Y., Die Entwicklung des Rechts der Arbeitnehmerhaftung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1996; Benöhr, H., Fast vier Tropfen sozialen Öls, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Sellier, U., Die Arbeiter­schutzgesetz­gebung im 19. Jahrhundert, 1998; Die Entstehung des Arbeitsrechts in Deutschland, hg. v. Nutzinger, H., 1998; Rudischhauser, S., Vertrag, Tarif, Gesetz. Der politische Liberalismus und die Anfänge des Arbeitsrechts in Frankreich 1890-1902, 1999; Thiele, M., Die Auflösung von Arbeitsverhältnissen, 1999; Steinmetz, W., Begegnungen vor Gericht, 2001; Bornheim, S., Die arbeitsrechtliche Normsetzung des Reichskommissariats in den Niederlanden, 2002; Böhm, A., Arthur Philipp Nikisch, 2003; Hermel, M., Karl Flesch, 2004; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Däumichen, N., Erich Molitor - Mitbegründer der neueren Arbeitsrechtswissenschaft, 2012; Pierson, T.,  Die juristische Implementation und (De-)Regulierung des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses nach 1949, ZRG GA 129 (2013), 305

Arbeitsverfassung →Arbeitsrecht

Arbeitsvertrag (Wort) 1793) ist der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die ent­geltliche Leistung von →Arbeit geschlossene →Ver­trag. Anfangs individuell ausgehandelt wird sein Inhalt unter Einschränkung der individuellen Vertragsfreiheit zunehmend kollektiv gestaltet (Tarifvertrag). Seit 1995 wird grundsätzlich die Schriftform angestrebt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Lotmar, P., Der Arbeitsvertrag, 2. A. hg. v. Rehbinder, M., 2001; Europäisches Arbeitsvertragsrecht, hg. v. Molitor, E. u. a., 1928ff.; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertrags­recht im deutschen Mittelalter, 1934; Schmieder, E., Geschichte des Arbeitsrechts im deutschen Mittelalter, 1939; Gellbach, H., Arbeitsvertragsrecht der Fabrikar­beiter im 18. Jahrhundert, 1939; Kaiser, A., Zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und Gesellschafts­ordnung während des 19. Jahrhunderts, ins­bes­on­dere in den Auseinandersetzungen über den Arbeitsvertrag, 1972; Söllner, A., Der industrielle Arbeitsvertrag in der deutschen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, (in) Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 288; Vietinghoff-Scheel, E. v., Gewerbliche Arbeits­verhältnisse in Preußen, Diss. jur. Göttingen 1972; Ebert, K., Der industrielle Arbeits­vertrag in der österreichischen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 92 (1975), 143; Söllner, A., Entwicklungslinien im Recht des Arbeitsver­hältnisses, (in) NS-Recht in historischer Perspektive, hg. v. Institut für Zeitgeschichte, 1981, 135; Alonso Olea, M., Von der Hörigkeit zum Arbeitsvertrag, 1981; Wild, T., Die Entwicklung des Gesamtarbeitsver­tragsrechts, 1984; Klippel, D., Der Lohnarbeitsvertrag in Naturrecht und Rechtsphi­losophie, (in) Geschicht­liche Rechtswissenschaft, hg. v. Köbler, G., 1990; Entwürfe zu einem deutschen Arbeitsver­trags­gesetz mit dem Arbeitsgesetzbuch der DDR von 1990 und dem österreichischen Entwurf einer Teilkodifi­kation des Arbeitsrechts von 1960, hg. v. Ramm, T, 1992; Becker, M., Arbeitsvertrag und Arbeitsver­hältnis, 1995; Thiele, A., Die Auflösung von Arbeitsver­hältnissen, 2000; Becker, M., Arbeitsvertrag und Arbeitsver­hältnis während der Weimarer Republik und in der Zeit des Nationalsozialismus, 2005; Bausback, M., Der Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Totseva, M., Grundlagen der Arbeitsvertragstheorie im 19. Jahrhundert in Deutschland und England, 2013

Arbeitszeit ist die für →Arbeit aufzu­wendende Zeit des Arbeitnehmers. Ihre Be­stimmung ist Ausfluss der Verrechtlichung des Arbeitsverhältnisses. Im Zug der Indus­triali­sierung verlängert sich die A. durch Wegfall von Feiertagen erkennbar (um 20 Prozent?). Am 23. 11. 1918 wird im →Deutschen Reich der Achtstundentag ange­ordnet und am 21. 12. 1923 die A. durch die Arbeitszeitordnung sowie 1994 durch das Arbeitszeitrechtsgesetz allgemein geregelt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bischoff, S., Arbeitszeitrecht in der Weimarer Republik, 1987; Grabherr, S., Das Washingtoner Arbeitszeitübereinkommen von 1919, 1992; Voth, H., Time and Work in England 1750-1830, 2000

arbiter (lat. [M.]) Schiedsrichter, →Schiedsgericht

Lit.: Kampmann, C., Arbiter und Friedensstiftung, 2001

arbiträr (Adj.) willkürlich, nach Ermessen (z. B. Strafe [lat. poena arbitraria], möglich nach der Constitutio Criminalis Carolina 1532, ausgedehnt durch Benedikt Carpzov 1595-1666, eingeschränkt durch das Straf­gesetzbuch Josephs II. von 1787 bzw. das Strafgesetzbuch Bayerns von 1813).

Arbitrium (lat. [N.]) Ermessen, Gutachten, Entscheid, Schiedsspruch

Lit.: Meccarelli, M., Arbitrium iudicis und officialis im ius commune, ZRG GA 115 (1998), 552

archaisch (Adj.) altertümlich (anschaulich, einfach, mündlich)

Archäologie (Altertumskunde) ist die Wissenschaft von den gegenständlichen Hinterlassenschaften (z. B. Bauwerke, Geräte, Münzen, Knochen) von Menschen, die bei günstigen Voraussetzungen auch ethnische Unterschiede (z. B. im Frühmittelalter) wahr­scheinlich machen kann.

Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Niemeyer, H., Einführung in die Archäologie, 3. A. 1983; Enzyklopädie der Archäologie, hg. v. Daniel, G., 1996; Fehring, G., Die Archäologie des Mittelalters, 3. A. 2000; Sinn, U., Einführung in die klassische Archäologie, 2000; Halle, U., Die Externsteine sind bis auf weiteres germanisch!, 2002; Martini, W., Sachwörterbuch der klassischen Archäologie, 2003; Bäbler, B., Archäologie und Chronologie, 2004; Die Aktualität des Archäo­logischen, hg. v. Ebeling, K. u. a., 2004; Frommer, S., Historische Archäologie, 2007; Eberhardt, G., Spuren­suche in der Vergangenheit, 2010; Ickerodt, U., Einführung in das Grundproblem des archäologisch-kulturhistorischen Vergleichens und Deutens, 2010

Archidiakon ist seit etwa 365 der Leiter der →Diakone einer Bischofskirche, der sich zum Stellvertreter des →Bischofs entwickelt, ehe er bis zum 19. Jh. weitgehend verschwindet.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Reinhardt, R., Das Archidiakonat auf dem Konzil von Trient, ZRG KA 61 (1975), 84

Archipresbyter ist der seit Anfang des 5. Jh.s nachweisbare Stellvertreter des →Bischofs bei Messfeier und Spendung der Sakramente, im frühen Mittelalter der Leiter der Priester einer Taufkirche.

Lit.: Faure, J., L’archiprêtre, 1911

Archiv ist die Einrichtung zur (geordneten) Sammlung und Aufbewahrung sowie Verwertung von Schriftgut (z. B. Akten, Urkunden, Karten, Pläne, Bilder, Dateien, Programme). Archive sind bereits in der Antike dort vorhanden, wo (umfangreiches) Schriftgut anfällt. Hieran schließt sich seit dem 3. Jh. die christliche Kirche an, deren frühmittelalterliches Schriftgut gleichwohl zu großen Teilen verloren ist. Im weltlichen Bereich werden Archive mit dem 12. Jh. sichtbar. Für das Heilige römische Reich setzt eine dauerhafte zentrale Archivierung erst mit König bzw. Kaiser Maximilian am Übergang zur Neuzeit ein. Das Hauptproblem der Gegenwart ist die große Menge des Schriftguts, das nach dem Grundsatz der Archivwürdigkeit von wissenschaftlich ausge­bildeten Archivaren (München 1821, Marburg 1894) gesichtet werden muss.

Lit.: Köbler, DRG 105, 145; Goldinger, W., Geschichte des österreichischen Archivwesens, 1957; Schellenberg, T., Akten- und Archivwesen, 1961; Kleinau, H., Übersicht über die Bestände des niedersächsischen Staatsarchivs in Wolfenbüttel, 1963; Meisner, H., Archivalienkunde, 1969; Papritz, J., Archivwissenschaft, 1976; Gesamtarchiv Schenk von Stauffenberg, Herrschaft Wilflingen, hg. v. Becker, O., 1981; Archiv der Freiherren von Woellwarth. Urkundenregesten 1359-1840, bearb. v. Hofmann, N., 1991; Die Bestände des Generallandesarchivs Karlsruhe, Teil 7 Spezialakten der badischen Ortschaften (229), bearb. v. Rupp, R., 1992; Franz, E., Einführung in die Archivkunde, 4. A. 1993, 5. A. 1999, 8. unv. A. 2010; Gaisberg-Schöckingensches Archiv, bearb. v. Müller, P., 1993; Füchtner, J., Quellen rheinischer Archive zur neuzeit­lichen Personen- und Familiengeschichte, 1995; Bayerisches Hauptstaats­archiv, red. Liess, A., 1996; Musial, T., Staatsarchive im Dritten Reich, 1996; Strauch, D., Das Archivalieneigentum, 1998; Weiser, J., Geschichte der preußischen Archivverwaltung, 2000; Handbuch der bayerischen Archive, hg. v. bayerischen Archivtag, 2001; Die archivalischen Quellen, hg. v. Beck, F. u. a., 2002, 4. A. 2004, 5. A. 2012; Brenner-Wilczek, S. u. a., Einführung in die moderne Archivarbeit, 2006; Schoch, F. u. a., Archivgesetz, 2007; Schenk, D., Kleine Theorie des Archivs, 2008; Schreyer, H., Das staatliche Archivwesen der DDR, 2008; Les archives dans l’université, hg. v. Robert, O., 2009; Staatliche Archive als landeskundliche Kompetenzzentren, hg. v. Kretzschmar, R., 2010; Archivische Informa­tions­­systeme, hg. v. Maier, G. u. a., 2010; Rechts­fragen der Nutzung von Archivgut, hg. v. Rehm, C. u. a., 2010; Archivpflege und Archiva­lien­schutz. Das Beispiel der Familienarchive und „Nachlässe“, hg. v. d. Generaldirektion, 2011; Gewalt der Archi­ve, hg. v. Weitin, T., 2012; Vogt, A., Archivführer zur Wissenschaftsgeschichte, 2013; Stadtgedächntis Stadtgewissen Stadtgeschichte, 2013; Friedrich, M., Die Geburt des Archivs, 2013; Hochedlinger, M., Österreichische Archivgeschichte, 2013

Arco

Lit.: Waldstein-Wartenberg, B., Geschichte der Grafen von Arco, 1971

Arelat (N.) Gebiet bzw. Reich um Arles in Burgund im Mittelalter

Arenga ist die der spätrömischen Rhetorik entstammende Einleitungsformel mittelalterli­cher Urkunden, die mit meist sehr allge­meinem Inhalt vom Protokoll (Urheber, Empfänger  u. s. w.) zum Text (Inhalt) überleitet.

Lit.: Fichtenau, H., Arenga, 1957

argentarius (lat. [M.]) Bankier, →receptum (argentarii)

Ärgere Hand (lat. conditio [F.] vilior) ist die Kurzfassung des aus dem Grundsatz der Ebenburt (→Ebenbürtigkeit) an manchen Stellen folgenden mittelalterlichen Rechts­satzes, dass Kinder aus Ehen von Ange­hörigen unterschiedlicher Stände dem Stand des schlechter geborenen Elternteils ange­hören. Dieser Grundsatz nimmt vielleicht seinen Ausgang bei Ehen zwischen Unfreien und Freien. Mit der Durchsetzung der Gleichheitsidee (1789) verliert er seine Bedeutung.

Lit.: Hübner 104; Kroeschell, DRG 1; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau und der Kinder, 1912; Binder-Krieglstein, R., Österreichisches Adelsrecht, 2000

Arglist (Wort um 1000, arglistig um 1300) ist die hinterhältige Gesinnung. Im klassischen römischen Schuldrecht verletzt jedes auf A. (lat. dolus [M.] malus) beruhende Verhalten ohne weiteres die Vertragstreue, so dass die Einrede (lat. [F.] exceptio) der A. auch ohne besondere Vereinbarung offensteht. In der Neuzeit bewirkt A. bei Täuschung die Anfechtbarkeit der dadurch beeinflussten Willenserklärung und kann arglistige Täuschung Strafbarkeit wegen Betrugs nach sich ziehen.

Lit.: Kaser § 8 V; Köbler, DRG 42, 49; Braun, F., Ohne Arglist, ZRG GA 54 (1934), 246; Raschke, M., Der Betrug im Zivilrecht, 1900; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Arianer ist der Angehörige der 325 auf dem Konzil von Nizäa verworfenen Lehre des alexandrinischen Priesters Arius, nach der Christus Gott nicht wesensgleich ist. Goten, Vandalen und Langobarden sind bis ins 6. Jh. A., die Franken dagegen von Anfang an Athanasianer.

Lit.: Courtois, C., Les Vandales et L’Afrique, 1955; Meslin, M., Les Ariens, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972

Arier ist der Angehörige eines arisch (indoiranisch) sprechenden, seit der Mitte des 2. Jt. v. Chr. geschichtlich nachweisbaren, auf die →Indogermanen zurückführbaren Vol­kes. Seit dem 19. Jh. wird zunächst A. mit Indogermane gleichgesetzt und dann allmählich A. als Angehöriger der nordischen →Rasse verstanden. Im Dritten Reich bedeutet A. in antijüdischer Veränderung den Nichtjuden.

Lit.: Bajohr, F., „Arisierung“ in Hamburg, 1997

Arimanne (Heermann, lat. [M.] exercitalis) ist bei den Langobarden im Frühmittelalter der vollfreie Krieger, insbesondere möglicherweise der auf Königsland angesiedelte, dem König ver­pflichtete Krieger. Unklar sind die Bezüge zu einer vom 10. bis zum 13. Jh. belegten Abgabe ari­mannia.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Cavanna, A., Fara sala arimannia, 1967; Jarnut, J., Beobachtungen zu den langobardischen arimanni und exercitales, ZRG GA 88 (1971), 1; Jarnut, J., Prosopographische und sozialgeschichtliche Studien zum Langobardenreich in Italien, 1972; Strukturen und Wandlungen der ländlichen Herrschaftsformen vom 10. zum 13. Jahrhundert, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2000

Arisierung ist im Dritten Reich (Adolf →Hitlers) die überwiegend rechtswidrige Verdrängung der →Juden aus dem Berufsleben und der Wirtschaftstätigkeit des Deutschen Reiches (u. a. Verordnungen vom 26. 4. 1938, 25. 11. 1941), die nach 1945 nur teilweise ausgeglichen wird.

Aristokratie (F.) Adelsherrschaft, Adel (im Gegensatz zu Monarchie und Demokratie sowie auch zu Oligarchie)

Aristoteles (Stageira 384 v. Chr.-Chalkis/Euböa 322 v. Chr.) Schüler Platos

Lit.: Jaeger, W., Aristoteles, 1923; Düring, I., Aristoteles, 1966; Flashar, H., Aristoteles. Lehrer des Abendlandes 2013

Armenier ist der Angehörige des armenisch sprechenden, indogermanischen Volkes (10,4 Millionen), das zu Beginn des 20. Jh.s von Türken bekämpft wird.

Lit.: Der Genozid an den Armeniern, hg. v. Kieser, H. u. a., 2006

Armenrecht ist die einstweilige Befreiung einer armen (unbemittelten) Partei von den Kosten eines Rechtsstreits. Sie ist eine besondere Ausprägung der Bevorzugung wegen Armut, wie sie bereits von der mittelalterlichen Kirche gefordert wird. Sie findet sich etwa in der Kammerge­richts­ordnung bzw. Reichskam­mer­ge­richts­ordnungen von 1471 (§ 7), 1495 (§ 27), 1555 (1, 41) oder in der Constitutio Criminalis Carolina (Art. 47 CCC). In Deutschland wird 1980 das A. durch die →Prozesskostenhilfe (1981 §§ 114ff. ZPO) ersetzt.

Lit.: Köbler, DRG 155, 263; Schott, C., Armenfürsorge, Bettelwesen und Vagantenbe­kämpf­ung in der Reichsabtei Salem, 1978; Mollat du Jourdin, M., Die Armen im Mittelalter, 2. A. 1987; Scherner, K., Arme und Bettler, ZNR 1988, 129; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Krauß, M., Armenwesen und Gesundheitsfürsorge in Mannheim vor der Industrialisierung, 1993; Tierney, B., Medieval poor law, 1995; Hippel, W. v., Armut, Unterschichten, Randgruppen in der frühen Neuzeit, 1995, 2. A. 2013; Eser, S., Verwaltet und verwahrt, 1996; Hudemann-Simon, C., L’État et les pauvres, 1997; Hartlief, E., Die Düsseldorfer Armenversor­gungsanstalt, Diss. jur. Köln 1998; Wohlrab, K., Armut und Staatszweck im deutschen Naturrecht, 1998; Sachße, C. u. a., Ge­schichte der Armenfürsorge in Deutschland, 2. A. 1998; Humborg, M., Das Armenrecht, Diss. jur. Münster 1999; Rosenbaum, U., Liebestätigkeit und Armenpflege in der Stadt Zwickau, 1999; Jütte, R., Arme, Bettler, Beutelschneider, 2000; Gerhold, W., Armut und Armenfürsorge im mittelalterlichen Island, 2002; Armut im Mittelalter, hg. v. Oexle, O., 2004; Armut und Armenfürsorge in der italienischen Stadtkultur, hg. v. Helas, P. u. a., 2006; Being poor in modern Europe, hg. v. Gestrich, A. u. a., 2006; Norm und Praxis der Armenfürsorge in Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. v. Schmidt, S. u. a., 2006; Armenfürsorge und Wohltätigkeit - Ländliche Gesell­schaften in Europa 1850-1930, hg. v. Brandes, I. u. a., 2008; Ludyga, H., Obrigkeitliche Armenfürsorge im deutschen Reich, 2010; Wagner, A., Gleicherweiß als wasser, 2011; Schallmann, J., Arme und Armut in Göttingen 1860-1914, 2014

Armesünder ist ursprünglich der in der Kirche bemitleidenswerte Sünder (lat. miser peccator), in der frühen Neuzeit der dem peinlichen Gericht überantwortete Täter, insbesondere wenn er bereits (zum Tod) verurteilt ist.

Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Rechtliche Volkskunde, 1936; Radbruch, G., Elegantiae iuris criminalis, 2. A. 1950, 163

Arnstein

Lit.: Heinrich, G., Die Grafen von Arnstein, 1961

Arnulfinger ist der Angehörige der nach Bischof Arnulf von Metz benannten Familie der Pippiniden oder späteren Karolinger. Von den Arnulfingern sind (ab etwa 650) 34 Urkunden und ein Brief überliefert (davon elf Fälschungen oder starke Verfälschungen), zu denen 56 verlorene Urkunden hinzuzrechnen sind (90 Privaturkunden) (2011 23 echte Urkunden, ein Brief, 12 mittelalterliche Fälschungen, [vier moderne Fälschungen,] 56 verlorene Urkunden?).

Lit.: Die Urkunden der Arnulfinger, hg. v. Heidrich, I., 2001, vgl. http://www.igh.histsem.uni-bonn.de; Die Urkunden der Arnulfinger, hg. v. Heidrich, I., 2011

arra (lat. [F.]) Angeld, →arrha

Arras

Lit.: Kéry, L., Die Errichtung des Bistums Arras 1093/1094, 1994

Arrest ist die Verhaftung (eines Menschen oder einer Sache) oder Beschlag­nahme und insbesondere das Eilverfahren des Zivil­prozesses zur Sicherung der Zwangsvoll­streckung wegen einer Geldforderung oder wegen eines Anspruchs, der in eine Geldforderung übergeht. Im römischen Recht fehlt eine solche Einrichtung. Die Bezeich­nung A. erscheint seit dem Anfang des 13. Jh.s in französischen Quellen und wenig später auch in lateinischen Texten (arrestare, arrestum, Frankfurt am Main 1297, Liber Sextus 1298, Sachsenspiegelvulgatfassung um 1340, wissenschaftlich erörtert von Andreas Gail 1586, David Mevius 1674). Seit dem 17. Jh. verdrängen arrestieren und Arrest allmählich die ältere deutsche Bezeichnung Kummer für ein wohl schon seit dem frühen Mittelalter bekanntes, (nach Hans Planitz aus einem Handhaftverfahren erwachsenes,) seit dem späteren 12. Jh. (Köln 1178, be­schleunigtes gerichtliches Verfahren Hagenau 1164) durch Privilegien und Verträge urkundlich bezeugtes Verfahren, bei dem vielleicht anfangs der Personalarrest als außergerichtliche Selbsthilfemaßnahme des Gläubigers im Vordergrund steht, aber schon seit dem 13. Jh. von dem Sacharrest zurück­gedrängt wird. Seit dem Ende des 13. Jh.s macht der Gläubiger bei Gericht seinen Anspruch glaubhaft und der Richter ordnet die Anlegung des Arrests (meist bei Gericht) an., wobei erst nach Durchführung eines ordentlichen Verfahrens eine Zwangsvoll­streckung erfolgen kann.

Lit.: Köbler, DRG 116, 202; Briegleb, H., Arrest und Kummer - Vermischte Abhandlungen I 1868, 1; Wach, A., Der italienische Arrestprozess, 1868, Neudruck 1973; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, 1879; Rudorff, H., Zur Rechtsstellung der Gäste im mittelalterlichen städtischen Prozess, 1907; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914; Planitz, H., Studien zur Geschichte des deutschen Arrestprozesses, ZRG GA 34 (1913), 49; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914; Planitz, H., Studien zur Geschichte des deutschen Arrestprozesses – Der Fremdenarrest, ZRG GA 39 (1918), 223, 40 (1919), 87; Planitz, H., Grundlagen des deutschen Arrestprozesses, 1922; Mahnke, H., Das Arrestverfahren in den Lübecker Ratsurteilen, Diss. jur. Kiel 1961; Kraß, G., Das Arrestverfahren in Frankfurt am Main, 1996

Arrha (lat. [F.] arra, arrabon) ist die nach semitischem Vorbild („altorientalischer Arrhalvertrag“) im hellenistischen Recht bekannte, im entwickelten römischen Recht entbehrliche Draufgabe (Angeld) bei einem Vertragsschluss. Wer abredeuntreu wird, verwirkt im spätantiken Recht als Geber die a. an den Gegner und muss sie als Nehmer in doppelter Höhe zurückgeben. Im Früh­mittelalter (Codex Euricianus 297, Lex Baiwariorum 16, 10, Lex Visigothorum 3, 1, 3-4 [für Verlobung]) soll mit der Hingabe einer Teil­leistung ein Vertrag geschlossen worden sein, der vielleicht anfangs nur den Empfänger verpflichtet. Vielfach wird die a. nur als Symbol gegeben, das von den Beteiligten sofort verschenkt oder vertrunken wird. Seit dem Spätmittelalter verliert die auch als Weinkauf (Worms 1498), Angeld (ABGB § 908 [1811]) oder Draufgabe (ALR I 5 § 207 [1794], BGB § 337 [1896/1900]) bezeichnete a. außerhalb des Gesinderechts (Handgeld) ihre schuldbegründende Bedeutung und nähert sich dem →Reugeld. In jedem Fall hat die a. eine gewisse Beweisfunktion.

Lit.: Kaser § 41; Hübner 535ff.; Köbler, DRG 64, 91, 127; Köbler, LAW; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910; Calogirou, G., Die Arrha im Vermögensrecht, 1911, Neudruck 2013; Gastreich, F., Die Draufgabe, 1933; Siems, H., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992

Arrhalvertrag ist der aus dem Orient in das spätrömische Recht eindringende, unter notwendiger Verwendung einer →arrha (Hingabe unter An­rechnung auf die Ge­samtleistung oder oh­ne Anrechnung) entstehende, vom Formalver­trag und vom Realvertrag zu trennende →Vertrag.

Lit.: Köbler, DRG 91, 126, 164

Arrogation (F.) Annahme

Lit.: Seelentag, A., Ius pontificium cum iure civili coniunctum - Das Recht der Arrogation in klassischer Zeit, 2013

Ars (F.) dictandi (lat.) ist die seit dem 12. Jh. auftretende Bezeichnung für die Lehre vom Abfassen von Briefen und Urkunden, die auf Grund der antiken Rhetorik und Grammatik am Anfang des 12. Jh.s in Oberitalien ausgebildet wird ([lat.] Praecepta [N.Pl.] dictamina 1111?).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Rockinger, L., Über Briefsteller und Formelbücher, 1861; Schmale, F., Die Bologneser Schule der ars dictandi, DA 13 (1967); Schaller, D., Baldwin von Viktring, DA 35 (1979)

Ars (F.) notaria (lat.) ist die auf Grund antiker Vorläufer am Beginn des 13. Jh.s (ars notaria 1221) in Oberitalien (Bologna) ver­selbständigte Lehre von der Beurkundung von Rechtshandlungen ([lat.] Formularium [N.] tabellionum 1200/1205, Rainerius Perusinus 1226-1233, Rolandus Passagerii [Summa Rolandina, 1255ff.]).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Anselmi, A., Le scuole di notariato in Italia, 1926

Artes (F.Pl.) liberales (lat., Sg. ars liberalis) sind die in der römischen Antike auf der Grundlage der griechischen Philosophie von Bürgern gepflegten Wissenschaftsfächer (Grammatik, Rhetorik, Dialektik als sog. Trivium, Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik als sog. Quadrivium), die im Mittelalter den Gegenstand der artistischen Fakultät der Universität bilden (schätzungs­weise 200000 Studierende in Deutschland im Mittelalter ohne späteren Übertritt in eine der drei höheren Fakultäten, 50-70 Prozent ohne Graduierung).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Meyer, G., Die sieben freien Künste im Mittelalter, 1886; Glorieux, P., La faculté des arts et ses maîtres aux XIIIe siècle, 1971; Curtius, E., Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, 9. A. 1978; Englisch, B., Die artes liberales im frühen Mittelalter, 1994; Artisten und Philosophen, hg. v. Schwinges, R., 1999; Haage, B./Wegner, W., Deutsche Fachliteratur der artes in Mittelalter und früher Neuzeit, 2007

Articuli (M.Pl.) reprobati (lat., Sg. articulus reprobatus) sind die von Papst Gregor XI. am 8. 4. 1374 auf Betreiben des Augustinermönchs Johannes →Klenkok (Dekadikon, Magdeburg 1369) ohne wesentliche Auswirkung für nichtig erklärten 14 Artikel des →Sachsenspiegels, die kirchliches Verfassungsrecht (Landrecht I 3 § 3, III 57 § 1, III 63 § 2), Verfahrens­recht (Landrecht I 18 §§ 2, 3, I 39, I 63 § 3, I 64, II 12 § 10) und Privatrecht (Landrecht I 6 § 2, I 37, I 52 §§ 1, 2) betreffen.

Lit.: Köbler, DRG 117; Homeyer, C., Johannes Klenkok wider den Sachsenspiegel, Abh. d. Ak. d. Wiss. Berlin, phil.-hist. Kl. 1855, 1856, 377; Böhlau, H., Zur Chronologie der Angriffe Klenkoks, ZRG GA 4 (1883), 118; Brünneck, W. v., Zur Geschichte der articuli reprobati im Ermlande, ZRG GA 31 (1910), 426; Kirche und Staat, hg. v. Eichmann, E., Bd. 2 1914, Neudruck 1968, 159ff.; Kullmann, J., Klenkok und die „articuli reprobati“ des Sachsenspiegels, Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Oppitz, K., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 28; Der Sachsenspiegel als Buch, hg. v. Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1991; Ocker, C., Johannes Klenkok, 1993

articulus (lat. [M.]) Artikel

Artikel (M.) Gliedchen, Abschnitt

Artikelbrief ist der in Abschnitte gegliederte Brief (z. B. Dienstvertrag für Söldner, Kriegsartikel, Zunftbrief, Forderungen der Bauern 1525).

Lit.: Pelz, S., Die preußischen und reichsdeutschen Kriegsartikel, Diss. jur. Hamburg 1979; Seebass, G., Bundesordnung und Verfassungsentwurf, 1988

Artikelprozess ist der im Spätmittelalter entwickelte römisch-kanonische Zivilprozess, bei dem der Kläger nach der Erhebung der Klage und nach Durchführung der Streit­befestigung seinen Vortrag in scharf abge­grenzte Behauptungen einzelner Tatsachen ([lat. F.Pl.] positiones [bzw. articuli]) zerlegen (wahr, dass) und der Beklagte dazu einzeln Antworten ([lat. F.Pl.] responsiones, glaubt wahr bzw. glaubt nicht wahr) geben muss, so dass sich (aus diesen auch als Artikel bezeichneten Positionen und Responsionen) leicht(er) das Bestrittene und vom Kläger zu Beweisende ermitteln lässt. Der A. wird bereits von der Reichskammergerichts­ordnung des Jahres 1496 (Art. 12, ähnlich 1555, 1570) übernommen, wegen seiner Schwerfälligkeit unter dem Einfluss des sächsischen Prozesses durch den jüngsten Reichsabschied von 1654 aber bis auf die noch im 19. Jh. erlaubten Beweisartikel wieder aufgegeben (vgl. aber Obliegenheit der Darlegung der Bestrittenheit oder Nichtbestrittenheit von Tatsachen für den Beklagten der Gegenwart).

Lit.: Linde, v., Lehrbuch des deutschen gemeinen Zivilprozesses, 7. A. 1850; Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses, 1861, 3. A. 1878; Budischin, J., Der gelehrte Zivilprozess, 1974; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977; Oestmann, P., Rechtsvielfalt vor Gericht, 2002; Lepsius, S., Von Zweifeln zur Überzeugung, 2003

Artushof ist das von dem sagenhaften britischen König Artus (um 500) abgeleitete gesellschaftliche Bürgernetzwerk in Hanse­städten (z. B. Danzig 1350) bzw. das ihm dienende Gebäude.

Lit.: Selzer, S., Artushöfe im Ostseeraum, 1996

Arumaeus (van Arum), Dominikus (Leeuwarden 1579-Jena 24. 2. 1637) wird nach Studien in Franeker, Oxford, Rostock und Jena dort 1600 promoviert und 1602 zum außerordentlichen Professor (1605 ordent­licher Professor) ernannt. Er begründet die sich an deutschen Quellen ausrichtende, methodisch gemeinrechtlich arbeitende Reichsstaatsrechtslehre, innerhalb deren er das Reich als eine ständisch mitbestimmte Monarchie ansieht.

Lit.: Arumaeus, D., Commentarius de comitiis Romano-Germanici Imperii, 1630; Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus, 1968; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988; Friedrich, M., Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, 1997

Arzt ist der wissenschaftlich vorgebildete Heilkundige.

Lit.: Niederhellmann, A., Arzt und Heilkunde in den frühmittelalterlichen Leges, 1983; Täterschaft, Straf­verfolgung, Schuldentlastung, hg. v. Böhm, B. 2007; Laufs, A./Katzenmeier, C./Lipp, V., Arzt­recht, 6. A. 2009; Tascher, G., Staat, Macht und ärztliche Berufsausbildung 1920-1956, 2010; Höftmann, D., Der Vergütungsanspruch des Kassenarztes, 2013

As (lat. [N.]) ist eine römische Geldeinheit.

Asega ist eine Figur der (hoch)mittelalterlichen altfriesischen (Hunsigoer, Emsigoer, Fivel­goer, Rüstringer und Westerlauwerschen) Rechtsquellen (17 Küren und 24 Landrechte), deren Alter (vorfränkisch?, nachkarolingisch?) und Bedeutung (Gesetzessprecher?, Urteilsfinder?, Rechtskenner) umstritten sind.

Lit.: Jaekel, H., Abba, asega und redjeva, ZRG GA 27 (1906), 114; Gerbenzon, P., Der altfriesische asega, der altsächsische eosago und der althochdeutsche esago, TRG 41 (1973), 75; Köbler, G., Zu Alter und Herkunft des friesischen asega, TRG 41 (1973), 93

Asien ist der von Europa bis zum Pazifik reichende, u. A. Indogermanen, Mongolen, Chinesen und Japaner beherbergende Konti­nent.

Lit.: Nissen, H., Geschichte Altvorderasiens, 1999, 2. A. 2013; Krieger, M., Geschichte Asiens, 2003; Mann, M., Geschichte Südasiens 1500 bis heute, 2010; Ostasiatisches Strafrecht, hg. v. Hilgendorf, E., 2010;

Askanier ist der Angehörige eines ursprünglich alemannisch-fränkischen Ge­schlechts, das um 1000 am Harz erscheint. Unter Albrecht dem Bären († 1170) betreibt es die Ostsiedlung und erwirbt 1180 das Herzogtum Sachsen (Gebiet um Wittenberg). Die brandenburgischen Güter der A. fallen 1319 an die →Wittelsbacher, die wittenbergischen 1422 (mit der 1356 in der Goldenen Bulle gesicherten Kurfürstenwürde) an die →Wettiner und die lauenburgischen 1689 an die →Welfen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon; Diederichs, A., Erbe und Erben Albrechts des Bären, VuG 28 (1938); Schmidt, E., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Marcus, P., Herzog Bernhard von Anhalt, 1993; Partenheimer, L., Albrecht der Bär, 2001

assecuratio (lat. [F.]) →Versicherung

Assekuranz ist die wohl im 17. Jh. aus Italien übernommene, im 19. Jh. verdrängte Bezeichnung für die →Versicherung.

Assessor ist in der Spätantike der Rechtsberater hoher Amtsträger, seit dem 15. Jh. (?) der rechtsgelehrte Beisitzer eines Gerichts (z. B. des königlichen Kammerge­richts oder seit 1495 des Reichskammer­gerichts), seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s der Anwärter auf eine feste Anstellung im höheren Staatsdienst.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 153; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911; Jahns, S., Das Reichskammergericht und seine Richter, Bd. 1f. 2003ff.; Mader, E., Die letzten Priester der Gerechtigkeit, 2005

Assise (mlat. [F.] assisa) ist die Versammlung und die Gesamtheit der dort beschlossenen Rechtssätze vor allem in Frankreich und England (z. B. Assise regum regni Sicilie [von Ariano] 1140, Assise sur la ligece um 1165, Assize of Clarendon 1166 Assize of novel disseisin, Assize of Northampton 1176, Grand Assize 1179, Assize of Woodstock 1184). In England entwickelt sich daraus die Laienjury, die in Frankreich nach 1789 übernommen wird. Demgegenüber sind die Assisen von Jerusalem private Sammlungen von Abhandlungen über das Recht des Königreichs Jerusalem und Zyperns in französischer Sprache des 13. Jh.s.

Lit.: Köbler, DRG 108; Stenton, D., The Earliest Northamptonshire Assize Rolls, 1940; Grandclaude, M., Étude critique sur les livres des Assizes de Jérusalem, 1923; Dilcher, H., Normannische Assisen und römisches Recht, 1966; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975; Jenks, S., Die Assisen von Clarendon (1166) und Northampton (1176), Ius commune 21 (1994), 149

Asso y del Río, Ignacio (1742-1804) begründet 1771 mit den (span.) Instituciones (F.Pl.) del derecho civil de Castilla ein aus partikularer Rechtssatzung schöpfendes, neben das römische Recht tretendes gemeines spanisches (kastilisches) Privatrecht, das be­grifflich und systematisch noch rö­misch­recht­lich geprägt ist.

Lit.: Mora, C., Vida y obra de Don Ignacio de Asso y del Río, 1972

Assyrer ist der Angehörige des im vorderen Orient (mittleres und nördliches Zwei­stromland bzw. Irak) vom 2. Jahrtausend v. Chr. an bedeutenden, das semitische Akka­dische sprechenden, im späten 7. Jh. v. Chr. den Medern und Persern unterliegenden Volks.

Lit.: Chicago assyrian Dictionary, Bd. 1ff. 1921ff. (21 Bände mit 10000 S.); Cancik-Kirschbaum, E., Die Assyrer, 2003

Asyl (N.) unverletzlich(er Ort), Zuflucht Asylrecht

Asylrecht ist das Recht der geschützten Zuflucht (politisch) Verfolgter. In griechischer und späterer römischer Zeit besteht das sakral-magisch geprägte Recht, einem Täter an einem heiligen Ort vorübergehend Schutz zu gewähren, für Tempel und wird von dort im 5. Jh. auf christliche →Kirchen übertragen. Ob eine ähnliche Einrichtung auch den Germanen bekannt ist, lässt sich nicht feststellen. Die wohl durch römisch-christliches Vorbild geprägte karolingische Zeit schränkt das A. auf noch nicht verurteilte Täter und auf bestimmte Fristen ein. Örtlich wird später die Möglichkeit des Asylrechts auf Friedhof, Kloster, Pfarrhaus, Richterhaus  u. s. w. erweitert. Der neuzeitliche Staat schafft das A. bis zum Ende des 18. Jh.s als geordneter Rechtspflege entbehrlich bzw. entgegenste­hend ab (Frankreich 1539, England 1625, Österreich 1787). Danach gewährt er aber selbst politisch Verfolgten Schutz vor Verfolgung in einem Verfolger­staat (Art. 16 GG 1949).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 259; Bindschedler, R., Kirchliches Asylrecht (Immunitas ecclesiarum localis) und Freistätten in der Schweiz, 1906; Mittermaier, H., Die geschichtliche Entwicklung des Asylrechts, Diss. jur. München 1950; Henßler, O., Formen des Asylrechts, 1954; Kimminich, O., Die Geschichte des Asylrechts, 1978; Siems, H., Zur Entwicklung des Kirchenasyls, (in) Libertas, 1991, 139; Reiter, H., Politisches Asyl im 19. Jahrhundert, 1992; Theler, J., Asyl in der Schweiz, 1995; Gamauf, R., Ad statuam licet confugere, 1999; Backsmann, K., Das Asylrecht in Preußen, Diss. jur. Bonn 2000; Fruscione, D., Das Asyl bei den germanischen Stämmen im frühen Mittelalter, 2003; Bammann, K., Im Bannkreis des Heiligen, 2002; Das antike Asyl, hg. v. Dreher, M., 2003; Derlien, J., Die religiöse und rechtliche Begründung der Flucht zu sakralen Orten, 2003; Traulsen, C., Das sakrale Asyl in der alten Welt, 2004; Shoemaker, K., Sanctuary and Crime, 2011

Aszendent (M.) Verwandter in aufsteigender Linie (z. B. Vater, Großmutter, Urgroßtante), Gegensatz Deszendent

Atheismus (M.) Gottlosigkeit bzw. „Ungöttigkeit“

Lit.: Welteke, D., Der Narr spricht: Es ist kein Gott. Atheismus, Unglauben und Glaubenszweifel, 2011

Athen ist der griechische, seit dem 7. Jh. v. Chr. erkennbare Stadtstaat in Attika, in dem Drakon (624) und Solon (594) ge­setzgeberisch tätig werden. 508/507 geht A. zur →Demokratie über. Im 4. Jh. könnte A. rund 30000 erwachsene Bürger gehabt haben. In den Gerichten geht es we­niger um Recht und mehr um Öffent­lichkeit für Streit um Ehre. 338 wird A. von Makedonien besiegt. 86 v. Chr. fällt es unter Sulla an die Römer, 1456 an die Osmanen (Türken). Nach dem griechi­schen Befreiungskampf wird es 1834 Hauptstadt Griechenlands und erhält 1837 eine Universität.

Lit.: Lipsius, J., Das attische Recht, Bd. 1ff. 1905ff., Neudruck 1984; Meyer-Laurin, H., Gesetz und Billigkeit im attischen Prozess, 1965; Wolff, H., „Normenkontrolle“ und Gesetzesbegriff, 1970; Mac Dowell, D., The Law in Classical Athens, 1978, 4. A. 1995; Bötig, K., Athen, 3. A. 1981; Rhodes, P., The Athenian Boule, 2. A. 1985; Welwei, K., Athen, 1992; Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 2. A. 1994; Die athenische Demokratie, hg. v. Eder, W., 1995; Hansen, M., Die athenische Demokratie, 1995; Habicht, C., Athen, 1995; Cohen, D., Democracy and individual rights in Athens, ZRG RA 114 (1997), 27; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Lehmann, G., Oligarchische Herrschaft im klassischen Athen, 1997; Figueira, T., The Power of Money, 1998; Hurwit, J., The Athenian Acropolis, 1999; Welwei, K., Das klassische Athen, 1999; Funke, P., Athen in klassischer Zeit, 1999; Dreyer, B., Untersuchungen zur Geschichte des spätklassischen Athen, 1999; Knell, H., Athen im 4. Jahrhundert, 2000; Große Prozesse im antiken Athen, hg. v. Burckhardt, L./Ungern-Sternberg, J. v., 2000; Law and Social Status in Classical Athens, hg. v. Hunter, V. u. a., 2000; Cohen, E., The Athenian Nation, 2000; Dreher, M., Athen und Sparta, 2001; Wilson, P., The Athenian Institution of the Khoregia, 2002; Tießler-Marenda, E., Einwanderung und Asyl bei Hugo Grotius, 2002; Demokratie, Recht und soziale Kontrolle im klassischen Athen, hg. v. Cohen, D., 2002; Schulz, R., Athen und Sparta, 2003; Pabst, A., Die athenische Demokratie, 2003; Schubert, C., Athen und Sparta, 2003; Goette, H./Hammerstaedt, J., Das antike Athen, 2004; Sinn, U., Athen, 2004; Flaig, E., Der verlorene Gründungsmythos der athenischen Demokratie, HZ 279 (2004), 36; Lanni, A., Law and Justice in the Courts of Classical Athens, 2006; Karakostas, I., König Otto, die Otto-Universität von Athen und ihre juristische Fakultät, 2007; Ober, J., Democracy and Knowledge, 2008; Lehmann, G., Perikles, 2008; Osborne, R., Athens and the Athenian Democracy, 2010;Stability and Crisis in the Athenian Democracy, hg. v. Herman, G., 2011; Lambert, S., Inscribed Athenian Laws and Decrees 352/2-322/1 BC, 2012

Atlantikcharta ist die am 14. 8. 1941 von dem amerikanischen Präsidenten Wilson und dem britischen Premierminister Churchill auf einem Schiff im Atlantik vereinbarte Erklärung über die Grundsätze der Politik (Verzicht auf Aggression, Entwaffnung von Aggressions­staaten, Selbstbestimmungsrecht der Völker, Gleichberechtigung im Welt­handel, Freiheit der Meere), die von den Vereinten Nationen übernommen wird.

Atomrecht ist die Gesamtheit der Atome besonders betreffenden Rechtssätze (z. B. Deutschland 23. 12. 1959 Atomgesetz).

Lit.: Winters, K., Atom- und Strahlenschutzrecht, 1978; Geier, S., Schwellenmacht, 2013; Göppner, N., Vorgeschichte und Entstehung des Atomgesetzes vom 23. 12. 1959, 2013

Attentat ist der gewaltsame Angriff Einzelner auf einen Staat aus politischen Gründen.

Lit.: Kellerhoff, S., Attentäter, 2003; Mühlnikel, M., Fürst, sind Sie unverletzt?, 2014

Aubry, Charles (1803-1883) übersetzt 1838 als Professor in Straßburg zusammen mit Frédéric Charles Rau die vierte Auflage von Karl-Salomon Zachariäs Handbuch des französischen Zivilrechts (1837) aus dem Deutschen ins Französische und entwickelt hieraus in der Folge die führende Darstellung des französischen Privatrechts des 19. Jh.s.

Lit.: Beudant, C./Gaudemet, E., Inauguration d’un moment à la mémoire de Aubry et Rau, 1923

Auctor (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Vormann eines Gewalthabers einer Sache, auf den sich dieser berufen kann, wenn ein anderer als Eigentümer von ihm die Sache verlangt. Scheitert die Verteidigung durch den a., kann der angegriffene Gewalthaber vom a. den doppelten Kaufpreis verlangen.

Lit.: Kaser § 25; Söllner § 8; Köbler, DRG 24; Köbler, LAW

auctoritas (lat. [F.]) Ansehen, Zustimmung, (z. B. eines [lat., M.] tutor zu einem Geschäft eines [lat., M.] pupillus bei Vornahme des Geschäfts)

Auctor (M.) vetus de beneficiis (lat.) ist das in lateinischer Reimprosa abgefasste Rechtsbuch mit Grundsätzen des Lehnrechts, das (in wortgetreuer Übersetzung) in der ersten Hälfte des 14. Jh.s (um 1300?) die Grundlage des mitteldeutschen →Görlitzer Rechtsbuchs bildet. Es ist streitig, ob der A. v. die Urfassung des Lehnrechts des Sachsen­spiegels (oder eine im frühen 14. Jh. aus einer deutschen Fassung entstandene lateinische Übersetzung) darstellt oder auf sie unmit­telbar zurückgeht. Alle Handschriften sind verschollen. Die Überlieferung besteht in Drucken von 1569 (Havichorst), 1692 (Aus­züge, Freher) und 1708 (Thomasius). Möglicherweise enthält der A. v. ursprünglich auch Landrecht in lateinischer Fassung. Der A. v. kennt ein Volljährigkeitsalter von 24 Jahren (I 65), während der Sachsenspiegel im Landrecht eine Volljährigkeit von 21 Jahren aufweist (I 42 § 1). Ihm fehlen Sätze späterer Ergänzungen des Sachsenspiegels in jüngeren Bearbeitungsstufen.

Lit.: Köbler, DRG 103; Moeller, R., Noch einmal der Vetus auctor de beneficiis und der Sachsenspiegel, ZRG GA 38 (1917), 309; Eckhardt, K., Die Volljährig­keitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 4; Auctor vetus de beneficiis, hg. v. Eckhardt, K., 1964; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittel­alters, Bd. 1 1990, 27; Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1 1998

Audiatur et altera pars (lat.). Auch die andere Seite muss (gerechterweise stets) gehört werden (vorrömisch, belegt 1580).

Lit.: Rüping, H., Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, 1976; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007; Coenraad, L., Het beginsel van hoor en wederhoor in het Romeinse procesrecht, 2000; Zur Erhaltung guter Ordnung, hg. v. Hausmann, J. u. a., 2000

Auditor (M.) Zuhörer, Hörer

Lit.: Hülle, W., Das Auditoriat in Brandenburg-Preußen, 1971

Aufgebot ist allgemein die öffentliche Aufforderung zu einem Verhalten (z. B. A. zum Heeresdienst), insbesondere die (mehr­fache) öffentliche, vielfach gerichtliche Aufforderung an unbekannte oder an unbe­kanntem Ort weilende Beteiligte, zwecks Verhinderung eines Rechtsverlusts vor einer beabsichtigten Änderung der Rechtslage Tatsachen anzugeben oder Rechte geltend zu machen. Ähnliche Vorgangsweisen erschei­nen bereits in fränkischer Zeit (z. B. bei Vollstreckung in Grundstücke). Im Mittelalter finden sie vermehrt Anwendung (z. B. bei Aneignung gefundener beweglicher Sachen oder bei der Suche nach unbekannten Erben). Ein A. vor einer Eheschließung fordert nach älteren Ansätzen das vierte Laterankonzil 1215. Mit der Rezeption römischrechtlicher Regelungen entwickelt sich die →Edik­talzitation, bei der jemand binnen einer Frist Klage zu erheben hat, wenn er sein Recht nicht verlieren will. Allgemein geordnet wird das A. in der preußischen →Allgemeinen Gerichtsordnung (1793) und in der deutschen Zivilprozess­ordnung (1877/1879). Das A. vor einer weltlichen Eheschließung wird in Deutschland und Österreich am Ende des 20. Jh.s beseitigt bzw. eingeschränkt.

Lit.: Haase, E., Über Ediktalladungen und Ediktal­prozess, 1871; Daude, E., Das Aufgebotsverfahren, 5. A. 1930, VIII

Aufklärung ist allgemein die Aufhellung eines dunkleren Zustands. Unter Bezugnahme auf einen auf Befreiung von nicht vernunftgemäß zu begründenden Ansichten gerichteten Erkenntnisvorgang durch selb­ständiges unvoreingenommenes Denken wird die gesellschaftskritische Geistesbewegung des 17./18. Jh.s A. genannt (frühe Anfänge im letzten Drittel des 17. Jh.s). Vorbereitend hierfür wirken Renaissance, Humanismus und Reformation. Als Denkverfahren werden →Empirismus und →Rationalismus verwendet. Bewusst wird die Einbeziehung immer breiterer Kreise (des Publikums) gesucht. Im Recht entsprechen dem Gedankengang der A. die Anerkennung eines weltlichen →Naturrechts (→Ver­nunftrechts), das in die Kodifikationen des →Allgemeinen Land­rechts Preußens (1794), des →Code civil Frankreichs (1804) und des →Allgemeinen Bürgerlichen Ge­setzbuchs Österreichs (1811/­1812) Eingang findet, und die Ab­lehnung von Folter, Hexenprozess, Leibes­strafen einerseits sowie das Verlangen nach Gewaltenteilung, Teilhabe an der Macht, Grundrechten, Verfassung und Volkssouverä­nität ande­rerseits. In der Verwaltung entsteht aus der A. die Funktionalität anstrebende Kameral­wissen­schaft. In der Wirtschaft geht es in der A. um größtmöglichen Wohlstand. Politisch führt die A. zum aufgeklärten →Absolutismus (Friedrich der Große in Preußen, Joseph II. in Österreich, Großherzog Leopold in Toskana) bzw. zur Revolution in Frankreich vom 14. 7. 1789. Die vollständige Umsetzung aller Ziele in politische Handlung gelingt nicht.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 136, 157, 161, 206; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 243; Valjavec, F., Geschichte der abendländischen Aufklärung, 1961; Schulze, R., Policey und Gesetz­gebungslehre im 18. Jahrhundert, 1982; Bosshard, H., Pestalozzis Staats- und Rechtsverständnis und seine Stellung in der Aufklärung, 1983; Aufklärung, hg. v. Hinrichs, E., 1985; Aufklärung als Politisierung - Politisierung der Aufklärung, hg. v. Bödeker, H. u. a., 1987; Aufklärung und Geheimgesellschaften, hg. v. Reinalter, H., 1989; Im Hof, U., Das Europa der Aufklärung, 1993; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Lexikon der Aufklärung, hg. v. Schneiders, W., 1995; Vierhaus, R., Was war Aufklärung?, 1995; Universitäten der Aufklärung, hg. v. Hammerstein, N., 1996; Schneiders, W., Das Zeitalter der Aufklärung, 1997; Der Illuminatenorden (1776-1785/87), hg. v. Reinalter, H., 1997; Cattaneo, M., Aufklärung und Strafrecht, hg. v. Vormbaum, T., 1998; Sweetman, J., The Enlightenment and the Age of Revolution, 1998; The Enlightenment, hg. v. Williams, D., 1999; Toleration in Enlightenment Europe, hg. v. Grell, O. u. a., 1999; Aufklärung – Vormärz – Revolution, hg. v. Reinalter, H., 2000; Böning, H./Siegert, R., Volksaufklärung, Bd. 2 2000; Alt, P., Aufklärung, 2. A. 2001; Lexikon der Aufklärung, hg. v. Schneiders, W., 2001; The Enlightenment in Europe, hg. v. Schneiders, W., 2003; Bürgerliche Freiheit und christliche Verantwortung, hg. v. De Wall, H., 2003; Les Lumières et leur combat, hg. v. Mondot, J., 2004; Borgstedt, A., Das Zeitalter der Aufklärung, 2004; Goldenbaum, U., Appell an das Publikum, 2004; Asbach, O., Staat und Politik zwischen Absolutismus und Aufklärung, 2005; Fichte und die Aufklärung, hg. v. De Pascale, C., 2005; Körber, E., Die Zeit der Aufklärung, 2006; Israel, J., Enlightenment Contested, 2006; Feiner, S., Haskala - Jüdische Aufklärung, 2007; Sorkin, D., The Religious Enlightenment, 2008; Lauer, G., Die Rückseiute der Haskala, 2008; Strukturen der deutschen Frühaufklärung (1680-1720), hg. v. Bödeker, H., 2008; Meyer, A., Die Epoche der Aufklärung, 2010; Schenk, T., Wegbereiter der Emanzipation? Studien zur Judenpolitik des aufgeklärten Absolutismus, 2010; Krünes, A., Die Volksaufklärung in Thüringen im Vormärz (1815-1848), 2013

Auflassung (Wort 1279 mittelniederdeutsch) ist die Öffnung eines Grund­stücks für einen Erwerber. Sie erfolgt zunächst durch tatsächliches, möglicherweise rechtsförm­liches Eröffnen des Grundstücks, später durch eine Erklärung vielleicht unter notwendiger Wahrung bestimmter Formen (außerhalb des Grundstücks, wissenschaftlich als zweiter Teil der Investitur eingeordnet, Besitzaufgabe). Seit dem 13. Jh. wird A. zur Bezeichnung für die Grund­stücksübereignung insgesamt. Häufig erfolgt sie gerichtlich. Während der Aufnahme des römischen Rechtes in der frühen Neuzeit wird die A. zurückgedrängt. Im 19. Jh. dringt sie wieder vor. Im deutschen bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist sie die Bezeichnung für den von Savigny (1779-1861) ent­wickelten dinglichen Vertrag über den Eigen­tumsübergang an Grundstücken, zu dem die Eintragung der Eigentumsän­derung in das Grundbuch hinzukommen muss, wobei die gesamte Übereignung bei Fehlen eines Grundgeschäfts als ungerechtfertigte Berei­cherung rückgängig gemacht werden kann.

Lit.: Hübner 205, 259f., 262; Kroeschell, DRG 1, 2; Stobbe, O., Die Auflassung des deutschen Rechtes, Jh. Jb. 22 (1873), 137; Lehmann, K., Die altnordische (altnorwegisch-altisländische) Auflassung, ZRG GA 5 (1884), 84; Lehmann, K., Zur nordgermanischen Auflassung, ZRG GA 11 (1890), 255; Schmidt, W., Die Auflassung im Mittelalter, Diss. jur. München 1932; Voser, P., Die altdeutsche Leigenschaftsüber­eignung, 1952; Köbler, G., Verzicht und Renuntiation, ZRG GA 85 (1968); Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984; Steppan, M., Das bäuerliche Recht an der Liegenschaft, 1995; Wieling, H., Wie Kaiser Konstantin die germanische Auflassung erfand, ZRG GA 124 (2007), 287; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Aufnehmen des Kindes (in die Familie) ist der in frühmittelalterlichen Volksrechten er­kennbare, nach der Geburt vielleicht notwen­dige förmliche Rechtsakt, durch den ein neugeborenes Kind Mitglied der Rechtsge­meinschaft wird und deshalb danach nicht mehr ausgesetzt werden kann. Unter dem Einfluss des Christentums verschwindet dieses besondere A.

Lit.: Hübner 52f., 699; Coulin, A., Der nasciturus, ZRG GA 31 (1910), 131

Aufopferung ist die Beseitigung eines einzelnen Rechtes zugunsten der Allgemeinheit oder eines begünstigten Dritten, für die seit der Aufklärung Ersatz zu leisten ist (vgl. § 75 Einl. ALR).

Lit.: Köbler, DRG 259; Niesler, A., Aufopferung und Enteignung vom ALR bis zur WRV, Juristische Zeitgeschichte 8 (2007), 128ff.

Aufrechnung (Wort 1372) ist die schon der römischen klassischen Jurisprudenz als prozessual geltend zu machende (lat. [F.]) →compensatio bekannte, wechselseitige Til­gung zweier sich gegenüberstehender gleich­artiger Forderungen durch Verrechnung (Verurteilung nur auf einen vorhandenen Überschuss bzw. [lat.] exceptio [F.] doli zur Überprüfung der Gegenforderung). Das ältere deutsche Recht kennt anscheinend einen besonderen Aufrechnungsvertrag. Eine A. durch ein­seit­ige Erklärung entsteht wohl unter römisch­rechtlichem Einfluss im Spätmittel­alter. Später genügt auf Grund eines Ansatzes des Glossators Martinus eine bloße Aufrech­nungslage für das Erlöschen der gegen­überstehenden Ansprüche (ALR I 16 § 301, Cc 1290, ABGB § 1348). Seit dem späteren 19. Jh. wird die A. als einseitiges Rechts­geschäft eingeordnet und wieder eine Auf­rechnungserklä­rung verlangt.

Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 125; Dernburg, H., Geschichte und Theorie der Compensation, Neudruck 1965, 2. A. 1968; Prausnitz, O., Die Geschichte der Forderungsverrechnung, 1928; Pielemeier, K., Das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB, 1988; Halbwachs, V., Ipso iure compensatur, hg. v. Thier, A. u. a., 1999; Pichonnaz, P., La compensation, 2001; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Aufsicht (Wort 1483) ist allgemein der übergeordnete Blick auf eine Angelegenheit, der Rechte und Pflichten begründen kann.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Auftrag (Wort 1532) ist im römischen Recht die als (lat. [N.]) →mandatum bezeichnete Übernahme der unentgeltlichen Besorgung eines fremden Geschäfts (eines Auftraggebers oder Man­danten durch einen Auftragnehmer oder Mandatar), die wohl auf sittliche Pflichten zum Tätigwerden für einen Nachbarn zurückgeht, wobei diesem A. mangels der Möglichkeit unmittelbarer Stellvertretung keine Vollmacht entspricht (höchstper­sönlicher Konsensualkontrakt). Im deutschen Recht scheint der A. zunächst keine besondere Rolle gespielt zu haben. Nach der Rezeption des römisch­rechtlichen Mandats wird am Ende des 19. Jh.s zwischen A. als Innenverhältnis und Vollmacht als Rechts­macht gegenüber Dritten (Außenverhältnis) unterschieden (§ 788 SächsBGB 1863, § 662 BGB 1896).

Lit.: Kaser § 4; Söllner §§ 9, 17, 18; Hübner; Kroeschell, DRG 3; Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Albrecht, G., Vollmacht und Auftrag, 1970; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Amann, P., Abgrenzung und Anwendungsbereich von Dienstvertrag, Werkver­trag und Auftrag in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuches, Diss. jur. Bielefeld 1987; Grau, U., Historische Entwicklung und Perspektiven des Rechts der öffentlichen Aufträge, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Principles of European Law Mandate Contracts, prepared by Loos, M., 2013

Aufwendung (Wort 1542) ist der Einsatz von Mitteln zur Erlangung eines Wertes.

Lit.:; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Aufwertung ist die Erhöhung eines Wechselkurses einer Währung im Verhältnis zum Goldwert oder zu anderen Währungen. Daneben wird auch die Erhöhung des Nennbetrages einer Geldschuld, die in Einheiten einer entwerteten Währung aus­gedrückt ist, entsprechend der Kaufkraft bei der Begründung des Schuldverhältnisses als A. bezeichnet (z. B. Aufwertungs­ent­schei­dung des Reichsgerichts vom 28. 11. 1923, 3. Steuernotverordnung vom Februar 1924 auf Grund der Inflation, Aufwertungs­gesetz vom Juli 1925) im Deutschen Reich.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh. 50; Mügel, O., Die Entwicklung der Aufwertungslehre des Reichsgerichts, DJZ 1928, 29ff.; Klemmer, M., Gesetzesbindung und Richterfreiheit in den Entscheidungen des Reichs­gerichts in Zivilsachen, 1996; Scholz, R., Analyse der Entstehungsbedingungen der reichsgerichtlichen Auf­wertungsrechtsprechung, 2001; Chlosta, C., Nur dem Gesetz unterworfen?, 2005

Aufzeichnung ist die Umwandlung von Gedachtem oder Gesprochenem in Schrift oder andere weniger schnell vergängliche Mittel. →Schriftlichkeit

Auge ist das dem Sehen dienende Sinnesorgan von Tieren und Menschen, das auch als Zeichen der alles sehenden Gerechtigkeit verwendet werden kann.

Lit.: Deonna, W., Le symbolisme de l’oeil, 1965; Jaeger, W., Augenvotive, 1979; Schleusener-Eichholz, G., Das Auge im Mittelalter, 1980; Geissmar, C., Das Auge Gottes, 1993; Stolleis, M., Das Auge des Gesetzes, 2004

Augenschein ist die unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Der A. ist als Beweismittel be­reits dem römischen Prozessrecht bekannt und findet auch im mittelalterlichen deutschen Prozess (insbesondere im Inquisitionsprozess) Verwendung (mhd. blickender schin, lat. evidentia ocularis). Seit dem 17. Jh. wird der A. wissenschaftlich erörtert.

Lit.: Kaser § 84; Hänel, A., Das Beweissystem des Sachsenspiegels, 1858; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 2 1879; Holde­fleiß, E., Der Augenscheinbeweis im mittelalterlichen deutschen Strafverfahren, 1933

Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 39 (2. Moses 21, 22-25, Körte 1837)

Augen auf, Kauf ist Kauf ist wohl ein erst im 19. Jh. geschaffenes Rechtssprichwort, das der Begründung des Ausschlusses der Sach­mangelhaftung im deutschen Recht dient.

Lit.: Vgl. Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprich­wörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 2002, 38f.

Augsburg geht auf den 45 n. Chr. auf einem Bergsporn zwischen Lech und Wertach gegründeten Vorort Augusta Vindelicum der römischen Provinz Rätien zurück (um 121 n. Chr. [lat. N.] municipium). Vielleicht ist es seit dem 4. Jh. (oder 5. Jh.) trotz Zerstörung durch Germanen (5. Jh. Alemannen) Sitz eines seit dem 7. Jh. bzw. 738 nachweisbaren Bischofs. 1156 grenzt eine Urkunde Kaiser Friedrichs I. Barbarossa die Rechte des Bischofs und die Rechte der Bürger voneinander ab. 1167/1168 lässt sich der Kaiser die Hochstiftsvogtei und die Blutgerichtsbarkeit in A. übertragen. 1273 kommt die Vogtei an das Reich. 1276 zeichnet die Stadt ein eigenes, vom König bestätigtes Stadtrecht in mittelhochdeutscher Sprache auf. Zu dieser Zeit entsteht wohl in A. eine mittelhochdeutsche Fassung des Sachsenspiegels, die zu Deutschenspiegel und sog. Schwabenspiegel weiterbearbeitet wird. 1294 erhält A. ein Nichtevokationsprivileg König Adolfs von Nassau. An der Wende des Mittelalters zu Neuzeit wirkt von A. aus die Kaufmannsfamilie Fugger. 1555 wird in A. der Augsburger Religionsfriede geschlossen. Bis 1805 bleibt das zu einem europäischen Handelsmittelpunkt aufsteigende A. danach Reichsstadt, bis es am 26. 12. 1805 durch den Vertrag von Pressburg an Bayern fällt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das Stadtbuch von Augsburg, hg. v. Meyer, C., 1872; Urkundenbuch der Stadt Augsburg, hg. v. Meyer, C., 1874ff.; Berner, E., Zur Verfassungsgeschichte der Stadt Augsburg, 1876; Hellmann, F., Das Konkursrecht der Reichsstadt Augsburg, 1905; Wolff, A., Gerichtsverfassung und Prozess im Hochstift Augsburg in der Rezeptionszeit, Archiv für die Geschichte des Hochstifts Augsburg 4 (1913), 129; Steiger, H., Geschichte der Stadt Augsburg, 1941; Augusta 955-1955, 1955; Liedl, E., Gerichtsverfassung und Zivilprozess der freien Reichsstadt Augsburg, 1958; Batori, J., Die Reichsstadt Augsburg im 18. Jahrhundert, 1969; Zorn, W., Augsburg, 2. A. 1972, 4. A. 2001; Schröder, D., Stadt Augsburg 1975; Geschichte der Stadt Augsburg, hg. v. Gottlieb, G., 2. A. 1985; Fassl, P., Konfession, Wirtschaft und Politik, 1988; Roeck, P., Eine Stadt in Krieg und Frieden, 1989; Dietrich, R., Die Integration Augsburgs in den bayerischen Staat, 1993; Hecker, H., Das Recht der Reichsstadt Augsburg, ZRG GA 113 (1996), 391; Augsburger Buchdruck und Verlagswesen, hg. v. Gier, H. u. a., 1997; Künast, H., Getruckt zu Augspurg, 1997; Müller, F., Bürgerliche Herrschaft in Augsburg, 1998; Schorer, R., Die Strafgerichtsbarkeit in der Reichsstadt Augsburg, 2001; Roeck, B., Geschichte Augsburgs, 2005

Augsburger Konfession (Bekenntnis) ist die von Philipp Melanchthon für den Reichstag zu Augsburg verfasste, am 25. 6. 1530 verlesene Bekenntnisschrift der lutherischen Kirche mit 2 Teilen zu 21 und 7 Artikeln (im Gegensatz zum Helvetischen Bekenntnis).

Lit.: Hoffmann, G., Entstehungsgeschichte der Augustana, Z. f. systemat. Theologie 15 (1938), 419

Augsburger Religionsfriede ist der im Reichsabschied des Heiligen römischen Reiches  vom 25. 9. 1555 zwischen König Ferdinand I. (für Karl V.) und den deutschen Reichsständen in Bezug auf die Religion nach dem Stand vom 2. 8. 1552 ge­schlossene Friede, der die freie Reli­gionsausübung für Katholiken und Lutheraner gewährleistet. Er sichert den Reichsständen (nicht aber ihren Untertanen) die Freiheit der Bekenntniswahl zu ([lat.] →cuius regio, eius religio). Gibt ein geistlicher Reichsstand den katholischen Glauben auf, verliert er Gebiet und Kirchenamt ([lat.] →reservatum [N.] ecclesiasticum). Das Auswanderungsrecht von Untertanen bereitet die Religionsfreiheit vor. Der lückenhafte, widersprüchliche und auch mehrdeutige A. R. kann weder die geistliche Einheit herstellen noch den Frieden dauerhaft sichern, bildet aber die Grundlage des paritätischen Reichskirchenrechts bis 1806.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Brandi, K., Der Augsburger Religionsfriede, 2. A. 1927; Simon, M., Der Augsburger Religionsfriede, 1955; Walder, E., Religionsvergleiche des 16. Jahrhunderts, 3. A. 1974; Rabe, H., Der Augsburger Religionsfriede und das Reichskammer­gericht 1550-1600, 1976; Heckel, M., Deutschland im konfessionellen Zeitalter, 2. A. 2001; Gotthard, A., Der Augsburger Religionsfrieden, 2004; Heckel, M., Konfessionalisierung in Koexistenznöten, HZ 280 (2005), 647; Heckel, M., Politischer Friede, HZ 282 (2006), 391; Der Augsburger Religionsfriede, hg. v. Schilling, H. u. a., 2007

Augsburger Vertrag (Augsburger Transaktion) →Niederlande

Augustiner ist der Anhänger des nach der im 8. Jh. entstandenen sog. Regel Augustins (354-430) lebenden kirchlichen Ordens. Zu den Augustinern gehören die Augustiner-Eremiten (Orden zwischen 1244 und 1256), während Augustinerchor­herren (11. Jh.), Prämonstratenser und Dominikaner nur auch nach der Regel Augustins leben.

Lit.: Verheijen, L., La règle de St. Augustin, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Gutiérrez, D. u. a., Geschichte des Augustinerordens, 1975ff.; Cremona, C., Augustinus, 2. A. 1995; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2003

Augustinus (354-430)

Lit.: Fuhrer, T., Augustinus, 2004; Augustin Handbuch, hg. v. Drecoll, V., 2007; Chadwick, H., Augustine of Hippo, 2009; Drecoll, V. u. a., Augustin und der Manichäismus, 2011

Augustus (Rom 23. 9. 63 v. Chr.–Nola bei Neapel 19. 8. 14 n. Chr.) Sohn einer Nichte Caesars, 44 n. Chr. Adoptivsohn Caesars (ursprünglich Gaius Octavius, seit Adoption Gaius Iulius Caesar, Ehrenname griech. sebastos, lat. augustus, Erhabener, der vom Beginn seines Aufstiegs lernen musste, zu lügen und zu betrügen, wo immer es ihm nützlich erschien) verfolgt die Mörder Caesars und wird 36 v. Chr. Herrscher im westlichen und 30 v. Chr. Herrscher auch im östlichen Teil des römischen Reiches. Äußer­lich stellt er die republikanischen Zustände wieder her. Tatsächlich leitet er (27 v. Chr.) mit seinem Prinzipat den zentrierenden und dadurch stabilisierenden Übergang zum Kaisertum ein. Seine Herrschaft wird am Ende auf Grund weitreichender Zustimmung als (lat.) pax (F.) Augusta (augusteische Friedenszeit) erklärt. Für die Ehe erlässt er gesetzliche Ge­bote und Verbote.

Lit.: Kienast, D., Augustus, 1982, 3. A. 1999, 4. A. 2009; Eck, W., Augustus und seine Zeit, 1998; Bleicken, J., Augustus, 1998; Bringmann, K./Schäfer, T., Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums, 2002; Schlange-Schöningen, H., Augustus, 2005; Bringmann, K., Augustus, 2007, 2. A. 2012; Augustus, Schriften, Reden und Aussprüche, hg. v. Bringmann, K. u. a., 2008; Dahlheim, W., Augustus, 2010; Cooley, A., Res Gestae Divi Augusti, 2009

Auktion ist die schon der Antike bekannte, dort rechtlich nicht besonders beachtete Veräußerung einer (beweglichen) Sache an den Meistbietenden durch öffentlichen Aufruf. Sie erhält sich in der Form der Vergabe von Steuern, Ämtern und Nutzungen an den Meistbietenden in den romanischen Ländern. Im 13. Jh. dringt die A. gepfändeter Güter eines nichtzahlenden Schuldners nach Mitteleuropa ein. Daneben findet sich seit dem 14. Jh. die A. von Waren durch Groß­händler, seit der Mitte des 17. Jh.s die A. fremdländischer Waren durch Kolonialge­sellschaften. Wegen der damit möglichen Missstände entstehen Ordnungsvorschriften, die mit Einführung der Gewerbefreiheit im 19. Jh. wieder aufgegeben werden. Wegen der damit wieder möglichen Missstände greift der Gesetzeber seit 1883 wieder ein (in Deutsch­land u. a. 1960 § 34b GewO).

Lit.: Süßheim, M., Das moderne Auktionsgewerbe, 1900; Durach, H., Die deutschen Großhandelsauktionen, 1960; Thielmann, G., Die römische Privatauktion, 1961; Marx, H./Arens, H., Der Auktionator, 1992; Schneider, A., Auktionsrecht, 1999; Spindler, G./Wiebe, A., Internet-Auktion, 2001

Aurich

Lit.: Conring, W., Die Stadt- und Gerichtsverfassung der ostfriesischen Residenzstadt Aurich, Diss. jur. Göttingen 1965

Ausbildung

Lit.: Elementarbildung und Berufsbildung zwischen 1450 und 1750, hg. v. Hanschmidt, A. u. a., 2005

Ausbildungsförderung ist die Förderung der allgemeinen und beruflichen Bildung durch Geldleistungen seitens der Allgemeinheit. Sie ist eine Folge des Sozialstaatsgrundsatzes. Sie ist auf Herstellung der Chancengleichheit im Ausbildungsbereich gerichtet (in Deutschland 1957-1971 Honnefer Modell, 1971ff. Bundes­ausbildungsförderungsgesetz).

Lit.: Köbler, DRG 261

Ausbluten(lassen)

Lit.: Rau, K., Augsburger Kinderhexenprozesse, Diss. jur. Zürich 2003

Ausbürger ist der außerhalb der →Stadt lebende →Bürger.

Lit.: Domsta, H., Die Kölner Ausbürger, 1973

Auschwitz ist der Ort eines Konzentrationslagers in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft des Deutschen Reiches. Ab 1963 werden in der Bundesrepublik Deutschland Strafverfahren wegen dort verübter Verbrechen durchgeführt. Dabei werden 22 Angeklagte zu Haftstrafen verurteilt, 3 freigesprochen.

Lit.: Langbein, H., Der Auschwitzprozess, 1995; Werle, G./Wandres, T., Auschwitz vor Gericht, 1995; Meyer, A., Das Wissen um Auschwitz, 2010; Klee, E., Auschwitz, 2013, Pilecki, W., Freiwillig nach Auschwitz, 2013; Pendas, D., Der Auschwitz-Prozess, 2013

Ausdärmen ist das gelegentlich angedrohte, kaum tatsächlich ausgeführte Töten eines Menschen durch Herausziehen des Darmes aus dem Körper als Strafe.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, 1920ff.; Rehfeldt, B., Todesstrafen und Bekehrungsge­schichte, 1942

Ausgleich ist die 1867 unter maßgeblicher Beteiligung Franz Deáks (Söjtör 17. 10. 1803-Budapest 28. 1. 1876) für die Selbständig­keitsbestrebungen →Ungarns innerhalb der österreichisch-ungarischen Doppel­monarchie gefundene Lösung (ungarischer Gesetzesartikel XII:1867, österreichisches Delegationsgesetz vom 21. 12. 1867, RGBl. 1867, 146, betreffend die allen Ländern der österreichischen Monarchie gemeinsamen Angelegenheiten und die Art ihrer Be­handlung, Umwandlung des Kaisertums Österreich in die österreichisch-ungarische Monarchie). Auf der Grundlage der kaiserlichen Anerkennung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit Ungarns und der ungarischen Anerkennung der →Prag­matischen Sanktion (1723) wird dort festgelegt, dass den österreichischen und ungarischen Ländern der Herrscher, die auswärtigen Ange­legenheiten, die Armee und das Finanzwesen (mit gewissen Einschränkungen) unter einem einheitlichen Ministerium gemeinsam sein sollen (gemeinsame pragmatische Angelegenheiten und dualistische Angelegenheiten, Trennung in kaiserlich und königliche k. u. k., kaiserlich-königliche k. k. und königlich ungarische k. ung. Organe). Das daraus erwachsende staatsrecht­liche Verhältnis zu →Österreich wird teils als Gesamtreich oder Personalunion, teils als Realunion erklärt. 1918 wird Ungarn souverän.

Lit.: Köbler, DRG 265; Baltl/Kocher; Der österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867, 1967; Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten der österreich-ungarischen Monarchie, 2001

Aushebung (F.) Auswahl von Soldaten bei Wehrpflicht

Lit.: Schulze, W., Landesdefension und Staatsbildung, 1973

ausheischen (V.) herausverlangen, verlangen, dass ein Streit von einem Gericht vor einem Oberhof (z. B. Ingelheim) zur Sprache ge­bracht wird

Lit.: Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation an das Reichskammergericht, 1976

Ausländer ist der aus einem anderen Land kommende und deswegen einem anderen Land angehörige →Fremde. Der A. erscheint als Folge der Bildung besonderer Länder im 13. Jh. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (um 1960) erweisen sich besondere Gesetze für A. (18. 4. 1965) als erforderlich (1991 Schengener Abkommen der Europäischen Gemein­schaften).

Lit.: Söllner §§ 6, 7, 8, 9; Kanein, W./Renner, G., Ausländerrecht, 5. A. 1992; Herbert, U., Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland, 2001

Auslegung ist die Ermittlung und Klarlegung des Bedeutungsgehalts eines Umstandes, insbesondere einer Erklärung. Sie ist bereits Bestandteil der römischen Jurisprudenz, die das Zwölftafelgesetz ebenso auslegt wie einzelne Verträge oder Erklärungen. Justininian verbietet 529/530/­533 die A. seiner Kompilation (Const. 1, 14, 12, Deo auctore 12, Const. Tanta 21). Nach der vorkritischen Hermeneutik der Aufklärung und des Ver­nunftsrechts ist Verstehen die Regel und Missverstehen die Ausnahme, weswegen die A. klarer und eindeutiger Rechtssätze ausge­schlossen ist. Zulässig ist vor allem die erklärende Aus­legung, während ausdehnende und ein­schränkende A. ausgeschlossen sein können (z. B. Forster, V., Interpres, 1613, 2, 4). In der Neuzeit, vor allem seit dem 18. Jh. erscheinen vermehrt Verbote der A. (Stadtrechts­re­formation Nürnberg 1479/1484, Land­rechts­reformation Bayern 1518, Papst Pius IV. Benedictus Deus 1654, Ordonnance Frankreichs 1667, Preußen 1746, 1794, ähnlich Österreich Codex Theresianus 1758 fertiggestellter Teil, Frankreich Gesetze von 1790/1793). Nach der modernen Hermeneutik ist Missverstehen die Regel, so dass auch scheinbar klare und eindeutige Rechtssätze der A. bedürfen. In seinen methodologischen Darlegungen unterscheidet am Beginn des 19. Jh.s Savigny vier Arten von A. (grammatisch, historisch, systematisch und teleologisch).

Lit.: Kaser §§ 2 II 2, 3 V 1, 8 I; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 2, 17, 146, 229; Müller, H., Zur Geschichte der bindenden Gesetzesauslegung, 1939; Schumacher, D., Das rheinische Recht in der Gerichtspraxis des 19. Jahrhunderts, 1970; Conrad, H., Richter und Gesetz, 1971; Rüthers, B., Die unbegrenzte Auslegung, 1968, 6. A. 2005, 7. A: 2012; Schott, C., Rechtsgrundsätze und Gesetzeskorrektur, 1975; Hübner, H., Kodifikation und Entscheidungsfreiheit des Richters, 1980; Schröder, J., Gesetzesauslegung und Gesetzesum­gehung, 1985; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986, Neudruck 2007; Savignyana, Bd. 2 Vorlesungen über juristische Methodologie 1802-1842, hg. v. Mazzacane, A., 1993; Baldus, C., Regelhafte Vertragsauslegung, 1998; Bergfeld, C., Entscheidungen des Reichsober­handelsgerichts und des Reichsgerichts zur Auslegung von Rechtsgeschäften, (in) Das Bürgerliche Gesetz­buch und seine Richter, 2000, 625; Miersch, M., Der sog. référé législatif, 2000; Vogenauer, S., Die Auslegung von Gesetzen in England und auf dem Kontinent, 2001; Meder, S., Missverstehen und Verstehen, 2004; Haspl, R., Die Kontrolle der tatrichterlichen Auslegung von individuellen Willenserklärungen durch die Rechtsmittelinstanz, 2008; Baldus, C., Historische Auslegung in Rom?, Seminarium Complutense 20/21 (2007/2008), 85; Kosche, K., Contra proferentem und das Transparenzgebot im Common Law und Civil Law, 2011; Interpretation of Law in the Age of Enlightenment, hg. v. Morigiwa, Y. u. a. 2011

Auslieferung ist die Beförderung von Sachen oder Menschen von einem Ort an einen anderen Ort oder die Überlassung an andere, meist gefährlichere Gegebenheiten. Das römische Recht kennt die A. von Tieren oder Sklaven in der Form der Preisgabe zwecks Haftungsfreiheit des Berechtigten oder Herren ([lat.] noxae datio [F.]). In der Neuzeit ist vor allem die A. eines Straftäters von einem Staat an einen anderen Staat zwecks Straf­verfolgung oder Strafvollzug bedeutsam.

Lit,: His, R., Das Strafrecht im deutschen Mittelalter, 1920; Stüdemann, A., Die Entwicklung der zwischen­staatlichen Rechtshilfe in Strafsachen im nationalsozi­alistischen Deutschland, 2009

Auslobung (Wort 1767) ist das durch öffent­liche Be­kanntmachung erfolgende (seit dem 18. Jh.) einseitige Ver­sprech­en einer Be­lohnung für die Vornahme einer Handlung, das im 18. Jh. so benannt wird. Ursprünglich wird die Erklärung des Auslobens als Angebot an unbestimmte Personen angesehen.

Lit.: Dreiocker, K., Zur Dogmengeschichte der Auslo­bung, Diss. jur. Kiel 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Ausmärker ist der außerhalb einer →Mark Wohnende, der nur ausnahmsweise an einer Mark berechtigt ist. Seit dem Spätmittelalter wird eine Verfügung über Allmendrechte ohne Zustimmung der anderen Berechtigten möglich. Dadurch wird die Allmendberech­tigung verkehrsfähig.

Lit.: Hübner 137f.; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, 1856; Bader, K., Das mittelalterliche Dorf, 1957ff.

Ausnahmegericht ist das besonders gebildete und zur Entscheidung besonderer Fälle be­stimmte Gericht. Es findet sich beispielsweise als Star Chamber oder Court of High Com­mission in England, als Justizkom­mission im Absolutismus in Frankreich oder als Zentral­untersuchungskommission im Deutschen Bund. Ausgehend von England (Bill of Rights 1689) wird das A. in den Verfassungen verboten (Frankreich 1791, Deutsches Reich 1849).

Lit.: Pollard, A., Council, Star Chamber and Privy Council under the Tudors, EHR 37 (1922), 516; Menzel, W., Ausnahmegericht und gesetzlicher Richter, 1925; Schmidt, J., Rechtssprüche und Machtsprüche der preußischen Könige des 18. Jahrhunderts, 1943; Andrieux, C., Les Commissions Extraordinaires, 1955 (Diss. Paris); Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003

Ausnahmezustand ist der in der Mitte des 19. Jh.s als solcher erkannte Zustand des Staates in einer außergewöhnlichen Notlage, in der grundsätzlich die Regel gilt Not kennt kein Gebot. Nach rechtsstaatlichem Ver­ständnis bedarf auch der A. einer (vorherigen gesetzlichen) Regelung (z. B. Gesetz über den Belagerungszustand vom 4. 6. 1851 Preußen, Reichstagsbrandverordnung vom 28. 2. 1933 Deutsches Reich, Art. 87a, 91, 115aff. GG). Im Zweifel entscheidet der souveräne Staat über das anzuwendende Mittel.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 343; Schneider, P., Ausnahmezustand und Norm, 1957; Boldt, H., Rechtsstaat und Ausnahmezustand, 1967; Trotter, M., Der Ausnahmezustand, Diss. jur. Hei­delberg, 1997; Ausnahmezustand - Carl Schmitts Lehre von der kommissarischen Diktatur, hg. v. Voigt, R., 2013

Ausschlagung (Wort 1445) ist die bereits dem römischen Recht bekannte Willenser­klärung des vor­läufigen Erben, die Erbschaft nicht anzu­neh­men (lat. repudiare).

Lit.: Kaser § 71 II 3; Hübner; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Ausschuss ist allgemein das aus einer Gesamtheit Ausgesonderte wie z. B. eine Untergliederung einer Einrichtung zur einfacheren Erfüllung einer Aufgabe (z. B. Untersuchungsausschuss).

Lit.: Schmitt, C., Verfassungslehre 1928; Schönberger, C., Parlament im Anstaltsstaat, 1997

Außenerbe (lat. heres [M.] extraneus) ist im altrömischen Recht der bei Fehlen von Haus­erben (lat. sui heredes [M.Pl.]) eintretende Erbe (Agnat, Gentile, Patron, beliebiger Haus­fremder), der die Vermögensrechte durch eine besondere Handlung ergreifen muss.

Lit.: Kaser § 65

Außenminister - > Minister

Lit.: Hampe, K., Das Auswärtige Amt in wilhelmini­scher Zeit, 2001; Die Außenpolitik der deutschen Länder im Kaiserreich, hg. v. Auswärtigen Amt, 2012

Außerstreitverfahren →freiwillige Ge­richtsbarkeit

Aussetzung ist die bewusste Verbringung eines Menschen in eine Lage, in der ihr eine besondere Gefahr für das Leben droht. Nach dem römischen Zwölftafelgesetz ist die A. einer Missgeburt geboten, nach späterem römischem Recht und nach einzelnen frühmittelalterlichen Volksrechten ist die A. eines neugeborenen Kindes anscheinend erlaubt, doch lehnt die christliche Kirche die A. ab. Ob es A. als Strafe gegeben hat, ist streitig. Im Übrigen ist A. eine Straftat.

Lit.: Kaser § 60; Hübner 52; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Schwarz, H., Der Schutz des Kindes im Recht des frühen Mittelalters, 1993

Aussperrung ist die von Arbeitgeberseite seit dem 19. Jh. unter Verweigerung der Lohn­zahlung planmäßig vorgenommene Nichtzu­lassung einer Gruppe von Arbeitnehmern zur Dienstleistung. Sie ist ein Mittel des Arbeits­kampfes. Ihre Zulässigkeit ist nicht unbe­stritten.

Lit.: Wege zur Arbeitsrechtsgeschichte, hg. v. Steindl, H., 1984; Kalbitz, R., Die Arbeitskämpfe in der Bundesrepublik Deutschland, Diss. phil. Bochum 1972

Ausstattung ist die über den gewöhnlichen Unterhalt hinausgehende, mit Rücksicht auf die Verheiratung oder die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung erfolgende Zuwendung der Eltern an ein Kind. Sie geschieht im Wesentlichen als →Ab­schichtung bei Verheiratung oder sonstiger Verselbständigung. Einen eindeutigen Rechts­anspruch auf A. gewähren das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II 2 §§ 232ff.) und das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (§§ 1220, 1231).

Lit.: Hübner; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, 2000

Ausstäupen ist das mittels Rute, Stock oder Peitsche erfolgende Schlagen (an einem Pfahl [Staupe]?). Es findet sich als Rechtsfolge einer Tat früh für Unfreie, seit dem Hoch­mittelalter als Strafe des Diebstahls von geringerem Wert. Die Aufklärung erreicht bis 1848 die Beseitigung des Ausstäupens.

Lit.: Breithaupt, W., Die Strafe des Staupenschlags, 1938

Aussteller (Wort 1719)

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deut­schen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Aussteuer ist die in weitem Umfang übliche Zuwendung der zur angemessenen Ein­richtung eines Haushalts gehörenden Gegen­stände (an eine Tochter durch die Eltern oder näheren Verwandten), die auch als Heim­steuer, Brautschatz und Mitgift bezeichnet wer­den kann. Sie ist wohl nur ausnahmsweise rechtlich notwendig (z. B. § 1220 ABGB, §§ 1620ff. BGB [1957 aufgehoben], nicht II 2 §§ 231ff. ALR). In der Gegenwart wird die A. vor allem durch die Gewährung einer Ausbildung verdrängt.

Lit.: Hübner 664; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1999; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, 2000

Austin, John (1790-1859), von 1826 bis 1832 Professor in London, ist als Begründer der englischen analytischen Jurisprudenz (Recht als eine Form des Befehls) einer der bedeutendsten englischen Rechtstheoretiker (The Province of Jurisprudence, 1832).

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Austin
JohnTheprovinceofjurisprudencedetermined1832.pdf
, Austin, John, The Province of Jurisprudence determined, 1832, Löwenhaupt, W., Politischer Utilitarismus und bürgerliches Rechtsdenken, 1972; Morison, W., John Austin, 1982

Austrägalinstanz (Austrägal latinisiert aus Austrag) ist seit dem 13./14. Jh. ein zunächst einzeln vereinbartes, und durch die Reichs­kammergerichtsordnung von 1495 für Gefürs­tete, seit 1521 auch für den übrigen reichsun­mittelbaren Adel anerkanntes Schiedsgericht für Streitigkeiten zwischen Reichsfürsten. Gegen die Entscheidungen der bis 1806 bestehenden A. ist die Appellation an das →Reichs­kammergericht zulässig. Der Deutsche Bund kennt nach Art. XI der Deutschen Bundesakte bzw. Art. XXII der Wiener Schlussakte ebenfalls eine A. für die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Bundesstaaten bzw. Streit­sachen der Bundesglieder. Für die Vollstreckung der Urteile dieser 1866 endenden A. ist die Bundesversammlung zuständig. Vergleichba­re Einrichtungen im Deutschen Reich (1871-1918) und in Österreich (bis 1918) sind von geringer Bedeutung.

Lit.: Köbler, DRG 153, 200; Leonhardi, P. v., Das Austrägalverfahren des Deutschen Bundes, Bd. 1f. 1838ff.; Stein, A., Die Austragsgerichtsbarkeit des deutschen Bundes, 1950; Frühauf, G., Die Austrä­galgerichtsbarkeit im Deutschen Reich und im Deutschen Bund, Diss. jur. Mainz 1976; Meurer, N., Die Entwicklung der Austrägalgerichtsbarkeit bis zur Reichskammerge­richtsordnung von 1495, (in) Prozesspraxis im alten Reich, hg. v. Baumann, A. u. a., 2005

Australien ist der im Südosten Asiens (südlic Indonesiens)  gelegene, vor etwa 50000 Jahren besiedelte, vermutlich bereits im 16. Jh. auch von Europäern entdeckte, in der Gegenwart von 22 Millionen Menschen bewohnteKontinent.

Lit.: Voigt, J., Geschichte Australiens, 1988; Hughes, R., Australien, 1992; Babeck, W., Einführung in das australische Recht, 2011; Voigt, J., Geschichte Australiens und Ozeaniens, 2011; Gleeson, J. u. a., Historical Foundations of Australian Law, Bd. 1f. 2013

Austrasien ist zeitweise ein besonderer (östlicher) Teil des fränkischen Reichs.

Lit.: Parisse, M., Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990

Austria ist die am Ende des Frühmittelalters in Parallele zu →Austrien erscheinende Bezeichnung für ein Gebiet im Osten (des fränkischen oder deutschen Reiches z. B. 996 →ostarrihhi, 1156 marchia Austrie, woraus sich →Österreich entwickelt).

Lit.: Köbler, DRG 76; Baltl/Kocher; Floßmann, U., Regnum Austriae, ZRG GA 89 (1972), 78; Krasa-Florian, S., Die Allegorie der Austria, 2007

Austrien ist vom 6. bis 8. Jh. eine Bezeichnung für östliche Teile des Reiches der Franken.

Lit.: Lugge, M., Gallia und Francia im Mittelalter, 1960; Parisse, M., Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990

Austrofaschismus ist eine Bezeichnung für das Herrschaftssystem Österreichs zwischen 1933/1934 und 1938.

Auswanderung ist das Verlassen eines Landes auf Dauer (durch einen Freien). 1555 erlaubt der →Augsburger Religionsfriede die A. (lat. [F.) emigratio) bei Religionswechsel des Landesherrn. Der absolute Staat schränkt die Freiheit der A. aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Überlegungen ein. Nach dem Vorbild Frankreichs (1789) lassen die Mitgliedstaaten des →Deutschen Bundes 1815 die A. in einen anderen Mitgliedstaat und um 1848 die A. überhaupt zu (§ 136 der gescheiterten Reichsverfassung), wobei zwischen 1816 und 1914 5,5 Millionen Deutsche vor allem nach Amerika auswandern (1897 gesetzliche Regelung). Teilweise wird bei A. eine →Steuer verlangt (u. a. 1931 Reichsfluchtsteuer, 1953 aufgehoben).

Lit.: Scheuner, U., Die Auswanderungsfreiheit, FS R. Thoma, 1950, 199ff.; Vom Reichskommissar für das Auswanderungswesen zum Bundesverwaltungsamt, 1989; Mußgnug, D., Die Reichsfluchtsteuer 1931-1953, 1993; Straten, A. v. d., Die Rechtsordnung des zweiten Kaiserreiches und die deutsche Auswanderung nach Übersee 1871-1914, 1997; Migration in der euro­päischen Geschichte, hg. v. Bade, K., 2002; Migration steuern, hg. v. Oltmer, J., 2003

Ausweis s. Pass

Ausweisung ist die Anordnung zum Verlassen eines Gebiets (Landes, Stadt). Wegen ihrer geringen Kosten und ihrer befreienden Wirkung verbreitet sich die A. seit dem späten Mittelalter rasch. Von der Aufklärung wird die A. von Straftätern seit dem 17. Jh. zugunsten des Zuchthauses zu­rückgedrängt.

Lit.: Grenzen und Raumvorstellungen, hg. v. Marchal, G., 1996; Schnabel-Schüle, H., Überwachen und Strafen im Territorialstaat, 1997; Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht, 2000; Reiter, I., Ausgewiesen, abgeschoben, 2000

Authenticae (lat. [F.Pl.]) sind die vielleicht von oder seit →Irnernius wahrscheinlich unter Verwendung der Epitome Juliani geschaffenen, im 13. Jh. in den ersten neun Büchern des →Codex →Justinians eingefügten (362 bzw. 212) Auszüge aus der →Authenticum genannten Sammlung der →Novellen sowie (seit dem 14. Jh.) die (2) Konstitutionen Sacramenta puberum (nach C 2. 27 bzw. 28. 1) und Habita (nach C 4. 13. 5) Friedrichs I. Barbarossa und die (durch Aufteilung eines umfang­reichen Gesetzes entstehenden 11) Konsti­tutionen (Navigia, Omnes peregrini, Agricultores  u. s. w.) Friedrichs II. (Ad decus), die bis zu →Accursius (um 1230) in den Codex aufge­nommen werden. Eine Konstitution Heinrichs VII. von 1312 (Ad reprimendum) und der Friede von Konstanz sind nicht in den Codex, sondern als Extravaganten hinter die (lat. [M.Pl.]) libri feudorum (Lehnbücher) eingefügt. Nicht glossiert werden die A. zu den letzten drei Büchern des Codex. Erst am Beginn der Neuzeit werden alle Novellen wieder zu einer Einheit verbunden.

Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, 2. A. Bd. 3f. 1834ff.; Wesenberg, G., Die Privatrechtsgesetzgebung des Heiligen römischen Reiches, Studi P. Koschaker Bd. 1 1954, 187; Troje, H., Graeca leguntur, 1971; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Authenticum (lat. [N.]) ist die Bezeichnung für eine um 1100 in Bologna erscheinende, 134 in das Lateinische übersetzte Stücke umfassende, in neun (lat. [F. Pl.]) collationes geteilte Sammlung unbekannter Herkunft der seit 535 n. Chr. unter dem oströmischen Kaiser →Justinian ergangenen (168 griechisch gehaltenen) →Novellen, die der Zeit als authentische Fassung gilt. →Authenticae

Lit.: Söllner § 22; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, 2. A. Bd. 3f. 1834ff.; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Autobahn ist die nur für den Automobil­verkehr zugelassene, vierspurige, kreuz­ungsfrei ausgebaute Straße. In Berlin wird 1921 die Avus eröffnet, der oberitalienische Autobahnen und im August 1932 die Strecke Köln-Bonn folgen. Nach Plänen Fritz Todts (1891-1942) entscheidet sich Adolf Hitler für Reichsautobahnen, von denen mittels gewag­ter Kredit­aufnahmen (viereinhalb Milliarden Reichsmark Schulden) zwischen 1933 und 1945 rund 3860 Kilo­meter errichtet werden.

Lit.: Hartmannsgruber, F., …ungeachtet der noch ungeklärten Finanzierung, HZ 278 (2004), 625; Reitsam, C., Reichsautobahn-Landschaften, 2009

Autograph (N.) vom Autor selbst ge­schriebenes Schriftstück (kein Werk der an­tiken Literatur als A. erhalten)

Lit.: Hoffmann, H., Autographa im früheren Mittelalter, DA 57 (2001), 1

Automat ist die mechanische, nach Aufheben einer Hemmung einen Vorgang selbsttätig ausführende Einrichtung. Größere tatsächliche Bedeutung gewinnt der A. mit dem Vor­dringen der elektronischen Datenver­arbeitung am Ende des 20. Jh.s. Für Rechts­folgen wird dessenungeachtet auf das hinter dem A. stehende menschliche Verhalten abgestellt.

Autonomie ist das (vom Staat gewährte) Recht zur Selbstgesetzgebung innerhalb einer anderweitigen Gesetzgebungshoheit. Die A. gewinnt mit der Entstehung des staatlichen Gesetzgebungsmonopols im Absolutismus an Bedeutung. A. haben beispielsweise Städte, Universitäten, Religionsgemeinschaften, Sozialversicherungsträger, Vereine  u. s. w.

Lit.: Wicki, A., Zur Dogmengeschichte der Partei­autonomie im internationalen Privatrecht, 1965; Steffen, W., Die studentische Autonomie im hochmittelalterlichen Bologna, 1981; Mizia, R., Der Rechtsbegriff der Autonomie und die Begründung des Privatfürstenrechts, 1995; Lim, M., Der Begriff der Autonomie und des Menschenrechts bei Kant, 2002

Autor →Urheber

Auvergne ist die durch Cäsar ins römische Reich gelangte Landschaft um das Zentralmassiv in Frankreich. Sie wird 507 fränkisch (Mitte 8. Jh. [lat.] Formulae [F.Pl.] Arvernenses) und kommt 955 an Poitou. Seit 1189 geht sie vom König zu Lehen. Ein Teil fällt 1527/1531 an den König, der gräfliche Rest 1609. Der Advokat Jean Masuer († 1450) zeichnet in seiner (lat.) Practica (F.) forensis (Gerichtliche Praxis) das zuvor ganz zersplitterte Recht erstmals umfassender auf. 1510 wird die Coutume d’Auvergne wirksam.

Lit.: Massé, E., La coutume d’Auvergne, Diss. jur. Toulouse 1913; Histoire d’Auvergne, hg. v. Manry, A., 1974

Averani, Giuseppe (1662-1738), seit 1685 Professor des römischen Rechtes in Pisa, übernimmt die humanistischen Gedanken des (lat.) →mos (M.) Gallicus in die Rechts­wissenschaft Italiens und bereitet dadurch den Boden für die Aufklärung (in Toskana) vor ([lat.] Interpretationum iuris libri [M.Pl.] duo  u. s. w., 1713).

Lit.: Dizionario Biographico degli Italiani, 1960ff., 4, 658f.

Avignon in Südfrankreich ist von 1309 bis 1378 Sitz des von Frankreich gefangen gehaltenen Papstes und von 1378 bis 1417 Sitz eines Gegenpapsts.

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 149

Aware, Avare, ist der Angehörige eines um 460 aus Zentralasien nach Westen vor­stoßenden, um 566 an Donau und Theiß siedelnden, 822 aus der Überlieferung verschwindenden Steppenvolks.

Lit.: Pohl, W., Die Awaren, 2. A. 2002

Aymar du Rivail (Aymarus Rivallius) (1490?-1560), Sohn eines (lat.) legum doctor (M.) und Richters, wird nach dem Rechtsstudium in Avignon und Pavia (Mayno, Alciat?) 1521 königlicher Rat im Parlament von Grenoble. Mit Druckerprivileg vom 8. 8. 1515 veröffentlicht er in Valence (lat.) Libri (M.Pl.) de historia iuris civilis et pontificii mit 129 numerierten und 19 unnumerierten Blättern, welche die erste umfassende Rechtsgeschichte (des römischen und kirchlichen Rechtes) darstellen.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Aymar
duRivailLibridehistoriaiuriscivilisetpontificii1515.pdf , Aymar du Rivail, Libri de historia iuris civilis et pontificii, 1515, Moeller, E. v., Aymar du Rivail, 1907; Köbler, G., Zur Geschichte der römischen Rechtsgeschichte, (in) Geschichtliche Rechtswissenschaft, hg. v. Köbler, G., 1990, 220

Aytta, Wigle (Viglius) van (Barrahuis bei Leeuwarden 1507-Brüssel 1577) wird nach dem Studium in Löwen, Dôle und Valence Schüler →Alciats in Bourges und 1532 Professor des römischen Rechtes in Padua, 1537-1542 in Ingolstadt. Er verwertet in seinen Veröffentlichungen auch byzantinische Rechts­quellen.

Lit.: Postma, F., Viglius van Aytta als humanist en diplomaat 1507-1549, 1983; Sprenger, R., Viglius von Aytta, 1988

Azo (Bologna 1150?-1220 [vor 1190-1220/1230]) lehrt nach dem Studium in Bologna (u. a. Johannes Bassianus) spätestens seit 1190 dort weltliches Recht. Seine bedeutendsten Leistungen bestehen in der Herstellung von (weitgehend ungedruckten) Glossenapparaten zu allen Teilen der justinianischen Gesetzgebung (die glossa ordinaria verweist auf ihn 3600mal) sowie in (lat.) Summae (F.Pl.) Codicis (1208-1210), Lectura (F.) Codicis (durch Vorlesungsnachschrift erhalten), Summae (F. Pl.) Institutionum und Summae Digestorum (str.) (daneben Quästionen, Distinktionen, Brocardica, Consilia und Definitionen). Insbesondere im 16. Jh. erfahren seine Werke weiteste Verbreitung. Er ist Lehrer z. B. des →Accursius, Jacobus Balduini, (Martinus de Fano,) Roffredus Epiphanii, Jacobus de Ardizone, (Goffredus de Trano,) und Johannes Teutonicus. Seine Arbeiten werden u. a. verwendet von Henry de Bracton (vielleicht nach 1230), vom Klagspiegel ([Conrad Heyden] um 1436) und wohl auch vom (lat. [M.]) Vocabularius utriusque iuris (Wörterbuch beider Rechte) des Jodocus aus Erfurt (1452).

Lit.: Köbler, DRG 107; Belloni, A., Le questioni civilistiche del secolo XII, 1989; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 255

 

B

Baar ist die in Urkunden des 8. und 9. Jh.s bezeugte, bisher nicht sicher erklärte Bezeichnung des Gebiets an der obersten Donau bei Donaueschingen (z. B. Adal­hartespara). Nach den Herzögen von Zähringen erscheint 1264 Konrad von War­tenberg als Landgraf in der B., 1304 eine Landgrafschaft B., die denen von Fürstenberg zukommt.

Lit.: Bader, K., Zur politischen und rechtlichen Entwicklung der Baar, 1937; Bader, K., Kloster Amtenhausen in der Baar, 1940; Beyerle, F., Zum Problem der alamannischen Baaren, ZRG GA 62 (1942), 305; Bohnenberger, K., Zu den Baaren, ZRG GA 63 (1943), 319; Bader, K., Die Landgrafschaft Baar, 1960; Leiber, G., Das Landgericht der Baar, 1969; Banse, H., Ein neuer Ansatz, Alemann. Jb. 1997/1998, 27

Babelsberger Konferenz ist die in Babels­berg am 2./3. 4. 1958 tagende Konferenz, in der Walter Ulbricht von der Rechts­wissen­schaft der →Deutschen Demo­kratischen Republik eine stärkere marxistisch-lenin­istische Durch­dringung sowie eine bessere Verbindung mit der Praxis des sozialistischen Aufbaus fordert.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mollnau, K., Imple­mentationsmechanismen der Babelsberger Konferenz, (in) Staat und Recht in den neuen Bundesländern, Sonderheft Oktober 1991, 175; Die Babelsberger Konferenz, hg. v. Eckert, J., 1993; Güpping, S., Die Bedeutung der „Babelsberger Konferenz“, 1997

Babenberger ist der Angehörige eines in der Mitte des 11. Jh.s nach der Burg Babenberg (Bamberg) benannten, vor allem in Ost­franken begüterten, 945 letztmalig bezeugten Adelsgeschlechts (Popponen, Adalbert von Bamberg bei Haßfeld am 9. 9. 906 enthauptet). Als erster, wohl mit ihnen (oder nach Scheibelreither vielleicht mit den Liutpoldingern) verwandter jüngerer B. erscheint 976 ein Markgraf Liutpald der Mark an der Donau. 1156 erreichen die B. (Leopold I. 976-994, Heinrich I. 994-1018, Adalbert 1018-1055, Ernst 1055-1075, Leopold II. 1075-1095, Leopold III 1095-1136, Leopold IV. 1136-1141, Heinrich II. Jasomirgott 1141-1177) im sog. (lat. [N.]) privilegium minus als Ausgleich für die Rückgabe des 1138 von den Staufern den Welfen entzogenen und 1139 den Babenbergern übertragenen Herzogtums →Bayern die Erhebung ihrer Mark zum selbständigen, von Bayern gelösten Herzog­tum →Österreich des deutschen Reiches. Die (nach Leopold V. 1177-1194, Friedrich I. 1195-1198, Leopold VI. 1198-1230 und Friedrich II. 1230-1246) zunächst an Baden (1248-1251) und dann an Böhmen gelangten Güter des 1246 im Mannesstamm erloschenen Geschlechts verlehnt König Rudolf von Habsburg nach dem →Interregnum (1282) innerfamiliär an die →Habsburger. Die Benennung als B. wird erst im 15. Jh. allgemein üblich.

Lit.: Köbler, DRG 76, 94; Rauch, K., Die Erwerbung des Herzogtums Steiermark durch die Babenberger, ZRG GA 38 (1917), 269; Rauch, K., Die Übertragung der steirischen Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht der Babenberger, ZRG GA 58 (1938), 448; Urkundenbuch zur Geschichte der Babenberger in Österreich, Bd. 1ff. 1950ff.; Appelt, H., Privilegium minus, 1973, 2. A. 1977; Lechner, K., Die Babenberger, 1976, 4. A. 1985, 6. A. 1996; Tausend Jahre Babenberger in Österreich, 1976; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Dienst, H., Die Babenberger 976-1246, 2005; Brunner, K., Leopold der Heilige, 2009; Scheibelreiter, G., Die Babenberger, 2010; Hanko, H., Herzog Heinrich II. Jasomirgott, 2012

Babylon

Lit.: Jursa, M., Die Baylonier, 2004

Baccalaureus (9. Jh. baccalarius, [lat., M.], Knecht) ist seit dem 13. Jh. (1231) der unterste akademische Grad (vgl. angloam. bachelor).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Leff, G., Paris and Oxford in the 13th and 14th Centuries, 1968; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 63

Bacharach

Lit.: Wagner, F., Stadt Bacharach und Samtgemeinde der Viertäler, 1956

Bachofen, Johann Jakob (Basel 22. 12. 1815-Basel 25. 11. 1887), Seidenband­fabrikanten­sohn, wird nach dem Studium von Philologie, Geschichte und Recht in Basel, Berlin (Savigny) und Göttingen 1841-1844 Professor für römisches Recht in Basel und 1842 Richter (1844 Appellationsrat). Auf rechts­ethnologischer Grundlage entwickelt er die Vorstellung eines ursprünglichen Mutter­rechts (Über das Weiberrecht, 1856, Das Mutter­recht, 1861). Bei seinen Zeitgenossen findet er hierfür kein Verständnis.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Bach-ofenJohannJakobDasMutterrecht1861.pdf Bachofen, J., Eine Selbstbiographie, Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft 34 (1917); Bernoulli, C., Johann Jakob Bachofen und das Natursymbol, 1924; Müllenbach, B., Johann Jakob Bachofen als Rechtshistoriker, ZRG GA 105 (1988), 17

Bacon, Francis (London 22. 1. 1561-Highgate bei London 9. 4. 1626), Sohn des engli­schen Lordsiegelbewahrers, wird nach dem Studium in Cambridge und der Berufsaus­bildung in Gray’s Inn 1583 Anwalt, 1607 Kronanwalt, 1613 Justizminister, 1617 Lord­siegelbewahrer und 1618 Lordkanzler. Wegen des Verdachts der Bestechlichkeit verliert er 1621 alle öffentlichen Ämter. Als Jurist bemüht er sich besonders um Klarheit und Wissenschaftlichkeit. Außerrechtliche Be­kanntheit gewinnt er durch die Forderung, dass die Wissenschaft nur aus einzelnen Erfahrungen allgemeine Folgerungen ziehen dürfe (→Empirismus, →Locke).

Lit.: Köbler, DRG 136; Bock, H., Staat und Gesellschaft bei Francis Bacon, 1937; Anderson, F., Francis Bacon, 1962; Krohn, W., Francis Bacon, 1988; Wormald, B., Francis Bacon, 1993; Zagorin, P., Francis Bacon, 1998; Keller, S., Experiment versus Dogma, 2005

Baculus (M.) iudicii secularis (lat.) in Frankenford ist das in 88 Artikeln gegliederte Werk über Gerichtsverfassung und Verfahren in Frankfurt am Main, das zwischen 1400 und 1430 von einem unbekannten Stadtschreiber verfasst worden sein könnte.

Lit.: Coing, H., Die Rezeption des römischen Rechtes in Frankfurt am Main, 1939, 15

Bad

Lit.: Gail, W., Die Rechtsverfassung der öffentlichen Badstuben, 1940

Baden im Oostal erscheint nach einem römischen Aquae Aureliae 987. Nach ihm benennt sich seit 1112 eine mit Markgraf Hermann († 1074) erkennbare, von den Herzögen von →Zähringen abstammende Familie. Sie gewinnt umfangreiche Güter, die nach Vervierfachung unter Napoleon am Beginn des 19. Jh.s (1806) bis zur Abdankung am 22. 11. 1918 gehalten werden können. 1951/1952 geht B. in Baden-Württemberg auf.

Lit.: Kroeschell, DRG 186, 192, 201, 156; Köbler, Historisches Lexikon; Meyer, E., Badisches Volksleben im neunzehnten Jahrhundert, 1900; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte Bd. 1f. 1906ff.; Andreas, W., Die Einführung des Code Napoléon in Baden, ZRG GA 31 (1910), 182; Lenel, P., Badens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung unter Markgraf Karl Friedrich (1738-1803), 1913; Andreas, W., Geschichte der badischen Verwaltungs­organisation und Verfassung in den Jahren 1802-1818, 1913; Windelband, W., Die Verwaltung der Markgrafschaft Baden zur Zeit Karl Friedrichs, 1916; Krieger, A., Badische Geschichte, 1921; Strobel, E., Neuaufbau der Verwaltung und Wirtschaft der Markgrafschaft Baden-Durlach, 1935; Hofmann, K., Die germanische Besiedelung Nordbadens, 1937; Wahle, E., Vorzeit am Oberrhein, 1937; Beinert, B., Geheimer Rat und Kabinett in Baden, 1937; Badisches Wörterbuch, bearb. v. Ochs, E. u. a., Bd. 1ff. 1940 ff.(2011 bis Lieferung 82/83, Abschluss in 5 Bänden geplant für 2015); Baden im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 1f. 1948ff.; Rheinbaben, G. v., Die erste Kammer in Baden, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1949; Bader, K., Der deutsche Südwesten in seiner territorialstaatlichen Entwicklung, 1950; Armbruster, F., Die Freiburger Talvogtei, 1950; Arndt, E., Vom markgräflichen Patrimonialstaat zum groß­herzoglichen Verfassungsstaat Baden, Diss. jur. Freiburg 1952 = ZGO 101 (1953), 157, 436; Haebler, R., Badische Geschichte, 1951, Neudruck 1987; Wielandt, F., Badische Münz- und Geldgeschichte, 1955; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den badischen Markgrafschaften, 1961; Rummer, J., Die Pforzheimer Prob, 1963; Sütterlin, B., Geschichte Badens, 1967; Gut, J., Die Landschaft auf den Landtagen der markgräflich badischen Gebiete, 1970; Blickle, P., Landschaften im alten Reich, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2626, 3,3,2855,3696; Hahn, W., Die Entwicklung der Laiengerichtsbarkeit im Großherzogtum Baden-Baden, 1974; Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg 1, 2, hg. v. Landkreistag, 1975; Theil, B., Das älteste Lehnbuch der Markgrafen von Baden, 1974; Krimm, K., Baden und Habsburg, 1976; Stiefel, K., Baden 1648-1952, 1978; Boelcke, W., Handbuch Baden-Württemberg, 1982; Badische Biographien, neue Folge, Bd. 1ff. 1982ff.; Real, W., Die Revolution in Baden 1848/49, 1983; Das Großherzogtum Baden zwischen Revolution und Restauration 1849-1851, hg. v. Real, W., 1983; Pforzheim in der frühen Neuzeit, hg. v. Becht, H., 1989; Gross, N., Der Code civil in Baden, 1993; Muscheler, K., Die Rolle Badens in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1993; Die badische Verfassung von 1818, hg. v. Bräunche, E. u. a., 1996; Handbuch der baden-württem­bergischen Geschichte, hg. v. Schwarzmaier, H. u. a., Bd. 1ff. 1998ff.; Baldes, A., Die Entstehung des Strafgesetzbuches, 1999; Quellen zur Entstehung der Verfassung des Landes Baden, bearb. v. Feuchte, P., 1999; Kißener, M., Richter zwischen Diktatur und Demokratie, 2003; Holenstein, A., Gute Policey und lokale Gesellschaft, 2003; Festschrift 200 Jahre Badisches Oberhofgericht – Oberlandesgericht Karlsruhe, hg. v. Münchbach, W., 2003; Würtz, C., Johann Niklas Friedrich Brauer (1754-1813), 2005; Schwarzmaier, H., Baden, 2005; Engehausen, F., Kleine Geschichte des Großherzogtums Baden 1806-1918, 2005; Die Protokolle der Regierung von Baden, Bd. 1 bearb. v. Hochstuhl, K., 2006; Kohnle, A., Kleine Geschichte der Markgrafschaft Baden, 2007; Pätzold, S., Kleine Geschichte der Stadt Pforzheim, 2007; Laufs, A. u. a. Das Eigentum an badischen Kulturgütern, 2008; Becht, H., Badischer Parla­men­tarismus 1819 bis 1870, 2009; Maciejewski, J., Amtsmannvertreibungen in Baden im März und April 1848, 2010; Leschhorn, K., Die Städte der Markgrafen von Baden, 2010; Engehausen, F., Kleine Geschichte der Revolution 1848/49 in Baden, 2010; Borgstedt, A., Badische Anwaltschaft und sozioprofessionelles Milieu in Monarchie, Republik und totalitärer Diktatur, 2012; Weinacht, P., Politische Kultur am Oberrhein, 2012

Baden-Württemberg ist das 1951/1952 (25. April 1952) aus Württemberg-Baden (Nordbaden, Nordwürttemberg), Baden (Südbaden) und Württemberg-Hohenzol­lern (Südwürttem­berg, Hohenzollern) gebildete Bundesland der Bundesrepublik Deutschland.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Deutsches Städtebuch, Baden-Württemberg 1959; Landes­geschichtliche Vereinigungen in Baden-Württemberg, bearb. v. Gönner, E., 1987; Boelcke, W., Handbuch Baden-Württemberg, 1982; Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, hg. v. d. Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württem­berg, Bd. 1ff. 1990ff.; Weber, R./Wehling, H., Geschichte Baden-Württembergs, 2007; Wilhelm, B., Das Land Baden-Württemberg, 2007; Meier-Braun, K. u. a., Kleine Geschichte der Ein- und Auswanderung in Baden-Württemberg, 2008

Bader, Karl Siegfried (Waldau/­Schwarzwald 27. 8. 1907-Zürich 13. 9. 1998, Vater Haupt­lehrer) wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen, Wien, Heidelberg und Freiburg im Breisgau 1931 in Notariat und Staatsanwalt­schaft in Freiburg im Breisgau tätig, aber zum 1. 10. 1933 trotz Beitritts zur NSDAP wegen nicht vollarischer Abstammung seiner in Wien kennengelernten Ehefrau (Grete Weiss) entlassen und deswegen Rechts­anwalt und Leiter des fürstenbergischen Archivs in Do­naueschingen. 1945 wird er Generalstaats­anwalt und außerordentlicher Professor für Rechtsgeschichte und Kirchenrecht in Frei­burg in Breisgau, 1951 ordentlicher Professor in Mainz und 1953 als Nachfolger Heinrich Mitteis‘ in Zürich (1975 emeritiert). Sein bekanntestes Werk seiner rund 1200 Ver­öffentlichungen sind dreibändige Studien zur Rechtsge­schichte des mittelalterlichen Dorfes (1957-1973).

Lit.: Zwei Jahrzehnte Rechtsgeschichte an der Universität Zürich, 1975; Bader, K., Ausgewählte Schriften, 1983; Schott, C., Karl Siegfried Bader, ZRG GA 119 (2002), 1

Badisches Landrecht von 1588 ist das von Markgraf Philipp II. am 2. 1. 1588 erlassene, 1805 erstmals gedruckte, bis Ende 1809 bzw. bis 1810 geltende Landrecht für die Markgrafschaft Baden-Baden (Landesord­nung), das in seinen drei ersten Teilen (Untergerichtsordnung, Kontrakte, Testamen­te) auf dem württem­bergischen Landrecht von 1567 beruht, im vierten Teil das Intestat­erbrecht selbständig behandelt und in seinem fünften Teil (Strafrecht) (über das Kurpfälzer Landrecht von 1580 bzw. 1582) auf die kursächsischen Konstitutionen (1572) zurück­geht.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den badischen Markgrafschaften, 1961, 86

Badisches Landrecht von 1654 ist das seit 1604 vorbereitete, für 1619 geplante, 1622 (und 1710, 1715 sowie 1773) gedruckte, ursprünglich für ganz Baden (Baden-Baden und Baden-Durlach) gedachte, aber wegen der (bis 1771 dauernden) Landesteilung nur in Baden-Durlach von 1654 bis 1810 gültige Landrecht, das auf der Grundlage älterer Einzelgesetze sowie des kurpfälzischen Landrechts und des württembergischen Land­rechts in sieben Teilen (Untergerichtsord­nung, Hofgerichtsordnung, Ehe- und Ehege­richtsordnung, Verträge, Testamente, Intes­taterbrecht, Strafrecht und Strafprozessrecht) fast das gesamte Recht ordnet (ausgenommen das Verwaltungsrecht).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1906ff., 2, 20

Badisches Landrecht von 1809 ist der zum 1. 1. 1810 als Landrecht für das Großherzog­tum Baden eingeführte, durch Johann Nikolaus Friedrich Brauer unter Ausschluss von Fremdwörtern wortnah in die deutsche Sprache übersetzte Code Napoléon (→Code civil, 2281 Artikel) Frankreichs mit (270) Zusätzen und Handelsgesetzen, dessen Geltung (revidierte Fassungen von 1846, 1874 und 1899) durch die Inkraftsetzung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1. 1. 1900 endet.

Lit.: Brauer, J., Erläuterungen über den Code Napoléon, 1809ff.; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte, Bd. 2 1909; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Fehrenbach, E., Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, 3. A. 1983; Gross, N., Der Code Napoléon in Baden und sein Verleger C. F: Müller, 1997; Code Napoleon - Badisches Landrecht, (hg. v. Müller-Wirth, C.,) 1997; http://www.koeblergerhard.­de­/Fon­tes/CodeNapoleonBaden1809.pdf; Schroeder, K., Hier ist eine baldige aber Radicale Kur nothwendig, NJW 2010, 731; Rabaa, A., Die Ehe als Rechtsinstitut im Badischen Landrecht von 1810, 2011; 200 Jahre Badisches Landrecht von 1809/1810, hg. v. Hattenhauer, C./Schroeder, K., 2011; Sturm, F., 200 Jahre Badisches Landrecht, 2011

Bagarottus ist ein zwischen 1170 und 1180 geborener, wohl in Piacenza anässiger Jurist.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 297

Bähr, Otto (Fulda 2. 6. 1817-Kassel 17. 2. 1895), Sohn eines Regimentsarzts, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg, Göttingen und Heidelberg Richter in Kassel (1849), (1851 strafverstzt in) Fulda, Kassel und (nach der Annexion Hessen-Kassels durch Preußen) 1866) Berlin (1879-1881 Reichsgericht, Aufgabe des Amtes wegen Nervenleidens). Als natio­nalliberaler Rechtspolitiker setzt er sich für die gerichtliche Überprüfbarkeit des Verwal­tungshandelns ein (Der Rechtsstaat, 1864). In der Untersuchung Die Anerkennung als Verpflichtungsgrund entwickelt er den selbständig (abstrakt) verpflichtenden Schuld­vertrag.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Baehr
OttoDerRechtsstaat1864.pdf , Bähr, Otto, Der Rechtsstaat, 1864, Weber, D., Die Lehre vom Rechtsstaat, Diss. jur. Köln 1968; Binder, B., Otto Bähr, 1983

Bahrprobe ist das wohl erst seit dem 12./13. Jh. in literarischen Texten (Nibelungenlied) bezeugte, zunächst außergerichtliche, in dem Rechtsbuch Ruprechts von Freising von 1328 (Art. 278) auch für gerichtliche Verwendung nachgewiesene Verfahren, bei dem bei Fehlen anderer Beweismöglichkeiten ein einer Tötung Be­schuldigter an die Totenbahre des Getöteten treten und seine Unschuld beschwören muss oder auch darf. Verän­derungen der Leiche (z. B. Bluten) werden als Hinweis auf die Täterschaft des Beschuldigten angesehen. Herkunft (vgl. 1. Moses 4,10 [lat.] vox sanguinis fratris tui clamat ad me de terra, die Stimme des Blutes deines Bruders ruft zu mir von der Erde) und Wesen des Verfahrens sind unklar. Mit der Aufklärung verschwindet die in der Neuzeit als Indiz für die Anwendbarkeit der Folter gebrauchte B., mit dem 19. Jh. der Glaube an sie.

Lit.: Christensen, C., Baareprøven, 1900; Kolb, F., Das alte Bahrrecht in Tirol, Tiroler Heimat 13/14 (1949/1950), 7; Ewers, H., Die Bahrprobe, Diss. jur. Bonn 1951; Fehr, H., Das Bahrrecht, Dt. Jb. f. Volkskunde 6 (1960), 85

Balduinus →Baudoin

Baldus de Ubaldis (Perugia 2. 10. 1327-Pavia 28. 4. 1400), Sohn eines adligen Professors der Medizin, wird nach dem Studium in Perugia (Bartolus) Professor des römischen Rechtes in Perugia (1347-1357), Pisa (1357/1358), Florenz (1358-1364), Perugia (1364-1376), Padua (1376-1379), Perugia (1379-1390) und Pavia (1390-1400). Auf Grund der vollständigen Beherrschung des gesamten geltenden Rechtes gelingt ihm die selbständige Wei­terbildung vieler Einzel­heiten (Wechsel­recht, Gesellschaftsrecht, interna­tio­nales Privatrecht, Prozessrecht, Staats­recht, Strafrecht, Privatrecht) in rund 2800 (d. h. fast 70 je Jahr) Gutachten (lat. [N.Pl.] consilia) und verschiedenen (lücken­haften) Kommentaren (lectura Codicis, Kommentar zum digestum vetus, lectura trium librorum Codicis, lectura super usibus feudorum, Kommentar zu acta pacis Constantiae, Kommentar zum liber extra) und Traktaten.

Lit.: Söllner § 25; Kisch, G., Bartolus und Baldus, 1960; Horn, N., Aequitas in den Lehren des Baldus, 1968; Lange, H., Die Consilien des Baldus, 1974; Maffei, D., Giuristi medievali, 1979; Danusso, C., Ricerche sulla lectura feudorum di Baldo, 1991; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 749

Balkan (Berg in Bulgarien) ist die aus dem Türkischen kommende, zusammenfassende Bezeichnung für die südosteuropäische Halbinsel, auf der das römische Recht nach dem Ende der Antike in Form des byzantinisch-römischen Rechtes fortwirkt, seit dem 14. Jh. aber durch den Nomokanon des Pseudo-Phótios vom Ende des 9. Jh.s, das Syntagma tón theión kai hierón nomón des Mönches Matthaios Blastarés (1335) und den Hexabiblos des Konstantinos Harmenpoulos (1345) bereichert wird.. →Griechenland, Albanien, Bulga­rien, Jugoslawien.

Lit.: Weithmann, M., Balkan-Chronik, 1995; Hösch, E., Geschichte der Balkanländer, 4. A. 2002; Der Balkan, hg. v. Elvert, J., 1997; Der Balkan, hg. v. Heuberger, V. u. a., 1998; Südosteuropa, hg. v. Hatschikjan, M. u. a., 1999; Der Balkankrieg, hg. v. Hofbauer, H., 1999; Mennel, R., Der Balkan, 1999; Razumovsky, D. Gräfin, Der Balkan, 1999; Pavlowitsch, S., A History of the Balkans 1804-1945, 1999; Todorova, M., Die Erfindung des Balkans, 1999; Hösch, E., Geschichte des Balkans, 2004; Europe and the Historical Legacies in the Balkans, hg. v. Detrez, R. u. a., 2008; Am Rande Europas?, hg. v. Chiari, B. u. a., 2009

Ballei (zu mlat. [M.] ballivus) ist seit dem 14. Jh. nach sizilianischem Vorbild die Be­zeichnung für die Provinz des →Deutschen Ordens (außerhalb des Preußenlands) mit dem Landkomtur (als Vertreter des Hochmeisters) an der Spitze (z. B. Utrecht, Alten-Biesen, Westfalen, Sachsen, Hessen, Thüringen, Franken, Koblenz, Elsass-Schwaben-Burgund, Lothringen, Österreich, An der Etsch und im Gebirge, Lamparten, Apulien, Sizilien, Böhmen, Armenien und Zypern, Romanien).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Voigt, J., Geschichte des Deutschen Ritter-Ordens, Bd. 1f. 1857ff.; Militzer, K., Die Entstehung der Deutschordensballeien im deutschen Reich, 2. A. 1981; Militzer, K., Von Akkon zur Marienburg, 1999

Ballivus (zu lat. baiulus [M.] Lastträger) ist ein herrschaftlicher Amtsträger im mittel­alterlichen Frankreich (um 1150) sowie später in Süd­italien und als bailiff im hochmittel­alterlichen England mit meist auch nieder­gerichtlichen Aufgaben.

Lit.: Nowé, H., Les baillis comtaux de Flandre, 1929; Rompaey, J. v., Het grafelijk baljuwsambt in vlaanderen, 1967

Balte ist der Angehörige eines baltisch sprechenden indogermanischen Volkes (Preußen, Kuren, Letten, Litauer).

Baltikum ist die neuzeitliche Sam­melbezeichnung (seit dem 16. Jh. sind baltische Länder Estland, Livland mit Lett­gallen im Südosten, Semgallen und Kurland, während Litauen erst seit dem 19. Jh. zu dem B. gezählt wird) für die spätestens seit dem ausgehenden Früh­mittelalter von ugro-finnischen und balto-slawischen Stämmen (Esten, Liven, Kuren, Lettgaller, Selen, Semgaller) besiedelten Gebiete am östlichen Rand der südlichen Ostsee. Das B. wird seit dem Ende des 12. Jh.s von Deutschen (Riga 1201) und Dänen (Reval 1219) beeinflusst. Die Bischöfe von Riga (1255 Erzbistum), Dorpat, Ösel, Kurland und Reval sowie der Deutschordensmeister von Livland erlangen die Stellung von Fürsten des Heiligen römischen Reiches. Sie finden sich im 15. Jh. in einer altlivländischen Konföderation mit alljährlichen Landtagen zusammen. Das aufgezeichnete, neben ungeschriebenen Gewohnheitsrechten der Bauern bestehende Recht ist (von Dänemark und) vom Heiligen römischen Reich beeinflusst (1315 waldemar-erichsches Lehnrecht [beeinflusst vom Dienstrecht des Hochstifts Hildesheim], ältestes livländisches Ritterrecht, livlän­discher Spiegel [als Über­arbeitung des →Sachsenspiegels], [kompiliert als] wiek-öselsches Lehnrecht, mittleres livländisches Ritterrecht [15. Jh.], umgearbeitetes Ritter­recht [systematisiert], Bauernrechte [mit Bußbestimmungen], lübisches Stadtrecht [Reval] und hamburgisches Stadtrecht [Riga, Dorpat, Libau]). Das römische Recht wirkt sich nur wenig aus. 1561 kommt das Gebiet an Polen (Livland, Kurland) und Schweden (Estland, 1621 auch Livland), 1710 fallen Estland und (mittleres) Livland (sowie das seit 1559 dänische Ösel), 1772 bei der ersten Teilung Polens Lettgallen und 1795 bei der dritten Teilung Polens Kurland an Russland, wobei augsburgische Konfession, deutsches Recht, deutsche Verwaltung und Amtssprache zugesichert bleiben. 1816/1819 erfolgt (innerhalb Russlands) die Bauernbefreiung, danach die Festlegung des Provinzialrechts (1864 Zivilgesetzbuch [mit etwa 4600 Artikeln], liv-, est- und kurländisches Privatrecht, wobei der Kern des inhaltlichen baltischen Privatrechts als aus deutschen [40 Prozent livländisches, estländisches, lübi­sches, russisches Recht, kurländische Sta­tu­ten, baltische Bauernverordnungen, Gewohn­heitsrecht] und römischen Wurzeln [57 % römisch-rechtlichen Ursprungs] er­wach­senen gemeinen Rechtes örtlicher Prä­gung erhalten bleibt), 1877 die Einführung der Städte­ordnung Russlands von 1870, 1889 die Einführung des russischen Gerichtsver­fassungsrechts und Prozessrechts. 1918 werden Estland (24. 2. 1918) und Lettland von Russland bzw. der Sowjetunion unabhängig und selbständig, am 6. 8. 1940 bzw. 5. 8. 1940 der Sowjetunion unter Aussiedlung der Deutschen auf Grund des Hitler-Stalin-Pakts von 1939 gewaltsam eingegliedert und am 6. 9. 1991 wieder unabhängig. 2004 werden Estland, Lettland und Litauen Mitglieder der Europäischen Union.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ziegenhorn, C. v., Staatsrecht der Herzogtümer Curland und Semgallen, 1772, Neudruck 1973; Bunge, F. v., Einleitung in die liv-, est- und kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Bunge, T. v., Der baltische Civilprozess nach der Justizreform vom Jahre 1889, 1890f.; Schmidt, O., Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Schilling, C., Die lehn- und erbrechtlichen Satzungen des waldemar-erich’schen Rechtes, (o. J.); Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954; Blaese, H., Einflüsse des römischen Rechtes in den baltischen Gebieten, 1964; Von den baltischen Provinzen zu den baltischen Staaten, hg. v. Hehn, J. v. u. a., 1977; Hehn, J. v., Die Umsiedlung der baltischen Deutschen, 1984; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Schmidt, A., Geschichte des Baltikums, 1992; Baltische Länder, hg. v. Pistohlkors, G. v., 1994; Die baltischen Sprachen, hg. v. Eckert, R., 1994; Der Aufbau der freiheitlich-demokratischen Ordnung in den baltischen Staaten, hg. v. Meissner, C. u. a., 1995; Norgaard, O. u. a., The Baltic States after Independence, 1996; Die baltischen Staaten, hg. v. Scholz, F. u. a., 1997; Baltistik, hg. v. Bammesberger, A., 1998; Handbuch Baltikum heute, hg. v. Graf, H. u. a., 1998; Die Deutschbalten und der National­sozialismus, Bd. 1, hg. v. Garleff, M., 2000; Roth, M., Der Einfluss des Europarats auf die demokratische und menschenrechtliche Transformation der baltischen Staaten, 2004; Tuchtenhagen, R., Geschichte der baltischen Länder, 2005; Garber, K., Schatzhäuser des Geistes, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 982; Tuchtenhagen, R., Zentralstaat und Provinz im frühneuzeitlichen Nordosteuropa, 2008; Baltisch-europäische Rechtsgeschichte und Lexikographie, hg. v. Kronauer, U. u. a., 2009; Rechtswissenschaft in Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z., 2010; Aufklärer im Baltikum, hg. v. Kronauer, u., 2011

Baluze, Etienne (Tulle 24. 11. 1630-Paris 28. 7. 1718) veröffentlicht nach dem Rechts­studium in Toulouse als Bibliothekar Colberts 1677 die erste große Ausgabe der früh­mittel­alterlichen →Kapitularien (ein­schließlich der Volksrechte) des fränkischen Reiches (Capitularia regum Francorum).

Lit.: Ganshof, F., Was waren die Kapitularien?, 1961

Bamberg ist der als Burg Babenberg (→Babenberger) erstmals zum Jahre 902 genannte Ort am oberen Main, der 973 von Kaiser Otto II. an den verwandten Herzog von Bayern gegeben und 1007 unter dessen Erben König Heinrich II. Sitz eines Bistums wird. Um 1060 erfolgt eine Aufzeichnung des Dienstrechts der Dienstmannen. 1507 schafft der bischöfliche Hofmeister Johann von →Schwarzenberg die Bamberger Halsgerichts­ordnung (Constitutio Criminalis Bamber­gensis). 1735 wird für kurze Zeit eine juristische Fakultät (Gönner) an der von 1648 bis 1803 bestehenden Universität eingerichtet. 1769 wird ein Landrecht erlassen (nur Teil 1 Civil- oder bürgerliche Sachen betreffend). 1803 fällt das Fürstbistum B. an Bayern. Kirchlich wird das seit dem 13. Jh. von Mainz exemte Bistum 1818/1821 Erzbistum mit den Bistümern Eichstätt, Speyer und Würzburg. Seit 1923 besteht eine philosophisch-theologische Hochschule mit (1946) rechts­wissenschaftlichem Studiengang, seit 1972 eine Gesamthochschule (1979 Universität) mit einer wirtschaftswissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Fakultät.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 94, 138; Köbler, Historisches Lexikon; Zöpfl, H., Das alte Bamberger Recht, 1839; Jaffé, P., Monumenta Bambergensia, 1869; Güterbock, C., Zur Redaktion der Bambergensis, 1910; Ament, W., Bamberg, 1929; Das (exemte) Bistum Bamberg, hg. v. Guttenberg, E. v. u. a., 1937ff.; Weiß, H., Stadt- und Landkreis Bamberg, 1974; Hoffmann, H., Bamberger Handschriften, 1995; Moser, P., Bamberg, 1998; Pflefka, S., Das Bistum Bamberg, 2005; Das Bistum Bamberg um 1007, hg. v. Urban, J., 2006; Festschrift 200 Jahre Appel­lations­gericht/Oberlandesgericht Bamberg, hg. v. Meisenberg, M., 2009; Missionierung und Christianisierung im Regnitz- und Obermaingebiet, hg. v. Bergmann, R. u. a., 2007; Siewert, U., Das Bamberger Kollegiatstift St. Stephan, 2007; Staudenmaier, J., Gute Policey in Hochstift und Stadt Bamberg, 2012

Bamberger Halsgerichtsordnung →Bamberg

Bande ist der Zusammenschluss mehrerer Menschen zur grundsätzlich gemeinsamen Begehung von Straftaten. Bekannte geschicht­liche Beispiele sind etwa die B. Robin Hoods, des Schinderhannes oder der Roten Armee Fraktion.

Lit.: Die Entwicklung der Strafpraxis bei Bandenkri­minalität, 2010; Gerstenmayer, C., Spitzbuben und Erzbösewichter, 2012

Bank ist allgemein die breite Sitzgelegenheit und rechtlich das Unternehmen, dessen Inhaber mindestens eine Art von Bankgeschäften in einem Umfang betreibt, der einen in kaufmännischer Weise einge­richteten Geschäftsbetrieb erfordert. Nach antiken Vorläufern in Ägypten, Griechenland und Rom (lat. [M.Pl.] argentarii, mensarii) entwickeln sich seit dem 12. Jh. berufs­mäßige, jeweils auf einer hölzernen oder steinernen Bank tätige Geldwechsler zuerst in Italien (Lombarden), wobei wegen der Nähe von Geldwechsel und Darlehen auf Grund des kanonischen Zinsverbots Juden geschäftliche Vorteile erwachsen. Seit dem 15. Jh. entstehen halböffentliche Banken und danach öffentliche Banken (Barcelona 1401, Genua 1409, Amsterdam 1609, Hamburg 1619, Nürnberg 1621, Bank of England 1694). Seit etwa 1835 beginnen die Banken mit der Finanzierung industrieller Unternehmen, die bereit sind, Fremdkapital aufzunehmen (Paris 1852 Aktienbank). Seit dem ausgehenden 19. Jh. werden die (zu etwa der Hälfte von jüdischen Inhabern betriebenen rund 1000 deutschen) Privatbanken (Sal. Oppenheim in Köln, M. Warburg in Hamburg) von den von ihnen zur Gefahrenverringerung entwickelten Aktien­ban­ken allmählich zurückgedrängt, zwischen 1933 und 1945 auch geschlossen oder enteignet. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden die Banken zu bedeutenden Dienst­leistungsunternehmen, deren Recht zuneh­mend europäisiert wird. Im Herbst 2008 entsteht auf Grund ungesicherter Darlehens­vergabe weltweit eine Bankenkrise.

Lit.: Köbler, DRG 176; Günther, K., Die städtischen Wechselbanken Deutschlands, Diss. jur. Münster 1932; Trusen, W., Die Anfänge öffentlicher Banken und das Zinsproblem, FS J. Bärmann, 1975, 113; Born, K., Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, 1976; Poeschel, H., Die Statuten der Banken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften in Hamburg und Altona von 1710-1889; Wissenschaft und Kodifikation Bd. 5 1980; Klein, E., Deutsche Bankengeschichte, 1982; L’alba della banca, 1982; Gabler Banklexikon, hg. v. Grill, W. u. a., 11. A. 1995, 13. A. 2002; Lane, F./Mueller, R., Money and Banking, 1985; Ruland, A., Zur Entwicklung des Bankaufsichtsrechts, Diss. jur. Münster 1987; Kluge, A., Zur Geschichte der deutschen Bankgenossenschaften, 1991; Wandel, E., Banken und Versicher­ungen, 1997; Europäische Bankgeschichte, hg. v. Pohl, H., 1997; Banking, Trade and Industry, hg. v. Teichova, A., 1997; Fuchs, R., Die Wiener Stadtbank, 1998; North, M., Kommunikation, Handel, Geld und Banken, 2000; A History of European Banking, hg. v. Kurgan, G. u. a., 2000; James, H., Verbandspolitik im National­sozialismus, 2001; Kahmann, H., Die Bankiers von Jacquier & Securius 1933-1945, 2002; Distel, J., Die Errichtung des westdeutschen Zentralbanksystems mit der Bank deutscher Länder, 2003; Der Privatbankier, hg. v. Institut für bankhistorische Forschung, 2003; James, H., Die Deutsche Bank im Dritten Reich, 2003; Die Commerzbank und die Juden, hg. v. Herbst, L. u. a., 2004; Linder, N., Die Berner Bankenkrise von 1720, 2004; Liedtke, R., N M Rothschild & Sons, 2006; Deutsche Bankiers des 20. Jahrhunderts, hg. v. Pohl, H., 2008; Scholtysek, J., Die Geschichte der National-Bank, 2011; Rosenberg, H. u. a., Die deutschen Banknoten ab 1871, 18. A. 2011, 19. A: 2014; Denzel, M., Der Nürnberger Banco Publico, seine Kaufleute und ihr Zahlungsverkehr (1621-1827), 2012; Backhaus, F., Mayer Amschel Rothscild, 2012; Schlüsselereignisse der deutschen Bankengeschichte, hg. v. Lindenlaub, D., 2013

Bankert (mhd. Banchart [M.] auf der Bank Gezeugter) ist die ältere deutsche Bezeich­nung für das seit dem 8. Jh. von der Kirche abgelehnte →nichteheliche Kind.

Bankrott ist das vollständige Scheitern des Unternehmers, das im Spätmittelalter bei den Bankinhabern zum Zerstören ihrer Bank (ital. banca rotta [F.] zerbrochene Bank) führt, wobei die Bezeichnung über das Nieder­ländische und das Französische im 16. Jh. in das Neuhochdeutsche eindringt. Für die Abwicklung des Bankrotts setzt sich seit dem späteren 16. Jh. das Verfahren des Konkurses durch. Der betrügerische B. ist Straftat­be­stand.

Lit.: Meier, A., Die Geschichte des deutschen Konkursrechts, 2003

Bann ist die Möglichkeit eines Amtsträgers, Gebote und Verbote unter Anordnung gewichtiger Rechtsfolgen im Fall der Nichtbeachtung auszusprechen (lat. bannus Gregor von Tours [538/539-594], Historiae 5, 26). In diesem Sinn kann bereits der jüdische Rabbi den uneinsichtigen Sünder zum Heiden erklären (vgl. Matthäus 18,15-17). Dementsprechend schließt das Christentum (Elvira 306) Sünder in bestimmten Fällen aus der kirchlichen Gemeinschaft (lat. [F.] excommunicatio Ausschluss aus der Gemein­schaft im 4./5. Jh. gebildet) aus (nicht auch aus der Kirche insgesamt). In Fällen geringerer Sünde wer­den nur der Empfang der Sakramente und das kirchliche Amt abgesprochen. Vom kirch­lichen B. kann der Papst lösen. Im weltlichen Bereich kennt das fränkische Recht den B. des Königs oder Grafen. Wer dagegen verstößt, muss 60 bzw. 15 Schilling leisten. Seit dem Hochmittelalter gehen die Bann­rechte des Königs auf den Landesherrn über und werden dann durch das Hoheitsrecht des Landesherrn bzw. später des Staates ersetzt. Der kirchliche B. wird unter dem Einfluss der Aufklärung im 18. Jh. vielfach verboten, im 19. Jh. aber häufig wieder eingeführt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 83, 130; Sickel, W., Zur Geschichte des Bannes, 1886; Koehne, C., Studien über die Entstehung der Zwangs- und Bannrechte, ZRG GA 25 (1904), 172; Eichmann, E., Acht und Bann, 1909; Eichholzer, E., Über Zwangs- und Bannrechte, 1914; Voltelini, H. v., Königsbann­leihe und Blutbannleihe, ZRG GA 36 (1915), 290; Heck, P., Die Bannleihe im Sachsenspiegel, ZRG GA 37 (1916), 260; Ganahl, K., Der Fürbann im bayerischen Rechtsgebiet, ZRG GA 54 (1934), 257; Fehr, H., Zur Geschichte des Bannes, ZRG GA 55 (1935), 237; Wießner, H., Twing und Bann, 1935; Stutz, U., Zur Herkunft von Zwing und Bann, ZRG GA 57 (1937), 289; Siuts, H., Bann und Acht, 1959 (Diss. phil. Kiel 1956); Doskucil, W., Der Bann in der Urkirche, 1958; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Tiefenbach, H., Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, 1973; Vodola, E., Excom­munication in the Middle Ages, 1986; Schneider, J./Erb, T., Bannus, Archivum latinitatis medii aevi 64 (2006), 57

Banner ist die vielleicht schon in germanischer Zeit als Zeichen dienende Fahne (Heerfahne, Gerichtsfahne). Seit dem 11. Jh. werden Fahnen mit einem Fahnen­wagen in die Schlacht gefahren. Seit Friedrich I. Barbarossa (1122-1190, König 1152) führt der König ein B. mit schwarzem Adler auf gelbem Grund mit sich.

Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943, 34; 75 (Fünfundsiebzig) Jahre Reichsbanner Schwarz - Rot - Gold, red. v. Grimm, U., 1999

bannitio (lat. [F.]) öffentliche Ladung

Bannleihe ist die Vergabe (Leihe) eines Bannes durch den König. Sie wird 1149 zu Gunsten der Kirche sichtbar. Im Sachsen­spiegel ist die B. eine grundlegende Er­scheinung der Gerichtsbarkeit, doch verliert die königliche B. mit dem Übergang der Gerichtsbarkeit auf die Landesherren ihre Bedeutung.

Lit.: Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994

Bannmeile ist die örtlich auf eine (oder auch mehrere) Meilen festgelegte Reichweite eines →Bannes oder einer Herrschaftsgewalt. Seit dem Hochmittelalter werden insbesondere Burgen, Städte (z. B. Lechenich 1279 banmile sive bivanc), Märkte, Mühlen oder Brauhäuser mit einer B. ausgestattet. In der Gegenwart beschreibt die B. eines Staats­organs den räumlichen Bereich, in dem keine Versammlungen abgehalten werden dürfen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hirsch, H., Die Klosterimmu­nität seit dem Investiturstreit, 1913; Küchler, W., Das Bannmeilenrecht, 1964

Bannwald ist der durch Bann des Königs oder sonstigen Herren der allgemeinen Nutzung entzogene Wald (7. Jh. lat. [F.] silva regis, forestis, 1251 banholz, 1280 banforst).

Lit.: Mantel, K., Wald und Forst in der Geschichte, 1990; Dasler, C., Forst und Wildbann, 2001

barbarus (lat. [M.]) plappernder (Nichtrömer)

Lit.: Köbler, LAW; Rugullis, S., Die Barbaren in den spätrömischen Gesetzen, 1992

Barbeyrac, Jean de (1674-1744), 1697-1710 Professor für alte Sprachen in Berlin, 1711-1717 für Geschichte und Naturrecht in Lausanne, 1717-1744 für öffentliches und privates Recht in Groningen, verbreitet natur­rechtliches Gedankengut durch fran­zösische Übersetzungen von Werken Pufendorfs, Grotius’ und Cumberlands.

Lit.: Othmer, S., Berlin und die Verbreitung des Naturrechts in Europa, 1970

Bargilde →Biergelde

Barock

Lit.: Methoden und Probleme der Alltagsforschung im Zeitalter des Barock, hg. v. Pickl, O. u. a., 1992

Baron ist die über das Mittellateinische und Mittelfranzösische von ahd. (M.) baro Mann abgeleitete Bezeichnung für eine Gruppe Adliger (1595 für Freiherr).

Barrister ist der vor Gericht ([engl.] bar) auftretende Anwalt des englischen Rechtes.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990,;4. A. 2002; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000

Barschalk ist eine Bezeichnung für bestimmte Halbfreie im frühmittelalterlichen Bayern (8./9. Jh., auch 13. Jh.).

Lit.: Köbler, WAS; Janda, A., Die Barschalken, 1926; Mayer, T., Baar und Barschalken, FS I. Zibermayr, 1954, 143

Bartholomäus de Capua ist ein in Capua am 12. 8. 1248 als Sohn eines Juristen geborener, in Neapel ausgebildeter und 1278 promovierter, 1328 verstorbener neapoli­tanisch­er Jurist (Glossen, Quästionen, Reden).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 499

Bartholomäusnacht ist die Nacht zum 24. August (1572), in der nach der Hochzeit (Bluthochzeit) des Protestanten Heinrich von Navarra mit Margareta von Valois in Paris und Umgebung mehr als 3000 Menschen (meistens Hugenotten) getötet werden.

Bartolus de Saxoferrato (aus bäuerlicher Familie, Venatura bei Sassoferrato/Saxofer­rato nahe Ancona 1313? oder 1314?-Perugia 13. 7. 1357) lehrt nach dem in Perugia (1327, Cinus de Sighibuldis) und Bologna (1330?, 1333?) betriebenen Rechtsstudium und der nach der Disputation von 1333 (baccalaureus) am 10. 11. 1334 in Bologna erlangten Promo­tion zum (lat.) doctor (M.) iuris civilis und einer Tätigkeit als Assessor des Podestà in Todi, Cagli und Pisa seit Winter 1338/1339 in Pisa und Perugia (1342) weltliches Recht. Neben vielleicht mehr als 400 gedruckten und weiteren rund 200 ungedruckten Gutachten verfasst er bedeutende Kommentare zu Digesten und Codex Justinians sowie Glossen, additiones, 22 gedruckte quaestiones und etwa 45 (28 gedruckte) wichtige Traktate (z. B. zum Markenrecht und Wappenrecht) in klarer, aber trotz freierer Auslegung noch an der Scholastik ausgerichteter Denkweise. Seine Werke bilden neben der Glosse des Accursius an vielen Orten die Grundlage des juristischen Studiums bis weit in die Neuzeit ( [lat.] Nemo bonus iurista, nisi Bartolista, niemand ist guter Jurist, wenn er nicht Bartolist ist). Sein wohl bekanntester Schüler ist Baldus de Ubaldis.

Lit.: Söllner § 25; Bartolus, Opera omnia, Drucke seit 1525; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, 2. A. Bd. 3ff. 1834ff.; Woolf, C., Bartolus of Sassoferrato, 1913. Neudruck 2012; Bartolo da Sassoferrato, Bd. 1f. 1962; Merzbacher, F., Bartolo de Sassoferrato, (in) Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 559; Kisch, G., Bartolus und Baldus, 1960; Cavallar, O. u. a., A Grammar of Signs, 1994; Lepsius, S., Der Richter und die Zeuge, 2003; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 682

Basel am Rhein (Basilia 374 n. Chr.) wird auf keltisch-römischer Siedlungsgrundlage (kelti­sche Rauriker 1. Jh. v. Chr., römisches Kastell um 15 v. Chr.) nach dem Übergang an die Alemannen (6./7. Jh.) vielleicht im 7. Jh. Sitz eines Bischofs (zunächst von Augst und B.). Seit 1362 zählt es sich nach dem Kauf wichtiger Rechte des Bischofs zu den freien Städten im Heiligen römischen Reich  und erwirbt Gebiete zum Jura hin. 1431-1437 ist es Tagungsort eines Konzils. 1459 (4. 4. 1460) erlangt es eine (bald verbaselete) Universität (mit rund 2200 Promotionen zwischen 1558 und 1818 d. h. jährlich etwa 9). Am 13. 7. 1501 schließt sich B. als neunter Ort der Eidgenossenschaft der →Schweiz an und löst sich 1648 förmlich vom Heiligen römischen Reich. Die Stadtgerichtsordnung von 1719 schöpft hauptsächlich aus dem württembergischen Landrecht von 1555. 1832/1833 trennt sich Basel-Land von Basel-Stadt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Heusler, A., Verfassungsgeschichte der Stadt Basel, 1860; Concilium Basiliense, hg. v. Haller, J., Bd. 1ff. 1896ff.; Wackernagel, R., Geschichte der Stadt Basel, Bd. 1ff. 1907ff.; Bruder, H., Die Lebensmittelpolitik der Stadt Basel, 1909; Mulsow, H., Maß und Gewicht der Stadt Basel, 1910; Festschrift zur Feier des 450jährigen Bestehens der Universität Basel, 1910; His, E., Geschichte des Basler Grundbuchs, 1915; Wackernagel, R., Geschichte der Stadt Basel, Bd. 1f. 1907ff.; Heusler, A., Geschichte der Stadt Basel, 1917; Ribeaud, A., Le moulin féodal, 1920; Heusler, A., Basels Gerichtswesen im Mittelalter, 1922; His, E., Zur Geschichte des Basler Notariats, Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 20 (1922), 1; Saxer, E., Das Zollwesen der Stadt Basel, 1923; Roth, P., Die Organisation der Basler Landvogteien, 1922; His, E., Eine historische Staatsteilung, GF Fritz Fleiner 1927; Membrez, A., Die Burgvogtei Binzen, 1928; Metzger, K., Die Verbrechen und ihre Straffolgen im Basler Recht des späteren Mittelalters, 1931; Koelner, P., Die Safranzunft zu Basel, 1935; Mayer-Edenhauser, T., Zur Territorial­bildung der Bischöfe von Basel, ZGO 52 (1938), 226; Die Matrikel der Universität Basel, hg. v. Wackernagel, H., Bd. 1f. 1951ff.; Staehelin, A., Geschichte der Universität Basel 1632 bis 1818, 1957; Hagemann, H., Rechtswissenschaft und Basler Buchdruck, ZRG GA 77 (1960), 241; Hagemann, H., Basler Stadtrecht im Spätmittelalter, ZRG GA 78 (1961), 140; Professoren der Universität Basel, 1960; Kisch, G., Die Anfänge der juristischen Fakultät der Universität Basel 1459-1529, 1962; Baerlocher, R., Das Rechtsmittelsystem des baselstädtischen Zivilprozess­rechts, 1964; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler Stadtgerichtsordnung 1860-1870, 1963; Staehelin, A., Sittenzucht und Sittengerichtsbarkeit in Basel, ZRG GA 85 (1968), 78; Christ, B., Die Basler Stadtgerichtsordnung von 1719, 1969; Abplanalp, F., Zur Wirtschaftspolitik des Fürstbistums Basel, 1971; Bühler, T., Gewohnheits­recht und Landesherrschaft im ehemal­igen Fürstbistum Basel, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,443, 3,2,1958; Mommsen, K., Katalog der Basler juristischen Disputationen 1558-1818, 1978; Simon, C., Untertanenverhalten und obrigkeitliche Moral­politik, 1981; Hagemann, H., Basler Rechtsleben im Mittelalter, Bd. 1f. 1981ff.; Kern, B., Die juristische Gesellschaft zu Basel, ZRG GA 100 (1983), 145; Röthlin, N., Die Basler Handelspolitik, 1986; Münch, P., Aus der Geschichte des Basler Privatrechts im 19. Jahrhundert, 1991; Basel, hg. v. Kreis, G. u. a., 2000; Hirsch, V., Der Hof des Basler Bischofs Johannes von Venningen, 2004; Hagemann, H., Laiengericht und gelehrtes Recht am Beispiel des Basler Stadtgerichts, ZNR 27 (2005), 1; Gröbli, F., Bibliographie von Basel, 2005; Suter, S., Die strafrechtlichen Bedenckhen, 2006; Immenhauser, B., Bildungswege – Lebenswege, 2007; Steinbrink, M., Ulrich Meltinger, 2008; Berner, H. u. a., Kleine Geschichte der Stadt Basel, 2008; Hagemann, Hans-Rudolf, Vielschichtiges Recht - Zivilrechtspflege im neuzeitlichen Basel, 2009; Kunz, R., Geschichte der Basler juristischen Fakultät 1835-2010, hg. v. Hafner, F. u. a. 2011

Basiliken (griech. [ta[] basilika [nomima], kaiserliche [Bücher bzw. Gesetze]) ist der Name für die (von Kaiser Basilius I. 867-886 geplanten) 60 Bücher, in denen unter Kaiser Leon VI. (886-912) in →Byzanz die la­teinischen Rechtstexte (Codex und Di­gesten) Kaiser →Justinians (528-534) auf der Grundlage wohl alter griechischer Para­phra­sen ins Griechische übersetzt, gestrafft und vereinfacht werden (Digesten­para­phrase des Anonymus, Codex­paraphrase des Thaleleios). Später kommen Randbemer­kungen (Scholien) hinzu. Um 1345 bearbeitet →Harmenopoulos die B. im →Hexabiblos. Die unmittelbare Geltung der B. endet mit der Einnahme Ostroms durch die Türken 1453 n. Chr., doch bleiben die B. in Zusammen­fassungen und Auszügen für Griechenland bis zum Zivilgesetzbuch des Jahres 1946 bedeutsam.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 44 I 6; Basilicorum libri LX, hg. v. Scheltema, J., u.a, Bd. 1ff. 1953ff.

Baske ist der Angehörige eines vorindogermanischen, um die Pyrenäen siedelnden Volkes. Im 10. Jh. deckt sich das Land der Basken mit dem Königreich →Navarra. 1939 beseitigt der spanische Diktator Franco die Vorrechte der ihm ablehnend gegenüberstehenden Basken. 1979 erhalten die Basken (wieder) Autonomie.

Lit.: Ortots, H., Die Basken, 1979; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privat­rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,247; Kasper, M., Baskische Geschichte, 1997, 2. A. 2008; Kurlansky, M., Die Basken, 2000

Baudoin (Balduinus), François (Arras 1520-Paris 1573), Fiskaladvokatensohn, lehrt nach dem Studium in Löwen (Mudaeus) kurz in Paris (Du Moulin), seit 1548 in Bourges, seit 1555 in Straßburg, seit 1556 in Heidelberg, nach einiger Unterbrechung seit 1566 in Besançon und seit 1569 in Angers. Innerhalb der französischen Humanisten bemüht er sich um die von der einfachen Überlieferung gelöste zusammenfassende Behandlung verschiedener Textschichten (z. B. der Codex­fragmente Konstantins).

Lit.: Erbe, M., François Baudoin, 1978

Bauer ist der Angehörige des die Landwirtschaft betreibenden Berufsstands. Sachlich entsteht der B. mit der Sesshaft­werdung, mit welcher der Ackerbau neben die Viehzucht tritt. Im Frühmittelalter gerät der B. vielfach in grundherrschaftliche Abhängig­keit. Seit der Aussonderung der Bürger und Ritter etwa im 11. Jh. bilden die ver­bleibenden Mitglieder der Gesellschaft den Berufsstand der Bauern. Namengebend wird das bloße Nebeneinanderwohnen (ahd. būan). Möglich ist unter bestimmten Umständen der Erwerb von Freiheit (z. B. Rodungsfreiheit). Zu Beginn des 16. Jh.s lehnen sich die Bauern erfolglos gegen ihre Herren auf (→Bauernkrieg). Im dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wird vielleicht die Hälfte der Bauern getötet. Im 19. Jh. erlangen die Bauern Freiheit und Eigentum (→Bauernbefreiung) und werden den (anderen) Bürgern grundsätzlich gleichgestellt. Seit der 2. Hälfte des 20. Jh.s nimmt die Zahl der Bauern wegen der günstigeren Lebensbedin­gungen in anderen Erwerbszweigen sehr stark ab und verliert die Landwirtschaft überhaupt ihre wesentliche wirtschaftliche Bedeutung an die Dienst­leistung.

Lit.: Köbler, DRG 79, 98, 111, 135; Heusler, A., Der Bauer als Fürstengenoss, ZRG GA 7 (1886), 235; Wittich, W., Die Frage der Freibauern, ZRG GA 22 (1901), 245; Fehr, H., Das Waffenrecht der Bauern im Mittelalter, ZRG GA 35 (1914), 111; Urkunden zur deutschen Agrar­geschichte, hg. v. Wopfner, H., 1925; Barth, F., Der baaremer Bauer, Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar 17 (1928); Weller, K., Die freien Bauern in Schwaben, ZRG GA 54 (1934), 178; Bader, K., Die freien Bauern im Breisgau, 1936; Mayer, T., Die Entstehung des „modernen“ Staates im Mittelalter und die freien Bauern, ZRG GA 57 (1937), 210; Bader, K., Das Freiamt im Breisgau und die freien Bauern am Oberrhein, 1936; Veltzke, G., Der gebundene bäuerliche Besitz, 1938; Arbusow, L., Das Bauernrecht des sog. budberg-schraderschen Landrechtsentwurfs von 1740, Mitteilungen aus der livländischen Geschichte 25 (1937), 377; Huppertz, B., Räume und Schichten bäuerlicher Kulturformen in Deutschland, 1939; Höffner, J., Bauer und Kirche 1939; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer, 1939; Deutsches Bauerntum, Bd. 1f. hg. v. Franz, G., 1939f.; Möller, K., Das Vierländer Bauernrecht, 1940; Lütge, F., Die landesherrlichen Urbarsbauern in Ober- und Niederbayern, 1943; Adel und Bauern im Staat des deutschen Mittelalters, hg. v. Mayer, T., 1943; Grass, N., Zur Kontinuität im bäuerlichen Rechte der Alpenländer, ZRG GA 66 (1948), 516; Haff, K., Der freie Bergbauer als Staatsgründer, ZRG GA 67 (1950), 394; Dollinger, P., L’évolution des classes rurales en Bavière, 1949; Das Problem der Freiheit in der deutschen und schweizerischen Geschichte, 1955; Niederer, A., Gemeinwerk im Wallis, 1956; Lehmann, R., Die Verhältnisse der niederlausitzischen Herrschafts- und Gutsbauern, 1956; Hofmann, H., Freibauern, Freidörfer, Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 23 (1960), 195; Wopfner, H., Bergbauernbuch, 1951ff.; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Achilles, W., Vermögensverhältnisse braunschweigi­scher Bauern­höfe im 17. und 18. Jahrhundert, 1965; Henning, F., Dienste und Abgaben der Bauern im 18. Jahrhundert, 1969; Grüll, G., Der Bauer im Lande ob der Enns, 1969; Bauer, Wort und Begriff, hg. v. Wenskus, R. u. a., 1975; Deutsches Bauerntum im Mittelalter, hg. v. Franz, G., 1976; Kuchenbuch, L., Bäuerliche Gesell­schaft und Klosterherrschaft im 9. Jahrhundert, 1978; Dollinger, P., Der bayerische Bauernstand vom 9. bis zum 13. Jahrhundert, 1982 (franz. 1949); Fossier, R., Paysans d’Occident, 1984; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 1985, 4. A. 1987; Blickle, P., Studien zur geschichtlichen Bedeutung des deutschen Bauernstandes, 1989; Rösener, W., Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter, 1992; Trossbach, W., Bauern 1648–1806, 1993; Rösener, W., Die Bauern in der europäischen Geschichte, 1993; Wopfner, H., Tiroler Bergbauernbuch, hg. v. Grass, N., Bd. 1ff., 1995ff.; Epperlein, S., Bäuerliches Leben im Mittelalter, 2003; Wiese, M., Leibeigene Bauern und römisches Recht im 17. Jahrhundert, 2006; Kissling, P., Freie Bauern und bäuerliche Bürger, 2006; Kofler, A., Bauernleben in Südtirol, 2010

Bauerbrief →Dorfordnung

Bauergericht ist unter verschiedenen Namen das unter Vorsitz eines Bauermeisters in Flursachen tagende Gericht des mittel­alterlich-frühneuzeitlichen Dorfes.

Lit.: Wiemann, H., Der Heimbürge in Thüringen und Sachsen, 1962

Bauernbefreiung (F. Knapp 1887) ist die Befreiung der gebietsmäßig durchaus verschieden gestellten Bauern aus der grundherrlichen Abhängigkeit an der Wende des 18. Jh.s zum 19. Jh., die von Staatsmännern, Wirtschaftsdenkern und aufgeklärten Bürgern mit dem Ziel der Modernisierung der Landwirtschaft nach dem Vorbild Englands auch zwecks Ertragssteigerung angeregt wird. Sie beginnt nach Verbesserungen des Bauernschutzes in Preußen (1749) und Österreich (1751) in Savoyen (1761, 1771). Reformen Josephs II. in Österreich werden abgesehen von der Aufhebung der Erbuntertänigkeit nach 1789 wieder abgeschafft. In Baden wird 1787 die Leibeigenschaft aufgehoben. In Preußen erhalten von 1799 bis 1805 50000 Domänen­bauern persönliche Freiheit und freies Eigentum. Im Oktober 1807 verschafft ein preußisches Edikt bis zum Martinitag 1810 allen Bauern persönliche Freiheit, das Regulierungsedikt von 1811 auch Eigentum gegen Entschädigung. Im Laufe des 19. Jh.s dringt die B. vor allem seit 1848 (Österreich Aufhebung der Robot, Grundentlastung) allgemein durch (z. B. Russland 1861). Entgegen den Zielsetzungen bewirkt die B. keine allge­meine Verbesserung der Lage der Bauern.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 174; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887; Grünberg, C., Die Bauernbefreiung in Böhmen, Mähren und Schlesien, Bd. 1f. 1893, Neudruck 2013; Darmstädter, P., Die Befreiung der Leibeigenen (Mainmortables) in Savoyen, 1897; Vogt, G., Die Bauernbefreiung in Mecklenburg, 1937; Conze, W., Die liberalen Agrarreformen Hannovers im 19. Jahrhundert, 1947; Conze, W., Quellen zur Geschichte der Bauernbefreiung, 1957; Engels, W., Ablösungen und Gemeinheitsteilungen in der Rheinprovinz, 1957; Schremmer, E., Die Bauern­befreiung in Hohenlohe, 1963; Winkel, H., Die Ablösungskapitalien aus der Bauernbefreiung in West- und Süddeutschland, 1968; Hippel, W. v., Die Bauernbefreiung im Königreich Württemberg, Bd. 1f. 1977; Dipper, C., Die Bauernbefreiung in Deutschland 1790-1850, 1980; Kreutzkamp, F., Bauernbefreiung auf Cappenberg, 2003; Schneider, K., Geschichte der Bauernbefreiung, 2010

Bauernkrieg ist der (zwischen 1300 und 1800) von den →Bauern gegen die →Grundherrn geführte (einzelne) Krieg. Der B. von 1525 gründet sich auf eine als Folge der Pest am Ende des Mittelalters entstandene Agrarkrise und auf die von Martin Luther (Von der Freiheit eines Christenmenschen) genährte Hoffnung auf Besserung der Lage der Unterdrückten. Nicht zuletzt wegen Luthers baldiger Stellung­nahme gegen die mörderischen Rotten der Bauern enden die Bauernkriege mit Niederlagen (bei Fran­kenhausen, Zabern, Böblingen und Würz­burg) der Bauern (etwa 100000 Tote), ohne dass diese sich jedoch vollständig entrechten lassen.

Lit.: Zimmermann, W., Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges, 1841ff.; Franz, G., Der deutsche Bauernkrieg, 1933, Aktenband 1935, 14. A. 1984; Blickle, P., Die Revolution von 1525, 1975; Struck, W., Der Bauernkrieg am Mittelrhein und in Hessen, 1975; Waas, A., Der Bauernkrieg, 1995; Blickle, P., Der Bauernkrieg, 1998, 2. A. 2002; Blickle, P., Unruhen in der ständischen Gesellschaft, 1988, 2. A. 2010, 3. A. 2012; Strunz-Happe, A., Wandel der Agrarverfassung, 2003; Fink, B., Die Böhmenkircher Bauernrevolte 1580-1582/83, 2004; Hohn, M., Die rechtlichen Folgen des Bauernkrieges von 1525, 2004; Bundschuh, hg. v. Blickle, P. u. a., 2004; Bauernkrieg zwischen Harz und Thüringer Wald, hg. v. Vogler, G., 2008; Der Oberrheinische Revolu­tionär, bearb. v. Lauterbach, K., 2009; Die Zwölf Artikel von 1525 und das „göttliche Recht“ der Bauern, hg. v. Hasselhoff, G. u. a., 2012

Bauernlegen ist das im Hochmittelalter bei Orden (z. B. Zisterziensern) und dann in England im 15. Jh. beginnende Einziehen wüst liegender Bauernhöfe und Aufkaufen freier Bauernhöfe durch Grundherren zwecks Vergrößerung von Grundherrschaften (z. B. Rittergütern in Mecklenburg und Vorpommern), das seit 1709 bzw. 1749 in Preußen verboten wird.

Lit.: Nichtweiß, J., Das Bauernlegen in Mecklenburg, 1954; Zientara, B., Die Agrarkrise in der Uckermark, (in) Feudalstruktur, Lehnbürgertum und Fernhandel 1967, 221ff.

Bauernlehen ist das vereinzelt an einen Bauern gelangte kleine Lehen, das zwischen Lehen und Leihe steht und in das Lehensrecht nur in einzelnen Hinsichten einbezogen wird.

Bauermeister (1159 mnd. burmester) ist vom Hochmittelalter (bis zum Ausgang der frühen Neuzeit) der (gebietlich auch anders bezeich­nete) Leiter örtlicher, meist bäuerlicher Gemeinden mit auch gerichtlichen Aufgaben.

Lit.: Schildt, B., Bauer Gemeinde Nachbarschaft, 1996

Bauerschaft ist die als Einheit verstandene Nachbarschaft, vor allem auf dem Land, aber zeitweise auch in niederdeutschen Städten.

Lit.: Lappe, J., Die Bauerschaften der Stadt Geseke, 1908; Lappe, J., Eine „untergegangene“ Bauerschaft, ZRG GA 32 (1911), 229; Lappe, J., Die Bauerschaften und Huden der Stadt Salzkotten, 1912

Bauersprache (mnd. bursprake) ist die Versammlung der Nachbarn in Stadt und Dorf, in der das geltende Recht verkündet wird und bei Bedarf allgemeine Angelegenheiten beraten werden.

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Baulast ist im späten 20. Jh. in Deutschland das sich nicht bereits aus öffentlichrechtlichen Vorschriften ergebende, also freiwillig gegen­über der Bauaufsichtsbehörde über­nommene, ein Grundstück betreffende Tun, Dulden oder Unterlassen eines Eigentümers. →Kirchen­baulast

Lit.: Döring, C., Die öffentliche Baulast, 1994; Grahm, Nicole, Kommunale Kirchenbaulasten im Gebiet des ehemaligen Großherzogtums Baden, 2012

Baurecht ist objektiv die Gesamtheit der Rechtssätze, die sich auf die Zulässigkeit und die Grenzen bzw. die Ordnung und die Förderung der Errichtung und wesentlichen Veränderung von baulichen Anlagen sowie auf deren bestimmungsgemäße Nutzung beziehen. Ursprünglich gilt für das B. der Grundsatz der Baufreiheit des Grundstücks­berechtigten (so noch das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 in I 8 § 65). Seit dem Hochmittelalter finden sich erste Ein­schränkungen in den verdichtet besiedelten Städten. Dem folgen allmählich zahlreiche einzelne Polizeiverordnungen, Erlässe und Entschließungen der Landesherren. Sie werden in der Mitte des 19. Jh.s durch allgemeine Regelungen ersetzt (München 1863, Bayern 1864, Baden 1868, Sachsen 1868/1869, Preußen 1871, Württemberg 1872, Sachsen Baugesetz 1900, Bayern Bauordnung 1901, Preußen Woh­nungsgesetz 1918, Deutsches Reich Bau­gestaltungsverordnung 1936), die mit zuneh­mender Besied­lungsdichte immer stär­kere Beschränkungen aufnehmen, so dass der Grundsatz der Baufreiheit in erheblichem Umfang zum bloßen Grundsatz eingeengt wird (Bundesbaugesetz 1960, Baunutzungs­ver­ordnung 1962, Städtebauför­derungsgesetz 1971, Baugesetzbuch 1986, Arbeitsstättenver­ordnung 2004). Als B. wird in Österreich das →Erbbaurecht bezeichnet.

Lit.: Köbler, DRG 152, 198, 259, 269; Grein, F., Baurecht nach den Vorschriften des allgemeinen Landrechts, 1863; Urschlechter, A., Das Baurecht der Stadt Nürnberg, Diss. jur. Erlangen 1940; Gönnenwein, O., Die Anfänge des kommunalen Baurechts, FG H. Fehr, 1948, 71; Pirson, D., Das Baurecht des fürstlichen Absolutismus im hohenzollerischen Franken, 1961; Buff, A., Die bestimmenden Faktoren der deutschen Bauordnungen, 1970; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Ries, P., Bauverträge im römischen Recht, Diss. jur. München 1989; Bauer, C., Anspruch und Wirklichkeit landesherrlicher Baugesetzgebung, Diss. jur. Marburg 1991; 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, hg. v. Bauer, H. u. a., 2000; Binding, G./Linscheid-Burdich, S., Planen und Bauen im frühen und hohen Mittelalter, 2002; Bauen nach Vorschrift?, hg. v. Spohn, T., 2002; Kocken, E., Van bouwen, 2004; Untermann, M., Architektur im frühen Mittelalter, 2006; Sokull, J., Baurecht und kommunale Selbst­verwaltung im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Bonn 2010 (im Druck erschienen 2012); Feldmann, E., Bauordnungen und Baupolizei, 2011

Bausparkasse ist die genossenschaftlich organisierte →Sparkasse, die Darlehen zu Bauzwecken an Genossen vergibt. Die erste B. wird 1775 in Birmingham gegründet (Ketley’s Building Society, 1831 Oxford Provident Building Association in Frankfort/­Pennsylvania). In Deutschland stammt die älteste B. von 1885 (Bielefeld, B. für jedermann, 1924 Bausparkasse Wüstenrot).

Lit.: Köbler, DRG 241; Lehmann, W., Die Bausparkasse, 5. A. 1977

Bautzen

Lit.: Eide, Statuten und Prozesse, hg. v. Schwerhoff, G. u. a., 2002

Bayer ist der Angehörige des aus streitigen Grundlagen (Bojern, Ale­man­nen, Walchen) erwachsenden, zum 6. Jh. (Jordanes) erstmals genannten, zwischen Alpen und Donau siedelnden Volkes. Die Bayern geraten schon früh unter die Herrschaft der →Franken. Um 740 werden für die Bayern von Bonifatius Bistümer eingerichtet (Passau, Salzburg, Freising, Regensburg, Eichstätt). Vielleicht vor 743 zeichnen die Bayern nach dem Vorbild der Alemannen ihr Recht auf (→Lex Baiwariorum). Ihr dem bereits im 6. Jh. nachweisbaren Geschlecht der Agilolfinger angehörender König Tassilo III. wird 788 von Karl dem Großen abgesetzt. Später gelangen die Bayern (bzw. gelangt das Gebiet der Bayern als Herzogtum) nacheinander an die Luitpoldinger (Anfang 10. Jh.), das säch­sische (bzw. ottonische) und salische Königshaus (größte Ausdehnung um 950), die Welfen (1070-1138), die Babenberger (1139-1156), die Welfen (1156) und nach dem Sturz Heinrichs des Löwen (1180) an die →Wittelsbacher.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 75, 131, 139, 192, 256; Monumenta Boica, ed. Academia Scientiarum Boica, Bd. 1ff. 1763ff.; Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 1f. 1889ff.; Gutmann, F., Die soziale Gliederung der Bayern zur Zeit des Volksrechtes, 1906; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Stowasser, O., Das Land und der Herzog in Bayern und Österreich, 1925; Spindler, M., Die Anfänge des bayrischen Landesfürstentums, 1937; Wörterbuch der bairischen Mundareten in Österreich, 1970ff. (2012 -eig); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsge­schichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1472,2634, 3,3,3697; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 1ff. 2. A. 1981, z. T. 3. A.ff. 1995ff.; Schmid, A., Das Bild des Bayernherzogs Arnulf (907-937), 1976; Conversio Bagoariorum et Carantanorum, hg. v. Wolfram, H., 1979, 2. A. 2012; Kraus, A., Geschichte Bayerns, 1983, 3. A. 2004; Jahn, J., Ducatus Baiuvariorum, 1989; Hartmann, P., Bayerns Weg in die Gegenwart, 1989, 2. A. 1992; Wolf, G., Bemerk­ungen zur Geschichte Herzog Tassilos III. von Bayern (748-788), ZRG GA 109 (1992), 353; Prinz, F., Die Geschichte Bayerns, 1997; Liebhart, W., Bayerns Könige, 1997, 2. A. 1997; Fait, B., Demokratische Erneuerung, 1998; Sagstetter, M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzog­tum Bayern, 2000; Volkert, W., Geschichte Bayerns, 2001; Störmer, W., Die Baiuwaren, 2002; Bayerische Verfassungsurkunden, bearb. v. Wenzel, A., 4. A. 2002; Schauplätze der Geschichte der Bayern, hg. v. Schmid, A. u. a., 2003; Holzfurtner, L., Gloriosus dux, 2003; Freund, S., Von den Agilolfingern zu den Karolingern, 2004

Bayerisches Landrecht von 1616 ist das von Herzog Maximilian (1597-1651) seinem Land →Bayern gegebene einheitliche →Landrecht.

Lit.: Schuppenies, P., Die Bürgschaft im bayerischen Landrecht, Diss. jur. Mannheim 1975

Bayerisches Oberstes Landesgericht ist das in Wahrung der Erinnerung an Bayern als unabhängigen deutschen Staat (1806-1871) beibehaltene, über mehreren bayerischen Oberlandesgerichten (München, Nürnberg, Bamberg) stehende oberste Gericht (Ober­appellationsgericht) der ordentlichen Ge­richts­barkeit in Bayern. Es geht auf das auf Grund eines kaiserlichen, vom Reichs­kammer­gericht befreienden Privilegs am 18. 4. 1625 verfügte Revisorium (Revisions­gericht) Bayerns zurück. Eingerichtet wird es durch das bayerische Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungs­gesetz vom 23. 2. 1879. Vom 1. April 1935 bis 1948 war es auf­gehoben. Ab 1. Januar 2005 ist es für Neu­eingänge durch die Oberlandesgerichte München, Nürnberg und Bamberg ersetzt, zum 30. 6. 2006 auch für anhängige Sachen aufgehoben.

Lit.: Merzbacher, F., 350 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, (in) Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 509; Das Bayerische Oberste Landesgericht, hg. v. Herbst, G., 1993; Demharter, J., 375 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, NJW 2000, 1154; Hettler, F., Das bayerische oberste Landesgericht, (in ) Bayern und Europa, 2005; Hirsch, G., Die Auflösung des bayerischen obersten Landesgerichts, NJW 2006, 3255

Bayerisches Strafgesetzbuch von 1813 ist das von →Feuerbach erarbeitete Straf­gesetzbuch →Bayerns, das unter der Theorie des psychologischen Zwanges die wechsel­seitige Freiheit aller Bürger dadurch schützen will, dass es den Straftatbestand möglichst genau festlegt.

Lit.: Feuerbach, P., Lehrbuch des gemeinen, in Deutschland geltenden peinlichen Rechts, 1801, 14. A. 1847; Schubert, G., Feuerbachs Entwurf zu einem Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern, 1978

Bayerische Zivilprozessordnung vom 29. 4. 1869 ist das am 1. 7. 1870 den älteren (lat.) →Codex (M.) iuris Bavarici iudiciarii (von 1753) ablösende, bis 1879 geltende Zivilprozessgesetz →Bayerns.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ZPOBay
ern1869.pdf
, Bayerische Zivilprozessordnung, 1869

Bayern ist das von den Bayern (→Bayer) bewohnte Gebiet. Seit 1255 wird das mit dem (lat. [N.]) privilegium minus von 1156 bei der Abteilung Österreichs als eigenes Terri­torialherzogtum erkennbare, 1180 an die Wittelsbacher verlehnte, 1214 um die Pfalzgrafschaft bei Rhein erweiterte, durch die Ausbildung der Hochstifte Augsburg, Passau, Freising, Regensburg und Salzburg aber geschmälerte Land B. mehrfach geteilt (1255 Oberbayern mit Pfalzgrafschaft, Nie­derbayern, bis 1346). 1329 werden im Haus­ver­trag von Pavia (aus Oberbayern) Oberpfalz (im Nordgau) und Pfalz einer eigenen Linie überantwortet (mit Kurwürde seit 1356). 1335/1346 gibt Kaiser Ludwig der Bayer dem Teil Oberbayern ein Landrecht. Nach seinem Tode (1347) wird das um Holland und Brandenburg vergrößerte Land erneut geteilt. 1474 gibt Herzog Ludwig der Reiche, der Gründer der Universität Ingolstadt (1472, 1800 Landshut, 1826 München), Nieder­bayern eine Lan­desord­nung, die 1501 ergänzt wird (vgl. auch das Landgebot von Bayern-München von 1500). Nach dem Landshuter Erbfolgekrieg wird nach Schaffung des Fürstentums Pfalz-Neuburg (junge Pfalz) 1506 die Unteilbarkeit des wiederver­einigten Landes festgelegt, 1516 eine Landesfrei­heitserklärung, 1516/1520 eine (vielleicht von Augustin Köllner endredi­gierte, 1520 um 20 Seiten gekürzte) Landes­ordnung, 1518 eine Landrechts­reformation (zum Landrecht von 1335/1346), 1520 eine Gerichtsordnung, 1553 eine Landesordnung und 1616 durch den die Landstände weiter zurück­drängenden, aber nicht entmachtenden Herzog Maximilian (1598-1651) ein einheit­liches Landrecht geschaffen. 1623 wird B. Kurfürstentum. 1669 findet der letzte Landtag in B. statt. In der Mitte des 18. Jh.s wird das Recht unter Wiguläus von Kreittmayr im (lat.) →Codex (M.) iuris Bavarici criminalis (1751), im →Codex iuris Bavarici iudiciarii (1753) und im →Codex Maximilianeus Bavaricus civilis (1756) zusammengefasst. 1777 kom­men Pfalz (abgesehen von der Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken) und Bayern in der Pfälzer Linie (Carl Theodor aus der Nebenlinie Sulzbach-Hilpoltstein, der 1742 Jülich und Berg erhei­ratet und zudem Bergen op Zoom, Pfalz-Sulzbach, Neuburg und die Kurpfalz erbt) wieder zusammen. 1799 erbt die Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken (Max Joseph) alle Güter Zwischen 1803 und 1816 gewinnt das zum 1. 1. 1806 zum Königreich aufge­stiegene, dem Rheinbund angeschlos­sene und zum 6. 8. 1806 souverän gewordene Bayern große schwäbische und fränkische Gebiete (Würz­burg, Bamberg, Augsburg, Freising, Teile von Eichstätt und Passau, 1806 Ansbach, Bay­reuth). Am 1. 5. 1808 entsteht zwecks Verhinderung einer zentralistischen Gestaltung des Rhein­bundstatuts und einer Einmischung Napoleons in die inneren Angelegenheiten Bayerns eine Verwaltung und Gerichts­barkeit umfassend modernisieren­de, von 23 Edikten und Verordnungen ergänzte Konsti­tution, 1813 ein Strafgesetzbuch, am 26. 5. 1818 eine Verfassung (mit Kammer der Reichsräte und Kammer der Abgeordneten). 1871 wird B. Teil des deutschen Reiches. 1918 wird das Königreich zum Freistaat, an den 1920 Coburg angegliedert wird, der aber 1945 alle linksrheinischen Gebiete (Pfalz) an das neue Rheinland-Pfalz verliert. Am 1. 12. 1946 wird innerhalb der Besatzungszone der Vereinigten Staaten von Amerika eine neue Verfassung für B., das einen besonderen Verfassungsgerichtshof erhält, angenommen. 1949 wird B. ein Teil der Bundesrepublik Deutschland.

Lit.: Riezler, S. v. Geschichte Bayerns, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1964; Gengler, H., Beiträge zur Rechts­geschichte Bayerns, 1889; Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht in der mittelalterlichen Gerichtsver­fassung Bayerns, 1929; Wüstendörfer, M., Das baierische Strafrecht des 13. und 14. Jahrhunderts, 1942; Historischer Atlas von Bayern, hg. v. d. Kom­mission für bayerische Landesgeschichte, Teil Alt­bayern Heft 1ff. 1950ff., Teil Franken 1951ff., Teil Schwaben 1952ff.; Rall, H., Kurbayern in der letzten Epoche der alten Reichsverfassung, 1952; Lieberich, H., Zur Feudalisierung der Gerichtsbarkeit in Bayern, ZRG GA 71 (1954), 243; Wilhelm, R., Rechtspflege und Dorfverfassung nach niederbayrischen Ehe­hafts­ordnungen, 1954; Fried, P., Herrschaftsge­schichte der altbayerischen Landgerichte Dachau und Kranzberg, 1962; Grasser, W., Johann Freiherr von Lutz 1826-1890, 1967; Hofmann, S., Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214 bis 1255/1294, 1967; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 1ff. 1967ff.; Dollinger, H., Studien zur Finanzreform Maximilians I. von Bayern in den Jah­ren 1598-1618, 1968; Peitzsch, Kriminalpolitik in Bayern, 1968; Ostadal, H., Die Kammer der Reichsräte in Bayern von 1819-1848, 1968; Hüttl, L., Caspar von Schmid (1622-1693), 1971; Weis, E., Montgelas, 1971; Mößle, W., Bayern auf den Dresdener Konferenzen 1850/51, 1972; Repräsentation und Parlamentarismus in Bayern, Bd. 1 1974; Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern, hg. v. Bosl, K. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Rankl, H., Staatshaushalt, Stände und „gemeiner Nutzen“ in Bayern 1500 bis 1516, 1976; Was früher in Bayern alles Recht war, v. Eberle, R., 1976; Kraus, A., Geschichte Bayerns, 1983; Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, hg. v. Volkert, W. u. a., 1983; Demel, W., Der bayerische Staatsabsolutismus 1806/1808-1817, 1983; Kraus, A., Grundzüge der Geschichte Bayerns, 1984; Sandberger, A., Altbayerische Studien zur Geschichte von Siedlung, Recht und Landwirtschaft, 1985; Christoffer af Bayerns breve 1440-1448, hg. v. Olesen, J., 1986; Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Bayern von 1811, hg. v. Demel, W. u. a., 1986; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkun­denwesen der Pfalzgrafen, 1986; Weiß, J., Die Integration der Gemeinden in den modernen baye­rischen Staat, 1986; Fischer, S., Der geheime Rat und die geheime Konferenz unter Kurfürst Karl Albrecht von Bayern 1726-1745, 1987; Rall, H., Kurfürst Karl Theodor, 1993; Bayerisches Wörterbuch, hg. v. d. Bayerischen Akademie der Wissenschgaften, Bd. 1ff. 1995ff. (rund 25000 Stichwörter, 2011 von a bis bowidl/powidl); Der bayerische Landtag, hg. v. Ziegler, W. u. a., 1995; Leeb, J., Wahlrecht und Wahlen zur zweiten Kammer, 1996; Regierungsakten des Kurfürs­tentums und Königreichs Bayern 1799-1815, bearb. v. Schimke, M., 1996; Treml, M., Geschichte des modernen Bayern, 2. A. 2000; Heydenreuter, R., Kriminalgeschichte Bayerns, 2003; Biebl, G., Bayerns Justizminister v(on) Fäustle und die Reichsjustiz­gesetze, 2003; Franz, M., Die Landesordnung von 1516/1520, 2003; Die Protokolle des bayerischen Ministerrates, hg. v. d. historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1ff. 2003ff.; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassations­gerichtshof, 2004; Hartmann, P., Bayerns Weg in die Gegenwart, 2. A. 2004; Kraus, A., Geschichte Bayerns, 3. A. 2004; Schlosser, H., Agnes Bernauerin (1410-1435), ZRG GA 122 (2005), 263; Weis, E., Montgelas, 2005; Bayern mitten in Europa, hg. v. Schmid, A. u. a., 2005; Krey, H., Herrschaftskrisen und Landeseinheit, 2005; Kummer, K., Landstände und Landschafts­verordnung unter Maximilian I. von Bayern (1598-1651), 2005; Tassilo III. von Bayern, hg. v. Kolmer, L., 2005; Hesse, C., Amtsträger der Fürsten, 2005; Körner, H., Geschichte des Königreichs Bayern, 2006; Bayerisches Hauptstaatsarchiv, 2. A. neubearb. v. Wild, J. u. a., 2006; Schwertmann, M., Gesetz­gebung und Repräsentation im frühkonstitutionellen Bayern, 2006; Handbuch der historischen Stätten, Bayern, 3. A., Bd. 1f., hg. v. Körner, H. u. a., 2006; Volkert, W., Geschichte Bayerns, 3. A. 2007; Bayern – Böh­men – 1500 Jahre Nachbarschaft, 2007; Rhein­bündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Weiß, D., Kronprinz Rupprecht von Bayern, 2007; Deutsches Verfassungsrecht, hg. v. Kotulla, M., Bd. 2 2007 (rund 340 Dokumente); Landesordnung und gute Policey, hg. v. Gehringer, H. u. a., 2008; Häfner, H., Ein König wird beseitigt. Ludwig II. von Bayern, 2008; Die bayerische Konstitution von 1808, hg. v. Schmid, A., 2009; Glasauer, B., Herzog Heinrich XVI (1393-1450), 2009; Rumschöttel, H., Ludwig II. von Bayern, 2011; Bibliographie zur Geschichte des bairischen Baierns, hg. v. Müller, M., Bd. 1ff. 2011ff.; Gahlen, G., Das bayerische Offizierskorps 1815-1866, 2011; Faußner, H., Die römische general­stabs­mäßige Ansiedlung der Bajuwaren, 2013; Immler, G., Die Wittelsbacher, 2013; Hilmes, O., Ludwig II. - Der unzeitgemäße König, 2013; Tauber, C., Ludwig II., 2013

Beamtenrecht ist die sich als Rechtsgebiet seit dem 19. Jh. entwickelnde Gesamtheit der →Beamten betreffenden Rechtssätze (Ansätze im 17. Jh. und in einem Reichs­hofratsprozess von 1776, in dem der Reichshofrat seinen Schutz einem ohne gerichtliches Urteil entschädigungslos und unehrenhaft entlassenen Beamten gewährt).

Lit.: Bader, K., Die Rechtsprechung des Reichshofrats und die Anfänge des territorialen Beamtenrechts, ZRG GA 65 (1947), 363; Dold, I., Die Entwicklung des Beamtenverhältnisses im Fürstentum Fürstenberg, 1961; Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue im preußischen Beamtenrecht, 1973

Beamter (Wort 1552) im beamtenrechtlichen Sinn ist, wer unter Aushändigung einer Urkunde bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechtes in das Beamtenverhältnis als ein öffentliches Dienstverhältnis und Treueverhältnis berufen worden ist. Insofern gibt es vor dem im Mittelalter entstehenden Territorialstaat keine eigentlichen Beamten, sondern nur Amtsträger. Für diese setzt sich im fränkischen Reich das Lehnsprinzip durch. Vielleicht seit dem 13. Jh. (bzw. der ausgehenden Stauferzeit) wird der belehnte Adlige durch den festbesoldeten, absetzbaren und zunehmend fachlich geschulten Beamten ersetzt. Schon im 17. Jh. kann dieser wegen seiner wohlerworbenen Rechte nicht mehr ohne gerichtliches Urteil entschädigungslos seines Amtes enthoben werden. Im 18. Jh. werden Beamte in Preußen zu Pflichtbe­wusstsein, Sachkenntnis, Pünktlichkeit und Unbestechlichkeit erzogen. Allgemeine Re­geln über die als Zivilbediente bezeichneten Beamten enthält das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II 10 §§ 68ff.). Dort ist der Beamte nicht länger Fürstendiener, sondern Staatsdiener. 1850 schreibt die preußische Verfassungsurkunde in den Arti­keln 87ff. für die richterlichen Beamten mo­derne Grundsätze fest, welche die Weimarer Reichsverfassung in den Artikeln 128ff. auf alle Beamten erweitert. In Österreich wird die dienstrechtliche Stellung allgemein durch die Dienstpragmatik vom 25. 1. 1914 geregelt (RGBl. 1914, 15). Im Deut­schen Reich werden die Beamten 1933 auf die national­sozialistische Ideologie ausge­richtet (Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeam­ten­tums vom 7. April 1933, maßregelt durch­schnittlich 6-8 % der Beamten). 1949 werden die hergebrachten Grundsätze des (wieder­hergestellten) Beam­ten­tums in Art. 33 GG aufgenommen., während die Deutsche Demokratische Repu­blik den Beamten zum öffentlichen Arbeit­nehmer macht. Wichtigste Beamtengesetze der Bundesrepublik Deutsch­land sind das Bundesbeamtengesetz und das Beamten­rechts­rahmengesetz. Österreich schafft am 2. 6. 1977 ein Beamtendienst­rechtsgesetz. Wegen der hohen Personal­kosten ist in der Gegenwart streitig, welche Staatstätigkeit von Beamten ausgeübt werden muss.

Lit.: Köbler, DRG 151, 197, 217, 225, 233, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Gönner, T., Der Staatsdienst, 1808; Isaacsohn, S., Geschichte des preußischen Beamtentums, Bd. 1ff. 1874ff.; Cohn, W., Das Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Bader, K., Die Rechtsprechung des Reichshofrates und die Anfänge des territorialen Beamtenrechts, ZRG GA 65 (1947), 363; Wyluda, E., Lehnrecht und Beamtentum, 1969; Rejewski, H., Die Pflicht der politischen Treue im preußischen Beamtenrecht (1850-1918). 1973; Wunder, B., Privilegierung und Disziplinierung, 1978; Hattenhauer, H., Geschichte des Beamtentums, 1980, 2. A. 1993; Schimetschek, B., Der österreichische Beamte, 1984; Megner, K., Beamte, 1985; Asch, R., Verwaltung und Beamtentum, 1986; Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988; Heindl, W., Gehorsame Rebellen, 1991; Kittel, E., From Ad Hoc to Routine, 1991; Mühl-Benninghaus, S., Das Beamtentum in der NS-Diktatur, 1996; Wunder, B., Die badische Beamtenschaft, 1998; Heyen, E., Pastorale Beamtenethik 1650-1700, HZ 280 (2005) 345; Hesse, C., Amtsträger der Fürsten im spätmittelalterlichen Reich, 2005 (7468 Kurz­bio­graphien); Krause, F., Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, 2008; Herlemann, H., Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (BBG), ZRG GA 126 (2009), 296; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Beati possidentes (lat. [M.Pl.]) die glücklichen Besitzenden (sind im Rechtsstreit im Vorteil).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Euripides 485/480-406 v. Chr.)

Beaumanoir, Philippe de Rémi, Herr (Seigneur) von (um 1247-7. 1. 1296), nachgeborener Sohn des bailli (Amtmanns) des Gâtinais, wird nach dem Studium des Rechtes in Orléans und vielleicht Bologna 1279 bis 1283 bailli der Grafschaft Clermont in Beauvaisis. Zwischen 1280 und 1283 verfasst er Li livres des coustumes et des usages de Beauvoisins (Coutumes de Beauvaisis), die teils das Bestehende be­wahren, teils aber auch verändern. Später erhält er hohe königliche Ämter.

Lit.: Köbler, DRG 103; Philippe de Beaumanoir, Coutumes de Beauvaisis, hg. v. Salmon, A., Bd. 1f. 1899, Neudruck 1970; Actes du colloque international Philippe de Beaumanoir et les coutumes de Beauvaisis, 1283-1983, hg. v. Bonnet-Laborderie, P., 1983

Beaumont bei Reims ist die freie Siedlung, mit deren Recht viele Orte im Westen des deutschen Reiches bewidmet werden. →Loi de Beaumont

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 221; Bonvalot, E., Le tiers état d’après la charte de Beaumont, 1884

Bebenburg, Lupold von (Bebenburg in Württemberg um 1297-Bamberg 28. 10. 1363), Reichsministerialensohn, wird nach dem Studium des kirchlichen Rechtes in Bologna (1316) Kanoniker in Würzburg und nach der Lösung (1351) des 1338 vom Papst ausgesprochenen Bannes 1353 Bischof in Bamberg. In seinem kaiserfreundlichen (lat.) Tractatus (M.) de iuribus regni et imperii (1340) entwickelt er eine eigenständige Reichstheorie, in der er einem Reichs­kaisertum ein auf göttliches Recht gegrün­detes Weltkaiser­tum gegenüberstellt.

Lit.: Wolf, E., Große Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 30

Beccaria, Graf Cesare Bonesana von (Mailand 15. 3. 1738-28. 11. 1794), nach dem Rechtsstudium (1754-1758) 1760-1771 Professor in Mailand, danach im Dienst der österreichischen Lombardei, verfasst 1764 zunächst anonym (it.) Dei delitti e delle pene (Von Verbrechen und Strafen). Darin verlangt er die Durchsetzung des Grundsatzes (lat.) nulla poena sine lege (keine Strafe ohne Gesetz), die regelmäßige Ersetzung der Todesstrafe durch lebenslängliche Zwangsar­beit, die Abschaffung der Folter, die Öffentlichkeit der Strafgerichtsverhandlung, das Verbot der Willkür bei Strafverfolgung, die Beachtung der Nützlichkeit gegenüber der bloßen Vergeltung sowie die Bekämpfung des Verbrechens durch aufgeklärte Bildung. Dies hat Auswirkungen auf das Erzherzogtum Toskana des Habsburgers Leopolds II. Gegner Beccarias ist Immanuel Kant.

Lit.: http://koeblergerhard.de/Fontes/BeccariaCe­sareDeiDelittiEDellePene1764.htm; Köbler, DRG 158; Cesare Beccaria, hg. v. Deimling, G., 1989; Weis, E., Cesare Beccaria (1738-1794), 1992; Beccaria et la culture juridique des lumières, hg. v. Porret, M., 1998

Bedarf (Wort 1616)

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Bede ist im deutschen Mittelalter die im Hinblick auf eine bestimmte Notlage von einem Herrn (durch Bitte) erbetene und von den Betroffenen durch Zustimmung bewilligte, in ihrer Höhe vermögensab­hängige →Abgabe in Geld seit etwa dem 11. Jh. Innerhalb der als Einheit bedepflichtigen Stadt trifft die B. als Umlage den Bürger. Später wird die B. von der Steuer verdrängt (z. B. Bayern 1292, 1295, 1304, 1309).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 113; Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Waas, A., Vogtei und Bede, 1919; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992

Bedingung (Wort 1302) ist das zukünftige ungewisse Ereignis, von dessen Eintritt die Folgen einer menschlichen Erklärung abhängig gemacht werden. Die B. ist aufschiebend oder auflösend bereits dem frühen römischen Privatrecht bekannt (lat. [F.] →condicio). Mit diesem wird sie in weiten Teilen Europas seit dem Mittelalter aufgenommen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1896/1900) folgt dem von Windscheid (Die Wirkung der erfüllten Bedingung, 1851) eingenommenen Stand­punkt, dass die erfüllte aufschiebende Be­dingung regelmäßig keine rückwirkende Kraft hat und während der Schwebezeit eine Gebundenheit des bedingt Verpflichteten zu Gunsten des bedingt Berechtigten für den Fall des Eintritts der Bedingung besteht

Lit.: Kaser § 10; Schiemann, G., Pendenz und Rückwirkung der Bedingung, 1973; Scheltema, A., De goederechtelijke werking van de ontbindende voorwarde, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

beerbt (Adj.), mit einem (Abkömmling als) Erben versehen

Beeskow

Lit.: Urkunden der Stadt Beeskow, bearb. v. Beck, F., 2003

Befangenheit ist das Fehlen der Unvorein­genommenheit bzw. der sachlichen Ein­stellung unabhängig von persönlichen Nei­gungen. Insbesondere von Richtern wird schon früh verlangt, dass sie unparteilich vorgehen. Allgemein wird die B. erst im 18. Jh. erfasst.

Befestigung ist die künstliche Schutzvor­richtung (z. B. durch Mauern) eines Ortes gegenüber anderen.

Befestigungsrecht ist das bei den Franken vom König beanspruchte Recht, einen Ort mit einer künstlichen Schutzvorrichtung (z. B. Mauer) zu sichern. Mit der Entstehung des →Landes geht das B. vom König auf den Landesherrn über (1220 bzw. 1231). Danach erwerben auch die Städte ein B.

Lit.: Schrader, E., Das Befestigungsrecht in Deutschland, 1909; Coulin, A., Befestigungshoheit und Befestigungsrecht, 1911; Isenburg, G., Die Befestigung der mittelalterlichen Stadt, 1997

Begnadigung ist der auf Gnade beruhende teilweise oder völlige Erlass der Strafe eines einzelnen Täters nach Eintritt der Rechtskraft eines Strafurteils durch einen Herrn. Sie ist vermutlich ähnlich alt wie die Strafe . Im 20. Jh. wird sie durch Gnadenordnungen zuneh­mend verrecht­licht.

Lit.: Lueder, C., Das Souveränitätsrecht der Begnadigung, 1860; Beyerle, K., Von der Gnade im deutschen Recht, 1910; Köstler, R., Huldentzug als Strafe, 1919, Neudruck 1965; Grewe, W., Recht und Gnade, 1936; Klees, K., Das Wesen der Gnade, 1953; Hupe, I., Das Gnadenrecht, 1954; Waldstein, W., Untersuchungen zum römischen Begnadigungsrecht, 1964; Schätzler, J., Handbuch des Gnadenrechts, 1976; Merten, D., Rechtsstaatlichkeit und Gnade, 1978; Mickisch, C., Die Gnade im Rechtsstaat, 1996; Bauer, A., Das Gnadenbitten in der Strafrechtspflege, 1996; Dimoulis, D., Die Begnadigung in vergleichender Perspektive, 1996; Vrolijk, M., Recht door gratie, 2004; Rehse, B., Die Supplikations- und Gnadenpraxis in Brandenburg-Preußen, 2008

Begräbnis ist das Verbringen eines Toten unter die Erdoberfläche. Es ist schon in frühen Zeiten an vielen Orten üblich. Vielfach werden dem Begrabenen Beigaben für ein anderweitiges Fortwirken mitgegeben. Im Anschluss an die jüdische Bibel begraben die Christen ihre Toten im Hinblick auf die künftige Auferstehung des verklärten Leibes (1. Moses 38,24, 1. Korinther 15,42), wobei allmählich der Kirchhof zum wichtigsten Begräbnisplatz wird. Mit der zunehmenden Verdichtung wird das B. verrechtlicht. Die vom Christentum abgelehnte Verbrennung wird seit dem Ende des 18. Jh.s bedeutsamer.

Lit.: Körner, A., Das kirchliche Beerdigungsrecht, 1906; Gaedke, J., Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 1963, 6. A. 1992, 9. A. 2004, 10. A. 2010; Ili, M., Wohin die Toten gingen, 1992; Fischer, N., Vom Gottesacker zum Krematorium, 1996; Bestattungs­befunde in ethnoarchäologischer Perspektive, hg. v. Noll, E. u. a., Ethnograph.-archäolog. Zs. 38 (1997), 287ff.; Engels, J., Funerorum sepulcrorumque magni­ficentia, 1998; Hassenpflug, E., Das Laienbegräbnis in der Kirche, 1999

Begriff ist die von Sache und Wort zu trennende Vorstellung des Menschen von einer Gegegebenheit.

Lit.: Begriffsgeschichte, hg. v. Bödeker, H., 2002; Koselleck, R., Begriffsgeschichten, 2006

Begriffsjurisprudenz (Jhering 1884) ist die Richtung der Rechtswissenschaft, die davon ausgeht, dass die Rechtsordnung nicht eine zusammenhanglose Anhäufung einzelner Vorschriften ist, sondern ein sinnvolles, zusammenhängendes Ganzes und damit aus einem lückenlos geschlossenen System von Begriffen (Begriffspyramide) besteht, aus dem vor allem unter Ausschluss aller außer­rechtlichen politischen und gesellschaft­lichen Wertungen durch einen logischen Denk­vorgang eine Lösung des gesetzlich nicht ein­deutig geregelten Einzelfalls ermittelt werden könne und Lücken durch Begriffe und Grundsätze geschlossen werden, die aus dem Gesetz oder Gewohnheitsrecht (z. B. aus den Regeln des römischen Rechtes über den Irrtum bei dem Kauf) durch Abstraktion gewonnen werden (z. B. der Grundsatz, dass ein Irrtum eine Willenserklärung nichtig macht). Sie beruht geschichtlich auf der →historischen Rechtsschule (Savigny) und methodisch auf dem →Naturrecht (Christian Wolff). Wichtigster Vertreter ist Georg Friedrich →Puchta (1798-1846), der den Juristen auf ein hierarchisches System von rein juristischen, positiven und von der gesell­schaftlichen Wirklichkeit (wie der Ge­schichte) gelösten Begriffen verpflichtet, aus dem nach vorgegebener, den Naturwis­senschaften verwandter geometrischer Art für jede Frage konstruktiv die zutreffende Lösung gewonnen werden kann, ohne dass freilich auf der Suche nach Gerechtigkeit andere Gesichtspunkte völlig ausgeschlossen sind. Die B. wird in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s vor allem von Rudolf von Ihering angezweifelt und danach allmählich von der →Interessenjurisprudenz verdrängt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 188; Savigny, F. v., Vorlesungen über juristische Methodo­logie 1802-1842, hg. v. Mazzacane, A., 1993; Puchta, G., Cursus der Institutionen, 1841, Bd. 1, 9 A. 1881; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhun­dert, 1958; Krawietz, W., Theorie und Technik der Begriffsjurisprudenz, 1976; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 10. A. 2005, § 4; Bohnert, J., Über die Rechtslehre Georg Friedrich Puchtas, 1975; Falk, U., Ein Gelehrter wie Windscheid, 1989; Schröder, J., Recht als Wissenschaft, 2001, 2. A. 2012; Haferkamp, H., Georg Friedrich Puchta und die Begriffsjurisprudenz, 2004; Henkel, T., Begriffsjurisprudenz und Billigkeit, 2004

Begründung →Urteilsbegründung

Lit.: Horak, F., Rationes decidendi, 1969; Gudian, G., Die Begründung in Schöffenspüchen des 14. und 15. Jahrhunderts, 1960; Begründungen des Rechts, hg. v. Nembach, U. u. a., 1979; Köbler, G., Die Begründung von Rechtssätzen im Hoch- und Spätmittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 86; Köbler, G., Die Begründungen der Lex Baiwariorum, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 69; Hensche, M., Teleologische Begründungen, 1998; Die Begründung des Rechts als historisches Problem, hg. v. Willoweit, D., 2000; Hocks, S., Gerichtsgeheimnis und Begründungszwang, 2002; Ratio decidendi. Guiding Principles of Judicial Decisions, hg. v. Bryson, W. u. a., 2006; Wunderlich, S., Über die Begründung von Urteilen am Reichs­kam­mergericht im frühen 16. Jahrhundert, 2010; Von der religiösen zur säkularen Begründung staatlicher Normen, hg. v. Siep, L. u. a. 2012; Harke, J., Argumenta Iuventiana - Argumenta Salviana - Entscheidungsbegründungen bei Celssus und Julian, 2012

Begünstigung ist die Hilfeleistung an einen anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht, ihm die Vorteile der Tat zu sichern. Sie wird erst in der Neuzeit als solche verselbständigt.

Lit.: Dersch, G., Begünstigung, Hehlerei und unterlassene Verbrechensanzeige, 1980; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002

Behörde ist die organisatorisch selbständige Stelle, die (als unselbständiges Organ des Staates oder sonstigen selbständigen Verwaltungsträgers) Aufgaben öffentlicher →Verwaltung wahrnimmt. Dementsprechend entstehen Behörden, sobald die Verwaltung eine gewisse Größe überschreitet. Dies ist insbesondere seit der Entwicklung des modernen Staates im Spätmittelalter der Fall. Frühe Ansatzpunkte sind Kanzlei, Hofgericht, und Raitkammer. Im 19. Jh. erfolgt ein rati­o­nal-bürokratischer Aufbau aller Behörden, wobei monokratische und kolle­giale Behörden möglich sind. →Bürokratie

Lit.: Köbler, DRG 150, 197, 233, 258; Biedermann, H., Geschichte der landesfürstlichen Behörden in und für Tirol, Archiv f. Gesch. Tirols 2 (1866); Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Wintterlin, F., Geschichte der Behördenor­ganisation in Württemberg, 1904; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen Behördenorganisation, 1913; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen Behörden­organisation im Zeitalter Maximilians I., 1913; Bär, M., Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, 1919; Freitag, D., Das schlesische Behördenwesen, Diss. jur. Breslau 1937; Ohnsorge, W., Die Verwaltungsreform unter Christian, Neues Archiv f. sächs. Gesch. 63 (1943), 26ff.; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg und ihre Beamten 1520-1629, Bd. 1f. 1973; Histoire comparée de l’administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. Bd. 1ff.1983ff.

Beichtstuhljurisprudenz ist die sich auf die spätantike Ohrenbeichte (lat. [F.] paenitentia privata, private Beichte) gründende, in Westeuropa seit dem 6. Jh. (Toledo 589, Irland E. 6. Jh., Châlon-sur-Saône 644-656) sichtbare, seit dem 12. Jh. an Gewicht gewinnende Lehre vom Verhalten des christlichen Beichtvaters ge­genüber einem Sünder hinsichtlich der Entscheidung für und gegen die Los­sprechung. Hierzu entstehen im Frühmittelalter besondere Bußbücher (Colum­ban, Liber paenitentiarum mensura taxanda [Luxueil um 573], Iudicia Theodori Cantuariensis [Canterbury? Ende 7. Jh.]) und im Hochmittelalter Beichtsummen (lat. Sum­mae [F.Pl.] confessorum) wie z. B. die Summa de poenitentia des Raymund von Peñafort (vor 1238) oder die Summa confessorum des Johannes von Freiburg (vor 1290?). Die auftretenden Rechtsprobleme des sog. (lat.) →forum (N.) internum werden dabei nach den Regeln des Rechtes bzw. der gelehrten Rechte behandelt. Am päpstlichen Hof entwickelt sich die apostolische Poe­nitentiarie als für Gewissenssachen und Gnadensachen zuständige Behörde. Während die Reformation dem Beichtvater die Ent­scheidungsgewalt abspricht, stellt die katholische Kirche die Entscheidung der Beichtväter (1551) einem Urteil gleich. Nach 1558 wird das Beichtverfahren in die geistliche Gerichtsbarkeit überführt.

Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des römisch-kanonischen Rechtes in Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962; Michaud-Quantin, P., Sommes de casuistique et manuels de confession au moyen âge, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,999; Trusen, W., Zur Bedeutung des geistlichen forum internum und externum für die spätmittelalterliche Gesellschaft, ZRG KA 76 (1991), 254ff.; Prosperi, A., Tribunali della coscienza, 1996; Das Konzil von Trient und die Moderne, hg. v. Reinhard, W., 2001; Alle origini del pensiero giuridico moderno, hg. v. Cavina, M., 2004

Beichtsumme →Beichtstuhljurisprudenz

Lit.: Michaud-Quantin, P., Sommes de casuistique, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,1828

Beigeordneter ist in einigen Bundesländern Deutschlands der vom zuständigen Organ einer kommunalen Körperschaft auf Zeit gewählte führende →Beamte.

Lit.: Wolter, H., Der Beigeordnete, 1978

Beihilfe ist die Unterstützung eines Menschen insbesondere bei einer Straftat oder hinsichtlich einer Entlohnung für eine Tätigkeit. Zwischen Tätern und Gehilfen wird erst im Spät­mittelalter gelegentlich unter­schieden. Danach wird die B. als allgemeine Erscheinung erfasst. Die finanzielle B. entwickelt sich mit dem Ausbau des Rechtes der →Beamten.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 119; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Deutsche Verwaltungs­geschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.

Beil ist das aus metallener Klinge und höl­zernem Griff zusammengesetzte, hauptsäch­lich einhändig dem Zerkleinern von Holz dienende Gerät. Es ist in Altertum und Mit­telalter auch ein Kennzeichen für herr­schaftliche Gewalt und wird zum Vollzug von Todesstrafen und Lei­besstrafen verwendet. Seit dem 14. Jh. erscheint das Fallbeil, das in Frankreich 1792 nach Vorschlag des Arztes J. Guillotin zur Guillotine weiterentwickelt wird.

Lit.: Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Maisel, W., Rechtsarchäologie Europas, 1992

Beilager ist der Beischlaf bzw. die öffentliche Beschreitung des Ehebetts als Voraussetzung für die vollzogene →Eheschließung, deren rechtliche Notwendigkeit in der germanischen Zeit in der Wissenschaft streitig ist.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Eckhardt, K., Beilager und Muntübergang zur Rechtsbücherzeit, ZRG GA 47 (1927), 174; Carlsson, L., Das Beilager im altschwedischen Recht, ZRG GA 75 (1958), 348; Hemmer, R., Über das Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 76 (1959), 292; Carlsson, L., Vom Alter und Ursprung des Beilagers im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 310; Hemmer, R., Nochmals über das Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 78 (1961), 298

Beirut →Berytos

Beisasse ist (vor allem in der mittelalterlichen Stadt) der nicht vollberechtigte Bewohner (Bürger).

Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954, 5. A. 1980, 275ff.; Vits, B., Hüfner, Kötter und Beisassen, 1993

Beisitz ist eine mindere Form einer Beteiligung. Im mittelalterlichen Recht bleibt nach dem Tode eines Hausvaters die Witwe mit den Kindern in ungeteilter Vermögens­gemeinschaft auf dem Gut sitzen. Sie erzieht die Kinder und nutzt deren Vermögen durch B., bis dieser durch Abschichtung, Wieder­verheiratung oder Tod beendet wird. Mit der Entwicklung des →Ehegattenerbrechts schwindet der noch im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794, II 1 § 645) enthaltene B.

Lit.: Hübner 693; Köbler, DRG 89; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973

Beisitzer →Assessor

Beispruch ist im älteren deutschen Recht die Zustimmung des nächsten Erben des Veräußerers eines Gutes zur Veräußerung. Das Beispruchsrecht beruht auf der ur­sprünglichen Familiengebundenheit von Grund und Boden. Es ist zunächst ein vollständiges Recht auf Herausgabe der veräußerten Sache (Rück­rufsrecht), schwindet im Laufe des Mittelalters aber in regionaler Verschiedenheit über ein Vorkaufsrecht allmählich gegenüber der Verfügungsfreiheit des Eigentümers.

Lit.: Hübner 332; Fipper, C., Das Beispruchsrecht nach altsächsischem Recht, 1879; Freytagh-Loringhoven, A. v., Beispruchsrecht und Erbenhaftung, ZRG GA 28 (1907), 69; Agena, G., Grundbesitz, Beispruch und Anerbenrecht in Ostfriesland, 1938; Forster, G., Mitwirkungsrechte, 1952

Beispruchsrecht →Beispruch

Belagerungszustand ist der seit dem 19. Jh. verrechtlichte Zustand der (ursprünglich tatsächlichen) Belagerung (z. B. einer Stadt) durch einen Feind, in dem bestimmte Rechte eingeschränkt und die Zuständigkeit von Ge­richten abgeändert werden kann.

Lit.: Schudnagies, C., Der Kriegs- oder Belagerungs­zu­stand während des ersten Weltkriegs, 1994

Beleidigung ist die nach außen dringende Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung eines anderen. Sie ist im altrömischen Recht in der (lat. [F.]) iniuria (Unrecht) des Zwölftafelgesetzes mit der Folge der Leistung von 25 Pfund Kupfer enthalten, die im klassischen römischen Recht zu einem Tatbestand erweitert wird, der jede bewusste Missachtung der Persönlichkeit eines anderen in Wort und Tat umfasst. Im Mittelalter hat die B. eher tatsächliche als rechtliche Folgen. Die peinliche Gerichts­ordnung Karls V. von 1532 erfasst nur einzelne Sonderfälle. Bei Thomasius (1655-1728) werden Körperverletzung und tätliche B. voneinander geschieden. Im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) wird die B. als Straftatbestand angesehen. Das frühe 19. Jh. sondert die Verleumdung von der B., das Reichsstrafgesetzbuch des Jahres 1871 sieht B., Verleumdung und üble Nachrede als B. in weiterem Sinn an.

Lit.: Köbler, DRG; Landsberg, E., Injuria und Beleidigung, 1886; Thieme, K., Iniuria und Beleidigung, 1905; Bartels, K., Die Dogmatik der Ehrverletzung in der Wissenschaft des gemeinen Rechts, Diss. jur. Göttingen 1959; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 1981, 5. A. 2007; Fuchs, R., Um die Ehre, 1998

Belgien ist das Gebiet zwischen der kontinentalen Ärmelkanalküste und den Ardennen. Sein Name geht auf 51 v. Chr. von Caesar unterworfene keltisch-germanische Mischstämme zurück, die zusammenfassend als (lat. [M.Pl.]) Belgae bezeichnet werden. Sie geraten in der Völkerwanderung unter den Einfluss der vom Niederrhein einströmenden →Franken, die den nördlichen Teil sprach­lich assimilieren (altniederfränkisch, flä­misch). 843/877 gelangt ein Teil an den Westen (Frankreich), der übrige Teil an den Osten (Deutschland), 1384 das gesamte Gebiet an →Burgund und über Maria von Burgund 1477 an Habsburg, für das Karl V. 1531 die Aufzeichnung aller örtlichen Gewohnheits­rechte (coutumes) binnen sechs Monaten anordnet ([1750] 691). Bei der Teilung im Hause Habsburg (1521/1522/1526) fällt der Raum an →Spanien, ohne im Freiheitskampf der →Niederlande mit diesen sich (tat­sächlich 1571-1581 und rechtlich 1648) aus der spanischen Herrschaft lösen zu können (spanische Niederlande). Nach dem spanischen Erbfolgekrieg (1713) wird das Gebiet an das habsburgische →Österreich gegeben (österreichische Niederlande), nach der Be­setzung durch das bald seine Kodi­fika­tionen von 1804ff. unter Aufhebung älterer Gewohnheitsrechte und Gesetze einführende Frankreich (1793, 1795 Batavische Republik, 1797 Teil Frankreichs) 1815 aber Österreich auch rechtlich entzogen und mit den Niederlanden zum Königreich der Nieder­lande vereint. Unter der Ein­wirkung der französischen Revolution des Jahres 1830 erklärt das teils wallonische (romanische) Gebiet (im Südosten um [Brüssel,] Charleroi, Namur, Bastogne, 40 Prozent), teils flämische (niederländisch­sprachige) Gebiet (im Nordwesten um Ostende, Brügge, Gent, Antwerpen, Mechelen, 60 Prozent) am 18. 11. 1830 seine Unabhängigkeit. Die Verfassung vom 7. 2. 1831 legt eine konstitutionelle Monarchie fest (Einheits­staat). Das Recht ist deutlich von Frankreich geprägt. Die 1831/1839 garantierte Neutralität ist seit 1914/1919 beendet bzw. aufgehoben. Seit 1951/1952 ist B., in dem die sog. flä­mische Revolution die Vorherrschaft französischer Kultur mehr und mehr durchbricht, Kernland europäischer Einigung (1951/1952 Montan­union, 1957 Euratom, Europäische Wirt­schafts­ge­meinschaft), entwickelt sich als Folge des inneren sprach­lichen Gegensatzes aber 1993 zu einem Bundesstaat. →Europäische Union

Lit.: Recueil des anciennes ordonnances de la Belgique; Recueil des anciennes coutumes de la Belgique; Pirenne, H., Histoire de Belgique, Bd. 1ff. 1899ff., Neudruck 1975; Errera, P., Das Staatsrecht des Königreichs Belgien, 1909; Niemeyer, T., Belgien und seine Neutralisierung, 1917, Neudruck 2013; Marez, G. des, Le droit privé à Ypres, 1927; Vercauteren, F., Étude sur les civitates de la Belgique seconde, Mémoires publiés par l’académie royale de Belgique 1934; Niermeyer, J., Onderzoekingen over Luikse en Maastrichtse oorkonden, 1935; Dievoet, E. van, Het burgerlijk recht, 1943; Algemene Geschiedenis der Nederlanden, 1949ff.; Standen en Landen, Bd. 1ff. 1950ff.; Génicot, L., L’économie rurale Namuroise, 1960; Verhulst, A./Gysseling, M., Le compte général de 1187, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. 3,1,1069, 3,2,2581, 3,3,3726,­3794,3892,3973,4091; Ordonnances et autres actes juridiques concernant le duché de Bouillon, Bd. 2 1977; Gilissen, J., Introduction historique au droit, 1979; Smidt, J. de u. a., Chronologische Lijsten van de geentendeerde sententien, 1979; Gilissen, J., Historische Inleiding tot het recht, 1981; Liber sentenciarum van de officialiteit van Brussel 1448-1459, hg. v. Vleeschouwers, C. u. a., 1982; Cossart, A. v., Belgien, 1985; Dumont, G., Histoire de la Belgique, 1985; Godding, P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux, 1987; Costumen van de stad en van de kasselrij Kortrijk, hg. v. Monballyu, J., Bd. 2 1989; Schilling, J./Täubrich, R., Belgien, 1990; Holthöfer, E., Beiträge zur Justizgeschichte der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs im 19. und 20. Jahrhundert, 1993; Hermsdörfer, W., Geschichte und Gegenwartsgestalt des Verhältnisses von Staat und Kirche in Belgien, 1998; Cook, B., Belgium, 3. A. 2002ff.; Delpérée, F., Le droit constitutionnel de la Belgique, 2000; Zedinger, R., Die Verwaltung der österreichischen Niederlande in Wien (1714-1795), 2000; Uyttendaele, M., Précis de droit constitutionnel belge, 2001; Geschiedenis van de Belgische Kamer van Volksvertegenwoordigers, red. v. Gerard, E. u. a., 2003; Koll, J., Die belgische Nation, 2003; Politieke en sociale geschiedenis van justitie in Belgie, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2004; La Belgique, les petits Ètats et la construction européenne, hg. v. Dumoulin, M. u. a., 2003; Napoleons nalatenschap, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2005; Heirbaut, D., Hadden/hebben de Belgische ministers van Justitie een civielrechtelijk beleid?, 2005; Schaepdrijver, S. de, La Belgique et la première guerre mondiale, 2005; Heirbaut, D., Privaatrechts­geschiedenis van de Romeinen tot heden, 2005; Vesentini, F., Pratiques pénales et structures sociales, 2005; Lejeune, C., Die Säuberung, Bd. 1ff. 2005ff.; Monballyu, J., Zes eeuwen strafrecht, 2006; Dupont-Bouchat, M. u. a., La Belgique criminelle, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 971; Deferme, J., Uit de ketens van de vrijheid, 2007; Verfassungs­doku­mente Belgiens, Luxemburgs und der Niederlande 1789-1848, hg. v. Stevens, F., 2008; Heirbaut, D., Een beknopte geschiedenis van het sociaal, het economisch en het fiscaal recht in Belgie, 2009; Horvat, S., De vervolging van militairrechtelijke delicten tijdens Wereldoorlog I, 2009; Meinen, I., Die Shoah in Belgien, 2009; Monballyu, J., De jacht op de flaminganten, 2010; Kakoschke, A., Die Personen­namen in der römischen Provinz Gallia Belgica, 2010; Debaenst, B., Een Proces van Bloed, Zweet en Tranen!, 2011; Stevens, W., Het leenhof van Dendermonde, 2013

Belial (hebr. Bosheit, Widersacher Christi) ist in der Bibel (2. Kor. 6, 15) ein Teufel und im Spätmittelalter eine Lehrschrift ([lat.] Processus [M.] Luciferi contra Jesum coram iudice Salomone, Prozess Luzifers gegen Jesus vor dem Richter Salomo) des kanonistisch geschulten Archidiakons Jacobus (Paladinus) de Theramo (Teramo, 1382 Archidiakon in Aversa, 1391 Bischof von Monopoli, später von Florenz) von 1382. Ihre frühe deutsche Übersetzung ist ein Fall populärer, die Rezeption der gelehrten Rechte beschleunigender Literatur.

Lit.: Hagemann, H., Der Processus Belial, FG M. Gerwig, 1960, 55; Ott, N., Rechtspraxis und Heilsgeschichte, 1983

Beliebung →Dorfordnung, Siebenharden­be­liebung

Bellapertica →Petrus de

Bello, Andrés (1781-1865), der von 1810 an ein jahrelanges Rechtsstudium in London betreibt, ist der Verfasser des auf dem europäischen Kodifikationsgedanken und dem spanisch-römischen Sachmaterial eigen­ständig aufgebauten (span.) Codigo civil (Bürgerliches Gesetzbuch) de la república de Chile von 1855.

Lit.: Nelle, D., Entstehung und Ausstrahlungswirkung des chilenischen Zivilgesetzbuches von Andrés Bello, 1988

Bellot, Pierre François (1776-1836), seit 1819 bzw. 1823 Professor in Genf, ist der Redaktor des Zivilgesetzbuchs und Schöpfer des Prozessrechts in →Genf.

Lit.: Elsener, W., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975, 446

bellum (lat. [N.]) Krieg

Benedictus de Isernia ist ein in Benevent kurz vor 1200 geborener, 1252 in Neapel noch bezeugter Jurist (Glossen, Summen).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 496

Benedictus Levita ist der selbstgewählte Name des (unbekannten) Verfassers einer in drei Bücher mit 405, 436 und 478 (bzw. insgesamt 1719 bzw. 1721) Kapiteln gegliederten, um 850 (vor 852?) wohl in der Erzdiözese Reims (nach eigenen Angaben im Archiv der Kirche von Mainz) entstandenen, zum Teil (mehr als drei Vierteln?) gefälschten oder verfälschten, zu einem beträchtlichen Teil aber echten, auf sehr guten Vorlagen beruhenden, vollständig nur durch zwei Handschriften überlieferten, nur mäßig erfolgreichen Rechts­sammlung, die Kapitu­larien aus der Sammlung des →Ansegis, Bibeltexte, Kirchenväter, Kanones und andere Quellen kirchlichen wie weltlichen Rechtes (von den Volksrechten nur die [lat.] Lex Baiwariorum, Volksrecht der Bayern) ohne jede erkennbare Ordnung aneinander­reiht.

Lit.: Ganshof, F., Was waren die Kapitularien? 1961; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988ff.; Schmitz, G., Die Reformkonzilien von 813 und die Sammlung des Benedictus Levita, DA 56 (2000), 1; Fortschritt durch Fälschungen?, 2002; Lukas, V., Eine Sammlung von Kapitularien Karls des Großen bei Benedictus Levita, ZRG KA 90 (2004), 1

Benedikt XIV. (Prospero Lambertini, Bologna 1694-1754), seit 1740 Papst, ist auf Grund seines Werkes (lat.) De synodo dioecesana (Über die Diözesansynode) der früheste Vertreter einer geschichtlichen Kirchenrechtswissenschaft.

Lit.: Haynes, R., Philosopher King. The Humanist Pope Benedict XIV, 1970

Benediktiner ist der Angehörige des von Benedikt von Nursia (um 480-547) zunächst in Subiaco und nach 529 in Montecassino (bei Neapel) geleiteten ältesten abendländischen Mönchsordens, der nach der von Benedikt verfassten, sich im fränkischen Reich durchsetzenden Klosterregel lebt. Bedeutende Klöster der B. sind neben Montecassino vor allem Luxeuil, Cluny, Corbie, Fontenelle, Stablo, Malmédy, Bobbio, Farfa, Echternach, Prüm, Hirsau, Reichenau, Sankt Gallen, Weißenburg im Elsass, Lorsch, Maria Laach, Fulda, Corvey, Benediktbeuern, Wessobrunn, Beuron, Ettal, Tegernsee, Mondsee, Gorze, Melk, Bursfeld, Sankt Blasien, Weingarten, Sankt Emmeram und Göttweig. Als Zweig­orden der B. lassen sich Kamaldulenser, Vallumbrosaner, Zisterzienser, Silvestriner, Cölestiner und Olivetaner verstehen. In Frankreich werden alle Klöster der B. 1789 aufgehoben, im Heiligen Reich alle Klöster 1803 säkularisiert, doch werden im 19. Jh. viele wiederbegründet. Seit 1893 gibt es einen weltweiten Zusammenschluss mit derzeit 21 Kongregationen und rund 200 Klöstern.→regula Benedicti

Lit.: Hilpisch, S., Geschichte des benediktinischen Mönchtums, 1929; Schmitz, P., Geschichte des Benediktinerordens, Bd. 1ff. 1947ff.; Holtz, L., Geschichte des christlichen Ordenslebens, 1986; Engelbert, P., Geschichte des Benediktinerkollegs Sankt Anselm in Rom, 1988; Dartmann, C., Die Benediktiner, 2014

Benediktinerregel →regula Benedicti

Benediktion

Lit.: Franz, A., Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter, 1909

Beneficium (lat. [N.] Wohltat, gute Tat) ist im römischen Recht jede (, vor allem kaiserliche) Gunst (z. B. Übertragung des Rechtes an einer Sache [u. a. b. excussionis si­ve ordinis, b. divisionis, b. cedendarum actio­num, b. dationis in solutum, b. abstinendi, b. inventarii, b. separationis bonorum, b. ces­sionis bonorum, b. competentiae]), im Frühmittelalter unter anderem die besonders vorteilhafte →Leihe. Als solche gilt jedenfalls seit 743/744 auch die Leihe (z. B. säkularisierten Kirchenguts) gegen Leistung von Kriegsdienst. Später werden als b. auch Ämter und in Anerkennung an spätrömische Vorbilder sogar Kirchen oder Pfründengüter (Amts­pfründen) verliehen. Im Süden Frankreichs spricht man seit dem Ende des 9. Jh.s auch von fevum, feodum, feudum, später allgemein volkssprachig von →Lehen. Im 13. Jh. tritt in Deutschland das Wort b. ebenfalls zurück. Im Rahmen des römischen Rechtes wird es mit dessen Aufnahme seit dem Spätmittelalter wieder verwendet.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Stutz, U., Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens, 1895, Neudruck 1972; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsge­walt, 1933; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 1961, 6. A. 1983, 7. A. 1989; Wesener, G., Rechtswohltat, HRG Bd. 4 1986, 423; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994; Mönchtum - Kirche - Herrschaft, hg. v. Bauer, D. u. a., 1998; Erdmann, J., Quod non est in actis, 2007

beneficium (N.) cedendarum actionum (lat.) Wohltat der abzutretenden Ansprüche

Beneficium (N.) competentiae (lat.) (Rechtswohltat des Notbedarfs) heißt seit dem 16. Jh. die schon im klassischen römischen Recht vorhandene Möglichkeit, gewisse nahe Angehörige oder Mitgesellschafter nur zum Geldwert eines zur Urteilszeit vorhandenen Vermögens zu verurteilen, um die mit der Vollstreckung verbundenen Nachteile nicht eintreten zu lassen. Ein gewohnheitsrechtlich entstandenes, auf Liber extra 3,23,3 gestütztes b. c. genießt auch der Klerus, dem das zum standesgemäßen Unterhalt Notwendige zu belassen ist.

Lit.: Kaser §§ 32 III, 85; Wünsch, O., Zur Lehre vom beneficium competentiae, Diss. jur. Leipzig 1897; Zipperling, O., Das Wesen des beneficium competentiae, 1907; Gildemeister, J., Das beneficium competentiae im klassischen römischen Recht, 1986

beneficium (N.) divisionis (lat.) Wohltat der Teilhaftung

Beneficium (N.) emigrationis (lat.) (Wohltat der Auswanderung) ist die nach der Reformation Martin →Luthers von Lan­desherren und durch den Augsburger Reli­gionsfrieden vom 25. 9. 1555 reichsrechtlich gewährte Freiheit, in ein Land auszuwandern, in dem die vom eigenen Landesherrn nicht geteilte Religion eines auswanderungs­willigen Untertanen gilt. Voraussetzung ist der Verkauf der Güter und die Entrichtung einer Nachsteuer sowie einer möglichen Be­freiungsabgabe.

Lit.: Zycha, A., Deutsche Rechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1949, 55

beneficium (N.) excussionis (lat.) Wohltat (Einrede) der Vorausklage

beneficium (N.) inventarii (lat.) Wohltat der Inventarerrichtung

Beneš-Dekrete sind die von Edvard Beneš (28. 5. 1884-3. 9. 1948) als dem Präsidenten der zweiten tschechoslowa­kischen Republik verfügten (insgesamt 143) Dekrete (Dekret des Prä­sidenten vom 19. Mai 1945 über die nationale Verwaltung [Enteignung) der Vermögenswerte von Deutschen und Madjaren, Verrätern und Kollaborateuren, Dekret vom 19. Juni 1945 über die Bestrafung der nazistischen Verbrecher, Verräter und ihrer Helfershelfer durch außer­ordentliche Volksgerichte, Dekret vom 21. Juni 1945 über die Konfiskation und Aufteilung des landwirtschaftlichen Ver­mögens der Deutschen, Madjaren  u. s. w., [Bekannt­­machung des Finanzministers vom 22. Juni 1945 über die Sicherstellung des deutschen Vermögens,] Dekret vom 20. Juli 1945 über die Besiedlung des landwirtschaftlichen Bodens der Deutschen, Madjaren und anderen Staatsfeinde durch Tschechen und Slowaken, Verfassungsdekret vom 2. August 1945 über den Verlust der Staatsbürgerschaft der Deutschen und Madjaren, Dekret vom 19. September 1945 über die Arbeitspflicht der ausgebürgerten Menschen (ohne Entlohnung und Lebensmittel), Dekret vom 18. Oktober 1945 über die Auflösung der deutschen Universität Prag und der deutschen technischen Hochschulen von Prag und Brünn, Dekret vom 25. Oktober 1945 über die Konfiskation des feindlichen Vermögens, Dekret vom 27. Oktober 1945 über die Einrichtung von Zwangsarbeitssonderabtei­lungen und Verfas­sungsdekret vom 27. Oktober 1945 über die Sicherstellung der als unzuverlässig ange­sehenen Menschen (sowie Erlass des Innenministeriums vom 26. November 1945 über die Aussiedlung der deutschen Antif­aschisten in die sowjetische Besatzungs­zone Deutschlands und Gesetz vom 6. Mai 1946 über die Rechtmäßigkeit aller mit dem Kampf um die Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zusammen­hängenden Handlungen [oder Straftaten]). Die B. entfalten noch in der Gegenwart Wirksamkeit.

Lit.: Dokumente zur Diskussion über die Beneš-Dekrete, hg. v. Slapnicka, H., 1999; Beneš, E., Benesovy dekrety, 2002; Mandler, E., Benesovy dekrety, 2002; Die Deutschen und Magyaren in den Dekreten des Präsidenten der Republik. Studien und Dokumente 1940-1945, hg. v. Jech, K., 2003; Perzi, N., Die Beneš-Dekrete, 2003; Bühler, K./Schusterschitz, G./Wimmer, M., The Beneš-Decrees, Austrian Review of International and European Law 9 (2004), 1

Benin

Lit.: Harding, L., Das Königreich Benin, 2010 (Nigeria um 1200, 1898 von Großbritannien erobert)

Bentham, Jeremy (London 15. 2. 1748-6. 6. 1832), Anwaltssohn, wird nach dem Studium in Oxford und der Ausbildung in Lincoln’s Inn (1763) für kurze Zeit Anwalt. 1789 veröffentlicht er als Privatgelehrter (engl.) The Introduction of the Principles of Morals and Legislation (Einführung in die Grundsätze von Moral und Gesetzgebung), welcher der Gedanke zugrunde liegt, dass eine Handlung dann richtig und ein Gesetz dann gerecht ist, wenn es das größte Glück der größten Zahl von Menschen fördere (→Utilitarismus). Dazu strebt er eine Kodifikation an. 1817 tritt er in (engl.) A Catechism on Parliamentary Reform (Bekenntnis zur Reform des Parlaments) für jährliche Wahlen, einheitliche Wahlbezirke, Ausdehnung des Wahlrechts und Geheimheit der Wahl ein. Er beeinflusst John →Austins analytische Rechtswissenschaft. Die histo­rische Rechtsschule nimmt ihn nicht zur Kenntnis, doch gibt es einzelne Auswir­kungen seiner Vorstellungen im Prozess, Gefängniswesen und bei den Zinsen.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Bent-hamJeremyMoralsandLegislation1789.pdf Köbler, DRG 139, 179; Bentham, J., A Comment on the Commentaries, hg. v. Everett, C., 1928; Vanderlinden, J., Code et codification dans la pensée de J. Bentham, TRG 32 (1974); Campos Boralevi, L., Bentham and the oppressed, 1984; Postema, G., Bentham and the Common Law Tradition, 1986; Luik, S., Die Rezeption Jeremy Benthams, 2003; Kramer-McInnis, G., Der „Gesetzgeber der Welt“, 2008

Bentheim

Lit.: Köbler, G., Historisches Lexikon der deutschen Länder, 7. A. 2007; Finkemeyer, E., Verfassung und Verwaltung der Grafschaft Bentheim zur Zeit der hannoverschen Pfandschaft 1753-1804, 1967; Veddeler, P., Die territoriale Entwicklung der Grafschaft Bentheim bis zum Ende des Mittelalters, 1970; Marra, S., Allianzen des Adels, 2006

Benutzungszwang ist der öffentlichrechtliche Zwang zur Benutzung einer öffentlich­rechtlichen Einrichtung, wie er im 19. Jh. durch die →Leistungsverwaltung durchge­setzt wird (z. B. Preußen 1868 bezüglich der öffentlichen Schlachthäuser).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Deutsche Verwal­tungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983f.

Beratungshilfe ist die in Deutschland zusammen mit der Prozesskostenhilfe das →Armenrecht 1980 ablösende Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens durch Rechtsanwälte.

Lit.: Köbler, DRG 263; Engels, C., Beratungs­hilfegesetz/Prozesskostenhilfe, 1990

Berber ist der Angehörige eines eine Berbersprache sprechenden Volkes in Nordafrika (z. B. Tuareg, Kabyle, Wort vielleicht von gr. barbaros?)

Lit.: Brandes, J., Geschichte der Berber, 2004

Bereicherung (Wort 1785, Bereicherungs­anspruch 1893) ist die Ver­mehrung eines Ver­mögens. Sie ist dann herauszugeben, wenn sie nicht rechtlich begründet ist. In diesem Sinn kann bereits im klassischen römischen Recht eine nichtgeschuldete Leistung (lat. indebitum [N.] solutum) wohl wegen der Ähnlichkeit mit einem Darlehen mit der besonderen Begehrensform der →Kondiktion (lat. [F.] condictio) zurück­verlangt werden. Über die Nichtschuld hinaus gilt diese Folge auch für Fälle nicht eingetretener Erwartung oder sittenwidrigen Leistungszweckes. Herauszu­geben ist grundsätzlich der erlangte bestimmte Gegenstand. In nachklassischer Zeit wird im Osten die Herausgabe aus grundloser Vorenthaltung mit der allgemein phi­losophisch-christlichen Überlegung ge­recht­­­fertigt, dass niemand aus dem Nachteil eines anderen reicher (lat. locupletior) werden dürfe. Im Mittelalter versuchen die Glos­satoren erstmals, die Kondiktion mit dem Grundsatz der Beschränkung der Heraus­gabepflicht auf die noch vorhandene B. zu verbinden. Dem folgt →Duaren (1509-1559). Von Hugo →Grotius wird der allgemeine Grundsatz aufgestellt, dass jemand, der aus der Sache eines anderen, der sie nicht mehr hat, reicher geworden ist, herauszugeben hat, worum er reicher geworden ist. Er wird aber nicht in die vernunftrechtlichen Kodifi­kationen aufge­nommen. Im 19. Jh. setzt sich wohl auf Grund der von Glück übernommen­en Vorstellung die Ansicht durch, dass nur die noch vorhandene B. herauszugeben ist. Otto von Gierke bewirkt, dass im deutschen Bürger­lich­en Gesetzbuch (1900) die Grundlosig­keit des Habens als Leitgedanke der Ansprüche auf Herausgabe der B. vorangestellt wird.

Lit.: Kaser § 48; Söllner § 9; Köbler, DRG 166, 215, 271; Coing, H., Zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung bei Accursius, ZRG RA 80 (1963), 396; Schmitt, R., Die Subsidiarität der Bereicherungs­ansprüche, 1969; Feenstra, R., Die ungerechtfertigte Bereicherung in dogmenge­schichtlicher Sicht, (in) Ankara Universitesi Hukuk Fakültesi Dergise 29 (1972), 289; Misera, K., Der Bereicherungsgedanke bei der Schenkung unter Ehegatten, 1974; Schubert, W., Windscheid und das Bereicherungsrecht des ersten Entwurfs des BGB, ZRG RA 92 (1995), 186; Bauer, K., Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen Recht, 1988; Schartl, R., Ungerechtfertigte Bereicherung nach deutschen Rechtsquellen des Mittelalters, TRG 60 (1992), 109; Jakobs, H., Lucrum ex negotiatione, 1993; Unjust Enrichment, ed. by Schrage, E., 1995; Hallebeek, J., The Concept of unjust enrichment, 1995; Schäfer, F., Das Bereicherungsrecht in Europa, 2001; Wernecke, F., Abwehr und Ausgleich aufgedrängter Bereicherungen, 2004; Grundstrukturen eines europäischen Bereicherungsrechts, hg. v. Zimmermann, R., 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Berg an der Dhün am Niederrhein ist im 11. Jh. der Sitz eines Geschlechts von Grafen, deren Land 1614/1666 an Pfalz-Neuburg und 1777 mit der Pfalz an Bayern gelangt. 1805/1806 formt Napoleon hieraus und aus anderen Gebieten das Großherzogtum Berg mit Verfassung und Verwaltung nach fran­zösischem Vorbild. 1813/1814 werden die französischen Einrichtungen aufgehoben. 1815 fällt B. an Preußen, über das sein Gebiet (1946) zu →Nordrhein-Westfalen kommt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Land im Mittelpunkt der Mächte, 3. A. 1985; Kraus, T., Die Entstehung der Landesherrschaft der Grafen von Berg, 1981; Francksen, M., Staatsrat und Gesetzgebung im Großherzogtum Berg 1806-1813, 1982; Lohausen, H., Die obersten Zivilgerichte, 1995; Schmidt, C., Das Großherzogtum Berg, 1999; Hecker, M., Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Modell und Wirklichkeit, hg. v. Dethlefs, G. u. a., 2008; Severin-Barboutie, B., Französische Herrschaftspolitik und Modernisierung, 2008; Hentsch, C., Die Bergischen Stahlgesetze, 2011

Berg, Günther Heinrich von (Schwaigern bei Heilbronn 27. 11. 1765-9. 9. 1843), Amt­mannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen 1793 außerordentlicher Professor in Göttingen und danach Hofrat (1800), Regie­rungspräsident, Bundestagsgesandter, Ober­ap­pellations­gerichtspräsident und Staatsminis­ter. Sein bekanntestes Werk ist ein sieben­bändiges Handbuch des →Polizeirechts (1799ff.).

Lit.: Köbler, DRG 152

Bergbau Bergrecht

Lit: Bader, K., Zur Geschichte des Eisenerzabbaues und des Hüttenwerks zu Blumberg, 1938; Schmidtill, E., Zur Geschichte des Eisenerzbergbaues im südlichen Fichtelgebirge, 1963; Valentinitsch, H., Das landesfürstliche Quecksilberbergwerk Idria 1575-1659, 1981; Europäisches Montanwesen im Hochmittelalter. Das Trienter Bergrecht 1185-1214, hg. v. Hägermann, D. u. a., 1986; Paul, R., Vorstudien für ein Wörterbuch zur Bergmannssprache in den sieben niederungarischen Bergstädten, 1987; Wiesemann, J., Steinkohlenbergbau in den Territorien um Aachen 1334-1794, 1995; Krenz, H., Lütticher Steinkohlen-Bergbau im Mittelalter, 2000

Bergelohn ist die bei der Bergung eines in Seenot und zugleich aus der Verfügungs­gewalt der Schiffsbesatzung geratenen Schiffes geschuldete Vergütung. Ursprünglich herrscht hier der Grundsatz des Strandraubs, dem der Grundsatz des Strandregals des Landesherrn folgt. Seit dem frühen Mittelalter (Rhodos 600-800 n. Chr., Hamburg 1270, Ordonnance de la Marine 1681) wird dem Berger ein Anteil zugesprochen. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s wird für den Berger wie den Hilfeleistenden ein gemäß den Umständen nach billigem Ermessen zu bestimmender B. für richtig gehalten (Strandungsordnung 1874, §§ 740ff. HGB, Brüsseler Übereinkommen 1910).

Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Han­delsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957

Bergen („Bergweide“) am Byfjord wird 1070 gegründet. Es ist seit dem 12. Jh. →Norwegens Krönungsstadt. Um 1343 eröffnet dort die →Hanse eine Niederlassung.

Lit.: Bruns, F., Die Lübecker Bergenfahrer, 1900; Bergen, hg., v. Friedland, K., 1971; Archiv der Bergenfahrerkompagnie zu Lübeck, bearb. v. Asmussen, G. u. a., 2002; Ullrich, S., Untersuchungen zum Einfluss des lübischen Rechts, 2008

Berggericht

Lit.: Huffmann, F., Über die sächsische Berggerichts­bar­keit, 1935

Bergrecht ist das Berge betreffende Recht, insbesondere das Recht des Bergbaus und damit der Gewinnung von Bodenschätzen zunächst vor allem aus Bergen. Der dem antiken folgende, mittelalterliche Bergbau beginnt um Goslar (Silber) im 9. Jh., an der Südseite des Erzgebirges um 1140 und im Mansfelder Gebiet (Kupfer) um 1190. Ausgangspunkt ist die Bergbaufreiheit des Grundeigentümers. Wohl bereits im Früh­mittelalter beansprucht aber der König die Herrschaft über den Bergbau, durch welche die Stellung des Grundeigentümers be­schränkt wird. 1158 verkündet Friedrich I. Barbarossa zunächst für Italien in Roncaglia ([lat.] Constitutio [F.] de regalibus, Gesetz über die königlichen Rechte) das Silberregal und das Salzregal des Königs ([lat.] argentariae … et salinarum reditus, Abgaben aus Silber­werken? und Salinen). Wenig später wird das B. erstmals ausführlicher festgehalten (Trient 1185/1208, Iglau 1249, Goslar 1271, Freiberg 14. Jh., Schladming 1408). In der Folge darf auch gegen den Willen des Grundeigentümers an jedem geeigneten Ort Bergbau betrieben werden (Bergfreiheit, Bergbaufreiheit, Goldberg 1342), wobei der Finder Anspruch (Finderrecht) auf Verleihung der Schürfrechte hat (Kulmer Handfeste 1233). 1356 geht das Bergregal des Königs urkundlich auf die Kurfürsten und danach bis 1648 auf andere Reichsfürsten über. Die Landesherren erlassen Berg­ordnung­en (Kuttenberg 1300-1305 als Vorläuferin, Schneeberg 1492, Annaberg 1509, Joachimsthal 1518, Jülich-Berg 1542, Henneberg 1566). Die Berg­bauunternehmer arbeiten als bergrechtliche Gewerkschaft (Genossenschaft) mit Kuxen als Anteilen. Arbeitgeber ist zunächst der einzelne Gewerke für seine allmählich in verschieden­en Hinsichten geschützten Arbei­ter (Knappe). In der Mitte des 18. Jh.s wandelt sich der Bergbau zur Industrie. Der Staat greift durch Gesetze ein (Loi relative aux mines 28. 7. 1791, Code des mines 1810, Österreich 1854, Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten 24. 6. 1865, Sachsen 16. 6. 1868), wobei an die Stelle des fürstlichen Bergregals die staatliche Bergho­heit tritt. Das Bundesberggesetz der Bundes­republik Deutschland hebt die Ge­werk­schaften alten Rechtes und die Gewerkschaften neuen Rechtes auf und verlangt eine Um­wandlung zum 1. 1. 1986.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Allge-meinesBerggesetzfuerdiepreussischenStaaten1865.pdf Köbler, DRG 90, 97, 113, 167, 205, 218; Agricola, G. v., De re metallica libri XII, 1556; Die Henneberger Bergordnung von 1566, hg. v. Lingelbach, G., 2002; Achenbach, H., Das gemeine deutsche Bergrecht, 1871; Ermisch, H., Das sächsische Bergrecht des Mittelalters, 1887; Abignente, G., La proprietà del sottosuolo, 1888; Zycha, A., Das Recht des ältesten deutschen Bergbaues, 1899; Zycha, A., Das böhmische Bergrecht des Mittelalters, 1900; Arndt, A., Noch einmal der Sachsenspiegel und das Bergregal, ZRG GA 23 (1902), 112; Arndt, A., Einige Bemerkungen zur Geschichte des Bergregals, ZRG GA 24 (1903), 59; Zycha, A., Über den Ursprung der deutschen Bergbaufreiheit, ZRG GA 24 (1903), 338; Arndt, A., Zur Frage des Bergregals, ZRG GA 24 (1903), 465; Arndt, A., Zur Geschichte und Theorie des Bergregals und der Bergbaufreiheit, 2. A. 1916; Möllenberg, W., Das Mansfelder Bergrecht und seine Geschichte, 1914; Müller-Erzbach, Das Bergrecht, 1917; Stolz, O., Die Anfänge des Bergbaues und Bergrechtes in Tirol, ZRG GA 48 (1928), 207; Schönbauer, E., Beiträge zur Geschichte des Bergbaurechts, 1929; Weizsäcker, W., Das alte Zinnbergrecht von Graupen im Erzgebirge, ZRG GA 50 (1930), 233; Weizsäcker, W., Sächsisches Bergrecht in Böhmen, 1929; Sehm, J., Der Silberbergbau zu Annaberg, (1934); Silberschmidt, W., Zur Geschichte der Bergfreiheiten, Zeitschrift für Bergrecht 75 (1935), 260; Silberschmidt, W., Das schwedische Bergrecht, Zeitschrift für Bergrecht 75 (1935), 442, Krzyżanowski, J., Die Bergbaufreiheit in Polen, 1935 (polnisch); Sehm, J., Die Schreckenberger Berg­ordnung 1499/1500, 1936; Büchsel, H., Rechts- und Sozialgeschichte des oberschlesischen Berg- und Hüttenwesens 1750 bis 1806, 1941, Thieme, H., Die Funktion der Regalien im Mittelalter, ZRG GA 62 (1942), 57; Löscher, H., Die erste Annaberger Bergordnung vom 11. Februar 1493, ZRG GA 68 (1951), 435; Isay, R., Vereinheitlichung des deutschen Bergrechts, 1952; Schneider, H., Zur Geschichte des Bergrechts und der Bergverfassung im Siegerland, Diss. jur. Bonn 1954; Schmelzeisen, G., Die Arbeitsordnung in den jüngeren Berggesetzen, ZRG GA 72 (1955), 111; Schneider, H., Das ältere Siegerländer Bergrecht, 1956; Clauss, H./Kube, S., Freier Berg und vermessenes Erbe, 1957; Schrader, E., Zum Bergrecht und zum Schatzrecht im Sachsenspiegel I, 35, ZRG GA 74 (1957), 178; Löscher, H., Vom Bergregal im sächsischen Erzgebirge, Freiberger Forschungshefte D 22, 1957; Willecke, R., Grundriss des Bergrechts, 1958; Ebel, W., Über das landesherrliche Bergregal, Zs. f. Bergrecht 109 (1968), 146; Löscher, H., Zur Frühgeschichte des Freiberger Bergrechts, ZRG GA 76 (1959), 343; Willecke, R./Turner, G., Grundriss des Bergrechts, 2. A. 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1767; Strätz, H., Bergmännisches Abbaurecht, FS N. Grass, 1974, 533; Willecke, R., Die deutsche Berggesetzgebung, 1977; Boldt, G./Weller, H., Kommentar zum Bundesberggesetz, 1984; Europäisches Montanwesen im Hochmittelalter. Das Trienter Bergrecht 1185-1214, hg. v. Hägermann, D. u. a., 1986; Tubbesing, G., Vögte, Froner, Silberberge, 1996; Steuer, H./Zettler, A., Der mittelalterliche Bergbau und seine Bedeutung für Freiburg, 1996; Ecker, F., Die Entwicklung des Bergrechts im Saarbrücker Steinkohlenrevier, 1997; Soestwöhner, M., Bergschadensrecht im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Bochum 1997; Kranz, H., Lütticher Steinkohlen-Bergbau im Mittelalter, 2000; Pfeifer, G., Ius regale montanorum, 2002; Thür, G., Gedanken zu Bergregal und Bergbaufreiheit in der griechisch-römischen Antike, (in) Festschrift für Gernot Kocher, 2002, 317ff.; Löscher, H., Das erzgebirgische Bergrecht des 15. und 16. Jahrhunderts, Bd. 1f. 2003ff.; Stadt und Bergbau, hg. v. Kaufhold, K. u. a., 2004

Bergregal →Bergrecht

Berlich(ius), Matthias (Schkölen bei Weißen­feld 9. 10. 1586-Leipzig 8. 8. 1638), Bürgermeisterssohn, wird nach dem Studium des Rechtes in Jena und Marburg (Promotion 1610) 1611 in Leipzig Anwalt. In seinen (lat.) Conclusiones (F.Pl.) practicabiles (Praktische Schlüsse) (1615ff.) stellt er das gemeine Recht nach der Ordnung der kursächsischen Konstitutionen von 1572 dar. Auf seinem im Strafrecht eine genauere Beschreibung der Straftatbestände anstrebenden Werk baut Benedikt Carpzov auf.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Berlich­MatthiasConclusionumpracticabilium...liber4A1644Bd1.pdf; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 640, 736

Berlin erwächst aus zwei älteren (um 1200 geplanten?), beiderseits eines Übergangs über die untere Spree liegenden Siedlungen (Cölln [dendrologische Daten um oder nach 1171, Ersterwähnung 1237], Berlin [Sumpfort], slawische Besiedlung Berlins bis ins 10. Jh. nachweisbar?, Ersterwähnung 1244), die um 1235 (Berlin um 1230?, 1253 an Frankfurt an der Oder übertragen) Stadtrecht erhalten und 1307 organisatorisch (zu einer Union) vereinigt werden. Am Ende des 14. Jh.s (1397) entsteht das Berliner Stadtbuch (Berlin, Stadtarchiv, ohne Signatur), dessen Schöffenrecht hauptsächlich auf dem →Sachsenspiegel aufbaut und durch die Glosse Johanns von Buch, durch den Richtsteig Landrechts und durch das Sächsische Weichbildrecht beeinflusst ist, aber auch brandenburgische Gewohnheiten und gelegentlich gelehrtes Recht erkennen lässt. Unter den 1442/1448 den Widerstand der Stadt B. brechenden Hohenzollern (1415) wird B. 1470 Residenz der Markgrafen von Brandenburg, die hier 1516 das →Kam­mergericht einrichten und sich seit 1701 Könige in Preußen nennen. 1709 wird aus B., Cölln, Friedrichswerder, Dorotheen­stadt, Fried­richstadt und einigen Vorstädten die einheitliche Königsstadt B. mit einem Magistrat gebildet. 1810 erhält B. eine Universität. 1871 wird B. Hauptstadt des Deutschen Reiches. 1878 findet dort ein internationaler Kongress über die Staatsver­hältnisse auf dem Balkan statt. 1912 wird der Zweck­verband Groß-Berlin geschaffen. Am 27. 4. 1920 wird aus 8 Städten, 59 Land­gemeinden und 27 Gutsbezirken die zwei­stufig ge­gliederte, in 20 Bezirke geteilte Einheits­gemeinde B. gebildet. 1945 wird B. in vier Sektoren der Besatzungsmächte aufgeteilt, 1948 in Westberlin und Ostberlin gespalten, von 1961 bis 1989 durch eine Mauer mit Schießbefehl getrennt, 1990 aber wieder vereinigt und 1991 (mit rund 890 Quadratkilometern Fläche und etwa 3,5 Millionen Einwohnern) statt Bonn zur Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland bestimmt. Der Versuch der Vereinigung mit Brandenburg scheitert bei einer Volksabstimmung am 5. 5. 1996.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 181, 245; Berlinisches Stadtbuch, hg. v. Clauswitz, P., 1883; Das Stadtbuch des alten Köln an der Spree, hg.v. Clauswitz, P., 1921; Gebhardt, P. v., Das älteste Berliner Bürgerbuch 1453-1700, 1927; Seeboth, J., Das Privatrecht des Berliner Stadtbuches, 1928; Die Bürgerbücher von Cölln an der Spree, hg. v. Gebhardt, P. v., 1930; Latendorf, O., Die Entwicklung der städtischen Kassenorganisation Berlins, 1931; Berliner Häuserbuch, bearb. v. Lüdicke, R., Bd. 1 1933; Steffen, K., Das Berliner Stadtverfassungsrecht, 1936; Asen, J., Gesamtverzeichnis des Lehrkörpers der Universität Berlin, Bd. 1 (1810-1945), 1955; Berlin-Bibliographie, Bd. 1ff. 1965ff.; Schiedermair, H., Der völkerrechtliche Status Berlins, 1975; Scholz, F., Berlin und seine Justiz, 1982; Festschrift zum 125jährigen Bestehen der juristischen Gesellschaft zu Berlin, hg. v. Wilke, D., 1984; Geschichte Berlins, hg. v. Ribbe, W., Bd. 1f. 1987, 3. A. 2002; Rechtsentwicklungen in Berlin, hg. v. Ebel, F. u. a., 1988; Geschichte der Berliner Verwaltungsbezirke, hg. v. Ribbe, W., Bd. 1ff. 1988ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 61; Schultz, H., Berlin 1650-1800, 2. A. 1992; Fijal, A., Die Geschichte der juristischen Gesellschaft zu Berlin in den Jahren 1859 bis 1933, 1991; Schubert, W., Die Vorträge von Reinhold Johow in der Berliner Mittwochs-Gesellschaft (1881-1897), ZRG GA 110 (1993), 458; Schröder, R./Bär, F., Zur Geschichte der juridischen Fakultät, Kritische Justiz 1996, 447; Spree-Insel, hg. v. Haspel, J. u. a., 1998; Raiser, T., Schicksalsjahre einer Universität, 1998; Lösch, A. Gräfin v., Der nackte Geist, 1999; Berlin. Die Hauptstadt, hg. v. Süß, W., 2000; Fritze, W./Schich, W., Gründungsstadt Berlin, 2000; Städtebuch Brandenburg und Berlin, hg. v. Engel, E. u. a., 2000; Ribbe, W., Die historische Kommission zu Berlin, 2000; Berlin, hg. v. Schoeps, J., 2001; Ziolkowski, T., Berlin, 2002; Large, D., Berlin, 2002; Engler, H., Die Finanzierung der Reichshauptstadt, 2004; Die Berliner Universität in der NS-Zeit, hg. v. Bruch, R. vom u. a., 2005; Thies, R., Ethnograph des dunklen Berlin, 2006; Regesten der Urkunden zur Geschichte von Berlin/Cölln im Mittelalter (1237 bis 1499)., bearb. v. Huch, G. u. a., 2008; Winter, A., Das Gelehrten­schul­wesen der Residenzstadt Berlin, 2008; Geschichte der Universität Unter den Linden 1810-2010, hg. v. Bruch, R. vom u. a., Bd. 1ff. 2010; Die Matrikel der Universität Berlin (1810-1850), hg. v. Bahl, P. u. a., 2010; Die Berliner Universität im Kontext, hg. v. Bruch, R. vom, 2010; Die Vorlesungen der Berliner Universität 1810-1834, hg. v. Virmond, W., 2010; Festschrift 200 Jahre juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, hg. v. Grundmann, S., 2010; Kleibert, K., Die juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin im Umbruch, 2010; Pawliczek, A., Akademischer Alltag zwischen Ausgrenzung und Erfolg, 2011; Die Berliner juristische Fakultät und ihre Wissenschaftsgeschichte von 1810 bis 2010, hg. v. Schröder, R. u. a. 2011; Markovits, I., Juristen - böse Sozialisten?, ZRG GA 129 (2012), 267; Berlin 1933-1945, hg. v. Wildt, M. u. a., 2012; Haase, S., Die Berliner Universität und die nationale Bewegung 1800-1848, 2012; Geraubte Mitte - Die „Arisierung“ des jüdischen Grund­eigentums, hg. v. Nentwig, F., 2013; Kraushaar, F., Aufbruch zu neuen Ufern - Die privatrechtlichen und rechtshistorischen Dissertationen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, 2014

Bern wird wohl unter Bezugnahme auf Verona 1191 vom Herzog von Zähringen auf ursprünglichem Königsgut gegründet. 1218 gelangt es an das Reich zurück (Berner Handfeste Kaiser Friedrichs II., in ihrer Echtheit umstritten) und wird 1274 Reichsstadt. Danach erwirbt B. umfangreiche Güter, verbindet sich 1353 mit der →Eidgenossenschaft der Schweiz und entwickelt sich (1458 4500 Einwohner) zum größten Stadtstaat nördlich der Alpen, der mit 130000 qkm rund ein Drittel der heutigen Schweiz umfasst (etwa 100000 Untertanen). Seit 1848 ist B. Hauptstadt der Schweiz. Am 9. 9. 1886 wird in B. die völkerrechtliche Berner Übereinkunft des Urheberrechts geschlossen, die alle Verbandsstaaten (nicht z. B. Vereinigte Staaten von Amerika) zur Gleichbehandlung der Urheber aus Mitgliedstaaten mit Inländern verpflichtet.

Lit.: Mutach, A. v., Revolutionsgeschichte der Republik Bern 1789-1815, hg. v. Wirz, H., 1934; Die Rechtsquellen des Kantons Bern (Teil 1 Stadtrechte, Teil 2 Rechte der Landschaft), hg. v. Welti, E. u. a. 1902ff.; Welti, F. u. a., Das Stadrecht von Bern, Bd. 1ff. 1902ff., Bd. 1f. 2. A. bearb. v. Rennefahrt, H., 1971; Stürler, R. v., Die vier Berner Landgerichte Seftigen, Sternenberg, Konolfingen und Zollikofen, Diss. jur. Bern 1920; Die historische Entwicklung der Leinwandweberei im Kanton Bern, Diss. staatswiss. Bern 1920; Audétat, E., Verkehrsstraßen und Handelsbeziehungen Berns (Diss. phil. Bern), 1921; Rennefahrt, H., Freiheiten für Bern aus der Zeit Friedrichs II., Zeitschrift für schweizerisches Recht N. F. 46 (1927); Rennefahrt, H., Grundzüge der bernischen Rechtsgeschichte, Bd. 1-4 1928ff.; Däppen, O., Verfassungsgeschichte der Berner Landstädte, Archiv des historischen Vereins des Kantons Bern 30 (1929), 1; Strahm, H., Studien zur Gründungs­geschichte der Stadt Bern, 1935; Die Rechtsquellen des Kantons Bern, Teil 2, Bd. 2 1937; Schmid, B., War Bern in staufischer Zeit Reichsstadt?, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 20 (1940), 161; Feller, R., Geschichte Berns, 1946; Roth, U., Samuel Ludwig Schnell und das Zivilgesetzbuch für den Kanton Bern von 1824-1830, 1948; Bader, K., Um Echtheit oder Fälschung der Berner Handfeste, ZRG GA 72 (1955), 194; Sechshundert Jahre Inselspital (1354-1954), verf. v. Rennefahrt, H. u. a., 1954; Dübi, A., Die Geschichte der bernischen Anwaltschaft, 1955; Rennefahrt, H., Nochmals um die Echtheit der Berner Handfeste, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 6 (1956), 145; Häusler, F., Das Emmental im Staate Bern bis 1798, Bd. 1f. 1958ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,444, 3,2,1925; Soliva, C., Zur Berner Stadtrechts­reformation von 1614, ZRG GA 92 (1975), 117; Bierbrauer, P., Freiheit und Gemeinde im Berner Oberland 1300-1700, 1991; Gmür, R., Der alte bernische Stadtstaat (1191-1798), ZRG GA 112 (1995), 366; Gerber, R., Gott ist Burger zu Bern, 2001; Berns mutige Zeit, hg. v. Schwinges, R. 2003 Repertorium der Policeyordnungen 7, hg. v. Schott-Volm, C., 2006; Studer Immenhauser, B., Verwaltung zwischen Innovation und Tradition, 2006; Rieder, K., Netzwerke des Konser­va­tivis­mus, 2008; 100 Jahre bernisches Obergericht in der vorderen Länggasse, hg. v. Obergericht Bern, 2009

Bernardus Dorna ist ein aus der Provence stammender, zeitweise in Bologna tätiger, 1222-1234 in Montpellier nachweisbarer Jurist ([lat.] Summula [F.] de libellis et eorum compositione).

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 302

Bernardus Papiensis (Pavia vor 1150-1213) wird nach dem Studium in Bologna Lehrer des geistlichen Rechtes und 1187 Propst, 1198 Bischof von Pavia. Seine in fünf Bücher geteilte systematische Dekretalensammlung (lat.) Breviarium (N.) extravagantium (Kurzfassung der zusätzlichen [Dekretalen]) (1188/1190) wird (als [lat.] compilatio [F.] prima, erste Sammlung) zum Vorbild aller späteren Gesetzessammlungen (Dekretalen­sammlungen) des kanonischen Rechtes, das seit dem späten 12. Jh. als sich ständig erneuernde Rechtsordnung in ihrem jeweils neuesten Stand auf den Universitäten gelehrt wird.

Lit.: Landau, P., Die Entstehung der systematischen Dekretalensammlungen, ZRG KA 65 (1979), 120

Berner, Albert Friedrich (Straßburg/­Uckermark 30. 11. 1818-Berlin 13. 1. 1907), Justizratssohn, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Berlin (Savigny, Gans) 1848 außerordentlicher Professor und 1861 ordentlicher Professor in Berlin. Sein vom Vergeltungszweck geprägtes Lehrbuch des →Strafrechts erfährt 18 Auflagen.

Lit.: Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965

Bernstein

Lit.: Die Bernsteinstraße, hg. v. Quast, D. u. a. 2013

Berthold von Henneberg →Henneberg

Beruf ist die auf Dauer angelegte, die Arbeitskraft und Arbeitszeit überwiegend in Anspruch nehmende Betätigung, die im allgemeinen mit dem Ziel betrieben wird, daraus den Lebensunterhalt zu gewinnen, und die zugleich einen Beitrag zur gesell­schaftlichen Gesamtleistung erbringt (bloße gelegentliche Betrauung eines ausnahmsweise als ao. Prof. titulierten Privatgelehrten mit einer gutachter­lichen Tätigkeit ist kein B.). Der B. entwickelt sich mit der Entstehung besonderer Tätigkeitsfelder. Bedeutsam ist er bereits in der mittelalterlichen Stadt. Verfassungs­rechtlich geschützt wird der B. im späteren 20. Jh.

Lit.: Lange, H., Das Verbot der Berufsausübung im Mittelalter, 1940; Richarz, M., Der Eintritt der Juden in die akademischen Berufe, 1974; Henning, H., Die deutsche Beamtenschaft, 1984; Knörr, M., Die Berufszulassung zum Handwerk, Diss. jur. Erlangen 1996; Eisenbach, U., Duale Berufsausbildung in Hessen, 2010; Professionen, Eigentum und Staat, hg. v. Müller, D. u. a., 2014

Berufsfreiheit ist die Freiheit der Berufswahl und Berufsausübung, die erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s grundrechtliche Bedeutung erlangt.

Lit.: Hege, H., Das Grundrecht der Berufsfreiheit, 1977

Berufsrichter ist der Richter, der seine Tätigkeit als Beruf ausübt. Er tritt als gelehrter Offizial des Bischofs vereinzelt seit dem späten 12. Jh. (Reims, Mainz), allge­meiner seit 1246 als ständiger, ordentlicher und selbst entscheidender Einzelrichter der kirchlichen Gerichtsbarkeit auf. Bis zum 19. Jh. setzt er sich unter Verdrängung des ungelehrten, ehrenamtlich tätigen Schöffen auch im weltlichen Gericht durch, ehe ihm dann durch den Liberalismus nach englischem (bzw. französischem) Vorbild erneut ehren­amtliche Laienrichter zur Seite gestellt werden.

Lit.: Köbler, DRG 154, 234; Nörr, K., Zur Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Müller-Volbehr, J., Die geistlichen Gerichte in den braunschweig-wolfenbüttelschen Landen, 1972; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess in der Praxis geistlicher Gerichte, 1974; Horn, N., Bologneser doctores und iudices im 12. Jahrhundert, ZHF 3 (1976), 221

Berufsschule ist die in Deutschland im 19. Jh. zur Verbesserung der beruflichen Ausbil­dung entwickelte öffentliche Schule.

Lit.: Fischbach, R., Von der Sonntags- und Fortbildungsschule zur Berufsschule, 2004

Berufsverbot (seit 1933) ist das Verbot, einen bestimmten Beruf auszuüben. Ihm geht die nach Einführung der Gewerbefreiheit im 19. Jh. geschaffene Möglichkeit voraus, ein aufgenommenes Gewerbe nachträglich zu untersagen (Preußen Gewerbeordnung 1845, Norddeutscher Bund 1869, Deutsches Reich 1872). Das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsver­brecher vom 24. 11. 1933 führt daneben als Maßregel der Sicherung und Besserung eine Untersagung einer Gewerbeausübung im Rah­men eines Strafverfahrens bei Begehung einer Straftat unter Missbrauch des Berufs ein (§ 42l StGB). Sie wird bald als B. bezeichnet. Seit etwa 1970 wird auch das ablehnende Ergebnis einer politischen Überprüfung von Bewerbern für die Einstellung in den öffentlichen Dienst B. genannt.

Lit.: Reinhard, E., Die Entwicklung der Untersagung gewerblicher Unterehmen seit 1869, Diss. jur. Heidel­berg 1940

Berufung ist das seit 1877/1879 grund­sätz­lich gegen Urteile des ersten Rechtzugs in Deutschland gegebene Rechtsmittel. Es kommt sachlich mit der Aufnahme des rö­misch-­kanonischen Prozessrechts im Spätmit­telalter als →Appellation an einen höheren Richter ins Reich und verdrängt dort die ältere Urteilsschelte, die seit dem Ende des 13. Jh.s aber schon in einem ziemlich allgemeinen Sinn B. genannt werden kann. Gleichzeitig wird B. allmählich das allgemeine deutsche Wort für die bis 1877/1879 als Rechtsmittel verwendete Appellation.

Lit.: Kaser § 65 IV; Köbler, DRG 116, 202, 235; Planck, W., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, 268; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht, 1976

Berytos (Beirut) ist der Sitz einer bereits vor 238 n. Chr. berühmten Rechtsschule. Hier wie später in Konstantinopel lehren besoldete Professoren (lat. [M.Pl.] antecessores) in einem festen Studienplan in fünf Jahreskursen. Im ersten Jahr beginnt man (als dupondius) mit den Institutionen des Gaius (Privatrecht, Prozessrecht). Es folgen vier Teile (lat. libri singulares) zivilrechtlicher Schriften ([vielleicht aus Ulpians Ad Sabinum libri] Mitgiftrecht, Vormundschaftsrecht, Tes­tamentsrecht, Vermächtnisrecht). Im zweiten und dritten Jahr (edictalis, Papinianista) wird der Stoff des Jurisdiktionsedikts der römi­schen Privatrechtsmagistrate (Stadtprätor, Pro­vinz­gouverneur bzw. Legat) behandelt. Im zweiten Jahr studiert man wahrscheinlich nach Ulpians Ad edictum praetoris libri aus dem Edikt (Buch 1-14) das Gerichtsverfas­sungsrecht und Anfänge des Zivilprozess­rechts (Allgemeines, Zuständigkeiten, Einlei­tung des Verfahrens, Wiedereinsetzung, Haf­tung für Garantiezu­sagen, Sicherheits­leistung, danach in der zweiten Jahreshälfte (Buch 15-25) Prozesseid, parteiliche Richter, wichtige dingliche Ansprüche, einige delik­tische An­sprüche), im dritten Jahr (Ediktsstoff Buch 26-32) Kreditverträge, Leihe, Verpfändung, Gehilfenge­schäftehaftung, Verwahrung, Treu­hand, Auftrag, Gesellschaft, Kauf, Miete, Pacht, Dienstvertrag, Werkvertrag), in der zwei­ten Hälfte des dritten Jahrs die (ersten 8 der 19) Responsen (Rechtsbescheide) Papi­nians. Im vierten Jahr (lytes) und fünften Jahr (prolytes) beschäftigt man sich im Selbst­studium mit den Responsen des Paulus und den Konstitutionen der Kaiser (ein­schließlich des Strafrechts und des sonstigen öffentlichen Rechtes), wobei bewusst die klassischen Traditionen aufgegriffen werden. Erzeugnisse der Arbeit der Lehrer sind nur vereinzelt überliefert. Justinian setzt 533 n. Chr. in erster Linie an die Stelle der bisherigen Studientexte seine Institutiones und Digesten sowie seinen Codex (im ersten Jahr Institutionen, Digesten 1-4 mit Rechtsphilosophie, Rechtsgeschichte, Rechts­quellen, Grundbegriffe, Staatsrecht, Ver­wal­tungsrecht, Zivilprozessrecht, im zwei­ten Jahr Digesten 5-11 oder 12-19, Mitgift D. 23-29, Vormundschaft D. 26-27, Testament D. 28-29, Vermächtnis D. 30-36, im dritten Jahr vertragliches Schuldrecht D. 12-19 oder Gerichtsverfassung, Einleitung eines Zivil­prozesses, Sachenrecht aus Buch 5-11 der Digesten, dann Hypotheken D. 20, Sach- und Rechtsmängel bei Marktkauf D. 21, Ver­zinsung, Seedarlehen, Beweis und Irrtum D. 22, im vierten Jahr Mitgift, Vor­mundschaft, Testament, Vermächtnis aus D. 24, 25, 27, 29 und 31-36 und im fünften Jahr den Codex einschließlich von Wirtschaft, Verwaltung und Kirche).

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53; Wieacker, F., Antecessores, FS H. Niederländer, 1991, 215

Besançon (mhd. Bisanz) am Doubs nördlich des Jura wird 1691 Sitz einer Universität (bis 1793).

Besatzung ist die zeitweise Übernahme der Herrschaftsgewalt in einem fremden Gebiet durch einen an sich nicht zuständigen Staat beispielsweise als Ergebnis eines Krieges (z. B. nach 1945 insgesamt 15 Millionen Sol­daten und Angehörige der Vereinigten Staaten von Amerika im Gebiet der späteren Bundesrepublik Deutschland).

Lit.: Marx, T., Zwischen Schwert und Schild, 2004; Die besetzte res publica, hg. v. Meumann, M. u. a., 2006; Löhnig, M., Zwischenzeit, 2011

Besatzungsstatut ist die 1949 von den drei westlichen Besatzungsmächten Deutschlands einseitig erlassene Grundregelung des Ver­hältnisses ihrer Hoheitsgewalt zu jener der Bundesrepublik Deutschland, die dieser grundsätzlich die volle gesetzgebende, voll­ziehende und rechtsprechende Gewalt über­trägt. 1951 überarbeitet, wird es am 5. 5. 1955 mit Inkrafttreten der Pariser Verträge beseitigt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pollock, J., Besatzung und Staatsaufbau nach 1945, hg. v. Krüger-Bulcke, I., 1994; Waibel, D., Von der wohlwollenden Despotie zur Herrschaft des Rechts, 1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999

Besatzungsrecht →Besatzungszone

Lit.: Handbuch des Besatzungsrechts, hg. v. Schmoller, G. v. u. a., 1957; Das geltende Besatzungsrecht, hg. v. Schröder, D., 1990; Zwischen Kontinuität und Fremdbestimmung, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1996; Waibel, D., Von der wohlwollenden Despotie zur Herrschaft des Rechts, 1996; Die volle Macht eines souveränen Staates, hg. v. Haftendorn, H. u. a., 1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999; Walton-Jordan, U., Die britische Gerichtsbarkeit in Nordwestdeutschland 1945-1949, ZRG GA 117 (2000), 362; Rensmann, M., Besatzungsrecht im wiedervereinigten Deutschland, 2002; Zentz, F., Das amerikanische Strafverfahren als Element der Besatzungspolitik, 2005

Besatzungszone ist das Gebiet (Zone), das einer von mehreren Besatzungsmächten zugeteilt ist. 1945 werden das →Deutsche Reich (und das davon wieder verselbständigte →Österreich) in je eine B. der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs aufgeteilt (Potsdamer Abkommen vom 2. 8. 1945). Den Einwohnern werden von Frankreich täglich 900 Kalorien, von Großbritannien 1050, von der Sowjetunion 1080 und von den Vereinigten Staaten von Amerika 1330 Kalorien zugebilligt (in Berlin 900). Am 5. 5. 1955 erklären die westlichen Besatz­ungsmächte die Bundesrepublik Deutschland für souverän, am 25. 3. 1954/20. 9. 1955 die Sowjetunion die Deutsche Demokratische Republik. Das in den Besatzungszonen von den alliierten Stellen unmittelbar oder durch deutsche Stellen mittelbar gemeinsam oder einzeln in fünf unterscheidbaren Phasen (1941-8. 5. 1945, 5. 6. 1945-30. 3. 1948, 30. 3. 1948-1951, 1951-1955, 1955-1990ff., ab­schließende Regelung in Bezug auf Deutschland 12. 9. 1990) erlassene (deutsche) Recht (Besatzungsrecht zur Sicherung der Interessen der Besatzungs­mächte, zur Ent­militarisierung, Entnazifi­zierung und Bestra­fung von Kriegsverbre­chern sowie zum allmählichen Wiederaufbau) gilt auch über die Beendigung des Besatzungsregimes hinaus bis zu seiner Aufhebung oder Abänderung.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh; Köbler, DRG 244, 245; Blomeyer, A., Die Entwicklung des Zivilrechts, 1950; Overesch, M., Das besetzte Deutschland, 1986, Neudruck 1992; Das geltende Besatzungsrecht, hg. v. Schröder, 1990; Zwischen Kontinuität und Fremdbestimmung, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999; Lehmann, A., Der Marshall-Plan und das neue Deutschland, 2000; Mußgnug, D., Alliierte Militärmissionen in Deutschland 1946-1900, 2001; Kriegsende und Neubeginn, hg. v. Hoser, P. u. a., 2003; Behling, K., Spione in Uniform, 2004; Groß, J., Die deutsche Justiz unter französischer Besatzung 1945-1949, 2007; Zwischenzeit, hg. v. Löhnig, M., 2011

Beschlagnahme (Anfang 19. Jh.) ist die zwangsweise Sicherstellung von Gegen­ständen zur Sicherung öffentlicher oder privater Belange. Unterschiedliche Einzelfälle dieser Art sind bereits in älteren Zeiten bekannt (z. B. römische [lat.] missio [F.] in bona, Gütereinweisung). Im Rechtsstaat des 19. Jh.s wird die B. an gesetzlich geregelte Voraussetzungen gebunden.

Lit.: Kaser §§ 85, 86; Mothes, R., Die Beschlagnahme nach Wesen, Arten und Wirkungen, 1903; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Freyberg, R., Über die Beschlagnahme, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971

Beschreien der Wände ist die wahrnehmbare Lautgebung eines neugeborenen Menschen. Das B. ist vom Sachsenspiegel (1221-1224) bis zum preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) bezeugt. Nach vielen Rechtsquellen ist es ausreichende Voraussetzung der Rechts­fähigkeit.

Lit.: Brunner, H., Die Geburt eines lebenden Kindes, ZRG GA 16 (1896), 63; Kuyk, I. van, Het schreiend Kind, TRG 2 (1920/1921), 63ff.

Beschwerde (lat. [N.] gravamen) ist die Belastung, aus der sich ein verfahrensmäßiger Rechtsbehelf entwickelt (z. B. Italien 12. Jh.). Im Verhältnis zu Rechtsmitteln wie Appellation bezieht sich die B. in der jüngeren Vergangenheit auf Beschlüsse und Verfügungen. Eine neue Sonderform ist die →Verfassungsbeschwerde in Deutschland. →Nichtigkeitsbeschwerde

Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Kiefner, H., Zur Divergenzjudikatur des Reichsgerichts, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 585; Suppliche e <<gravamina>>, hg. v. Nubola, C., 2002

Beseitigung ist die Entfernung eines Umstands, insbesondere die Entfernung einer Störung. Auf sie kann ein Anspruch bestehen. Er ist von einem möglichen Schadens­ersatzanspruch unabhängig.

Lit.: Kawasumi, Y., Von der römischen actio negatoria zum negatorischen Beseitigungsanspruch, 2001

Beseler, Georg (Rödemis bei Husum 2. 11. 1809-Bad Harzburg 28. 8. 1888), Kammer­ratssohn, wird nach dem Studium in Kiel, München, Göttingen und Heidelberg mit der streng geschichtlich die Einrichtung von den Anfängen bis zur Gegenwart verfolgenden, auch Urkunden berücksichtigenden Lehre von den Erbverträgen in Heidelberg 1835 habi­litiert und nach Basel, Rostock (1837), Greifswald (1842) und Berlin (1859) berufen. Sein System des gemeinen deutschen Privatrechts (1847ff.) versucht ein dem gemeinen römischen Recht gegenüber gleichwertiges deutsches System (allen nicht rein römischen Rechtes) zu entwickeln, in dem die Genossenschaft besonders bedeutsam ist. Vor 1831 bzw. 1848ff. wirkt er auch politisch (rechtsliberal).

Lit.: Beseler, G., System des gemeinen deutschen Privatrechts, Bd. 1 1847, Bd. 2 1853, Bd. 3 1855, http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BeselerSystemdesgemeinendeutschenPrivatrechts1847Bd1.pdf, http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BeselerSystemdesgemeinendeutschenPrivatrechts1853Bd2.pdf, http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BeselerSystemdesgemeinendeutschenPrivatrechts1855Bd3.pdf, Beseler, G., Erlebtes und Erstrebtes, 1884; Gierke, O., Georg Beseler, ZRG GA 10 (1889), 1; Kern, B., Georg Beseler, 1982 (mit Schriftenverzeichnis, 77 Titel); Kern, B., Georg Beselers Mitgliedschaft in der Berliner Mittwochs-Gesellschaft, ZRG GA 113 (1996), 279

Besitz (10. Jh., Verb besitzen germanisch) ist die tatsächliche Gewalt einer Person über eine Sache. Das römische Recht bezeichnet dies als (lat. [F.]) possessio, die auf die tatsächliche Gewalt (lat. [M.] usus) und auf das Sitzen auf Land zurückgeht. Notwendig sind Gewalt über eine Sache ([lat.] corpus) und (nicht notwendig rechts­geschäftlicher) Wille zur Herrschaft ([lat.] animus). Nach dem allgemeinen Recht (lat. ius [N.] civile) muss die tatsächliche Gewalt auf einem Rechtsgrund beruhen, nach dem Amtsrecht (lat. ius [N.] praetorium) wird der Besitz (Interdiktenbesitz) durch bestimmte Klagen gegen Entziehung oder Störung geschützt (z. B. Eigenbesitzer [Besitzer mit <lat.> animus <M.> domini, Eigen­besitz­willen wie Eigentümer oder Ersitzungs­besitzer] und gewisse Fremdbesitzer [unter Anerkennung eines fremden Besitzrechts besitzende Besitzer] wie Erbpächter, Pre­karist, Pfandgläubiger oder Sequester). Nicht B. (im rechtlichen Sinne, sondern nur [lat.] possessio [F.] naturalis, natürlichen B.) hat der bloße Innehaber (z. B. Mieter). Vom B. streng geschieden ist das Eigentum. Justinian schränkt den B. auf den rechtlichen B. mit Eigentümerbesitzwillen ein, nähert diesen B. aber einem Recht an. Im deutschen Recht steht ursprünglich das schlichte Haben (ahd. haben, aigan) im Vordergrund. Später entwickelt sich die besondere Figur der →Gewere. Vielleicht aus dem kirchlichen Recht stammt die Anerkennung des Besitzes auch bestimmter Innehaber (z. B. Mieter, Pächter  u. s. w.). Mit der Aufnahme des römischen Rechtes verdrängt das Wort B. (Lehn­übertragung?) das Wort Gewere. Sachlich kommt es zu einer gegenseitigen, ziemlich verwirrenden Beein­flussung. In den natur­rechtlichen Kodifika­tionen ist B. grundsätz­lich der Eigenbesitz, doch gewährt das preußische Allgemeine Landrecht (1794) auch dem Mieter, Pächter oder Pfandgläubiger Besitzschutz (nicht dem Prekaristen). Savigny versteht (1803) den B. als Tatsache, stellt ihn dem Eigentum (Recht) gegenüber, ordnet ihn in das Deliktsrecht ein und verrätselt das Recht des Besitzes hinsichtlich der Folgen als das Recht eines Faktums. Das (tatsächliche Gewalt und in § 309 Eigenbesitzwillen verlangende, von einem sehr weiten Begriff der Sache ausgehende) Allge­mei­ne Bürgerliche Gesetz­buch Öster­reichs (1811/1812) kennt den Tabularbesitz des im Grundbuch Einge­tragenen. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist unter Bruch mit dem gemeinen Recht der un­mittelbare B. die tatsächliche Herrschaft über eine Sache (z. B. des Mieters oder Diebes), neben welcher der durch ein Rechtsverhältnis (Besitzkonstitut) vermittelte mittelbare B. (z. B. des Vermieters) steht. Die Innehabung ist grundsätzlich beseitigt, der Gegensatz zum Eigentum betont.

Lit.: Kaser § 19; Hübner 221; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 25, 39, 60, 140, 162, 211; Savigny, F., Das Recht des Besitzes, 1803, 7. A. 1875, Neudruck 1990; Bruns, K., Das Recht des Besitzes, 1848; Randa, A., Der Besitz nach österreichischem Recht, 1865, 4. A. 1895; Pflüger, H., Die sogenannten Besitzklagen des römischen Rechts, 1890, Neudruck 2013; Kaser, M., Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 1943, 2. A. 1956; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Benöhr, H., Der Besitzerwerb durch Gewaltabhängige, 1972; Wacke, A., Das Besitzkonstitut, 1974; Hofmeister, H., Die Grundsätze des Liegenschaftserwerbs, 1977; Diurni, G., Le situazioni possessorie nel Medioevo, età langobardo-franca, 1988; Schnatenberg, P., Die Entstehung der Regeln des BGB über den mittelbaren Besitz, Diss. jur. Köln 1994; Ernst, W., Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, 1992; Link, M., Possession, possessio und das Schicksal des common law, 2003; Moriya, K., Savignys Gedanke im Recht des Besitzes, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Choi, Y., Der Besitzerwerb des Erben, 2013

Besitzdiener ist der die tatsächliche Gewalt für einen anderen (d. h. einen Besitzer) in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen weisungsgeprägten Verhält­nis Ausübende (z. B. Chauffeur). Er ist nicht Besitzer. Er dient der Überbrückung der Verschiedenheit von tatsächlichen Gegeben­heiten und rechtlicher Bewertung.

Besitzeinweisung (Wort 1696) ist die Einweisung eines Menschen oder einer Person in den Besitz einer Sache.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Besitzer (1290) ist die Besitz habende Person.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Besitzerwerb ist der Erwerb des Besitzes (Wort Besitzergreifung 1784). Er erfordert im römischen Recht die Begründung der tasächlichen Gewalt über eine Sache und den Willen, diese für sich zu beherrschen. Er kann ursprünglich (originär) oder abgeleitet (derivativ) erfolgen.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Besitzkonstitut (Wort 1888, Besitzmitt­lungsverhältnis, § 868 BGB) ist das Verhältnis zwischen einem unmittelbaren Besitzer (nach dem Bürger­lichen Gesetzbuch z. B. Mieter) und einem mittelbaren Besitzer (z. B. Vermieter), in dem bzw. durch das der ursprüngliche Besitzer (z. B. Vermieter) seinen Eigenbesitz­willen be­züg­lich einer Sache durch Fremdbesitzwillen (für den Erwerber) ersetzt und der neue Besitzer (z. B. Mieter) Eigen­besitzwillen begründet.→Besitz

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Besitzrecht →Besitz

Besitzschutz (Wort 1891) ist der dem zunächst rein tatsächlichen Herrschafts­verhältnis (Besitz) zugeordnete Schutz der Rechtsordnung gegen unrechtmäßige Ent­ziehung oder Störung. Hierzu gewährt das römische Recht besondere →Interdikte gegen unerlaubte Eigenmacht (lat. vi [gewaltsam], clam [heimlich], precario [Zurückbehaltung bei bloßer Bittleihe]) zu Gunsten des verhältnismäßig rechtmäßigen Besitzers (Verbot der Gewaltanwendung und Gebot zur richterlich überwachten Rück­stellung zu Guns­ten von Eigenbesitzer, Erb­pächter, Pre­karist, Faustpfandgläubiger und Seques­ter). Das kanonische Recht des Mittelalters entwickelt dies zu einem vorläufigen Besitzschutz weiter. Hierauf baut auch das Reichskammer­gericht (1495-1806) auf, das aber bereits bei der vor­läufigen Entscheidung nach einem bestands­kräftigen Ergebnis strebt. Die historische Rechtsschule erarbeitet einen rein pos­sessorischen Schutz der besonderen Be­sitzklagen, bei dem wie in Rom eine Einrede aus dem Recht zum Besitz (z. B. Eigentum) ausgeschlossen ist. Er ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) übernommen.

Lit.: Kaser § 21; Söllner §§ 9, 23; Hübner 221ff.; Kroeschell, DRG 1; Wieling, H., Grund und Umfang des Besitzschutzes, FG U. v. Lübtow, 1980; Dedek, H., Der Besitzschutz, ZEuP 1997, 342; Jacobi, J., Besitzschutz vor dem Reichskammergericht, 1998; Beermann, C., Besitzschutz, 2000; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Besitzstand (Wort 1787) ist der rechtlich in gewisser Weise geschützte tatsächliche Stand der Verhältnisse, insbesondere des Beitzes.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Besitzstörung (Wort 1831) ist die rechts­widrige Störung des Besitzers im Besitz.

Lit. :Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Besold, Christoph (Tübingen 22. 9. 1577-Ingolstadt 15. 9. 1638), aus einer Juris­tenfamilie (Hofgerichtsadvokatensohn), nach dem Rechtsstudium (1599 Tübingen Promotion) 1610 Professor in Tübingen, 1636 in Ingolstadt, entwickelt als Reichspublizist innerhalb der politischen Wissenschaft eigene Vorstellungen im Bereich des neuen öffentlichen Rechtes (Vorbereitung der Lehre vom Bundesstaat).

Lit.: Meyer, F., Christoph Besold als Staatsrechtler, Diss. jur. Erlangen 1957; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 120; Synopse der Politik, hg. v. Boehm, L., 2000, 291ff.

Besonderes Gewaltverhältnis ist das Verhältnis, das, im Gegensatz zum allgemeinen Verhältnis des Inhabers von Hoheits­gewalt über den Bürger, zusätzliche Einwirkungen ohne weitere Rechtsgrundlage ermöglicht (z. B. Staat - Strafgefangener). Diese im 19. Jh. entwickelte Vorstellung wird im letzten Drittel des 20. Jh.s zunehmend abgelehnt.

Lit.: Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982

Bessarabien (östlicher Teil der Moldau zwischen Pruth und Dnjestr, in dem ab 1814 von Zar Alexander I. Deutsche angesiedelt wurden, 1918 Rumänien, 1940 umgesiedelt, 1945 vertrieben)→Rumänien, Sowjetunion, Moldawien

Lit.: King, C., The Moldovans, 2000; Schmidt, U., Die Deutschen aus Bessarabien, 2003, 2. A. 2004, 3. A. 2006

Besserung ist allgemein die Vermehrung der Güte eines Zustands. Hierzu kann auch die wertsteigernde Aufwendung auf zur Leihe überlassenem Land gezählt werden. Sie ist teilweise eigenständiges, veräußerliches Gut.

Lit.: Arnold, W., Zur Geschichte des Eigentums in den Städten, 1861; Wolf, M., Der Bau auf fremden Gut, 1900; Stingel, M., Die bäuerliche Leihe im Recht des Würzburger Benediktinerklosters Sankt Stephan in Würzburg, Diss. jur. Erlangen 1962

Bestand (Wort 1272) ist allgemein der Zustand, Bestandkontrakt (1740) bzw. Be­standvertrag (1809) die deutsche Wiedergabe der (lat.) locatio conductio, Bestandteil (1811) der zum Bestand einer Sache gehörige Teil.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Bestechung ist die Gewährung eines Vorteiles an einen Amtsträger für eine Dienst­pflichtverletzung. Sie ist als Wahlbestechung bereits dem römischen Recht bekannt. Besondere Bedeutung erlangt sie mit der Entwicklung des Beamtentums.

Lit.: Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Kulesza, R., Die Bestechung im politischen Leben Athens, 1995

Besthaupt ist das beim Tode eines Bauern besonders in Grundherrschaften an einen Herrn abzuliefernde beste Stück Vieh. Das B. begegnet in Flandern und Lothringen im 9. Jh. und ist im Hochmittelalter weit verbreitet. Bereits zu dieser Zeit schwindet es aber in den Städten, wird allgemein jedoch erst am Beginn des 19. Jh.s aufgegeben.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bodmann, F., Historisch-juristische Abhandlung vom Besthaupte, 1794; Schultze, A., Seelgerät und Besthaupt, ZRG GA 38 (1917), 301; Mayer, E., Seelgerät und Besthaupt, ZRG GA 38 (1917), 301; Stutz, U., Zweitbesthaupt, ZRG GA 40 (1919), 282; Müller, W., Die Abgaben von Todes wegen in der Abtei Sankt Gallen, 1961

Bestimmtheitsgebot ist das Gebot (an den Gesetzgeber), einen Rechtssatz insbesondere im Strafrecht so bestimmt zu fassen, dass der Betroffene Tragweite und Anwendungsbe­reich erkennen kann. Es erwächst aus der Aufklärung. Es setzt sich seit dem 19. Jh. durch.

Lit.: Schreiber, H., Gesetz und Richter, 1976; Krey, V., Keine Strafe ohne Gesetz, 1983; Müller-Dietz, H., Abschied vom Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht? FS T. Lenckner, 1998, 179

Bet, Josef →Karo

Betäubungsmittel ist das der Betäubung der menschlichen Sinne dienende Mittel (z. B. Opium, Morphium, Heroin, Kokain, Cannabis und synthetische B.). Seit dem 16./17. Jh. wird die Sucht nach Betäubungsmitteln als Krankheit erkannt, seit etwa 1850 breitet sich die Sucht allmählich, seit etwa 1965 rasch aus. Mit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s begint die gesetzliche Bekämpfung (Preußen, kaiserliche Verordnung vom 25. 3. 1872, Opiumkonferenz von Schanghai 1909, Den Haag, Ausführungsgesetz von 1921, Opium­gesetz vom 1. 1. 1930, Betäubungs­mittel­gesetz 1972).

Lit.: Wriedt, J., Von den Anfängen der Drogengesetzge­bung bis zum Betäubungsmittelgesetz vom 1. 1. 1972, 2006

Betreibung

Lit.: Malamud, S. u. a., Die Betreibungs- oder Einge­winnungsverfahren der Stadt Zürich im Spätmittelalter, ZRG GA 116 (1999), 87

Betreuung ist in Deutschland seit 1. 1. 1992 die staatliche Fürsorge für die Person und das Vermögen eines volljährigen Menschen, soweit er infolge einer Krankheit oder Behinderung seine Angelegenheiten nicht selbst besorgen kann, durch einen vom zuständigen Vormundschaftsgericht bestellten Betreuer. Die B. ersetzt die Entmündigung

Lit.: Köbler, DRG 268; Damrau, J./Zimmermann, W., Betreuungsgesetz, 1991; Müller, B., Rechtliche und gesellschaftliche Stellung von Menschen mit einer geistigen Behinderung, 2001

Betrieb

Lit.: Jakobi, C., Die vieldeutige Betriebsgemeinschaft, 2013

Betriebsrat ist das Organ der Arbeitnehmer einer Betriebs, das in bestimmten Ange­legenheiten eines Betriebs mitwirkt und mitbestimmt. Der B. entwickelt sich am Ende des 19. Jh.s (1905 Bergbau, 1916 Kriegs­wirtschaft). Nach dem Betriebsrätegesetz vom 4. 2. 1920 ist in Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten ein B. zu bilden (Österreich 1919). Im Dritten Reich wird der B. beseitigt, 1946 (in Österreich 1947) aber wieder eingeführt und danach gestärkt (11. 10. 1952, 15. 1. 1972).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 241, 273; Oertzen, P. v., Betriebsräte in der Novemberrevolution, 1963; Plumeyer, M., Die Betriebsrätegesetze, Diss. jur. Hannover, 1992; Schaub, G., Der Betriebsrat, 1973, 7. A. 2002, 8. A. 2005; Raedel, C., Amtsenthebungen und Kündigungen von Betriebsräten, 1999

Betriebsrisiko ist im Arbeitsrecht die im 20. Jahrhundert verrechtlichte Gefahr des Erliegens bzw. Stillstands eines Betriebs ohne Verschulden eines Beteiligten.

Lit.: Tamm, M., Die Entwicklung der Betriebs­risikolehre, 2001

Betriebsverfassung ist die Gesamtheit der Regeln, welche die Rechte des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer und ihrer Organe im Betrieb in Bezug auf das Betriebsgeschehen ordnen. Die B. wird in Deutschland nach einzelnen Vorläufern des späten 19. Jh.s durch das Betriebsrätegesetz vom 4. 2. 1920 eingerichtet und (nach Beseitigung während der nationalsozialistischen Herrschaft) durch Gesetz vom 17. 4. 1946 wiederhergestellt.

Lit.: Köbler, DRG 273; Adelmann, G., Quellensammlung zur Geschichte der sozialen Betriebsverfassung, Bd. 1f. 1960ff.; Reichold, H., Betriebsverfassung als Sozialprivatrecht, 1995; Mitbestimmung und Betriebsverfassung, hg. v. Pohl, H., 1996

Betriebswirtschaft ist die Wirtschaft des einzelnen Betriebs (im Gegensatz zur Wirtschaft des gesamten Volkes oder Staates), die seit 1898 (Leipzig, Aachen, Wien) wissenschaftlich gelehrt wird und nach steilem Aufstieg (1923 23 Orte, 1924 43, 1939 70) derzeit jährlich 100000 Studierende für mehr als 1000 Professoren findet..

Lit.: Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre, hg. v. Gaugler, E./Köhler, R., 2002; Burr, W./Wagenhofer, A., Geschichte des VHB, 2011

Betrug ist die durch Täuschung verursachte Vermögensschädigung (z. B. der Univer­sitätsassistent I. lässt sich im öffentlichen Dienst jahrelang krank schreiben und betreibt in dieser Zeit privatwirtschaftlich einen Verlag für Lügenbarone). Im römischen Recht erfassen (lat. [N.]) falsum (Fälschung), stellionatus (M.) (Hinterhältigkeit) und (N.) furtum (Wegnahme) einzelne Fälle des nicht als solcher zusammengefassten Betrugs. Ähnlich verfährt auch das Mittelalter. Die durch Täuschung verursachte Vermögens­schädigung findet sich seit dem 16. Jh., ohne dass sie aber von der Fälschung bereits eindeutig geschieden werden kann. Erst in der Mitte des 19. Jh.s bzw. 1871 gelingt unter dem Einfluss des Code pénal (1810) Frankreichs eine klare Abgrenzung.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 158; Köstlin, C., System des deutschen Strafrechts, Bd. 2 1858, Neudruck 1978, 124ff.; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1955; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 318ff.; Naucke, W., Zur Lehre vom strafbaren Betrug, 1964; Hupe, E., Falsum, fraus und stellionatus im römischen und germanischen Recht bis zur Rezeption, Diss. jur. Marburg 1967; Kausch, W., Die Entwicklung des falsum, Diss. jur. Göttingen 1971; Schütz, S., Die Entwicklung des Betrugsbegriffs, 1988; Roth, J./Sokolowsky, K., Lügner, Fälscher, Lumpenhunde, 2000; Lügen und Betrügen, hg. v. Hochadel, O. u. a., 2000; Freller, T., Die Welt will betrogen sein, 2001; Die Autobiographie des Betrügers Luer Meyer 1833-1855, 2010

Betteln ist das Bitten um unentgeltliche Leistungen zum Lebensunterhalt. Es wird seit dem Hochmittelalter sichtbar. Zeitweise wird es mit polizeilichen Mitteln entschieden bekämpft (Bettelordnungen Nürnbergs von 1370, 1478, Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577, s. a. z. B. Graz 1996).

Lit.: Stamm, R., Theodor Konrad Hartleben (1770-1827) und seine Allgemeine deutsche Justiz- und Polizey-Fama, ZGO 113 (1965), 45; Goglin, J., Les miserables, 1976; Scherner, K., Arme und Bettler, ZNR 1988, 129; Rudersdorf, M., Das Glück der Bettler, 1995; Bindzus, D./Lange, J., Ist Betteln rechtswidrig? JuS 1996, 482; Bräuer, H., . und hat seit hero gebetlet, 1996; Bettler in der europäischen Stadt der Moderne, hg. v. Althammer, B., 2007; Wagner, A., Gleicherweiß als wasser, 2011

Betti, Emilio (Camerino 1890-1968), nach juristischen Studien in Parma und philosophischen Studien in Bologna seit 1917 Professor für römisches Recht in Camerino und in Macerata, Messina, Parma, Florenz, Mailand und Rom, bemüht sich unter Verknüpfung von Dogmatik und Geschichte vor allem um ein neues Verständnis der →Auslegung und der Hermeneutik insgesamt.

Lit.: Betti, E., Die Hermeneutik als allgemeine Metho­dik der Geisteswissenschaften, 1962; L’ermeneutica giuridica di Emilio Betti, hg. v. Frosini, V./Riccobono, F., 1994

Beunde (963 ahd. piunta) ist das dorfnahe, durch Einzäunung („Bewindung“?) aus der Allmende ausgeschiedene landwirtschaftliche Grundstück.

Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, Bd. 3 1973

Beutellehen ist das an einen Bürger oder Bauern gelangende →Lehen (Bayern E. 13. Jh.), bei dem statt Kriegsdienst bei Herrenfall und Mannfall eine erhöhte Abgabe in den Beutel des Herrn zu leisten ist. Im 18. Jh. gibt es auch ritterliche B. Durch Gesetz vom 17. 12. 1862 wird in Österreich das B. in Eigentum umgewandelt.

Lit.: Klein, H., Ritterlehen und Beutellehen, Mitteil. d. Ges. f. Salzburger Landesk. 80 (1940), 87ff.; Spieß, K., Das Lehnswesen in Deutschland, 2002, 2. A. 2009, 3. A: 2011

Beuterecht ist das Recht auf Aneignung feindlichen Gutes im Krieg. Es besteht ur­sprünglich gegenüber der gesamten gegnerischen Bevölkerung, wenn auch 1179 durch das dritte Laterankonzil unter Christen die Versklavung verboten wird. Im 19. Jh. setzt sich für den Landkrieg die Beschränkung auf das für Kriegszwecke verwendbare Staats­eigentum des Feindes durch (Haager Landkriegsordnung 1907).

Lit.: Redlich, F., De praeda militari, 1956; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Praeda, hg. v. Coudry, M. u. a., 2009

bewegliche Sache (Wort 1784) →Sache

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Beweis ist die Darlegung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Vorstellung durch ein Ver­halten. Besondere Bedeutung hat der B. in einem Streit zweier Personen. Im alt­römischen und im klassischen römischen Recht würdigt dabei der (lat. [M.]) iudex (Richter) frei die mit beliebigen Mitteln vorgebrachten Beweisversuche. Demgegen­über dringt im spätantiken römischen Recht die Bindung an feste Beweisregeln und Beweislastregeln vor. Bei den Germanen erfolgt wahrscheinlich meist außerhalb der Versammlung ein B. mit Eid, Zeugen oder Augenschein, wobei der Angegriffene ein Recht zum B. vor allem durch Eid (mit Eidhelfern) hat. Im Frühmittelalter kann der in einem zweizüngigen Urteil auferlegte B. auch im Gericht erbracht werden, wobei der B. durch eine Urkunde vordringt. Wahr­schein­lich unter christlichem Einfluss gewinnt zeitweise das Gottesurteil dann Bedeutung, wenn ein anderer B. nicht möglich ist. Der Kläger kann allmählich das Beweisrecht dadurch an sich ziehen, dass er ein stärkeres Beweismittel als den Eid anbietet. Möglich wird der Gegen­beweis. Im spätmittelalter­lichen Straf­verfah­ren bemüht sich der Richter von sich aus um die Ermittlung der Wahrheit. Als sicherstes Beweismittel gilt dabei das Geständnis (lat. [F.] confessio). Zu seiner Erreichung ist die Folter zulässig, wobei seit der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V. (1532) ihre Anwendung nur bei Vorliegen bestimmter Indizien (z. B. Aufenthalt in Tatnähe) gestat­tet wird. Hinzu kommen feste Beweisregeln. Das Gottesurteil verschwindet. Mit dem über die Kirche schon seit dem Spätmittelalter eindringenden gelehrten Zivilprozess gelten unbestrittene Tatsachen als zugestanden. Bestrittene Tatsachen sind vom Kläger durch Zeugen, Parteieid, Urkun­den, Augenschein oder Sachverständige zu beweisen (Beweislast, s. [lat.] onus [N.] pro­bationis reo non incumbit, Die Beweislast trifft nicht den Beklagten, Gratian um 1140), wobei feste Beweisregeln gelten. Bereits der (lat.) usus (M.) modernus (Cocceji, Leyer) befasst sich vertieft mit den entsprechenden Fragen. Nach franzö­sischem Vorbild (1791) setzt sich im 19. Jh. die freie richterliche Beweiswürdigung wieder allgemein durch (Berlin 1846, Preußen 1849), wobei es auf die Überzeugung des Richters ankommt. Die Beweis­last im Zivilprozess trägt grundsätzlich jede Partei für die ihr günstigen Tatsachen, doch kehrt die Rechtsprechung zu Gunsten schwacher Parteien verschiedentlich die Beweislast zu Lasten des Gegners um.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 116, 155, 167; Savigny, C., Über Schwurgerichte und Beweistheorie, GA 6 (1858), 469; Hänel, A., Das Beweissystem des Sachsenspiegels, 1858; Kries, A. v., Der Beweis im Strafprozess des Mittelalters, 1878; Endemann, W., Die Entwicklung des Beweisverfahrens im deutschen Civilprozess seit 1495, 1895; Haff, K., Beweisjury und Rügeverfahren im fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38 (1917), 130; Mayer-Homberg, E., Beweis und Wahr­scheinlichkeit nach älterem deutschem Recht, 1921; Stutz, U., Die Beweisrolle im altdeutschen Rechtsgang, ZRG GA 49 (1929), 1; Bechert, R., Recht oder Pflicht zur Beweisführung?, ZRG GA 49 (1929), 26; La preuve, 1963; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Nagel, H., Die Grundzüge des Beweisrechts im euopäischen Zivilprozess, 1967; Ziller, H., Private Bücher des Spätmittelalters und ihre rechtliche Funktion, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1972; Walter, G., Freie Beweiswürdigung, 1979; Rechtsbehelfe, Beweis und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1986; Schmitt, B., Die richterliche Beweiswürdigung im Strafprozess, 1992; Subjektivierung des justiziellen Beweisverfah­rens, hg. v. Gouron, A. u. a., 1994; Allen, C., The Law of Evidence in Victorian England, 1997; Wißgott, V., Das Beweisantragsrecht im Strafverfahren, 1998; Macnair, M., The Law of Proof in Early Modern Equity, 1999; Stürner, R., Ge­schichtliche Grundlinien des europäischen Beweisrechts, FS A Söllner, 2000; Nehlsen-von Stryk, K., Die Krise des irrationalen Beweises im Hoch- und Spätmittelalter, ZRG GA 117 (2000), 1; Sauer, M., Die Entwicklung des Ableh­nungsgrundes der Wahrunter­stellung, Diss. jur. Köln 2002; Perband, M., Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung im Zivilprozess (§ 286 ZPO), 2003; Lepsius, S., Von Zweifeln zur Überzeugung - Der Zeugenbeweis im gelehrten Recht, 2003; Deppenkemper, G., Beweiswürdigung als Mittel prozessualer Wahrheitserkenntnis, 2004; Bausteine ei­nes europäischen Beweisrechts, hg. v. Marauhn, T., 2007; Mentz, D., Die Beweislastumkehr in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2010; Repgen, T., Qui dicit probare debet, ZRG GA 129 (2012), 76

Beweisinterlokut ist im gemeinen deutschen Zivilprozessrecht eine gerichtliche Zwischen­entscheidung über Beweislast, Beweisthema und Beweisfrist. Es trennt den Prozess in zwei Teile und bildet den Beginn des besonderen Beweisverfahrens. Dessen Ergebnis bindet den Richter. Besonders ausgestaltet ist das B. im sog. sächsischen Prozess (so noch Hannover 1850). Im 18. Jh. dringt das B. allgemein in den gemeinen Prozess ein. Die preußische allgemeine Gerichtsordnung von 1793 kennt aber schon kein B. mehr, ebensowenig das französische Zivilprozess­recht (1806) und die davon beeinflusste deutsche Zivilprozessordnung von 1877/1879.

Lit.: Planck, J., Die Lehre vom Beweisurteil, 1848

Beweislast →Beweis

Beweismittel →Beweis

Beweisurteil ist das →Urteil über eine Beweisfrage. →Beweisinterlokut

Beyer, Georg (Leipzig 10. 9. 1665-Wittenberg 21. 8. 1714), Aktuarssohn, wird nach den Studien von Philosophie und Recht in Leipzig (Thomasius), Frankfurt an der Oder und Leipzig 1706 Professor in Wittenberg. Dort hält er als einer der ersten eine Vorlesung über deutsches Recht, die als Leitfaden des deutschen Rechtes ([lat.] Delineatio [F.] iuris Germanici, 1718) nach seinem Tod veröffentlicht wird.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Beyer­GeorgSpecimenIurisGermanici1718.pdf; Köbler, DRG 144, 186, 205; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978, III, 1 137f.

Beyerle, Franz (Konstanz 30. 1. 1885-Wangen 22. 10. 1977), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Austritt aus der katholischen Kirche und dem Studium in Freiburg im Breisgau, Breslau (Konrad Beyerle) und Göttingen (Promotion 1910, Frensdorff) sowie der Habilitation in Jena (1913, Rauch) 1918 Professor in Basel, 1929 Greifswald, 1930 in Frankfurt am Main, 1934 in Leipzig und 1938 in Freiburg im Breisgau (bis 1953). Seine Arbeiten betreffen das Stadtrecht Freiburgs, den Entwicklungs­gang im Recht, die Treuhand und Volksrech­te.

Lit.: Dürselen, F., Franz Beyerle, 2005; Schützenmeister, A., Franz Beyerle, 2008; Jocus regit actum, hg. v. Riosus, F., 2011

Beyerle, Konrad (Konstanz 14. 09. 1882-München 26. 4. 1933), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, der Promotion bei Richard Schröder (1895) und der Habilitation bei Ulrich Stutz (1899) Professor in Freiburg im Breisgau (1900), Breslau (1903), Göttingen (1906) und Mün­chen (1918). Als Abgeordneter der bayeri­schen Volkspartei wirkt er in der verfassung­gebenden Nationalversammlung (1919) und im Reichstag. (bis 1924). Einzelne Arbeiten betreffen die Grundeigentumsver­hältnisse in Konstanz, die Lex Baiwariorum und die Kultur der Abtei Reichenau.

Lit.: Hense, T., Konrad Beyerle, 2002

Bezirk ist das abgegrenzte Gebiet. Preußen wird zwischen 1808 und 1816 in (Provinzen und) Regie­rungsbezirke geteilt. Mit österrei­chisch-kaiserlicher Entschließung vom 26. 6. 1849 (RGBl. 295) wird die Einteilung der Kronländer in Kreise und darunter in Bezirke bestimmt, wobei an der Spitze des Bezirks ein Bezirkshauptmann steht (1852-1868 Vereini­gung der Bezirkshaupt­mann­schaften mit den Bezirksgerichten zu gemischten Bezirksäm­tern) und der B. 1925 von einer Zentralstaats­behörde zu einer Landesbehörde umgestaltet wird. Die Deutsche Demokratische Republik ersetzt 1952 die Länder (bis 1990) durch 15 Bezirke.

Bibel ([griech.] Buch] ist die Sammlung der für Juden und Christen das Wort (ihres) Gottes enthaltenden Schriften. Diese sind zwischen 1200 v. Chr. (10. Jh. v. Chr.) und dem 2. Jh. n. Chr. (50-120 n. Chr.) ent­standen. Die jüdische B. gliedert sich in Tora (Weisung), Propheten und Schriften, die christliche B. ergänzt dieses alte, um die Zeitenwende in seinem Bestand abge­schlossene Testament um das nach­christliche, im 4. Jh. weitgehend abge­schlos­sene neue Testament. Die Über­tragung der ursprünglich aramäischen bzw. hebräischen Texte in das Griechische erfolgt zwischen 250 v. Chr. und 100 n. Chr. (Septuaginta), die Übersetzung in das Latei­nische im 4. Jh. n. Chr., die Über­setzung in germanistische Volks­sprachen seit dem ausgehenden 4. Jh. n. Chr. Das älteste erhaltene Handschriften­bruchstück stammt von etwa 125 n. Chr. Die christliche B. ist das am weitesten verbreitete und am häufigsten gedruckte Buch der Welt. Die B. enthält umfangreiches biblisches Recht.

Lit.: Klauck, H., Die apokryphe Bibel, 2008; The Biblical Models of Power and Law, hg. v. Biliarsky, I. u. a., 2008; Bibel und Exegese der Abtei Saint Victor zu Paris, hg. v. Berndt, R., 2009; The Cambridge Companion to the Bible, 2. A. hg. v. Chilton, B. u. a., 2008; Der Pentateuch, hg. v. Dozeman, T. u. a., 2011; Schöpflin, K., Die Bibel in der Weltliteratur, 2011; Die Septuaginta und das frühe Christentum, hg. v. Scott Caulley, T. u. a., 2011; Die Septuaginta - Entstehung, Sprache, Geschichte, 2012; Jaroš, K., Die ältesten griechischen Handschriften des Neuen Testaments, 2014 (weilt mehr als 5000 Handschriftenbekannt, hier 104 ediert)

Bibliothek ist die Sammlung von Büchern und das ihr dienende Gebäude.

Lit.: Otto, J., Bibliothek des Bundesgerichtshofs, 1996 (rund 475000 Bände);, Portale zu Vergavgenheit und Zukunft, hg. v. Seefeldt, J. u. a., 2003, 2. A. 2003, 3. A. 2007, 4. A. 2011; Rekonstruktion und Erschließung mittelalterlicher Bibliotheken, hg. v. Rapp, A. u. a., 2008; Jochum, U., Geschichte der abendländischen Bibliotheken, 2009; Zur Erforschung mittelalterlicher Bibliotheken, hg. v. Rapp, A. u. a., 2009; Festschrift für Dietrich Pannier, hg. v. Fischer, D. u. a., 2010

Biblisches Recht ist das aus den in der jüdisch-christlichen →Bibel (vor allem in den Büchern Moses) enthaltenen zahl­reichen rechtlichen Sätzen gebildete Recht. Am bekanntesten hiervon sind die zehn Gebote. Noch wichtiger ist vielleicht die grundsätzliche Beschreibung des jüdisch-christlichen Gottes als eines Gottes des Rechtes, der die Einhaltung von Recht gebietet und die Verletzung von Recht verbietet. Dieser Grundgedanke beeinflusst die europäischen Rechte in nachhaltiger Weise.

Lit.: Collatio legum Mosaicarum et Romanarum, (in) Fontes iuris Romani antejustiniani, Bd. 2 1940, 541; Hohenlohe-Schillingsfürst, C. v., Der Einfluss des Christentums auf das Corpus Juris, 1937; Kisch, G., Sachsenspiegel and Bible, 1941; Biondi, B., Il diritto Romano Cristiano, Bd. 1ff. 1952ff.; Verdam, P., Mosaic Law in Practice and Study throughout the Ages, 1959; Heckel, J., Lex charitatis, 2. A. 1973; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Hattenhauer, H., Das Recht der Heiligen, 1976; Welch, J., A biblical law bibliography, 1990; Bibel und Recht, hg. v. Eckert, J. u. a., 1994; Calvocoressi, P., Who´s who in der Bibel, 1992, 5. A. 1994, 16. A. 2009; Brand, J., Bibel und altes Recht im Bauernkrieg, 1996; Campenhausen, H. v., Die Entstehung der christlichen Bibel, Neudruck 2003; Ohler, A., dtv-Atlas Bibel, 2004

Bielefeld

Lit.: Urkundenbuch der Stadt und des Stiftes Bielefeld, hg. v. Vollmer, B., 1937; Flügel, A., Kaufleute und Manufakturen in Bielefeld, 1990; Meineke, B., Die Ortsnamen der Stadt Bielefeld, 2013

Bienenrecht ist das die Bienen betreffende Recht. Dabei darf der (unverzüglich) verfolgende Eigentümer (s)einen mit dem Schwärmen herrenlos werdenden Bienen­schwarm auch auf einem fremden Grundstück einfangen (Aneignungsrecht). Im deutschen →Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) gelten für das B. die §§ 961ff.

Lit.: Rieth, J., Das gesamte deutsche Bienenrecht, 1910; Schüßler, A., Deutsches Bienenrecht, 1934; Haff, K., Zum Bienenrecht in den schwedischen und dänischen Landschaftsgesetzen, ZRG GA 60 (1940), 253; Schulz, S., Die historische Entwicklung des Rechts an Bienen, 1990

Biener, Friedrich August (Leipzig 5. 2. 1787-Dresden 1861) wird nach Rechtsstudien in Leipzig und Göttingen 1810 Professor in Berlin.

Bier (vielleicht zu lat. bibere trinken) ist das aus stärkehaltiger Substanz (z. B. Gerste, Weizen) durch alkoholische Gärung ge­wonnene (gebraute) Getränk. Im Früh­mittel­alter wird es von Frauen hergestellt, später entsteht in den Städten eine gewerbliche Produktion, die seit etwa 1300 Hopfen als die Haltbarkeit erhöhenden Zusatz verwendet. In der frühen Neuzeit setzt sich in Bayern ein auf das Jahr 1516 zurückgeführtes Reinheitsgebot (Malz, Hopfen, Hefe, Wasser) durch.

Lit.: Moldehauer, G., Das Göttinger Braurecht, Diss. jur. Göttingen 1956; Schlosser, H., Braurechte, Brauer und Braustätten in München, 1981; Unger, R., A History of Brewing in Holland 900-1900, 2001; Blanckenbuerg, C. v., Die Hanse und ihr Bier, 2001

Biergelde oder Bargilde ist der im 8./9. Jh. erscheinende (freie, aber trotzdem pflichtige) Mensch, der von der Forschung teils mit Wehrsiedlung, teils mit Rodungssiedlung verbunden wird. Der Inhalt des Wortes ist nicht völlig klar („Ab­gabenleister“?), obgleich die Biergelden noch im →Sachsenspiegel (1221-1224) als besonderer Stand erfasst sind.

Lit.: Köbler, WAS; Metz, W., Zur Geschichte der Bargilden, ZRG GA 72 (1955), 185; Hagemann, H., Die Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Springer, M., Die Sachsen, 2004

Bifang ist (im Mittelalter) das von einem Berechtigten durch tatsächlichen Zugriff neu (stärker) genutzte, meist eingefriedete Grundstück.

Lit.: Köbler, WAS; Bethge, O., Über Bifänge, VSWG 20 (1928), 139ff.; Sorhagen, I., Die karolingischen Koloniosationsprivilegien, 1976

Bigamie ist die weitere Eheschließung eines bereits verheirateten Menschen in einer nur die Einehe zulassenden Rechtsordnung. Das Christentum hält von Anfang an nur die Einehe für zulässig. Als Folge der Christianisierung der römischen Gesellschaft ist die B. seit Diokletian strafbar und als Folge der Christianisierung der Germanen wird die bei ihnen erlaubte, tatsächlich aber wohl seltene Mehrehe von der Kirche abgelehnt. Im Früh­mittelalter ist die B. eine zunächst rein kirchliche Frage, für die nur die kirchlichen Gerichte zuständig sind. Seit dem Hochmittelalter sehen aber vor allem die Stadtrechte Enthaupten und Ertränken als peinliche Strafe vor. Die →Constitutio Criminalis Bambergensis (1507, Art. 146) behandelt unter dem Einfluss der augustinischen Ehebruchsgesetzgebung eine Frau bei B. strenger als einen Mann, die →Constitutio Criminalis Carolina (1532, Art. 121) ordnet die B. stets als qualifizierten Ehebruch ein. Strafe ist zunächst die Todesstrafe, nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 (II, 20 §§ 1066ff.) und nach dem deutschen Reichs­strafgesetzbuch von 1871 mehrjähriges Zuchthaus (§ 171 StGB, 5 Jahre Zuchthaus). Privatrechtlich ist die B. Ehehindernis.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 56; Hälschner, H., Die Lehre vom Ehebruch und der Bigamie, Gerichtssaal 22 (1870), 401; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts, 1928, 150f.; Erle, M., Die Ehe im Naturrecht des 17. Jh.s, 1952; Buchholz, S., Der Landgraf und sein Professor, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Siebenhüner, K., Bigamie und Inquisition in Italien 1600-1750, 2006

Bilanz ist die zusammengefasste Gegenüber­stellung der aktiven und passiven Vermögens­werte einer Person. Sie entwickelt sich im spätmittelalterlichen Handelsgeschäft. Be­sonders seit dem ausgehenden 20. Jh. werden die rechtlichen Vorschriften be­treffend eine B. angesichts der wachsenden Größe der Unternehmen immer dichter (1937 Richtlinien zur Vereinheitlichung des Buchhaltungswesens der Wirtschaft, § 266 HGB).

Lit.: Brönner, H., Die Bilanz nach Handels- und Steuerrecht, 2. A. 1940, 9. A. 1991, 10. A. 2011

Bild ist die sichtbare Wiedergabe eines Umstands (durch menschliches Tun).

Lit.: Goerlitz, T., Die rechtliche Behandlung der gewerblichen Bildzeichen in Deutschland seit dem 14. Jahrhundert, ZRG GA 55 (1935), 216; Historische Bildkunde 2, 1935; Beyerle, F., Sinnbild und Bildgewalt im älteren deutschen Recht, ZRG GA 58 (1938), 788; Troescher, G., Weltgerichtsbilder, Westdt. Jb. f. Kunstgeschichte 11 (1939), 139; Kisch, G., Recht und Gerechtigkeit in der Medaillenkunst, 1955; Brückner, W., Bildnis und Brauch, 1966; Ebel, F. u. a., Römisches Rechtsleben im Mittelalter, 1988; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Bild und Abbild, hg. v. Vavra, E., 1999; Schmoeckel, M., Auf der Suche nach der verlorenen Ordnung, 2004; Zitzlsperger, P., Dürers Pelz und das Recht im Bild, 2008; Poeschel, S., Handbuch der Ikonographie, 2. A. 2008; Boehme-Neßler, V., BilderRecht, 2010; Hayduk, H., Rechtsidee und Bild, 2011; Steinhauer, F., Das eigene Bild, 2013; Rechtsikonographie geistlicher und weltlicher Macht, hg. v.  Gulczyński, A., 2012; Bild und Konfession im östlichen Mitteleuropa, hg. v. Deiters, M. u. a., 2013

Bilderhandschrift ist die mit sachlich auf den Text bezogenen Bildern ausgestattete Handschrift. Die umfänglichsten rechtlichen Bilderhandschriften sind mit bis zu 924 Bildstreifen zum Sachsenspiegel überliefert (Vorbild eine bebilderte Willehalmhand­schrift? [1300 Miniaturen], 1270?/vor E. 13. Jh. Harzvor­land?, Stammhandschrift verloren, Anfang 14. Jh./um 1300 Heidelberger B. [nur zu einem Drittel erhalten, Druck 1971], vielleicht Meißen wohl 1347-1363/M. 14. Jh. Dresdener B. [Druck 1902, 2002], drittes Viertel 14. Jh. Wolfenbütteler B. [Tochterhandschrift der Dresdener Bilderhandschrift?, Druck 1993], 1336 Oldenburger B. [mittelniederdeutsch, nur Landrecht bebildert, vielfach nur Vorzeichnungen, Druck 1995], insgesamt mindestens sieben Bilderhandschriften anzu­neh­men). Die Bedeutung der Bilder ist streitig. Mehr Bilderhanschriften als zum Sachsenspiegel gibt es zu dem Decretum Gratiani.

Lit.: Köbler, DRG 103; Amira, K. v., Die Dresdener Bilderhandschrift, Bd. 1ff. 1902ff.; Koschorreck, W., Die Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspie­gels, 1970; Text – Bild – Interpretation, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1986; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 24; Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters, hg. v. Ott, N., 1991ff.; Got ist selber Recht. Die vier Bilderhandschriften des Sachsenspiegels Oldenburg, Heidelberg, Wolfenbüttel, Dresden, hg. durch Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1992; Scheele, F., die sal man alle radebrechen, 1992; Eike von Repgow Sachsenspiegel Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1993; Bloh, U. v., Die illustrierten Historienbibeln, 1993; Der Oldenburger Sachsenspiegel, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1995; Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1995; Repgow, Eike von, Sachsenspiegel. Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1998; Die Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels als digitale Edition auf CD-ROM, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1999; Lück, H., Über den Sachsenspiegel, 1999, 2. A. 2005; Brunschwig, C., Visualisierung von Rechtsnormen, 2001; Die Dres­dener Bilderhandschrift des Sachsenpiegels. Interimskommentar, hg. v. Lück, H., 2002; Der Dresdener Sachsenspiegel. Faksimile-Ausgabe, 2002; Schmidt-Wiegand, R., Rechtsbücher als Ausdruck pragmatischer Schriftlichkeit, Frühmittelalterliche Studien 37 (2003), 435ff.; http://digi.ub.uni-heidel­berg.de/diglit/cpg164; http://­digi­tal.slub-dresden.­de/­pp­n­­272362328; http://www.sachsenspiegel-online.­de/­cms; Eike von Repgow, Sachsenspiegel. Die Heidelberger Bilderhandschrift Cod. Pal. Germ. 164, hg. v. Kocher, G., u. a., 2010

Bildnisstrafe ist die am Bild vollzogene Strafe. Sie findet sich für die Majestäts­beleidigung beispielweise in Frankreich 1670 in Dänemark und Norwegen 1683 und 1687, in Brandenburg 1688 und 1717, in Sachsen 1712, in Peußen 1721 und 1794, in Österreich 1768 und in Baden 1809, wird aber nach 1848 beseitigt. Daneben bestehen verschiedene von der B. im engeren Sinn verschiedene Einrich­tungen.

Lit.: Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1 1954, 320

Bildung

Lit.: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 5 1989, Bd. 2 18. Jahrhundert 2005; Nonn, U., Mönche, Schreiber und Gelehrte, 2012; Bosse, H., Bildungsrevolution 1770-1830, hg. v. Ghanbari, N., 2012

Billigkeit ist die natürliche Gerechtigkeit vor allem im einzelnen Fall. Sie erscheint in der römischen Antike teils als (lat. [F.]) benevolentia des Kaisers, teils bei den nach der B. beurteilten Klagen oder Schuld­verhältnissen (lat. →bonae-fidei-iudicia [N.Pl.]). Im frühen Mittelalter bewirkt die Kirche die Aufnahme des Gedankens der B. (lat. →aequitas [F.] canonica), wobei Streit darüber besteht, ob der König nach B. urteilen konnte. Danach greift insbesondere das Naturrecht verstärkt die B. auf. Die B. steht grundsätzlich in einem Spannungsverhältnis zur Gleichheit und zur Rechtssicherheit.

Lit.: Kaser §§ 3, 33; Köbler, DRG 86; Rühl, P., Das aequitatis iudicium im fränkischen Königsgericht, ZRG GA 20 (1899), 207; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Kirn, P., Über die angebliche Billigkeitsjustiz des fränkischen Königs, ZRG GA 47 (1927), 115; Wohlhaupter, E., Aequitas canonica, 1931; Kirn, P., Aequitatis iudicium, ZRG GA 53 (1932), 53; Lange, H., Ius aequum und ius strictum bei den Glossatoren, ZRG RA 71 (1954), 319; Erler, A., Aequitas in Sprüchen des Ingelheimer Oberhofes FS G. Kisch, 1955, 53; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Schott, C., Billigkeit und Subjektivismus, FS M. Keller, 1989, 745; Wesener, G., Aequitas naturalis, natürliche Billigkeit (in) Der Gerechtigkeitsanspruch des Rechts, 1996, 81ff.; Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997; Schröder, J., Aequitas und rechtswissenschaftliches System, ZNR 21 (1999), 29ff.; Schmidt, R., Zur Rechtsprechung Regensburger Gerichte im 14. Jahrhundert, ZRG GA 125 (2008), 82; Zwischen Formstrenge und Billigkeit, hg. v. Oestmann, P., 2009

Bill of Rights ist das englische Gesetz, das 1689 vom König angenommen und von einem ordentlichen Parlament bestätigt wird. In 13 Artikeln verbietet es katholische Thronfolge, Steuererhebung, Gesetze und Heer ohne Zustimmung des Parlaments sowie geistliche Gerichte und gewährt Redefreiheit, Pe­titionsrecht und das grundsätzliche regel­mäßige Geschworenengericht. In den Ver­einig­ten Staaten von Amerika heißen B. o. R. die zehn Artikel, die 1791 der Verfassung von 1787 hinzugefügt werden. →Virginia Bill of Rights

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; The complete Bill of Rights, hg. v. Cogan, N., 1997

Billerbeck

Lit.: Geschichte der Stadt Billerbeck, hg. v. Freitag, W., 2012

Binding, Karl (Frankfurt am Main 4. 6. 1841-Freiburg im Breisgau 7. 4. 1920), aus einer Juristenfamilie, wird nach dem Studium in Göttingen (1860-1863) Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Staatsrecht in Heidelberg (1865), Basel, Freiburg im Breisgau, Straßburg und Leipzig (1913 emeritiert). Er vertritt auf liberaler Grundlage ein formales Vergeltungsstrafrecht zwecks Aufrechterhaltung staatlicher und gesetzlicher Autorität und bekämpft abweichende Auffas­sungen (z. B. Franz von Liszt) entschieden. Nach seiner Normentheorie geht der Rechtsregel eine Sozialnorm voraus, deren Befehlswirkung der Täter missachtet, so dass er durch Bestrafung unter die Macht des Staates gebeugt werden muss (Die Normen und ihre Übertretung, Bd. 1ff. 1872ff.). Er lässt Analogie zu und befürwortet die Vernichtung lebensunwerten Lebens (Binding, K./Hoche, A. Die Freigabe der Ver­nichtung lebensunwerten Lebens, 1920, posthum).

Lit.: Köbler, DRG 204; Binding, K., Die Geschichte des burgundisch-romanischen Königreichs, 1868; Kaufmann, A., Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie, 1954; Westphalen, D., Karl Binding, 1989; Jerouschek, G., Carl Binding, JZ 2005, 514

Binnenmarkt ist der innere Markt, insbesondere der Markt innerhalb der sich aus der europäischen Wirtschaftsgemein­schaft (seit 1957) entwickelnden Europäischen Ge­mein­schaft und Euro­päischen Union (1992). In ihm gibt es keine Grenzen und Binnenzölle, während der Außenhandel mit Drittstaaten gemeinsam geregelt wird. In der Euro­päischen Union gelten Warenver­kehrs­freiheit, Personenverkehrsfreiheit, Kapital­ver­kehrs­frei­heit und Dienstleis­tungs­verkehrsfrei­heit.

Binnenschifffahrt ist die Schifffahrt auf den schiffbaren Binnenwasserstraßen. Sie geht bereits weit in die Zeit der alten Völker zurück, wobei nach römischem Recht alle größeren Flüsse als öffentliche Sachen (lat. [F.Pl.] res publicae) von jedem Bürger zur Schifffahrt benutzt werden dürfen. Im Mittelalter ist die B. durch Zölle stark belastet. Im 19. Jh. sichern nach dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 und dem Wiener Kongress (1815) besondere Schifffahrtsakten die freie Schifffahrt (1821 Elbe, 1823 Weser, 1831/1868 Rhein, 1857/1948 Donau). In Deutschland ist die B. in der Gegenwart in einem besonderen Gesetz (1896) geregelt.

Lit.: Eckert, C., Rheinschifffahrt im 19. Jahrhundert, 1900; Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der Territorialgewässer, 1949; Wettstein, L., Die Schifffahrtsfreiheit auf dem Rhein, Diss. jur. Mainz 1963; Gerber, S., Die Ordnung auf den Wasserwegen, Diss. jur. Würzburg 1975; Kischel, D., Die Geschichte der Rheinschifffahrtsgerichtsbarkeit, 1990; Vortisch, O., Binnenschifffahrtsrecht, 4. A. 1991; Scherner, K., Handel, Wirtschaft und Recht in Europa, 1999

Biographie ist die Lebensbeschreibung eines Menschen. Aussagen über sich selbst (Autobiographien) begegnen in Griechenland seit dem 7. Jh. v. Chr. (Hesiod, Xenophon, Isokrates, Platon, Augustinus), wobei die Zeit um 300 v. Chr. für die griechische B. besonders wichtig ist. Im deutschen Sprachraum entsteht seit der Mitte des 14. Jh.s eine umfangreiche weltliche Auto­biographik (z. B. Ulman Stromer, Nikolaus Muffel, Anton Tucher, Elias Holl, Karl IV.).

Lit.: Berschin, W., Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter, Bd. 1ff. 1986ff.; Varnhagen von Ense, K., Denkwürdigkeiten des eignen Lebens, hg. v. Feilchefeldt, K., Bd. 1ff. 1987; Rüthers, B., Geschönte Geschichten – geschonte Biographien, 2001; Biographisches Lexikon zur Weltgeschichte, hg. v. Danckelmann, O., 2001; Sonnabend, H., Geschichte der antiken Biographie, 2002; Meisterdenker der Welt, hg. v. Grabner-Haider u. a., 2004; Biographisches Handbuch der deutschen Politik, bearb. v. Jahn, B., Bd. 1ff. 2004; Antike Autobio­gra­phien, hg. v. Reichel, M., 2005; Schmid, B., Schreiben für Status und Herrschaft, 2006; Hageneier, L., Jenseits der Topik, 2004; The Limits of Ancient Biography, hg. v. McGing, B. u. a., 2006; Handbuch Biographie, hg. v. Klein, C., 2009; Henning, E., Selbstzeugnisse, 2012

Birkarecht (biaerkeraett, bjärköarätt) →Schonen, →Schweden

Bischof (griech. episkopos [M.] Aufseher) ist in der katholischen Kirche der Obere, der in einem bestimmten Teil der Kirche als Nachfolger der Apostel in Einheit mit dem Papst das höchste Amt ausübt. Er setzt sich als Leiter einer Gemeinde von Kleinasien aus allmählich durch und hat im 3. Jh. auch das Amt als Richter inne, wobei zu innerge­meindlichen Aufgaben auch weltliche Aufga­ben kommen (lat. [F.] episcopalis audientia). Sein Sitz innerhalb seines Bistums ist grundsätzlich eine Stadt (lat. [F.] civitas). Ausgewählt wird er an sich durch Klerus und Volk, tatsächlich aber im Einzelfall vom Vorgänger, durch das Priesterkollegium der Bischofskirche, durch die Gemeinde oder durch den Erzbischof. Im fränkischen Früh­mittelalter wird der B. wichtiger Berater des Königs, wird deshalb das Interesse des Adels an dieser Stellung geweckt und beginnt der König allmählich mit der Einbeziehung der Bischöfe in sein Herrschaftssystem durch Beauftragung der Bischöfe mit weltlichen Aufgaben, weshalb neben die Wahl durch Klerus und Volk die Einsetzung durch den König tritt (ottonisch-salisches Reichskir­chensystem). Im Investiturstreit (ab 1073) setzt die Kirche (1122) die Wahl durch Klerus und Volk durch. Bis 1215 wird das Domkapitel zum Wahlgremium. Danach tritt neben den B. der vor allem mit geistlichen Aufgaben betraute Weihbischof. Im Reich, für dessen Gebiet sich zwischen 1198 und 2001 rund 5500 Diözesanbischöfe (und seit der frühen Neuzeit Weihbischöfe und Generalvikare) nachweisen lassen, wird der B. (seit dem Investiturstreit) geistlicher Reichsfürst (bis zur Säkularisation 1803). Im evangelischen Kirchenwesen verdrängt der Superintendent bis 1918 (teilweise) den B. Seit dem 19. Jh. sind Staat und Kirche grund­sätzlich getrennt, doch gewähren Konkordate (z. B. Österreich 1855, 1933) der Kirche noch verschiedene Einflussmög­lichkeiten.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 56, 87, 115, 152; Friedberg, E., Der Staat und die Bischofswahlen in Deutschland, 1874, Neudruck 2013; Stutz, U., Der neuste Stand des deutschen Bischofswahlrechts, 1909; Feine, H., Die Besetzung der Reichsbistümer, 1921; Hofmeister, P., Bischof und Domkapitel, 1931; Claude, D., Die Bestellung der Bischöfe im merowingischen Reiche, ZRG KA 80 (1963), 1; Vescovi e diocesi, 1964; Ganzer, K., Papsttum und Bischofsbesetzungen, 1968; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Kaiser, R., Bischofsherrschaft, 1981; Scheibelreiter, G., Der Bischof in merowingischer Zeit, 1983; Die Bischöfe des Heiligen römischen Reiches, hg. v. Gatz, E., 1990; Landau, P., Der Papst und die Besetzung der Bischofsstühle, Z. f. ev. Kirchenrecht 37 (1992), 241; Bührer-Thierry, G., Évêques et pouvoir dans le royaume de Germanie, 1997; Die früh- und hochmittelalterliche Bischofserhebung im europäischen Vergleich, hg. v. Erkens, F., 1998; Die Bischöfe des Heiligen römischen Reiches, hg. v. Gatz, E., 2000; Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945-2001, hg. v. Gatz, E., 2002; Freund, S., Von den Agilolfingern zu den Karolingern, 2004; Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im heiligen römischen Reich 1648-1803, hg. v. Glatz, E., 2007; Norton, P., Episcopal Elections 250-600, 2007; Peltzer, J., Canon Law, Carrers and Conquest, 2008; Patzold, S., Episcopus - Wissen über Bischöfe, 2009; Christopher, P., L’élection des évêques, 2009; Thier, A., Hierarchie und Autonomie, 2011; Patterns of episcopal power, hg. v. Körntgen, L. u. a., 2011; Jégou, L., L’évêque, juge de pais, 2011

Bismarck, Otto von (Schönhausen/­Altmark 1. 4. 1815-Friedrichsruh 30. 7. 1898) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft (1832-1835) in Göttingen und Berlin und Tätigkeit im Staatsdienst Landwirt (1839) und 1849 für die Konservative Partei Mitglied der zweiten preußischen Kammer, Vertreter Preußens im Deutschen Bund (1851), Gesandter in Sankt Petersburg (1859) und Paris (1862) und am 23. 9./8. 10. 1862 preußischer Ministerpräsident. Im Deutschen Bund setzt er sich für Preußen und damit gegen Österreich ein. Nach der Gründung des →Norddeutschen Bundes (1867) und des (zweiten) Deutschen Reiches (1871) wird er bis 20. 3. 1890 Reichskanzler (meist gleich­zeitig Ministerpräsident und Außenminister Preußens) und betreibt eine Bündnispolitik (1879 Zweibund mit Österreich-Ungarn, 1882 zum Dreibund mit Italien erweitert, 1915 von Italien gekündigt). Besondere recht­liche Verdienste gewinnt er durch die Herstellung der Rechtseinheit in Deutschland und durch die Einführung der →Sozialversicherung. Im Mittelpunkt seines Denkens und Handelns steht der von einem Erbmonarchen mit starker Bürokratie gelenkte Staat, nicht die Nationsidee.

Lit.: Köbler, DRG 171, 177, 183, 194; Meyer, A., Bismarcks Kampf mit Österreich, 1927; Kober, H., Studien zur Rechtsanschauung Bismarcks, 1961; Weh­ler, H., Bismarck und der Imperialismus, 1969; Gall, L., Bismarck, 1980; Engelberg, E., Bismarck, 1985; Pflanze, O., Bismarck, Bd. 1f. 1997f.; Krockow, C., Graf v., Bismarck, 1997; Thier, A., Steuer­gesetz­gebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v. Gall, L., 2001; Schmidt. R., Otto von Bismarck (1815-1898), 2004; Brunck, H., Bismarck und das preußische Staatsministerium 1862-1890, 2004; Otto von Bismarck im Spiegel Europas, hg. v. Hildebrand, K. u. a., 2006; Gall, L., Bismarck, Preußen und die nationale Einigung, HZ 285 (2007), 355; Althammer, B., Das Bismarckreich 1871-1890, 2008; Bismarcks Mitarbeiter, hg. v. Gall, L. u. a., 2009; Kolb, E., Bismarck, 2009; Haffer, D., Europa in den Augen Bismarcks, 2010; Thies, J., Die Bismarcks, 2013

Bistum ist der kirchliche Herrschaftsbezirk des →Bischofs. Seit dem 12. Jh. tritt ihm im Heiligen römischen Reich das weltliche Hochstift bis 1803/1806 zur Seite. Neben dem Bischof steht im B. der Kathedralklerus (mit Archidiakon, Archipresbyter, Propst, Offi­zial, Generalvikar).

Lit.: Hinschius, P., Das System des katholischen Kirchenrechts, 1878; Gatz, E., Die Bistümer des Heiligen römischen Reiches, 2003; Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, hg. v. Gatz, E., 2005; Bistümer und Bistumgsgrenzen, hg. v. Klueting, E. u. a., 2006

Bittleihe (lat. [N.] precarium) ist im römischen Recht die unentgeltliche, wider­ruf­liche Gebrauchsüberlassung einer Sache. Sie ist kein Rechtsverhältnis und begründet keinen für eine Ersitzung ausreichenden Besitz, wohl aber Schutz gegenüber Dritten.

Bizone ist die Bezeichnung für den Zusammenschluss von amerikanischer und britischer Besatzungszone in Deutschland (1. 1. 1947-8. 4. 1949).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pünder, T., Das bizonale Interregnum, 1966; Hubert, G., Die Diskussion um die rechtliche Natur der Bizone, 1996

Bjärköarätt (N.) →Birkarecht, →Schonen, →Schweden

Blackstone, Sir William (London 10. 7. 1723-14. 2. 1780, aus Handwerker- und Kaufmannsfamilie) wird nach Studien in Oxford (als Fünfzehnjähriger 1738-1741) und einer Rechtsausbildung im Middle Temple in London 1746 Anwalt (barrister) in London, 1753 Dozent und 1758 Professor für englisches Recht in Oxford, (eigenes Netz wichtiger Kontakte, 1759 The Great Charter, 1761-1770 Unterhaus, Anhänger des Hauses Hannover, Gegner der Unabhängigkeit der amerikanischen Kolonien) 1763 solicitor general to the Queen, 1766 Anwalt in London und 1770 Richter (Court of common pleas). Seine vier, ihn als überzeugten Reformer ausweisenden Bände Commentaries on the Laws of England (1765-1769, im letzten Kapitel eine Geschichte der Entwicklung des englischen Rechtes) bieten (beeinflusst von Matthew →Hale, Burlamaquis, Pufendorf, Locke und Montesquieu) in klarer ver­ständ­licher Sprache und übersichtlicher Gliederung eine umfas­sende knappe Dar­stellung des englischen Verfassungsrechts, Vermögens­rechts, Schuld­rechts und Straf­rechts bzw. Privatrechts, Staatsrechts, Pro­zessrechts und Strafrechts (common law und equity), die sich in Anlehnung an ein Werk Hales in Personen, Sachen, Delikte und Straftaten gliedert, früh in Göttingen und Frankreich bekannt wird und bis in das 21. Jh. im angloamerikanischen Bereich von großer Bedeutung bleibt.

Lit.: http://koeblergerhard.de/Fontes/Blackstone­WilliamCommentariesOnTheLawsOfEnglandBand1.pdf; Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 12 1938, 702ff.; Benser, R., Die Systematik des Privatrechts, 1938; Warden, L., The Life of Blackstone, 1938; Simmonds, N., Reason, History an Privilege – Blackstone’s Debt to Natural Law, ZRG GA 105 (1988), 200; Harman, C., Critical Commentaries on Blackstone, 2002; Blackstone and his Commentaries, hg. v. Prest, W., 2009; Prest, W., William Blackstone, 2009

Blasius de Morcono (in Morcone vielleicht zwischen 1283 und 1293 geboren, 1350 an Pest gestorben) ist der letzte Erläuterer des langobardischen Rechtes als eines lebenden Rechtes (Tractatus de differentiis inter ius Longobardorum et Romanorum, vielleicht zwischen 1323 und 1332 entstanden).

Lit.: Dom. Blasii de Morcono de differentiis inter ius Longobardorum et ius Romanorum tractatus, cura Abignente, J., 1912; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 513

Blasphemie ist die Lästerung des christlichen Gottes. Seit dem 13. Jh. erscheint die B. auch in weltlichen Strafrechtstexten. Kirchliche wie weltliche Folgen sind vielfältig. Im 20. Jh. schwindet die Bedeutung.

Lit.: Volker, G., History of the Crime of Blasphemy, 1928; Schwerhoff, G., Blasphemie vor den Schranken der städtischen Justiz, Ius commune 25 (1998), 39; Cabatous, A., Geschichte der Blasphemie, 1999 (übersetzt von Wilczek, B.); Schwerhoff, G., Zungen wie Schwerter, 2005

Bleichgericht

Lit.: Das Chemnitzer Bleichgericht und die dortigen Bleichen vor 500 Jahren, ZRG GA 25 (1904), 345

Blendung (F.) ist das Ausstechen oder Ausbrennen eines Auges oder beider Augen. B. ist eine Leibesstrafe in Altertum und Mittelalter. Mit der Aufklärung wird sie be­seitigt.

blickender Schein →Augenschein

Blijde Inkomst →Brabant

Blinder

Lit.: Laske, W., Zur Stellung des Blinden im Recht des Mittelalters, ZRG GA 97 (1980), 27; Krüger, J., Blindheit und Königtum, 1992

Blockade ist die Absperrung eines Gebiets von anderen Gebieten vor allem im Seekrieg (aus it. [F.] bloccata). 1584 verwenden die Holländer die B. als Kriegsmittel im Freiheitskampf gegen Spanien. Die Pariser Seerechtsdeklaration vom 16. 4. 1856 und die nicht ratifizierte Londoner Deklaration vom 26. 2. 1909 legen das Recht der B. fest, die Charta der Vereinten Nationen lässt die B als kollektive Zwangsmaßnahme zu.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Hogan, A., Pacific blockade, 1908; Schenk, R., Seekrieg und Völkerrecht, 1958; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007, §§ 42, 48

Blume des Sachsenspiegels (Di blume ubir der Sachsen spigel …) ist die in 8 bzw. 10 Handschriften überlieferte ungedruckte, ein Abecedar (Incipiunt regulae juris Ad decus …) enthaltende Bearbeitung der →Blume von Magdeburg durch Nikolaus →Wurm (um 1397).

Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 67; Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm, 1990

Blume von Magdeburg ist das von Nikolaus →Wurm am Ende des 14. Jh.s (um 1390) nach dem Vorbild des Richtsteig Landrechts unter Benutzung des Sachsenspiegels und des Magdeburger Weichbilds verfasste, in zwei Teile gegliederte, in einer Handschrift überlieferte Werk, das Sachsenrecht (Weichbildrecht) und gelehrtes gemeines Recht (lat. [FPl.] leges und canones) verbinden will.

Lit.: Böhlau, H., Die Blume von Magdeburg, 1868; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66; Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm, 1990

Bluntschli, Johann Kaspar (Zürich 7. 3. 1808-Karlsruhe 21. 10. 1881) wird nach dem Studium in Zürich, Berlin (1827-1829) und Bonn Gerichtsschreiber in Zürich (1830), dann Professor in Zürich (1836), München (1848) und Heidelberg (1861). Auf der Grundlage seiner Staats- und Rechtsge­schichte der Stadt und Landschaft →Zürich (1838/1839, 2. A. 1856) führt er das in Personenrecht, Sachenrecht, Obligationen­recht, Familienrecht und Erbrecht gegliederte Privatrechtliche Gesetzbuch für den Kanton Zürich zum Abschluss (1853-1855), das bis zum Zivilgesetzbuch von 1907/1911 (auch in Schaffhausen, Thurgau und Zug) gilt.

Lit.: Zürich, Privatrechtliches Gesetzbuch von Bluntschli, Johann Kaspar, Bd. 1ff. 1854ff., http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PrivatrechtlichesGesetzbuchfuerdenKantonZuerich1854Bd1.pdf Briefwechsel Johann Kaspar Bluntschlis mit Savigny, Niebuhr, Leopold Ranke, Jakob Grimm und Ferdinand Meyer, hg. v. Oechsli, W., 1915; Vontobel, J., Die liberal-konservative organische Rechts- und Staatslehre Joh(ann) Caspar Bluntschlis, Diss. jur. Zürich 1954; Schmidt, S., Die allgemeine Staatslehre Johann Caspar Bluntschlis, 1968 (Diss.); Elsener, F., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975; Affentranger, M., Besitz und Besitzschutz im Züricher Privatrechtlichen Gesetzbuch Johann Caspar Bluntschlis, 1987; Senn, M., Rassistische und antisemitische Elemente im Rechtsdenken von Johann Caspar Bluntschli, ZRG GA 110 (1993), 372; Röben, B., Johann Caspar Bluntschli, Francis Lieber und das moderne Völkerrecht 1861-1881, 2003; Cavallar, G., Johann Caspar Bluntschlis europäischer Staatenbund in seinem historischen Kontext, ZRG GA 121 (2004), 504; Metzner, C., Johann Caspar Bluntschli, 2009

Blut ist die das Leben von Wirbeltieren sichernde Körperflüssigkeit, auf die einzelne Rechtswörter (z. B. Blutbann, Blutrache, Blutschande) und Rechtsregeln (Das Gut fließt wie das B.) Bezug nehmen.

Lit.: Strack, H., Das Blut im Glauben und Aberglauben, 7. A. 1900; Schenda, R., Gut bei Leibe, 1998; Schury, G., Lebensflut, 2001

Blutbann ist die Zuständigkeit zur Verhängung der Todesstrafe. →Hochgerichtsbarkeit

Blutrache ist die im älteren Recht erlaubte eigenmächtige Vergeltung einer Verletzung (Tötung) durch eine neue Verletzung (Tötung). Recht und Pflicht zur B. bzw. Fehde oder Selbsthilfe verschwinden bis zur Neuzeit. Das Wort Bluträcher begegnet erstmals bei Martin Luther in der ersten Hälfte des 16. Jh.s.

Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 2; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Vlavianos, B., Zur Lehre der Blutrache, Diss. jur. München 1924; Zacharias, R., Die Blutrache im deutschen Mittelalter, Z. f. d. A. 91 (1962), 167 (Diss. phil. Kiel 1961); Miller, W., Bloodtaking and peacemaking, 1990; Diesselhorst, M., Die Fehde von Sichar und Chramnesind FS F. Wieacker, 1991, 187ff.; Het recht in eigen hand, Tijdschrift voor Geschiedenis 123 (2010), Nummer 2; Karauscheck, E., Fehde und Blutrache, 2011

Blutschande (Inzest) ist der Geschlechtsverkehr zwischen nahen (leibli­chen) Verwandten, der sowohl im Alten Testament wie auch bei den Römern verboten ist. Vom christlichen Einfluss wird das Frühmittelalter erfasst, das als Folge die Tötung, die Verknechtung, das Exil oder das Gefängnis kennt. Häufiger erscheint die B. am Ende des Mittelalters wohl unter dem Einfluss des römischen Rechtes (1507 [Constitutio Criminalis Bambergensis] Ent­hauptung). Eine Ein­schränkung auf die Verwandten und Verschwägerten aufstei­gender und absteigender Linie bringt das preußische Strafgesetzbuch von 1851.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 165f.; Siebert, M., Das Inzestverbot, Diss. jur. Berlin 1997

Bocksdorf, Dietrich (Theoderich) von (Zinnitz bei Calau um 1405 (bzw. um 1410)-Zeitz 9. 3. 1466) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (1425, 1426 baccalaureus) und Perugia (1436/1437, Dr. iur. utr.) Professor des kirchlichen Rechtes in Leipzig (1443-1463) und 1463 Bischof von Naumburg. Er verfasst wissenschaft­liche Arbeiten zum →Sachsenspiegel (In­for­ma­ciones 1433, 1451, Sippschafts­regeln, Erbschaftsregeln, Remis­sorium, Weise des Lehnrechts), nicht dagegen die sog. Bocksdorfsche Erweiterung der Glos­se zum Sachsenspiegel.

Lit.: Köbler, DRG 103; Distel, T., Eine Rechtsun­ter­weisung Dittrich von Bocksdorfs, ZRG GA 4 (1833), 234; Kisch, G., Zur sächsischen Rechts­literatur der Rezeptionszeit, Bd. 1 Dietrich von Bocks­dorfs „Informaciones“, 1923; Verfasser­lexi­kon, 2. A. Bd. 2 1980, 110 (Ulmschneider, H.); Wejwoda, M., Spätmit­telalterliche Jurisprudenz zwi­schen Rechtspraxis, Universität und kirchlicher Karriere, 2012; Wejwoda, M., Sächsische Rechtspraxis und gelehrte Jurisprudenz, 2012

Bocksdorfsche Glosse ist die wohl von Tammo von →Bocksdorf nur in einzelnen Besserungen veränderte Erweiterung der buchschen Glosse des Sachsenspiegels.

Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 74

Bocksdorf, Tammo von (um 1385-nach 1460, wohl Onkel Dietrich von Bocksdorffs), verfasst nach dem Rechtsstudium in Prag als Domherr in Magdeburg 1426 ein →Remissorium zum Sachsenspiegel und vielleicht die Bocksdorfschen (lat. [F.Pl.]) additiones (Zusätze) zur Sachsenspie­gel­glos­se.

Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 74; Wejwoda, M., Spätmittelalterliche Jurisprudenz zwischen Rechtspraxis, Universität und kirchlicher Karriere, 2012

Bodenreform ist die Umwandlung von Großgrundeigentum in bäuerliche Betriebe im Anschluss an staatliche Umwälzungen teils liberalistischer, teils sozialistischer Zielset­zung (z. B. Sowjetunion 1929, 1945 sowjetische Besatzungs­zone).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh., 121; Damaschke, A., Die Bodenreform, 1902; Hedemann, J., Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Teil 2 1930; Kippes, O., Die Bestrebungen der Bodenreform, 1933; Weißbuch über die „Demokratische Bodenreform“, hg. v. Kruse, J., 1988; Werner, J., Die Bodenreform, 1997; Oppenheimer, F., Großgrundeigentum und soziale Frage, 1998; Fikentscher, R./Schmuhl, B./Breitenborn, K., Die Bodenreform in Sachsen-Anhalt, 1999; Zahnert, D., Das Recht der Bodenreform der sowjetischen Besatzungszone, 2000; Kempen, B./Dorf, Y., Bodenreform 1945-1949, 2004; Die rechtsstaatliche Bewältigung der demokratischen Bodenreform, hg. v. Kempen, B., 2005

Bodenregal ist das vom König im Früh­mittelalter grundsätzlich geltend gemachte →Regal an herrenlosem Grund und Boden, das sich in Frankreich erhalten (domaine public) und in Deutschland zum Aneignungsrecht des Staates (Fiskus) entwickelt hat.

Lit.: Köbler, DRG 90; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, § 27

Bodensee

Lit.: Stoffel, F., Die Fischereiverhältnisse des Bodensees, 1906; Münch, W., Das Fischereirecht des Bodensees im Mittelalter, Diss. jur. Graz 1943; Gönnenwein, O., Die Rechtsgeschichte des Bodensees, Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 69 (1950); Der Bodensee, hg. v. Maurer, H., 1982

Bodin, Jean (Angers 1530?-Laon 1596), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechts­studium (1548) und einer Lehrtätigkeit in Toulouse 1561 Advokat am Parlament von Paris, 1571 Bediensteter des Herzogs von Alençon, 1576 Staatsanwalt in Laon und schließlich königlicher Prokurator. In seinem empirisch entwickelten, für die politische Festigung Frankreichs gedachten Hauptwerk (Les six livres de la République, 1576, Die sechs Bücher über die Republik) beschreibt er rationalistisch das auf der von Gott gegebenen Souveränität (Unteilbarkeit, Unbeschränkt­heit, Ständigkeit) aufbauende moderne Staats­wesen, in dem der Souverän zum Erlass des Gesetzes (lat. [F.] lex) befugt ist, aber den göttlichen und natürlichen Gesetzen (lat. [N.] ius) unterliegt. Die Monarchie kann für B. den Religionsfrieden und die Staatsordnung am besten wieder herstellen. Hexerei ist B. das schwerste Verbrechen (De la démonomanie des sorciers, 1580). Streitig ist, inwieweit B. den →Absolutismus begründet.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Bodin­JeanLesSixLivresDeLaRepublique1576.pdf; Köbler, DRG 148f.; Fickel, G., Der Staat bei Bodin, 1934; Schmitz, A., Staat und Kirche bei Jean Bodin, 1939; Bodin, Jean, hg. v. Denzer, H., 1973; Goyard-Fabre, S., Jean Bodin et le droit de la république, 1989; Spitz, J., Bodin et la souverainieté, 1998; Couzinet, M., Jean Bodin, 2001; Mayer-Tasch, P., Jean Bodin, 2. A. 2011

Bodman

Lit.: Bodman. Dorf, Kaiserpfalz, Adel, hg. v. Berner, H., 1977

Bodmann, Franz Josef (Groß-Aura 3. 5. 1754-Mainz 21. 10. 1820) wird nach dem Studium des Rechtes in Würzburg und Göttingen (Johann Stephan Pütter) 1780 außerordentlicher und 1783 ordentlicher Professor in Mainz und von 1807 bis 1814 Konservator der ehemals kurfürstlichen Bi­bliothek und Archivar. Er fälscht Quellen durch Änderung von Ort, Zeit und Namen (z. B. sog. Rheingauer Landrecht). Wegen dieser seit 1903 aufgedeckten Fälschungen sind alle nur durch ihn überlieferten Quellen verdäch­tig.

Lit.: Erler, A., Ingelheimer Urteile als Quellen Franz Josef Bodmanns, ZRG GA 69 (1952), 74ff., 77 (1960), 345ff.; Büttner, H., Zum Bodmann-Problem, HJB 74 (1955), 363ff.

Bodmerei ist die hochverzinste Beleihung eines Schiffes in der Form, dass mit seinem Verlust die Zahlungspflicht entfällt und die Rückzahlung von der sicheren Ankunft des Schiffes abhängt (seerechtliches Darlehen mit Gefahrtragung durch den Darlehensgeber, reine Sachhaftung). Der B. geht das griechisch-römische Seedarlehen voraus (lat. fenus [N.] nauticum), das möglicherweise durch indische oder babylonische Vorläufer beeinflusst ist. Im Hochmittelalter wird auf Grund unbekannter Entwicklung die Verpfändung des der Seegefahr ausgesetzten Schiffes oder Schiffsteils (bodeme, Boden) vorausgesetzt (Rôles d’Oléron 2. H. 13. Jh., Lübeck 1387, 1418 Bodmereiverbot der Hanse, 1591 Zulassung). Später wird sie durch die Seeversicherung verdrängt und auf die Notbodmerei des Schiffes (durch den Kapitän in Notfällen) eingeschränkt (HGB 1897). Als Folge der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung wird die B. durch Gesetz vom 21. 6. 1972 im Handelsgesetz­buch Deutschlands ganz aufgehoben.

Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Han­delsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Mathiass, B., Das foenus nauticum und die geschichtliche Entwicklung der Bodmerei, 1881; Schuster, S., Das Seedarlehen in den Gerichtsreden des Demosthenes, 2005

Böhmen ist das nach den keltischen Boiern (latinisiert Boiohaemum) benannte Land östlich des Bayerischen Waldes, in das seit dem 6. Jh. Slawen eindringen. Seit 800 wird es christianisiert, wobei um 890 Herzog Boriwoi aus dem Geschlecht der →Przemysliden getauft wird. Vom ottonischen König Heinrich I. wird B. unterworfen. Im 10. Jh. wird der bisher nicht sicher gedeutete Name Čechy (Tschechen) erwähnt. 973 wird für das zunächst kirchlich Regensburg unterstellte Gebiet das Bistum Prag, 975 das Bistum Olmütz gegründet und Mainz unterstellt. B. entwickelt sich zum Herzogtum (1085 Königstitel) im deutschen Reich (1114 Schenk, Reichserzschenk). Seit dem 12. Jh. wandern deutsche Siedler in den Randgebieten und in den Städten ein. 1198/1212 wird B. als Königreich ähnlich wie →Österreich im Reich verhältnismäßig verselbständigt. Der Sachsenspiegel (1221-1224) zählt den König von B. zu den Kurfürsten, lässt ihn aber bei der Königswahl als Nicht­deutschen nicht wählen. Nach dem Aussterben der Baben­berger in männlicher Linie in Österreich (1246) wird Ottokar II. aus der Familie der Przemysliden (um 1232-26. 8. 1278) 1251 mit Zustimmung der Stände Herzog von Öster­reich (1252 Heirat mit der mehr als 30 Jahre älteren Margarete von Babenberg, 1261 annulliert zwecks Heirat mit möglicher Erbin Ungarns) und 1253 als Nachfolger seines Vaters König von Böhmen. 1260 erzwingt er von Ungarn die Übergabe der Steiermark. 1269 erwirbt er nach einem Erbvertrag die Herzogtümer Kärnten und Krain. 1273 unterliegt er Rudolf von Habsburg bei der Wahl zum deutschen König. 1276 muss er auf seine Erwerbungen verzichten und Böhmen und Mähren von Rudolf von Habsburg als Reichslehen nehmen. Am 26. 8. 1278 wird er bei dem Versuch der gewaltsamen Rückge­winnung dieser Güter im Zuge der Schlacht von Dürnkrut (Marchfeld) getötet, wodurch Österreich als Reichslehen wieder frei wird. 1306 sterben die Przemys­liden aus (1307 Habsburg, 1311 Luxemburg, 1438-1457 Habsburg). 1314 gewinnt Johann von Luxemburg als König von B. das Nicht­ap­pellationsprivileg. Die Markgrafschaft Mäh­­ren und Fürstentümer in Schlesien wer­den angegliedert. 1344 wird Prag Erzbistum. 1348 erhält die Stadt eine Universität. Kaiser Karls IV. Plan eines böhmischen Landrechts (→Maiestas Ca­rolina) scheitert 1355. !356 betrifft die Goldene Bulle auch das Kurfürstentum B. 1415 wird der tschechische Religions­erneuerer Jan Hus hingerichtet. Im 15. Jh. wird B. zur Adelsherrschaft. 1495 entsteht mit den Neun Büchern über die Rechtsordnung des Landes Böhmen das bedeutendste Werk der tschechischen spätmittelalterlichen Rechts­wissenschaft. 1526 ernennt der Adel Ferdinand I. von Österreich auf Grund von Erbansprüchen zum König. 1527 gründet Ferdinand I. auf Drängen der böhmischen Stände eine böhmische Hofkanzlei. 1547 wird das Königreich B. für Habsburg erblich und verselbständigt sich danach mehr und mehr vom Reich. 1564 wird eine Landesordnung erlassen, die nach Nie­derschlagung der mit dem Prager Fenstersturz (1618) verbundenen Reforma­tions­bewegung (1620, Winterkrieg, Schlacht am Weißen Berg, Verlegung der böhmischen Hofkanzlei nach Wien) 1627 absolutisierend als (v)erneuerte Landesord­nung umgestaltet wird. In beachtlichem Umfang wird römisch-kanonisches Recht aufgenommen. Im 17. Jh. versucht Österreich eine Zentralisierung. 1707 wird Böhmen in die Halsgerichtsordnung Josephs I. von 1707 einbezogen. Maria Theresia hebt die böhmische Hofkanzlei 1748/1749 auf (Directorium in publicis et cameralibus). 1761 entsteht die böhmisch-österreichische Hof­kanzlei für die innere Verwaltung der böhmischen und österreichischen Erbländer. Joseph II. beseitigt die Leibeigenschaft in Böhmen, Mähren und Schlesien. 1812 wird das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Öster­reichs auch in B. in Kraft gesetzt. Am 8. 4. 1848 verspricht der österreichische Kaiser Ferdinand I. eine eigene Verfassung (Böh­mische Charte), bezieht B. aber tatsächlich in die Geltung der pillersdorfschen Aprilver­fassung ein. Die böhmisch-österreichische Hofkanzlei wird zum Innenministerium. 1918 löst sich das Kronland (Cisleithaniens) B., wie seit 1848 gefordert, in der →Tschechoslowakei von Österreich. Am 15. 3. 1939 errichtet das Deutsche Reich ein mit dem Ende des zweiten Weltkriegs beseitigtes Protektorat Böhmen und Mähren. zum 1. 1. 1993 teilt sich die im zweiten Weltkrieg aufgeteilte, danach wiederher­gestellte Tschecho­slowakei in die Tschechische Republik (Tschechien) und in die Slowakei auf.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 95, 109, 129; Palacky, F., Geschichte Böhmens, Bd. 1ff. 1836ff.; Rössler, E., Deutsche Rechtsdenkmäler aus Böhmen und Mähren, 1845ff.; Schmidt von Ber­genhold, J., Geschichte der Privatrechtsgesetzgebung und Gerichtsverfassung, 1866; Codex juris municipalis regni Bohemiae, 1886; Werunsky, E., Die Maiestas karolina, ZRG GA 9 (1888), 64; Werunsky, E., Der Ordo iudicii terre Boemie, ZRG GA 10 (1889), 98; Grünberg, C., Die Bauernbefreiung in Böhmen, Bd. 1 1895; Lippert, J., Sozialgeschichte Böhmens in vorhus­sitischer Zeit, 1896ff.; Schreuer, H., Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte der böhmischen Sagenzeit, 1901; Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohe­miae, hg. v. Friedrich, G. u. a., Bd. 1ff. 1904ff.; Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, 1912; Köster, A., Die staatlichen Beziehungen der böhmischen Herzöge und Könige zu den deutschen Kaisern, 1912; Stieber, M., Böhmische Staatsverträge, 1912; Zycha, A., Über den Ursprung der Städte in Böhmen, 1914; Peterka, O., Rechtsgeschichte der böhmischen Länder, Bd. 1f. 1923ff., Neudruck 1965; Perels, E., Zur Geschichte der böhmischen Kur, ZRG GA 45 (1925), 83; Weizsäcker, W., Die Fremden im böhmischen Landrechte, ZRG GA 45 (1925), 206; Weizsäcker, W., Nárok und sok im böhmisch-mährischen Landrecht, ZRG GA 53 (1933), 300; Stanka, R., Die böhmischen Konföderationsakte von 1619, 1932; Diels, P./Koebner, R., Das Zaudengericht in Böhmen, Mähren und Schlesien, 1935; Schubart-Fikentscher, G., Die Ver­breitung der deutschen Stadtrechte in Osteuropa, 1942; Wegener, W., Die Přemysliden, 1957; Klabouch, J., (Die Rechtslehren des Aufklärungs­zeitalters in den böhmischen Ländern), 1958; Wegener, W., Böhmen/Mähren und das Reich im Hochmittelalter, 1959; Das böhmische Staatsrecht in den deutsch-tschechischen Auseinandersetzungen des 19. und 20. Jahrhunderts, hg. v. Birke, E. u. a., 1960; Nový, R., Libri civitatum Bohemiae, 1963; Markov, J., Das landrechtliche Gerichtsverfahren in Böhmen und Mähren bis zum 17. Jahrhundert, ZRG GA 83 (1966), 144; Cultus pacis, hg. v. Vaněček, V., 1966; Siedlung und Verfassung Böhmens in der Frühzeit, hg. v. Graus, F./Ludat, H., 1967; Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, hg. v. Bosl, K., Bd. 1ff. 1967ff.; Russocki, S., Protoparlamentaryzm Czech do początku XV wieku (Der Protoparlamentarismus Böhmens bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts), 1973; Procházka, R. Frhr. v., Genealogisches Handbuch erloschener böhmischer Herrenstandsfamilien, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,429; Hlavaček, I. u. a. Nichtbohemikale Originalur­kunden in den böhmischen Ländern, 1977; Eberhard, W., Konfessionsbildung und Stände in Böhmen 1478-1530, 1981; Sasse, B., Die Sozialstruktur Böhmens in der Frühzeit, 1982, Hassenpflug-Elzholz, E., Böhmen und die böhmischen Stände, 1982; Prinz, F., Böhmen im mittelalterlichen Europa, 1984; Eberhard, W., Monarchie und Widerstand, 1985; Hoensch, J., Geschichte Böhmens, 3. A. 1997; Seltenreich, R., Das römische Recht in Böhmen, ZRG GA 110 (1993), 496; Čechura, J., Die Struktur der Grundherrschaften im mittelalterlichen Böhmen, 1994; Rentzow, L., Die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Vernewerten Landesordnung für das Königreich Böhmen von 1627, 1998; Kadlecová, M., Verneuerte Landesordnungen, ZRG GA 120 (2003), 150; Begert, A., Böhmen, die böhmische Kur und das Reich, 2003; Himl, P., Die armben Leüte und die Macht, 2003; Malý, K., Die böhmische Konföderationsakte und die verneuerte Landesordnung, ZRG GA 122 (2005), 285; Untertanen, Herrschaft und Staat in Böhmen und im alten Reich, hg. v. Cerman, M. u. a., 2005; Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005; Votypka, V., Böhmischer Adel, 2007; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 973; Kejř, J., Die mittelalterlichen Städte in den böhmischen Ländern, 2010; Schelle, K., Recht und Verwaltung im Protektorat Böhmen und Mähren, 2009; Böhmen und das Deutsche Reich, hg. v. Schlotheuber, E. u. a., 2009; Rechtswissenschaft in Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z., 2010; Höbelt, L., Böhmen, 2012; Religion und Politik im frühneuzeitlichen Böhmen - Der Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. von 1609, hg. v. Hausenblasová, J. u. a., 2014; Deutschland und das Protektorat Böhmen und Mähren, hg. v. Mund, G., 2014

Böhmer, Johann Friedrich (Frankfurt am Main 22. 4. 1795-Frankfurt am Main 22. 10. 1863), begüterter Kanzleidirek­tors­sohn, wird nach dem Studium des Rechtes in Heidelberg und Göttingen (1817 Promotion), Privatge­lehrter, Stadtarchivar und Stadtbibliothekar in Frankfurt am Main, als welcher er das Urkun­denbuch Frankfurts (Codex Diplomaticus Moeno-Francofurtanus), deutsche Kaiser­urkunden und die (lat. [N.Pl.] Regesta imperii (1831ff.) herausgibt.

Lit.: Jansen, J., Böhmers Leben, 1863; Kleinstück, E., Johann Friedrich Böhmer, 1959; Frankfurter Biographie 1, 1994, 84ff.

Böhmer, Justus Henning (Hannover 29. 1. 1674-Halle 23. 8. 1749) wird nach dem Studium in Jena (1693-1695) Anwalt in Hannover und Hofmeister, seit 1698 Li­zentiat in Halle, dann 1701 außerordentlicher und 1711 ordentlicher Professor. Hier verfasst er 1704 das beste Lehrbuch des römischen Rechtes im 18. Jh. ([lat.] Introductio [F.] in ius digestorum, Einführung in das Recht der Digesten, 14. A. 1791), 1710 eine Ein­führung in das allgemeine öffentliche Recht bzw. Staatsrecht (lat. Introductio [F.] in ius publicum universale) und 1714-1737 eine umfassende geschichtlich-dogma­tische Ge­samtdarstellung des protes­tantischen Kirchen­rechts ([lat.] Ius [N.] ecclesiasticum protestantium, z. T. 5. A. 1756ff.). Er präsidiert 139 Disser­tationen, die mit der Einschränkung des Vorrangs protestantischer Bekennt­nis­schriften auch der Übertragung des (lat.) modernus usus (M.) pandectarum auf das Kirchenrecht dienen. Sein zivilrechtliches Werk umfasst 175 Titel in 50 Bänden.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Boeh­merJustusHenningIntroductioInIusDigestorum1704.pdf; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Boeh­merJustusHenningIntroductioInIusPublicumUniversale1710.pdf; Köbler, DRG 144, 159; Rütten, W., Das zivilrechtliche Werk Justus Henning Böhmers, 1981; Landau, P., Kanonistischer Pietismus bei Justus Henning Böhmer, (in) Vom mittelalterlichen Recht zur neuzeitlichen Rechtswissenschaft, 1994, 317; Wall, H. de, Zum kirchenrechtlichen Werk Justus Henning Böhmers, ZRG G‚KA 87 (2001), 455ff.; Schulze, R., Justus Henning Böhmer und die Dissertationen seiner Schüler, 2009

Boissonade de Fontarabie, Gustave Emile (1825-1910), nach dem Rechtsstudium seit 1864 Lehrer des römischen Rechtes in Grenoble und 1867 Paris, wechselt 1873 nach →Japan, wo er als Berater der Regierung französisches Recht lehrt und 1880 ein Strafgesetzbuch und eine Strafprozessordnung sowie 1890 einen nicht Gesetz gewordenen Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs erarbeitet.

Lit.: Carbonnier, J. u. a., Boissonade et la réception du droit français au Japon, Revue internationale du droit comparé 43 (1991), 327

Bologna ist die auf etruskischen und römischen Grundlagen ruhende Hauptstadt der oberitalienischen Landschaft Emilia am südöstlichen Rand der Po-Ebene, die sich seit 1115 von den vom deutschen König eingesetzten Grafen von B. zu lösen vermag (und aus der für das elfte Jh. 478 Urkunden und für die Zeit bis 1150 etwa 1300 städtische Urkunden erhalten sind). In B. wird vielleicht auf der Grundlage einer im 11. Jh. bezeugten Artistenschule und wegen des Wissensbedarfs zahlreicher Notare und Investitoren (1057) als Rechtsschule (lat. [N.] studium) eine der ältesten Universitäten Europas gegründet. Ihr bekanntester Lehrer ist (nach Albertus [1067], Arianus, Geminianus und Pepo) zunächst →Irnerius mit der von ihm geprägten Schule der →Glossatoren (Bulgarus, Martinus, Jacobus, Hugo und viele andere bis Accursius). Um 1140 kommt das Studium des kirchlichen Rechtes hinzu. Die fremden Studenten gründen am Ende des 12. Jh.s als Mehrheit aus zwei (lat. [F.Pl.]) universitates eine →universitas. Ihre Zahl wird zu dieser Zeit auf etwa 1000 beziffert. Bruchstücke von Statuten der Universität sind aus dem Jahre 1252 überliefert. Zwischen 1265 und 1425 lassen sich rund 3600 deutsche, fast ausschließlich geistliche Rechtsstudenten in B. nachweisen (durch­schnitt­lich 23 Erstnennungen im Jahr mit rückläufiger Tendenz).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 106, 159; Fitting, H., Die Anfänge der Rechtsschule von Bologna, 1888; Dallari, U., I Rotuli dei lettori, legisti e artisti dello studio bolognese dal 1384 al 1799, 1888ff.; Knod, G., Deutsche Studenten in Bologna (1289-1562), 1899; Schelb, W., Staatsverwaltung und Selbstverwaltung, 1911; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 39; Zanella, G., Bibliografia (in) Studi e memorie per la storia dell’università di Bologna N. S. 5, 1985; Wandruszka, N., Die Oberschichten Bolognas, 1993; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Schmutz, J., Juristen für das Reich, 2000; Le carte bolognesi del secolo XI, a cura di Feo, G., 2001; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002; Le carte bolognesi del secolo XI, Appendice hg. v. Modesti, M., 2005; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 32; Bologna nel Medioevo, hg. v. Capitani, O., 2007; Behle, T., Der Magister Walfred von Bologna, 2008; Wray, S., Communities and Crisis, 2009; Blanshei, S., Politics and Justice in Late Medieval Bologna, 2010

Bolschewismus ist die bis etwa 1953 übliche Bezeichnung des Kommunismus in der Sowjetunion (zu Bolschewiki, russ., Mehr­heitler).

Lit.: Köbler, DRG 226; Lösche, P., Der Bolschewismus im Urteil der deutschen Sozialdemokratie, 1967; Rogalla von Bieberstein, J., Jüdischer Bolschewismus, (2. A.) 2010

Bonae-fidei-iudicium (lat. [N.], Klage nach Treu und Glauben) ist im klassischen römischen Recht die nach der →Billigkeit beurteilte freiere Klage bzw. das freier beurteilte Schuldverhältnis (z. B. Kauf, Miete, Leihe, Pacht, Dienstvertrag, Werkvertrag, Gesellschaft, Auftrag, Geschäfts­führung ohne Auftrag, Verwahrung, Bruchteilsgemein­schaft [lat. fiducia], Vormundschaft bzw. Tutel, Treuhandschaft, Mitgiftrückgabe, Pfand, Innominatkontrakt). Bei einem b. ist zu leisten, was nach guter Treue (lat. ex fide bona) ge­schuldet wird. Für die diesbezügliche Feststellung hat der (lat.) iudex (Richter) auf Grund der Klagformel des Gerichtsmagistrats einen Ermessensspielraum. Er muss Neben­pflichten aus Abreden, Schutzpflichten und Treuepflichten beachten und Arglist auch ohne Einrede des Beklagten berücksichtigen. Der Gegensatz zum b. ist das (lat.) iudicium (N.) stricti iuris (strengrechtliche Klage, z. B. →condictio).

Lit.: Kaser § 33; Wieacker, F., Zum Ursprung der bonae-fidei-iudicia, ZRG RA 80 (1963) 1; Honsell, H., Quod interest im bonae-fidei-iudicium, 1969; Platschek, J., Zur Rekonstruktion der bonae fidei iudicia, ZRG RA 127 (2010), 275

Bona fides (lat. [F.] gute Treue) ist im klassischen römischen Recht zunächst die Pflicht zum Worthalten und danach ein Maßstab, nach dem der Richter das betreffende Rechtsverhältnis zu beurteilen hat. Für den Inhalt des Schuldverhältnisses findet dabei neben der formlosen Verein­barung auch die Verkehrssitte Anwen­dung. Bei der Ersitzung ist b. f. (Gutgläubigkeit hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Erwerbs) des Erwerbers ([lat.] bonae fidei possessor [M.]) im Zeitpunkt des Erwerbs nötig ([lat.] mala fides superveniens non nocet, nachträgliche Bösgläubigkeit schadet nicht).

Lit.: Kaser § 33; Söllner §§ 8, 9, 12, 18; Köbler, DRG 40, 42; Köbler, LAW; Lombardi, L., Dalla fides alla bona fides, 1961; Hausmaninger, H., Die bona fides des Ersitzungsbesitzers im klassischen römischen Recht, 1965

Bonaparte (Buonaparte) s. Napoleon

Bonellus de Barulo, Andreas ist ein wohl vor 1250 in Barletta bei Bari geborener, vor oder nach 1291 verstorbener neapolitanischer Jurist ([lat., N. .Pl.] Commentaria super pos­tremis libris codicis, commentaria in leges Longobar­dorum, Glossen zu den constitutiones Siculae).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 502

Bönhase ist seit dem 15. Jh. die im Mittel­niederdeutschen entstandene Bezeichnung für den unzünftigen, bereits vereinzelt seit dem 14. Jh. von den Zünften bekämpften Hand­werker (wie ein Hase auf dem Boden arbeitend?, heimlich auf dem Dachboden arbeitend?, außerhalb der „Hanse“ arbeitend?).

Lit.: Wissell, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, 1928, 2. A. 1981; Ennen, R., Zünfte und Wettbewerb, 1971

Boni homines (lat. [M.Pl.], Sg. bonus homo) oder auch (lat.) probi homines (M.Pl., frz. prud’hommes) sind (in Frankreich, Spanien, Italien, dem Alpenraum und dem späteren Heiligen römischen Reich) im Frühmittelalter (seit Anfang des 7. Jh.s) und bis ins 13. Jh. Zeugen, Gerichtsbeisitzer, Schätzer oder Vermittler, die Freiheit, guten Leumund sowie meist Grundeigentum und Ansässigkeit als Voraussetzung ihrer jeweiligen Tätigkeit erfüllen, aber sich nicht einem bestimmten Stand zuweisen lassen und kein bestimmtes Amt haben. Seit Ende des 12. Jh.s treten sie in den oberitalienischen Städten als Vertreter der Konsuln auf.

Lit.: Köbler, LAW; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines des frühen Mittelalters, 1981

Bonifatius bzw. Wynfreth (Wessex 672/675-bei Dokkum 5. 6. 754), aus niederem Adel, im Kloster Exeter erzogen, wird zunächst Lehrer und 718 Missionar im fränkischen Reich. In Rom am 30. 11. 722 zum Bischof geweiht, missioniert er unter einem Schutzbrief Karl Martells von 723 bis 732 in Thüringen und Hessen (u. a. Fällung der Donareiche bei Geismar und Gründung der Zelle Fritzlar). 732 wird er Erzbischof ohne besonderen Sitz, 737/738 Legat für Ger­manien. 738/739 erneuert er die Bistümer Regensburg, Passau, Salzburg und Freising. 741/742 gründet er die Bistümer Würzburg, Büraburg und Erfurt (später Eichstätt), 744 das Kloster Fulda. 754 wird er in Friesland erschlagen.

Lit.: Schieffer, T., Winfrid-Bonifatius, 2. A. 1972; Schipperges, S., Bonifatius ac socii sui, 1996; Padberg, L. v., Bonifatius, 2003; Heidrich, I., Fälschung aus gelehrtem Eifer, DA 67 (2011), 625; Clay, J., In the Shadow of Death, 2010

Bonifatius VIII (Benedetto Caetani, Anagni um 1235-Rom 11. 10. 1303) wird nach dem Studium vermutlich des kirchlichen Rechtes in Todi, Spoleto und Bologna am 23. 1. 1295 Papst. 1298 lässt er die päpstlichen Dekretalen ab 1234 im (lat.) Liber (M.) sextus decretalium (sechsten Buch der Dekretalen) zusammenfassen. In der Dekretale (lat.) Unam sanctam (eine heilige) vom 18. 11. 1302 fordert er die Unterordnung der weltlichen Gewalt unter den Papst, wird aber am 7. 9. 1303 in Anagni verhaftet.

Lit.: Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Schmidt, T., Der Bonifaz-Prozess, 1989; Politische Reflexion der Welt des späten Mittelalters, hg. v. Kaufhold, M., 2004, 129ff.

bonitarisch auf (lat.) in bonis esse, „in den Gütern sein“ beruhend, im Gegensatz zu zivil (z. B. die im römischen Recht durch bloße Übergabe einer mancipium-Sache statt Manzipation seitens des Eigentümers erlangte, vom Prätor geschützte Stellung des Erwerbers)

Bonn (Bonna 12-9 v. Chr.) am Rhein ge­genüber der Einmündung der Sieg ist ein auf keltisch-römischer Grundlage entstan­dener Ort, der im 11. Jh. (von den Ezzonen) an das Erzstift →Köln gelangt. Im 16. Jh. wird er dessen Hauptort und erhält 1777/1786 eine 1797 aufgehobene, 1815/1816 jedoch wiedererrichtete Universität, in der 1928 die Staatswissenschaften fast vollständig aus der philosophischen Fakultät in die juristische Fakultät übergeführt werden. Vom 1. 9. 1948 bis 23. 5. 1949 tagt in B. der Parlamentarische Rat zur Vorbereitung der Bundesrepublik Deutschland, weshalb das →Grundgesetz auch als Bonner Grundgesetz bezeichnet wird. 1949 wird B. bis zum Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland (1990) vorläu­fige Hauptstadt der Bundes­republik Deutsch­land.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wiedemann, A., Geschichte Godesbergs und seiner Umgebung, 1920; Niessen, J./Ennen, E., Geschichte der Stadt Bonn, 1956ff.; Eisenhardt, U., Die weltliche Gerichtsbarkeit der Offizialate, 1966; Hübinger, P., Das historische Seminar, 1963; Schäfer, K., Verfassungsgeschichte der Universität Bonn 1818 bis 1960, 1969; Meier, J., Der Rechtsunterricht an den Universitäten Köln und Bonn, Diss. jur. Köln 1987; Geschichte der Stadt Bonn, hg. v. Höroldt, D. u. a., 1989ff.; 150 Jahre Landgericht Bonn, hg. v. Fassbender, H., 2000; Die Juristen der Universität Bonn im Dritten Reich, hg. v. Schmoeckel, M., 2004; 75-Jahr-Feier der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät, 2004; Schmoeckel, M. u. a., Stätten des Rechts in Bonn, 2004

Bonorum possessio (lat. [F.] Güterbesitz, Nachlassbesitz) ist im klassischen römischen Erbrecht die Stellung, die der →Prätor auf Antrag dem zuweist, den er im Fall des Todes eines Erblassers am ehesten für berechtigt hält. Der damit erreichte Schutz und die damit gewonnene Zuständigkeit für den Bereich des prätorischen Rechtes können sich durch Ersitzung in Eigentum nach zivilem Recht wandeln.

Lit.: Kaser §§ 65, 71, 73; Söllner § 25; Köbler, DRG 38; Ankum, H. u. a., Die verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks in bonis alicuius esse, ZRG RA 107 (1990), 155

bonum (N.) commune (lat) gemeines Wohl, Allgemeinwohl

bonus homo →boni homines

Boppard

Lit.: Heyen, F., Reichsgut im Rheinland, 1956

Borgarthingsbók ist ein norwegisches Rechtsbuch. →nordisches Recht

Lit.: Bruchstücke der Rechtsbücher des Borgarthings und des Eidsivathings, hg. v. Meißner, R., 1942

Börse (zu lat. [F.] bursa, Beutel, Kasse?) ist die regelmäßig an einem bestimmten Ort stattfindende, nur von Kaufleuten besuchte Veranstaltung zum Zweck des Abschlusses von Gattungskäufen vertretbarer Sachen. Geldbörsen entstehen seit dem 12. Jh. in Oberitalien und Südfrankreich, eine Wa­renbörse ohne anwesende Waren ist in Antwerpen um 1500 bezeugt. Wichtige Bör­sen bestehen in Antwerpen, Lyon, Amster­dam, Paris, London, Frankfurt am Main, Berlin und Wien, später auch in New York oder Tokio. 2012 untersagt die Europäische Kommission die Verbindung von Deutscher Börse und New York Stock Exchange.

Lit.: Deutsche Börsengeschichte, hg. v. Pohl, H., 1992; Blumentritt, J., Die privatrechtlich organisierte Börse, 2003

Börsengesetz ist das am 22. 6. 1896 geschaffene, das Recht des Wertpapierhandels an der Börse (Vorformen im 15. Jh. in Sevilla, Cadiz und Lissabon [16. Jh.]) regelnde deutsche Gesetz.

Lit.: Meier, J., Die Entstehung des Börsengesetzes, 1992; Schulz, W., Das deutsche Börsengesetz, 1994

Bösgläubigkeit ist das Wissen oder grobfahrlässige Nichtwissen um einen rechtlich bedeutsamen Umstand. →guter Glaube

Bosnien ist die östlich der mittleren Adria gelegene Landschaft, die 9 n. Chr. von den Römern erobert wird (Dalmatia) und bei der Reichsteilung des 4. Jh.s an Ostrom gelangt. Zu Beginn des 7. Jh.s siedeln sich Südslawen an. Das dort entstehende Königreich (1377) gerät mit Herzegowina 1463/1482 durch Eroberung unter die Herrschaft der Osmanen. Seit 1878 erlebt B. unter dem Einfluss (Besetzung und Verwaltung) Österreichs (1883 HGB, ZPO, Wechsel­gesetz u. a.) einen Aufschwung. 1908 wird B. von →Österreich-Ungarn annektiert und als weitere pragmatische Angelegenheit von Österreich und Ungarn gemeinsam verwaltet (1909 von der Türkei anerkannt). 1918 wird es Teil →Jugoslawiens (1941-1945 Kroa­tiens). Nach der Erklärung der Souveränität (1992) und einem Bürgerkrieg wird es 1995/1996 als Bosnien-Herzegowina (zwi­schen Kroatien, Serbien, Monenegro und Adria, 4,3 Millionen Einwohner, 51129 Quadratkilometer, bosniakisch-kroatische Fö­de­ration und serbische Republik) verselb­ständigt.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,332; Balic, S., Das unbekannte Bosnien, 1992; Dzaja, S., Bosnien-Herzegowina, 1994; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Babouna, A., Die nationale Entwicklung der bosnischen Muslime, 1996; Haselsteiner, H., Bosnien-Hercegovina, 1996; Lovrenovic, I., Bosnien und Herzegowina, 1998; Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001; Gabriel, K., Bosnien-Herzegowina 1878, 2003; Classen, L., Der völkerrechtliche Status von Bosnien-Herzegowina, 2004; Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005

Bote (lat. [M.] nuntius) ist ein Mensch, der für einen anderen ohne eigene Willensbildung eine Erklärung (wie ein Brief) empfängt oder abgibt.

Lit.: Kaser § 11; Kroeschell, DRG 2

Bourbone ist der nach Bourbon-l’Archambault im heutigen Departement Allier benannte Angehörige einer durch Graf Ludwig I. von Clermont (1270-1342, 1327 Herzog von Bourbon) begründeten Seitenlinie der →Kapetinger. Die jüngere Linie Bourbon-Vendôme erlangt von 1589 bis 1792 und von 1814 bis 1830 bzw. in der 1660 abgespaltenen Nebenlinie Orléans von 1830 bis 1848 das Königtum in →Frankreich. In Spanien wird die Linie Bourbon-Anjou 1700 Königsgeschlecht (ausgenommen 1808-1814, 1868-1875, 1931-1975). Sie herrscht auch von 1735 bis 1860 in Neapel-Sizilien sowie von 1748 bis 1802 und von 1847 bis 1859/1860 in Parma-Piacenza.

Lit.: Legual, A., Histoire du Bourbonnais, 1960; Malettke, K., Die Bourbonen 1589-1848, Bd. 1ff. 2008f.

Bourges ist die auf keltischen Grundlagen (Avaricum) beruhende zentralfranzösische Stadt am Zusammenfluss von Yèvre und Auron. Ihre Universität ist zu Beginn des 16. Jh.s Ausgangspunkt des →mos Gallicus (lat. [M.], gallische Art) der Rechtswissenschaft. →Budé

Lit.: Devailly, G. u. a., Histoire du Berry, 1980

Boutillier, Jehan (Pernes/Pas-de-Calais vor 1350-Tournai [vor?] 24. 1. 1396) verfasst als Berater des französischen Königs in Nordfrankreich (Tournai) wohl kurz vor 1396 das (französische) Rechtsbuch →Somme rural.

Lit.: Köbler, DRG 143; Dievoet, G. van, Jehan Boutillier en de Somme rural, 1951

Boykott ist die nach dem englischen Gutsbesitzer Charles Boycott (Irland 1880) benannte Ablehnung aller Rechtsbeziehungen zu einem möglichen Vertragspartner, dem dadurch die Möglichkeit zur Teilnahme am Rechtsverkehr abgeschnitten wird.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Ahlheim, H., Deutsche, kauft nicht bei Juden, 2011

Boyneburg

Lit.: Diehl, T., Adelsherrschaft im Werra­raum, 2010; Eckhardt, W., Reichsministerialen der Boxneburg, ZRG GA 129 (2012), 377

Bozen

Lit.: Die Bozner Handelskammer vom Merkantil­magistrat bis zur Gegenwart, 1981; Das Urbar des Heilig-Geist-Spitals zu Bozen von 1420, bearb. v. Schneider, W., 2003; Obermair, H., Bozen Süd – Bolzano Nord. Schriftlichkeit und urkundliche Überlieferung, Bd. 1 2005

Brabant ist das aus dem fränkischen Gau Bracbantum im Nordwesten (um Brüssel) unter den Grafen von Löwen (um 1188 Herzöge von B.) entstandene, sich vom Reich ver­selbständigende (1349 Goldene Bulle von Brabant), den Einwohnern in der Blijde Inkomst 1356 die Rechte des Fürsten begrenzende Herzogtum, das nach Johanna von B. (1355-1406) 1390/1430 an →Burgund und nach Maria von Burgund 1477 an →Habsburg (Spanien) kommt. Nach dem spanischen Erbfolgekrieg gelangt es 1723 an Österreich. Nach Ende der 1775 erfolgten Annexion durch Frankreich wird es 1815 Teil der →Niederlande, 1830 mit seinem südlichen Gebiet Teil →Belgiens.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Moll, W., De rechten van den Heer van Bergen op Zoom, 1915; Lousse, E., Les deux chartes romanes brabançonnes du 12 juillet 1314, Bulletin de la Commission royale d’histoire 96 (1932), 1; Sturler, J. de, Les relations politiques et les échanges commerciaux entre le duché de Brabant et l’Angleterre, 1936; Willem van der Tanerijen, Boec van der loopender praktijken der raidtcameren van Brabant, hg. v. Strubbe, E., 1952; Ganshof, F., Brabant, 1938; Middeleeuwe rechtsbronnen van stad en heerlijkheid Breda, hg. v. Cerutti, F., Bd. 1f. 1956ff.; Nikolay, W., Die Ausbildung der ständischen Verfassung in Geldern und Brabant während des 13. und 14. Jahrhunderts, 1985; Geschiedenis van Noord-Brabant, hg. v. Van den Eerenbeemt, H., Bd. 1ff. 1996f; Godding, P., Le Conseil de Brabant sous le règne de Philippe le Bon (1430-1467), 1999; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Geschiedenis van Brabant, hg. v. Van Uytven, R. u. a.,2004; Tigelaar, J., Brabants historie ontvouwd, 2006

bracchium (N.) saeculare (lat.) (der Staat als) weltlicher Arm (der Kirche) (kirchlicher Anspruch auf staatliche Unterstützung 1983 aufgegeben)

Bracton, Henry de (Bratton Fleming in Devon 1210-Exeter 1268) ist nach Aus­bildung zum Priester unter William Raleigh (und dem Studium des weltlichen und kirchlichen Rechtes wohl an der Domschule von Exeter) seit etwa 1229 Schreiber (clerk) eines Richters, seit 1245 reisender Richter, von 1247 bis 1257 Richter am Gericht Coram rege (Court of King’s Bench) und seit 1264 Domkanzler in Exeter. Sein vielleicht nach 1230 von ihm verfasstes oder auch von ihm nur überarbeitetes, durch 48 Handschriften überliefertes, unvollendetes Werk (lat.) →De legibus et consuetudinibus Angliae (Über Gesetze und Gewohnheiten Englands) bietet auf Grund einer Sammlung von etwa 2000 am ehesten in die Jahre zwischen 1220 und 1240 gehörenden Urteilen (precedents) des Königsgerichts die beste Darstellung des englischen →common law des Mittelalters. Der Traktat gliedert sich nach Personen, Sachen und Klagansprüchen. Im dritten Teil behandelt er an Hand der verschiedenen Klageformeln (writs) das Privatrecht, Strafrecht und Lehnrecht. Eine gezielte Romanisierung des englischen Rechtes durch B. ist nicht erweislich.

Lit.: Bractons Note Book, hg. v. Maitland, F., 1887; Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 2 4. A. 1936, 230; Peter H., Actio and writ, 1957; Fesefeldt, W., Englische Staatstheorie des 13. Jahrhunderts, 1962; Richardson, H., Bracton, the problem of his text, 1965; Bracton, hg. v. Woodbine, G., übers. v. Thorne, S., 1968; Thorne, S., Henry de Bracton 1268-1968, 1970

Brand von Tzerstede (Lüneburg um 1400-Lünenburg 3. 10. 1451), Patrizierssohn, wird nach dem Studium des Rechtes in Leipzig (1414, 1417 baccalaureus) Ratsherr in Lüneburg. Er verfasst die in zwei Hand­schriften und einem Fragment überlieferte, 1442 abgeschlossene Glosse zur Vorrede des Sachsenspiegels von der Herren Geburt und nach eigener Angabe weitere Glossierungen.

Lit.: Glossen zum Sachsenspiegel-Landrecht Buch’­sche Glosse, hg. v. Kaufmann, F., 2002, 124ff.

Brandenburg ist die nach der slawischen Brennaburg (928/929, 948 Bistum, 983 Slawenaufstand) benannte Mark ([3. 10.] 1157) östlich der Elbe. Nach den Askaniern (1134-1319, 1165 Wiederbegründung des Bistums), Wittelsbachern, Luxemburgern (1375 Landbuch der Mark Brandenburg) gelangt es als Kurfürstentum (1356) an die Hohenzollern (1411/1417). 1473 legt die →Dispositio Achillea des Markgrafen Albrecht Achilles die Unteilbarkeit fest (1506 Universität Frankfurt an der Oder, 1516 Kammergericht in Berlin). 1614 fallen Kleve, Mark und Ravensberg an, 1618 →Preußen als Lehen Polens. Seit 1701 tritt B. hinter den Namen Preußen zurück. 1947 wird Preußen aufgelöst. Der 1945 unter Verwaltung Polens gestellte Teil Brandenburgs östlich der Oder und Neiße wird 1990 Polen zugeteilt. Der Versuch der Vereinigung des Bundeslands B. mit Berlin scheitert bei einer Volksabstimmung am 5. 5. 1996.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stölzel, H., Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, Bd. 1f. 1888; Urkundliches Material aus den Brandenburger Schöppenstuhlsakten, hg. v. Stölzel, A., 1901; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, 1901f.; Spangenberg, H., Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg im Mittelalter, 1908; Perels, K., Die allgemeinen Appellationsprivlegien für Brandenburg-Preußen, 1908; Altmann, W., Ausgewählte Urkunden zur brandenburgisch-preußischen Verfassungs- und Ver­waltungsgeschichte, 2. A. 1914; Hintze, O., Die Hohenzollern und ihr Werk, 1915, Neudruck 1980; Caemmerer, H. v., Die Testamente der Kurfüsten von Brandenburg, 1915; Luck, W., Die Prignitz, 1917; Werminghoff, A., Ludwig von Eyb der Ältere (1417-1502), 1919; Gley, W., Die Besiedlung der Mittelmark, 1926; Acta Brandenburgica, Bd. 1ff. 1927ff.; Tschirch, O., Geschichte der Chur- und Hauptstadt Brandenburg an der Havel, 1928; Schulze, B., Brandenburgische Landesteilungen, 1928; Schulze, B., Die Reform der Verwaltungsbezirke in Brandenburg und Pommern 1809-1918, 1931; Erläuterungen zur brandenbur­gischen Kreiskarte von 1815, v. Schulze, B., 1933; Die alten und neuen brandenburgischen Kreise nach dem Stande von 1815, bearb. v. Curschmann, F. u. a., 1933; Brandenburgische Ämterkarte, bearb. v. Schulze, B., 1935; Schulze, B., Besitz- und siedlungsgeschichtliche Statistik der brandenburgischen Ämter und Städte, 1935; Das Landregister der Herrschaft Sorau von 1381, hg. v. Schultze, J., 1936; Oestreich, G., Der bran­denburgisch-preußische geheime Rat, 1937; Ruppel-Kuhfuß, E., Das Generaldirektorium unter der Regierung Friedrich Wilhelms II., 1937; Das Landbuch der Mark Brandenburg von 1375, hg. v. Schultze, J., 1940; Buchda, G., Über die verlorenen hallischen Konstitutionen zum Landrecht der Kurmark Brandenburg (1714), ZRG GA 69 (1952), 385; Die Mark Brandenburg, hg. v. Schultze, J., Bd. 1ff. 1961, 2. A. 1989, 3. A. 2004, 4. A. 2010; Schultze, J., Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, 1964 (Aufsätze); Hoppe, W., Die Mark Brandenburg, Wettin und Magdeburg, 1965 (Aufsätze); Engel, E./Zientara, B., Feudalstruktur, Lehnbürgertum und Fernhandel im spätmittelalterli­chen Brandenburg, 1967; Geschichte von Brandenburg und Berlin, Bd. 3, hg. v. Herzfeld, H., 1968; Harnisch, H., Die Herrschaft Boitzenburg, 1968; Schmidt, E., Markgraf Otto I. von Brandenburg, ZRG GA 90 (1973), 1; Schmidt, E., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf von 1594, 1973; Podehl, W., Burg und Herrschaft in der Mark Brandenburg, 1975; Ein sonderbares Licht in Teutschland, hg. v. Heinrich, G., 1990; Branden­burgische Geschichte, hg. v. Materna, I./Ribbe, W., 1995; Justiz in Stadt und Land Brandenburg, hg. v. Clavée, K., 1998; Geschichte der brandenburgischen Landtage, hg. v. Adamy, K. u. a., 1998; Pohl, D., Justiz in Brandenburg 1945-1955, 2001; Das Domstift Brandenburg und seine Archivbestände, bearb. v. Schößler, W., hg. v. Neitmann, K., 2005; Beck, F., Regesten der Urkunden Kurmärkische Stände (Rep. 23 A), 2006; Partenheimer, L., Die Entstehung der Mark Brandenburg, 2007; Scheffczyk, F., Der Provinzialverband der preußischen Provinz Brendenburg 1933-1945, 2008; Baumgart, P., Brandenburg-Preußen unter dem Ancien régime, hg. v. Kroll, F., 2009; Wie die Mark entstand, hg. v. Müller, J., 2009; Müller, M., Besiegelte Freund­schaft - Die brandenburgischen Erbeinungen, 2010

brandenburgischer Landrechtsentwurf →Köppen

Brandileone, Francesco (Buonabitacolo 1858-Neapel 1929) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Neapel Professor für italienische Rechtsgeschichte in Macerata, Sassari, Parma, Bologna und Rom.

Brandmarken ist das schon den Römern (für Sklaven und Abhängige, Verbot der B. ins Gesicht durch Kaiser Konstantin) bekannte Kennzeichnen eines Täters durch Brandzeichen auf die Hand oder in das Gesicht (oder Verstümmeln), das sich 726 bei den Langobarden (für rückfällige Diebe) und trotz Ablehnung durch die Aufklärung noch 1787 in Österreich, 1813 in Bayern und 1810 und 1832 in Frankreich findet (Verbot in England 1829, Frankreich 1834, Frankfurter Paulskirchenverfassung 1849 § 139).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 495; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 530, Neudruck 1964; Chen, Y., Probleme der Strafe der Brandmarkung, 1948; Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1 1954; Cate, C. ten, Tot glorie der gerechtigheit, 1975; Hattenhauer, H., Die Brandmarkung in das Gesicht, 1994

Brandstiftung ist das Inbrandsetzen einer (fremden) Sache. Die B. ist in Rom eine Straftat, auf die der Feuertod steht. Im Mittelalter wird sie wegen ihrer Bedeutung in der →Fehde eher gering gebüßt. Gottesfrieden (z. B. 1083) und Landfrieden lehnen sie ab. Der Sachsenspiegel (1221-1224) kennt Enthauptung oder (bei Mordbrand) Rädern als ihre Strafen (ähnlich sog. Treuga He[i]nrici von 1224), die (lat.) Constitutio (F.) Criminalis Carolina (1532, Art. 126) Feuertod (bei boshaftiger B.), das preußische Allgemeine Landrecht (1794) Enthauptung und Feuertod. Die fahrlässige B. wird schon früh gesondert behandelt. Seit dem 19. Jh. werden allgemein unterschied­liche Begehungsformen unterschieden.

Lit.: Kaser §§ 36, 50; Kroeschell, DRG 1, 2; Osenbrüggen, E., Die Brandstiftung, 1854; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 348; Geerds, F., Die Brandstiftungsdelikte, 1962; Timcke, G., Der Straftatbestand der Brandstiftung, Diss. jur. Göttingen 1965; Spicker-Beck, M., Räuber, Mordbrenner, umschweifendes Gesind, 1995; Birklbauer, A. u.,a., Die Entwicklung der Strafpraxis bei Brandkriminalität, 2010

Brant, Sebastian (Straßburg 1457/1458-Straßburg 10. 5. 1521), Gastwirtssohn, wird nach dem Rechtsstudium (1477) in Basel Professor (1489 Dr. iur. utr.), lehrt seit 1483 römisches Recht, kirchliches Recht und Poetik, wechselt aber als Folge der Annäherung Basels an die Eidgenossen 1501 als Syndicus (bzw. 1503 Stadtschreiber) nach Straßburg. Neben (lat. [F.Pl.]) Expositiones [1490, Ausstellungen, ein Anfängerlehrbuch], 36 Auflagen) veröffentlicht er im Rahmen der populären Literatur eine Bearbeitung von Tenglers →Laienspiegel von 1495 (1509) und des →Klagspiegels (Conrad Heydens, † 1443/1444) (Neuausgabe 1516) sowie die Satire Narrenschiff (1494).

Lit.: Köbler, DRG 143; Staehelin, A., Sebastian Brant, (in) Professoren der Universität Basel, 1960, 18; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962, 127; Knape, J., Dichtung, Recht und Freiheit, 1992; Sebastian Brant, hg. v. Wilhelmi, T., 2002

Brasilien ist der portugiesischsprachige und größte Staat Südamerikas. Sein Recht ist stark durch die Kodifikationen Frankreichs be­einflusst. 2002 wird ein neues Zivil­ge­setz­buch geschaffen, welches das Handelrecht einbezieht, das Verbraucher­schutzrecht aus­glie­dert und einen Allgemeinen Teil voran­stellt.

Lit.: Schmidt, J., Zivilrechtskodifikation in Brasilien, 2009

Brauchtum ist die Gesamtheit der tatsächlich innerhalb einer Menschenmehr­heit geübten sozialverträg­lichen Verhal­tens­weisen. Das B. weist viele Beziehungen zum Recht auf (z. B. Weistümer). Insbesondere kann das Recht das B. beeinflussen.

Lit.: Köbler, DRG 5; Sartori, P., Sitte und Brauch, 1910; Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und Hochzeit, 1914; Künßberg, E. Frhr. v., Rechtsbrauch und Kinderspiel, 1920 (SB Heidelberg), 2. A. 1952; Künßberg, E. v., Rechtliche Volkskunde, 1936; Becker, A., Frühlingsbrauch und Sonnenkult, 1937; Fehrle, E., Deutsche Hochzeitsbräuche, 1937; Zipperer, F., Das Haberfeldtreiben, 1938; Lippert, E., Glockenläuten als Rechtsbrauch, 1939; Müller, G., Der Umritt, 1941; Dörrer, A., Brotspenden als Verlöbnis und Gemeinschaftsbrauch, ZRG GA 74 (1957), 266; Erler, A., Burschenbrauchtum vor den Schranken des Ingelheimer Oberhofes, ZRG GA 79 (1962), 254; Schädler, K., Die Lederhose in Bayern und Tirol, 1962; Brückner, W., Bildnis und Brauch, 1966; Cromberg, H., Die Knabenschaftsstatuten der Schweiz, (um 1976); Schieder, E., Das Haberfeldtreiben, 1983; Deimling, B., Ad rufam ianuam, ZRG GA 115 (1988), 498; Becker-Huberti, M., Lexikon der Bräuche und Feste, 2000; Althoff, G., Die Macht der Rituale, 2003; Rechtssymbole und Wertevermittlung, hg. v. Schulze, R., 2004

Brauen ist das Herstellen von Bier aus Getreide und Wasser(, 12. Jh. Hopfen und in der Neuzeit Hefe). Es ist bereits dem Altertum bekannt und findet sich in den Grundherrschaften seit dem Frühmittelalter (1040 Bischof von Freising für Weihen­stephan). In der hochmittelalterlichen Stadt entwickelt es sich zum verrechtlichten Gewerbe. Die Herzöge von Bayern be­schränken die Bierherstellung auf Gerste, Hopfen und Wasser (1493/1516, Reinheits­gebot, vgl. 1906 Biersteuergesetz § 9 I). Seit der Einführung der Gewerbefreiheit im frühen 19. Jh. entstehen Bierfabriken, die als Groß­brauereien die Hausbrauereien ver­drängen.

Lit.: Brinkmann, H., Das Brauwesen der kaiserlich freien Reichsstadt Goslar, 1925; Schlosser, H., Braurechte, Brauer und Braustätten in München, 1981; Heckel-Stehr, K., Brauwesen in Bayern, 1988; Blanckenberg, C. v., Die Hanse und ihr Bier, 2001

Braunschweig an der Oker wird 1031 erstmals erwähnt und wächst aus fünf älteren Siedlungen (Altstadt, Neustadt E. 12. Jh., Sack 2. H. 13. Jh., Hagen um 1160, Altenwiek) zusammen. Schon früh steht der Ort unter der Herrschaft der Welfen, deren Reichsfürstentum von 1235 nach B. und Lüneburg benannt wird. Die zeitweise ziemlich selbständige Stadt, die 1227 das Hagenrecht und das sog. Ottonianum (mnd.) aufzeichnet, 1402 den Rechtsstoff neu ordnet und 1532 ihre Statuten einer 1675 aufgehobenen Reformation unterzieht, geht 1671 an das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel über und gelangt, wirtschaftlich mehr und mehr von Hannover und Magdeburg überholt, 1946 mit dem Land B. an Niedersachsen.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch der Stadt Braunschweig, bearb. v. Dolle, J. u. a., Bd. 1ff. 1874ff. (Bd. 5 1994, Bd. 8 1388-1400 2008); Hanselmann, L., Die ältesten Stadtrechte Braun­schweigs, Hans. Geschbll. 1892, 3; Frensdorff, F., Das braunschweigische Stadtrecht bis zur Rezeption, ZRG GA 26 (1905), 195; Merkel, J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem einheimischen Rechte in Braunschweig-Lüneburg, 1904; Fahlbusch, O., Die Finanzverwaltung der Stadt Braunschweig, 1913; Busch, F., Beiträge zum Urkunden- und Kanzleiwesen der Herzöge zu Braunschweig und Lüneburg, 1921; Hüttebräuker, L., Das Erbe Heinrichs des Löwen, 1927; Wolters, G., Das Amt Friedland und das Gericht Leineberg, 1927; Meier, P., Der Streit Herzog Heinrichs des Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel mit der Reichsstadt Goslar, 1928; Kleinau, H., Der Grundzins in der Stadt Braunschweig, 1929; Willecke, R., Das eheliche Güterrecht im Braunschweiger Stadtrecht, 1929; Timme, F., Die wirtschafts- und verfassungsgeschicht­lichen Anfänge der Stadt Braunschweig, 1931; Germer, H., Die Landgebietspolitik der Stadt Braunschweig, 1937; Spieß, W., Die Heerstraßen auf Braunschweig, 1937; Spieß, W., Die Ratsherren der Hansestadt Braunschweig 1231-1671, 1940; Querfurth, H., Die Unterwerfung der Stadt Braunschweig im Jahre 1671, 1953; Beiträge zur Geschichte des Gerichtswesens im Lande Braunschweig, hg. v. Spieß, W., 1954; Piper, H., Testament und Vergabung von Todes wegen, 1960; Diestelkamp, B., Die Städteprivilegien Herzog Ottos des Kindes, 1961; Moderhack, R., Hundert Jahre Stadtarchiv und Stadtbibliothek, 1961; Spieß, W., Geschichte der Stadt Braunschweig im Nachmittelalter, 1966; Kleinau, H., Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig, 1967, 1968 (2425 Namen); Pitz, E., Landeskulturtechnik, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privat­rechtsgeschich­te, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2903; Garzmann, M., Stadtherr und Gemeinde in Braunschweig, 1976; Lockert, M., Die nieder­sächsi­schen Stadtrechte, 1978; Petersen, W., Verzeichnis der Einblattdrucke und Handschriften, 1984; Rat und Verfassung im mittelalterlichen Braunschweig, 1986; Bringmann, W., Die braunschweigische Thronfolgefra­ge, 1988; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im Justizstaat, 1995; Hanse - Städte - Bünde, hg. v. Puhle, M., 1996; Hackel, C., Der Untergang des Landes Braunschweig, 2000; Die braunschweigische Landesgeschichte, hg. v. Jarck, H. u. a., 2000; Ohm, M., Das Braunschweiger Altstadtrathaus, 2002; Justiz und Anwaltschaft in Braunschweig, hg. v. Isermann, E. u. a., 2004; Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des braunschweigischen Landes vom Mittelalter bis zur Gegenwart, hg. v. Leuschner, J. u. a., 2008; Weglage, S., Menschen und Vermächtnisse, 2011; Gudladt, K., Rechtswissenschaften an der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, 2013

Braurecht ist das das Brauen betreffende Recht.

Lit.: Peterka, O., Die bürgerlichen Braugerechtigkeiten in Böhmen, 1917; Schlosser, H., Braurechte, Brauer und Braustätten in München, 1981

Braut (8./9. Jh.) ist zunächst die neuver­mählte junge Frau und erst in jüngerer Zeit die durch ein Heiratsversprechen erst zur Eheschließung verpflichtete Frau.

Lit.: Köbler, WAS; Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch, 1910; Die Braut, hg. v. Völger, G. u. a., 1985

Brautkind ist das Kind einer (unverhei­rate­ten) Braut. Es ist unehelich, kann aber in­nerhalb der unehelichen Kinder eine bessere Rechtsstellung haben.

Brautlauf ist die im 13. Jh. im Deutschen erloschene Bezeichnung für die Hochzeit.

Lit.: Krogmann, W., Brautlauf und Braut, Wörter und Sachen 16 (1934), 81

Bregenz

Lit.: Helbok, A., Die Bevölkerung der Stadt Bregenz, 1912

Breisach

Lit.: Beyerle, Franz, Das älteste Breisacher Stadtrecht, ZRG GA 39 (1918), 318; Haselier, G., Geschichte der Stadt Breisach am Rhein, 1969

Bremen (782) südlich der Wesermündung wird 787/789 Sitz eines Bischofs bzw. 845/864 eines Erzbischofs. Im 13. Jh. löst sich B. von der Herrschaft des Bischofs. Wahrzeichen wird der Roland. B. wird Mitglied der Hanse. 1303/1304 wird das Recht aufgezeichnet. 1541/1646 wird die Reichs­freiheit erlangt, die sich in der Stellung als Mitglied des Deutschen Bundes (1815) und als Land im Deutschen Reich (1871) und in der Bundesrepublik Deutschland (1949) fortsetzt. 1970 entsteht in B. eine Universität.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bremisches Urkundenbuch, Bd. 1ff. 1873ff.; Kühtmann, A., Die Romanisierung des Zivilprozesses in der Stadt Bremen, 1891; Kühtmann, A., Geschichte der bremischen Stadtvogtei, 1900; Rehme, P., Über das älteste bremische Grundbuch (1438-1558), 1908; Gattjen, B., Der Rentenkauf in Bremen, 1928; Eckhardt, K., Die mittelalterlichen Rechtsquellen der Stadt Bremen, 1931; Das bremische Stadtrecht von 1303/08, hg. v. Eckhardt, K., 1931; Haase, C., Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts, 1953; Hinte, P., Die hannoversche Gerichtsbarkeit in der Stadt Bremen von 1720-1803, Diss. jur. Göttingen 1957; Merker, O., Die Ritterschaft des Erzstifts Bremen im Spätmittelalter, 1969; 2; Lorenz, G., Das Erzstift Bremen und der Administrator Friedrich, 1969; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2905; Schwarzwälder, H., Geschichte der freien Hansestadt Bremen, Bd. 1ff. 1975ff.; Barkhausen, W., Erzbischof Adaldag und König Harald Gormsson, ZRG GA 111 (1994), 363; Kessler, A., Die Entstehung der Landesverfassung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1996; Bremer Freiheiten, bearb. v. Gerstenberger, H., 1997; Schwarzwälder, H., Das große Bremen-Lexikon, 2000; 700 Jahre Bremer Recht 1303-2003, hg. v. Elmhäuser, K., 2003; Kähler, J., Französisches Zivilrecht und französische Justizverfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815), 2007; Elmshäuser, K., Geschichte Bremens, 2007

Bremgarten

Lit.: Bürgisser, E., Geschichte der Stadt Bremgarten, 1937

Breslau an der Oder erscheint im 10. Jh. als befestigte Siedlung und wird 1000 Sitz eines Bischofs. Seit 1163 ist es in Niederschlesien Sitz eines Herzogs aus der Familie der Piasten. 1225 erhält es eine Marktsiedlung nach deutschem Recht, 1241 deutsches Recht. (1261 Magdeburger Recht). 1335 gelangt B. an Böhmen. In der Mitte des 14. Jh. wird ein zunächst unsystematisches, gegen 1370 sys­tematisiertes Stadtrechtsbuch zusammenge­stellt. Am Ende des 15. Jh. entstehen die Rechtsbücher Der rechte Weg und Remissorium. B. wird Oberhof für mindestens 65 Städte. 1505 missglückt eine Universitätsgründung. 1526 fällt B. mit Böhmen an Österreich. 1702 wird eine Uni­versität eingerichtet (1811 zur Schlesischen Universität umgestaltet). 1741 wird B. von Preußen erobert. Am Anfang des Jahres 1933 waren an der juristischen Fakultät tätig Eugen Rosenstock-Huessy, Ernst Cohn, Hans Albrecht Fischer, Theodor Süss, Walter Schmidt-Rimpler, Johannes Nagler, Arthur Wegner, Hans Helfritz, Heinrich Pohl, Ludwig Waldecker (Axel Freiherr von Freytag-Loringhoven und Friedrich Schön­dorf). Über Preußen gelangt B. nach 1945 an Polen. →Breslauer Landrecht

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Laband, P., Das Magdeburg-Breslauer systematische Schöffenrecht, 1863; Breslauer Urkundenbuch, hg. v. Korn, G., 1870; Goerlitz, T., Die Übertragung liegenden Gutes, 1906; Rehme, P., Über die Breslauer Stadtbücher, 1909; Pfitzner, J., Besiedlungs-, Verfassungs- und Verwaltungs­geschichte des Breslauer Bistumslandes, 1926; Pfeiffer, G., Das Bres­lauer Patriziat, 1929; Goerlitz, T., Die Breslauer Rechtsbücher des 14. Jahrhunderts, ZRG GA 59 (1939), 136; Lindgren, E., Die Breslauer Strafrechtspflege, 1939; Hermann, E., Das Abgabenrecht der Stadt Breslau, 1941, Goerlitz, T., Verfassung, Verwaltung und Recht der Stadt Breslau, hg. v. Petry, L., 1962; Rabe, C., Alma mater Leopoldina, 1999; Encyklopedia Wroclawia (Enzyklopädie Breslaus), hg. v. Harasimowicz, J., 2000; Der rechte Weg, hg. v. Ebel, F., 2000; Quellenbuch zur Geschichte der Universität Breslau 1702 bis 1811, hg. v. Conrads, N., 2002; Davies, N. u. a., Die Blume Europas, 2002; Eschenloer, P., Geschichte der Stadt Breslau, hg. v. Roth, G., 2003; Thum, G., Die fremde Stadt, 2003; Quellenbuch zur Geschichte der Universität Breslau 1702 bis 1811, hg. v. Conrads, N. u. a., 2004; Ditt, T., Die Stoß­truppfakultät Breslau, 2010; Garber, K., Das alte Breslau, 2014

Breslauer Landrecht ist die durch König Johann von Böhmen veranlasste, in 351 Kapitel mit 13 Anhangskapiteln gegliederte, im Fürstentum Breslau und Teschen gebrauchte Bearbeitung des Landrechts des →Sachsenspiegels (1346/1356).

Lit.: Köbler, DRG 103; Gaupp, E., Das schlesische Landrecht, 1828, Neudruck 1966; Goerlitz, T., Die Breslauer Rechtsbücher, ZRG 59 (1934), 155; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 30

Bretagne ist die schon früh von Kelten besiedelte westliche Halbinsel Westeuropas, die 56 v. Chr. von Caesar unter die Herrschaft der Römer gebracht wird. Vom 5. Jh. n. Chr. an wandern keltische Briten von Britannien aus ein, die unter die Herrschaft der Franken geraten. Um 845/846 wird die B. vom fränkischen Reich unabhängig, steht bald aber wieder unter französischer und seit 1113 englischer Lehnsherrschaft. Zwischen 1312 und 1325 wird die (franz.) Très ancienne coutume de B. (Sehr alte Gewohnheit der B.) aufgezeichnet. 1515 wird die B. Krondomäne Frankreichs.

Lit.: La très ancienne coutume de Bretagne, hg. v. Planiol, M., 1896; Poisson, H., Histoire de la Bretagne, 1966; Fleuriot, L., Les origines de la Bretagne, 1980

Breviarium (N.) Alarici (lat.) ist die vom Westgotenkönig Alarich II. vor 507 geschaffene Kurzfassung des nachklassischen römischen Rechtes, die für die Romanen im westgotischen Reich gilt und bis in das Hochmittelalter Bedeutung behält. →Lex Romana Visigothorum

Lit.: Söllner § 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 53, 82; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953

Brevium exempla (lat. [N.Pl.]) ist die moderne Bezeichnung eines frühmittelalterlichen Güterverzeichnisses (825-850) für königliche Güter in Staffelsee, Weißenburg und bei Lille.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960, 18

Briand-Kellogg-Pakt →Kellogg-Pakt

Brief (aus lat. breve, kurze [Mitteilung]) ist die (kurze) schriftliche, später durch einen Umschlag verschlossene Mitteilung. In Hessen wird 1831 das Briefgeheimnis erstmals durch die Verfassung geschützt. Die unerlaubte Öffnung eines fremden Briefes ist ein Straftatbestand.

Lit.: Die Tegernseer Briefsammlung des 12. Jahrhunderts, hg. v. Plechl, H., 2002; Schaller, H., Handschriftenverzeichnis zur Briefsammlung des Petrus de Vinea, 2002; Furger, C., Briefsteller, 2009

Briefadel ist der durch Urkunde erlangte Adelsstand und die Gesamtheit der durch Urkunde in den →Adel erhobenen Menschen. B. ist seit 1346 unter französischem Einfluss möglich (bis 1918).

Lit.: Köbler, DRG 98

Briefgeheimnis ist die Geheimheit der in einem Brief (Schriftstück) nieder­geschriebenen Gedanken eines Menschen. Bereits im römischen Recht (Lex Cornelia) ist das unbefugte Öffnen von Urkunden mit Strafe bedroht. Mittelalterliche Botenord­nungen und frühneuzeitliche Landesord­nungen (Tirol 1532) schützen Briefe. II 10 § 1370 ALR (1794) stellt das unerlaubte Er­öffnen von Briefen überhaupt unter Strafe. Der verfassungsrechtliche Schutz des Briefgeheimnisses ist eine Errungenschaft des 19. Jh.s (Kurhessen 1831 § 38).

Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Geschichte der deutschen Post, hg. v. Sautter, K., Teil 1ff. 1928ff.; Krauß, M., Das kursächsische Postrecht, 1998; Vellusig, R., Geschichte des Briefes, 2000

Briefmarke ist das als Quittung für vorausgezahlte Postbeförderungsgebühr verkaufte aufklebbare Wertzeichen. Die B. ist Inhaberpapier (Josef Kohler, § 807 BGB), wobei streitig ist, ob sie amtliches →Wertzeichen (§ 148 StGB) ist. Rechtstatsächlich werden am 21. 9. 1847 die ersten (blauen) Briefmarken der briti­schen Kornkolonie Mauritius ausgegeben, deren beide  Exemplare für 1 Penny und 2 Pence 1993 für etwa 5 Millionen Euro versteigert werden.

Lit.: Weipert, S., Die Rechtsnatur der Briefmarke, Diss. jur. Kiel 1996; Bohnert, J., Briefmarkenfälschung, NJW 1998, 2879

Bringschuld ist die am Wohnsitz des Gläubigers zu erbringende Schuld. Da Abgaben in der Regel beim Berechtigten abzuliefern sind, ist die B. schon im Frühmittelalter weit verbreitet. Ihre Bedeutung wächst nach dem Aufkommen der Geldwirtschaft.

Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, § 28

Brinz, Alois Ritter von (Weiler im Allgäu 25. 2. 1820-München 13. 9. 1887), Sohn eines Landgerichtsaktuars, wird nach dem Studium von Sprachen und Recht in München und Berlin 1851 außerordentlicher Professor und 1854 ordentlicher Professor in Erlangen, Prag (1857), Tübingen (1866) und München (1871). Sein wichtigstes Werk ist ein Pandek­tenlehrbuch (1857ff.), in dem er die juristische Person als Zweckvermögen ver­steht.

Lit.: Rascher, J., Die Rechtslehre des Alois von Brinz, 1975

Britannien →Brite

Brite ist der Angehörige eines keltischen, die britischen Inseln bewohnenden Volkes, das 409 n. Chr. von römischer Herrschaft frei wird, aber wenig später aus nicht im Einzelnen feststellbaren Gründen (Ausrottung bzw. Akkulturation?) gegenüber der Bedrohung durch Angeln, Sachsen und Jüten in die →Bretagne bzw. nach Wales, Cornwall und Schottland zurück­weicht.

Lit.: Ross, A., Pagan Celtic Britain, 2. A. 1974; Brodersen, K., Das römische Britannien, 1998; A Companion to Roman Britain, hg. v. Todd, M., 2004; Birley, A., The Roman Government of Britain, 2005; Creighton, J., Britannia, 2006; Britons in Anglo-Saxon England, hg. v. Higham, N., 2007; Kleinschmidt, H., Migration und Identität, 2009; Hobbs, R./Jackson, R., Das römische Britannien, 2011

Brite →England, Großbritannien, Kelte

Britische Zone ist die 1945 Großbritannien zugeteilte →Besatzungszone Deutschlands. Sie geht am 1. 1. 1947 in der →Bizone auf. Von 1948 bis 1950 kennt sie einen Obersten Gerichtshof.

Lit.: Trittel, G., Die Bodenreform in der britischen Zone 1945-1949, 1975; Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die britische Zone, ZNR 3 (1981), 158

Brixen

Lit.: Fajkmajer, K., Studien zur Verwaltungsgeschichte des Hochstiftes Brixen im Mittelalter, Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs 6 (1909); Schwüppe, H., Das Bürger- und Inwohnerbuch der Stadt Brixen 1500-1709, Diss. phil. Innsbruck 1955 (masch.schr.); Kustatscher, E., Die Städte des Hochstifts Brixen im Spätmittelalter, 2007

Brocarda oder Brocardica (lat. [F.], Herkunft streitig, zu Burchard?, zu pro - contra?, zu mlat. broccus, Adj., hervorstehend, roman. Spieß?) ist im Hochmittelalter die in der Kompilation Justinians noch nicht enthaltene, gelehrte Rechtsregel, aus der man durch logisches Schließen Rechtsfolgen ableiten kann (Pilius, Damasus Boemus um 1215).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Meyer, E., Brocardica, ZRG KA 69 (1952), 453; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Brücke ist die auf Dauer angelegte Verbindung zweier Landgebiete über ein Gewässer durch ein überirdisches Bauwerk. Sie ersetzt die natürliche Furt und die nach Bedarf verkehrende Fähre. Bereits die Römer hatten eine hoch entwickelte Brückenbau­kunst.

Lit: Cooper, A., Bridges, Law and Power in Medieval England, 2006

Bruderschaft (F., ahd.) ist der dem Verhältnis von Brüdern nachgebildete Verband von Priestern oder Handwerkern

Lit.: Hinojosa, E. de., La fraternidad artificial en España, Revista de Archivos 1905; Moeller, E. v., Die Elendenbrüderschaften 1906; Le mouvement confraternel, 1987; Einungen und Bruderschaften in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Johanek, P., 1993; Rosenplenter, K., Saeculum pium, 2003; Mittelalterliche Bruderschaften in europäischen Städten, hg. v. Escher-Apsner, M., 2009; Laqua, B., Bruderschaften und Hospitäler während des hohen Mittelalters, 2011

Brügge in Flandern wird trotz römischer Vorläufersiedlung erst im 11. Jh. als Sitz flämischer Grafen bedeutsam. 1127 erhält es Stadtrechte. Im Hochmittelalter wird es durch Handel reich. Trotz wirtschaftlichen Nieder­gangs wird es 1559 Bischofssitz.

Lit.: Van Houtte, J., De geschiedenis van Brugge, 1982; Murray, J., Bruges, Cradle of Capitalism, 2005

Brünn in Südmähren ist der seit 800 erscheinende, im Hochmittelalter von Deutschen aufgesiedelte Ort, der 1243 das Stadtrecht von →Iglau erhält. Brünner Schöffenbuch ist ein von einem Stadtschreiber Johann(es) (von Gelnhausen) (1343-1387) in Brünn um 1350 verfasstes, sachlich-alphabetisch von (lat. [F.Pl.]) actiones (Klagansprüche) bis vulnera (Wunden) geordnetes →Rechtsbuch in 730 Artikeln, das (etwa mit der Wendung lex dicit, das Gesetz besagt) in das einheimische deutsche Recht einzelne römisch-rechtliche Zutaten einfügt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bretholz, B., Geschichte der Stadt Brünn, 1911, Schubart-Fikentscher, G., Das Brünner Schöffenbuch, DA 1 (1937), 457; Schubart-Fikentscher, G., Römisches Recht im Brünner Schöffenbuch, ZRG GA 65 (1947), 86; Weizsäcker, W., Wien und Brünn in der Stadtrechtsgeschichte, ZRG GA 70 (1953), 125; Flódr, M., Právni kniha města Brna z poloviny 14. století 1 (Das Rechtsbuch der Stadt Brünn aus der Mitte des 14. Jahrhunderts 1), 1990ff.; Der Brünner Todesmarsch 1945, hg. v. Hertl, H. u. a., 1998; Lexikon bedeutender Brünner Deutscher, hg. v. Fehige, C. u. a., 2000; Pfeifer, C., Jus regale Montanorum, 2002; Sulitková, L., Vyvoj mestskych knih v Brne, 2004; Flodr, M., Nálezy Brněnského městského práva, 2007; Jan z Gelnhausenu, Příručka práva městského (Manipulus vel directorium iuris civilis). K vydání připravil Flodr, Miroslav [Johann von Gelnhausen, Handbuch des Stadtrechts >Manipulus vel directorium iuris civilis<, hg. v. Flodr, M., 2008

Brunnemann, Johann (Cölln bei Berlin 7. 4. 1608-Frankfurt an der Oder 15. 12. 1672), Pfarrerssohn wird nach dem Studium der Theologie in Wittenberg (1627) und in Frankfurt an der Oder (1632) dort 1636 ordentlicher Professor der Logik. 1638 promoviert er zum Dr. iur. utr. und wird 1640 Professor der Institutionen, dann der Pandekten, des Codex und der Dekretalen und 1653 Ordinarius. Bedeutsam ist sein Pan­dek­tenkommentar (1670). Kennzeichnend ist sein Übergang von der exegetischen zur synthe­tisch-praktischen Stoffdarstellung. Nach­hal­tige Wirkung erzielt er mit seinem (lat.) Tractatus (M.) iuridicus de inquisitionis processu (Rechtlicher Traktat über den Inquisitionsprozess) von 1648.

Lit.: Hornung-Grove, M., Beweisregeln im Inquisitionsprozess, Diss. jur. Göttingen 1974

Brunnen ist die meist eingefasste Stelle zur Entnahme (möglichst reinen) Wassers. An Brunnen können unterschiedliche Rechte bestehen. Seit dem 19. Jh. sind die einzelnen B. allmählich weitgehend durch öffentlich verwaltete Wasserleitungen ersetzt.

Lit.: Spindler, H., Der Brunnen im Recht, Diss. jur. Heidelberg 1938; zum allgemeinen statt nutzen, hg. v. Rippmann, D. u. a., 2008

Brunner, Heinrich (Wels 21. 6. 1840-Bad Kissingen 11. 8. 1915) wird nach dem Rechts­studium in Wien (1864 Institutsprüfungsarbeit über das gerichtliche Exemtionsrecht der Babenberger, 1865 Habilitation über Zeugen und Inquisitionsbeweis der karolingischen Zeit) Professor in Lemberg (ao. 1866, o. 1868), Prag (1870), Straßburg (1872) und Berlin (1873, Nachfolge Homeyer). Unter genauer Quellenkenntnis durchdringt er den geschichtlichen Stoff juristisch und legt nach zahlreichen Einzelarbeiten (z. B. über Schwurgericht, Urkunde, Landschenkung) 1887 den ersten Band seiner die germanische und fränkische Zeit umfassenden deutschen Rechtsgeschichte vor.

Lit.: Köbler, DRG 221; Brunner, H., Forschungen zur Geschichte des deutschen und französischen Rechtes, 1894; Festschrift Heinrich Brunner, 1910; Brunner, H., Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte, 8. A. 1930; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., 1931; Stutz, U., Heinrich Brunner, ZRG GA 36 (1915), IX

Brunner, Otto (Mödling/Niederösterreich 21. 4. 1898-Hamburg 12. 6. 1982) wird nach dem Studium der Geographie und Geschichte in Wien 1931 Professor und nach Erscheinen seines die Bedeutung des geltenden Staatsrechts für das Mittelalter zurück­drängenden, auf Quellenbegriffe setzenden Werkes Land und Herrschaft (1939, 5. A. 1965) von 1942 bis 1945 Leiter des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. 1954 wechselt er nach Hamburg. Gemeinsam mit W. Conze und R. Koselleck veröffentlicht er seit 1972 Geschichtliche Grundbegriffe.

Lit.: Algazi, G., Herrengewalt und Gewalt der Herren im späten Mittelalter, 1996; Deutsche Historiker im Nationalsozialismus, hg. v. Schulze, W. u. a., 1999; Alteuropa oder frühe Moderne?, hg. v. Schorn-Schüttte, L., 1999

Brüssel an der Zenne erscheint am Ende des 7. Jh.s. Es entwickelt sich zum Vorort der burgundischen Niederlande. 1830 wird es Hauptstadt des neuen Königreichs →Belgien. 1834 erhält es eine Universität. Innerhalb der europäischen Gemeinschaften bzw. der Europäischen Union ist die mehrheitlich frankophone Stadt Sitz der Europäischen Kommission.

Lit.: Favresse, F., Le conseil de Bruxelles 1282-1521, Revue Belge de Philologie 9 (1930), 139; Godding, P., Le droit foncier á Bruxelles, 1960; Histoire de Bruxelles, hg. v. Martens, M., 2. A. 1979; Majerus, B., Occupations et logiques policières, 2008; Coppein, B. u. a., Histoire du barreau de Bruxelles - Geschiedenis von de balie van Brussel (1811-2011, 2012

buccellarius (lat. [M.]) „Bissennehmer“, freier [grundsätzlich erblicher] Anhänger eines Herrn (Codex Euricianus [um 475?] 310, Lex Visigothorum [7. Jh.?] V, 3. 1)

Lit.: Claude, D., Adel, Kirche und Königtum im Westgotenreich, 1971; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001

Buch ist das zu einem Band zusammengefasste Schriftstück. Sein Inhalt kann alle Lebensbereiche erfassen. Rechtlich bedeutsam sind etwa Achtbuch, Gesetzbuch, Grundbuch, Lehrbuch, Rechtsbuch oder Stadtbuch. Bereits in der Antike entstehen Buchsammlungen oder Bibliotheken mit bis zu einer halben Million katalogisierter Schriftrollen (Alexandria um 300 v. Chr., um 350 n. Chr. vielleicht 30 öffentliche Bibliotheken in Rom). Mit dem Übergang (von der vielfach in ausgeliehenen Lagen oder [lat.] peciis) abgeschriebenen Handschrift zur Drucktechnik mit beweglichen Lettern (Johannes Gensfleisch genannt Gutenberg [Mainz um 1400-Mainz 3. Februar 1468] in Mainz zwischen 1440 und 1454, 1448?, Beginn mit Kalenderblättern und Sibyllen­weissagungen, ab 1451 42zeilige Bibel mit 48 erhaltenen von ursprünglich 180 mit Hilfe 20er Mitarbeiter gedruckten Exemplaren zu je 1282 Seiten in Mons, Kopenhagen, Aschaffenburg, Berlin, Frankfurt am Main, Fulda, Göttingen, Kassel, Leipzig, Mainz, Mainz, München, Rendsburg, Schweinfurt, Stuttgart, Trier, Paris, Paris, Paris, Saint Omer, Cambridge, Edinburgh, Eton, London, London, London, Manchester, Oxford, Vatikan, Vatikan, Tokio, Wien, Pelplin/Polen, Lissabon, Moskau, Moskau, Cologny/­Schweiz, Burgos, Sevilla, Austin/­Texas, Cambridge/Massachusetts, New Haven/Con­necticut, New York, New York, New York, New York, Princeton, San Mari­no/Kalifornien, Washinghton D. C.) wird es (nach Erstdrucken der Clementinae Mainz 1460, des Liber Sextus Mainz 1465, der Institutiones Mainz 1468, des Liber Extra Straßburg 1468/1471, des Decretum Straß­burg 1471, des Sachsenspiegels Landrecht Basel 1474, des Codex Mainz 1475, des Digestum vetus Rom 1476 und des Infortiatum, Digestum novum 1476) zur Massenware (um 1500 im deutschen Reich 62 Druckorte, rund 29000 Titel in Europa - davon 6000 lateinisch, mit vielleicht 17 Millionen Exemplaren, davon etwa 520000 erhalten -, darunter viele Nachdrucke und Neuauflagen), wobei seit 1473 Bücherverzeich­nisse ge­schaffen werden (Vocabularius juris utriusque [1473], Bertachinus, J., Repertori­um, 1481), seit etwa 1500 Auflagen sich im Inhalt unterscheiden (sog. Inkunabeln, Wiegen­drucke) und im 16. Jahrhundert (um 1525 Schwerpunktver­lagerung nach Lyon, Paris, 1550 Basel, 1570 Frankfurt am Main, Venedig) bereits 70 bis 90 Millionen einzelne Bücher (d. h. fast eine Million einzelne Bücher im Jahr) im deutschen Sprachraum (durch [im 16. und 17. Jahrhundert] mehr als 2662 Buchdrucker in 381 Druckorten mit rund 130000-150000 Drucken, seit 1530 Titelblatt mit Drucker und Druckort durch den Augsburger Reichstag vorgeschrieben, seit 1548 Angabe des Verfassers) hergestellt werden. Zur Sicherung gegen (billigere) Nachdrucke erstreben die Drucker Privilegien von Landesherren mit strafbewehrten Verboten gegen den uner­laubten Nachdruck. Der große Erfolg des Buches verstärkt seit der Reformation (1517) Martin Luthers (1521) die im 13. Jh. beginnende Zensur (Vorzensur, im Heiligen römischen Reich durch einen Bücherkom­missar, in Frankfurt am Main 1579, ab etwa 1700 in Leipzig). Die Zahl der Drucke des 17. Jahrhunderts wird auf 250000 geschätzt, die des 18. Jahrhunderts auf 600000, die des 19. Jahrhunderts auf rund 1,5 Millionen, so dass man mit 17,5 Millionen deutschsprachigen Drucken seit dem 15. Jahrhundert (bis 2007) rechnet. 1871 werden im Deutschen Reich etwa 10750 Bücher und Karten verlegt. Von 1913 bis 2010 erscheinen rund 15 Millionen Drucke, wobei (in Deutschland) 1901 27998 Neuerscheinungen veröf­fent­licht werden, 1990 45000 und 2007 96479. Die Zahl der Einzelexemplare beträgt dabei im Jahr 2005 rund 981 Millionen. Die Zahl allein der rechtswissen­schaft­lichen Monographien steigt zwischen 1952 und 2002 von 667 auf 3634 pro Jahr.

Lit.: Schottenloher, K., Bücher bewegten die Welt - Eine Kulturgeschichte des Buches, Bd. 1f., 1951f. 2. A. 1968; Bieber, H., Die Befugnisse und Konzessionierungen der Münchner Druckereien und Buchhandlungen, Diss. jur. München 1956; Hagemann, H., Rechtswissenschaft und Basler Buchdruck, ZRG GA 77 (1960), 241; Fischel, L., Bilderfolgen im frühen Buchdruck, 1963; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht über Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970; Holthöfer, E., Funktionsweisen gemeinrechtlicher Kommunika­tion, 1972; Presser, H., Buch und Druck, 1978; Eisenstein, E., The Printing Press as an Agent of Change, Bd. 1f. 1979; Röhring, H. Wie ein Buch entsteht, 1983, 8. A. 2008, 9. A. 2011; Lexikon des gesamten Buchwesens, hg. v. Corsten, S., 2. A. 1987; Hoffmann, H., Buchkunst und Königtum, 1986; Bülow, M., Buchmarkt und Autoreneigentum, 1990; Giesecke, M., Der Buchdruck in der frühen Neuzeit, 1991; Rationalisierung der Buchherstellung im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, 1994; Janzin, M./Güntner, J., Das Buch vom Buch, 1995; Laienlektüre und Buchmarkt im späten Mittelalter, hg. v. Kock, T. u. a., 1997; Neddermeyer, U., Von der Handschrift zum gedruckten Buch, 1998; Geschichte der Buchkultur, Bd. 1ff., hg. v. Mazal, O. u. a., 1999; Füssel, S., Gutenberg und seine Wirkung, 1999; Zimmer, D., Die Bibliothek der Zukunft, 2000; Osler, D., Catalogue of Books printed, 2000; Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Jäger, G. u. a., 2001ff.; Haegen, P. van der, Der frühe Basler Buchdruck, 2001; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002; Casson, L., Bibliotheken in der Antike, 2002; Antike Bibliotheken, hg. v. Hoepfner, W., 2002; Hiller, H./Füssel, S., Wörterbuch des Buches, 6. A. 2002, 7. A. 2007; Juristische Buchproduktion im Mittelalter, hg. v. Colli, V., 2002; Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Handbuch der historischen Buchbestände in Österreich, Handbuch deutscher historischer Buchbestände in Europa, 1992ff., CD-ROM-Edition 2003; Agati, M., Il libro manoscritto, 2003; Darnton, R., Die Wissenschaft des Raubdrucks, 2003; Meyer, S., Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck, 2004; Wadle, E., Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz, ZRG GA 122 (2005) 301; Reclams Sachlexikon des Buches, hg. v. Rautenberg, U., 2. A. 2003; Haus- und Familienbücher in der städtischen Gesellschaft, hg. v. Studt, B., 2006; Verbergen – Überschreiben – Zerreißen, hg. v. Körte, M. u. a., 2007; Reske, C., Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet, 2007; Koppitz, H., Die kaiserlichen Druckprivilegien, 2007; Empell, H., Gutenberg vor Gericht, 2008; Löhr, I., Die Globalisierung geistiger Eigentumsrechte, 2010; Mintzel, A., Von der schwarzen Kunst zur Druckindustrie, 2011; Eichacker, T., Die rechtliche Behandlung des Bü­cher­nachdrucks im Nürnberg des 17. Jahrhunderts, 2013; Hauschild, S. Skriptorium - Die mittelalterliche Buchwerkstatt, 2013

Buch, Johann von (um 1290-nach 1356), aus einer seit 1194 als Herren von Buch (bei Tangermünde) bezeugten altmärkischen ritterlichen Familie, ist nach dem Studium in Bologna (1305) Ratgeber und Richter des Markgrafen von Brandenburg (1332 Haupt­mann der Mark, 1336 [lat.] capitaneus [M.] generalis, Generalhauptmann, zwischen 1321 und 1356 in zahlreichen Urkunden belegt). Er teilt das Landrecht des →Sachsenspiegels in drei Teile, versieht es mit einer die Übereinstimmung mit dem römischen und kirchlichen Recht darlegenden Glossierung (buchsche Glosse, Konkordanzliteratur) und verfasst um 1335 den →Richtsteig Landrechts.

Lit.: Steffenhagen, E., Die Entwicklung der Landrechtsglosse des Sachsenspiegels, SB. d. Akad. Wien 114 (1887), 309; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 29; Kannowski, B., Zwischen Appellation und Urteilsschelte - Über das Rechtsdenken des Johann von Buch, ZRG 123 (2006), 110

Buchau

Lit.: Die Urkunden des Stifts Buchau. Regesten 819-1500, bearb. v. Seigel, R. u. a., 2009

Buchda, Gerhard ([Stadt]Roda/Thüringen 22. 10. 1901-Stadtroda/Thüringen 20. 12. 1977), Verwaltungsamtmannssohn, wird nach kauf­männischer Lehre und Studium der Rechts­wissenschaft in Jena (1923-1926) 1930 promoviert (Das Privatrecht Immanuel Kants) und 1934 habilitiert (Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandslehre, betreut von Rudolf Hübner). 1937 wird er zum außer­ordentlichen Professor an die Universität Halle-Wittenberg berufen und 1939 zum ordentlichen Professor ernannt, 1945 entlas­sen. 1949 wird er nach Jena berufen, wo er 1967 emeritiert wird.

Lit.: Lieberwirth, R., Nachruf ZRG GA 95 (1978), 492; Gedächtnisschrift für Gerhard Buchda, hg. v. Krahner, L. u. a., 1997

Bücherkommissar ist der mit der Bücherzensur beauftragte Amtsträger (Universität Köln 1479), dem päpstliche Beauftragte seit dem 13. Jh. (Paris 1323) vorausgehen. 1579 wird für das Reich ein ständiges Bücherkommissariat (Reichsfiskal­prokurator am Reichskammergericht) in Frankfurt am Main eingerichtet (um 1725 dem Reichshofrat angegliedert), das ohne geringe tatsächliche Bedeutung bis 1792 wirkt.

Lit.: Widmann, F., Geschichte des Buchhandels, 1952; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht über Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970

Buchführung Buchhaltung

Buchhaltung ist die Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen eines Unternehmers in Büchern zur Erlangung von Übersicht. Älteste Versuche in dieser Richtung finden sich bereits im 3. vorchristlichen Jahrtausend im vorderen Orient. Im Mittelalter erscheinen die ersten Anfänge unter byzantinisch-arabischem Einfluss in Venedig im 10. Jh. (Genua 1157, Bologna, Lübeck 13. Jh., Regensburg 14. Jh.). Das älteste erhaltene Kaufmannsbuch Oberdeutschlands ist das Schuldbuch der Familie Holzschuher (Nürnberg 1304). Im 14. Jh. entwickelt sich die doppelte Buchführung mit doppelter Eintragung unter Soll und Haben (Genua 1327). Lehrwerke der B. erscheinen seit 1494 (Pacioli, Luca in Venedig). In Frankreich schreiben Ordonnance du commerce (1673) und Code de commerce (1807) Art und Weise der B. vor. Im 19. Jh. führt die Industrialisierung zur technischen Verfeinerung und greift der Staat ordnend ein. Hinter dem privaten Kaufmann bleibt dabei die öffentliche Verwaltung (kameralistische B., Österreich 18. Jh.) je­weils deutlich zurück. Auf Grund Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften wird in Deutschland mit dem Bilanz­richtliniengesetz ein eigenes Buch des Han­delsgesetzbuchs für das Buchführungsrecht und Bilanzrecht geschaffen. Daneben finden internationale Grundsätze vielfache Anerkennung (Gene­rally accepted accounting principles, Inter­national Accounting Standards, International Financial Reporting Standards).

Lit.: Jäger, E., Beiträge zur Geschichte der Doppelbuchführung, 1874; Penndorf, B., Geschichte der Buchhaltung in Deutschland, 1913; Sykora, G., System und Methoden der Buchführung, 1952; Melis, F., Aspetti della vita economica medievale, 1962; Thomson, H. u. a., Foreign Books in Bookkeeping and Accounts, 1968; Edwards, J., A History of Financial Accounting, 1989; Weiss, S., Buchhaltung und Rechnungswesen des Avignoneser Papsttums (1316-1378), 2003

Bückler, Johannes Schinderhannes

Budaeus →Budé

Budapest an der Donau entsteht 1872 durch Zusammenlegung der auf antiken Grundlagen ruhenden, 1148 erstmals erwähnten Städte Buda (Ofen) und Pest (kurz nach 1230 deutsche Gründung), die 1526 bzw. 1541 von den Osmanen erobert werden (bis 1686). 1635 wird eine Universität eingerichtet. 1872 wird B. Hauptstadt der transleithanischen Reichs­hälfte Österreich-Ungarns, 1918 Hauptstadt Ungarns.

Lit.: Das Ofner Stadtrecht, hg. v. Mollay, K., 1959; Mesterházi, L., Tausendjähriges Budapest, 1970; Blazovich, L. u. a., Buda város jogkönyve, 2001; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007

Budé (Budaeus), Guillaume (Paris 26. 1. 1468-23. 8. 1540) tritt nach dem Rechts­studium in Orléans (1483-86) in die Dienste des Königs von Frankreich. Nach einer Plutarch­übersetzung aus dem Spanischen (1503) legt er 1508 (lat.) Annotationes (F.Pl.) in pandectas (Anmerkungen zu den Pandekten) vor, in denen er die Pandekten philologisch-historisch unter­sucht und das erste Beispiel des (lat.) →mos (M.) Gallicus (gallische Art) gibt. Die Anwendbarkeit der in sich uneinheitlichen Rechtssammlung auf seine Gegenwart verneint er.

Lit.: Köbler, DRG 143; Delaruelle, L., Guillaume Budé, 1970

Buer 1003 erstmals erwähnt, 1911 Stadtrecht, 1928 mit Horst in Gelsenkirchen eingemeindet

Lit.: Buer 1911, hg. v. Goch, s. u. a. 2013

Budgetrecht ist das Recht, Einnahmen und Ausgaben im Staatshaushalt (Budget, zu lat. bulga, F., Tasche) durch Gesetz festzulegen. Es geht im 19. Jh. vom Landesherrn an das →Parlament über (Preußen 1850).

Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004

Büdingen

Lit.: Philippi, H., Territorialgeschichte der Grafschaft Büdingen, 1954

Bugenhagen, Johannes (Wollin/Pommern 24. 6. 1485-Wittenberg 19. 4. 1558) wird nach artistischem Studium in Greifswald 1504 Rektor der Ratsschule in Treptow an der Rega, wird zum Priester geweiht und amtet als Notar. 1517/1518 verfasst er die erste auf Quellen gestützte Geschichte Pommerns. 1521 schließt er sich der Reformation Martin Luthers in Wittenberg an und verfasst von Brauschweig (1528) aus Kirchenordnungen für Hamburg (1528/1529), Lübeck (1530/­1532), Pommern (1534/1535), Dänemark (1537/1539), Holstein, Braunschweig-Wol­fen­­büttel und Hildesheim (1542).

Lit.: Sehling, E., Die evangelischen Kirchenordnungen, 1ff. 1911ff.; Johannes Bugen­hagen, hg. v. Leder, H., 1984; Leder, H., Johannes Bugenhagen, 2002; Lorentzen, T., Johannes Bugenhagen als Reformator der öffentlichen Fürsorge, 2008; Leder, H., Johannes Bugenhagen Pomeranus, hg. v. Gummelt, V., 2002

Bukarest erscheint auf antiken Siedlungs­spuren im 13. Jh. als Marktflecken. 1862 wird es Hauptstadt Rumäniens. 1864 erhält B. eine Universität.

Bukowina (Buchenland) am Osthang der Karpaten ist im Altertum von Dakern und Bastarnen, seit dem 7. Jh. von Slawen besiedelt. Über das Reich von Kiew, und das Fürstentum Halitsch-Wolhynien kommt das Gebiet seit dem 14. Jh. zum Fürstentum Moldau, das ab 1512 unter den Einfluss des osmanischen Reiches gerät. 1775 gelangt die B. nach Besetzung (1774) durch Vertrag an →Österreich (Teil Galiziens), wo sie 1849 eigenes Kronland wird. 1919 fällt B. an →Rumänien, 1940 im Norden an die Sowjetunion, nach deren Auflösung 1991 an die Ukraine.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Röskau-Rydel, I., Galizien, Bukowina, Moldau, 1999; Scharr, K., Die Bukowina, 2007; Scharr, K., Die Landschaft Bukowina, 2010

Bulgarien südlich der unteren Donau ist anfangs von Thrakern besiedelt, die im 5. Jh. v. Chr. unter die Herrschaft der Makedonier, im 2. Jh. v. Chr. der Römer kommen. Im 7. Jh. entsteht aus Slawen, Thrakern, Awaren und Turkvölkern das Volk der Bulgaren, das 681 und 1185 zu einem eigenen Reich findet. 1393/1396 fällt B. an die Osmanen (Türken). 1877/1878 löst sich B. teilweise, 1908 als eigenes Zarenreich vollständig von der türkischen Herrschaft. 1892 wird eine juristische Fakultät in Sofia gegründet. 1945 wird B. kommunistisch. Sein Recht ist entsprechend dieser Entwicklung römisch, slawisch, osmanisch, westlich (französisch, deutsch, aber auch russisch), sozialistisch (1951 Außerkraftsetzung aller vor 1944 verabschiedeten Gesetze) und nach 1990 demokratisch geprägt. 2007 wird B. Mitglied der Europäischen Union.

Lit.: Angelov, D. u. a., Istorija na bulgarskata feodalna darzhava i pravo, 1972; Stefanov, I. u. a., Bulgarien, 1975; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,243; Revolution auf Raten – Bulgariens Weg zur Demokratie, hg. v. Höpken, W., 1996; Knaus, G., Bulgarien, 1997; Crampton, R., A Concise History of Bulgaria, 1997; Härtel, H. u. a., Bulgarien, 1998; 100 Jahre Handelsgesetzbuch, hg. v. Paschke, M. u. a., 1998; Manolova, M., Istorija na darzhvata i pravoto, 2001; Tokuschev, D., Istorija na novobulgarskata darzhava i pravo, 2001; Öffentlichkeit ohne Tradition, hg. v. Heppner, H., 2003; Ziemann, D., Vom Wandervolk zur Großmacht, 2006; Köbler, G., Rechtsbulgarisch, 2006; Brunnbauer, U., Die sozialistische Lebensweise, 2007; Ziemann, D., Vom Wandervolk zur Großmacht, 2007; Stepanov, C., The Bulgars, 2010

Bulgarus (Bologna? vor 1100?-1. 1. 1166?) ist ein Glossen zu allen Teilen der justinianischen Kompilation, einen Apparat zu De regulis iuris, einen Tractatus de iudiciis, Quaestiones, Summulae, Distink­tionen, Casus Codicis und anderes verfassender Glossator.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 162

Bulle ist die ein Siegel umschließende Kapsel, das (vorwiegend päpstliche) Siegel (meist aus Gold oder Blei) sowie die mit ihm versehene Urkunde (zwischen [lat. F.Pl.] litterae und [N.] privilegium bzw. einfachem Brief und feierlichem Privileg). Aus Byzanz kommt die Bleibulle im 6. Jh. in die päpstliche Kanzlei und von dort am Ende des 8. Jh.s an den fränkischen Hof (1226 Goldene Bulle von Rimini, 1356 →Goldene Bulle Karls IV.). In der B. Unam sanctam begründet Papst Bonifaz VIIII. einen Anspruch des Papstes auf Universalherrschaft auch in weltlichen Angelegenheiten (Es ist zum Heile für jedes menschliche Wesen durchaus unerlässlich, dem römischen Papst unterworfen zu sein).

Lit.: Eitel, A., Über Blei- und Goldbullen im Mittelalter, 1912; Ewald, W., Siegelkunde, 1914; Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. 1356, bearb. v. Müller, K., 1970; Frenz, T., Papsturkunden, 2. A. 2000; Stieldorf, A., Basiswissen Siegelkunde, 2004

Bund ist die (gewollte) Verbindung von Menschen zu einer übergeordneten Einheit. Politisch bedeutsam ist beispielsweise der →Deutsche B. Im Bundesstaat kann auch der Gesamtstaat als B. bezeichnet werden.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 582; Bünde - Städte - Gemeinden, hg. v. Freitag, W. u. a., 2009

Bundesakte →Deutsche Bundesakte

Bundesarbeitsgericht ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in arbeits­rechtlichen Streitigkeiten mit Sitz in Kassel bzw. Erfurt (1996).

Lit.: 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, hg. v. Gamillscheg, F. u. a., 1975; Grunsky, W., Arbeitsgerichtsgesetz, 6. A. 1990; 50 Jahre Bundesarbeitsgericht, hg. v. Oetker, H. u. a., 2004

Bundesexekution ist im Deutschen Bund die Ausführung der Bundesakte, der Bundes­beschlüsse und gerichtlicher und gerichts­ähnlicher Entscheidungen durch den Deutschen Bund gegenüber einem Bundes­glied (z. B. 1830 gegen Braunschweig, 1834 gegen Frankfurt, 1864 gegen Dänemark sowie formlos 1866 gegen Preußen).

Bundesfinanzhof ist seit 1950 das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in Finanz­streitigkeiten mit Sitz in München. Der B. ist Nachfolger des zum 1. 10. 1918 eingerichteten Reichsfinanzhofes.

Lit.: Offerhaus, K., Der Bundesfinanzhof, 3. A. 1993; 60 Jahre Bundesfinanzhof, hg. v. Bundesfinanzhof, 2010

Bundesgerichtshof ist seit 1. 10. 1950 als Nachfolger des Reichsgerichts das oberste Gericht der ordentlichen Gerichtsbar­keit der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz (nicht wie von der Regierung Konrad Adenauer gewünscht in Köln, sondern) in Karlsruhe (Präsidenten 1950 Hermann Weinkauff, [zwischen 1954 und 1964 mehr als 70 Prozent aus der Zeit vor 1945 übernommene Richter und Staatsanwälte,] 1960 Bruno Heusinger, 1968 Robert Fischer, 1977 Gerd Pfeiffer, 1988 Walter Odersky 1996 Karlmann Geiß, 2000 Günther Hirsch. 2008 Klaus Tolksdorf). Wichtige Ent­scheidungen betreffen die Strafbarkeit der Kuppelei, die Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die Anerkennung der finalen Handlungslehre, die Anerkennung des Anwartschaftsrechts und des Sicherungsei­gentums, die Anerkennung der Produ­zentenhaftung).

Lit.: Möhring, P., 25 Jahre Bundesgerichtshof, NJW 1975, 1820; 25 Jahre Bundesgerichtshof, hg. v. Krüger-Nieland, G., 1975; Otto, J., Bibliothek des Bundes­gerichtshofs, 1996 (rund 475000 Bände); Pieper, K., Palais im Park, 1999; Medicus, D., Entscheidungen des BGH als Marksteine für die Entwicklung des allgemeinen Zivilrechts, NJW 2000, 2921; Die Praxis des Bundesgerichtshofes im deutschen Rechtsleben, hg. v. Canaris, C. u. a., Bd. 1ff. 2000; Schubert, W./Glöckner, H., Vom Reichsgericht zum Bundesgerichtshof, NJW 2000, 2971; Fortitudo temperantia - Die Rechtsanwälte am Reichsgericht und beim Bundesgerichtshof, hg. v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte, 2000; Geiß, K., Fünfzig Jahre Bundesgerichtshof, 2001; Ohe, A. v. d., Das Gesellschaftsbild des Bundesgerichtshofs, 2010

Bundesgerichtshof (in Österreich) ist das ab 15. 7. 1934 den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof ersetzende Ge­richt, das 1938 durch den Anschluss seine verfassungsgerichtliche Zuständigkeit verliert, durch Verordnung vom 11. 1. 1940 in Ver­waltungsgerichtshof in Wien umbenannt wird und 1941 im Reichsverwaltungsgericht (bis 1945) auf­geht.

Bundesgesetzblatt ist das Gesetzblatt für Bundesgesetze (z. B. in Deutschland oder in Österreich).

Bundesintervention ist im Deutschen Bund (1815-1866) die Möglichkeit des Eingreifens des Bundes in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedstaats zur Wahrung der inneren Sicherheit auf Ersuchen oder bei Handlungs­unfähigkeit der Regierung.

Bundeskanzler ist der politische Führer der Regierung in Deutschland (1949, Richtlinienkompetenz) und Österreich (1920, seit 1929 durch Bundespräsidenten ernannt) sowie die Amtsbezeichnung Otto von Bismarcks im Nordeutschen Bund (von 1867 bis 1870/1871).

Lit.: Die Bundeskanzler und ihre Ämter, hg. v. d. Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland u. a., 2006

Bundeskartellamt ist das 1957 in Deutschland gegründete Bundesamt für Kartellangelegenheiten.

Lit.: 50 Jahre Bundeskartellamt, 2007

Bundesoberhandelsgericht ist das für Handelssachen durch Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 12. 6. 1869 gegründete und in Leipzig eingerichtete, nationalliberal besetzte Gericht (Präsident Heinrich Eduard Pape 1816-1888). 1871 wird es zum auch die süddeutschen Staaten erfassenden Reichsoberhandelsgericht, das 1879 im →Reichsgericht aufgeht.

Lit.: Köbler, DRG 195; Behrend, J., Das Bundesoberhandelsgericht, Z. f. Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen, 3, 200; Müller, K., Der Hüter des Rechts, 1997; Weiss, A., Die Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts in Strafsachen, 1997; Winkler, S., Das Bundesoberhandelsgericht und das spätere Reichsoberhandelsgericht, 2001; Henne, T., Rechtsharmonisierung durch das „Reichsgericht“ in den 1870er Jahren, 2005

Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt in Deutschland (1949, Wahl durch besondere Bundesversammlung) und Österreich (1920, Wahl durch den Nationalrat, seit 1929 Wahl durch das Volk).

Bundesrat ist (von 1867 bis 1870/1871 im →Norddeutschen Bund [eigentlich eher ein Fürstenhaus] und) im Deutschen Reich von 1871 das die Mitwirkung der Einzelstaaten am Bundes­geschehen ermöglichende Organ, das als Träger der obersten Gewalt den Gesamtstaat als Einheit repräsentiert (Staatenhaus der gescheiterten Reichsver­fassung von 1848/1849). Von seinen 58 Stimmen entfallen 17 auf Preußen (Möglichkeit der Verhinderung jeder Ver­fassungsänderung), 24 auf 7 mittlere Staaten und je eine auf die übrigen 17 Länder. Mit dem →Reichstag erlässt der B. Gesetze. Im Februar 1919 wird dieser B. durch den Staatenausschuss und vom August 1919 an durch den Reichsrat ersetzt, der 1934 aufgelöst wird. Auch die Bundesrepublik Deutschland kennt einen B. als (weisungsgebundene) Vertretung der (11 bzw. 1990) 16 Länder, ebenso Österreich (Art. 24 Bundes-Verfassungsgesetz, mindestens drei Mitglieder für jedes Bundesland, Abstim­mung regelmäßig nach Parteizugehörigkeit, bei Berührung von Länderinteressen absolutes Vetrorecht gegenüber Beschlüssen des Natio­nalrats).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 174, 195, 220, 248, 257; Reincke, H., Der alte Reichstag und der neue Bundesrat, 1906; Maunz, T., Der Bundesrat in Vergangenheit und Gegenwart, Hist. Jb. 74 (1955), 446; Ziller, G. u. a., Der Bundesrat, 10. A. 1998; Der Bundesrat, hg. v. Bundesrat, 1974; Scholl, Udo, Der Bundesrat in der deutschen Verfassungsentwicklung, 1982; Vierzig Jahre Bundesrat, hg. v. Bundesrat, 1989; Klein, E., Die Rolle des Bundesrates und der Länder, 1998

Bundesrecht ist das vom Bund der Bundesrepublik Deutschland geschaffene bzw. übernommene Recht, im weiteren Sinn das Recht jeden Bundes.

Lit.: Zachariä, H., Deutsches Staats- und Bundesrecht, Bd. 1f. 3. A. 1867; Bluntschli, J., Geschichte des schweizerischen Bundesrechts, 1875

Bundesregierung ist die Regierung eines Bundesstaats.

Lit.: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, hg. v. Booms, H., 1953ff.; Die Mitglieder der Bundesregierungen, hg. v. Kempf, U. u. a., 2000; Kanzler und Minister 1949-1998, hg. v. Kempf, U., 2001

Bundesrepublik ist die föderalistische Republik (z. B. Österreich, Deutschland).

Bundesrepublik Deutschland ist der nach der Niederlage der Achsenmächte Deutsches Reich, Italien und Japan gegen die Alliierten (Vereinigte Staaten von Amerika, Sowjet­union, Großbritannien und Frankreich) im zweiten Weltkrieg (8. Mai 1945 Kapitulation des deutschen Reichs), nach der Wieder­verselbständigung des sich 1938 an das Deutsche Reich anschließenden Österreich und nach der Einteilung des Deutschen Reichs in vier Besatzungszonen aus den Besatzungszonen der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs über die Bizone der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens (1946 bzw. 1. 1. 1947) und die Trizone (einschließlich der Besatzungszone Frank­reichs 8. 4. 1948) auf Grund einer Londoner Konferenz 1949 gebildete deutsche Bundesstaat mit (1948) den Ländern Baden (bis 1951/1952), Württemberg (bis 1951/1952, dann Baden-Württemberg), Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Nie­dersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und (West-Berlin sowie ab 1. 1. 1957) Saarland und (ab 1990) (Berlin,) Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sach­sen-Anhalt sowie Thüringen. Seine Ver­fassung ist das auf Aufforderung der westlichen Besatzungs­mächte (über die Ministerpräsidenten der westlichen Länder) von einem Verfassungs­konvent in Herren­chiem­see (1948) und einem parla­men­tarischen Rat (ab 1. 9. 1948) erar­beitete, am 23. 5. 1949 verkündete Grundgesetz., dem gegenüber ein Besatzungs­statut wichtige Bereiche den Besatzungs­mächten vorbehält (einge­schränkt durch Deutschlandvertrag von 1955, beendet 1990). Auf Grund des Gewichts des Ver­hältniswahlrechts im ge­mischten Wahl­rechtssystem stehen sich Bundesregierung und Koaltionsparteien einer­seits und Oppo­sitionsparteien ande­rerseits gegenüber. Jedes Gesetz kann vom Bun­desverfassungsgericht auf seine Verfas­sungs­mäßigkeit überprüft werden. Seit 1951 verbindet sich die B. mit Frankreich, Italien, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg sowie später weiteren europäischen Staaten zu europäischen Ge­mein­schaften (für Kohle und Stahl, 1957 für Atom­wesen und Wirtschaft), zur Europäischen Gemein­schaft bzw. zur Euro­päischen Union. Nach dem Grund­lagenvertrag vom 21. 12. 1972 treten B. D. und Deutsche Demokratische Republik 1973 den Vereinten Nationen bei. Am 3. 10 1990 tritt die.Deutsche Demo­kratische Republik auf Grund (des Vertrags über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. 5. 1990 und) des Einigungsvertrags vom 31. 8. 1990 der B. bei. Die Übertragung des bundesdeutschen Sozialstaats auf die neuen Bundesländer ist alternativlos, verschärft aber die latente Krise des Sozialstaats, Die Finanzierung belastet besonders die unteren und mittleren Bevölkerungsschichten. Die sozialpolitisch begründete Erhöhung der Entgelte verschlechtert die Wettbewerbsfä­hig­keit. Innerhalb der B. wird das Recht vielfach verändert.

Lit.: Schwarz, H., Vom Reich zur Bundesrepublik, 1966; Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1ff. 1976ff.; Bewegt von der Hoffnung aller Deutschen, hg. v. Benz, W., 1979; Rupp, H., Politische Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 1979, 4. A. 2009; Roßnagel, A., Die Änderungen des Grundgesetzes, 1981; Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Bracher, K., Bd. 1ff. 1982ff.; Benz, W., Von der Besatzungsherrschaft zur Bundesrepublik, 1984; Morsey, R., Die Bundesrepublik Deutschland, 4. A. 2000; Schröder, J., 40 Jahre Rechtspolitik im freiheit­lichen Rechtsstaat, 1989; 40 Jahre Bundesrepublik, hg. v. Nörr, K, 1990; Thränhardt, D., Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 2. A. 1996; Kröger, K., Einführung in die Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik Deutsch­land, 1993; Geschichte der deutschen Einheit, Bd. 1ff. 1997ff.; Birke, A., Die Bundesrepublik Deutsch­land, 1997, 2. A. 2011; Ritter, G., Über Deutschland, 1998; Schäfer, J., Deutsche Geschichte (CD-ROM), 1998; ZEIT-Geschichte der Bonner Republik, hg. v. Dönhoff, M. u. a., 1999; Görtemaker, M., Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 1999; Nörr, K., Die Republik der Wirtschaft, Teil 1 1999, Teil 2 2007; Fünfzig Jahre Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Conze, E. u. a., 1999; Frei, N., Vergangenheitspolitik, 1999; Baring, A., Es lebe die Republik, 1999; Dippel, H., Die Konstitutionalisierung des Bundesstaats, (in) Der Staat, 1999, 221; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, Wolfgang, 1999; Rupp, K., Politische Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 3. A. 2000; Kielmannsegg, P. Graf, Nach der Katastrophe, 2000; Recker, M., Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 2002; Utz, F., Preuße, Protestant, Pragmatiker - Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, 2003; Rödder, A., Die Bundesrepublik Deutschland 1969-1990, 2004; Die Bundesrepublik Deutschland. Staatshandbuch, 2003; Wolfrum, E., Die Bundesrepublik Deutschland (1949-1990), 2005; Book, A., Die Justizreform in der Frühzeit der Bundesrepublik, 2005; Lappenküper, U., Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis 1990, 2008; Ipsen, J., Der Staat der Mitte, 2009; Bevers, J., Der Mann hinter Adenauer, 2009 Ritter, G., Wir sind das Volk, 2009; Weizsäcker, R., Der Weg zur Einheit, 2009; Benz, W., Auftrag Demokratie, 2009; Pierson, T., 1968 und das Recht, ZRG 128 (2011), 391; Gehler, M., Deutschland, 2010; Hesse, E., Systemwechsel in Deutschland, 2010; Rechtsentwicklungen im vereinten Deutschland, hg. v. Weiß, N., 2011; Staat und Recht in Teilung und Einheit, hg. v.  Krüper, J. u. a., 2011; Fichtner, T. u. a. Dutschkes Deutschland, 2011; Herold, M., Die rechtliche Entstehung der Bundesländer, 2012; Rigoll, D., Staatsschutz in Westdeutschland, 2013; Michels, E., Guillaume, der Spion, 2013; Wolfrum, E., Rot-Grün an der Macht. Deutschland 1998-2005, 2013; Wiegeshoff, A., Wir müssen alle etwas umlernen, 2013; Die Rosenburg - Das Bundes­minis­terium der Justiz und die NS-Vergangenheit, hg. v. Görtemaker, M. u. a., 2013, 2. A. 2013; Koerfer, D., Diplomatenjagd, 2013

Bundessozialgericht ist das am 11. 9. 1954 eröffnete oberste Gericht der Sozialge­richtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Kassel.

Bundessozialhilfegesetz s. Sozialhilfe

Bundesstaat ist der Zusammenschluss (Bund) von Staaten zu einem neuen Staat (z. B. [Vorformen Städtebünde, Heiliges römisches Reich, holländische Generalstaaten, theo­retische Begründung durch Althusius [1563-1638], Leibniz [1646-1717], Vereinigte Staaten von Amerika 1787, Schweiz 1848, Norddeutscher Bund 1867, Deutsches Reich 1871, Österreich 1920, Russland). Die staatlichen Aufgaben, Rechte und Pflichten sind jeweils zwischen Gesamtstaat (Oberstaat) und Gliedstaaten (z. B. Bun­desland, Kanton, Land) aufgeteilt. Nach dem Subsidiaritäts­prinzip hat die kleinere Einheit grundsätzlich den Vorrang vor der größern Einheit. Die Gliedstaaten sind zwar Staaten, haben aber nur in den von der Verfassung eingeräumten Ausnahmefällen Souveränität. Gegen­satz des Bundesstaats ist der Ein­heitsstaat (z. B. Frankreich, Italien, Ungarn, Österreich 1862-1918, Deutsches Reich 1933-1945), doch nähern sich beide in der Wirklichkeit einander an (z. B. Österreich stärker zentralisiert).

Lit.: Grzeszick, B., Vom Reich zur Bundesstaatsidee, 1996; Holste, H., Der deutsche Bundesstaat im Wandel (1867-1933), 2002; Baier, C., Bundesstat und eu­ropä­ische Integration, 2006; Fassbender, B., Der offene Bundesstaat, 2007; Brandt, P., Mit anderen Augen, 2013

Bundestag ist allgemein die Versammlung der Mitglieder eines Bundes (z. B. Deutscher Bund 1815-1866 in Frankfurt am Main), insbesondere das Parlament der Bundesrepublik Deutsch­land (1949ff.), aber auch Österreichs zwischen 1934 und 1938.

Lit.: Schäfer, W., Der Bundestag, 4. A. 1982; Vierzig Jahre Deutscher Bundestag, hg. v. Neske, G., 1989; Ismayr, W., Der deutsche Bundestag, 1992; Die Mitglieder des Deutschen Bundestages, 1998; Der Deutsche Bundestag 1949-1999, hg. v. Deutschen Bundestag, 1999; Schindler, P., Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, 1949–1999, 1999; Reker, S., der Deutsche Bundestag, 1999; M. d. B. Volksvertretung im Wiederaufbau 1946-1961, hg. v. Schumacher, M., 2000; Biographisches Handbuch der Mitglieder des deutschen Bundestages 1949-2002, hg. v. Vierhaus, R. u. a., 2002f.; Becker, M., Max von Seydel und die Bundesstaatstheorie des Kaiserreichs, 2009

Bundesverfassungsgericht ist das nach dem vorangehenden Verfassungsge­richts­hof Bayerns am 7. 9. 1951 mit Sitz in Karlsruhe errichtete Verfassungsgericht (des Bundes) der Bundesrepublik Deutschland (bis 2001 132000 Verfahren, davon 127000 Verfassungsbeschwerden).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 257, 261; Schlaich, K./Korioth, S., Das Bundes­verfassungsgericht, 6. A. 2004, 7. A. 2007; Häußler, R., Der Konflikt zwischen Bundesverfassungsgericht und politischer Führung, 1994, Neudruck 2014Haltern, U., Verfassungsgerichtsbarkeit, Demokratie und Misstrauen, 1998; Das Bundes­verfassungsgericht, hg. v. Limbach, J., 2000; Limbach, J., Das Bundesverfassungsgericht, 2001; Limbach, J., Das Bundesverfassungsgericht und der Grundrechtsschutz in Europa, NJW 2001, 2913; Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, hg. v. Badura, P. u. a., 2001; Grigoleit, K., Bundesver­fassungsgericht und deutsche Frage, 2004; Wesel, U., Der Gang nach Karlsruhe, 2004; Das Bundesverfassungsgericht im politischen System, hg. v. Ooyen, R. van u. a., 2006; Lembcke, O., Hüter der Verfassung, 2007; Das entgrenzte Gericht. Eine kritische Bilanz nach sechzig Jahren Bundesverfassungsgericht, hg. v. Jestaet, M. u. a., 2011

Bundes-Verfassungsgesetz (1920) ist das von Hans Kelsen wesentlich geprägte, von der konstituierenden Nationalversammlung be­schlos­sene Gesetz zur Einrichtung der Republik Österreich als Bundesstaat vom 1. Oktober 1920 (B-VG, womit die Republik Österreich als Bundesstaat eingerichtet wird, Staatsgesetz­blatt 1920, 450, authentisch kundgemacht unter BGl. 1920, 1, ohne Präambel, Staatszielbe­stim­mungen oder Grundrechte). 1925 wird die mittelbare Bundesverwaltung eingeführt und werden Zuständigkeiten des Bundes erweitert. 1929 wird die unmittelbare Volkswahl des Bundespräsidenten festgelegt. Danach wird das B. in der Fassung von 1929 kundgemacht (BGBl. 1930, 1). 1934 wird es durch Verord­nung der Regierung Dollfuß außer Kraft gesetzt und eine neue Verfassung (Mai­verfassung) erlassen. Auf Grund des zweiten Ver­fassungs-Überleitungsgesetzes von 1945 (StGBl, 1945, 232) tritt es nach dem Stand vom 5. 3. 1933 wieder in Kraft. 1981 wird die Volksanwaltschaft eingefügt, 1988 der unabhängige Verwaltungssenat. 1994 wird das Bundes-Verfassungsgesetz neu gefasst.

Lit.: Die Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920, hg. i. V. m. Froelich, G./Merkl, A. v. Kelsen H., 1922, hg. v. Walter, R., 1903, Neudruck 2010; Polaschek, M., Die Rechtsentwicklung in der ersten Republik, 1992

Bundesversammlung ist die Versammlung von Mitgliedern eines Bundes (z. B. Deutscher Bund 1815-1866 mit Sitz in Frankfurt am Main, Art. 38ff. Bundes-Verfassungsgesetz Österreich, Maiverfassung 1934 Österreich in jeweils besonderer Zusammensetzung mit jeweils besonderer Zuständigkeit). In der Bundesrepublik Deutschland wählt eine B. den Bundespräsi­denten.

Lit.: Dublin-Honegger, J., Die Anfänge der schwei­zerischen Bundesversammlung, Diss. jur. Basel 1978; Moldenhauer, R., Aktenbestand und Geschäftsverfah­ren der deutschen Bundesversammlung, Archival. Z. 1978, 35

Bundesverwaltungsgericht ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in Verwaltungsstreitigkeiten mit Sitz in (Berlin [1952] bzw. seit 1997) Leipzig.

Lit.: Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, hg. v. Schmidt-Aßmann, E., 2003

Bundeswehr ist das (rund 13000 Offiziere der Wehrmacht des Deutschen Reiches übernehmende) Heer der Bundesrepublik Deutschland seit 1955.

Lit.: 50 Jahre Bundeswehr, hg. v. Clement, R. u. a., 2005; Die Bundeswehr 1955 bis 2005, hg. v. Nägler, Frank, 2007; Loch, T., Das Gesicht der Bundeswehr, 2008; Pauli, F., Wehrmachtsoffiziere in der Bundeswehr, 2009; Bundeswehr und Gedenkstätten des NS-Unrechts, hg. v. Wrochem, O. v. u. a., 2009; Pauli, F., Wehrmachtsoffiziere in der Bundeswehr, 2010; Militärische Aufbaugeneration der Bundeswehr 1955 bis 1970, hg. v. Hammerich, H. u. a., 2010; Auslandseinsätze der Bundeswehr, hg. v. Chiari, B. u. a., 2010

Bündnis ist der politische Zusammenschluss.

Lit.: Rauch, G., Die Bündnisse deutscher Herrscher mit Reichsangehörigen, 1966; Verosta, S., Theorie und Realität von Bündnissen, 1971; Frehland-Wildeboer, K., Treue Freunde? Das Bündnis in Europa 1714-1914, 2010 (114 früh veröffentlichteVertragstexte)

Bündnisrecht ist das Recht, Bündnisse mit anderen einzugehen. Ursprünglich jedem Inhaber herrschaftlicher Gewalt offen, wird es in England und Frankreich durch den Staat beseitigt. Im deutschen Reich eröffnen es die Goldene Bulle (1356) und der Westfälische Friede von Münster und Osnabrück (1648) für die Reichsstände, sofern es sich nicht gegen Kaiser und Reich richtet. Im →Deutschen Bund ist es nur durch die Verpflichtung beschränkt, die Sicherheit des Bundes oder einzelner seiner Glieder nicht zu be­einträchtigen. Allmählich engt sich in der späteren Neuzeit das B. auf souveräne Staaten ein.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bezold, F. v., Das Bünd­nisrecht, 1904; Böckenförde, E., Der Westfälische Friede und das Bündnisrecht der Reichsstände, Der Staat 8 (1969), 449

Bundschuh Bauernkrieg

Bunge, Friedrich Georg von (Kiew 13. 3.1802-Wiesbaden 9. 4. 1897) begründet als Professor für Provinzialrecht in Dorpat (1831, 1840 entlassen, Stadtsyndikus Revals, 1864 Gotha) die baltische Rechtsgeschichte und bearbeitet den 1864 veröffentlichten, zu mehr als der Hälfte römischrechtlich geprägten Band 3 des Provinzialrechts der Ostseegou­vernements Russlands (Liv-, Est- und Curländisches Privatrecht), der in Lettland bis 1937 und in Estland bis 1945 als Zivilgesetzbuch gilt.

Lit.: Recke, J./Napiersky, C., Allgemeines Schrift­steller- und Gelehrtenlexikon, 1827, 303, 1859, 112; Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005

Burchard von Ursberg

Lit.: Wulz, W., Der spätstaufische Geschichtsschreiber Burchard von Ursberg, 1982

Burchard von Worms (965-Worms 20. 8. 1025), aus dem Hause der Grafen von Reichenbach-Ziegenhain (Güter bei Fritzlar und Frankenberg?), wird nach seiner Erziehung in Koblenz aus der Nähe Erzbischof Willigis’ von Mainz durch Kaiser Otto III. 1000 Bischof von Worms. Sein wohl zwischen 1008 und 1012 verfasstes, eigenständige Ansätze enthaltendes Handbuch ([lat., N.] Decretum) in 20 Büchern und 1785 Kapiteln (davon 163 noch herkunftmäßig ungeklärt, 45 Prozent der Texte gegenüber den Vorlagen inhaltlich geändert, vor allem in den Rubriken) ist die wichtigste vor­gratianische Kanonessammlung. Sie beruht auf der (lat.) Collectio (F.) Anselmo dedicata (dem Anselm gewidmete Samm­lung), dem (lat.) Liber (M.) de synodalibus causis (Buch über Synodalsachen) des →Regino von Prüm und einzelnen Kanones und Dekretalen sowie Bußbüchern und Kirchenschriften. Sie stellt gegenüber den Vorgängerarbeiten einen erheblichen Fortschritt dar und erreicht mit dem Ziel einer durch Auswahl der Quellen (Bibel, Dekrete der Konzilien und Päpste, Schriften siebener Kirchenväter, 3 Buß­bücher) in sich kon­sistenten wider­spruchs­freien Sammlung autoritativer Texte für die kirchenrechtliche Praxis die Schwelle zu wissenschaftlicher Kanonistik. Burchards (lat.) Lex (F.) familiae Sancti Petri (1023-1025) ist ein frühes Beispiel eines grundherrschaftlichen Hofrechts.

Lit.: Meyer, G., Überlieferung und Verbreitung des Dekrets des Bischofs Burchard von Worms, ZRG KA 55 (1935), 141; Theuerkauf, G., Frühmittelalterliche Studien, Bd. 2, 1968; Metz, W., Zur Herkunft und Verwandtschaft, Hess. Jb. f. Landesgeschichte 26 (1976), 27ff.; Kerner, M., Studien zum Dekret des Bischofs Burchard von Worms, Diss. phil. Aachen 1971; Hoffmann, H./Pokorny, R., Das Dekret, 1991; Bischof Burchard von Worms 1000-1025, hg. v. Hartmann, W., 2000; Corbet, P., Autour de Burchard de Worms, 2001; Bischof Burchard I, in seiner Zeit, hg. v. Müller, T. u. a., 2001; Austin, G., Law, Theology and „Forgery“ around the year 1000, 2005; Austin, G., Shaping Church Law around the Year 1000, 2009

Burg ist der befestigte Ort, der anfangs wohl nur der Zuflucht dient (Fluchtburg). Im Frühmittelalter wird auch die antike Stadt oder das Kastell als B. bezeichnet. Vielleicht nach deren Vorbild entstehen an vielen Stellen (vor allem im 12. und 13. Jh.) Burgen, von denen nur ein Teil auch urkundlich belegt ist. Wohl seit dem 11. Jh. sondern sich B. (mit Graben, Wall, Ringmauer, Turm, Tor und Wohnbauten wie Kemenate oder Palas) und Stadt. Seit dem 15. Jh. bzw. in der Neuzeit ersetzt der Adel die B. durch das Schloss oder auch die Festung. In der Gegenwart sind 50 Prozent aller namentlich bekannten mitteleuropä­ischen Burgen verschwunden, vom Restbestand drei Viertel nur noch Ruinen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 68, 79, 96; Merz, W., Mittelalterliche Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau, 1906; Koehne, C., Mühlenbann und Burgenbau, ZRG GA 28 (1907), 63; Fischer, H., Burgbezirk und Stadtgebiet im deutschen Süden, (1956); Burgen, Schlösser und Burgher­rengeschlechter der Ostschweiz, hg. v. Meili, H., 1970; Jäschke, K., Burgenbau und Landes­verteidigung um 900, 1975; Die Burgen im deutschen Sprachraum, hg. v. Patze, H., 1976; Binding, G. u. a., Burg, Lexikon des Mittelalters, Bd. 2 1983, 927; Streich, G., Burg und Kirche, 1984; Allen Brown, R., Castles, Conquest & Charters, 1989; Biller, T., Die Adelsburg in Deutschland, 1993, 2. A. 1998; Burg – Burgstadt - Stadt, 1994; Burgen im Spiegel der Überlieferung, hg. v. Ehmer, H., 1998; Burgen in Mitteleuropa, hg. v. Böhme, H. u. a., 1999; Spazier, I., Mittelalterliche Burgen zwischen mittlerer Elbe und Bober, 1999; Pfälzisches Burgenlexikon, hg. v. Keddigkeit, J. u. a., Bd. 1 1999; Krahe, F., Burgen und Wohntürme, 2002; Böhme, H. u. a., Wörterbuch der Burgen, Schlösser und Festungen, 2004; Zur Sozial- und Kultur­geschich­te der mittelalterlichen Burg, hg. v. Clemens, L. u. a., 2009; Die Burg, hg. v. Großmann, G., 2010; Befestigungen und Burgen am Rhein, hg. v. Felten, F., 2011; Burgen Perspektiven, hg. v. Südtiriler Burgeninstitut, 2013; Großmann, U., Die Welt der Burgen, 2013

Burg (Stadt nordwestlich Magdeburgs, bäuerlich-ländliches Landrecht [burges lant­recht, Erbrecht, Ehegüterrecht, Sachenrecht, Friedensrecht, Verfahrens­recht] auf elf Seiten in einer mittelniederdeutsch-elbost­fälisch gehalte­nen Sammelhandschrift des frühen 15. Jahr­hunderts [1310-1330] über­liefert, vielleicht auf flämischen Siedlern des 12. Jh.s beruhend)

Lit.: Das Burger Landrecht hg. v. Markmann F. u. a., 1938; Zimmer, K., Das Burger Landrecht, 2003

Bürge (Wort um 750 belegt) ist, wer sich durch Vertrag mit einem Gläubiger eines Dritten verpflichtet, dem Gläubiger gegenüber für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Das Rechtssprichwort Bürgen muss man würgen, aber nicht an den Leib reden, bringt zum Ausdruck, dass nach römischem Recht der Bürge zwar haften muss, aber bei Nichtleistung von Strafen verschont bleiben soll. →Bürgschaft

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 44, 74, 128; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Burgenland ist das ursprünglich meist zu Ungarn gehörige, seit dem 11. Jh. zunehmend von Deutschen besiedelte, durch viele Burgen gekennzeichnete Gebiet (Deutsch-Westungarn mit Pressburg, Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg) an der Grenze zwischen Österreich und Ungarn, das 1919 (trotz Widerstands Ungarns) (ohne Ödenburg/­Sopron [Mehrheit von 64 Prozent für Verbleib]) →Österreich als Bundes­land zu­ge­­sprochen, im November von Ungarn 1921 besetzt, aber dann kampflos zurückgegeben wird (1939-1945 zwischen Nieder­do­nau/­Niederösterreich und Steiermark aufge­teilt).

Lit.: Urkundenbuch des Burgenlandes, Bd. 1ff. 1955ff.; Burgenland 1938, 1988; Ernst, A., Geschichte des Burgenlandes, 2. A. 1991

Bürger ist der Bewohner der →Stadt. Ihm entspricht lateinisch vor allem civis (M.), das ursprünglich hauptsächlich den Angehörigen des römischen Volkes im Gegensatz zum Nichtrömer und zum Sklaven meint. Im deutschen Frühmittelalter engt sich der weitere Begriff des ahd. burgari, Burgbe­wohner, wohl seit dem 11. Jh. auf den B. ein. Er hat →Bürgerrecht und ist trotz unter­schiedlicher ständischer Herkunft meist oder grundsätzlich frei (Stadtluft macht frei), wenn auch seiner Stadt verpflichtet. In der Neuzeit wird B. dagegen jeder, der nicht zum Adel oder zu den Bauern gezählt wird (Preußen 1794, II, 8, § 1). Er ist der Vorläufer des modernen Staatsbürgers.

Lit.: Maurer, G., Geschichte der Städteverfassung in Deutschland, Bd. 2 1879, 191ff.; Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 (1936), 150; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954, 5. A. 1980, 251ff.; Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Struck, W., Die Neubürger von Großalsleben 1604-1874, 1962; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 672; Felser, R., Herkunft und soziale Schichtung der Bürgerschaft obersteirischer Städte und Märkte, 1977; Über Bürger, Stadt und städtische Literatur im Spätmittelalter, hg. v. Fleckenstein, J. u. a., 1980; Res publica, Bürgerschaft in Stadt und Staat, hg. v. Dilcher, G., 1988; Bürgertum im 19. Jahrhundert, hg. v. Kocka, J., 1995; Dilcher, G., Bürgerrecht und Stadtverfassung, 1996; Bürgertum und bürgerlich-liberale Bewegung, hg. v. Gall, L., 1997; Ruppert, K., Bürgertum und staatliche Macht in Deutschland zwischen französischer und deutscher Revolution, 1997; Haupt, H./Crossick, G., Die Klein­bürger, 1998; Reidegeld, E., Bürgerschaftsre­gelungen, Freizügigkeit, Gewerbe­ordnung und Armen­pflege, ZRG 116 (1999), 87; Sozial- und Kulturgeschichte des Bürgertums, hg. v. Lundgreen, P., 2001; Neubürger im späten Mittelalter, hg. v. Schwinges, R. u. a., 2002; Bürgertum in Thüringen, hg. v. Hahn, H. u. a., 2001; Lässig, S., Jüdische Wege ins Bürgertum, 2004; Schulz, A., Lebenswelt und Kultur des Bürgertums im 19. und 20. Jahrhundert, 2005; Roeck, B., Lebenswelt und Kultur des Bürgertums in der frühen Neuzeit, 2. A. 2010; Bürgertum nach dem bürgerlichen Zeitalter, hg. v. Budde, G. u. a., 2010;

Bürgerbuch ist das die →Bürger der mittelalterlichen Stadt verzeichnende, älteren Listen folgende →Buch (z. B. Köln 1130-1140, Rostock 1258, Lübeck 1259, insgesamt 228 Bürgerbücher aus dem deutschen Reich bekannt, dazu 82 Bürgerlisten).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Andernacht, D./Stamm, O., Die Bürgerbücher der Reichsstadt Frankfurt, 1955; Das älteste Bürgerbuch der Stadt Soest, hg. v. Rothert, H., 1958; Taschenbuch für Familiengeschichtsforschung, hg. v. Ribbe, W., 12. A. 2001, 186ff.; Neubürger im späten Mittelalter, hg. v. Schwinges, R., 2002; Morita, N., Wie wurde man Stadtbürger?, 2008

Bürgerlehen ist das →Lehen eines →Bürgers. Es entsteht meist durch Verkauf durch den Adel. Der älteste Beleg für das B. reicht bis in das 11. Jh. (Regensburg 1072/1073). Bis in das 15. Jh. nimmt die Zahl der B. zu, dann infolge des Widerstands des landständigen Adels ab. Zumindest im Nordosten des Heiligen römischen Reiches scheint das B. dem ritterlichen Lehen nicht völlig gleichwertig gestellt zu sein. Die in der Neuzeit noch bestehenden B. gleichen sich an Miete und Pacht an.

Lit.: Frensdorff, F., Die Lehnsfähigkeit der Bürger, 1895; Grabscheid, D., Die Bürgerlehen im altdeutschen Reichsgebiet, Diss. phil. Frankfurt am Main 1957; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter, 1979; Schwarz, U., Bürgerlehen und adlige Lehen der Herzöge von Braunschweig-Gruben­hagen, Braunschweigisches Jahrbuch 66 (1985), 9ff.

Bürgerlicher Tod ist der rechtliche Tod (zivile Tod, fingierte Tod, lat. mors ([F.] civilis, Johannes Teutonicus, Glosse mortuus zu C 16 q. 1 c. 8) im Gegensatz zum natürlichen Tod. Er bewirkt den Verlust der bürgerlichen Rechtsfähigkeit (Fähigkeit, Eigentümer zu sein, eine Ehe einzugehen oder aufrechtzuerhalten, zu schenken, zu testieren, Vormund zu sein, Zeuge zu sein u. s. w.). Er ist wohl aus unterschiedlichen Wurzeln (Acht, Exkommunikation, Infamie) entstanden (16. Jh. mort civile als Bezeichnung bestimmter Kapitalstrafen mit Bürgerrechtsver­lust). Im 17. Jh. ist er die Folge des Gerichts­ungehorsams, im 18. Jh. die Folge jedes Urteils auf Todesstrafe und vieler lebenslänglicher Strafen (vgl. § 7 StGB Bayern 1813). In der Mitte des 19. Jh.s tritt der bürgerliche Tod zurück (Bayern 1849, Preußen 1850, Frankreich 1854). Ähnliche Folgen wie der bürgerliche Tod zieht zeitweise auch die Ablegung des klösterlichen Armutsgelübdes (Klostertod) nach sich.

Lit.: Hübner 56; Weithase, F., Über den bürgerlichen Tod als Straffolge, Diss. jur. Berlin (FU) 1966; Borgmann, B., Mors civilis, 1969; Borgmann, B., Mors civilis, Ius commune 4 (1972), 81; Hubmann, V., L’image de la mort, 1990

Bürgerliches Gesetzbuch (Wort 1786, bürgerliches Recht 1349, bürgerlich 1338) ist allgemein das vom politischen Bürgertum im 18. Jh. zur gesetzlichen Regelung des Privatrechts geforderte Gesetzbuch. Es wird in Frankreich 1804 (Code civil), in Österreich 1811/1812 (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) und in Sachsen 1863 (Bürgerliches Gesetzbuch) verwirklicht, während es andernorts nur zu Entwürfen kommt (Preußen 1842, Hessen-Darmstadt 1842, Bayern 1861/1864). In Deutschland erreichen nach vergeblichen Gesetzgebungs­anträgen der Jahre 1867-1872 die nationalliberalen Abgeordneten Miquel und Lasker am 20. 12. 1873 ([lat.] lex Miquel-Lasker), dass die Gesetzgebungs­zuständigkeit des Deutschen Reiches vom Schuldrecht auf das gesamte bürgerliche Recht (sowie das gerichtliche Verfahren) ausgedehnt wird. Auf ein Gutachten des Handelsrechtlers Goldschmidt und den Vorschlag einer später sog. Vorkommission (28. 2. 1874, Levin Goldschmidt, Franz Philipp von Kübel, Anton von Weber, Hermann von Schelling) vom 15. 4. 1874 wird eine (erste) Kommission (17. 9. 1874) mit 11 Mitgliedern (Eduard Pape Vor­sitzender, Albert Gebhard Allgemeiner Teil, Franz von Kübel Schuldrecht, Reinhold Johow Sachenrecht, Gottfried Planck Familienrecht, Gottfried von Schmitt Erb­recht, Gustav Derscheid, Karl Kurlbaum, Anton von Weber, Paul von Roth, Bernhard Windscheid [bis 1883]) eingesetzt. Seit 1. 10. 1881 berät sie Teilentwürfe. Ihr am 27. 12. 1887 mit Motiven vorgelegter, 1888 veröffentlichter Entwurf wird von ver­schiedenen Seiten (u. a. Anton Menger, Otto von Gierke) vor allem als zu wenig volkstümlich und zu wenig sozial angegriffen (insgesamt rund 700 Beiträge). Daraufhin wird nach Vorbereitung durch eine interne Vorkommission des Reichsjustizamts 1890 eine zweite Kom­mission (25 Juristen, u. a. Gottlieb Planck, Karl von Jacubezky, Alexander Achilles, Heinrich Börner, Hermann Struckmann, Arbeitsbeginn 1. 4. 1891) mit der Umar­beitung beauftragt, die nach einigen Veränderungen 1895 den zweiten Entwurf mit Protokollen dem Bundesrat vorlegt. Der nach Umarbeitung durch das Reichsjustizamt 1896 im Reichstag mit einer Denkschrift eingebrachte dritte Entwurf wird nach drei Lesungen am 1. 7. 1896 (u. a. mit 53 der 97 Stimmen der ihre gesell­schaftspolititsch relevanten Grundlagen wah­renden konservativen Parteien) beschlos­sen, am 14. 7. 1896 vom Bundesrat gebilligt, am 18. 8. 1896 ausgefertigt, am 24. 8. 1896 verkündet und zum 1. 1. 1900 in Kraft gesetzt (2385 Paragraphen mit etwa 130000 Wörtern), wobei flankierend das Handelsge­setzbuch, die Reichsjustizgesetze, die Grund­buchordnung und das Zwangsverstei­gerungsgesetz angepasst bzw. erlassen werden. Das die Geltung des preußischen Allgemeinen Landrechts, des Code civil und des gemeinen Rechtes in Deutschland beendende Gesetzbuch ist ein für neue Anforderungen durchaus offenes, recht begriffliches, ziemlich abstraktes, nach den Erscheinungsformen des subjektiven Rechtes und vom Allgemeinen zum Besonderen fortschreitend in fünf Bücher nach dem sog. Pandektensystem ge­gliedertes Erzeugnis technisch ge­schulter Juristen (ohne eine einzelne überragende schöpferische Persön­lichkeit). Inhaltlich überwiegen die den bürgerlichen Kreisen angemessenen und vorteilhaften liberalen Züge, zu denen patriarchalisch-konservative und soziale, dem Schutz des Schwächeren dienende Elemente hinzu­kom­men. Das Bürgerliche Gesetzbuch beeinflusst das Privatrecht vieler Länder (Japan 1898, Schweiz 1907, Österreich 1914, 1915, 1916, China 1912, Brasilien 1916, Thailand 1925, (Türkei 1926,) Peru 1936, Griechenland 1940/1946, Italien 1942, Frankreich, Portugal 1966). Sein Inhalt ist inzwischen vor allem im Familienrecht er­heblich verändert (Erbbaurechtsverordnung vom 15. 1. 1919, Ehegesetz vom 6. 7. 1938, positive Vertrags­verletzung, Wegfall der Ge­schäftsgrundlage, Arbeitsrecht, Wohnungs­mietrecht, Verbraucherschutz, Schuld­rechts­­­re­form 2001/2002, allgemeines Persönlich­keits­recht, Verkehrssicherungs­pflichten, Woh­­­­­­nungs­eigentum, Gleichbe­rech­tigungs­ge­setz 18. 6. 1957, Mietrechtsänderungen, 1969 Dienstver­trags­recht, Nichtehelichen­gesetz 19. 8. 1969, Eherechtsreformgesetz vom 14. 6. 1976 mit Zerrüttungsprinzip, allgemeine Geschäftsbedingungen, Reisever­trag, Betreu­ungs­recht, Namensrecht, Kind­schafts­rechts­reform, 1. 1. 2002 Aufnah­me des Gesetzes über die allgemeinen Geschöftsbedingungen, des Haustürge­schäftswiderrufsrechts, des Verbrau­cherkreditgesetzes, des Teilzeit-Wohn­rechte­gesetzes und des Fernabsatz­ge­setzes sowie Änderung des Leistungsstö­rungsrechts durch das von Richtlinien der Europäischen Union veranlasste Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts 2001/­2002).

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BGBDR­18­961900.htm; Söllner §§ 1, 16, 25; Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 181, 182, 207, 212; Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das deutsche Reich, Bd. 1ff. 1888; Zusammenstellung der gutachtlichen Äußerungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches, gefertigt im Reichsjustizamt, Bd. 1ff., 1890f.; Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags .. 1895/1996; Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Bd. 1ff. 1897ff.; Gradenwitz, O., Wörterverzeichnis zum bürgerlichen Gesetzbuche, 1902; Wieacker, F., Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher, 1953; Gmür, R., Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1965; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Brandt, D., Die politischen Parteien und die Vorlage des Bürgerlichen Gesetzbuches im Reichstag, 1975 (Diss.); Die Beratung des BGB in systematischer Zusammenstellung der unveröffent­lichten Quellen, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1978ff.; Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, hg. v. Schubert, W., 1980ff.; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Schubert, W., 1981ff.; Behn, M., Der Generalbericht der badischen Kommission zur Begutachtung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das deutsche Reich, ZRG GA 99 (1982), 113; Caroni, P., Liberale Verfassung und bürgerliches Gesetzbuch im 19. Jahrhundert, 1988; John, M., Politics and the Law in the late nineteenth century Germany. The Origins of the Civil Code, 1989; Schroeder, K., Deutsches Recht und Bürgerliches Gesetzbuch, ZRG GA 109 (1992), 152; Muscheler, K., Die Rolle Badens in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuches, 1993; Schmoeckel, M., 100 Jahre BGB, NJW 1996, 1697; Schulte-Nölke, H., Das Reichsjustizamt und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1995; Schulte-Nölke, H., Die schwere Geburt des Bürgerlichen Gesetzbuches, NJW 1996, 1784; Knieper, R., Gesetz und Geschichte, 1996; Die Sozialdemokratie und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Vormbaum, T., 1996; Bürgerliches Gesetzbuch 1896-1996, hg. v. Schlosser, H., 1997; Schubert, W., Das Bürgerliche Gesetzbuch im Urteil französischer Juristen bis zum ersten Weltkrieg, ZRG GA 114 (1997), 128; Das deutsche Zivilrecht 100 Jahre nach Verkündung des BGB, 1997; Kern, B., Der preußische BGB-Entwurf von 1842, 1998; BGB-Synopse 1896-1998, hg. v. Strätz, H., 1998; Eiffler, S., Die Feuertaufe des BGB, ZNR 1998, 238; Horn, N., Ein Jahrhundert Bürgerliches Gesetzbuch, NJW 2000, 40; Schwab, D., Das BGB und seine Kritiker, ZNR 22 (2000), 325ff.; Gast, B., Der Allgemeine Teil und das Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches im Urteil von Raymond Saleilles, 2000; Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, hg. v. Falk, U. u. a., 2000; Kramer, E., Der Einfluss des BGB auf das schweizerische und österreichische Privatrecht, AcP 200 (2000), 365; Wolters, M., Die Zentrumspartei und die Entstehung des BGB, 2000; Damnitz, M., Bürgerliches Recht zwischen Staat und Kirche. Mitwirkung der Zentrumspartei, 2001; Dittmann, M., Das Bürgerliche Gesetzbuch aus der Sicht des Common Law, 2001; Repgen, T., Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 2001; Depping, A., Das BGB als Durchgangspunkt. Privatrechtsmethode und Privatrechtsleitbilder bei Heinrich Lehmann (1876-1963), 2002; Das BGB im Wandel der Epochen, hg. v. Sellert, W. u. a., 2002; Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, hg. v. Schmoeckel, M./Rückert, J./Zimmermann, R., Bd. 1 2003; Thiessen, J., Das unsoziale BGB, 2003; Die soziale Dimension des Zivilrechts, hg. v. Peer, G. u. a., 2004; Staudinger, J. v., Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Eckpfeiler des Zivilrechts, 2005, Neubearb. 2011; Symposion Hundert Jahre BGB, hg. v. Hamza, G., 2006; Hensel, R., Jurisprudenz und Nationalökonomie, 2006; Riedel, T., Gleiches Recht für Mann und Frau, 2008; Zrenner, P., Die konservativen Parteien und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2008; Weller, A., Die Einführung des BGB im französischen Rechtsgebiet der preußischen Rheinprovinz, 2011; Boente, W., Nebeneinander und Einheit im Bürgerlichen Recht, 2013

Bürgerliches Recht (Wort 1349 belegt) ist das von den Bürgern in der Französischen Revolution (1789) als Recht einer egalitären Gesellschaft errungene Privatrecht. Es leitet sich sprachlich von (lat.) ius (N.) civile ab. Neben ihm steht beispielsweise das Handelsrecht (wie in Frankreich neben dem Code civil der Code de commerce).

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Bürgermeister ist seit der Mitte des 13. Jh.s (Köln 1258, Basel 1261) der Vorsitzende des kollegialen Verwaltungsorgans und Reprä­sentant der Gemeinschaft zunächst in der →Stadt, dem ein etwas älterer lateinischer →magister (M.) civium (Köln) bzw. magister civilis (Hildesheim-Dammstadt 1196) vorausgehen. Der B. wird teils gewählt, teils eingesetzt. Er hat sowohl verwaltende wie auch richterliche Aufgaben und Befugnisse. An vielen Orten gelingt ihm ein allmählicher Ausbau seiner Stellung. Oft finden sich mehrere B. nebeneinander. →Selbstverwal­tung

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 41; Köbler, DRG 111, 198; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954, 5. A. 1980, 323; Rabus, K., Der Ulmer Bürgermeister bis 1548, Diss. jur. Tübingen 1952; Rörig, W., Die Entwicklung der rheinischen Bürgermeisterei­verfassung, Diss. jur. Mainz 1957; Stemmler, G., Die Amtskette des Bürgermeisters, 2002; Weil, F., Entmachtung im Amt, 2004

Bürgerrecht ist die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft der →Bürger. Schon in Rom vermittelt die in erster Linie durch Geburt erlangbare Stellung als civis (M.) Romanus ([lat.] römischer Bürger) ein Bündel von Rechten (Stimmrecht in der Volksver­sammlung, passives Wahlrecht für Ämter, Berufungsrecht gegen Todesstrafe, gültige Ehe, Rechtsgeschäfte nach Zivilrecht, Legisaktionenverfahren) und Pflichten (Steuer­pflicht, Wehrdienstpflicht), weil nur für den civis Romanus das römische (lat.) →ius (N.) civile gilt. In gleicher Weise sondert das B. den Bürger zunächst der →Stadt (seit dem Hochmittelalter) aus der Allge­meinheit aus. Der Erwerb des Bürgerrechts erfolgt dabei meist durch Geburt, daneben durch einen besonderen Akt der Aufnahme. →Grundrecht, Menschen­recht

Lit.: Kaser §§ 3, 13, 58; Söllner § 12; Kroeschell, DRG 1, 2; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Hartung, F./Commichau, G., Die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte, 5. A. 1985; Julen, T., Das Bürgerrecht im Oberwallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1978; Deeters, J., Das Bür­gerrecht der Reichsstadt Köln, ZRG GA 104 (1987), 1; Menschen- und Bürgerrechte, hg. v. Klug, U., 1988; Dilcher, G., Bürgerrecht und Stadtverfassung, 1996

Burgfriede ist im Hochmittelalter der in der Burg zu wahrende Friede.

Burggraf (seit 10./11. Jh.) ist der eine Burg (und damit anfangs auch eine Stadt) verwaltende Graf (z. B. Regensburg 970, Köln, Mainz, Trier, Straßburg, Worms, Speyer, Utrecht, Toul, Cambrai, Augsburg, Würzburg, Magdeburg, B. von Nürnberg).

Lit.: Rietschel, S., Das Burggrafenamt und die hohe Gerichtsbarkeit, 1905; Peterka, O., Das Burggrafentum in Böhmen, 1906; Brünneck, W. v., Das Burggrafenamt und Schultheißentum in Magdeburg und Halle, 1908; Sander, P., Stadtfestungen und Burggrafenamt im früheren Mittelalter, HV 13 (1910), 70ff.; Eckhardt, K., Präfekt und Burggraf, ZRG GA 46 (1926), 163; Helbig, H., Der wettinische Ständestaat, 1955, 204

Burghausen

Lit.: Leidl, G., Rechtsgeschichte der Stadt Burghausen an der Salzach, 1960

Burglehen ist das eine Burg betreffende Lehen, das den Burgmann zur Burghut verpflichtet. Es findet sich vom 12. bis zum 15. Jh. Der sich festigende Territorialstaat drängt das B. zurück.

Lit.: Klebel, E., Studien zum mittelalterlichen Lehnswesen, 1960; Spiess, K., Lehnsrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung, 1978

Burgrecht erscheint seit der ersten Jahrtausendwende als Lehnübersetzung (ahd. burgreht) des lateinischen ius (N.) civile. In Süddeutschland bezeichnet es seit 1167 eine Landleihe zu freiem Erbzins (und in Österreich auch den Rentenkauf). Daneben findet es sich etwas später als Benennung des →Stadtrechts und des →Bürgerrechts.

Lit.: Köbler, DRG 104; Winiarz, A., Erbleihe und Rentenkauf in Österreich im Mittelalter, 1906; Fischer, H., Burgbezirk und Stadtgebiet im deutschen Süden, 1956; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Illichmann, E., Recht und Besitz der Bauern und Hintersassen des Mittelalters in Österreich, 1983

Bürgschaft (Wort 950 belegt) ist der einseitig verpflichtende Vertrag zwischen einem Gläubiger eines Dritten und einem →Bürgen, in dem sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger des Dritten verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Bei den Römern ist die B. das wichtigste Mittel zur Sicherung einer Forderung. Vermutlich verbürgen sich dabei (lat. [M.]) vas bzw. praes zunächst noch nicht für die Leistung des Schuldners, sondern übernehmen nur eine Haftung dafür, den Schuldner (oder eine Sache) zu bestimmter Zeit an bestimmtem Ort zu stellen (Gestellungsbürge). Erst aus der Verschmelzung dieser Einrichtung mit einem Leistungsversprechen (lat. [F.] sponsio) erwächst der (Leistungs-)Bürge (lat. [M.] adpromissor, sponsor, fidepromissor, fideiussor [1. Jh. v. Chr.]). Die Verpflichtung des Bürgen als eines Nebenschuldners ist vom Bestand der Hauptschuld abhängig. Für das deutsche Recht steht ebenfalls die Herkunft der B. nicht sicher fest (Pfandrecht?, Gestellung zwecks Vermeidung der Festnahme des Schuldners?). Im späten Mittelalter tritt die B. gegenüber dinglichen Sicherheiten zurück. Teils haftet der Bürge dem Gläubiger ausschließlich, teils haftet auch der Schuldner. Verschiedentlich haften beide gesamt­schuldnerisch. Zuerst begegnet die heutige Gestaltung, dass der Schuldner primär und der Bürge grundsätzlich nur subsidiär haftet (Einrede der Vorausklage), in Nord­deutsch­land. Während nach dem Code civil Frankreichs von 1804 und dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs von 1811 die Bürgschafterklärung keiner Form bedarf, verlangen das All­gemeine Landrecht Preußens (1794), das Obligationenrecht der Schweiz (1881) und das Bürgerliche Gesetzbuch Deutschlands (1900, vgl. §§ 1346ff. ABGB) Schriftform der Bürgschaftserklärung. Aus dem Recht des leistenden Bürgen gegen den Gläubiger auf Abtretung der Hauptforderung im gemeinen Recht (lat. beneficium [N.] cedendarum ac­tionum, Wohltat der abzu­tretenden Klag­ansprüche) entsteht ein gesetzlicher For­derungsübergang (Legalzession).

Lit.: Kaser §§ 50, 57; Hübner 508; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 44, 74, 128; Beyerle, F., Der Ursprung der Bürgschaft, ZRG GA 47 (1927), 567; Kaufmann, E., Die Bürgschaft im Recht des Ingelheimer Oberhofes, ZRG GA 74 (1957), 199; Martin, R., Das Bürgschaftsrecht Nord- und Ostdeutschlands, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960; Eggert, R., Die Bürgschaft im süddeutschen Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1962; Mückenheim, U., Die Bürgschaft in den Lübecker Ratsurteilen, Diss. jur. Hamburg 1964; Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140ff.; Reimer, K., Treu­handbürgschaft und Sicherungsbürgschaft, ZRG GA 85 (1968), 194; Les sûretés personelles, 1971; Walliser, P., Das Bürgschaftsrecht in historischer Sicht, 1974; Feenstra, R., Die Bürgschaft, Rec. Soc. J. Bodin 28 (1974), 295; Walliser, P., Die Amtsbürgschaft im schweizerischen Recht, ZRG GA 96 (1979), 100; Maier, K., Die Bürgschaft in süddeutschen und schweizerischen Gesetzbüchern des 16.-18. Jahr­hunderts, 1980; Hoppe, C., Die Bürgschaft im Rechtsleben Hamburgs, 1997; Jenks, S., Die Bürgschaft im mittelalterlichen englischen Strafrecht, Diss. phil., Berlin 1998; Kowolik, Y., Interzessionen von Nahbereichspersonen, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Burgund (franz. Bourgogne) ist zunächst die von den →Burgundern in der Völker­wanderung besiedelte Landschaft (zwischen 400 und 436 Mainz bis Worms, nach 436 [Niederlage gegen Römer oder Hunnen?] bzw. 443 um Genf und Lyon). 534 gelangt B. an die Franken und ist zweitweise ein fränkisches Teilreich. 843 wird das Gebiet entlang der Saône zwischen westfränkischem Reich und lotharischem Reich geteilt. 879 entsteht ein Königreich B. (Niederburgund), das von dem 888 errichteten Königreich B. (Hochburgund) um 931/933 bzw. 950 aufgesogen wird und mit diesem einschließlich der Grafschaft B. (Franche-Comté) 1032/1033 an das Deutsche Reich fällt. Das westlich der Saône entwickelte, 963 an die →Kapetinger gelangte Herzogtum B. gewinnt im 14. und 15. Jh. große Bedeutung (1363 Philipp der Kühne, Erweiterung um Flandern, Artois, Rethel, Nevers, Frei­grafschaft, Brabant, Limburg, Hennegau, Holland, See­land), bis es über Maria von B. 1477/1482 großteils (Niederlande, Franche-Comté) an die →Habsburger kommt (und dort von 1512 bis 1806 den burgundischen Reichskreis bildet), in seinem Kern (Herzogtum B. und Pikardie) aber 1493 →Frankreich zugeschlagen wird. Das übrige B. wird zwischen 1674 und 1678 (Freigraf­schaft) von Frankreich erobert. 1459 werden die Coutumes générales du Comté de Bourgogne aufgezeichnet.

Lit.: Köbler, DRG 95, 76, 129; Köbler, Historisches Lexikon; Seignobos, C., Le régime féodal en Bourgogne, 1882; Stouff, L., Les origines de l’anne­xion de la Haute-Alsace à la Bourgogne en 1469, 1901; Poupardin, R., Le royaume de Bourgogne (888-1038), 1907; Walther, A., Die burgundischen Zentral­behörden, 1909; Chaume, M., Les origines du duché de Bourgogne, Bd. 1ff. 1925ff.; Richard, J., Les ducs de Bourgogne, 1954; Hoke, R., Die Freigrafschaft Burgund, ZRG GA 79 (1962), 106; Vaughan, R., Philip the Bold, 1962, 2. A. 1979, 3. A. 2002; Vaughan, R., Philip the Good, 1970, 2. A. 2002; Boehm, L., Geschichte Burgunds, 1971, 2. A. 1979 bzw. 1998; Vaughan, R., Charles the Bold, 1973, 2. A. 2002; Rompaey, J. van, De grote raad van de hertogen van Borgondië, 1973; Die Urkunden der burgundischen Rudolfinger, bearb. v. Schieffer, T., 1977; Jeanclos, Y., L’arbitrage en Bourgogne et en Champagne, 1977; Bart, J., La liberté ou la terre, 1984; Pridat, H., Nicolas Rolin, 1995; Esders, D., Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997; Schnerb, B., L’état bourguignon 1363-1477, 1999; Ehm, P., Burgund und das Reich, 2002; Gresser, P./Richard, J., La gruerie du comté de Bourgogne aux XIV et XVe siècles, 2004; Hofordnungen der Herzöge von Burgund, hg. v. Kruse, H. u. a., Bd. 1 2005; Godding, P., La législation ducale en Brabant sous le règne de Philippe le Bon, 2006; Oschema, K., Freundschaft und Nähe im spätmittelalterlichen Burgund, 2006; Kamp, H., Burgund, 2007; Kraume, H., Glanzvolles Burgund, 2010; Bourgondie voorbij, 2010

Burgunder oder Burgunde ist der Angehörige eines (vielleicht) von der Ostsee (vielleicht Bornholm) über die Oder und Weichsel (um 57 n. Chr. bei Plinius dem Älteren und um 150-170 n. Chr. bei Ptolemäus erwähnt) an den mittleren Rhein gelangten ostgermanischen Volkes. Das Recht der B. ist in der →Lex Burgundionum bzw. →Lex Romana Burgundionum überliefert. Von der vielleicht im 7. oder 8. Jahrhundert unterge­gangenen Sprache ist möglicherweise außer dem Namen nichts sicher bekannt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 57, 75, 86; Jahn, A., Geschichte der Burgundionen und Burgunder, 1874; Saleilles, R., De l’établissement des Burgundes, 1891; Kienast, W., Studien über die französischen Volksstämme des Frühmittelalters, 1968, 23; Perrin, O., Les Borgondes, 1968; Favrod, J., Les Burgondes, 2002; Kaiser, R., Die Burgunder, 2004

Burgundio von Pisa ist ein seit 1136 erwähnter Übersetzer griechisch geschrie­bener Digestenstellen.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 242

Burgus (M.) bezeichnet als lateinisches Lehnwort wohl aus dem Germanischen (str.) seit dem 2. Jh. n. Chr. ein kleines Kastell, danach (5. Jh.) allgemeiner eine Siedlung. Im frühen Mittelalter ist es teils die an eine (lat. [F.]) civitas angelehnte, teils unabhängige Siedlung. Im Reich erscheint b. 1120 (Mühldorf am Inn). Der Bewohner heißt (lat. [M.]) burgensis (Frankreich 10. Jh., Spanien 11. Jh., Freiburg im Breisgau 1120). Streitig ist, inwieweit b. oder burgum die Marktsiedlung und burgensis eine besondere Art von →Bürger anzeigt. Im 14. Jh. schwindet b. wieder.

Lit.: Beyerle, F., Zur Typenfrage in der Stadtver­fassung, ZRG GA 50 (1930), 1ff,.; Ennen, E., Frühgeschichte der europäischen Stadt, 1953, 3. A. 1981; Schlesinger, W., Burg und Stadt, (in) Mittel­deutsche Beiträge zur deutschen Verfassungs­geschich­te, Bd. 2 1963, 124; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Werveke, H. van, Burgus, 1965

Burgward (lat. burgward[i]um, 961) ist vor allem in der frühhochmittelalterlichen Zeit der Ostsiedlung das Gebiet um die befestigte Siedlung (→Burg) als Verteidigungsbereich und Verwaltungsbereich (z. B. Biederitz, Möckern, Magdeburg, Frohse, Barby, Calbe an der Saale, Haldensleben, Wanzleben, Unseburg, 1. H. 11. Jh. Merseburg, Ritteburg, Wallhausen, Sulza).

Lit.: Knüll, B., Die Burgwarde, Diss. phil. Tübingen 1895; Schlesinger, W., Burgen und Burgbezirke, (in) Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungs­geschichte, 1961, 158; Billig, C., Die Burgwardorga­nisation im obersächsisch-meißnischen Raum, 1989

Burgwerk ist im Frühmittelalter die Verpflichtung zur Unterhaltung von Burgen und ähnlichen Befestigungsanlagen. Im Hochmittelalter begegnet hauptsächlich die Befreiung hiervon.

Lit.: Schlesinger, W., Burgen und Burgbezirke (in Mit­teldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsge­schichte des Mittelalters, 1961, 158ff.

Bürokratie (F.) ist die durch hauptberuflich tätiges, fachlich ausgebildetes Personal bzw. durch Trennung von Amt und Person bzw. durch Regelgebundenheit und durch Schriftlichkeit aller wesentlichen Amtsvor­gänge gekennzeichnete Verwaltungsgestal­tung. Sie wird gedanklich in der Mitte des 18. Jh.s erfasst. Der frühe Liberalismus lehnt die B. ab, Max Weber versachlicht die Bedeutung des Wortes.

Lit.: Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft, 5. A. 1986; Wunder, B., Geschichte der Bürokratie in Deutschland, 1986; Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988; Treichel, E., Der Primat der Bürokratie, 1991; Heindl, W., Gehorsame Rebellen, 1991; Herrschaftsverdichtung, Staatsbildung, Bürokra­ti­sierung, hg. v. Hochedlinger, M. u. a., 2011

Burschenschaft (1791) ist der im frühen 19. Jh. (1813/1815) neben die älteren Landsmannschaften tretende, national und liberal ausgerichtete Zusammenschluss (Ver­bindung) der Studenten (1811 Jahn, F./Friesen, K., Ordnung zur Einrichtung von Burschenschaften, 12. 6. 1815 Jena Urbur­schenschaft, 1819 Verbot der Burschen­schaften, geheime Wirksamkeit, 1848/1849 150 Abgeordnete der Frankfurter Nationalver­sammlung Burschenschaftler, 1935 erzwun­gene Selbstauflösung der Deutschen B., 1950 wie­der begründet).

Lit.: Bayer, E., Die Entstehung der deutschen Burschenschaft, 1883; Quellen und Darstellungen zur Geschichte der Burschenschaft, hg. v. Haupt, H., Bd. 1ff. 1910ff.; Brunck, H., Die deutsche Burschenschaft, 1999; Roeseling, S., Burschenehre und Bürgerrecht, 1999; ein großes Ganzes, hg. v. Brunck, H. u. a., 2011

Bursprake ist in Nordeutschland im Hochmittelalter und Spätmittelalter (im Mittelniederdeutschen) die Versammlung der Nachbarn in Stadt und Land. B. kann auch das dort verlesene oder geschaffene Recht bezeichnen (z. B. Lübeck, Wismar). Ver­schiedent­lich gewinnt die B. gerichtliche Befugnisse.

Lit.: Bolland, J., Zur städtischen Bursprake im hansischen Raum, ZLGA 36 (1956), 96

Bußbuch ist das ein System kirchlicher →Bußen für Sünden enthaltende Buch ([→lat.] →Paenitentiale, liber paenitentialis). Es erscheint seit dem 6. Jh. in Irland und England ([lat.] Iudicia [N.Pl.] Cummeani, Kolumban, (lat.) Liber [M.] de poenitentiarum mensura taxantium, Theodor von Canterbury, [lat.] Canones [M.Pl.]), bald danach mit der irischen Mission auf dem Festland (rund 400 Handschriften, u. a. Buch 19 von →Burchard von Worms, Decretum). Im 13. Jh. tritt an die Stelle des Bußbuchs die (lat.) Summa (F.) confessorum (Summe der Bekenner) der →Beichtstuhljurisprudenz.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Wasserschleben, E., Die Bußordnungen der abendländischen Kirche, 1851; Schmitz, H., Die Bußbücher und die Bußdisziplin der Kirche, 1888; Schmitz, H., Die Bußbücher und das kanonische Bußverfahren, 1898; Finsterwalder, P., Die Canones Theodori Cantuariensies, 1929; Spindler, E., Das altenglische Bußbuch, 1934; Bieler, L., The Irish Penitential, 1963; Vogel, C., Les libri poenitentiales, 1978; Kottje, R., Die Bußbücher Halitgars von Cambrai und des Hrabanus Maurus, 1980; Körntgen, L., Studien zu den Quellen der frühmittelalterlichen Bußbücher, 1993; Kottje, R., Bußbücher in mittelalterlichen Bibliotheksverzeichnissen, Sacris erudiri 45 (2006), 305ff.

Buße ist ursprünglich der Ausgleich eines Unrechtserfolges durch eine Leistung an den Verletzten zum Zweck der Besserung seiner Lage. Sie ist dem römischen Recht als die Geldsumme bekannt, mit der anfangs (in festen Sätzen) das vergeltende Racherecht des Verletzten etwa bei Körperverletzung oder Sachbeschädigung abgelöst wird (lat. [F.] poena). Die (lat. [F.] lex Aquilia stellt auf den Wert der beschädigten Sache ab. In der jüdisch-christlichen Kirche ist die Buße die Abwendung von einer sündhaften Vergangenheit. Tacitus bezeugt sie für die Germanen, bei denen ein Teil der B. auch an die Allgemeinheit fällt. In den →Volksrechten des Frühmittelalters wird ein ganzes System von mehreren Zielen dienenden Bußen (lat. compositiones) festgehalten (→Kompositionensystem), zu dem insbesondere auch das →Wergeld gehört. Ihnen entsprechen die Bußen der →Bußbücher. Dieses Bußensystem wird seit dem Hochmittelalter durch die →Strafe zurückgedrängt, wobei die öffentliche Buße etwa im Bistum Konstanz noch im 15. und frühen 16. Jh. erkennbar ist. (vgl. auch noch § 1497 sächsisches BGB von 1863). Die Leistung an den Verletzten wird mehr und mehr als →Schadensersatz verstanden. B. wird aber teils als an den Verletzten, teils als an den Staat (für Ordnungswidrigkeiten) zu erbringende Geldleistung weiter fortgeführt, wobei eine an eine Gemeinschaft zu leistende B. öfter gemeinsam vertrunken wird. Das Reichs­strafgesetzbuch des deutschen Reiches von 1871 kennt (neben der Strafe) die Zahlung einer B. für Beleidigungen und Körper­verletzungen in den §§ 188, 231 StGB (in der Deutschen Demokratischen Republik bis 1968, in der Bundesrepublik Deutschland bis 1974). Ähnliche Regeln enthalten das Urhe­bergesetz, das Patentgesetz und das Markenschutzgesetz bis 1965/1974.

Lit.: Kaser §§ 35, 50; Söllner § 8; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 43ff., 2, 207ff.; Waechter, C. v., Die Buße bei Beleidigungen und Körperverletzungen, 1874; Dochow, A., Die Buße im Strafrecht und Strafprozess, 1875; Dohna, A. zu, Die Stellung der Buße im reichsrechtlichen System des Immaterialgüterschutzes, 1902; Pappenheim, M., Scheinbuße und Selbsturteil, ZRG GA 29 (1908), 334; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967, 95; Weisweiler, J., Buße, ZRG GA 51 (1931), 541; Vogel, C., Le pécheur et la pénitence, 1969; Rüping, H., Geldstrafe und Buße, Z. f. s. ges. StW 85 (1973), 672; Hattenhauer, H., Über Buße und Strafe, ZRG GA 100 (1983), 53; Bader, K., Zum Unrechtsausgleich und zur Strafe im Frühmittelalter, ZRG GA 112 (1995), 1ff.; Mansfield, M., The Humiliation of Sinners, 1995; Hamilton, S., The Practice of Penance, 2001; Schumann, E., Unrechtsausgleich im Frühmittelalter, 2003 (ungedr. Habilitationsschrift); Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004

Bußgeld ist in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s die an den Staat zu erbringende Geldleistung für eine Ordnungswidrigkeit.

Bussi, Emilio (13. 4. 1904-Rom 14. 11. 1997) wird nach dem Studium des Rechtes 1940 Professor in Cagliari, 1958 in Modena und widmet sich zunächst dem gemeinen Recht (La formazione dei dogmi di diritto nel diritto comune, Bd. 1f. 1937ff.), danach dem Hei­ligen Römischen Reich der frühen Neuzeit (Il diritto pubblico del Sacro Romano Impero, Bd. 1f. 1957ff.

Lit.: Dilcher, G., Nachruf ZRG GA 116 (1999), 707ff.

Buteil ist im Frühmittelalter die grundherrschaftliche Abgabe beim Erbfall. Sie besteht teils in der Hälfte des Viehs, teils im →Besthaupt. Sie schwindet schon am Ende des Frühmittelalters.

Lit.: Hübner 676; Kroeschell, DRG 1, 2

Büttel ist der gebietende Mensch, ins­besondere der Gerichtsdiener. Er lädt, verhaftet, pfändet und vollstreckt häufig auch eine Strafe. Wegen des niedrigen Ansehens wird die Bezeichnung im 19. Jh. aufgegeben. →Gerichtsvollzieher

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Angstmann, E., Der Henker in der Volksmeinung, 1928; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Peters, W., Bezeichnungen und Funktionen des Fronboten, 1991; Metzke, H., Zur lokalen und sozialen Mobilität der Amts- und Gerichtsdiener im 17./18. Jahrhundert, ZRG GA 113 (1996), 412; Pauser, J., Der Zwettler Gerichtsdiener, 2002

Butzbach

Lit.: Bachmann, B., Die Butzbacher Stadtrechnungen im Spätmittelalter, 2011

Bützow ist von 1760 bis 1789 Sitz einer von Rostock abgeteilten Universität.

Lit.: Asche, M., Von der reichen hansischen Bürgeruniversität zur armen mecklenburgischen Landeshochschule, 2000, 2. A. 2008

Buxtehude

Lit.: Schindler, M., Buxtehude, 1959

Bynkershoek (Bijnkershoeck), Cornelis van (Middelburg/Seeland 29. 5. 1673-Den Haag 16. 4. 1743) wird nach dem Rechtsstudium in Franeker Anwalt in Den Haag und 1704 Richter des Hoge Raad van Holland en Zeeland (1723 Präsident). In seiner Dissertation (lat.) De dominio maris (1703, Über das Eigentum am Meer) begründet er für den Landesherrn das Eigentum vor der jeweiligen Küste, soweit es mit Waffen beherrscht wird. Seine (lat.) Observationes (F.Pl., Beobachtungen) zu vielen Verfahren sind seit 1923 veröffentlicht.

Lit.: Star Numan, O., Cornelis van Bankershoek, 1869; Krikke, A./Faber, S., Cornelis van Bynkershoek, (in) Zestig juristen, 1987, 141; Bergh, C. van den, Der Präsident Cornelis van Bijnkershoek, Zs. f. europ. Privatrecht 3 (1995), 423

Byzantinisches Recht ist das in Ostrom (Byzanz) gepflegte römische Recht in griechischer Sprache auf der Grundlage der Kompilationstätigkeit Kaiser Justinians (527-565). Wichtigste Werke sind Theophils Paraphrase der Institutionen, Nomos georgikos, Nomos nautikos (Ende 9. Jh.s), Eisagoge, Prochiron 907, eparchikon biblion (nach 907), Ekloge ton nomon (941), 113 Novellen Kaiser Leon VI., Basiliken (888?) mit Scholien (11. Jh.) und Kurzfassungen (z. B. synopsis Basilicorum 10. Jh.), Peira (M. 11. Jh.), Nomokanones, Tipukitos (12. Jh.), Hexabiblos (14. Jh., endgültig erst durch das Zivilgesetzbuch Griechenlands von 1946 abgelöst).

Lit.: Ius Graeco-Romanum, hg. v. Zachariae von Lingenthal, H. v., Bd. 1ff. 1856ff.; Zachariae von Lingenthal, H. v., Geschichte des griechisch-römischen Rechtes, 3. A. 1892; Jus Graeco-Romanum, hg. v. Zepos, J. u. a., Bd. 1ff. 1931ff.; Wenger. L., Die Quellen des römischen Rechtes, 1953; Simon, D., Rechtsfindung am byzantinischen Reichsgericht, 1973; Beck, H., Nomos, Kanon und Staatsräson in Byzanz, 1981; Van der Wal, N. u. a., Historiae iuris graeco-romani delineatio, 1985; Schminck, A., Studien zu mittelbyzantinischen Rechtsbüchern, 1986; Simon, D., Die Epochen der byzantinischen Rechtsgeschichte, Ius commune 15 (1988), 73ff.; Das Eparchenbuch Leons des Weisen, hg. v. Koder, J., 1991; Burgmann, L. u. a., Repertorium der Handschriften des byzantinischen Rechts, Bd. 1f. 1995ff.; Letsios, D., Nomos Rhodiôn nautikos, 1996; Burgmann, L., Das byzantinische Recht und seine Einwirkung auf die Rechtsvorstellung der Bachbarvölker, Südosteuropa-Jahrbuch 26 (1996), 277ff.

Byzanz ist die nach einem sagenhaften Gründer Byzas benannte, 326/330 von dem römischen Kaiser Konstantin von Byzantion in Kon­stantinopel umbenannte Stadt am Bosporus, die 395 Hauptstadt des östlichen Teiles des römischen Weltreichs wird und damit zugleich für das von hier aus beherrschte (oströmische) Reich. Der von Kaiser Justinian (527-565) unternommene Versuch, die weströmischen Gebiete zurückzugewinnen, bleibt ohne nachhaltige Wirkung in dem seit Herakleios (610-41) verstärkt griechisch geprägten Land. Vielmehr wird das byzantinische Reich in der Folge von Persern, Arabern und Bulgaren nachhaltig bedroht und verliert nach der kirchlichen Trennung der griechisch-orthodoxen Kirche von der katholischen Kirche (1054) 1176 im Kampf gegen die Rum-Seldschuken seine Stellung als Großmacht. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer (1203/4) wird das byzantinische Reich unter die Venezianer und die übrigen Kreuzfahrer aufgeteilt. Osmanen, Serben und Bulgaren bedrohen den verbleibenden Rest von mehreren Seiten. Mit der Eroberung Kon­stantinopels am 29. 5. 1453 durch die Osmanen endet B. bzw. das Byzantinische Reich.

Lit.: Zachariae von Lingenthal, K., Geschichte des griechisch-römischen Rechtes, 3. A. 1892; Neudruck 1955; Krumbacher, K., Geschichte der byzantinischen Literatur, 1897; Ball, H., Byzntinisches Christentum, hg. v. Wacker, B., 2011; Karajannis, C., Die Zentralverwaltung des mittelbyzantinischen Reiches, 1949; Ohnsorge, W., Das Zweikaiserproblem im früheren Mittelalter, 1947; Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechtes, 1953; Pieler, P., Byzantinische Rechtsliteratur, (in) Handbuch der Altertumswissenschaft, XII, 5, 2, 1978, 343; Ohnsorge, W., Abendland und Byzanz, 1979 (Aufsätze); Beck, H., Das byzantinische Jahrtausend, 2. A. 1994; Winkemann, F., Byzantinische Rang- und Ämterstruktur, 1985; Simon, D., Epochen der byzantinischen Rechtsgeschichte, Ius commune 15 (1988), 73; Schreiner, P., Byzanz, 2. A. 1994, 3. A. 2007, 4. A. 2011; Simon, D., Die Epochen der byzantinischen Rechtsgeschichte, Ius commune 15 (1988), 73; Wirth, P., Grundzüge der byzantinischen Geschichte, 2. A. 1989; Ostrogorsky, G., Byzantinische Geschichte 324 bis 1453, 3. A. 1996; Cutler, A./Spieser, J., Das mittelalterliche Byzanz, 1997; Haldon, J., Byzantium in the Seventh Century, 1997; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Norwich, J., Byznanz, 1998; Lilie, R., Byzanz, 1999; Avenarius, A., Die byzantinische Kultur und die Slawen, 2000; Matschke, K./Tinnefeld, F., Die Gesellschaft im späten Byzanz, 2000; Matschke, K. u. a., Die Gesellschaft im späten Byzanz, 2001; Haldon, J., Das byzantinische Reich, 2002; Brandes, W., Finanzverwaltung in Krisenzeiten, 2002; Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches von 565-1453, bearb. v. Dölger, F., 2. A. 2003; Lilje, R., Byzanz, 2003; Lilie, R., Byzanz und die Kreuzzüge, 2004; Der Beitrag der byzantinischen Gelehrten zur abendländischen Renaissance des 14. und 15. Jahrhunderts, hg. v. Konstantinou, E., 2006; Lilie, R., Einführung in die byzantinische Geschichte, 2007; Encyclopaedic Prosopographical Lexicon of Byzantine History and Civilisation, hg. v. Savvides, A. u. a., 2007ff.The Cambridge History of the Byzantine Empire, hg. v. Shepard, J., 2008; The Oxford Handbook of Byzantine Studies, hg. v. Jeffreys, 2008; Meier, N., Anastasios I. Die Entstehung des byzantinischen Reiches, 2009; Sommer, A., Die Münzen des byzantinischen Reiches 491-1453, 2010; Schreiner, P., Byzanz zwischen Systematisierung und Atomisierung, HZ 292 (2011), 425

 

C

Caccialupus, Johann Baptista ist ein in San Severino in der Mark Ancona um 1420 geborener, in Perugia ausgebildeter, seit 1452 in Siena lehrender Jurist (Tractatus de modo studendi in utroque iure, De modis arguendi, consilia).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 849

Caemmerer, Ernst von (Berlin 17. 1. 1908-Freiburg im Breisgau 23. 6. 1985), Historikerssohn, wird nach dem Studium des Rechtes in München und Berlin und der Promotion (1931, Martin Wolff) Assistent und Referent am Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und inter­nationales Privatrecht in Berlin (Ernst Rabel) sowie nach der Habilitation in Frankfurt am Main (1946 Walter Hallstein) 1947 Professor in Freiburg im Breisgau. Er wird sehr bedeutsam für die Rechtsvergleichung.

Lit.: Festschrift Ernst von Caemmerer, 1978

Caepolla, Bartholomäus ist ein in Verona um 1420 geborener, in Bologna und Padua ausgebildeter, 1445 promovierter, in Padua, Ferrara, Verona und Padua lehrender, 1475 oder 1477 verstorbener Jurist (De ser­vitutibus, cautelae Caepollae, De contractibus emptionum et locationum, De imperatore militum deligendo, consilia).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 843

Caesar (Cäsar), Gaius Iulius (Rom 13. 7. 100–Rom 15. 3. 44 v. Chr.), Neffe des Marius, wird nacheinander Quästor, Ädil, Prätor und Konsul. Zwischen 58 und 51 v. Chr. erobert er Gallien, wobei er auch den Rhein überschreitet und auf die britischen Inseln übersetzt. Nach einem erfolgreichen Bürgerkrieg wird er im Februar 44 Diktator auf Lebenszeit. An den Iden des März wird er ermordet. Durch ihn endet die römische Republik. Literarisch bedeutsam sind seine Kommentare über den gallischen Krieg, die auch über die Germanen berichten.

Lit.: Köbler, DRG 32, 66; Caesar, Der gallische Krieg - Bellum Gallicum - lateinisch-deutsch 6. A. 2011; Caesar, Der Gallische Krieg, hg. v. Schönberger, O., 4. A: 2013;Gelzer, M., Caesar, 1921, Neudruck 1983, m. Einführung v. Baltrusch, E., 2008; Walser, G., Caesar und die Germanen, ZRG GA 57 (1974), 275; Meier, C., Caesar, 1982; Julius Caesar, 1992; Christ, K., Caesar, 1994; Jehne, M., Caesar, 1997; Etienne, R., Jules César, 1997; Canfora, L., Caesar, 2001; Zecchini, C., Cesare e il mos maiorum, 2001; Baltrusch, E., Caesar und Pompeius, 2004, 2. A. 2010; Dahlheim, W., Julius Cäsar, 2005, 3. A. 2011; Caesar, hg. v. Baltrusch, E., 2007; Will, W., Veni, vidi, vici. Caesar und die Kunst der Selbstdarstellung, 2008; Will, W., Caesar, 2009; Jehne, M., Der große Trend, 2009

Cahier (M.) de doléances ist das vielleicht schon auf hochmittelalterliche Ansatzpunkte zurückgehende, seit 1427 in ersten Anfängen, 1484 in gedruckter Form erkennbare „Beschwerdeheft“ der ständischen Dele­gierten der Generalstände (états généraux) in Frankreich.

Lit.: Marion, M., Dictionnaire des institutions de la France, 1923, 66

Calenberg ist ein sächsisch-welfisches Teilfürstentum Braunschweig-Lüneburgs, das in verwickelten Nachfolgen im Land →Hannover und damit über Preußen (1866) in Niedersachsen (1946) aufgeht.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Spieß, W., Die Großvogtei Calenberg, 1933; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1960; Das Calenberger Hausbuch von 1592, bearb. v. Lathwesen, H., 1980

Calonius →Turku

Calvin, Johannes (Jean) (Noyon 10. 7. 1509-Genf 27. 5. 1564) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans und Bourges (1528-1532) und dem Lizentiat in Paris Anhänger der Reformation Martin →Luthers (1533 Flucht aus Frankreich) und beeinflusst von Genf aus Europa von Schottland bis Siebenbürgen. Sein Hauptwerk ist die (lat.) Institutio (F.) religionis christianae (Einrichtung der christlichen Religion, 1536, Endfassung 1559). Der von ihm begründete Calvinismus wirkt sich vor allem wegen der Verbindungen mit dem Humanismus und der positiven Haltung gegenüber der humanis­tischen Ethik (über Hugo Donellus und Dionysius Gothofredus) auf die Entstehung des weltliche Machtansprüche der Kirche und die Unterscheidung von Klerikern und Laien ausschließenden öffentlichen Rechtes und auf Gedanken der →Demokratie und des →Widerstandsrechts sowie subjektiver Rechte auf Leben, kör­perliche Unversehrtheit, Frei­heit und Achtung der Menschenwürde bedeutsam aus.

Lit.: Köbler, DRG 153; Schulthess-Rechberg, G. v., Luther, Zwingli und Calvin in ihren Ansichten über das Verhältnis von Staat und Kirche, 1909; Bohatec, J., Calvin und das Recht, 1934; Müller, W., Church and State in Luther and Calvin, 1954; Pfisterer, E., Calvins Wirken in Genf, 1957; Staedtke, J., Johannes Calvin, 1969; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Die Schüler Calvins in der Diaspora, hg. v. Lüthi, K. u. a., 1989; Territorialstaat und Calvinismus, hg. v. Schaab, M., 1993; Naphy, W., Calvin, 1994; Spijker, W. v., Calvin, 2001; Heise, V., Der calvinistische Einfluss auf das humanistische Rechtsdenken, 2004; Persecution and Pluralism, hg. v. Bonney, R. u. a., 2006; Strohm, C., Calvinismus und Recht, 2007; Calvin Handbuch, hg. v. Selderhuis, H., 2008

Cambacérès, Jean-Jacques-Regis de (Mont­pellier 1753-1824), Bürgermeisterssohn, legt nach Tätigkeiten als Anwalt und Richter im Zuge seiner Mitgliedschaft im Konvent (1792) bzw. im Wohlfahrtsausschuss (1794) der französischen Revolution drei Entwürfe (1793, 1794, 1796/1797) für einen →Code civil vor, die sich auch wegen seiner engen Verbindung zu Napoleon maßgeblich auf den 1804 entstandenen Code civil Frankreichs auswirken.

Lit.: Papillard, F., Cambacérès, 1961

cambium (lat. [N.]) →Wechsel

Cambrai

Lit.: Meijers, E./Blécourt, A., Le droit coutumier de Cambrai, Bd. 1f. 1932ff.; Hüttebräuker, Cambrai, Deutschland und Frankreich 1308-1378, ZRG GA 59 (1939), 88

Cambridge am Fluss Cam ist seit 1066 Vorort einer Grafschaft. Seit 1209 erwächst in C. aus der Abwanderung von Lehrern und Studenten aus →Oxford eine Universität. In ihr entstehen 1284 weltliche Studien. Kenn­zeichnend für den Grundsatz der Bildung durch persönlichen Umgang sind die zahlreichen Colleges (1997 27, ca. 12000 Studenten).

Lit.: Emden, A., A biographical register of the University of Cambridge, 1963; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privat­rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; A History of the University of Cambridge, hg. v. Leader, D. u. a., Bd. 1ff. 1988ff.; Sager, P., Oxford and Cambridge, 2003

camerarius (lat. [M.]) →Kämmerer

Canon (lat.-griech. [M.], Regel, Richtschnur, Norm) ist die einzelne Vorschrift in kirchlichen Rechtsquellen. Hiervon leitet sich die Bezeichnung →kanonisches Recht ab.

Lit.: Köbler, LAW; Zechiel-Eckes, K., Die Concordia canonum des Cresconius, 1992; Fowler-Magerl, L., Kanones. Ausgewählte Kanonessammlungen außerhalb Italiens zwischen 1000 und 1140, 1998 (CD)

Canossa Investiturstreit

Lit.: Weinfurter, S., Canossa, 2006; Canossa 1077, hg. v. Stiegemann, C., 2006; Fried, J. Canossa, 2012; Canossa, hg. v. Hasberg, W. u. a., 2012; Fried, J., Canossa - Entlarving einer Legende, 2012

Cantiuncula (Chansonette), Claudius (Metz um 1490-Ensisheim 1549) wird nach dem Rechtsstudium in Löwen und Basel von 1518 bis 1524 in Basel Professor des weltlichen Rechtes und übernimmt danach verschiedene Verwaltungsaufgaben und Gerichtstätig­keiten. Seine Schrift (lat.) De ratione studii legalis paraenesis (1522) bietet erstmals einen Plan zur Verbesserung des Rechtes in Deutschland nach den Grundsätzen des →Humanismus.

Lit.: Wieacker, F., Gründer und Bewahrer, 1959, 44; Kisch, G., Die Anfänge der juristischen Fakultät der Universität Basel, 1962, 355; Kisch G., Claudius Cantiuncula, 1970

Capella (F.) regia (lat. Hofkapelle) ist zunächst die seit etwa 650 den Merowinger­königen eigene Reliquie des Mantels des heiligen Martin, danach der Gebetsraum der Königspfalz und schließlich die Gesamtheit der mit dem König ziehenden Geistlichen (capellani [M.Pl.] Kapellane, bald auch bei anderen Großen). Im ostfränkischen Teilreich wird 965 der Erzbischof von Mainz Erzkaplan und die Hofkapelle zum personalen Aus­gangspunkt des ottonisch-salischen →Reichs­kirchen­systems. Mit dem →Inves­titurstreit verliert die c. r. ihre darauf gegründete Bedeutung, bleibt aber als solche bis 1806 bestehen.

Lit.: Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen Könige, Bd. 1f. 1959ff.

Capitaneus (lat. [M.], zu lat. [N.] caput, Haupt) ist allgemein eine Bezeichnung für eine hervorragende Person, die z. B. in Oberitalien (Lombardei bis Toskana) am Beginn des Hochmittelalters (11. Jh.) für höhere (städtische) Adlige Verwendung findet (daneben auch in Schwaben, Friesland oder Brandenburg).

Lit.: Köbler, LAW; Meyer, K., Die capitanei von Locarno im Mittelalter, 1916; Stahl, B., Adel und Volk im Florentiner Dugento, 1968; Kamp, N., Konsuln und Podestà, 1969; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in Reichsitalien, 1970f.; Keller, H., Adelsherrschaft und städtische Gesellschaft in Oberitalien, 1979; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; La vassallità maggiore del Regno Italico, hg. v. Castagnetti, A., 2001

capitis deminutio (lat. [F.]) Herabsetzung der Rechtspersönlichkeit abgestuft bezüglich der Freiheit, des römischen Bürgerrechts oder der Familienzugehörigkeit im römischen Recht

capitula (lat. [N.Pl.]) Kapitel (N.Pl.)

Capitula (N.Pl.) Angilramni sind die mit mehr als 230 Zitaten in zwei Dutzend der wichtigsten Kirchenrechtssammlungen zwi­schen etwa 850 und 1150 am stärksten rezipierte Fälschung Pseudoisidors und bilden eine wichtige Grundlage für das kirchliche Strafprozessrecht bis zur Gegenwart.

Lit.: Schon, K., Die Capitula Angilramni. Eine prozessrechtliche Fälschung Pseudoisidors, 2006; Schon, K., Unbekannte Texte aus der Werkstatt Pseudoisidors. Die Collectio Danieliana, 2006

Capitula (N.Pl.) Remedii (lat.) sind die im Südwesten des fränkischen Reiches um 800 erfolgte verkürzende Aufzeichnung des spätrömischen Rechtes.

Lit.: Köbler, DRG 81; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953

capitulare →Kapitular

Capitulare (N.) de villis (lat.), Kapitular über Königshöfe, ist das in einer Handschrift des zweiten Viertels des 9. Jh.s abschriftlich überlieferte, in 70 Kapitel eingeteilte (berühmteste) Kapitular Karls des Großen aus dem letzten Jahrzehnt des 8. Jh.s, das zur Beseitigung von Missständen die Verwaltung der Königshöfe des gesamten fränkischen Reiches ordnen will (Forst, Ackerbau, Viehzucht, Weinbau, Gärten, Handwerk, Haushaltung, Rechnungslegung).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Dopsch, A., Westgotisches Recht im Capitulare de villis, ZRG GA 36 (1915), 1; Mayer, T., Das Capitulare de villis, ZRG GA 79 (1962), 1; Brühl, C., Capitulare de villis, 1971; Metz, W., Zur Erforschung des karolingischen Reichsgutes, 1971; Tautscher, A., Betriebsführung und Buchhaltung in den karolingischen Königsgütern, Vierteljahrschrift f. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 61 (1974), 1ff.

Capitulare (N.) Haristallense (lat., Kapitular von Herstal bei Lüttich) ist das im März 779 auf einer Reichsversammlung geschaffene, in vielen jüngeren Abschriften überlieferte, sich erstmals als (lat.) Capitulare (N.) bezeich­nende Kapitular. Es enthält kirchliche und weltliche Bestimmungen. Es versucht die Einschränkung der Fehde.

Lit.: Schneider, R., Zur rechtlichen Bedeutung der Kapitularientexte, DA 23 (1967), 273; Mordek, H., Karls des Großen zweites Kapitular von Herstal, DA 61 (2005), 1

Capitulare (N.) Saxonicum (lat., sächsisches Kapitular) ist das nach streitiger Ansicht die →Capitulatio de partibus Saxoniae mildernde, in zwei Handschriften überlieferte Kapitular Karls des Großen für Sachsen vom 28. 10. 797.

L.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CapitulareSa­xonicum.htm; Theuerkauf, G., Lex, Speculum, Compendium iuris, 1968; Springer, M., Die Sachsen, 2004

Capitulatio (F.) de partibus Saxoniae (lat.) ist die in einer Handschrift überlieferte, in Kapitel gegliederte, (nach?) 782 entstandene Anordnung Karls des Großen gegenüber den unterworfenen, noch heidnischen Bräuchen (Verbrennen der Hexe, Verbrennen der Leiche [archäologisch für das 8. Jh. kaum nachgewiesen], Menschenopfer [nicht nachgewiesen]) anhängenden →Sachsen, die auffälligerweise sehr häufig die →Todesstrafe androht. Vielleicht ist ihr zweiter Teil erst 803 entstanden.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Capitulatio­departibusSaxoniae.htm; Die Eingliederung der Sachsen in das Frankenreich, hg. v. Lammers, W., 1970; Schubert, E., Die Capitulatio pro partibus Saxoniae (in) Geschichte in der Region, 1993, 3ff.; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Häßler, H., 1999; Springer, M., Die Sachsen, 2004

Cappenberg

Lit.: Die Viten Gottfrieds von Cappenberg, hg. v. Niemeyer, G. u. a., 2005

Capua

Lit.: Le pergamene di Capua, hg. v. Mazzoleni, J, Bd. 1f. 1957ff.

Carbonaria silva (lat. [F.] Kohlenwald, Erstbeleg 388 n. Chr. bei Sulpicius Alexander) ist der im Frühmittelalter als Grenze bedeutsame Wald von südlich der Sambre bis etwa der Gegend von Löwen. Aus den im (lat.) Pactus (M.) legis Salicae (Tit. 47) genannten unterschiedlichen Fristen wird geschlossen, dass die Aufzeichnung erst nach 507 erfolgt ist, weil erst zu dieser Zeit das Gebiet jenseits der Loire Teil des Reiches der Franken wird. Im 8. Jh. verliert der Wald auch durch Rodungen seine Bedeutung.

Lit.: Ewig, E., Die Merowinger und das Frankenreich, 1997

Cardiff am Taff in Wales ist 75 n. Chr. Sitz eines römischen Lagers. 1350 gewinnt es Stadtrecht. 1883 erhält es eine Universität.

Carmer, Johann Heinrich Casimir von (Bad Kreuznach 29. 12. 1721-Gut Rützen im Kreis Guhrau 23. 5. 1801), reformierter Hofrats­sohn aus ursprünglich niederländischer Familie, wird nach dem Rechtsstudium in Jena und Halle 1749 Kammergerichtsreferendar in Preußen, 1763 Präsident der Oberamts­regierung Breslau, 1768 Chefpräsident sämtlicher Oberamtsregierungen in Schlesien und 1779 als Folge der Müller-Arnold-Prozesse Großkanzler und Erster Minister des Justizdepartements (bis 1795). Infolge seines Wirkens wird 1781 das Prozessrecht im (lat.) →Corpus (N.) iuris Fridericianum ([Friedrichsches Rechtskorpus,] Erstes Buch, 1793 überarbeitet in der Form der Allgemeinen Gerichtsordnung) neu geordnet und vor allem durch Svarez die Entstehung des →Allgemeinen Landrechts entscheidend gefördert.

Lit.: Köbler, DRG 140; Thieme, H., Die preußische Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 362; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Houwald, G. Frhr. v., Ahnen und Enkel des Johann Heinrich Casimir Graf von Carmer, 1977

Carolina (lat. [F.]) →Constitutio Criminalis Carolina

Carpzov, Benedikt (Wittenberg 27. 5. 1595-Leipzig 30. oder 31. 8. 1666), Sohn eines gleich­namigen Professors der Rechte in Wittenberg, wird nach dem Rechtsstudium in Jena, Leipzig und Wittenberg (Wittenberg 1618 Promotion) 1620 Mitglied des Leipziger Schöffenstuhls, 1644 Hofrat in Dresden, 1644/1645 Professor in Leipzig und 1653 Geheimer Rat in Dresden. In seiner auf sächsische Urteile wie gemeinrechtliche Lehre gegründeten (lat.) Practica (F.) nova imperialis Saxonica rerum criminalium (1635, 9. A. 1695, 12. A. 1751, Neue kaiserlich-sächsische Praxis) bietet er die erste systematische Darstellung des (deutschen) Strafrechts unter Bemühung um Abgrenzung der harten ordentlichen Strafen von den im Ermessen des Gerichts stehenden arbiträren Strafen. Die (lat.) Iuris­prudentia (F.) Romano Saxonica secundum ordinem Constitutionum D. Augusti Electoris Saxoniae (1638, 8. A. 1721, Römisch-sächsi­sche Rechtswissen­schaft nach den kur­sächsischen Konsti­tutionen) erklärt die kursächsischen Konsti­tutionen an Hand der entschiedenen Fälle. Die (lat.) Iurisprudentia (F.) ecclesiastica consistorialis (1649, 8. A. 1721, konsistorial­kirchliche Rechtswissen­schaft) ordnet einheitlich erstmals das Recht der protestantischen Kirche.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Carp­zovBenediktIurisprudentiaEcclesiasticaConsistoralis1649(1652).pdf http://www.koeblergerhard.de/­Fontes/CarpzovBenediktIurisprudentiaRomanoSaxonica1638(9A1703).pdf http://www.koebler­gerhard.de/Fontes/CarpzovBenediktPracticaNovaImperialisSaxonicaRerumCriminalium1635(1684).pdf ;Köbler, DRG 144; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Köckritz, S. v., Die Bedeutung des Willens für den Verbrechensbegriff Carpzovs, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt Carpzovs zur Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Schieckel, H., Benedict I. Carpzov (1565-1624) und die Juristen unter seinen Nachkommen, ZRG GA 83 (1966), 310; Schieckel, H., Alexander Graf zu Dohna als Nachkomme von Benedikt I. Carpzov, ZRG GA 89 (1972), 212; Benedikt Carpzov, hg. v. Schild, W., 1997; Benedict Carpzov, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 2000; Wilde, M., Die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen, 2003

Carta, charta (lat. [F.] Blatt, Urkunde) ist die Urkunde, vor allem die (vom Veräußerer) subjektiv gefasste (und unterschriebene) Geschäftsurkunde (Verfügungsurkunde) des frühmittelalterli­chen Rechtsverkehrs (z. B. des Klosters Sankt Gallen) im Gegensatz zur (lat. [F.] notitia) Beweisurkunde. Seit dem 9. Jh. schwindet die c. Ihre Aufgabe übernimmt im 12. Jh. die Siegelurkunde.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, LAW; Brunner, H., Zur Rechtsgeschichte der römischen und germanischen Urkunde, Bd. 1 1880, Neudruck 1961; Zeumer, K., Cartam levare, ZRG GA 4 (1883), 113; Redlich, O., Die Privaturkunden des Mittelalters, 1911; Steinacker, H., Die antiken Grundlagen der frühmittelalterlichen Privaturkunde, 1951; Classen, P., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977, 190; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977

cartularius (lat. [M.]) mittels Urkunde (lat. carta) Freigelassener

Lit.: Olberg, G. v., Die Bezeichnungen für soziale Stände, Schichten und Gruppen in den Leges Barbarorum, 1991

case-law (engl. [N.]) →Fallrecht

Cassiodor, Flavius Magnus Aurelius Senator (Bruttium vor 490-nach 580), aus in Kalabrien begüterter Familie senatorischen Ranges, 507 (lat.) quaestor, 514 (lat.) consul, 523-527 (lat.) magister officiorum, 533-537 (lat.) praefectus praetorio, ist einer der bedeutendsten Schriftsteller der Spätantike, der auf Grund seiner vorangehenden Verwaltungstätigkeit in seinen Variae (lat. [F.Pl.] [epistulae] verschiedene [Briefe]) die ostgotische Herrschaftspraxis in Italien bis 537 erkennen lässt (um 555 Rückzug in das von ihm gegründete Kloster Vivarium).

Lit.: O‘Donnell, J., Cassiodor, 1979; Krautschick, S., Cassiodor und die Politik seiner Zeit, 1983; Meyer-Flügel, B., Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft bei Cassiodor, 1992; Stüven, A., Rechtliche Ausprägungen der civilitas im Ostgotenreich, 1995; Kakridi, C., Cassiodors Variae, 2005

Cassius, Longinus (1. Jh.), aus alter senatorischer Familie, wird als Schüler des →Sabinus Haupt der römischen Rechteschule der Sabinianer oder Cassianer. Seine (mindestens 10 Bücher umfassenden) Libri (M.Pl.) iuris civilis (Bücher des römischen Rechtes) sind nur mittelbar durch Auszüge überliefert.

Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 130

casum sentit dominus (lat.). Den (Fall bzw.) Zufall fühlt der Eigentümer (d. h. seinen Schaden trägt grundsätzlich jeder selbst).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

casus (lat. [M.] Fall, Zufall

caupo (lat. [M.]) Schankwirt

causa (lat. [F.]) Grund, Ursache, Fall

Lit.: Kaser §§ 19, 24, 25, 27, 33, 40, 48; Söllner § 8; Köbler, DRG 44, 61; Fuchs, J., Justa causa traditionis, 1952; Bremkamp, T., Causa. Der Zweck als Grundpfeiler des Privatrechts, 2008; Fu, G., Das Causaproblem im deutschen Bereicherungsrecht, 2010

causae (F.Pl.) civiles (lat.) bürgerliche Sachen

causae (F.Pl.) criminales (lat.) Strafsachen

causae (F.Pl.) maiores (lat.) wichtigere Angelegenheiten

causae (F.Pl.) minores (lat.) mindere Angelegenheiten

Cautela (lat. [F.], Vorsicht) ist die von dem magdeburgischen Bürger Hermann von Oesfeld 1350 deutsch (mit lateinischen Zitaten) verfasste, handschriftlich seit 1382 belegte (8 Handschriften bis 1483) kleine Sammlung von Anweisungen zum vorsichtigen Verhalten vor Gericht (14 Zeilen Vorrede, 97 Zeilen Text, 11 Zeilen Nachrede). →Premis

Lit.: Unger, F., Des Richtes Stig, 1847; Homeyer, C., Der Richtsteig Landrechts nebst Cautela und Premis, 1857, http://www.koeblergerhard.de/­Fontes/RichtsteigLandrechtnebstCautelaundPremis1857.pdf; Ovesfelde, H. v., Die Cautela, 1939; Oppitz, U., Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66

cautio (lat. [F.]) Sicherheitsleistung bzw. das als Stipulation für den Fall eines künftigen Schadens aus einem bestimmten Umstand (z. B. Einsturz eines Gebäudes) abgegebene Leistungsversprechen des römischen Rechtes

Lit.: Kaser § 7; Söllner § 9; Köbler, DRG 29; Köbler, LAW; Salmen-Everinghoff, C., Zur cautio damni infecti, 2009

cautio (F.) Muciana (lat.) mucianische →Sicherheitsleistung, →Mucius Scaevola

Celle (nach Erhebung des Fürstentums Calenberg-Grubenhagen zum Kurfürs­ten­tum 1692 Notwendigkeit eines Oberap­pel­la­tionsgerichts, das  als Ausgleich für den Verlust als Residenz eines Teilherzogtums in C. 1711 eröffnet wird)

Lit.: Figge, R., Altes Recht in Celle, 1938; Jessen, P., Der Einfluss von Reichshofrat und Reichskammergericht auf die Entstehung und Entwicklung des Oberappellationsgerichts Celle, 1986; Rüping, H., Rechtsanwälte im Bezirk Celle, 2006; Stodolkowitz, S., Das Oberappellations­ge­richt Celle, 2011; Dreihundert Jahre Oberlandes­gericht Celle, 2011; Rohde, R. u. a., Celle im Nationalsozialismus, 2012

Celsus, Iuventius (pater) (1. Jh.) ist der als ein Haupt der Prokulianer und als Vater des →Celsus (filius) bekannte klassisch-römische Rechtskundige.

Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 137

Celsus, Iuventius Publius (filius) (2. Jh.), Sohn des Iuventius Celsus (pater), ist der bedeutende Vertreter des hochklassischen römischen Rechtes (u. a. [lat.] Libri [M.Pl.] digestorum, Bücher der Digesten) der Zeit Kaiser Hadrians (117-138 n. Chr.), von dem etwa die lateinischen Wendungen Ius est ars boni et aequi (Das Recht ist die Kunst des Guten und Gerechten) und Scire leges non hoc est verba earum tenere, sed vim ac potestatem (Gesetze kennen bedeutet nicht, ihre Worte zu wahren, sondern ihren Sinn und Zweck) und das (lat.) Senatusconsultum (N.) Iuventianum (129) mit einer Bevorzugung des gutgläubigen Bereicherungsschuldners im Erbrecht stammen.

Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 146; Hausmaninger, H., Publius Iuventus Celsus, (in) Prescriptive formality, 1994

Centena (lat. [F.]) ist im frühmittelalterlichen Franken und Alemannien eine Verwal­tungseinheit streitigen Inhalts (Erstbeleg 511/558).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Dannenbauer, H., Hundertschaft, centena und huntari, Hist. Jb. 62-69 (1949), 155; Metz, W., Zur Geschichte der fränkischen centena, ZRG GA 74 (1957), 234; Schulze, K., Die Grafschaftsverfassung in den Gebieten östlich des Rheins, 1974; Murray, A., From Roman to Frankish Gaul, Traditio 44 (1988), 59ff.

Centenarius (lat. [M.]) ist in der römischen Spätantike der kaiserliche Beamte mit 100000 Sesterzen Jahresgehalt, im Frühmittelalter bei Westgoten, Langobarden, Bayern, Franken und Alemannen ein niederer königlicher Amtsträger.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krug, H., Untersuchungen zum Amt des centenarius - Schultheiß, ZRG GA 87 (1970), 1, 88 (1971), 29 (Diss. phil. Wien 1968); Murray, A., From Roman to Frankish Gaul, Traditio 33 (1988), 59ff.

Cessante ratione legis cessat ipsa lex (lat.). Fällt der Sinn eines Gesetzes weg, fällt das Gesetz selbst weg.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Glosse zu Digesten 35, 1, 72, § 6); Krause, H., Cessante causa cessat lex, ZRG KA 46 (1960), 81

cessio (lat. [F.]) Abtretung (einer Forderung) →Zession

Chamave →Ewa Chamavorum

Chambéry in den Voralpen gelangt 1232 an Savoyen. 1761 erhält es eine Universität.

Champagne ist die südwestlich vor den Ardennen liegende Landschaft. Sie fällt 486 n. Chr. von den Römern an die Franken und wird 814 Grafschaft. Diese wird 1314/1361 Krondomäne Frankreichs. Unter Rückgriff auf eine um 1253 entstandene Sammlung der Usages de C. und Einfügung verschiedener höchstgerichtlicher Urteile der Jahre 1270 bis 1295 verfasst wahrscheinlich Guillaume de Châtelet zwischen 1295 und 1300 den Ancien coutumier de C.

Lit.: Portejoie, P., L’ancien coutumier de Champagne, 1956; Bur, M., La formation du comté de Champagne, 1977

Chancengleichheit ist die in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s aus dem Gleichheits­grundsatz entwickelte Vorstellung, dass in bestimmten Wettbewerbslagen C. hergestellt werden müsse.

Lit.: Bender, R./Schumacher, R., Erfolgsbarrieren vor Gericht, 1980

Charisma (N.) Heil, Ausstrahlungskraft

Lit.: Das Charisma, hg. v. Rychterova, P., 2008

Charivari (N.) Durcheinander, Wirrwarr, Katzenmusik (Volksbrauch)

Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist die mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. 12. 2009 in ihrer überarbeiteten Fassung vom 12. 12. 2007 den Gemeinschaftsverträgen der europäischen Gemeinschaften bzw. der Europäischen Uni­on rechtlich gleichgestellte und damit rechts­verbindliche, neben den ungeschriebe­nen, als allgemeine Rechtsgrundsätze des Unions­rechts fortgeltenden Unionsgrund­rechten gel­tende Charta der Grundrechte in der Europäischen Union im Sinne eines formellen Sytems europäischer Wertnormen. Diese objektive europäische Werteordnung nimmt am Anwendungsvorrang des Gemein­schafts­rechts Teil. Die letzverbind­liche Kon­trollzuständigkeit hat der Europä­ische Ge­richtshof.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Charta­derGrundrechtederEU2010.pdf

Charta der Vereinten Nationen →Vereinte Nationen

Charte constitutionelle (frz. [F.] Verfassungsurkunde) ist die oktroyierte(, bis Juli 1830 geltende) Verfassung des Jahres 1814 in Frankreich.

Chartepartie (aus [lat.] carta [F.] partita, geteilte Urkunde) ist im Seehandelsrecht seit dem Hochmittelalter die Urkunde über die (teilweise) Befrachtung eines Schiffes (vgl. ADHGB von 1861).

Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Han­delsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Lewis, W., Das deutsche Seerecht, 1883; Wattenbach, W., Das Schiffswesen im Mittelalter, 1896, Neudruck 1958; Scrutton, T., The contract of affreightment, 1939; Morisset, J., Der Frachtvertrag in der Ordonnance de la marine von 1681, 1996; Landwehr, G., Das Seerecht der Hanse (1365-1614), 2003

checks and balances Kontrollen und Aus­gleiche durch Gewaltenteilung in der Verfassung

Chemnitz →Hippolithus a Lapide

Lit.: Das Chemnitzer Bleichgericht und die dortigen Bleichen vor 500 Jahren, ZRG GA 25 (1904), 345; Schlesinger, W., Die Anfänge der Stadt Chemnitz, 1952

China (u. a. 1983/1984 in Zhangjiashan im Grab M 247 mehr als 1000 Bambusleisten aus dem 2. Jh. v. Chr. entdeckt mit 70 Prozent Rechtstexten und 227 Bambusleisten mit einem Textkorpus Zouyanshu) (1271-1291 Aufenthalt Marco Polos aus Venedig im mongolischen China, um 1900 starker Ein­fluss des deutschen Rechtes) (1978 offizielle Übernahme westeuropäischen Rechtes begonnen, anfangs angloamerikanisch, später auch deutsch)

Lit.: Senger, H. v., Kaufverträge im traditionellen China, Diss. jur. Zürich 1970; Köbler, G., Rechtschinesisch, 2001; Recht und Rechtsgeschichte Chinas, 2002; Lexikon der chinesischen Literatur, hg. v. Klöpsch, V. u. a., 2004; Seyock, B., Auf den Spuren der Ostbarbaren, 2004; Kim, C., Deutscher Kulturimperialismus in China, 2004; Yangwen, Z., The Social Life of Opium in China, 2005; Falkenhausen, L. v., Chinese Society in the Age of Confucius, 2006; Dabringhaus, S., Geschichte Chinas 1279-1949, 2. A. 2009; Schoettli, U., China, 2007; China, hg. v. Staiger, B. u. a., 2006; Schmidt-Glintzer, H., Kleine Geschichte Chinas, 2008; Höllmann, T., Das alte China, 2008; Schmieder, F., Marco Polo (1254-1324), 2009; Weiers, M., Geschichte Chinas, 2009; Lei, Y., Auf der Suche nach dem modernen Staat, 2010; Ostasiatisches Strafrecht, hg. v. Hilgendorf, E., 2010; Kangying, L., The Ming Maritime Policy in Transition. 2010; Kroll, S., Normgenese durch Re-Inter­pretation. China und das europäische Völkerrecht, 2012; Zhang, Q., The Constitution of China, 2012; Simon, K-. Civil Society in China, 2013

Chirographum (lat.-gr. [N.] Handgeschrie­benes) ist in der römischen Antike die (eigenhändig geschriebene, subjektiv gefasste) Papyrusurkunde. Von England (Mitte 9. Jh.) aus wird c. später zur Bezeichnung für die in zwei Ausfertigungen auf einem danach zer­schnittenen Blatt hergestellte Urkunde über ein mehrseitiges Rechtsgeschäft (854/855?, Saint Bertin 944, Trier 967). Seit dem 14. Jh. wird das c. bei siegelführenden Beteiligten durch die Siegelurkunde, im Übrigen durch die Urkunde öffentlicher Notare zurückgedrängt, bleibt aber bis zum 18. Jh. in Gebrauch. →Chartepartie

Lit.: Kaser §§ 7, 40; Köbler, DRG 43; Köbler, LAW; Redlich, O., Die Privaturkunde des Mittelalters, 1911; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1, 2. A. 1912, 699; Trusen, W., Chirographum und Teilurkunde im Mittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 233; Parisse, M., Remarques sur les chirographes, AD 32 (1986), 546ff.; Anglo-Saxon Manuscripts and their Heritage, hg. v. Pulsiano, P. u. a., 1998

Chlodwig (Chlodowech, 466-511), merowingischer König der Franken (482-511)

Lit.: Ewig, E., Die Merowinger und das Frankenreich, 1988, 3. A. 1997

Chorbischof (Landbischof) ist im oströmischen Reichsteil der ursprünglich gleichberechtigte Gehilfe des städtischen Bischofs für das Landgebiet der Diözese. Seit der Mitte des 8. Jh.s erscheint unter angelsächsischem Einfluss ein C. im Westen, der seit dem 9. Jh. aber wieder schwindet (Konzil von Metz 888).

Lit.: Gottlob, T., Der abendländische Chorepiskopat, 1928, Neudruck 1963; Müller, J., Gedanken zum Institut der Chorbischöfe , FS K. Pennington, 2006, 77ff.

Chorherr ist der (Kanoniker bzw.) Kleriker, der Mitglied eines an einer Kirche bestehenden Kapitels (mit Sitz im Chor) ist. Ansätze zu einer solchen Gemeinschaft zeigen sich schon bei Bischof Eusebius von Vercelli (um 283-371). Das Frühmittelalter entwickelt hierfür besondere Regeln bzw. canones (z. B. Chrodegang von Metz um 755 regula canonicorum, Konzil von Aachen 816). Die frühhochmittelalterliche Kirchenreform führt zur stärkeren Regulierung (grego­rianische Reform). Im 12. Jh. werden Empfehlungen des heiligen Augustinus besonders aufgegriffen (Augustinerchorherr).

Lit.: Schieffer, R., Die Entstehung von Domkapiteln in Deutschland, 1976; Lawrence, C., Medieval Monasticism, 2. A. 1989, 163; Crusius, I., Studien zum weltlichen Kollegiatstift in Deutschland, 1985; Die Stiftskirche in Südwestdeutschland, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003

Chrenecruda (afrk. „reine Erde“?) ist die in Titel 58 des salfränkischen Volksrechts (Pactus legis Salicae) erwähnte, den leistungsunfähigen Wergeldschuldner betref­fende →malbergische Glosse, die sich auf ein vielleicht neu geschaffenes, nur kurze Zeit bezeugtes oder vielleicht auch aus einer magischen Zauberhandlung übernommenes Formalverhalten bezieht.

Lit.: Gierke, J., Chrene cruda und Spatenrecht, ZRG GA 28 (1907), 290; Goldmann, E., Chrenecruda-Studien zum Titel 58 der Lex Salica, 1931; Schmidt-Wiegand, R., Chrenecruda, FS G. Schmelzeisen, 1980, 252

Christentum ist die Gesamtheit des christlichen Glaubens und seiner Anhänger. Unter Fortführung jüdischer Vorstellungen des alten Testaments geht das C. davon aus, dass sein Stifter Jesus Christus als Sohn Gottes durch seinen Tod am Kreuz die Menschen von ihrer Sündigkeit erlöst hat. Die daran anknüpfenden Gedanken (Urchristentum 30-150 n. Chr.) breiten sich im römischen Reich so rasch aus, dass der Staat seit dem 2. Jh. und entschieden seit der Mitte des 3. Jh.s das C. verfolgt, ohne dass der gewollte Erfolg erreicht wird. Durch das Toleranzedikt Kaiser Konstantins (311) wird das C. gleich­berechtigter Kult, durch Kaiser Theodosius I. 380 Staatsreligion. Seit dem Ausgang des Altertums greift das C. vor allem auf die germanischen Völker über (im 5. und 6. Jh. Bischofskirchen in den Bischofsstädten, während z. B. im Rheinland die Zeugnisse für die ländlichen Gebiete noch spärlich bleiben (Flonheim nordwestlich Alzeys) und Belege für Heidentum noch reichlich zu finden sind. Spaltungen (1054 und 1517) führen zu den besonderen Bekenntnissen der Katholiken, Orthodoxen und Protestanten. In der Neuzeit verbreitet sich das C. mit der Entdeckung neuer Länder und der Gewinnung von Kolonien über die ganze Erde, doch bedeutet die französische Revolution von 1789 eine Wende zu Säkularisierung.. Bereits kurz nach seiner Entstehung entwickelt das C. in Anlehnung an römisches Recht ausgeprägte rechtliche Regeln (→kirchliches Recht), die in vielen Hinsichten das weltliche Recht mitgestalten.

Lit.: Söllner §§ 19, 20, 21; Köbler, DRG 51, 68, 99, 146; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 772; Bultmann, R., Das Urchristentum im Rahmen der antiken Religionen, 1949, 4. A. 1976, 6. A. 1998; Moeller, B., Geschichte des Christentums in Grundzügen, 1965,, 10. A. 20118. A. 2004; Biondi, B., Il diritto romano cristiano, 1952ff.; Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 1953ff., 2. A. 1960ff.; Christentum, Säkularisation und modernes Recht, hg. v. Lombardi-Vallauri, L. u. a., 1981; Deschner, K., Kriminal­geschichte des Christentums, Bd. 1ff. 1988ff.; Die Geschichte des Christentums, hg. v. Mayeur, J. u. a., Bd. 8 1992, Bd. 10 1999; Geschichte des Christentums, hg. v. McManners, J., 1993; Andresen, C./Ritter, A., Geschichte des Christentums, Bd. 1ff. 1993ff.; Crossan, J., Der historische Jesus, 1994; Drobner, H., Lehrbuch der Patrologie, 1994, 2. A. 2004, 3. A. 2011; Fontes christiani, hg. v. Brox, N. u. a., 1995ff.; Winkelmann, F., Geschichte des frühen Christentums, 1996; Glaser, F., Frühes Christentum im Alpenraum, 1997; Barton, P., Geschichte des Christentums in Österreich und Südostmitteleuropa, 1997; Padberg, L. v., Die Christianisierung Europas, 1998; Lang, B., Heiliges Spiel, 1998; Gnilka, J., Die frühen Orden, 1999; Lexikon der christlichen Antike, hg. v. Bauer, J. u. a., 1999; Metzler Lexikon christlicher Denker, hg. v. Vinzent, M., 2000; Die Geschichte des Christentums, hg. v. Pietri, L., Bd. 3 2000; Lee, A., Pagans and Christians in Late Antiquity, 2000; Mission und Christianisierung am Hoch- und Oberrhein, hg. v. Berschin, W. u. a. 2000; Lüdemann, G., Das Urchristentum, 2002; Jensen, A., Frauen im frühen Christentum, 2002; Die Alemannen und das Christentum, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003; Koch, S., Rechtliche Regelung von Konflikten im frühen Christentum, 2003; Tamcke, M., Das orthodoxe Christentum, 2004; Hasenfratz, H., Die antike Welt und das Christentum, 2004; Zschoch, H., Die Christenheit im Hoch- und Spätmittelalter, 2004; Hasenfratz, H., Die antike Welt und das Christentum, 2004; Bonifatius, hg. v. Felten, F., 2004; The Spread of Christianity in the first four Centuries, hg. v. Harris, W., 2005; Angenendt, A., Toleranz und Gewalt, 2006; Markschies, C., Das antike Christentum, 2006; Seebaß, G., Geschichte des Christentums, Bd. 3 2006; Engberg, J., Impulsore Chresto, 2007; Terrien, M., La christianisation de la région rhénane du IVe au milieu du VIIIe siècle, 2007; Fonti per la storia della cristianizzazione dei Germani, hg. v. Mico, N. de u. a., 2007; Judge, E., The First Christians in the Roman World, 2008 (Aufsätze); Habermas, R., Mission im 19. Jahrhundert, HZ 287 (2008), 629; Gender and Christianity in Medieval Europe, hg. v. Bitel, L., 2008; The Oxford Handbook of Early Christian Studies, hg. v. Ashbrook, S. u. a., 2008; Koch, D., Bilder aus der Welt des Urchristentums, 2009; Cook, J., Roman Attitudes Toward the Christians, 2010; Erinnerungsorte des Christentums, hg. v. Markschies, C. u. a., 2010; Athanasius Handbuch, hg. v. Gemeinhardt, P., 2011; Hume, D., The Early Christian Community, 2011; Wendt, H., Die missionarische Gesellschaft, 2011; Lange, C., Eine kleine Geschichte des Christentums, 2012; Leppin, V., Geschichte des mittelalterlichen Christentums, 2012; Brunner, K., In Freiheit glauben, 2013; Schwertmission, hg. v. Kamp, H. u. a., 2013; Koch, D., Geschichte des Urchristentums, 2013 (ca. 30 n. Chr.-150 n. Chr.); Schlögl, R., Alter Glaube und moderne Welt - Europäisches Christentum im Umbruch 1750-1850, 2013

Chronik (F.) zeitlich geordnete Aufzeichnung (Eusebius [um 325], Hieronymus [um 378], Paulus Orosius [417], Isidor von Sevilla [um 627], Regino von Prüm, Frutolf von Michelsberg, Kaiserchronik [1140/1150], Otto von Freising, sächsische Weltchronik [um 1230?], Magdeburger Weichbildchronik [1235-1250], Martin von Troppau)

Lit.: Schmidt, H., Die deutschen Städtechroniken, 1958; Krüger, K., Die Universalchronik, 1976ff.; Schwäbische Chroniken der Stauferzeit, 1978; Schmale, F., Funktion und Formen mittelalterlicher Geschichtsschreibung, 1985; Sprandel, R., Chronisten als Zeitzeugen, 1994; Van Houts, E., Local and Regional Chronicles, 1995; Naß, K., Die Reichschronik des Annalista Saxo, 1996; Hauptwerke der Geschichtsschreibung, hg. v. Reinhardt, V., 1997; Goetz, H., Geschichtsschreibung und Geschichts­bewusstsein im hohen Mittelalter, 1999; Städtische Geschichtsschreibung im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, 2000; Die Chroniken Bertholds von Reichenau und Bernolds von Konstanz 1054-1100, hg. v. Robinson, I., 2003; Hessische Chroniken zur Landes- und Stadtgeschichte, hg. v. Menk, G., 2003; Ebendorfer, Thomas, Chronica regum Romanorum, hg. v. Zimmermann, H., 2003; Von Fakten und Fiktionen, hg. v. Laudage, J., 2003; Die Reichschronik des Anna­lista Saxo, hg. v. Naß, K., 2006; Encyclopedia of thje Medieval Chronicle, hg. v. Dunphy, G., Bd. 1f. 2010; Nuhn (von Hersfeld), J., Die „Wallensteiner Chronik“, hg. v. Krafft, O., 2013

Chronologie (F.) ist das geordnete Wissen um die Zeit (Zeitkunde). In der C. wird die Zeit der Jahre vielfach von einem mythischen Beginn an gezählt (z. B. von der Schöpfung an oder vom angeblichen Gründungsdatum Roms [753 v. Chr.]). Julius Caesar geht dabei (46 v. Chr.) von drei Jahren zu 365 Tagen und einem Jahr von 366 Tagen, einem Jahresbeginn am 1. Januar und 12 Monaten aus. Die Rechnung der Jahre nach Christi Geburt leitet sich von Eusebius von Caesarea (frühes 4. Jh.) oder von den Ostertafeln des Dionysius Exiguus (525) her, die sich zu Beginn des 8. Jh.s in England durchsetzt und von dort auf das Reich der Franken übergreift. Regino von Prüm datiert ab Christi Geburt und wendet damit als erster in der Weltgeschichtsschreibung die durch­gehende Zählung nach Inkarnationsjahren an. Wegen der 11 Minuten und 14 Sekunden das Sonnenjahr überschreitenden tropischen Jahres des julianischen Kalenders (ein Tag in 128 Jahren), folgt in der Reform des Jahres 1582 (gregorianische Kalenderreform mit einer fehlerhaften Abweichung von einem Tag in 3323 Jahren) auf den 4. Oktober der 15. Oktober. Seit dem Ende des 18. Jh.s werden auch die vorchristlichen Jahre nach Christi Geburt gezählt. Eine internationale Standaridiserung geht in der Gegenwart von der Schreibweise Jahr, Monat, Tag (z. B. 2007-09-30) aus.

Lit.: Grotefend, H., Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, 1891ff., Neudruck 1970; Grotefend, H., Taschenbuch der Zeitrechnung, 1898, 14. A. 2007; Rühl, F., Chronologie des Mittelalters und der Neuzeit, 1897; Mahler, E., Handbuch der jüdischen Chronologie, 1919, Neudruck 1967; Sonntag, R., Studien zur Bewertung von Zahlenangaben in der Geschichtsschreibung des frühen Mittelalters, 1987; Brincken, A. v. d., Historische Chronologie des Abendlandes, 2000; Bäbler, B., Archäologie und Chronologie, 2004; Gutmann, A., Die Schwabenkriegschronik des Kaspar Frey, 2010

Chur

Lit.: Casparis, H., Der Bischof von Chur als Grundherr, 1910; Jecklin, F., Die Churer Waisenpflege, 1920; Deplazes, L., Reichsdienste und Kaiserprivilegien, 1973

Cicero, Marcus Tullius (Arpinum 3. 1. 106-bei Formiae 7. 12. 43 v. Chr.), aus der Ritterschicht (eques) seines Geburtsorts stammender, 104 v. Chr. nach Rom gelangender und dort römisch-griechisch erzogener Schüler des Mucius augur und des Mucius Scae­vola, ist nicht nur ein macht­bewusster und ehrgeiziger, beweglicher, aber mit Vorsicht zu benutzender und kaum an die tatsächliche Macht gelangter Politiker (63 v. Chr. Konsul), sondern in erster Linie der be­deutendste Gerichtsredner und politische Schriftsteller der römischen Antike, der vor allem das griechische Rechtsdenken aufgreift und weitergibt. Insbesondere der Schrift De officiis (Von Pflichten) gelingt die Vermittlung der Natur­rechtsidee an die spätere Zeit.

Lit.: Söllner §§ 7, 9, 11, 12; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Cicero als Advokat, 1965; Mitchell, T., Cicero, 1991; Fuhrmann, M., Cicero und die römische Republik, 1989, 4. A. 1997; Marcus Tullius Cicero, Die Prozessreden, hg. v. Fuhrmann, M., 1997; Kurczyk, S., Cicero und die Inszenierung der eigenen Vergangenheit, 2006; Res publica und Demokratie, hg. v. Richter, E. u. a., 2007; Fox, M., Cicero’s Philosophy of History, 2007; Lintott, A., Cicero as Evidence, 2008; Bringmann, K., Cicero, 2010; Pina Polo, F., Rom, das bin ich, 2010; Pflüger, H., Ciceros Rede pro Q. Roscio comoedp, 2013

Cinus (de Sighibuldis) da Pistoia (Pistoia 1270-1336/1337), Sohn eines Notars, wird nach dem Studium des weltlichen Rechtes in Bologna Anhänger des deutschen Königs Heinrich VII. Nach der Promotion (1314) schließt er sich der päpstlichen Partei an und wird Professor in Siena (1321-1323, 1324-1326), Perugia (1326-1330, 1332-1333), Neapel (1330-1331) und Bologna (1333-1334). Sein Hauptwerk ist der um 1312 bis 1314 verfasste Kommentar zum Codex, neben dem Glossen, quaestiones, consilia und ein Traktat De successione ab intestato stehen.

Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, 2. A. 1834ff., 6, 7; Chiapelli, L., Vita e opere, 1881; Libertini, V., Cino da Pistoia, 1974; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 633

Cisleithanien ist die nichtamtliche Be­zeichnung der Länder Österreichs diesseits des Flusses Leitha (Niederösterreich, Ober­österreich, Steiermark, Kärnten, Krain, Küstenland, Dalmatien, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Böhmen, Mähren, Schlesien, Galizien und Bukowina [im Gegensatz zu Transleithanien]), die bis 1915 als die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Län­der umschrieben und dann als Kaisertum Österreich benannt werden.

Lit.: Zöllner, E., Der Österreichbegriff, 1988

Civilian ist im englischen Recht die Bezeichnung für den im römischen Recht (civil law) ausgebildeten Juristen.

Lit.: The Civilian Tradition and Scots Law, hg. v. Carey Millar, D. u. a., 1997

civis (lat. [M.]) Bürger

Lit.: Kaser; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964

civis (M.) Romanus (lat.) römischer →Bürger

civitas (lat. [F.]) Völkerschaft, Bürgerschaft

Lit.: Rietschel, S., Die civitas auf deutschem Boden, 1894, Neudruck 1978; Brühl, C., Palatium und civitas, 1975

civitas [F.] imperii (mlat.) Reichsstadt

clam (lat.) heimlich

clausula (lat. [F.]) Klausel

clausula (lat. [F.]) arbitraria Ermessensklausel des römischen Rechtes (z. B. auf Herausgabe einer Sache) in der Klageformel

Clausula (F.) rebus sic stantibus (lat.) ist die für Einzelfälle bereits im Altertum ange­sprochene, im Hochmittelalter auf dieser Grundlage zum Ausdruck gebrachte Vorbe­haltsklausel der unveränderten Sachlage (Augustin von Leyser [1683-1752] omne pactum rebus sic stantibus intelligendum est, jeder Vertrag muss unter gleichbleibenden Voraussetzungen betrachtet werden). Sie geht im 20. Jh. in der Lehre vom Fehlen bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage auf.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Dießelhorst, M., Die Geschäftsgrundlage, (in) Rechtswissenschaft und Rechtsentwicklung, 1980, 153; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsge­schichte, 4. A. 1985; Köbler, R., Die clausula rebus sic stantibus, 1991; Gieg, C., De tacita conditione rebus sic stantibus, Diss. jur. Würzburg 1991; Rummel, M., Die clausula rebus sic stantibus, 1991

Clementinen (Clementinae) sind die von Papst Clemens V. (1305-1314) unter Verzicht auf Ausschließ­lichkeit gesammelten, meist auch von ihm erlassenen, von Papst Johannes XXII. (1316-1334) am 23. 10. 1317 (Bulle Quoniam nulla) in 106 Kapiteln herausgegebenen →Dekretalen, die den letzten Teil des (lat.) →corpus (N.) iuris canonici bilden (Zitierweise Clem. 2. 11. 2). Die 1326 abgeschlossene Bearbeitung durch Johannes Andreae wird zur (lat.) glossa (F.) ordinaria (ordentlichen Glosse).

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Clemen­ti­nae­1314.pdf; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 102; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Tarrant, J., Constitutiones Clementinae, ZRG KA 70 (1984), 67ff., 71 (1985), 76ff.

clientes (lat. [M.Pl.]) Klientel, geschützte Abhängige, Anhänger, Dienstleute

Lit.: Patronage in Ancient Society, hg. v. Wallace-Hadrill, A., 1990

Cluny (nordwestlich Mâcons) in Burgund ist die vom Herzog von Aquitanien am 11. 9. 910 gegründete Benediktinerabtei, die im 10. Jh. zum Mittelpunkt einer kirchlichen Reformbewegung (kluniazensische Kirchen­reform) mit rund 300 angeschlossenen Männerklöstern und Frauenklöstern wird. Mit der Umformung zum Orden und der Einführung von Generalkapiteln verliert C. um 1200 seine besondere Stellung. Das Kloster wird 1790 im Zuge der französischen Revolution aufgehoben. Die Kirche wird anschließend bis auf einen Querhausarm abgerissen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hallinger, K., Gorze-Kluny, Bd. 1f. 1950, Neudruck 1971; Cluny im 10. und 11. Jahrhundert, hg. v. Wollasch, J., 1970; Kohnle, A., Abt Hugo von Cluny (1049-1100), 1993; Wollasch, J., Cluny, 1996; Les plus anciens documents originaux, hg. v. Atsma, H. u. a., 1997ff.; Racinet, P., Crises et renouveau, 1997; Poeck, D., Cluniacensis ecclesia, 1998; Die Cluniazenser in ihrem politisch-sozialen Umfeld, hg. v. Constable, G. u. a., 1998; Prat, D., Études clunisiennes, 2002; Baud, A., Cluny, 2003; Barret, S., La mémoire et l’écrit, 2004; Rosé, I., Construire une société seigneuriale, 2008;Lamke, F., Cluniacenser am Oberrhein, 2009; Hurel, O./Riche, D., Cluny, 2010

Coburg

Lit.: Das älteste Coburger Stadtbuch 1388-1453, bearb. v. Andrian-Werburg, K. Frhr. v., 1977

Cocceji, Samuel von (Heidelberg 20. 10. 1679-Berlin 4. 10. 1755), Sohn des Völker­rechtsprofessors Heinrich von Cocceji (Bremen 25. 3. 1644-Frankfurt an der Oder 18. 8. 1719), wird nach dem Rechtsstudium in Frankfurt an der Oder dort (1702) Professor, tritt aber wenig später in den Justiz- und Verwaltungsdienst Preußens (1711-1713 Delegierter Preußens am Reichskammer­gericht in Wetzlar, 1713 Präsident des Kammergerichts in Brandenburg, 1727 Etatminister, 1731 Präsident des Oberap­pellationsgerichts, 1. Juni 1738 chef de justice, Justizminister), wo er 1747 Großkanzler wird. Auf ihn gehen die 1747/1748 erschienenen Gerichtsordnungen (Projekt des Codicis Fridericiani Pomeranici, Projekt des Codicis Fridericiani Marchici) zurück (1746 Abschaffung der Akten­versendung), während der Versuch einer Neuordnung des materiellen Rechtes auf der Grundlage der dem römischen Recht entnommenen naturrechtlichen Grundsätze (Projekt des Corpus juris Fridericiani, Personenrecht 1749, Sachenrecht 1751, Obligationenrecht 1753 bei Versendung verloren) im Ergebnis scheitert. Von beachtlichem Erfolg gekrönt ist die praktische Vereinheitlichung der bestehenden Gerichts­verfassung (u. a. feste Richterbesoldung, 1755 Justizprüfungskommission, Verbot der Aktenversendung, geordneter dreistufiger Instanzenzug).

Lit.: Köbler, DRG 140; Codex Fridericianus Marchicus, 2000 (Einführung durch Mohnhaupt, H.); Trendelenburg, F., Friedrich der Große und sein Großkanzler Samuel von Cocceji, 1964; Neufeld, H., Die fridericianische Justizreform, Diss. jur. Göttingen 1910; Springer, M., Die Coccejische Justizreform, 1914; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Weill, H., Frederick the Great and Samuel von Cocceji, 1961

Code civil ist das (am 24. 3.) 1804 geschaffene Bürgerliche Gesetzbuch Frankreichs. Nach ersten vergeblichen Versuchen unter König Heinrich III. (1574-1589), das hinsichtlich einer Linie Bordeaux-Lyon-Genf südliche droit écrit (Schriftrecht römischer bzw. westgotischer bzw. bur­gundischer Herkunft) mit dem nördlichen droit coutumier (Gewohnheitsrecht über­wiegend fränkischer Herkunft) zu verbinden, greift die französische Revolutionsbewegung trotz Fehlens von Vorarbeiten auch die Forderung nach bürgerlicher Neuordnung des Rechtes auf und bestimmt in der Verfassung des Jahres 1791, dass ein Code des lois civiles communes à tout le royaume (Buch der dem gesamten Königreich gemeinsamen bürger­lichen Gesetze) geschaffen werden soll (il sera fait). Nach vier erfolglosen Entwürfen (1793 [719 Artikel, Gleichberechtigung der Ehegatten, einfache Scheidung, Zersplitterung der Erbschaft durch gesetzliche Erbfolgeteilung, Adoption], 1794 [297 Artikel] und 1796 [Projet de Code civil] durch Cambacérès, 1798-1799 durch Target) wird hierfür am 12. 8. 1800 eine von der Regierung abhängige Kommission (vier ehemalige Rechtsanwälte Tronchet, Portalis [römisches Recht], Bigot de Préameneu, Maleville [römisches Recht, traditionell]) eingesetzt, die in vier Monaten einen Entwurf anfertigt. Napoleon selbst nimmt an 59 bzw. 55 von 102 bzw. 107 Sitzungen des Staatsrats teil, bezieht zu 89 Themenbereichen Stellung und setzt sich in 59 Fragen durch. Die nach Beratung seit 1803 erscheinenden 36 Einzelgesetze (Ver­ordnungen) fasst ein Gesetz vom 21. 3. 1804 (unter Abschaffung des alten Rechtes) als Code civil des Français zusammen (1807 Code Napoléon, 1816 Code civil, 1852 Code Napoléon, 1870 Code civil). Der C. c. umfasst 2281 Artikel ([2010] 2285), die in (einen Titre préliminaire und ausgehend vom Institutionensystem in) drei Bücher (Personen [keine Bestimmungen über juristische Personen], Güter und Eigen­tums­ab­wand­lungen, Eigentumserwerbs­gründe (u. a. Erbrecht, Schuldrecht]) geteilt sind. Die Bestimmungen verwirklichen antifeuda­listische, egalitäre und zentra­listische Grundsätze der Revolution, bewahren aber auch in gewissem Umfang fränkisches bzw. germanisches Gedankengut (Grundwerte Rechtseinheit, Gleichheit vor dem Gesetz, Laizität, kennzeichnend sind Säkularisierung des Zivilstands und der Ehe, beschränkte Scheidungsfreiheit, starke väter­liche Gewalt, ungleiche Stellung unehelicher Kinder, Verbot der Vaterschaftsuntersuchung, Eigen­tum, Vertragsfreiheit, Deliktshaftungs­generalklausel, Gleichheit der Erbschaft, großer Pflichtteil). Sie treten außer in Belgien, Genf, Piemont, Italien (bis 1813) und Holland sowie im Großherzogtum Warschau (später Königreich Polen) und kurzfristig im Villacher Kreis und in Osttirol auch in den links­rheinischen Annexionsgebieten in Kraft, sowie überwiegend nur kurzzeitig 1810 (13. 12. 1810/29. 5. 1811-1. 10. 1814 [Oldenburg], 27. 5. 1814 [Hamburg], 4. 5. 1814 [Lübeck], 13. 8. 1814 [Bremen]) im Lippe-Departement und im Hansischen Departement, 1808 im Königreich Westphalen (1. 1. 1808-9. 9. 1814), 1810 im Großherzogtum Berg (1. 1. 1810), 1808 in Aremberg (1. 7. 1808-11. 9. 1814), 1810 in Baden (1. 1. 1810), 1811 in Frankfurt am Main (1. 10. 1811-1. 2. 1814) und Anhalt-Köthen (1. 3. 1811-1. 1. 1812), 1812 in Nassau (1. 1. 1812-1. 1. 1814) und 1808 in Danzig (21. 7. 1808-1815). Bis zum 31. 12. 1899 bleibt der C. c. in Geltung (linksrheinisch) in der preußischen Rheinprovinz, in Rheinhessen, Birkenfeld, Rheinbayern, (rechts­rheinisch) in Berg und in Baden (1/6 des Reichsgebiets mit ca. 8 Millionen Einwohnern). Darüber hinaus beeinflusst der C. c. mehr oder weniger stark die gesamte spätere privatrechtliche Gesetz­gebung vieler Länder (Luxemburg, Belgien 1830, Niederlande bis 1838, Italien 1865-1940, Schweiz, Spanien 1889, Portugal 1867, Südamerika und Mittelamerika [Haiti 1825, Mexiko-Oaxaca 1828, Bolivien 1830, Costa Rica 1841, Peru 1852, Chile 1855, Mexiko 1870, Argentinien 1871, Brasilien 1916, Peru 1936], Louisiana 1808, 1825, Rumänien 1863/1865, Ägypten 1865, Quebec 1866, französische Kolonien in Afrika). Wichtige Kommentare stammen von Charles-Bona­venture Toullier und Alexandre Duranton. Im Vordergrund steht im 19. Jh. die Exegese des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der Gerichts­praxis. Durch Novellen ist der C. c. an geänderte Vorstellungen angepasst (z. B. 1807 Majorat, 1816 Verzicht auf die Scheidung, 1819 Streichung des Erbverbots für Ausländer, dann Aufhebung des bürgerlichen Todes und des körperlichen Zwanges, 1884 Ehe­scheidung, 1896 und 1912 Verbesserung der Rechtsstellung unehelicher Kinder, 1907 Recht der Ehefrau auf Arbeitslohn, 1938 Geschäftsfähigkeit und Prozessfähigkeit der Ehefrau, Familienrecht, Gleichheitsgrundsatz, 1999 pacte civil de solidarité, 200 Jahre nach Inkrafttreten noch etwa die Hälfte des ursprünglichen Textes in manchmal destruk­turierter Fassung in Kraft), durch neue Codes (z. B. Code de la propriété intellectuelle, Code de consommation, Code de assurances) in seiner Bedeutung geschwächt. 2002 wird ein viertes Buch für das Überseegebiet Mayotte angefügt, das 2006 nach Schaffung eines vierten Buches über Sicherheit zum fünften Buch wird.

Lit.: Söllner §§ 1, 16; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 141, 180, 184, 205; Zachariae von Lingenthal, K., Handbuch des französischen Civilrechts, 1808, 8. A. 1894; Fenet, P., Recueil complet des travaux préparatoires du Code civil, 1827; Mitteis, H., Die germanischen Grundlagen des französischen Rechts, ZRG GA 69 (1943), 137; Böhmer, G., Der Einfluss des Code civil auf die Rechtsentwicklung in Deutschland, AcP 151 (1950/1), 289; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wilhelm, W., Gesetzgebung und Kodifikation in Frankreich, Ius commune 1 (1967), 241; Arnaud, A., Les origines doctrinales du Code civil français, 1969; Arnaud, A., Essai d’analyse structurale du Code civil français, 1973; Fehrenbach, E., Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, 1974; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1977; Theewen, E., Napoleons Anteil am Code civil, 1991; Gross, N., Der Code Civil in Baden, 1993; Bürge, A., Das französische Privatrecht im 19. Jahrhundert, 2. A. 1995; Halpérin, J., Le Code civil, 1996, 2. A. 2003; Code Napoléon. Badisches Landrecht, bearb. v. Müller-Wirth, C. u. a., 1997; Caroni, P., Saggi sulla storia della codificazione, 1998; Bürge, A., Zweihundert Jahre Code civil des Français, ZeuP 2004, 5; Le Code civil 1804-2004. Livre du bicentenaire, 2004; Le code civil 1804-2004. Un passé, un présent, un avenir, hg. v. Lequette, Y., 2004; Les Français et leur Code civil. Bicentenaire du Code civil 1804-2004, 2004; Code civil (Text imprimé). Les défis d’un nouveau siècle, 2004; Witz, C. u. a., Der französische Code civil, NJW 2004, 3757; Le Code Napoléon, hg. v. Beauthier, R., 2004; Richterliche Anwendung des Code civil in seinen europäischen Geltungsbereichen außerhalb Frankreichs, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 2006 (S. 21 Angabe der Übersetzungen ins Deutsche); Zweihundert (200) Jahre Code civil, hg. v. Schubert, W. u. a., 2006; Le Bicentenaire du Code civil, hg. v. Witz, C., 2006; Geyer, S., Den Code civil richtiger auslegen, 2008

Code de commerce ist das den Code Savary (Ordonnance) von 1673 und die Ordonnance de la marine von 1681 verwendende, von Gorneau, Vital Roux und Morgues redigierte, 1807 geschaffene Handelsgesetzbuch Frankreichs.

Code de procédure civile ist das die ersten den gemeinsamen römisch-kanonischen Pro­zess seit 1667 durch mündliche Verfahren und integriertes Beweisverfahren reform­ierenden königlichen Gesetze (ordon­nances) verstärkende Zivilprozess­gesetzbuch Frank­reichs von 1806 (öffentliches, mündliches Verfahren, Verhandlungsmaxime, passive Rolle des Richters, unmittelbare Beweis­aufnahme, Anwaltszwang, Prinzip zweier Instanzen, obligatorischer Vergleichs­versuch, Notwendigkeit der Urteilsbegrün­dung, in Kraft 1807), das 1958 tiefgreifend verändert und 1976/1981 durch einen Nouveau Code de procédure civile mit erheblichen Erwei­terungen der richterlichen Befugnisse ersetzt wird.

Lit.: Köbler, DRG 141; Boncenne, P., Théorie de la procédure civile 1828; Endres, P., Die französische Prozessrechtslehre, 1985; Conod, P., Le Code de procedure civile vaudois, Diss. jur. Lausanne 1986; 1806 - 1976 – 2006; De la commémoration d’un code à l’autre, hg. v. Cadiet, L. u. a., 2006

Code d’instruction criminelle ist das seit 1801 geplante Straf­prozessgesetzbuch Napo­leons für Frankreich vom 16. 11. 1808 (in Kraft getreten am 1. 1. 1811), das 1958 durch den Code de procédure pénale ersetzt wird.

Lit.: 200 Jahre Code d’instruction criminelle, hg. v. Jung, H. u. a., 2010

Code Napoléon ist der zu Ehren Napoleons vergebene, kurzzeitig (1807-1811, 1852-1870) gültige Name des →Code civil.

Lit.: Köbler, DRG 141; Andreas, W., Die Einführung des Code Napoléon in Baden, ZRG 31 (1910), 182; Astuti, G., Il „Code Napoléon“ in Italia, ASD 14-17 (1970-3), 1; Fehrenbach, E., Der Kampf um die Einführung des Code Napoléon in den Rheinbundstaaten, 1973; Cabanis, A./Cabanis, D., Code Napoléon et Code Civil vaudois, (in) Mélanges dédiés à Marty, G., 1978; Gross, N., Der Code Napoléon in Baden, 1997

Code pénal ist das (einem Code pénal von 1791 und des Jahres IV sowie einem Entwurf eines Code criminel von 1804 folgende) Strafgesetzbuch Frank­reichs von 1810 (in Kraft getreten zum 1. 1. 1811), das seit 1989 erneuert wird (neuer Code pénal 1992/1994).

Lit.: Köbler, DRG 141; Brandt, C., Die Entstehung des Code pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002

codex (lat. [M.] Klotz, Scheit Holz, von Holzbrettchen umschlossener Beschreib­stoff, Beschriftungstafel für Schriftrollen, Tafel, verbundene Mehrheit von Tafeln oder Pergamentstücken, Buch (als günstiger Alternative zur Schriftrolle, bereits im 2. Jh. n. Chr. in der christlichen Literatur ziemlich verbreitet, für Texte von Rechtskundigen vielleicht seit Anfang des 4. Jh.s, etwa seit dieser Zeit weitgehend durchgesetzt)

Codex (lat. [M.]) ist allgemein das umfassende Buch von Gesetzen bzw. Konstitutionen (Gesetzbuch) im Gegensatz zum Einzelgesetz (lat. [F.] constitutio). Im Besonderen ist C. das kompilatorische, (römischrechtliche) Buch der Gesetze (Konstitutionen) (Gesetzbuch) des oströ­mischen Kaisers →Justinian (527-565). Dieser lässt ab 13. 2. 528 (Konstitution [lat.] De novo codice componendo, Über den neu zusammenzustellenden C.) von einer zehnköpfigen Kommission unter der Leitung Tribonians aus dem Codex Gregorianus, dem Codex Hermogenianus und dem Codex Theodosianus die als noch brauchbar angesehenen Konstitutionen (Gesetze) der römischen Kaiser (ab Hadrian) unter Tilgung von Widersprüchen in einem nur im Index der Titelrubriken und Inskriptionen von Buch 1, 11-16 (im Papyrus Oxy 15, 1814) und im Übrigen nicht erhaltenen Codex (Iustinianeus) (vetus) (veröffentlicht unter dem 7. 4. 529) zusammenstellen und 534 durch Tribonian, Dorotheus und drei Anwälte überarbeiten (Codex repetitae praelectionis, Gesetzbuch der wiederholten Vorlesung, 16. 11. 534). Dieser durch Bruchstücke eines Palimpsests des 6. oder 7. Jh.s und jüngere, ebenfalls jeweils unvollständige Handschriften (Ende 11. Jh.) fast vollständig handschriftlich überlieferte C. enthält, eingeteilt in 12 Bücher (Buch 1 Kirche, Staat, Verfahren, Bücher 2-8 Privatrecht, Buch 9 Strafe, Bücher 10-12 Verwaltung) und (insgesamt 763 bzw. 765) Titel (zitiert als C. nach Buch, Titel [in Ediktsordnung] und Konstitution sowie gegebenenfalls Paragraph, z. B. C. 6, 30, 1) in chronologischer Reihenfolge ungefähr 4600 Konstitutionen hauptsächlich Diokletians (284-305, 1200, der Severerkaiser 880, Konstantins 200, Theodosius’ I. und Theodosius’ II. 550, Justinian 400) mit insgesamt etwa 400000 (407860?) Wörtern. Im Mittelalter werden als C. nur die ersten neun Bücher gezählt, während das übrige zum →Volumen (parvum) gerechnet wird.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Söllner § 15; Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum veterum Codicis Iustiniani, 1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Codex (M.) Austriacus (lat.) (1704, 1748, 1752, 1777) ist die erste noch private und unvollständige Gesetzessammlung für →Österreich (unter und ob der Enns).

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/codex­austriacus1704bd1.pdf http://www.koebler­gerhard.de/Fontes/codexaustriacus1704bd2.pdf Köbler, DRG 145; Baltl/Kocher; Guarient, F. v., Codex Austriacus, Bd. 1f. 1704

Codex (M.) Euricianus (lat.) ist das möglicherweise nach älteren Einzelgesetzen um 475/476 unter dem westgotischen König Eurich entstandene, in einer Palim­psesthandschrift erhaltene Gesetzbuch der Westgoten, das formal wie inhaltlich vom römischen Recht beeinflusst ist. →Lex Visigothorum

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Gaudenzi, A., Nuovi frammenti, Rivista italiana per le scienze giuridiche 6 (1888); Schiller, F., Das erste Fragment des Codex Euricianus, ZRG GA 30 (1909), 18; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; El codigo del Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960

Codex (M.) Fridericianus Marchicus s. Project des Codicis Fridericiani Marchici

Codex (M.) Gregorianus (lat.) ist die vermutlich von einem Amtsträger Gregorius (Leiter der Kanzlei a libellis von 284 bis 287 und von 289 bis 290?) privat erstellte, in Bücher und Titel gegliederte, dort chronologisch gereihte, nur bruchstückweise (in den fragmenta Vaticana und in Auszügen in der Lex Romana Visigothorum) erhaltene, bis Mai 291 reichende Sammlung von Konstitutionen (Gesetzen) der römischen Kaiser von Hadrian (117-138) bis Diokletian (284-305). Der C. ist in späteren Werken (u. a. →Codex [Justinians]) verwertet.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19, 22; Köbler, DRG 52, 80

Codex (M.) Hammurapi →Hammurapi

Codex (M.) Hermogenianus (lat.) ist die vermutlich von einem Amtsträger (Leiter der Kanzlei a libellis im Osten von 293 bis 295 und vielleicht auch im Westen 291 und von 295 bis 298) und bekannten Rechtskundigen namens →Hermogenian privat erstellte, in Titel gegliederte, später ergänzte, nur bruch­stückweise erhaltene, die Jahre 293 und 294 erfassende Sammlung von Konstitutionen (Gesetzen) des römischen Kaisers Diokletian (284-305). Der C. ist in späteren Werken (u. a. →Codex) verwertet.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19, 22; Köbler, DRG 52, 80

Codex (M.) iuris Bavarici criminalis (lat.) ist das von →Kreittmayr in deutscher Sprache geschaffene, am 7. 10. 1751 für →Bayern veröffentlichte Gesetzbuch des Strafrechts (Teil 1) und Strafprozessrechts (Teil 2). Der C. beseitigt zwar die Rechtszersplitterung, hält aber an Ketzerei, Zauberei, Hexerei und Aberglauben als Straftaten, an grausamen Strafen und an der Folter fest. Er gilt bis 1813.

Lit.: Pfeitzsch, W., Kriminalpolitik in Bayern, 1968; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Schütz, S., Die Entwicklung des Betrugsbegriffs, 1988

Codex (M.) iuris Bavarici iudiciarii (lat.) ist das von →Kreittmayr in deutscher Sprache aus bayerischem Recht (meist von 1616) und gemeinem Recht (z. B. über Klage, Provokationsprozess, Wirkungen der Ladung, Urheberbenennung, Rechtskraft, Restitution, Syndikatsklage, Immission) ge­schaffene, gegenüber einem Entwurf deutlich veränderte, 1753 in Kraft gesetzte, klare und fast lückenlose, Prozesse erfolgreich abkür­zende Zivilprozessgesetzbuch →Bayerns, das sich um eine Abkürzung des gemeinen Zivilprozesses bemüht und bis 1. 7. 1870 gilt.

Lit.: Schwartz, J., 400 Jahre deutsche Civilprozessgesetzgebung, 1898, 254; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schöll, W., Der Codex iuris bavarici iudiciarii, Diss. jur. München 1965; Codex iuris Bavarici judiciarii, hg. v. Schubert, W., 1993; Seuffert, J. u. a., Kommentar über die bayerische Gerichtsordnung, Bd. 1ff. 2. A. 1853ff., Neudruck 1993

Codex (M.) iuris canonici (lat.) ist das im 20. Jh. geschaffene Gesetzbuch der katholischen Kirche. Von Papst Pius X. 1904 durch →Gasparri in die Wege geleitet und von einer Kommission ausgearbeitet, wird es am 27. 5. 1917 zum 18./19. 5. 1918 in fünf Büchern (allgemeiner Teil, Personenrecht, Sachen­recht, Prozessrecht, Strafrecht) in Kraft gesetzt. Hieran schließt sich (25. 1. 1983 promulgiert, 27. 11. 1983 in Kraft) 1983 eine seit 1959 vorbereitete Neufassung an (allgemeine Normen, Kirchenverfassung, Verkündigungsdienst der Kirche, Sakramente, Kirchenvermögen, Strafen, Prozess). Daneben steht für 29 katholische Ostkirchen der am 18. 10. 1990 promulgierte und am 1. 10. 1991 in Kraft getretene (lat.) Codex (M.) canonum ecclesiarum orientalium (Gesetzbuch der Bestimmungen der östlichen Kirchen).

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/codex­iuriscanonici1917.htm Söllner § 16; Köbler, DRG 205, 266; Codex iuris canonici, hg. v. Gasparri, P., 1917; Stutz, U., Der Geist des Codex iuris canonici, 1918; Codicis iuris canonici fontes, cura Gasparri, P., Bd. 1ff. 1923ff.; Le droit et les institutions de l’église catholique latine de la fin du XVIIIe siècle a 1878, 1981; Codex des kanonischen Rechtes, hg. im Auftrag der deutschen und Berliner Bischofskonferenz, 1983, 2. A. 1984; Zapp, H., Codex iuris canonici, Stichwortverzeichnis, 1986

Codex (M.) Iustinianeus →Codex

Codex (M.) Maximilianeus Bavaricus civilis (lat.) ist das von →Kreittmayr auf der Grundlage des vorangehenden Landrechts Bayerns und des gemeinen Rechtes in Zusammenwirken mit der Ständevertretung und den Justizbehörden in München, Lands­hut, Burghausen, Straubing und Amberg in deutscher Sprache geschaffene, am 2. 1. 1756 ver­öffentlichte, alle zur bürger­lichen Rechts­gelehrsamkeit gehörigen Ma­terien samt Jagdrecht, Fischereirecht, Forstrecht und Gewerberecht nach gemeinrechtlichen und statutarischen Rechts­grundsätzen zusammen­fassende Gesetzbuch („neu verbessertes und ergänztes kurbayerisches Landrecht“, Kompilation). Der C. gliedert sich nach Personen, Sachen und Ansprüchen in vier Teile (Personenrecht, Sachenrecht, Erbrecht, Vertragsrecht). Er löst das bayerische Landrecht von 1616 ab, lässt das gemeine Recht subsidiär fortgelten, wird auf die 1815 erworbenen Gebiete (außer Rheinpfalz) erstreckt und wird zum 31. 12. 1899 durch das →Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches abgelöst.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; (Kreittmayr, W. Frhr. v.,) Anmerkungen zum Codex civilis Maximilianeus Bavaricus, Bd. 1ff. 1758ff., Neudruck; Friedl, H., Codex Maximilianeus Bavaricus civilis, Diss. jur. Erlangen 1934; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Pöppel, P., Quellen und System des Codex Maximilianeus Bavaricus civilis, 1967; Zimmermann, K., Die Monita zum Entwurf des Codex Maximilianeus Bavaricus civilis, 2008

Codex (M.) Theodosianus (lat.) ist das 429 in einem umfassenden, nur teilweise verwirklichten Plan (eines C. T. aus Kon­stitutionen und Schriften von Rechts­kun­digen) in Angriff genommene, 435 begonnene, am 15. 2. 438 veröffentlichte und am 1. 1. 439 in der östlichen Hälfte des römischen Reiches in Kraft gesetzte sowie von Kaiser Valentinian am 25. 12. 439 auch für die westliche Hälfte verkündete (amtliche) Buch der Gesetze (Gesetzbuch) Kaiser Theodosius’ II. (408-450) mit vielleicht 294054 Wörtern. Der dem Vorbild des (lat.) Codex (M.) Gregorianus und Codex Hermoge­nianuns folgende C. enthält ungefähr 2500 kaiserliche Konstitutionen (Gesetze) von 313 (Konstantin) bis 437 (Theodosius II.) aufgeteilt in etwa 3250 Stücke. Er gliedert sich in der Ordnung des Edikts in 16 Bücher (1,1-1,4 Rechts­quellen, 1,5-1,35 Staatsverfassung Gerichtsver­fassung, 1,1-18a Verfahren, 1,19-5 Privat­recht, 6 Standesrecht, 7 Militärrecht, 8,1-11 Subalternbeamte, 8,12-19 unentgelt­licher Erwerb, 9 Strafrecht mit Strafverfahren und Strafvollstreckung, 10 Fiskalrecht, 11,1-28 Steuerrecht, 11,29-39 Verfahren, 12 Gemeinderecht, 13 Berufskörper­schaften, 14 Sozialleistungen in Großstädten, 15 Lust­barkeiten, 16 Kirchenrecht bzw. 1, 6-8,11, 10-15 Verwaltung, 2-5 und 8,12-19 Privatrecht, 9 Strafe, 16 Kirche) sowie insgesamt rund 450 (systematisch angeordnete?) Titel und ist innerhalb dieser Titeleinteilung zeitlich geordnet. Die Bücher 1 bis 5 sind mit etwa 400 Konstitutionen hauptsächlich durch das (lat.)→Breviarium (M.) Alaricianum (506, Kurzbuch des Alarich) auszugsweise über­liefert (ein Drittel?), die Bücher 6-16 durch zwei frühe Handschriften (Rom, Biblioteca Vaticana, Vat. reg. 886, Paris, Bibliothèque Nationale Cod. 9643) und Papyri (P. Oxy 15, 1913 u. a.). Der C. T. wird in Ostrom ab 527-534 von den Kompilationen Kaiser Justinians (Codex) verdrängt, in den westgotischen Gebieten durch das Breviar Alarichs II. (lat. [N.] Breviarium Alaricianum)

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19, 21, 22; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 52, 80; Theodosiani libri XVI, ed. Mommsen, T., 1905; Krüger, P., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechtes, 1888, 2. A. 1912; Seeck, O., Regesten der Kaiser und Päpste für die Jahre 311 bis 476 n. Chr., 1919; Codex Theodosianus, hg. v. Krüger, P., 1923 (etwas vollständiger durch im Codex Justinians übernommene, veränderte Stellen); Gradenwitz, O., Heidelberger Index zum Theodosianus, 1925, Ergänzungsband 1929; The Theodosian Code and novels, and the Sirmondian constitutions, übers. v. Pharr, C., 1952; Gaudemet, J., La formation du droit séculier et du droit de l’Eglise aux IVe et Ve siècles, 2. A. 1979; Dilger, A., Herkunft und Rechtsnatur einer Handschrift aus dem theodosianischen Gesetzbuch, ZRG GA 94 (1977), 184; Archi, G., Theodosio II e il suo tempo, 1978; Dilger, A., Die Stuttgartensis und ihre Bedeutung, ZRG GA 99 (1982), 298; Voß, W., Recht und Rhetorik in den Kaisergesetzen der Spätantike, 1982; Moscati, L., Nuovi studi sul codice teodosiano, 1983; The Theodosian Code, hg. v. Harries, J. u. a., 1993; Dovere, E., Ius principale e catholica lex, 1995; Matthews, J., Laying down the law, 2000; Liebs, D., Römische Jurisprudenz in Gallien, 2002; Sirks, A., The Theodosian code, 2007

Codex (M.) Theresianus (lat.) ist der Entwurf eines einheitlichen österreichischen Gesetzbuchs (Privatrecht, Zivilprozessrecht, ohne Strafrecht) unter Maria Theresia (vom 25. 11. 1766 mit mehr als 8000 Bestimmungen, 23145 Wortformen). Er beruht auf der Arbeit einer zum 14. 2. 1753 eingesetzten Kompilations­kom­mission, die ein auf natürliche Billigkeit gegründetes volkstümliches Recht schaffen und dabei die einzelnen Provinzialrechte, das gemeine Recht und die Gesetze anderer Staaten heranziehen soll. Das von Josef Azzoni (1712-1760) und Johann Bernhard von Zencker geförderte, hauptsächlich 1766 in Brünn tätige Unternehmen endet 1776 wegen seiner Dickleibigkeit, erleichtert aber als wertvolle Vorarbeit das →Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811/1812.

Lit.: Codex Theresianus, hg. v. Harras von Harrasowsky, P., Bd. 1ff. 1883ff.; Höslinger, R., Die gemeinrechtlichen Quellen des Codex Theresianus, Österreich. Archiv f. Kirchenrecht 1 (1950), 72; Wesener, G., Die Rolle des usus modernus pandectarum im Entwurf des Codex Theresianus, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CodexTheresianus.htm

Codex Urnammu ist der 1948 entdeckte sumerische Rechtstext des Königs Urnammu von Lagusch (Ur) (um 2100 v. Chr.), von dem wenigstens 40 Bestimmungen (über Mord, Raub, falsche Anschuldigung, Ehebruch, Ver­gewaltigung, Ehe, Scheidung, Hexerei, Kör­perverletzung, Miete, Arztbehandlung, Darle­hen, Erbe, Sklaven, Wasserdiebstahl und Vernachlässigung von Land) in fünf Ab­schriften in Nippur, Ur und Sippar erhalten sind.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CodexUrNa­mu­.pdf; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006

Codice civile →Italienisches Recht

Codicillus (lat. [M.] Büchlein, grundsätzlich Plural codicilli verwendet) ist im klassischen römischen Recht die letztwillige Verfügung, die entweder als Bestandteil eines →Testaments zählt oder (außerhalb eines Testaments) nur Fideikommisse und fidei­kommissarische Freilassungen (nicht dage­gen Erbeinsetzungen und Enterbungen) ent­halten darf. Durch die so genannte Kodizillarklausel eines Testaments kann der Erblasser bestim­men, dass eine als Testament unwirksame Erklärung wenigstens als c. gelten soll.

Lit.: Kaser § 68; Söllner §§ 15, 17; Köbler, DRG 38

Código (M.) civil (span.) ist das spanische Zivilgesetzbuch von 1888/1889, das maßgeblich von Manuel Alonso Martínez (1827-1891) geprägt wird. Es vereinheitlicht das Privatrecht, belässt aber mit dem Mittel seiner Subsidiarität landschaftliche, auf den Foralrechten (fueros) beruhende Unterschiede im Verhältnis zu →Kastilien.

Código (M.) de comercio (span.) →Handels­gesetzbuch

Código (M.) do processo civil (portug.) ist das portugiesische Zivilprozessgesetzbuch des Jahres 1939, das maßgeblich von José Alberto dos Reis geprägt wird.

Coemptio (lat. [F.]), Zukauf, ist im römischen Recht eine der (lat. [F.]) Manzipation nachgeformte Handlung zur Begründung der Hausgewalt (lat. [F.] manus) des Hausvaters über die Frau unter Zahlung eines symbolischen Kaufpreises zwecks Ehe­schließung.

Coercitio (lat. [F.]) ist im altrömischen Recht die allgemeine, Unrechtstaten verfolgende magistratische Zuchtgewalt.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner § 6; Köbler, DRG 18, 20

cognati (lat. [M.Pl.]) Blutsverwandte, →Verwandte

cognitio (F.) Erkenntnis →cognitio (F.) extra ordinem

Cognitio (F.) extra ordinem (lat., Erkenntnis außer der Ordnung) ist im klassischen römischen Recht das außerordentliche Verfahren, das durch allmähliche behördliche Verfestigung die altrömische Gerichtsver­fassung und das zugehörige Formular­ver­fah­ren ersetzt. →Kognitionsverfahren

Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 14, 15, 16; Köbler, DRG 34; Köbler, LAW

cognitor (lat. [M.]) Prozessvertreter →Stellvertreter

Coimbra am Mondego beruht auf römischer Grundlage (Conimbriga bzw. Aeminium). 878/1064 wird es den Mauren entzogen (im 12./13. Jh. Hauptstadt →Portugals). Die 1290 in Lissabon gegründete Universität wird 1308 nach C. verlegt (1338-1354, 1377-1537 nochmals Lissabon).

Lit.: Almeida, A./Brandao, M., A Universidade de Coimbra, 1937; Merêa, P., Sôbre as origens do concelho de Coimbra, Revista Portuguesa de história 1 (1940), 49

Coing, Helmut (Celle 28. 02. 1912-Kronberg im Taunus 15. 08. 2000) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Kiel, München, Göttingen und Lille in Göttingen 1935 promoviert (Wolfgang Kinkel) und in Frankfurt am Main 1938 habilitiert (Erich Genzmer). 1940 wird er außerordentlicher Professor in Frankfurt am Main, nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft 1948 ordentlicher Professor. Von 1964 bis 1980 ist er Direktor des von Erich Genzmer (für das Mittelalter) geplanten Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main.

Lit.: Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578, 1935; Coing, H., Die Rezeption des römischen Rechtes in Frankfurt am Main, 1939; Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, hg. v. Wilhelm, W., 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­ge­schicht, hg. v. Coing, H., 1973ff.; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Luig, K., Helmut Coing, (in) Juristen im Portrait, 1988, 215ff.; Simon, D., Zwischen Wissenschaft und Wissenschaftspolitik, NJW 2001, 1029ff.

Coke, Sir Edward (Mileham/Norfolk 1. 2. 1552-Stoke Poges 3. 9. 1634), Norfolker Landadligensohn, wird nach dem Rechts­studium in Cambridge (Trinity College) und der praktischen Ausbildung in Clifford’s Inn und Inner Temple in London 1578 Anwalt, 1589 Parlamentsmitglied, 1592 Kronanwalt und 1594 Justizminister (Attorney General, Generalstaatsanwalt). Zunächst entschiedener Anhänger des Königs, behauptet er seit 1606 als Chief Justice of the Court of Common Pleas (1613 Privy Councillor, Vorsitzender von King’s Bench) die Unterordnung des Monarchen (bzw. dessen Chancery, Star Chamber und High Commission) unter das (von der Vernunftkonzeption geprägte) common law und wird deswegen schließlich 1616 entlassen. Seit 1620 verstärkt er aus dem Parlament heraus den Widerstand gegen den König (1622/1623 in Haft, am 7. 6. 1628 An­nahme der Beschwerden des Parlaments we­gen rechtswidriger Besteuerungen, Zwangs­anleihen und Verhaftungen durch den König). Daneben veröffentlicht er nach einer umfas­senden Sammlung von Entscheidungen (Reports, 1600-1615, Ausgangspunkt der doctrine of precedent) und einer Sammlung von Einträgen (A Book of Entries, 1614) seit 1628 seine vierbändigen Institutes, die das erste Lehrbuch des neuzeitlichen →common law bilden. Davon stellt das als Commentary upon Littleton(´s Tenures) gestaltete erste Buch (Coke upon Littleton) eine Rechts­grund­legung (Enzyklopädie) dar. Die wei­teren drei Bücher (1641) begründen ver­fassungsmäßig den Vorrang von Parlament und Recht im Staat (im Wege der Politiserung des Rechtes und der Verrechtlichung der Politik). Im Ergebnis verdrängen Cokes Reports und Institutes in kurzer Zeit die in Law French abgefassten älteren Year Books (Jahrbücher) und Rechtsdarstellungen.

Lit.: Johnson, C., Life of Sir E. Coke, 1837; Block, H., E. Coke, 1929, Neudruck 1992; Mosse, G., The Struggle for Sovereignty in England, 1950; Thorne, S., Sir Edward Coke, 1957; Bowen, C., The Lion and the Throne, 1957; Beauté, J., Un grande juriste anglais, 1975; Hostettler, J., Sir E. Coke, 1997; Boyer, A., Sir E. Coke and the Elizabethean Age, 2003

Collatio (F.) bonorum (lat., Vergleich der Güter) ist im klassischen römischen Recht die Verrechnung des Vorausempfangs (Abfin­dung, Mitgift) eines Hauserben mit seinem Erbteil vor dem Prätor.

Lit.: Kaser § 65, 73; Köbler, DRG 37, 59

Collatio (F.) legum Mosaicarum et Romanarum (lat., Benennung im 16. Jh.)) ist die spätantike, unter dem Titel (lat.) lex (F.) Dei quam praecepit Dominus ad Moysen (Gesetz Gottes, das der Herr Moses gebot,) in drei Handschriften überlieferte Schrift eines unbekannten Verfassers (des späten 4. Jh.s?), die Stellen der Bibel mit Stücken des →Gaius, der Spätklassiker, des →Codex Gregorianus und des →Codex Hermogenianus mit dem Ziel des Nachweises der Übereinstimmung vergleicht.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Söllner §§ 5, 16; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswis­senschaft, 1961, 394; Frakes, R., Compiling the Collatio Legum Mosaicarum et Romanorum, 2011

Collectio (F.) Anselmo dedicata ist die vielleicht in Mailand (oder Reims) um 900 von einem unbekannten Verfasser geschaf­fene, fast 2000 Kapitel (vor allem aus den pseudoisidorichen Dekretalen) enthaltende, systematische Sammlung von Kirchenrecht.

Lit.: Zechiel-Eckes, K., Quellenkritische Anmerkungen zur Collectio Anselmo deidicata, (in) Recht und Gericht in der Kirche und Welt, hg. v. Hartmann, W., 2007

Collectio (F.) Danieliana ist eine in einer Berner, früher François Daniel gehörigen Handschrift überlieferte Kirchenrechtssamm­lung, die eine Frühform der Capitula Angilramni enthält.

Lit.: Schon, K., Unbekannte Texte aus der Werkstatt Pseudoisidors. Die Collectio Danieliana, 2006

Collectio Francofurtana ist eine wohl am Ende des 12. Jh.s im nördlichen Frankreich (Champagne) etstandene, mehr als 700 Kap­itel umfassende in vier Handschriften bezeug­te Dekretalensammlung.

Lit.: Die Collectio Francofurtana, hg. v. Landau, P./Drossbach, G., 2008 (Edition hat ziemliche Mängel)

Collectio (F.) vetus Gallica ist eine in Lyon um 600 entstandene kirchenrechtliche Sammlung, die bis in die Zeit um 800 auf Einteilung und Themen kirchenrechtlicher Werke einwirkt.

Lit.: Mordek, H., Kirchenrecht und Reform im Frankenreich, 1975

Collegantia

Lit.: Condanari-Michler, S., Zur frühvenezianischen collegantia, 1937

colonia (lat. [F.]) gegründete, später auch erhobene römische Stadt außerhalb Roms (z. B. colonia Agrippinensis, Köln)

Colonus (lat. [M.]) ist im spätantiken römischen Recht der erblich an die Scholle gebundene Landpächter.

Lit.: Kaser § 16; Söllner § 19; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 50, 57; Köbler, LAW; Schipp, O., Der weströmische Kolonat, 2010

Comecon (engl. Council for Mutual Economic Assistance) ist die am 25. 1. 1949 in Moskau von der Union der sozialistischen Sowjetrepu­bliken, Polen, der Tschecho­slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien gegründete, mehrfach erweiterte Organisation zur wirtschaftlichen Verei­nigung Osteuropas innerhalb der inter­nationalen sozialistischen Arbeitsteilung (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe).

Lit.: Ribi, R., Das Comecon, 1970; Uschakow, A., Integration im RGW, 1983

comenda (lat. [F.]) →commenda

Comes (lat. [M.]) ist in der Spätantike der Begleiter und Amtsträger des Kaisers und im Frühmittelalter der →Graf.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 84; Köbler, LAW; Sprandel, R., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Ebling, H., Prosopographie der Amtsträger, 1974; Borgolte, M., Die Grafen Alemanniens, 1986; Scharf, R., Comites, 1994; Comitatus, hg. v. Winterling, A., 1998

Comitia (lat. [N.Pl.]) ist im altrömischen Recht die unterschiedlich gegliederte Volksversammlung.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 18

Comitia (N.Pl.) curiata (lat.) ist die nach Kurien gegliederte römische Volksver­sammlung.

Comitatus (lat. [M.]) Begleitung →comes, (mlat.) Grafschaft

Lit.: Wagner, G., Comitate um den Harz, Harzzeitschrift 1 (1948), 1; Wagner, G., Comitate im karolingischen Reich, 1952; Wagner, G., Comitate in Franken, Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 6 (1954), 3; Wagner, G., Comitate im Bistum Paderborn, Westfälische Zeitschrift 103/104 (1954), 221; Wagner, G., Comitate zwischen Rhein, Main und Neckar, ZGO 103 (1955), 1; Mascher, K., Reichsgut und Komitat am Südharz, 1957; Claude, D., Untersuchungen zum frühfränkischen Comitat, ZRG GA 81 (1964), 1; Sprandel, R., Bemerkungen zum frühfränkischen Comitat, ZRG GA 82 (1965), 288; Holzfurtner, L., Die Grafschaft der Andechser, 1994

Commenda (lat. [F.]), comenda, ist eine mittelalterliche Vorform der Kommanditgesellschaft.

Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Han­delsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Silberschmidt, W., Die italienische Commendaforschung der jüngsten Zeit, Studi in memoria di Aldo Ekbertoni 3, 1936; Pryor, J., The Origins of the commenda contract, Speculum 52 (1977), 5

Commendatio (lat. [F.]) ist im Mittelalter die Handlung, mit der sich der Lehnsmann dem Lehnsherrn anvertraut.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 63; Köbler, LAW

Commentaries on the Laws of England (1765ff.) ist die auch naturrechtlich beeinflusste Zusammenfassung des →englischen Rechtes durch →Blackstone (1723-1780).

Commercium (lat. [N.]) ist im altrömischen Recht die dem Fremden durch Verleihung zu eröffnende Teilrechtsfähigkeit im Verkehrsrecht.

Lit.: Kaser § 3, 68; Söllner § 12; Köbler, DRG 21

commixtio (lat. [F.]) Vermengung

Commodatum (lat. [N.]) ist die im jüngeren klassischen römischen Recht anerkannte →Leihe (Realkontrakt).

Lit.: Kaser § 39 II; Köbler, DRG 45, 63; Berndt, B., Das commodatum, 2005

Common law (engl., gemeines Recht) ist in England das für alle einheitlich geltende Recht im Gegensatz zum örtlich oder persönlich unterschiedlichen Recht bzw. das in England seit dem Hochmittelalter ent­wickelte Recht im Gegensatz zu dem aus dem römischen Recht entwickelten Recht bzw. das von Gerichten in England geschaffene Recht im Gegensatz zum gesetzten Recht.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Plucknett, T., A Concise History of the Common Law, 1929, 2. A. 1936, 5. A. 1956; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Caenegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 1973, 2. A. 1988; Simpson, A., Biographical Dictionary of the Common Law, 1984; The Reception of Continental Ideas in the Common Law World, hg. v. Reimann, M., 1993; Martinez-Torron, J., Anglo-American Law and Canon Law, 1998; Baker, J., The Common Law Tradition. Lawyers, Books and the Law. 2000; Rudolph, J., Common Law and Enlightenment in England, 2013

Commonwealth (engl.) gemeinsamer Reichtum, Weltreich

Communio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die →Gemeinschaft (z. B. mehrerer Erben), in der jeder Gemeinschafter einen rechnerischen Anteil hat, über den er verfügen kann.

Lit.: Kaser § 23; Kroeschell, DRG 1

communis opinio (lat. [F.]) gemeinsame Meinung, öffentliche Meinung (z. B. c. o. doctorum [der Rechtslehrer] vor allem vom 16.-18. Jh. als Argument für die Wahr­scheinlichkeit der Richtigkeit einer Auffas­sung)

Lit.: Schröder, J., Communis opinio, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler,G., 1987, 404

Como

Lit.: Campiche, C., Die Comunalverfassung von Como, 1929

compendium (N.) iuris (lat.) Rechtshandbuch

Lit.: Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium juris, 1968

Compensatio (lat. [F.]) ist die im klassischen römischen Recht grundsätzlich nur im Verfahren oder bei Einverständnis wirksame Verrechnung mit einer Gegenforderung. →Aufrechnung

Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 62; Dernburg, H., Die Compensation nach römischem Rechte, 1854; Dernburg, H., Geschichte und Theorie der Compensation, 2. A. 1868, Neudruck 1965; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Compilación de Leyes (Ordenanzas reales de Castilla) ist die erste, 1480 von Alonso Díaz de Montalvo (1405-1499) zusammengestellte Sammlung kas­tilischer Vorschriften in 8 Büchern (ordenamiento von 1484). Ihr folgen Sammlungen von (1485,) 1567 und 1805. →Libro do Leyes

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 1,558,674

Compilatio (F.) maior (lat.) ist die nach justinianischem Vorbild in neun Bücher ge­gliederte Sammlung des aragonesischen Rechtes durch Vidal de Canellas († 1252) in aragonesischer Sprache.

Lit.: Pérez Martìn, A., Einleitung zu Fori Aragonum, 1979, 1

Compositio (lat. [F.]) ist in den lateinischen Texten des Frühmittelalters die →Buße. →Kompositionensystem

Lit.: Köbler, DRG 65, 91; Köbler, LAW; Jaekel, H., Weregildus, ZRG GA 28 (1907), 107

Conchyleus →Coquille

concilium (lat. [N.]) Zusammenrufung?, Vereinigung, Versammlung (z. B. der Plebejer in Rom), Konzil

conclusio (lat. [F.]), Schluss, Folgerung

Conclusum (N.) imperii (lat., Reichsschluss) ist seit dem Spätmittelalter das vom Kaiser des Heiligen römischen Reichs angenommene Reichsgutachten der Reichsstände, das noch der Verkündung bedarf, um Gesetz zu werden.

Lit.: Rauch, K., Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert, 1905

Concordia (F.) discordantium canonum (lat.) ist der Titel des →Decretum Gratiani (Dekret Gratians).

concussio (lat. [F.]) →Erpressung

condemnatio (lat. [F.]) Verurteilung (im römischen Recht grundsätzlich auf Leistung von Geld, bei der Noxalhaftung wahlweise auf Geld oder Preisgabe des Schädigers)

Condicio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die →Bedingung.

Lit.: Kaser §10; Willvonseder, R., Die Verwendung der Denkfigur der condicio sine qua non, 1984; Effer-Uhe, D., Die Wirkung der condicio im römischen Recht, 2008

Condictio (lat. [F.]) ist im Formularverfahren des klassischen römischen Rechtes die strengrechtliche Klagformel (lat. actio in personam) auf Übereignung einer bestimmten Sache oder Geldsumme (z. B. aus Darlehen, Litteralkontrakt, Diebstahl), die im spät­antiken römischen Recht besonders mit dem Fall grundloser Vorenthaltung (z. B. des auf eine Nichtschuld Geleisteten) verbunden wird. →Kondiktion

Lit.: Kaser §§ 32, 33, 38, 39, 40, 48, 83; Söllner § 9; Köbler, DRG 33, 45, 67; Koschembahr-Lyskowsky, I. v., Die condictio als Bereicherungsklage, Bd. 1f. 1903ff.; Schwarz, F., Die Grundlage der condictio, 1952

condictio (F.) causa data causa non secuta (lat.) Bereicherungsanspruch wegen nicht (geschuldeter, erwarteter und nicht) erbrachter Gegenleistung, →Bereicherung

condictio (F.) ex lege (lat.) Berei­cherungsanspruch aus gesetzlicher Obli­gation, →Bereicherung

condictio (F.) furtiva (lat.) Bereiche­rungsanspruch gegen den Dieb auf einfachen Sachwert, →Bereicherung

condictio (F.) indebiti (lat.) Berei­cherungsanspruch wegen irrtümlicher Zahlung einer Nichtschuld, →Bereicherung

condictio (F.) ob causam datorum (lat.) Be­reicherungsanspruch wegen nicht entstandenen Rechtsgrunds, →Bereicherung

condictio (F.) ob causam finitam (lat.) Be­reicherungsanspruch wegen weggefallenen Rechtsgrunds, →Bereicherung

condictio (F.) ob turpem vel iniustam causam (lat.) Bereicherungsanspruch wegen eines sittenwidrigen oder unzulässigen Rechtsgrunds, →Bereicherung

condictio (F.) sine causa (lat.) Be­reicherungsanspruch wegen rechtsgrundloser Leistung, →Bereicherung

conditio (lat. [F.]) Bedingung (z. B. c. sine qua [non], Bedingung ohne die nicht wie z. B. Schaden für Schadensersatzanspruch)

condominium (lat. [N.] Miteigentum, Mit­herrschaft (z. B. condominium plurium in so­lidum [17. Jh.] ohne ideellen Anteil am Gesamtgut, Verfügung nur durch Gesamtheit)

conductio (lat. [F.]) Miet-, Pacht-, Dienst- und Werkvertrag, s. locatio conductio

Lit.: Mayer-Maly, T., Locatio conductio, 1956

Confarreatio (lat. [F.]) ist die altrömische Eheschließung unter Speltbrotopferung (für Patrizier?).

Confessio est regina probationum (lat.). Das Geständnis ist die Königin der Beweise (als Grundsatz des Beweisrechts des Inquisitionsprozesses in den Quellen nicht wirklich belegt).

Lit.: Foth, A., Gelehrtes römisch-kanonisches Recht in deutschen Rechtssprichwörtern, 1971; Kleinheyer, G., Zur Rolle des Geständnisses (in) Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 367ff.; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

confin →Militärgrenze

Confoederatio (lat. [F.]) cum principibus ecclesiasticis (Bündnis mit den geistlichen Fürsten) ist die im 19. Jh. aufgekommene lateinische Bezeichnung für das in einem Original und 5 Abschriften überlieferte, 11 Artikel umfassende, wohl nur die bereits eingetretene Rechtswirklichkeit anerkennende Privileg König Friedrichs II. für die geist­lichen Reichsfürsten vom 26. 4. 1220 als Gegen­leistung für die Wahl Heinrichs (VII.) zum König am 23. 4. 1220 (z. B. Verzicht auf den Nachlass bzw. das Spolienrecht und Regalien bei den geistlichen Reichsfürsten, Ver­zicht auf neue Zollstätten und Münzstätten, Testierfreiheit, Verfügungsfrei­heit über Kirchenlehen, Ver­stär­­kung des Kirchen­banns durch Reichs­­acht). Am 12. 3. 1275 und am 9. 11. 1292 wird die C. erneuert.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Confoede­ratiocumprincipibusecclesiasticis1220.htm; Kroeschell, DRG 1; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 1966, 2. A. 1982, 420; Eickels, K. v./Brüsch, T., Kaiser Friedrich II., 2000

confusio (lat. [fF]) Zusammengießung, Ver­mischung z. B. zweier gleichartiger Flüssig­keiten verschiedener Eigentümer, von Gläubi­gerstellung und Schuldnerstellung in einer Person oder von Eigentum und Inhaber­schaft an einem beschränkten dinglichen Recht in einer Person

Lit.: Kiess, P., Die confusio im klassischen römischen Recht, 1995

coniunctio (lat. [F.]) Verbindung

Lit.: Lösch, S., Die coniunctio in testamentarischen Verfügungen des klassischen römischen Rechts, 2013

coniuratio (lat. [F.]) gemeinschaftlicher Schwur, Verschwörung, Schwurgemeinschaft, usurpatorische Verbrüderung (z. B. Cambrai 1076, Köln 1114)

Lit.: Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Körner, T., Juramentum und frühe Friedensbewegung, 1977; Kolmer, L., Promissorische Eide im Mittelalter, 1989; Distler, E., Städtebünde, 2006

Connan, François (Paris 1508-Paris 1. 9. 1551), Sohn eines maître des comptes, wird nach dem Studium in Paris und dem Rechtsstudium (1529) in Orléans und Bourges (mit Bekanntschaft zu Calvin) um 1533 Parlamentsadvokat und 1539 königlicher Rat. In einer Gesamtdarstellung des geltenden Rechtes in zehn Büchern ([lat.] Commentariorum iuris civilis libri [M.Pl.] X, 1553ff. Zehn Bücher Kommentare des weltlichen Rechtes) versucht er die tatsächliche Ordnung der Rechtsquellen durch ein wissenschaftliches System (lat. [F.] ars) zu ersetzen. Bei diesem wenig erfolgreichen Bemühen deutet er die römischrechtliche (lat. [F.]) →actio als ein rechtserhebliches Verhalten und legt damit einen ersten Grund für den Gedanken der →Willenserklärung.

Lit.: Bergfeld, C., Franciscus Connanus, 1968

Conrad, Hermann (Köln 21. 10. 1904-Bonn 18. 3. 1972) wird nach dem Studium des Rechtes in Köln promoviert (F. Gescher, Kanonist) und habilitiert (Hans Planitz). Nach Lehraufträgen in Rostock, Köln, Freiburg im Breisgau, Lausanne, Genf und Breslau wird er 1941 nach Marburg und 1948 nach Bonn berufen. Er versucht eine unvollendet geblie­bene Gesamtdarstellung deutscher Rechtsge­schichte.

Lit.: Kleinheyer, G., In memoriam, ZRG GA 90 (1973), 487ff.; Gedächtnisschrift Hermann Conrad, hg. v. Kleinheyer, G. u. a., 1979 (Schriftenverzeichnis 621-634)

Conring, Hermann (Norden 9. 11. 1606-Helmstedt 12. 12. 1681), aus gelehrter ostfriesischer Familie, geboren und aufgewachsen in einem Pfarrhaus, wird nach dem 1620 begonnenen Studium von Medizin und Politik in Helmstedt und Leiden (seit 1625) 1632 Professor für Naturphilosophie (Physik und Rhetorik) bzw. Medizin (1637) und Politik (1650) in Helmstedt. Er hält auch juristische Vorlesungen und erstattet Rechtsgutachten. In seinem im Ergebnis bereits 1635 fest­stehenden Buch (lat.) De origine iuris Germanici (1643, Vom Ursprung des deutschen Rechtes) widerlegt er die Ansicht, dass das römische Recht in Deutschland 1135 durch ein Gesetz Kaiser Lothars III. von Süpplingenburg in Kraft gesetzt worden sei (sog. →lotharische Legen­de) und erfasst im Blick auf Erkenntnis der Gegenwart damit deutsche Rechtsgeschichte.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Conring­HermannDeorigineiurisGermanici1643.pdf; Köbler, DRG 139, 142, 186; Dahl, F., Zu den Beziehungen Conrings zu Dänemark, ZRG GA 37 (1916), 507; Hermann Conring, hg. v. Stolleis, M., 1983; Conring, H., De origine iuris germanici (deutsche Übersetzung), hg. v. Stolleis, M., 1994; Oestmann, P., Kontinuität oder Zäsur, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 191; Arnswaldt, A. v., De vicariatus controversia, 2004; Jori, A., Hermann Conring (1606-1681), 2006

Consensus (lat. [M.] Zustimmung, Willens­übereinstimmung) ist seit dem klassischen römischen Recht Voraussetzung des Konsensualvertrags.

Lit.: Kaser §§ 8, 38, 58; Köbler, LAW; Hannig, J., Consensu fidelium, 1982

Consensus (M.) facit nuptias (lat.). Die Willensübereinstimmung bewirkt die Eheschließung(, gilt als Grundsatz bereits in Rom, kann aber gegenüber den vom Vertrag zwischen Brautvater und Bräutigam aus­ge­henden Vorstellungen der Germanen und germanistischen Nachfolgevölker erst im Frühmittelalter von der Kirche durchgesetzt werden, wobei bei Be­schränkung auf die bloße Willensübereinstimmung Beweispro­bleme bestehen, denen die katho­lische Kirche 1563 auf dem Konzil von Trient [Decretum Tametsi] mit Formvorschriften in Gestalt der notwendigen Mitwirkung eines Geist­lichen und zweier Zeugen begegnet).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Julian um 100-um 170 n. Chr.); Freisen, J., Geschichte des kanonischen Eherechts, 2. A. 1893, Neudruck 1963; Schwab, D., Grund­lagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967; Brundage, J., Law, Sex and Christian Society in Medieval Europe, 1987; Weigand, R., Liebe und Ehe im Mittelalter, 1993; Weber, I., Consensus facit nuptias, ZRG KA 118 (2001), 31

consilium (lat. [N.]) Rat, Gutachten, span. consejo, it. consiglio, als c. principis (Rat des Prinzeps) fallweise beratendes Gremium in Rom seit Kaiser Augustus (31 v. Chr.-14 n. Chr.)

Lit.: Kaser § 2; Söllner §§ 6, 9, 12, 15; Köbler, DRG 18, 106; Kisch, G., Consilium, 1970; Consilia im späten Mittelalter, hg. v. Baumgärtner, I., 1995; Falk, U., Consilia. Studien zur Praxis der Rechtsgutachten in der frühen Neuzeit, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 395; Lange, H., Recht und Macht, 2010

Consolat del Mar (Llibre del C. d. M.) ist die nach dem Seekonsulat von Barcelona (1282 consules del mar) benannte, mittelalterliche, in Barcelona zwischen 1266 und 1268 begonnene, später andernorts erweiterte und 1348 vom Seekonsulat in Barcelona eingeführte Zusam­menfassung des mittel­meerischen Seege­wohnheitsrechts. →See­recht

Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Han­delsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Wag­ner, R., Beiträge zur Geschichte des Seerechts, ZHR 29 (1884), 413; Valls i Taberner, F., Consolat de Mar, 1930ff.; García, A., Llibre del Consolat, Bd. 1ff. 1981ff.; Hernández Izal, S., Els costums marítims de Barcelona, Bd. 1f. 1986ff.

Consortium (lat. [N.] Gemeinschaft) ist im altrömischen Recht der Zusammenschluss von Erben nach der Nachlassteilung zu einer vereinbarten →Gemeinschaft.

Lit.: Kaser § 66; Söllner § 8; Köbler, DRG 22, 47

constitutio (lat. [F.]) Beschluss, Gesetz

Constitutio (F.) Antoniniana (lat.) ist das in einem stark zerstörten, in Gießen aufbewahrten Papyrus überlieferte Gesetz (constitutio) Kaiser (Marcus Aurelius) Antoninus Caracallas aus dem Jahre 212, in dem er zur Ausdehnung der Steuerpflicht allen freien Bewohnern des römischen Reiches das römische Bürgerrecht gibt.

Lit.: Kaser § 3; Söllner §§ 14, 18; Köbler, DRG 35; Sasse, C., Die Constitutio Antoniniana, 1958; Wolff, H., Die Constitutio Antoniniana und Papyrus Gissensis 40 I, Diss. jur. Köln 1976

Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis (lat.) →Bamberger Halsgerichtsordnung (1507)

Constitutio (F.) Criminalis Carolina (lat., Des Kaisers Karl V. und des Heiligen Römischen Reiches Gerichtsordnung, Straf­gesetz[buch] Karls V.) ist die (deutsch verfasste) reichseinheitliche Peinliche Ge­richtsordnung Karls V. von 1532 (31. 7. 1532). Sie geht auf in einem Gutachten des 1495 errichteten Reichskammergerichts festgehaltene Missstände und Beschwerden über die sich häu­fenden ungerechten Strafverfahren, die ihrerseits die Antwort auf die im Mittelalter vor allem infolge des Bevölkerungswachs­tums, der Urbanisierung und Emanzipierung von der herkömmlichen Ordnung sowie wohl auch der Verstärkung der Staatlichkeit anschwellende Kriminalität sind, vor dem Reichstag (von Lindau 1496/1497) zurück. Dieser setzt in Freiburg im Breisgau 1497/1498 (Reichsabschied § 34) zum Zweck der Besserung des Straf­verfahrens (eine) von 1503 bis 1517 untätige, danach vier Entwürfe (Worms 1521, Nürnberg 1524, Speyer 1529, Augsburg 1530) vorlegende Kommission(en) ein (u. a. Reichsregiment). Sie übernimmt im We­sentlichen den Inhalt der vom Vorsitzenden des Hofgerichts des Bischofs von Bamberg, Johann Freiherr von →Schwarzenberg, auf Grund seiner Kenntnisse der praktischen Probleme und unter Einarbeitung des aus Oberitalien kommenden römisch-kanonischen Strafprozessrechts ge­schaffenen (lat.) Consti­tutio (F.) Criminalis Bambergensis (→Bamberger Halsgerichts­ordnung) von 1507 in ihre 219 Artikel. Sie will wegen des Widerstands einzelner Reichs­glieder (z. B. Sachsen, Brandenburg, Pfalz) grundsätzlich nur subsidiär gegenüber den alten wohlhergebrachten, rechtmäßigen und billi­gen Gebräuchen gelten (sog. salvatorische Klausel), kommt aber tatsächlich allgemein zur Anwendung. Sie beherrscht das gesamte Strafverfahrensrecht und Strafrecht (Art. 104-180) des Reiches bis in das von der Aufklärung bestimmte 18. Jh., in dem noch die (lat.) Constitutio (F.) criminalis Theresiana Maria Theresias für die deutschen (d. h. nichtungarischen) Erbländer Österreichs einschließlich Böhmens (1768) von der C. beeinfusst ist. Die C. geht vom Anklage­prozess (Akku­sationsprozess) aus (Art. 11ff.), demgegenüber der Inquisitions­prozess (Art. 6ff.) die Aus­nahme darstellt, doch setzt sich wegen der hohen Belastungen des möglichen Anklägers praktisch der In­quisitionsprozess durch, in dem der Richter Ankläger und Entscheider (Art. 81) zugleich ist. Der geheimen In­quisition (Untersuchung) folgt der endliche Rechtstag als öffentliche, aber inhaltlich fast bedeutungslose Formal­handlung. Besonders bedeutsam sind die Lehre von den für die Anwendung der →Folter von nun an gegenüber einem Tatverdächtigen erfor­derlichen →Indizien (Anzeichen, z. B. blutige Kleider, sog. Indizienlehre) und die Ansätze zu allgemeinen Lehren (Schuld, Teilnahmefor­men, Notwehr, Versuch).

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Peinliche­Ge­richts­ordnungKarlsV.pdf; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 136, 156; Güterbock, Die Entstehungsgeschichte der Carolina, 1878; Dargun, L., Die Rezeption der peinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. in Polen, ZRG GA 10 (1889), 168; Die Carolina und ihre Vorgängerinnen, hg. v. Kohler, J. u. a., Bd. 1ff. 1900ff., Neudruck 1968; Schoetensack, A., Der Strafprozess der Carolina, Diss. jur. Heidelberg, 1904; Kantorowicz, H., Goblers Karolinen-Kommentar, 1904; Saueracker, K., Wortschatz der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V., 1929; Schmidt, E., Die Carolina, ZRG GA 53 (1933), 1; Weber, H. v., Die peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V., ZRG GA 77 (1960), 288; Kusch, G., Der Indizienbeweis des Vorsatzes im gemeinen Strafverfahrensrecht, Diss. jur. Hamburg 1963; Schmidt, G., Sinn und Bedeutung der Constitutio Criminalis Carolina, ZRG GA 83 (1966), 239; Dreisbach, H., Der Einfluss der Carolina auf die Rechtsprechung norddeutscher Oberhöfe, Diss. jur. Marburg 1969; Kleinheyer, G., Zur Rolle des Geständnises im Strafverfahren, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1969, 367ff.; Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a. 1984

Constitutio (F.) Criminalis Theresiana (lat.) ist das unter Maria Theresia am 31. 12. 1768 (zum 1. 7. 1770) zwecks Vereinheitlichung für die österreichischen Erbländer (außer Ungarn) erlassene, 1082 Paragraphen umfas­sende (deutsch gefasste) Strafgesetz­buch (und Strafverfahrensgesetz­buch) (Allge­meine peinliche Gerichtsord­nung) mit etwas verbesserter Stellung des Beschuldigten, Inquisitionsverbot, freier richterlicher Be­weiswürdigung, festen Tatbestandsbeschrei­bungen (u. a. Zauberei, Hexerei), Möglichkeit der Analogie von Straftat­beständen und Folter (bis 1796), das aber bereits am 13. 1. 1787 durch ein Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und derselben Bestrafung ersetzt wird (für das Militärstrafrecht 1855). Die auch als (lat.-griech.) nemesis Theresiana (Rache Maria Theresias) bezeichnete C. C. T. beruht auf einer von der →Constitutio Criminalis Carolina von 1532 geprägten Halsgerichtsordnung Josephs I. von 1707.

Lit.:http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Constitutio%20Criminalis%20Theresiana1768_komplett.pdf; Kroe­schell, DRG 3; Köbler, DRG 142, 157; Baltl/Kocher; Maasburg, M. v., Zur Entstehungsgeschichte der theresianischen Halsgerichtsordnung, 1880; Kwiatkowski, E. v., Constitutio Criminalis Theresiana, 1903; Moos, R., Der Verbrechensbegriff in Österreich, 1968; Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht, 1973;; Grundlegende Strafrechtsquellen, hg. v. Reiter, I., 1996; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007

Constitutio (F.) de expeditione Romana (lat.), Gesetz über den Romzug, ist eine um 1158 als Gesetz König Karls des Großen von 790 ausgegebene, auf der Reichenau entstan­dene Fälschung (Privatarbeit). Sie beschreibt Rechte und Pflichten von Reichsfürsten auf dem Romzug des Königs. Sie begünstigt die Reichsfürsten gegenüber dem König.

Lit.: Constitutiones, Bd. 1, hg. v. Weiland, L., 1893, 661, Nr. 447 (MGH); Klapeer, G., Zur Überlieferung der Constitutio de expeditione Romana, MIÖG 35 (1914), 725ff.

Constitutio (F.) Joachimica (lat.), Joachimi­sches Gesetz, ist die verhältnismäßig kurze, auf Erbrecht beschränkte, römisches Recht zu Lasten sächsischen Rechtes übernehmende „Constitution, Wilkoer und Ordnung der Erbfelle und anderer Sachen“ des Markgrafen Joachim I. von Brandenburg (1499-1535) vom 9. 10. 1527 (Reformation des Landrechts, Erstdruck Frankfurt an der Oder 1528).

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Constitu­tio­Joachimica1527.htm; Heydemann, L., Die Elemente der Joachimischen Konstitution von 1527, 1841, Neudruck 1972; Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf von 1594, 1973

Constitution (N., zu lat. [F.] constitutio, Festsetzung, Gesetz) wird in England seit dem 17. Jh. zur Bezeichnung des Zustands eines Staates (bodie politique), im 18. Jh. zur Be­zeichnung der Bestimmungen, die diesen Zustand herstellen oder festlegen.

Constitution, Wilkoer und Ordnung der Erbfelle und anderer Sachen (1527) s. Constitutio Joachimica

constitutum (lat. [N.]) →Beschluss, Fest­setzung

constitutum (N.) debiti (lat.) Schuldzusage

constitutum (N.) possessorium (lat.) →Besitz­konstitut

Consuetudo (lat. [F.]) ist die Gewohnheit. In der römischen Spätantike wird sie zur Rechtsquelle erklärt. Die gute c. ist auch im späten ius commune Italiens eine beliebte und praktisch-relevante Rechtsquelle. →Gewohnheitsrecht

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 22; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 52; Köbler, LAW; Garré, R., Consuetudo, 2005

Consul (lat. [M.]) ist im altrömischen Recht der Republik der Höchstmagistrat. Zwei gleichzeitige Konsuln (consules, Kolle­gialität) erlangen die Führung des Gemeinwesens durch eine Wahl auf Vorschlag ihrer Vorgänger hin für jeweils ein Jahr (Annuität), wobei seit 367 v. Chr. (lex Licinia) auch Plebejer c. werden können. Einzelne Aufgaben (z. B. Gerichtsbarkeit) sind anderen Magistraten (z. B. Prätoren) zugeteilt. Mit dem Ende der Republik (27 v. Chr.) gehen die Aufgaben der Konsuln auf den Prinzeps bzw. Kaiser über, doch werden consules bis 534 im Westen und bis 541 im Osten fortgeführt. Seit dem ausgehenden 11. Jh. (1090) ist c. der städtische Ratsherr.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner §§ 6, 11, 14, 23; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 111; Köbler, LAW; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Keller, H., Mailand im 11. Jahrhundert, (in) Die Frühgeschichte der europäischen Stadt, hg. v. Jarnut, J., 1998, 81

Consultatio (F.) cuiusdam veteris iuris consulti (lat.) ist die am Ende des 5. Jh.s oder im 6. Jh. vermutlich in Gallien entstandene, durch einen Druck des 16. Jh.s überlieferte Sammlung von Rechtsgutachten mit Zitaten aus den Paulussentenzen, dem →Codex Gregorianus, dem →Codex Hermogenianus und dem →Codex Theodosianus.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 408

Contempt of court (engl., Missachtung des Gerichts) ist im angloamerikanischen Recht die gewohnheitsrechtlich als rechtswidrig (crime bzw. tort) anerkannte Störung der Gerichtstätigkeit.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002

Contius →Le Conte

Contractus (lat. [M.], Zusammengezogenes) ist im klassischen römischen Recht der Vertrag, aus dem eine Obligation (Schuld) entsteht. Er kann Realkontrakt, Verbalkon­trakt, Litteralkontrakt oder Konsensualkon­trakt sein. Dagegen ist das für sich allein unverbindliche (lat. [N.]) pactum kein c. Seit dem Hochmittelalter wird in der Kirche auch das bloße (lat. [N.]) pactum klagbar (pacta sunt servanda), so dass sich ein allgemeiner Begriff des (Kontrakts oder) Vertrags entwickelt.

Lit.: Kaser §§ 5, 38; Kroeschell, DRG 1; Wunner, S., Contractus, 1964; Wieacker, F., Contractus und obligatio im Naturrecht zwischen Spätscholastik und Aufklärung, (in) Scholastica 1973, 223; Feenstra, R./Ahsmann, M., Contract, 1980; Pacte, convention, contrat, hg. v. Dufour, A., 1998

Contractus mohatrae (lat. [M.] Wagnisvertrag, zu arab.muchâtarah, Gefahr, Wagnis) ist der Vertrag, bei dem eine (meist unvertretbare) Sache zum Verkauf übergeben wird und der Empfänger bei Verkauf den erhaltenen Preis als Darlehen haben soll. Der c. m. dient im Mittelalter der Umgehung des kanonischen Zinsverbots.

contrarius consensus (lat. [M.]) Aufhebungs­vertrag

Lit.: Knütel, R., Contrarius consensus, 1968

contrat (M.) social (franz.) Gesellschaftsver­trag

Contumacia (lat. [F.]) ist im klassisch­römischen Kognitionsverfahren die Prozess­weigerung (Ladungsungehorsam), die in einem Versäumnis­verfahren dazu führen kann, dass der Geladene gemäß dem Klagebegehren verur­teilt wird.

Lit.: Kaser § 87; Kroeschell, DRG 1, 2

Conubium (lat. [N.]) ist im altrömischen Recht die (allen Römern untereinander zuste­hende,) dem Fremden (Nichtrömer) durch Verleihung zu eröffnende Teilrechtsfähigkeit im Eherecht.

Lit.: Kaser §§ 3, 58, 60

conventio (lat. [F.]) Zusammenkunft, Verein­barung, Willensübereinstimmung, Einigung über den Zweck einer Sachhingabe, stillschweigend (tacitus) möglich

copula (lat. [F.]) Verbindung, Band, Ver­einigung (z. B. copula carnalis, fleischliche bzw. körperliche Vereinigung der Ehegatten)

copy right →Urheberrecht

Coquille (Conchyleus), Guy (Decize 1523-1603), Sohn eines adligen Salzrichters, wird nach dem Rechtsstudium in Padua (1539) und Orléans (Du Moulin) Anwalt. In posthum veröffentlichten Schriften stellt er das Ge­wohn­heitsrecht (franz. droit coutumier) nach dem Vorbild der Institutionen Justinians dar (Institutions au droit des François, 1607).

Lit.: Maumigny, J., Étude sur Guy Coquille, 1910, Neudruck 1971

Cork im Südosten Irlands wird im 9. Jahrhundert von Normannen bei einem Kloster des 6. Jahrhunderts gegründet. 1172 wird es unter der Herrschaft Englands Stadt. 1845 erhält es eine Universität.

Cornberg

Lit.: Urkunden und Regesten des Klosters Cornberg, hg. v. Burkardt, J., 2010

corpore (lat.) durch tatsächliche Sachherrschaft, →Besitz, →corpus, →possessio

corpus (lat. [N.]) Körper

Corpus (N.) catholicorum (lat.) ist in der frühen Neuzeit die Gesamtheit der katho­li­schen →Reichsstände. →corpus evangelico­rum

Corpus (N.) delicti (lat.) ist der Gegenstand der Straftat, mit dem sich die gemeine Prozessrechtswissenschaft allgemein befasst.

Lit.: Hall, A., Die Lehre vom corpus delicti, 1933

Corpus (N.) evangelicorum (lat.) ist in der frühen Neuzeit die Gesamtheit der evangelischen →Reichsstände. →corpus ca­tholicorum

Lit.: Schauroth, E., Vollständige Sammlung aller conclusorum des corpus evangelicorum, Bd. 1ff. 1751ff.; Belstler, U., Die Stellung des corpus evangelicorum, Diss. jur. Tübingen 1968

Corpus (N.) iuris (lat.) Körper des Rechtes, Gesamtheit der Rechtsordnung, s. Codex Justinians 5. 13. 1)

Corpus (N.) iuris canonici (lat.) ist die um 1500 von dem Pariser Kirchenrechtler Jean Chappuis erstmals benützte und von Papst Gregor XIII. (1572-1585) am 1. 7. 1580 (Cum pro munere pastorali) amtlich verwendete Bezeichnung für die anerkannten, 1582 ge­meinsam herausgegebenen 4 (bzw. 6) Rechts­quellen der (katholischen) Kirche. Das c. i. c. besteht aus dem Decretum Gratiani (Dekret Gratians, Condordantia discordantium cano­num, um 1140), den auf Antrag Papst Gregors IX. von seinem Kaplan Raymundus de Penyafort von 1230 bis 1234 in 5 Büchern gesammelten, alle nicht aufgenommenen Stücke ausschließenden päpstlichen →Dekretalen (→Liber [decretalium] extra [decretum]), den auf Veranlassung Papst Bonifaz’ VIII. 1298 zusammengestellten Dekretalen (→Liber sextus [in Bezug auf die fünf Bücher des Liber extra]) und den →Clementinen (Texte Papst Clemens V., vorgelegt 1317) (sowie privat gesammelten Extravaganten Papst Johannes XXII. und Extravagantes com­munes). Es gilt - in der 1582 veröffentlichten Gestalt der sog. (lat.) editio (F.) Romana (römischen Ausgabe) - bis zum Inkrafttreten des →Codex iuris canonici am 19. 5. 1918.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Corpus iuris canonici, ed. Friedberg, E., Bd. 1f. 1879ff., Neudruck 1955, 1959, 2. A. 1995; Stickler, A., Historia iuris canonici latini, 1950; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Gagnèr, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973; Gaudement, J., Les sources du droit canonique, 1993; Bellomo, M., The Common Legal Past of Europe, 1995; Brundage, J., Medieval canon law, 1995; Dickehof-Borello, E., Ein Liber septimus für das corpus iuris canonici, 2002; Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2006

Corpus (N.) iuris civilis (lat.) ist die Gesamtheit der von dem oströmischen Kaiser Justinian (527-565) zwischen 527 und 534 in Kraft gesetzten Rechtsquellen einschließlich seiner nachfolgenden Novellen. Er besteht aus dem →Codex (repetitae praelectionis) von 534, den →Digesten oder →Pandekten (533) und den →Institutionen von 533 sowie den privat gesammelten →Novellen. In Byzanz wird um 900 n. Chr. die Hauptmasse dieser Texte in die griechische Sprache übersetzt (Basilika, Basiliken), wobei seit dem 11. Jh. Handschriften hergestellt werden, die am Rand Ausschnitte aus Lehrbüchern und Vorlesungsschriften enthalten (Scholien). Die Bezeichnung c. entspricht dem Namen (lat.) →corpus (N.) iuris canonici für die kirchlichen Rechtsquellen. Sie wird seit der Gesamtausgabe der justinianischen Gesetz­gebungswerke durch Dionysius Gothofredus (1583) üblich. Auf dem c. i. c. beruhen der Universitätsunterricht im römischen Recht und die Rezeption des römischen Rechtes, wobei sich ein (lat. [M.] ) usus modernus (moderner Gebrauch) pandectarum (der Pandekten) durchsetzt. Mit den Kodifikati­onen Allgemeines Landrecht (Preußen 1794), Code civil (Frankreich 1804) und Allgemei­nes Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich 1811/1812) wird das c. i. c. grundsätzlich abgelöst.

Lit.: Kaser § 1; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 137, 142; Corpus iuris civilis, hg. v. Krüger, P. u. a., Bd. 1ff. z. T. 22. A. 1973; Corpus iuris civilis Iustinianei, hg. v. Fehus, J., Bd. 1ff. 1672ff., Neudruck 1966 (mit Glosse); Spangenberg, E., Einleitung in das römisch-justinianische Rechtsbuch, 1817, Neudruck 1970 (mit Bibliographie der älteren Ausgaben); Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, Bd. 3 2. A. 1834; Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechtes, 1953, 562; Ochoa, X./Diez, A., Indices titulorum et legum corporis iuris civilis, 1965; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Thilo, R., Drucke des Corpus iuris civilis im deutschen Sprachraum, Gutenberg-Jahrbuch 59 (1984), 52

Corpus (N.) iuris feudalis (lat.) ist die Bezeichnung für private Sammlungen des Lehnsrechts im 18. Jh.

Lit.: Lünig, J., Corpus iuris feudalis Germanici, Bd. 1ff. 3. A. 1727

Corpus (N.) juris Fridericiani ist der gescheiterte Versuch einer materiellrecht­lichen Gesetzgebung Preußens (Kabinettsor­dre vom 31. Dezember 1746 für ein Teutsches Allgemeines Landrecht) unter Samuel von Cocceji. Der König will ein Werk, das sich „bloß auf die Vernunft und Landesver­fassungen gründet, damit einmal ein gewisses Recht im Lande etabliret und die unzähligen Edikte aufgehoben werden mögen“. 1749 erscheint ein Entwurf des Personenrechts, 1751 ein Entwurf des Sachenrechts. Das Manuskript des dritten Teils (Obligationen­recht) geht (1753) im Postversand verloren. Der Tod Samuel von →Coccejis (1755) und die Wirren des sieben­jährigen Krieges beenden die Arbeiten. Das zweite und dritte Buch des ersten Teiles über das Eherecht und das Vormundschaftsrecht erlangen in einigen Landesteilen Gesetzes­kraft, obwohl sie sehr dem römischen Recht verhaftet sind.

Lit.: Wenzel, A., Das Gewährleistungsrecht in der Spruchpraxis des preußischen Kammergerichts von 17841810,2006;http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ProjectdesCorporisJurisFridericiani1-1749.pdf

Corpus (N.) iuris Fridericianum (lat.), Erstes Buch, ist das nach dem Müller-Arnold-Prozess (1779) und einer Kabinettsordre vom 14. 4. 1780 am 26. April 1781 in Preußen in Kraft gesetzte Prozess­rechts­gesetzbuch Friedrichs des Großen bzw. seines Groß­kanzlers Johann Casimir von →Carmer, das den Unter­suchungs­grundsatz in den Zivilprozess ein­führt, die Advokaten durch Assistenzräte ersetzt und die Beendigung aller Prozesse innerhalb eines Jahres anstrebt.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Corpus­IurisFridericianum1781.pdf, Kroeschell, DRG 3; Ebel, F., 200 Jahre preußischer Zivilprozess, 1982

Corpus (N.) iuris militaris (lat.) ist die Bezeichnung für private Sammlungen militärrechtlicher Vorschriften zwischen 1632 und 1723.

Lit.: Dangelmaier, E., Geschichte des Militärstrafrechts, 1891; Handbuch zur deutschen Militärgeschichte, hg. v. militärgeschichtlichen For­schungsamt, Bd. 1 1979

Corpus (N.) iuris publici (lat.) ist die Bezeichnung für private Sammlungen des öffentlichen Rechtes des Heiligen römischen Reiches im 18. Jh.

Lit.: Schmauss, J., Corpus iuris publici Sancti Romani imperii academicum, 1722

Corpus (N.) iuris Saxonici (lat.) ist die Bezeichnung für eine private Sammlung des sächsischen Rechtes.

Lit.: Lünig, J., Codex Augusteus oder neuvermehrtes corpus iuris Saxonici, Bd. 1f. 1724

corpus (lat. [N.]) possidendi Herrschafts­gewalt über eine Sache durch Übergabe einer beweglichen Sache oder Betreten einer unbe­weglichen Sache oder bei originärem Erwerb durch deutliche Kundgabe

Corrigere (lat.) ist ein Ausdruck, der unter Kaiser Trajan (98-117) in das römische Strafverfahren eindringt. Danach geht es dort darum, Unrecht wieder recht zu machen. Diese Vorstellung steckt auch hinter dem germanistischen „richten“.

Lit.: Köbler, DRG 34, 46; Köbler, G., Richten, Richter und Gericht, ZRG GA 87 (1970), 59

Cortes ist die den König beratende Ver­sammlung der Geistlichen, Adligen und Städtevertreter in Kastilien, León, Portugal, Aragón und Navarra seit der 2. Hälfte des 12. Jh.s.

Lit.: Gonzáles Antón, L., Las Cortes de Aragón, 1978; Procter, E., Curia and cortes, 1980

Corvey

Lit.: Krüger, H., Höxter und Corvey, 1931; Prinz, J., Die Corveyer Annalen, 1982; Hoffmann, H., Bücher und Urkunden aus Helmarshausen und Corvey, 1992

Court of Chancery ist das Gericht des Kanzlers (chancellor) des →englischen Rechtes. Es geht darauf zurück, dass der zunächst geistliche Kanzler schon im 13. Jh. Bitten hilfesuchender Engländer an den König hinsichtlich der Möglichkeit der Bildung neuer Klageformeln begutachtet und im 15. Jh. in Einzelfällen Rechtsschutz gewährt, wenn das →common law zu unan­gemessenen Ergeb­nissen führt. Die seit 1529 tätigen weltlichen Kanzler führen das fort und begründen bald ein System anerkannter Sätze des positiven Rechtes, das an der Billigkeit (→equity) ausgerichtet ist.

Lit.: Jones, W., The Elizabethan Court of Chancery, 1967; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002

Court of Common Pleas ist das seit 1234 sicher belegte, für Zivilsachen zuständige königliche Gericht des →englischen Rechtes in Westminster mit einem Oberrichter und 3 nachgeordneten Richtern.

Lit.: Hastings, M., The Court of Common Pleas, 1947

Court of Exchequer ist das für Verwaltungsangelegenheiten und Finanzsachen zuständige königliche Gericht des →englischen Rechtes in Westminster.

Court of King‚s Bench ist das für Strafsachen und Appellationen zuständige königliche Gericht des →englischen Rechtes in Westminster.

Coutume (franz. [F.] Gewohnheit) ist die rechtlich bedeutsame Gewohnheit (lat. [F.] consuetudo), die auch in einer Abgabe oder Leistung bestehen kann. Die c. als eine Mehrheit von rechtlich bedeutsamen Gewohnheiten erlangt in Frankreich seit dem 10./11. Jh. Gewicht und wird im Norden seit Beginn des 13. Jh.s mit örtlichen Bezügen auf Grund der Aussagen von Sachkennern in Rechtsbüchern (nichtamtliche coutume, amtliche coutumiers) schriftlich aufgezeich­net, wobei sich eine Trennung in das nördliche Gebiet des droit (M.) coutumier (Nordfrankreich, Belgien, Niederlande, Genf, Waadt, Neuenburg, Fürstbistum Basel) und das südliche Gebiet des (römischen) droit (M.) écrit (Südfrankreich) bildet und wobei Entscheidungen, Gesetze (Ordonnanzen) und teilweise auch römisches Recht und kirchliches Recht in die coutumiers einbezogen werden ([ursprünglich lateinisch] Très ancien coutume [bzw. coutumier] de Normandie [lat. Statuta et consuetudines Normanniae] 1199/1200 bzw. 1220 bzw. 1200/1204 [nach 1220 in das Französische übersetzt], Grand coutumier de Normandie 1254-1258 [Summa de legibus Normanniae in curia laicali], Conseil à un ami [im Vermandois] des Pierre de Fontaine für Philipp III. 1253 bzw. 1254-1258, Livre de justice et de plet [um] 1260 [Gegend von Orléans], Facet von Saint Armand-en-Prévèlet/Belgien 1265, Etablisse­ments de Saint Louis um 1270 [Tourraine-Anjou, Orléanais], Coutumes de Beauvaisis [nördlich von Paris] 1283 des Philippe de Beaumanoir [Philippe de Remi Beaumanoir], Ancien coutumier de Champagne des Guillaume du Châtelet 1295-1300 [auf der Grundlage von Usages de Champagne von etwa 1253], Recht von Uccle/Brüssel/Belgien 1300, Très ancienne coutume de Bretagne 1312/1316-1325, Stilus curie Parlamenti des Guillaume du Breuil um 1330, Grand coutumier [de France bzw. Ile de France] des Jacques d’Ableiges um 1388, Somme rural des Jehan Boutillier vor 1395, Vieux coutumier de Poitou/Poictou 1417, insgesamt schätzungs­weise 360 verschiedene coutumes). 1454 befiehlt König Karl VII. wegen zahlreicher Streitigkeiten hinsichtlich des Bestehens behaupteter Rechtssätze in der Ordonnance von Montil-les-Tours die amtliche Aufzeichnung aller coutumes jeder bailliage mit anschließender Inkraftsetzung, was bis 1545 zu 20 redigierten coutumes und bis 1750 zu 681 coutumes, von denen 88 vom König gebilligt sind, führt. Auf der Grundlage der Coutume de Paris (1510 bzw. 1580) entwickelt sich (hieraus) mit Hilfe der vom König dem Parlement de Paris übertragenen Prüfungszuständigkeit ein gemeines Gewohn­heitsrecht (franz. droit commun coutumier).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Nouveau coutumier général, hg. v. Bourdot de Richebourg, C., Bd. 1ff. 1724ff.; Brunner, H., Die coutumiers der Hamiltonsammlung, ZRG GA 4 (1883), 232; Favey, J., Le coutumier de Moudon de 1577, 1924; Declareuil, J., Histoire générale du droit français, 1925, 851; Filhol, R., Le premier président Christoffe de Thou et la réformation des coutumes, 1937; Olivier-Martin, F., Le roi de France et les mauvaises coutumes au moyen âge, ZRG GA 58 (1938), 108; La rédaction des coutumes, 1962; Poudret, J., Enquêtes sur la coutume du pays de Vaud, 1967; La coutume de Vaudémont, hg. v. Centre Lorrain, 1970; Le style de Vaudémont, hg. v. Centre Lorrain, 1972; Gräfe, R., Das Eherecht in den coutumiers des 13. Jahrhunderts, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 1,633,2,2,200; Gouron, A./Terrin, O., Bibliographie des coutumes de France, 1975; Les coutumes de l’Agenais, hg. v. Ourliac, P./Gilles, M., 1976; La coutume, hg. v. Gilissen, J., 1982; Walkens, L., La théorie de la coutume chez Jacques de Révigny, 1984; Olivier-Martin, F., Histoire du droit français, 1992; Gouron, A., Droit et coutume en France aux XIIe et Xiiie siècles, 1993; Poudret, J., Coutumes et coutumiers, 1998

Coutumes de Beauvaisis sind das bedeutendste Rechtsbuch des mittelalterlichen Frankreich. Die C. d. B. stammen von Philippe de →Beaumanoir. Er bemüht sich um eine Darstellung des Gewohnheitsrechts in Beauvaisis, verwendet dazu aber auch Sätze der Coutumes von Champagne, Vermandois, Artois, Normandie und Paris, die Rechtsprechung des Parlaments de Paris, königliche Verordnungen, römisches Recht und kirchliches Recht. Die systematisierende, vor eigenen Lösungen nicht zurück­schreckende Privatarbeit, die der Rechts­wirklich­keit nicht vollständig entspricht, bleibt trotz hohen gedanklichen Wertes von geringem Einfluss auf die Rechtspraxis.

Lit.: Coutumes de Beauvaisis, hg. v. Salmon, A., Bd. 1f. 1899f., Neudruck 1970, Bd. 3; Commentaire historique, hg. v. Hubrecht, G., 1974; Actes du colloque international Philippe de Beaumanoir et les coutumes de Beauvaisis 1283-1293, hg. v. Bonnet-Laborderie, P., 1983

Coutumier (franz. [M.]) ist die private Aufzeichnung der →coutume im mittelalterlichen Frankreich.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Le vieux coustumier de Poictou, hg. v. Filhol, R., 1956; Petitjean, M. u. a., Le coutumier bourguignon glosé, 1982; Poudret, J., Coutumes et coutumiers, 1998

Covarubias y Leyva, Diego de (1512-1577) wird nach dem Rechtsstudium 1533 Professor für kirchliches Recht in Salamanca, 1565 Bischof von Segovia und 1574 Präsident des Staatsrates. Auf ihn geht die strafrechtliche Vorstellung des bedingten Vorsatzes (lat. dolus [M.] indirectus) zurück.

Lit.: Merzbacher, F., Azpilcueta und Covarruvias, (in) Merzbacher, F., Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 275; Peressa, V., Diego de Covarubias, 1957

Cowell, John (1554-1611), nach dem Studium des römischen Rechtes in Cambridge 1594 Professor in Cambridge, versucht 1605 eine erfolglose Darstellung des englischen Rechtes nach dem Aufbau der Institutionen Justinians ([lat.] Institutiones [F.Pl.] iuris Anglicani, Einrichtungen des englischen Rechtes) und muss wegen seiner in seinem erfolgreichen Wörterbuch The Interpreter (1607) vertretenen absolutismusfreundlichen und parlamentsfeind­lichen Haltung 1611 seine Professur aufgeben.

Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 1ff. 1903ff., Bd. 5, 20

creditor (lat. [M.]) →Gläubiger

Crimen (lat. [N.]) ist im römischen Recht das Verbrechen im Gegensatz zu (lat.) delictum (N.). Für die crimina (N.Pl.) entwickelt sich das besondere Strafrecht und Strafprozess­recht. Schon früh wird dabei das c. (publicum) mit der von der Allgemeinheit (mit dem Beil) vollstreckten Todesstrafe geahndet. Zu den lange noch durch den Verletzten mittels Strafe zu vergeltenden crimina zählen Mord (lat. [N.] parricidium), Brandstiftung, handhafter Dieb­stahl, nächtliches Abweiden eines fremden Feldes und falsches Zeugnis.

Lit.: Kaser §§ 32, 41, 50; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 12; Köbler, DRG 65; Köbler, LAW

Crimen (N.) laesae maiestatis (lat.) ist im älteren römischen Recht die Verletzung des Ansehens zunächst der plebejischen Magistrate. Seit Augustus geht die (lat. [F.]) maiestas vom römischen Volk und seinen Magistraten auf den Prinzeps und damit später den Kaiser über. Seit den Kaisern Arcadius und Honorius kann zum Schutz des Kaisers und seiner Günstlinge jeder politische Vorwurf mit der Todesstrafe und der Vermögensentziehung verfolgt werden. Diese Vorstellung übernimmt das Frühmittel­alter allmählich mit gewissen Abwandlungen. Im weiteren Verlauf findet das c. l. m. Eingang in den →Mainzer Reichslandfrieden von 1235, die →Goldene Bulle (1356), die →Constitutio Criminalis Bambergensis (1507) und die →Constitutio Criminalis Carolina (1532). Erst Carpzov (1635) schränkt differenzierend ein. Danach wird Inhalt des c. l. m. die Beleidigung des Monarchen als Regenten, die 1918 ihren Bezugspunkt verliert.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 20; His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967 113; Kellner, O., Das Majestätsverbrechen, Diss. phil. Halle 1911; Tietz, K., Perduellio und maiestas, Diss. jur. Halle 1935; Hageneder, O., Das crimen maiestatis, FS F. Kempf, 1983

Crimen (N.) magiae (lat.) ist in der frühen Neuzeit das Verbrechen der Zauberei. →Hexerei

Lit.: Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902

Criminal Code (1879) ist der an dem 1860 verfassten indischen Strafgesetzbuch (Indian Penal Code) ausgerichtete Entwurf eines englischen Strafgesetzbuchs, der vom Parlament nicht angenommen wird.

Criminal Law Consolidation Acts (1861) ist die das Strafrecht betreffende Zusammen­fassung verstreuter gesetzlicher Vorschriften im →englischen Recht.

Cui bono? (lat.) Wem zum Guten? Wem nützte die Tat? ist ein von Cicero (106-43 v. Chr.) geprägtes lateinisches Rechtssprichwort.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Cuius regio eius religio (lat., wessen Gebiet, dessen Religion) ist die von dem Greifswalder protestantischen Kirchenrechtler J. Stephani (1544-1623) (in seinen [lat.] Institutiones [F.Pl.] iuris canonici von 1599 mit dem Satz [lat.] ut cuius sit regio, hoc est ducatus, principatus seu ius territorii, eius etiam sit religio, hoc est ius episcopale seu iurisdictio spiritualis) geschaffene Formulierung für die der Sache nach bereits im →Augsburger Religionsfrieden von 1555 angewandte geistliche Gerichtsbarkeit des reichsun­mittelbaren Landesherrn im Heiligen römischen Reich  ([lat.] ubi unus dominus, ibi una religio, wo ein Herr, da eine Religion). Der ihr zugrunde liegende Gedanke wird danach von den protestantischen Reichsständen bean­sprucht, in der Gegenreformation auch von den katholischen Reichsständen. Insgesamt fördert und ermöglicht der dann auf das Normaljahr 1624 abstellende Satz zu Lasten der Untertanen die Wahrung der Reichseinheit und der monarchisch-aristokratischen Verfassung sowie die Ausbildung des Territorialstaatskirchenrechts und damit des →Absolutismus und der →Souveränität.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Heckel, M., Staat und Kirche nach den Lehren der evangelischen Juristen Deutschlands, ZRG KA 42 (1956), 117, 43 (1957), 202; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005; Schneider, B., Der Westfälische Friede in der Deutung der Aufklärung, 1989; Schneider, B., Ius reformandi, 2001

Cujas, Jacques (Toulouse 1522?-Bourges 4. 10. 1590) wird nach dem Rechtsstudium in Toulouse zunächst dort Rechtslehrer (1547-1554), danach in Cahors, Bourges (1555-1557, 1559-1566, 1575-1590), Valence (1567-1575) und Turin (1566-1567). Er vertieft die Verwendung humanistischer Methoden im Recht in seinen Textausgaben (J. Pauli receptae sententiae, 1559, Institutiones Justiniani, 1585) und seinen zahlreichen exegetischen Einzelarbeiten. In seinen (lat.) Paratitla (N.Pl.) in libros digestorum (1570, kurze Erklärungen zu den Büchern der Digesten) stellt er eine gegliederte Ordnung von Klagen und Rechtsbehelfen dar.

Lit.: Spangenberg, E., Jacob Cujas und seine Zeitgenossen, 1822, Neudruck 1967; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Troje, H., Graeca leguntur, 1971, 108

Culpa (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die Schuld oder Nachlässigkeit, die vorsätzliches wie fahrlässiges Handeln erfasst. C. ist ausgeschlossen bei Geisteskran­ken (furiosi) oder Kindern (infantes). Bei c. des Geschädigten wird die c. des Schädigers aufgehoben (Kulpakompensation).

Lit.: Kaser § 36; Söllner §§ 8, 15; Köbler, DRG 44, 49, 61, 216; Köbler, LAW

culpa (lat. [F.]) in concreto, Verletzung der Sorgfalt, die in eigenen Angelegenheiten beachtet würde, durch den Schuldner

Culpa (F.) in contrahendo (lat., Wort 1857 bei Brinz) ist das von Rudolf von Ihering (Jhering, 1818-1892) 1861 als Haf­tungsgrund herausgearbeitete, vom Bürger­lichen Gesetz­buch des Deutschen Reiches (1900) nicht besonders berücksichtigte Verschulden bei Vertragsschluss (2002 § 311 II BGB).

Lit.: Ihering, R., Culpa in contrahendo, Jb. f. d. Dog­ma­tik 4 (1861) 1; Medicus, D., Zur Entdeckungs­ge­schichte der culpa in contrahendo, FS M. Kaser 1986, 189; Choe, B., Culpa in contrahendo bei Rudolf von Ihering, 1988; Giaro, T., Culpa in contrahendo, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 113; Keller, M., Schuldverhältnis und Rechtskreisöffnung, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Benedikt, J., Culpa in Contrahendo, Bd. 1 2012

culpa (F.) in eligendo (lat.) Auswahlverschulden

culpa (F.) lata (lat.) grobe →Fahrlässigkeit

culpa (F.) levis (lat.) leichte →Fahrlässigkeit

culpa (F.) levissima (lat.) leichteste →Fahrlässigkeit

Lit.: Hoffmann, H., Die Abstufung der Fahrlässigkeit in der Rechtsgeschichte, 1968

Cura (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die bei Geisteskranken ([lat., M.Pl.] furiosi), Verschwendern ([lat., M.Pl.] prodigi), Tauben, Stummen, Alters­schwa­chen, (Leibesfrüchten bzw. nascituri) sowie gegebenenfalls Unmündigen und Frauen, auf Antrag auch bei Mündigen unter 25 Jahren ([lat., M.Pl.] minores XXV annis), mög­liche →Pflegschaft, bei welcher der Pflegling für eigene Handlungen der Zustimmung des Pflegers (lat. [M.] curator) bedarf.

Lit.: Kaser §§ 4, 11, 44, 58, 62, 64, 82; Söllner § 8; Köbler, DRG 36, 57

curator (lat. [M.]) Pfleger →cura

curia (lat. [F.]) Hof, Herrscherhof, Hofrat

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen Könige, 1965; Lalinde Abadía, J., El curia o cort, Anuario de estudios medievales 4 (1967), 169; Bournazel, E., Le gouvernement capétien, 1975; Loyn, H., The Governance of Anglo-Saxon-England, 1984; Hillen, C., Curia regis, 1999

curtis (lat. [F.]) Hof, Herrenhof

Lit.: Althessen im Frankenreich, hg. v. Schlesinger, W., Nd. 2 1975; Villa, curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983

curtis (F.) dominica (mlat.) Herrenhof

curtis (F.) indominicata (mlat.) Herrenhof

curtis (F.) salica (mlat.) Herrenhof

cursus (M.) honorum (lat.) Ämterlaufbahn der römischen Republik (Quästor, Ädil, Prätor, Konsul

Cusanus →Nikolaus von Kues

Custodia (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die Aufsicht. Wer eine Sache eines Gläubigers in Händen hat (z. B. Verwahrer, Entleiher, Mieter, Werkunter­nehmer, Pfandgläubiger, möglicherweise Verkäufer), haftet danach für das Abhandenkommen der Sache (z. B. durch Diebstahl) und solche Schäden, die gerade bei unzureichender Aufsicht üblicherweise entstehen können. Nur in bestimmten Sonderfällen (höhere Gewalt) wird er von der Haftung frei.

Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 45, 63; Köbler, LAW

Cyprianus ist ein in Florenz geborener, am Ende des 12. Jh.s verstorbener Glossator mit Glossen zu allen Teilen der justinianischen Kompilation.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 236

Czernowitz am Pruth wird 1408 als Zollstätte des Fürstentums Moldau erstmals erwähnt. Über die Osmanen gelangt es 1774/1775 an Österreich (Galizien, Bukowina), wo es 1875 eine Universität erhält (u. a. Eugen Ehrlich). 1918 fällt es an Rumänien, 1940 an die Sowjetunion bzw. danach an die Ukraine.

Lit.: Jüdisches Städtebild Czernowitz, hg. v. Corbea-Hoisie, A., 1998; Czernowitz, hg. v. Heppner, H., 2000; Yavetz, Z., Erinnerungen an Czernowitz, 2007

 

D

Da mihi factum, dabo tibi ius (lat.). Gib mir den Tatbestand, ich werde dir das Recht geben.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Alexander III. 1100-1181, Dekretalen 2, 1, 6)

Dabelow, Christoph Christian Frhr. v. (Neubuckow bei Wismar 19. 7. 1768–Dorpat 27. 4. 1830), Justizratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Rostock und Jena 1787 Advokat, 1791 außerordentlicher Professor, 1792 ordentlicher Professor in Halle (bis 1806 bzw. 1809), 1811 Staatsrat in Anhalt-Köthen (bis 1813) und 1819 Hofrat und Professor in Dorpat.

Lit.: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 4 685

Dacheriana ist die nach ihrem ersten Herausgeber (d’Achery † 1685) benannte, um 800 in Lyon entstandene systematische Kirchenrechtssammlung mit etwa 400 canones.

Lit.: Mordek, H., Kirchenrecht und Reform, 1975, 259

Dahn, Felix (Hamburg 9. 2. 1834-Breslau 3. 1.1912), Sohn eines deutsch-franzö­sischen Schauspielerehepaars, wird nach dem Studium der Philosophie und des Rechtes in München und Berlin 1857 mit Studien zur Geschichte der germanischen Gottesurteile in München habilitiert. 1863 wird er Professor in Würzburg, 1872 in Königsberg und 1888 in Breslau. Sein größter literarischer Erfolg ist der in 30 Auflagen (1900) veröffentliche Roman Ein Kampf um Rom (1876ff.), während das zwölfbändige Hauptwerk Die Könige der Germanen (1861ff.) weniger Anerkennung findet.

Lit.: Meyer, H., Friedrich Dahn, 1913; Wohlhaupter, E., Dichterjuristen, Bd. 3 1957, 285

Dalberg, Karl Theodor Reichsfreiherr von (Herrnsheim bei Worms 10. 2. 1744-Regensburg 8. 2. 1817) wird nach dem Stu­dium des Rechtes in Heidelberg 1768 Priester, 1772 Statthalter des Erzbischofs von Mainz in Erfurt, 1780 Rektor der Universität Würzburg, 1787 Koadjutor in Mainz, 1788 Koadjutor in Konstanz, 1800 Bischof von Konstanz, 1802 Erzbischof von Mainz und 1806 Fürstprimas von Deutschland (im Rheinbund). Im Reichsdeputationshaupt­schluss erhält er 1803 Regensburg, Aschaf­fenburg und Wetzlar, 1806 Frankfurt am Main und 1810 Fulda und Hanau. 1803 muss er abdanken, bleibt aber Erzbischof von Regensburg.

Lit.: Färber, K., Kaiser und Erzkanzler, 1988; Carl von Dalberg, hg. v. Färber, K. u. a., 1994; Carl von Dal­berg, hg. v. Hausberger, K., 1995; Hein, N., Der Staat Karl Theodor von Dalbergs, Diss. phil. Frankfurt am Main 1996; Hömig, H., Karl-Theodor von Dalberg, 2011

Dalloz, Désiré (1795-1869) wird nach dem Rechtsstudium Anwalt und 1814 Mitarbeiter am (franz.) Journal des audiences de la cour de cassation et des cours d’‘appel (1824 Jurisprudence générale du royaume). Danach veröffentlicht er bis 1832 in einem Répertoire de jurisprudence générale (allgemeinen rechtswissenschaftlichen Repertorium) nach Materien geordnet in alphabetischer Reihen­folge wichtige Entscheidungen mit Anmerkungen. Dieses Werk legt er von 1845 bis 1870 in verbesserter und erweiterter Fassung neu auf. Sein Name lebt in dem Verlagshaus fort, das als den „Dalloz“ eine fortlaufende Sammlung von Entscheidungen, Gesetzen und wissenschaftlichen Stellung­nahmen vertreibt.

Lit.: Papillard, F., Désiré Dalloz (1795-1869), 1964

Dalmatien ist das zunächst von Dalmatern besiedelte Ostufer der Adria mit den davorliegenden Inseln, das 9. n. Chr. zur römischen Provinz Dalmatia wird. Seit dem Ende des 6. Jh.s dringen Slawen und Awaren ein, seit dem 11. Jh. bemüht sich Venedig um die 1420 erreichte Herrschaft. Im 16. Jh. fällt ein Teil Dalmatiens an die Türken. Über Venedig (Auflösung der Republik 1797) bzw. (nach Auflösung der illyrischen Provinzen Napoleons) über den Wiener Kongress (1815) erlangt →Österreich das 1816 zum Königreich erhobene D. 1920 wird es →Jugoslawien zugeteilt, aus dem es 1991 vor allem an →Kroatien fällt.

Lit.: Mayer, E., Die dalmatisch-istrische Munizipalverfassung im Mittelalter und ihre römischen Grundlagen, ZRG GA 24 (1903), 211; Stanic, M., Dalmatien, 1984; Steindorf, L., Die dalmatischen Städte, 1984; Clewing, C., Staatlichkeit und nationale Identitätsbildung, 2000; Cetnarowicz, A., Die Nationalbewegung in Dalmatien im 19. Jahrhundert, 2008

Damasus ist ein um 1210 bis 1220 in Bologna wirkender Lehrer des kirchlichen Rechtes.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 300

Damme →Vonnisse von Damme

Damnationslegat ist das bereits dem jüngeren altrömischen Recht bekannte Vermächtnis, bei dem vielleicht der treu­händerische Vermö­genskäufer (lat. familiae emptor [M.]) dem oder den Bedachten für eine bestimmte Geldsumme, später auch für andere Leistungen haften soll.

Lit.: Kaser §§ 32, 33, 76; Köbler, DRG 23

Damnum (lat. [N.]) (iniuria datum) ist im klassischen römischen Recht der rechtswidrig zugefügte Schaden, zu dessen Ausgleich bereits 286 v. Chr. die (lat.) lex (F.) Aquilia de damno (aquilisches Gesetz über den Schaden) ergeht.

Lit.: Kaser § 51; Köbler, DRG 65

Danelaw ist eine Bezeichnung für das vom späten 9. Jh. bis 1066 vom Recht der Dänen beherrschte Gebiet →Englands (z. B. Northumbria, Ostanglien).

Lit.: Loyn, H., The Vikings in Britain, 1977

Däne →Dänemark

Dänemark ist der im Norden an Deutschland grenzende skandinavische Staat. Die Festi­gung einer eigenständigen Herrschaft über die Dänen (6. Jh.) durch einen König gelingt in der ersten Hälfte des 10. Jh.s unter Gorm dem Alten (ab etwa 940 ununterbrochene Königsreihe). Wenig später setzt sich das Christentum in D. durch. Zeitweise herrschen die Könige Dänemarks über große Teile Englands (Knut der Große 1018-1035), der Ostsee (Waldemar der Große 1157-1182) und →Norwegen, →Schweden sowie →Finnland (Margarete I. 1387/1389-1412). Um 1200 wird erstmals das Recht (für Schonen [kurz nach 1200, dänisch, lateinisch als Liber legis Scaniae, Rechtsbuch Schonens Erzbischof Andreas Sunesens], Seeland [Waldemar, Erik] und Jütland [März 1241 unter König Waldemar II.] erhalten) schriftlich aufgezeichnet, wobei kirchlicher Einfluss nachweisbar ist. Dementsprechend wird bereits im 13. Jh. inhaltlich ergänzend gelehrtes Recht erkennbar. 1479 wird in Kopenhagen eine Universität gegründet. Seit dem 16. Jh. wird in Einzelfällren die Folter verwendet. 1536 wird unter dem Hause Oldenburg (1448-1863) die lutherische Reformation durchge­führt. Vom Einfluss der katholischen Kirche befreit beherrscht der König zusammen mit dem Adel das Land. Im Gefolge des Dreißigjährigen Kriegs wird D. von Schweden zurückgedrängt, wobei die Ostge­biete an Schweden fallen. 1660 erzwingen Bürger und Bauern gegen den Adel die Umwandlung Dänemarks in eine Erb­monarchie (mit einem 1661 eingerichteten Höchstgericht), die sich 1665 (durch lat. [F.] lex regia, königliches Gesetz) dem Grundsatz des Absolutismus zuwendet und 1683 unter Christian V. das dänische Recht (Danske Lov 15. 4. 1683, Prozessrecht, Kirchenrecht, Stän­derecht mit Eherecht und Unmündigen­recht, Seerecht, Schuldrecht, und Sachenrecht, Strafrecht, 6 Bücher, ersetzen jütisches, see­ländisches und schonisches Recht, im 19. Jh. weitgehend aufgehoben, eine Reihe von Grundnormen aber noch in Kraft, ähnlich 1687 für das von 1380 bis 1814 mit D. verbundene Norwegen) in einem Buch (Gesetzbuch?) zusammenfasst. Im 18. Jh., in dem 1736 eine juristische Prüfung eingeführt wird und innerhalb der erwachsenden Rechtswissenschaft die Rechtsgeschichte erfasst wird (Peder Kofod Ancher, En Dansk Lov-Histoire 1789ff.), dringt mit Aufklärung und Naturrecht die Lehre von der Gewaltenteilung ein und wird das Strafrecht gesetzlich geändert. 1788 beginnt die Befrei­ung der Bauern. 1814 gelangt Norwegen an Schweden. 1849 wird die absolute Monarchie unter Einführung einer Verfassung (Entwurf einer Verfassungsurkunde für das Königreich D. und die Herzogtümer Schles­wig und Holstein von Anfang 1848, Danmarks Riges Grundlov 5. Juni 1849) nach dem Vorbild Belgiens bis 1866 durch eine konstitutionelle Monarchie abgelöst. 1864 gehen Schleswig, Holstein und Lauenburg an den →Deutschen Bund bzw. Preußen verloren (ein Drittel der Einwohner, zwei Fünftel des Gebiets). 1866 wird die Verfassung verändert. Seit 1872 arbeitet D. mit den anderen nordischen Ländern trotz Sonderung des Westnordischen vom Ostnordischen verein­heitlichend zusam­men. 1866/1930 wird das Strafrecht, 1916/1919 das Prozessrecht geändert. Ab 1891 wird die Sozial­versicherung eingeführt. 1901 setzt sich der Gedanke der parlamentarischen Kontrolle durch. 1915 wird erneut die Verfassung verändert. 1920 kehrt nach einer Volks­abstimmung Nordschleswig zu D. zurück. 1953 ermöglicht ein Thronfolgegesetz die weibliche Erbfolge in der Erbmonarchie mit demokratisch-parlamentarischer Regie­rungs­form, die sich zum Sozialstaat wandelt. Das Einkammersystem wird eingeführt. 1960 tritt D. der Europäischen Freihandels­zone bei, 1973 der Europäischen Gemein­schaft (bzw. 1993 Europäischen Union). 1979 erhält →Grönland Autonomie.

Lit.: Hasse, P., Die Quellen des Ripener Stadtrechts, 1883; Repertorium diplomaticum regni Danici mediaevalis, hg. v. Christensen, W. u. a., 1894ff.; Haandværksskik i Danmark, hg. v. Nyrop, C., 1903; Danske vider og vegtægter eller gamle landsbylove, hg. v. Bjerge, P. u. a., 1904ff.; Haff, K., Die Theorie des dänischen Grundregals, ZRG GA 30 (1909), 290; Haff, K., Die dänischen Gemeinderechte, 1909; Haff, K., Beweisjury und Rügeverfahren im fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38 (1917), 130; Scriptores minores historiae danicae medii aevi, rec. Gertz, M., 1917ff.; Dahl, F., Juridiske profiler, 1920; Danemarks gamle lanskabslove med kirkelovene, hg. v. Brøndum-Nielsen, J., 1920f.; Annales Danici medii aevi, neu hg. v. Jørgensen, E., 1920; Dahl, F., Frederik VI og Anders Sandøe Ørsted, 1929; Dahl, F., Hovedpunkter af den danske retsvidenskabs historie, 1937; Dänische Rechte, übers. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1938; Juul, S., Fællig og hovedlod, 1940; Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft, 1940; Jørgensen, P., Dansk Retshistorie, 1940, 2. A. 1947; Fussing, H., Herremand og Fæstebonde, 1942, Olsen, G., Traehesten, hundehullet og den spanske kappe, 1960; Højesteret 1661-1961, 1961; Imhof, A., Grundzüge der nordischen Geschichte, 1970; Fenger, O., Fejde og mandebod, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,991, 2,2,506,1005, 3,4,21; Hoffmann, E., Königserhebung und Thronfolge­ordnung in Dänemark, 1976; Sprandel-Krafft, L., Rechtsverhältnisse in spätmittelalterlichen Städten am Beispiel Viborgs (Dänemark), ZRG GA 93 (1976), 257, 94 (1977), 20; Tamm, D., Fran lovkyndighed til retsvidenskab, 1976; Kroman, E., Dänemarks alte Rechte – Ihr Alter und ihre Verwandtschaft, ZRG GA 94 (1977), 1; Riis, T., Les Institutions Politiques Centrales du Danemark 1100-1332, 1977; Danmarks historie, Bd. 1ff. 1977ff.; Dübeck, I., Købekoner og konkurrence, 1978; Ekbom, C., Ledung och tidig jordtaxering i Danmark, 1979; Danske og Norske Lov i 300 år, hg. v. Tamm, D., 1983; Tamm, D., Retsopgøret efter besættelsen, 1984; Thygesen, F., Das Verhältnis zwischen dänischem und deutschem Recht, ZRG GA 105 (1988), 289; Den Danske rigslovgivning 1397-1513, hg. v. Andersen, A., 1989; Tamm, D., Laerebog i Dansk retshistorie, 1989; Tamm, D., Retshistorie 1 Dansk retshistorie, 1990; Tamm, D., Med lov skal land bygges, 1990 (Aufsätze); Den Danske rigslovgivnning 1513-1523, hg. v. Andersen A,. 1991, Jyske Lov i 750 år, 1991; Tamm, D., Retsvidenskaben i Danmark, 1992; Danmark i senmidelalderen, hg. v. Ingesman, P. u. a., 1994; Stevnsborg, H., Besaßen die dänischen Könige der vorchristlichen Zeit Gesetzgebungsgewalt, ZRG GA 112 (1995), 423; Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Bohn, R., Dänische Geschichte, 2001; Hammerslev, O., Danish judges in the 20th century, 2003; Andersen, S., Danmark I det tyske Storrum, 2003; Dänemark, Norwegen und Schweden im Zeitalter der Reformation, hg. v. Asche, M. u. a., 2003; Geiger, T., Die dänische Intelligenz von der Reformationszeit bis zur Gegenwart, 2005; Tamm, D., Retshistorie, 2005; Bellamy, M., Christian IV and his Navy, 2006; Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit Band 9 Dänemark und Schleswig-Holstein, hg. v. Tamm, D., 2008; Quellen zur dänischen Rechts- und Verfassungsgeschichte (12.-20. Jahrhundert), hg. v. Tamm, D. u. a., 2008; Zwischen Grenzkonflikt und Grenzfrieden, hg. v. Henningsen, L., 2011; Andersen, P., Legal Procedure and Practice in Medieval Denmark, 2011; Loebert, S. u. a., Die Entstehung der Verfassungen der dänischen Monarchie (1848-1849)., 2012; Greßhake, F., Deutschland als Problem Dänemarks, 2013; Liedegaard, B., Die Ausnahme - Oktober 1943 - Wie die dänischen Juden, 2013

Daniels, Heinrich Gottfried Wilhelm (Köln 25. 12. 1754-Köln 28. 3. 1827), wird nach dem Studium der Mathematik und des Rechtes in Köln 1770 in der Philosophie und 1775 in der Rechtswissenschaft promoviert. 1776 wird er Advokat bei dem Hofrat des Erzbischofs von Köln, 1783 ordentlicher Professor der Universität Bonn und 1792 Richter am kurkölnischen Appellationsge­richtshof in Bonn. Nach dem Verlust aller Ämter infolge des Einmarschs Frankreichs lehrt er seit 1798 Gesetzgebung an der neuen Zentralschule in Köln, wird aber 1804 Substitut de Procureur Général am Kas­sationshof in Paris, 1813 Generalprokura­tor am Appellationshof in Brüssel, 1817 geheimer Staatsrat in Berlin und 1819 erster Präsident des rheinischen Appellationsge­richtshofs in Köln.

Lit.: Weisweiler, W., Geschichte des rheinpreußischen Notariats, Bd. 2 1925; Recht und Rechtspflege in den Rheinlanden, hg. v. Wolffram, J. u. a., 1969; Reisinger-Selk, N., Heinrich Gottfried Daniels, 2008; Daniels, H., Vorlesungen, hg. v. Becker, C., 2009

Dank

Lit.: His, R., Dank, ZRG GA 57 (1937), 474

Danzig an der Weichselmündung in die Ostsee wird am Ende des 10. Jh.s (997) als (pommerellische) Burg genannt. Seit dem ausgehenden 12. Jh. bringen deutsche Zuwanderer, die sich hauptsächlich beider­seits der Langgasse niederlassen, →lübisches Recht (1263) mit. Nach Zerstörung der Stadt (1236 civitas Danczik) durch den Deutschen Orden in Kämpfen um die Erbfolge im Herzogtum Pommerellen im Jahre 1308 erhält D. vom Hochmeister des Deutschen Ordens 1342/1343 →Kulmer Recht. 1454 löst sich das in vier Teile gegliederte D. vom Deutschen Orden und unterstellt sich Polen, wofür es verschiedene Vorrechte erhält. 1792 kommt D. bei der zweiten Teilung Polens an Preußen, Nach dem Versailler Vertrag vom 20. 6. 1919 wird es, um Polen einen Ostseehafen zu sichern, am 15. 11. 1920 Freie Stadt (400000 Einwohner, 5 Prozent Polen, 1966 qkm), in der weiter deutsche Gesetze gelten. Diese freie Stadt D. ist ein Staatsgebilde mit beschränkter Souveränität ohne Staatsoberhaupt, aber mit Regierungs­oberhaupt. Am 1. 9. 1939 wird D. in das Deutsche Reich eingegliedert. 1945/1990 fällt es an Polen.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Simson, P., Geschichte der Danziger Willkür, 1904; Keyser, E., Geschichte Danzigs, 1921; Keyser, E., Die Entstehung von Danzig, 1924; Loening, O., Untersuchungen zum ältesten Recht von Danzig, ZRG GA 46 (1926), 206; Keyser, E., Der Streit um ein Danziger Aufwertungsgesetz am Ende des 18. Jahrhunderts, ZRG GA 46 (1926), 383; Keyser, E., Das älteste Danziger Stadtrecht, ZRG GA 48 (1928), 194; Methner, A., Zwei alte Danziger Rechtssymbole, ZRG GA 57 (1937) 456; Hahlweg, W., Das Kriegswesen der Stadt Danzig, 1937; Gierke, J. v., Danzigs deutsches Recht, ZHR 107 (1940), 161; Samsonowicz, H., Untersuchungen über das Danziger Bürgerkapital in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, 1969; Ruhnau, R., Danzig, 1971; Lingenberg, H., Die Anfänge des Klosters Oliva und die Entstehung der deutschen Stadt Danzig, 1982; Ruhnau, R., Die Freie Stadt Danzig, 1979, 2. A. 1988; Wittreck, F., Die Anfänge der verfassungsge­richtlichen Normenkontrolle in Deutschland, ZRG GA 121 (2004), 415; Das Danziger Pfundzollbuch der Jahre 1409 und 1411, bearb. v. Jenks, S., 2012

dare (lat.) geben

Darjes, Joachim Georg (1714-1791), Schüler Christian Wolffs, bemüht sich in Jena und Frankfurt an der Oder um eine systematische Gliederung des Privatrechts und entwickelt auf römischrechtlicher Grundlage systema­tisch (1740) das erbrechtliche Parentelen­system. →Parentel

Lit.: Köbler, DRG 159, 162; Gärtner, F., Joachim Georg Darjes und die preußische Gesetzesreform, 2007

Darlehen (Wort 1507) ist ein je nach Gestaltung entweder einseitig verpflichtender Vertrag oder ein gegenseitiger Vertrag, in dem sich der eine Teil (Darlehensnehmer) verpflichtet, Geld oder andere vertretbare Sachen in gleicher Art, Güte und Menge, wie er sie von dem anderen Teil (Darleiher) (zu Eigentum) erhält, zurückzuerstatten. Das D. ist in der Form des (lat. [N.]) →nexum wohl bereits dem altrömischen Recht bekannt (Selbstver­pfändung für ein D.). Daneben besteht das formfreie (lat. [N.]), grundsätzlich un­ent­geltliche →mutuum als →Real­kontrakt, aus dem der Gläubiger die (lat. [F.]) →condictio als abstrakte Klage erhält, wobei Zinsen besonders vereinbart werden müssen. Im weitgehend geldlosen frühmittel­alterlichen Recht ist D. nur ein Fall der allgemeineren →Leihe. Gegen das Nehmen eines Entgelts für das D. wendet sich schon in karolingischer Zeit die christliche Kirche (Lukas 6,35 [lat.] mutuum date nihil inde sperantes, gebt D. ohne etwas davon zu erhoffen). Gegen den Widerstand der Kirche setzt sich aber mit der Geldwirtschaft das D. durch. Es wird zunächst für Juden, dann auch für andere insofern bevorrechtigte Personen, schließlich 1654 durch den jüngsten Rechtsabschied sogar allgemein erlaubt, wobei römisches Recht des Darlehens (lat. [N.] mutuum) unter Abänderung aufgenommen wird. Allerdings werden Höchstzinssätze (oft 6%) festgesetzt und wird die Berechnung von Zinseszinsen verboten. Das Allgemeine Landrecht Preußens (1794) trennt das D. eindeutig von der Leihe (lat. [N.] commodatum). Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) versteht das D. als Realvertrag, doch entwickelt sich daneben auch ein konsensualer Darlehensvertrag. Im Gefolge des Liberalismus fallen im 19. Jh. die Zinsschranken (ADHGB, 1861), doch bewirkt ein wuchermäßiges Verhalten Unwirksamkeit einer Vereinbarung. 2002 wird in Deutschland das D. (Gelddarlehen, 488 BGB) vom D. anderer vertretbarer Sachen (Sachdarlehen) getrennt.

Lit.: Kaser §§ 6, 31, 32, 38, 39; Söllner §§ 9, 16, 18; Hübner 591; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 27, 45, 125, 127, 166, 213, 120, 241; Lübtow, U. v., Die Entwicklung des Darlehensbegriffs, 1965; Schulz, H., Darlehen und Leihe, Diss. jur. Göttingen 1922; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Dehesselles, T., Policey, Handel und Kredit im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel, 1999; Sturm, B., wat ich schuldich war - Privatkredit im frühneuzeitlichen Hannover (1550-1750), 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Daseinsvorsorge (Forsthoff, E., Der totale Staat, 1933, Die Verwaltung als Leistungs­träger, 1938) ist die vorausplanende Ge­staltung menschlichen Seins. Sie wird seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s zunehmend Gegenstand der öffentlichen Verwaltung.→Leistungsverwaltung

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 197, 259; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Scheidemann, E., Der Begriff Daseinsvorsorge, 1991; Hermes, G., Staatliche Infrastrukturverantwortung, 1998; Laak, D. van, Der Begriff Infrastruktur, Archiv für Begriffs­geschichte 41 (1999), 280; Kersten, J., Die Entwicklung des Konzepts Daseinsvorsorge im Werk von Ernst Forsthoff, Der Staat 44 (2005); Jellinghaus, L., Zwischen Daseinsvorsorge und Infrastruktur, 2006; Ringwald. R., Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff, 2008

Datenschutz ist der Schutz der Daten einer Per­son vor Missbrauch durch eine andere Per­son. Er entwickelt sich in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s als Folge der Verbrei­tung der elektronischen Datenverarbeitung, wobei das weltweit erste Datenschutzgesetz 1972 in Hessen erlassen wird. Zu seiner Ausführung sind besondere staat­liche Daten­schutzbeauftragte bestellt (Hessen 18. 6. 1975-22. 10 1991 Spiros Simitis).

Lit.: Köbler, DRG 260; Vierzig Jahre Datenschutz in Hessen, hg. v. Kartmann, N. u. a., 2012

datio (lat. [F.]) Gabe, Hingabe (z. B. bei Leihe, Verwahrung, Pfand)

Datio (F.) in solutum (lat.) ist die Leistung an Erfüllungs Statt. Bei ihr wird schon im klassischen römischen Recht der Schuldner nur befreit, wenn sie der Gläubiger als Erfüllung anerkennt.

Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 62

Dauer

Lit.: Krause, H., Dauer und Vergänglichkeit im mittelalterlichen Recht, ZRG GA 75 (1958), 206

DDR (Deutsche Demokratische Republik)

Decemviri (lat. [M.Pl.]) ist im altrömischen Recht ein Ausschuss von 10 Männern zur Erledigung allgemeiner Angelegenheiten (z. B. →Zwölftafelgesetz).

Lit.: Kaser § 82; Köbler, DRG 17, 19

De Chasseneuz, Bartholomaeus (1480-1541) veröffentlicht nach dem Rechtsstudium in Dôle, Poitiers, Turin (1497) und Pavia (1499-1502) als Kronanwalt in Autun 1517 (lat.) Commentaria (N.Pl.) in consuetudines ducatus Burgundiae, den ersten großen Kommentar zum partikularen Gewohn­heitsrecht (franz. droit coutumier) in Frankreich.

Lit.: Pignot, J., Bartholomaeus de Chasseneuz, 1880, Neudruck 1970; Dugas della Boissony, C., Bartholomaeus de Chasseneuz, Diss. jur. Dijon 1977

Deciani, Tiberio (Udine 1509-Padua 1582), Patriziersohn, wird nach dem Rechtsstudium in Padua (1523-1529) Anwalt in Udine und Venedig (1544). In seinem posthum veröffentlichten (lat.) Tractatus (M.) criminalis (1590, Straftraktat) entwickelt er ansatzweise einen allgemeinen Teil des Strafrechts mit einem allgemeinen Straftatbestand.

Lit.: Schaffstein, F., Tiberio Deciani, Dt. Recht 3 (1938), 121

Decius, Philippus ist ein in Mailand 1454 geborener, in Pavia und Pisa ausgebildeter, 1475 promovierter, dort, 1484 in Pisa, 1487 in Siena, 1487 in Pisa, 1502 in Padua und später in Pavia und Pisa lehrender, vielleicht in Siena 1536 verstorbener Jurist (lectura zu Digesten 50, 17, commentaria zu den Digesten, consilia).

L.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 875

Déclaration (F.) des droits de l‚homme et du citoyen (franz.) ist die von der Nationalversammlung in Frankreich 1789 angenommene Erklärung der Menschenrechte bzw. Bürgerrechte, die 1791 der Verfassung vorangestellt wird.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Erklaer­ungderMenschenundBuergerrechte1789.pdf; Zur Geschichte der Erklärung der Menschen­rechte, hg. v. Schnur, R., 1964

Declaratio (F.) voluntatis (lat.) ist die in der frühen Neuzeit (seit Connan 1508-1551) allmählich ausgebildete allgemeine Grundfigur der →Willenserklärung.

Lit.: Köbler, DRG 164; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Declaration of Rights (England 1689)

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/­of­Rights­1689.­htm

decreta (lat. [N.Pl.]) (z. B. sog. decreta Tassi­lonis oder decretum Tassilonis von 756?-772?, 45 bayerische Synodal­bestimmungen aus Aschheim, Dingolfing und Neuching), Entscheidungen →Dekret, decre­tum

Lit.: Hartmann, W., Die Synoden der Karolingerzeit, 1989

Decretio (F.) Childeberti (lat., auch decretus, decretum) ist ein spätestens am 1. 3. 596 verkündetes, vielleicht in verschiedenen Teilen aus verschiedenen Jahren stammendes, in 24 Textzeugen durch 21 noch greifbare Handschriften überliefertes Dekret (Kapitular) des fränkischen Königs Childebert II. für Austrasien mit gemischten Inhalten (z. B. Eintrittsrecht der Enkel, mehrfach Todesstrafe), das überwiegend mit der für Neustrien bezeugten Lex Salica überliefert ist.

Lit.: Eckhardt, W., Die Decretio Childeberti und ihre Überlieferung, ZRG GA 83 (1966), 1; Woll, I., Untersuchungen zu Überlieferung und Eigenart der merowingischen Kapitularien, 1995; Mordek, H., Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta, 1995; Liebs, D., Römische Jurisprudenz in Gallien, 2002; Kölzer, T., Die merowingischen Kapitularien in diplomatischer Sicht (in) Scientia veritatis, 2004, 16ff.

Decretum (lat. [N.]) ist im römischen Prinzipat die Entscheidung (Urteil) des Prinzeps, mit der er unmittelbar Recht setzt.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32

Decretum (N.) Burchardi (lat.) ist die wohl zwischen 1008 und 1012 verfasste Kanonessammlung →Burchards von Worms.

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Decretum (N.) Gratiani (lat.) ist die zwischen 1125 und 1140 (erste, durch vier bzw. fünf Handschriften überlieferte, eher lehrbuchartige Fassung um 1140 [1139?] mit 1860 canones, zweite, stärker quellen­sammelnde und rechtlich argumentierende aber keine Texte aus bisher nicht verwendeten Sammlungen aufnehmende oder Ergänzungen aus schon benutzten Quellen einfügende Fassung um 1144/1145?, erste gesicherte Benutzung 1158, insgesamt mehr als 600 mittelalterliche Handschriften, noch ältere Vorstufe „Rohfassung“ möglicherweise in Handschrift Sankt Gallen, Stiftsbibliothek MS 673) in Bologna von dem nicht näher bekannten Mönch →Gratian auf Grund zahlreicher älterer Sammlungen zusammen­­gestellte (lat.) Concordia dis­cordantium canonum (Übereinstimmung widersprüch­licher Regeln). Das Quellen­samm­lung und Lehrbuch in sich vereinende D. G. stellt ohne strenge Systematik bzw. in schwer verständlicher Systematik die bis zum dritten lateranischen Konzil (1139) entstandenen kirchlichen Rechtssätze (Konsilscanones, päpstliche Dekretalen, Texte von Kirchen­vätern [etwa 25%?], Auszüge aus Bußbüchern, römische Rechtssätze sowie biblische Sätze, insgesamt 3945 [lat. M.Pl.] canones oder [lat. N.Pl.] capitula) zusammen. Sein erster Teil enthält 101 in Kapitel (c.) geteilte Distinktionen (D.) oder allgemeine Bestimmungen über allgemeine Rechtslehre und Kleriker. Der zweite Teil befasst sich mit 36 in Untersuchungen (lat. [F.Pl.] quaes­tiones) und Kapitel (lat. [N.Pl.] capitula) gegliederten (fiktiven) Fällen oder (lat.) causae (C.), die beispielsweise das Prozessrecht, Strafrecht, kirchliche Vermö­gens­recht, Recht der Mönche, Eherecht (C. 27ff.) oder die Buße (C. 33, quaestio 3 als Traktat ausgestaltet) betreffen. Der dritte, wohl erst in der zweiten Fassung eingefügte Teil stellt in 5 Distinktionen (und Kapiteln) unter der Überschrift (lat.) De consecratione (Von der Weihe) das Recht der Weihe und anderer Sakramente dar. Kommentiert wird die Konzilskanonenes und päpstliche Dekre­talen bereits aus dem 4. Jh. enthaltende Sammlung durch die Dicta Gratiani. Ma­terielle Quellen sind Konzils­kanones (davon rund 400 Kapitel aus den pseudoisidorischen Fälschungen), päpstliche Dekretalen, etwa 1200 Texte der Kirchenväter, vielleicht erst spät eingefügtes weltliches, vor allem römisches Recht (aus der justinianischen Kompilation) und Texte der (lat.) Glossa ordinaria des 12. Jh.s zur Bibel. Eine wichtige unmittelbare Quelle sind die Sammlungen des Ivo von Chartres (Panormia, nach 1095, Tripartita um 1100), ein bedeutsames Vorbild Alger von Lüttichs (lat.) De misericordia et iustitia (Von Barm­herzigkeit und Gerechtigkeit, um 1100). Hinzu kommen Anselm von Lucca (um 1083), Sententiae magistri A. (um 1110), Sammlung Polycarpus (um 1111) und Drei-Bücher-Sammlung (um 1120). Um 1150 beginnt die europäische Verbreitung, die bis 1160 das gesamte damals bekannte Abendland erreicht. An das D. G. schließt sich bald (in Bologna um 1145? [Paucapalea], vor 1150?) eine wissen­schaft­liche Behandlung (Dekretistik in der Form von Glossen und Summen z. B. Huguccio von Pisa) an, deren Glossen →Johannes Teutonicus um 1215 zu einer (lat.) glossa (F.) ordinaria zum D. G. zusammenfasst (um 1245 von Bartholomaeus Brixiensis überarbeitet). Später bildet das D. G. den ersten Teil des (lat.) →corpus (N.) iuris canonici. Vielleicht stammt die Gliederung in Distinktionen von dem auch Zusätze verfassenden Schüler Paucapalea. Zitier­weisen sind seit der Nummerierung der Kapitel in der Ausgabe Charles Dumoulins von 1553/1554 (nicht mehr die lateinischen Textanfänge der Stellen, sondern) z. B. für den ersten Teil D. (Distinktion) 20. C. (Kapitel) 2, für den zweiten Teil C. (Causa) 9 q. (quaestio) 3 c. (capitulum) 11 und für den dritten Teil De cons. D. (Distinktion) 1 c. (Kapitel) 5.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Studia Gratiana, Bd. 1ff. 1953ff.; Gaudemet, J., Das römische Recht in Gratians Dekret, Österreich. Archiv f. Kirchenrecht 12 (1961), 177; Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983; Landau, P., Forschungen zu vorgratianischen Kanonessammlungen und den Quellen des gratianischen Dekrets, Ius commune 11 (1984), 81; Winroth, A., The Two Recensions of Gratian’s Decretum, ZRG KA 83 (1997); Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997, 1331; Landau, P., Kanones und Dekretalen, 1997; Beyer, A., Lokale Abbreviationen des Decretum Gratiani, 1998; Larrainzar, C., El borrador de la „Concordia“ de Graciano – Sankt Gallen Stiftsbibliothek MS 673, Ius Ecclesiae 11 (1999), 593; Winroth, A., The Making of Gratian’s Decretum, 2000; Larrainzar, C., La for­macion del Decreto de Graciano par etapas, ZRG KA 87 (2001), 67; Winroth, A., Recent Work on the Making of Gratian’s Decretum, Bulletin of Medieval Canon Law 26 /2004-2006), 2; Décret de Gratien. Causes 27 à 36 Le mariage, hg. v. Werckmeister, J., 2011

decretum (lat. [N.]) principis Entscheidung des (römischen) Kaisers in Zivilprozessen und Strafprozessen

Decretum (N.) Tassilonis (lat.) ist die Bezeichnung für die Beschlüsse der Synoden (Versammlungen) von Aschheim, Dingolfing und Neuching, die unter Herzog Tassilo III. von Bayern (748-788) um 756, um 770 und 771 zur Regelung kirchenrechtlicher Fragen stattfinden.

Lit.: Barion, H., Die Verfassung der bayerischen Synoden des 8. Jahrhunderts, Röm. Quartalschrift 38 (1930), 90; Hartmann, W., Die Synoden der Karolingerzeit, 1989; Landau, P., Kanonessammlungen in Bayern, FS K. Reindel, 1995, 137

Decurio (M.) de gradus (lat.) ist eine spätantike (6./7. Jh.?), systematische, an unbekanntem Ort geschaffene, relativ reich und erheblich unterschiedlich überlieferte, etwa eine Seite umfassende Übersicht über ein staatliches Ämterwesen (Kommandos, Staatsämter und Herrscher, Hofämter und städtische Ämter, soziale Klassen und grundherrliche Amtsträger [Ämtertraktat]), die vielleicht nur Lehrzwecken dient und keiner bekannten Wirklichkeit vollständig entspricht.

Lit.: Conrat, M., Ein Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG GA 29 (1908), 239; Beyerle, F., Das frühmittelalterliche Schulheft vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1; Barnwell, P., Epistula Hieronimi de gradus Romanorum, Historical Research 64 (1991), 77

Dediticius (lat. [M.]) ist im römischen Recht der gewaltunterworfene Reichsangehörige (str.).

Lit.: Kaser §§ 3, 13, 16; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 30; Köbler, DRG 35, 57

Defensor (M.) pacis (lat. Verteidiger des Friedens) (1324) ist die wichtigste staatsrechtliche Schrift des →Marsilius von Padua, in der er von der Herrschaft des Kaisers über die christliche Kirche ausgeht.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Defen­sorpacis1324(1522).pdf; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 109; Segall, H., Der „Defensor pacis“ des Marsilius von Padua, 1959

Definition (F.) ist die Inhaltsbestimmung eines (zu bestimmenden und insofern als ver­hältnismäßig unbekannt angesehenen) Begriffs. Sie erfolgt durch (bestimmende) Angabe des übergeordneten Gattungsbegriffs und des innerhalb der Gattung aussondernden oder kennzeichnenden Einzelmerkmals (z. B. Frau ist [innerhalb] der [Gattung] Mensch, der [welcher der Art nach] weiblich ist, F = Mw). Insbesondere seit dem 18. Jh. werden diese Anforderungen präzisiert.

Lit.: Schröder, J., Definition und Deskription, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Forgó, N., Omnis definitio in iure civili periculosa est, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 23

Deichrecht ist die Gesamtheit der den Deich (als die gegen Fluten vorgenommene Erd­aufschüttung) betreffenden Rechtssätze, wie sie sich seit dem 10. oder 11. Jh. vor allem an der Nordsee entwickeln. Dazu bildet sich zunächst teils freiwillig, teils herrschaftlich ein Deichverband als Zwangsgenossenschaft der durch den Deich unmittelbar geschützten Grund­stücksbe­rechtigten. Der Deichverband ist Eigentümer des Deiches und verwaltet ihn durch eigene Organe (Deichgraf, Deich­schöffe, Deichgericht), sofern hierfür nicht die Gesamtheit zuständig ist. Der Deich ist in Teile (Kabeln, Pfänder, Lose) zerlegt, für die ein jeweiliges Grundstück (d. h. sein Nutzer oder Eigentümer) zu sorgen hat (Deichlast als Art Reallast). Wer sein Kabel nicht ord­nungsgemäß unterhält, muss mit dem Verlust seines Grundeigentums rechnen (Wer nicht kann deichen, muss weichen bzw. wer nicht will deichen, darf weichen). Seit dem 16. Jh. wird der Deichverband zur Staatsanstalt, die Deichbaupflicht zur öffentlichen Last gegen­über dem Deichregalträger. Es werden Deichordnungen aufgezeichnet oder auch erlassen (Kleve 1448, Eiderstedt 1592, Hamburg 1639, Wursten 1661, Braun­schweig-Lüneburg 1664, Bremen 1693). Das 19. Jh. kehrt zur Selbstverwaltung der Deichverbände zurück (Preußen Deich­gesetz 1848). Bei der Schaffung der deutschen Rechtseinheit durch das Bürgerliche Gesetzbuch (1896/1900) wird das D. dem Landesgesetzgeber überlassen. Seit dem preußischen Wassergesetz des Jahres 1913 werden die Deichverbände als Wassergenos­senschaften behandelt.

Lit.: Schrader, C., Systematische Übersicht über das Deichrecht, 1805; Harnisch, R., Deichgesetzgebung, 1886; Gierke, J. v., Die Geschichte des deutschen Deichrechts, Teil 1f. 1901ff., Neudruck 1967; Beckmann, A., Dijk- en Waterschapsrecht, Bd. 1f. 1905ff.; Gierke, J., Chrene cruda und Spatenrecht, ZRG GA 28 (1907), 290; Bochalli, A., Wassergenossenschafts- und Deichrecht nach dem preußischen Wassergesetz, 2. A. 1925; Fockema Andreae, S., Het hoogheemraadschap van Rijnland, 1934; Felkes, E., Die geschichtliche Entwicklung der Deichlast in Nordfriesland, 1937; Albers, E., Das Deichrecht im Amt Ritzebüttel, 1938; Römer, H., Die Rechtsgeschichte der Koogs- und Deichverbände, 1938; Winsemius, J., De historische ontwikkeling van het waterstaatsrecht in Friesland, 1947; Linden, H. van der, De Cope, 1955; Obreen, H., Dijkplicht en Waterschappen aan Frieslands Westkust, (1956); Buijtenen, M. u. a., Westergo’s Ysselmeerdijken, 1956; Djuren, H., Das Deichrecht im Lande Wursten, Diss. jur. Göttingen (um 1960); Ostfriesland im Schutze des Deiches, hg. v. Ohling, J., 1969; Blok, D., Wie alt sind die ältesten niederländischen Deiche, (in) Probleme der Küstenforschung 15 (1984), 1; Gottschalck, M., Deich- und Wasserbau, 1985; Petersen, S., Deutsches Küstenrecht, 1989; Ehrhardt, M., Ein guldten Bandt des Landes, 2003; Fischer, N., Wassersnot und Marschengesellschaft, 2003; Nawotki, K., Die schleswigsche Deichstavengerechtigkeit, 2004

Dei gratia (lat. [F.]) ist eine von Karl dem Großen 768 nach biblischem und auch kirchlichem Vorbild (6. Jh.) aufgegriffene, zunächst nur religiös zu verstehende Formel, mit welcher der irdische Herrscher zum Ausdruck bringen will, dass seine Stellung von Gottes Gnade herrührt. Ob die Vermittlung durch den Papst erfolgen muss, ist zeitweise streitig.

Lit.: Köbler, DRG 83; Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im frühen Mittelalter, 1912, 7. A. 1980; Schmitz, K., Ursprung und Geschichte der Devotionsformeln, 1913; Körntgen, L., Königsherrschaft und Gottes Gnade, hg. v. Goetz, H. u. a., Bd. 2 2000

Dekalog sind die zehn Gebote, die Moses auf dem Sinai (von Gott) empfängt (2. Moses 20,2-17, 5. Moses 5,6-21). Der D. enthält klare Regeln für wichtige gesellschaftliche Stö­rungen. Die zugehörigen, den Nichtjuden durch das Christentum vermittelten Lösungen beeinflussen das weltliche Recht großer Teile der gesamten Menschheit bis in die Gegenwart.

Lit.: Weber, H. v., Der Dekalog als Grundlage der Verbrechenssystematik, FS W. Sauer, 1949, 44; Hossfeld, F., Der Dekalog, 1982

Dekan (M., zu lat. decem, Num. Kard., zehn) ist ein kirchlicher wie weltlicher Amtsträger.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972

Dekret ist allgemein die obrigkeitliche Entscheidung. Im Kirchenrecht ist D. das (lat.) →Decretum (N.) Gratiani.

Lit.: Söllner § 15; Köbler, DRG 102; Dekrete der ökumenischen Konzilien, hg. v. Wohlmuth, J., Bd. 1ff. 1997ff.

Dekretale ist die seit dem 4. Jh. n. Chr. (385 n. Chr. [lat.] Directa ad decessorem, Papst Siricius an Bischof Himerius von Tarragona) sichtbare, vor allem in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts mit rund 1100 erhaltenen Zeugnissen zahlenmäßig sehr häufige Entscheidung des Papstes in einem einzelnen Fall sowie später der sie verkündende feier­li­che Erlass. Sammlungen von Dekretalen sind beispielsweise die Sammlung des Dionysius Exiguus, die pseudo­isi­dorischen Fälschungen, die (lat.) Collectio (F.) Wigorniensis (um 1173/1174, noch unsystematisch), der (lat.) Appendix (M.) concilii Lateranensis III (England um 1183, bereits systematisch nach Titeln geordnet und teilweise auch in einzelne Blöcke zerlegt), die Collectio Britannica oder die zwischen 1187 und 1226 (bzw. 1188/1190 und 1226) entstandenen sog. compilationes antiquae (lat. [F.Pl.] alte Sammlungen, später sog. compilatio prima [= Breviarum extravagantium, geteilt in fünf Bücher iudex, iudicium, clerus, conubia, crimen h. h. Richter, Gericht, Klerus, Ehe, Verbrechen] 1188-1191 bzw. um 1188/1190 Bernardus Balbi von Pavia bzw. Bernardus Papiensis [vor allem Dekretalen Alexanders III.] in 5 Büchern, compilatio secunda des Johannes Galensis 1210-1212 [Dekretalen zwischen 1191 und 1198], compilatio tertia 1209/1210 [Papst Innozenz III. durch] Petrus Beneventanus bzw. Petrus Collivaccinus [erste authentische Sammlung, Dekretalen Papst Innozenz’ III.], compilatio quarta 1216 Johannes Teutonicus (mit Texten insbesondere des vierten Laterankonzils, von Papst Innozenz III. zurückgewiesen), compilatio quinta 1226 [Papst Honorius III. 1216-1227 durch] Tancred bzw. Tancredus Bononienis). Sie werden auf Grund eines von Papst Gregor IX. (1227-1241) 1230 erteilten Auftrags von dem spanischen Kirchenrechtler →Raymundus de Penyafort (1180-1275) zu einer neuen ergänzten Dekretalen­samm­lung (mit 2139 Kapiteln zwischen 1140 und 1234) vereinigt, die am 5. 9. 1234 als (lat.) Liber (M.) (decretalium) extra (Decretum Gratiani) veröffentlicht wird. Sie gliedert sich in fünf Bücher (Richter, Gericht, Klerus, Ehe, Verbrechen). Sie ersetzt alle älteren Sammlungen der Dekretalen. Eine zugehörige (lat.) glossa (F.) ordinaria stammt von Bernardus Parmensis († 1266) bzw. →Johannes Andreae († 1348). Die bedeutendste Summe ist die 1253 abgeschlossene, seit 1477 so bezeichnete (lat. [F.]) Summa aurea (goldene Summe), die wichtigste Kommentierung die zwischen 1262 und 1265 entstandene (lat.) Lectura (F.), Lesung, des Hostiensis (Heinrich von Segusia, Susa vor 1200-Lyon 1270). Zitiert wird dieser Liber extra z. B. als X 1. 2. 13.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102, 108; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Landau, P., Die Entstehung der systematischen Dekretalensammlungen, ZRG KA 66 (1979), 120; Kuttner, S., Medieval Councils, Decretals and Collections, 1980; Landau, P., Kanones und Dekretalen, 1997; Landau, P., Rechtsfortbildung im Dekretalenrecht, ZRG KA 117 (2000), 86; Jasper, D./Fuhrmann, H., Papal letters in the early middle ages, 2001; Zechiel-Eckes, K., Die erste Dekretale - Der Brief Papst Siricius’ an Bischof Himerius von Tarragona vom Jahr 385 (JK 255), 2013

Dekretalist ist der die →Dekretalen (1234 nach Erscheinen des Liber extra) bearbeitende Kirchenrechtler (z. B. Johannes Andreae, Tancred, Innozenz IV., Hostiensis [Summa aurea, goldene Summe], Durantis, Baldus, Zabarella, Nikolaus de Tudeschis [Panormitanus]). Die Gesamtheit der Dekretalisten wie die Tätigkeiten der Dekretalisten werden als Dekretalistik bezeichnet.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983

Dekretist ist der das →Dekret Gratians bearbeitende Kirchenrechtler (z. B. Pau­capalea, Rufinus, Stephan von Tournai, Huguccio, Johannes Teutonicus).

Lit.: Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983

delatura (lat. [F.], Anzeigelohn?) dilatura

De laudibus legum Angliae (lat., Über die Vorzüge des englischen Rechtes) ist eine 1470 vom Richter Sir John →Fortescue verfasste Darstellung des →englischen Rechtes im Vergleich zum festländischen Recht.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002

delegatio (lat. [F.]) Anweisung

Delegation ist die Übertragung einer Aufgabe oder Zuständigkeit auf einen oder mehrere andere. Sie ist bereits der römischen Kaiserzeit bekannt. Im Mittelalter erfolgt die D. weltlicher oder geistlicher Gerichtsbarkeit seit dem 11./12. Jh. (lat. iurisdictio [F.] delegata). Im Heiligen römischen Reich wird die D. wegen des damit verbundenen Zuständigkeitsverlusts des Delegierenden seit der Errichtung des Reichs­kammergerichts eingeschränkt, in der Kirche seit den Konzilen von Konstanz (1414-1418), Basel (1431-1437) und Trient (1545-1563), in den deutschen Ländern seit dem 18. Jh. Trotzdem ist die D. als Übertragung einer Zuständigkeit eines staatlichen Organs auf ein anderes, das danach die Zuständigkeit neben dem oder statt des Delegierenden ausübt, möglich. In Österreich sind die Delegationen 1867 ein 120 Mitglieder umfassendes Gesetzgebungs­organ für die pragmatischen Angelegenheiten der österreichisch-ungarischen Monarchie, das rechtstatsächlich auf die Erstellung des entsprechenden Haushaltsplans beschränkt ist.

Lit.: Kaempfe, W., Die Begriffe der Jurisdictio Ordinaria, Quasiordinaria, Mandata und Delegata, 1876; Canstein, R.? v., Jurisdictio delegata und mandata im justinianischen und kanonischen Rechte, ZRG 13 (1878), 491; Kümpel, J., Begriff und Abstufung der iurisdictio ordinaria und delegata, 1922; Triepel, H., Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, 1942, Neudruck 1995; Endemann, W., Der Begriff der delegatio, 1959; Müller, H., Päpstliche Delegationsgerichtsbarkeit in der Normandie, 1997; Reichard, I., Delegation und Novation im klassischen römischen Recht, 1998; Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten der österreich-ungarischen Monarchie, 2001

De legibus et consuetudinibus regni Angliae (lat.) (Treatise on the Laws and Customs of England, Über die Gesetze und Gewohnheiten des Königreichs England) ist eine kurze, in lateinischer Sprache abgefasste Darstellung des englischen Rechtes (common law) des 12. Jh.s (1187-1189?) auf der Grundlage der Recht­sprechung der königlichen Gerichte (aus­genommen das siebente, Erbrecht behandelnde Buch). Als Verfasser gilt Ranulf de Glanvill. Ein Einfluss des römischen Rechtes ist nur in terminologischer Hinsicht zweifelsfrei.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002

Delictum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die den Einzelnen, seine Familie oder sein Vermögen verletzende Tat (zu lat. delinquere, V., zurücklassen ausgehen, fehlen, sich verge­hen, z. B. Diebstahl, Sachbeschädigung, Persönlichkeitsverletzung). Voraussetzung ist Rechtswidrigkeit und regelmäßig Vorsatz. Rechtsfolge ist anfangs die Vergeltung am Täter selbst (z. B. Tötung, Körperverletzung), später die an die Stelle des Racherechts tretende Buße in Geld (lat. [F.] poena), die entweder in einem bestimmten Metallwert oder in einem Vielfachen des Wertes des betroffenen Gegenstands bestehen kann. Hinzukommen können sachverfolgende Klagen. In der Spätantike wird im Westen seit dem 4. Jh. zwischen Verbrechen und →Delikt begrifflich nicht mehr unterschieden und das Ziel des nichtkriminellen Verfahrens mehr und mehr als Schadensersatz verstanden. Justinian hält demgegenüber strenger am klassischen Gedankengut fest, setzt aber je nach Nützlichkeit der Angelegenheit für den Handelnden für die Ersatzpflicht meist einen der verschiedenen Grade von Schuld voraus.

Lit.: Kaser § 50; Köbler, DRG 26, 48, 65; Köbler, LAW; Jentsch, H., Die Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939; Caemmerer, E. v., Wandlungen des Delikts­rechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1964, 49

Delikt (Wort 1559, Lehnwort zu [lat., N.] delictum) ist die rechtswidrige schuldhafte Tat. Ihr folgt teils →Strafe, teils Buße. Dabei wird mit der Aufnahme des römischen Rechtes auch die Figur des (lat. [N.]) →delictum übernommen. Im Strafrecht ist D. die mit öffentlicher Strafe bedrohte Handlung, im Privatrecht die unerlaubte, zu Schadensersatz verpflichtende Handlung (§§ 823ff. BGB).

Lit.: Köbler, DRG 48, 65, 166, 264; Jentsch, H., Die Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939; Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1964, 49; Kötz, H., Deliktsrecht, 1976, 9. A. 2001, 10. A. 2006; Bar, C. v., Gemein­europäisches Deliktsrecht, 1996; Zimmermann, R./Verse, D., Die Reaktion des Reichsgerichts auf die Kodifikation des deutschen Deliktsrechts, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 319; Mohnhaupt-Wolf, U., Deliktsrecht und Rechtspolitik, 2004; Immenhauser, M., Das Dogma von Vertrag und Delikt, 2006; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; La faute et sa punition dans les sociétés orientales, hg. v. Furand, J. u. a., 2012

Deliktsfähigkeit ist die Fähigkeit, für eine unerlaubte Handlung zur Verantwortung gezogen werden zu können. Sie fehlt schon im römischen Recht den Geisteskranken (lat., M.Pl., furiosi) und Kindern (lat., M.Pl., infantes). Für das ältere deutsche Recht ist die tatsächliche Hand­habung im Einzelfall eher unklar. Mit der Rezeption wird die Mündigkeit (Vollendung des 14. Lebensjahrs) maßgeblich für die D.

Demagoge (M.) Volksführer, Volksverführer

Demagogenverfolgung ist die staatliche Verfolgung „revolutionärer Umtriebe und demagogischer Verbindungen“ durch den →Deutschen Bund auf Grund der am 20. 9. 1819 vom Deutschen Bundestag einstimmig angenommenen →Karlsbader Beschlüsse mit Hilfe einer in Mainz eingesetzten Zentral­untersuchungskommission. Die D. besteht beispielsweise in der Aufhebung der Zensurfreiheit von Universitätsprofessoren, in der Beseitigung von Rechtshindernissen für die Entlassung von Geistlichen und in der Schaffung von Rechtsgrundlagen für die Entfernung von Studenten von der Universität. In diesem Zusammenhang werden in Preußen 1836 192 Studenten verurteilt, davon einige zur Todesstrafe. Bekannte Verfolgte sind Friedrich Ludwig Jahn, Ernst Moritz Arndt, Joseph von Görres, Karl Friedrich Eichhorn, Friedrich Schlei­er­macher oder E. T. A. Hoffmann.

Lit.: Toll, H., Akademische Gerichtsbarkeit und akademische Freiheit, 1979; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 30; Brümmer, M., Staat kontra Universität, 1991; Mann, C., Die Demagogen und das Volk, 2007

Demokratie (Lehnwort zu demokratia, griech., F., Volksherr­schaft) ist die erstmals in →Athen unter Kleisthenes (508 v. Chr.) in gewisser Weise verwirklichte Herrschaft des Volkes in einem Gemeinwesen, die von Aristoteles als Entar­tung der Herr­schaftsform Politie (griech., F., politeia) angesehen wird. Nach der Antike gewinnt die D. trotz Erwähnung bei Martin Luther (1539 für Schweiz und Dithmarschen), Samuel Pufendorf (1667 als Gegensatz zum Reichstag) oder Johann Stephan Pütter (1787 für Reichsstädte) erst wieder seit der französischen Revolution des Jahres 1789 tatsächliche Bedeutung. Dabei wird teils auf die vollständige Gleichheit und Beteiligung aller an der Herrschaft abgestellt, teils auf die Volks­souveränität, teils auf Gewaltenteilung, Grund­rechte, Rechtsstaatlichkeit und Re­prä­sentativsystem. Im Einzelnen sind die Formen der verwirklichten D. dement­sprechend verschieden (z. B. 1919 im Deutschen Reich eine mit plebiszitären Merkmalen angereicherte parlamentarische D. mit vom Volk gewähltem Reichs­präsidenten, 1949 Volksdemokratie der Deutschen Demo­kratischen Republik).

Lit.: Köbler, DRG 256; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 821; Blumer, J., Staats- und Rechts­geschichte der schweizerischen Demokratien, 1850ff.; Schmitt, C., Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 2. A. 1926; Kelsen, H., Vom Wesen und Wert der Demokratie, 2. A. 1929; Schefold, D., Volkssouveränität und reprä­sentative Demokratie, 1966; Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder parlamentarische Demokratie, HZ 216 (1973), 553; Tormen, W., Zwischen Rätediktatur und sozialer Demokratie, 1951; Schiffers, R., Elemente direkter Demokratie im Weimarer Regierungssystem, 1971; Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 1986, 4. A. 1995; Biographisches Lexikon zur Geschichte der demokratischen und liberalen Bewegungen in Mitteleuropa, hg. v. Reinalter, H. u. a., Bd. 1 1992; Kurz, A., Demokratische Diktatur?, 1992; Lepsius, M., Demokratie in Deutschland, 1993; Die athenische Demokratie, hg. v. Eder, W., 1995; Hansen, M., Die athenische Demokratie, 1995; Demokratie in Rom?, hg. v. Jehne, M., 1995; Rudolph, K., Bibliographie zur Geschichte der Demokratiebewegung, 1997; Kirchgässner, G. u. a., Die direkte Demokratie, 1999; Backes, U., Liberalismus und Demokratie, 2000; Riethmüller, J., Die Anfänge des demokratischen Denkens in Deutschland, 2001; Die Anfänge des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich 1830-1848/49, hg. v. Reinalter, H., 2002; Fisahn, A., Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung, 2002; Lamprecht, O., Das Streben nach Demokratie, Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, 2002; Wegbereiter der Demokratie, hg. v. Asendorf, M., 2006; Canfora, L., Eine kurze Geschichte der Demokratie, 2006; Raaflaub, K. u. a., Origins of Democracy, 2007; Verachtet, verfolgt, verdrängt - Deutsche Demokraten, hg. v. Bockhofer, R., 2007; Nippel, H., Antike oder moderne Freiheit?, 2008; Robinson, E., Democracy beyond Athens, 2011Nolte, P., Was ist Demokratie?, 2012; Braunschweig, C., Die demokratische Krankheit, 2012; Gesichter der Demokratie, hg. v. Hein, B., 2012; Postnationale Demokratie, Postdemokratie, Neoetatismus, hg. v. Heinig, H. u. a., 2013; Kämper, H., Wörterbuch zum Demokratiediskurs 1967/68, 2013; Postnationale Demokratie, Postdemokratie, Neoetatismus, hg. v. Heinig, H. u. a., 2013

Demolombe, Jean Charles Florent (1804-1887) verfasst als Zivilrechtslehrer in Caen einen 31bändigen, unvollendeten Kommentar (Cours) zum →Code civil (1845ff.).

Lit.: Jouen, L., Demolombe et ses œuvres, 1888

Demonstration (F.) Aufzeigung, Protestzug

Lit.: Dostal, C., 1968 – Demonstranten vor Gericht, 2006

Demoskopie (F.) Volksbefragung, Meinungs­forschung

Lit.: Kruke, A., Demoskopie in der Bundesrepublik Deutschland, 2007

Denarius (lat. (M.) Zehner, zehn As) ist eine römische, im Mittelalter sprachlich weiter­geführte Münze.

Lit.: Luschin von Ebengreuth, A., Der Denar der Lex Salica, 1910; Reverchon, A., Metzer Denare, 2006

denegatio actionis (lat.) Verneinung des Klaganspruchs

Denkmalsrecht ist die Gesamtheit der die über­lieferten Zeugnisse eines Vorgangs oder einer Erscheinung betreffenden Rechtssätze. Vorformen des modernen Denkmalrechts gibt es vereinzelt bereits im Altertum und im Mittelalter. Die eigentliche Denkmalpflege beginnt wohl erst mit der Einsetzung Raffaels (1483-1520) als Leiter der Ausgrabungen Roms durch Papst Leo X. (1513-1521) 1516 und umfassende gesetzliche Regelungen gehören erst der jüngeren Neuzeit an.

Lit.: Hammer, F., Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland, 1995; Wolf Di Cecca, C., Belege für denkmalpflegeriche Gesetze und Maßnahmen in Antike und Mittelalter, ZRG GA 112 (1995), 440; Denkmalpflege, hg. v. Huse, N., 1996; Speitkamp, W., Die Verwaltung der Geschichte, 1996; Mieth, S., Die Entwicklung des Denkmalrechts in Preußen, 2005

Denuntiatio (F.) evangelica (lat.) ist die lateinische Bezeichnung des auf Matthäus 18,15-17 zurückgehenden kirchlichen Anzeigeverfahrens über ein Fehlverhalten. Dieses setzt seit Innozenz III. (1160/1161-1216, 1199/1209) ein Verhalten gegen die Interessen der Kirche voraus, das der Vorgesetzte nach vergeblichen Ermahnungen anzeigen darf, wobei der Anzeigende weder nachweisen noch Kosten tragen muss. Die Auferlegung einer Buße erfolgt in einem freien Verfahren. Gegen Ende des 17. Jh.s verliert die d. e. als besonderes Verfahren ihre Bedeutung wieder.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972, 439; Sauerland, K., 30 (Dreißig) Silberlinge, 2000

Denunziation ist allgemein die Mitteilung oder Anzeige. Ausgehend von der (lat.) denuntiatio (F.) evangelica wird im gemeinen Strafrecht (Clarus, Practica criminalis, 1578) darunter die Strafanzeige mit dem Ziel der Wahrheitsermittlung verstanden, wobei Vorteile und Gefahren der D. durchaus gesehen und erörtert werden. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.s, verstärkt in der ersten Hälfte des 19. Jh.s, entwickelt sich unter dem Einfluss der Aufklärung und des Liberalismus die Bedeutung der böswilligen, hinterlistigen und verräterischen Anzeige an die Polizei.

Lit.: Denunziation, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 1997; Sauerland, K., 30 Silberlinge, 2000; Koch, A., Denunciatio, 2006; Nolte, J., Demagogen und Denunzianten, 2007; Böske, S., Denunziationen in der Zeit des Nationalsozialismus, Diss. jur. Bielefeld 2008; Hornung, E., Denunziation als soziale Praxis, 2010; Sauerland, K., Dreißig Silberlinge - Das Phänomen Denunziation, 2012

Depositio (lat. [F.]) ist die →Hinterlegung an einer bestimmten öffentlichen Stelle, die bereits im klassischen römischen Recht bei Gläubigerverzug dem Schuldner bestimmte Erleichterungen verschafft.

Lit.: Kaser § 53 I; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Depositum (lat. [N.] Verwahrung) ist im römischen Recht die →Hinterlegung einer beweglichen Sache, die der Verwahrer zurückzugeben hat, sobald es der Hinterleger verlangt. Gibt der Ver­wahrer nicht zurück, so hat nach dem Zwölftafelgesetz der Hinterleger eine Klage wegen Unter­schlagung auf das Doppelte. Später entwickelt sich hieraus eine Klage aus Vertrag auf grundsätzlich nur den einfachen Wert. Depositum irregulare (unregelmäßige Ver­wahrung) ist die Verwahrung, bei welcher der Verwahrer das verwahrte Geld gebrauchen darf, aber zur Rückzahlung desselben Betrags und gegebenenfalls vereinbarter Zinsen ver­pflichtet ist.

Lit.: Kaser § 39 III; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 45

Depot (N.) (Verwahrung, Verwahrungsort)

Depotgesetz ist das für Deutschland 1896 geschaffene Gesetz über die Verwahrung von Wertpapieren.

Lit.: Buxbaum, C., Anlegerschutz zwischen Bankbedingungen und Rechtsnormen, 2002

Deputat (N.) Zugeschriebenes, Arbeitsentgelt in Sachleistung

Derby (ae. Northworthige) am Derwent geht auf das römische Lager Derventio zurück. 1204 erlangt es Stadtrecht. 1841 wird es Sitz einer Universität.

Lit.: Wright, S., The Derbyshire Gentry, 1983

Der Ältere teilt, der Jüngere wählt ist ein bereits bei Seneca (1-65 n. Chr.), Controv. 6, 3 ([lat.] maior frater dividat patrimonium, minor eligat, der größere Bruder soll das Vatergut teilen, der kleinere aus den Teilen auswählen), Augustinus (354-430), De civitate Dei cap. 20 ([lat.] quando terrenorum aliquid partiendum est, maior dividat, minor eligat, wenn etwas Irdisches zu teilen ist, soll der Größere bzw. Ältere teilen und der Kleinere bzw. Jüngere wählen) und im Sachsenspiegel Eike von Repgows (1221-1224, Wo zwei zur Erbschaft kommen, soll der Ältere teilen und der Jüngere wählen) belegter Satz. Hinter ihm steht die Einsicht, dass der Teilende nur dann so gut wie möglich teilen wird, wenn er befürchten muss, dass eine ungleiche Teilung durch das Wahlrecht des anderen sich gegen ihn wenden kann. Dementsprechend wird nur ein hinterhältiger, skrupelloser Betrüger (z. B. ein E. in einem Lügenreich) als Jüngerer z. B. eine Zahl von Prüflingen absichtlich (z. B. nach den Anfangs­buch­staben der ungleich auf das Alphabet verteilten Familiennamen der Prüflinge) un­gleich teilen, wahrheitswidrig die Gleichheit der offen­sichtlich grob ungleichen Teile behaupten und sich selbst den größeren Teil nehmen.

Lit.: Voltelini, H. v., Der Ältere teilt, der Jüngere wählt, ZRG GA 36 (1915), 478

Der Hehler ist nicht besser als der Stehler.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 170 (Graf/Dietherr 1864)

Der König ist gemeiner Richter überall.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 211 (Sachsenspie­gel, 1221-1224, Landrecht III 26 § 1)

Der rechte Weg

Lit.: Der rechte Weg. Ein Breslauer Rechtsbuch des 15. Jahrhunderts, hg. v. Ebel, F., 2000

Der Schlüssel des sächsischen Landrechts ist eine (in 17 Handschriften und Fragmenten überlieferte), 1421 vorliegende Gesamtverar­beitung des in Sachsenspiegel, Sachsen­spiegel­­glosse und Schwabenspiegel enthalten­en Rechtsstoffs in alphabetischer Reihenfolge durch einen unbekannten Verfasser.

Lit.: Sinauer, E., Der Schlüssel des sächsischen Landrechts, 1928

Derelictio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Aufgabe von →Eigentum und →Besitz durch einen bisherigen Eigentümer ohne Zuwendung an einen neuen Eigentümer. Das Eigentum erlischt nach den Sabinianern mit der Preisgabe, nach den Prokulianern mit der Aneignung durch einen anderen. Nach­fol­gender ursprünglicher Erwerb von Eigentum und Besitz durch jedermann sind grund­sätzlich rechtmäßig.

Lit.: Kaser § 26; Meyer-Collings, J., Derelictio, 1932; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985; Hoyer, H., Die Dereliktion von Liegenschaften , FS Wilhelm Brauneder, 2008, 181

Dereliktion (1774) ist die bewusste und gewollte Aufgabe des Eigentums und Besitzes einer Person an seiner Sache (ohne abgestimmten Erwerb des Eigentums und Besitzes durch einen anderen.)

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Derivat (N.) Abgeleitetes

Lit.. Derivate und Finanzstabilität - Erfahreungen aus 4 Jahrhunderten, hg. v. Institut für bankhistorische Forschung e. V: , 2013

derivativ (abgeleitet)

derivativer Erwerb, abgeleiteter →Eigentumserwerb (im römischen Recht z. B. durch mancipatio, in iure cessio oder traditito, in der Gegenwart durch Übereignung)

Dernburg, Heinrich (Mainz 3. 3. 1829-Berlin 23. 11. 1907), Sohn eines jüdischen, 1841 getauften Gießener Rechtsprofessors, wird nach dem Studium in Gießen und der Habilitation in Heidelberg (1852, Vangerow) Professor in Zürich, Halle (1862) und Berlin (1872) und Mitglied des Herrenhauses Preußens. 1871 veröffentlicht er ein dreibändiges Lehrbuch des preußischen Privatrechts, 1884 ein dreibändiges Lehrbuch des Pandekten­rechts und 1898 ein dreibändiges Lehrbuch des bürgerlichen Rechtes des Deutschen Reiches und Preußens.

Lit.: Süss, W., Heinrich Dernburg, 1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 231

Descartes (Cartesius), René (La Haye 31. 3. 1596–Stockholm 11. 2. 1650), wird nach dem Besuch der Jesuitenschule La Flèche Mathe­matiker und Philosoph, mit dessen (lat.) Meditationes (Betrachtungen) eine neue Epoche der Philosophie beginnt. Als einzige Gewissheit gilt ihm die Selbstgewissheit im Denken (lat. cogito, ergo sum, ich denke, also bin ich). Hieraus entwickelt er durch vernunftbezogene Ableitung (deduktiv) das systematische Gedankengebäude des Rationalismus, der die Aufklärung fördert.

Lit.: Röd, W., Die Genese des Cartesianischen Rationalismus, 3. A. 1995; Schütt, H., Die Adoption des Vaters der modernen Philosophie, 1998; Descartes im Diskurs der Neuzeit, hg. v. Niebel, W. u. a., 1999; Schultz, U., Descartes, 2001; Descartes und Deutschland, hg. v. Ferrari, J. u. a., 2009; Herrmann, F., Descartes’ Meditationen, 2011; Kellerer, S., Zerrissene Moderne, 2012

Desertion (F.) Fahnenflucht (zwischen 1939 und 1945 in der deutschen Wehrmacht etwa 30000 Todesurteile wegen D., Wehrkraftzersetzung u. s. w., davon rund 20000 vollstreckt)

Lit.: Fritsche, M., Entziehungen, 2004; Salisch, M. v., Treue Deserteure, 2008; Wolff, C., Deserteurs et transfuges dans l’armée romaine, 2009; Deserteure, Wehrkraftzersetzer und ihre Richter, hg. v. Kirschner, A., 2010

Designation (Bezeichnung) ist die (während einer Amtszeit erfolgende) Berufung eines Menschen in ein Amt oder eine Herrschaft (als Nachfolger). Sie kann dort stattfinden, wo Erblichkeit nicht gilt oder grundsätzlich mehrere Erben nebeneinander berechtigt sind. Bedeutung erlangt die D. in der Form der Einigung des Königs mit den Großen insbesondere für das Königtum im fränkisch-deutschen Reich zwischen dem 9. und 13. Jh. (z. B. Bestimmung Ludwigs des Frommen zum Mitkaiser Karls des Großen 813, Bestimmung Lothars I. zum Mitkaiser Ludwigs des Frommen 817).

Lit.: Heinze, O., Designation, Diss. phil. Göttingen 1913; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938, 2. unv. A. 1944, Neudruck 1965, 1981, 36; Schreyer, B., Zum Begriff der Designation bei Widukind, ZRG GA 67 (1950), 407; Wolf, G., Designation und designare bei Widukind von Corvey, ZRG GA 73 (1956), 372; Wolf, G., Über die Wort- und Rechtsbedeutung von „designare“, ZRG GA 75 (1958), 367; Giese, W., Zu den Designationen, ZRG GA 92 (1975), 174; Giese, W., Designative Nachfolgeregelungen in germanischen Reichen der Völkerwanderungszeit, ZRG GA 117 (2000), 39; Giese, W., Untersuchungen zur Herr­schaftsnachfolge in langobardischen Herzogtümern und Fürstentümern, ZRG GA 119 (2002), 44; Giese, W., Die designativen Nachfolgeregelungen der Karolinger, DA 64 (2008), 437

Deszendent (M.) Abkömmling, Verwand­ter in absteigender Linie wie z. B. Tochter, Enkel, Urenkelin, Gegensatz Aszendent

detentio (lat. [F.]) →Innehabung

detentor (lat. [M.]) Inhaber, →Innehabung

Deutsch ist ein zu ahd. diot, F., Volk (bzw. vielleicht schon in der Völkerwanderungszeit zu germ. *theuda, F., Volk, idg. *teuto, F., Volk) gebildetes Adjektiv (diotisk), das zunächst in seinen ältesten Belegen (8. Jh.) den sprachlichen Gegensatz der Volkssprache zum Lateinischen zum Ausdruck zu bringen scheint und erst gegen Ende des Früh­mittelalters auf ein neues, aus Alemannen, Bayern, Franken, Sachsen, Thüringern und Friesen entstandenes, einheitliches Volk bezogen wird. Die deutsche Sprache gliedert sich in hochdeutsch im (hohen) Süden und nieder­deutsch im (niederen) Norden und in die zeitlichen Abschnitte Altdeutsch (Althochdeutsch 500-1065, daneben Altsächsisch, Altnieder­fränkisch), Mitteldeutsch (Mittel­hochdeutsch 1065-1500, Mittelniederdeutsch) und Neu­deutsch (Neuhochdeutsch ab 1500 bzw. 1350, Neuniederdeutsch als Schriftsprache nicht mehr wirklich entwickelt). Seit dem 18. Jahrhundert löst es in seinem Bereich Latein als Wissen­schafts­sprache ab. Nach dem ersten Weltkrieg (1918) wird D. als internationale Wissen­schafts­sprache auf Betreiben der alliierten Siegermächte boykottiert, nach dem zweiten Weltkrieg verliert es sein bisheriges Gebiet nahezu vollständig an das Angloame­rikanische. Die aus anderen Sprachen in das Deutsche aufgenommenen Wörter (Fremdwörter, Lehnwörter) verzeichnet das 1913 von Hans Schulz begonnene, später von Otto Basler fortgeführte, 1988 abgeschlossene und seit 1990 für die Buchstaben von A bis O neu in Bearbeitung genommene, bis 2010 bis hysterisch vorangekommene Deutsche Fremdwörterbuch (http://www.­ids-­mann­heim.de/Lexik/fremdwort/). Ein den Wortschatz des Deutschen der Gegen­wart korpusgestützt dokumentieren­des On­line-­Informationssystem (Wörter­buch) ­ist elexiko (http://www.ids-mannheim.de/­le­xik/­elexiko).

Lit.: Köbler, DRG 76; Köbler, WAS; Schmidt, E., Geschichte des Deutschtums im Lande Posen unter polnischer Herrschaft, 1904; Kaindl, R., Geschichte der Deutschen in Galizien bis 1772, 1907; Aubin, H., Von Raum und Grenzen des deutschen Volkes, 1938; Deutsch als Wissenschaftssprache, hg. v. Kal­verkämper, H. u. a., 1986; Thomas, H., Der Ursprung des Wortes theodiscus, HZ 247 (1988), 295; Ammon, U., Die internationale Stellung der deutschen Sprache, 1991; Jarnut, J., Teotischiis homines (a. 816), MIÖG 104 (1996), 26; Jacobs, H., Theodisk im Frankenreich, 1998; Goblirsch, K., Laut­verschiebungen in den germanischen Sprachen, 2005; Schmidt, W., Geschichte der deutschen Sprache, 10. A. 2006; Rein­bothe, R., Deutsch als internationale Wissenschafts­sprache, 2006; Schneider, R., Die Anfänge der deutschen Geschichte, ZRG GA 124 (2007), 1; Casemir, K. u. a., Deutsch, 2013; Vogel, R., Einführung in die Morphologie des Deutschen, 2013; Hill, E., Einführung in die historische Sprachwissenschaft des Deutschen, 2013

Deutschböhmen s. Böhmen

Deutsche Arbeitsfront (DAF) der Unternehmer und Lohnabhängigen ist die 1933 die Gewerkschaft ersetzende national­sozialistische Einrichtung des Arbeitswesens, die 1936 rund 20 000 000 (freiwillige) Mit­glie­der hat.

Lit.: Köbler, DRG 242

Deutsche Bank ist die führende Ak­tiengesellschaft des Bankwesens in Deutsch­land.

Lit.: Gall, L. u. a., Die Deutsche Bank 1870-1995, 1995; James, H., Die Deutsche Bank und die Arisierung, 2001; James, H., Die Deutsche Bank im Dritten Reich, 2003; Bakrai, A., Oscar Wassermann und die Deutsche Bank, 2005

Deutsche Bundesakte (8. 6. 1815) ist die auf völkerrechtlicher Vereinbarung beruhende Grundlage (Verfassung) des →Deutschen Bundes, deren Grundrechte aber nur die Staaten und ihre Regierungen zur Beachtung verpflichten.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/­DeutscheBundesakte1815.htm

Deutsche Demokratische Republik (DDR) ist der am 7. 10. 1949 durch Beschluss des Volkskongresses aus der sowjetisch besetzten Ostzone des Deutschen Reiches als Volksrepublik nach sowjetischem Muster entstandene, von der Sowjetunion gegen einen Volksaufstand vom 17. 6. 1953 gewaltsam gesicherte, mit der Deklaration der Regierung der Sowjetunion vom 25. 3. 1954 formell aus dem Besatzungsstatus in die Souveränität entlassene, vertraglich und tatsächlich aber an die Sowjetunion gebundene, nach dem Mauerbau seit 13. 8. 1961 künstlich abgeschlossene, mit einer reinen Binnen­währung wirtschaftende und dadurch vom Weltmarkt abgeschottete, aber wegen der Einfuhr wettbewerbs­fähi­ger westlicher Industrieanlagen 1981/1982 mit rund 23 Milliarden D-Mark (1985 15,5 Milliarden) im Westen verschuldete, nach Protesten des Volkes durch Öffnung der Mauer am 9. 11. 1989 wieder frei zugängliche, (nach Einigungsvertrag vom 31. 8. 1990) zum 3. 10. 1990 durch Beitritt in der Bundes­republik Deutschland aufge­gangene deutsche Staat. Die DDR ist von der 1946 aus Kommunistischer Partei und Sozialdemo­kratischer Partei hervorgegan­genen Sozia­listischen Einheitspartei Deutschlands (SED) beherrscht (24. 1. 1950 Beschluss zur Gründung eines eigenen Kabinettsressorts für Staatssi­cherheit, 1989 91000 Mitarbeiter, 173000 informelle Mitarbeiter, 110000 politische Häftlinge). Die Wirtschaft ist (anfangs noch nicht vollständig) zentralistische Planwirtschaft (1970 noch 15 Prozent mittlere und kleinere Privat­unternehmen, 1972 noch 11400 zumindest teilweise private Betriebe), die Gesell­schaft egalitär und die Geisteshaltung materialistisch ausgerichtet. Die äußerlich konservative, an die →Weimarer Reichsverfassung von 1919 angelehnte, gesamtdeutsch geplante, aber weder Gewaltenteilung (stattdessen Gewal­teneinheit) noch Opposition (stattdessen Blocksystem der Parteien) kennende, einen Einparteienstaat ohne freie Wahlen be­wirkende Verfassung vom 7. 10. 1949 wird durch eine zweite, die sozialistischen Errungenschaften absich­ernde, am 7. 10. 1974 die Vorstellung einer deutschen Nation preisgebende Verfassung abgelöst. Wichtigste Staatsorgane sind (seit 1960) Staatsrat (9 Mitglieder), Ministerrat (7 Mitglieder), Volkskammer (sowie Sekretariat des Zen­tralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutsch­lands und Politbüro des Zentral­komitees der Sozialistischen Einheits­partei Deutschlands mit den zusätzlichen Ein­richtungen Natio­naler Verteidigungsrat, Frei­er Deutscher Gewerkschaftsbund, Ge­sellschaft für deutsch-sowjetische Freund­schaft und Präsidium des Nationalrats der Nationalen Front). Die Verwaltung kennt weder Föderalismus noch kommunale Selbst­verwaltung noch Berufsbeamtentum. Die in das Oberste Gericht, Bezirksgerichte und Kreisgerichte geglie­derte Gerichtsbarkeit ent­behrt einer Verfassungsgerichtsbarkeit und einer Verwaltungsgerichtsbarkeit, ist aber von besonderen gesellschaftlichen Gerichten er­gänzt. In den ersten zehn Jahren des Bestands des Staates fliehen 2,7 Millionen Einwohner in den Westen. Zwischen 1963 und 1989 werden 31755 Menschen für rund 2,5 Milliarden Deutsche Mark von der Bundesrepublik Deutschland freige­kauft. Das Reichs­strafgesetzbuch des Jahres 1871 wird von einem eigenen Strafgesetzbuch (12. 1. 1968) abgelöst, das bis 1987 an der 1981 letzmals vollstreckten Todesstrafe festhält. Das Bürgerliche Ge­setzbuch, dessen Bedeutung durch die Aussonderung des Vertragsrechts und des Wirtschaftsrechts ver­ringert wird, wird zum 1. 1. 1976 durch ein verein­fachendes, nur 480 Paragraphen umfassendes Zivilgesetzbuch (19. 6. 1975, ohne allgemeinen Teil und ohne Abstrak­tionsprinzip) ersetzt, in dem Vertrag, Eigentum und Erbrecht von geringer Bedeutung sind (Versorgungsrecht für die Bürger). Das Familienrecht ist durch ein Familien­gesetzbuch vom 20. 12. 1965 geordnet, das Arbeitsrecht durch ein Arbeitsgesetzbuch (12. 4. 1961). Für den Zivilprozess wird 1975 eine neue Zivilpro­zessordnung geschaffen (Amtsermitt­lungs­grund­satz). Aus rechtsstaatlicher Sicht­weise wird die D. insgesamt sehr kritisch, wenn auch günstiger als die national­so­zialistisch beherrschte Zeit zwischen 1933 und 1945 beurteilt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245, 250, 261ff., 271ff.; Martin, M., Zivilrecht der DDR Sachenrecht, 1956; Wiedemann, H., Das sozialistische Eigentum in Mitteldeutschland, 1964; Geschichte der Rechtspflege der DDR, hg. v. Ben­jamin, H., Bd. 1f. 1968ff.; Markovits, I., Sozialismus und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reiland, W., Die gesellschaftlichen Gerichte der DDR, 1971; Suermann, W., Verwaltungsrechtsschutz in der DDR, Diss. jur. Göttingen 1971; Ortslexikon der Deutschen Demokratischen Republik, 2. A. 1974; Brunner, G., Einführung in das Recht der DDR, 1975, 2. A. 1979; Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokra­tische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Schuller, W., Geschichte und Struktur des politischen Strafrechts in der DDR bis 1968, 1980; BRD und DDR. Die beiden deutschen Staaten im Vergleich, hg. v. Jesse, E., 1981; Staats- und Rechtsgeschichte der DDR, hg. v. d. Humboldt-Universität, 1983; Schroeder, F., Das Strafrecht des realen Sozialismus, 1983; Staritz, D., Die Gründung der DDR, 1985; Autorenkollektiv Wirtschaftsrecht, 1986; Autorenkollektiv Strafrecht der DDR, 1988; Wolle, S., Die heile Welt der Diktatur, 1988, 3. A. 2009; Weber, H., Die DDR 1945-1990, 3. A. 2000, 5. A. 2012; Das Oberste Gericht der DDR - Rechtsprechung im Dienste des Volkes, 1989; Fricke, K., Politik und Justiz in der DDR, 2. A. 1990; Haase, H., Das Wirtschaftssystem der DDR, 1990; Sommer, H., Gesellschaftsformen der DDR, NJW 1990, 676ff.; Rechtsgeschichte in den beiden deutschen Staaten, hg. v. Mohnhaupt, H., 1991; Fricke, K., MfS intern, 1991; Brunner, G., Was bleibt übrig vom DDR-Recht nach der Wiedervereinigung?, JuS 1991, 353; Weber, H., DDR, 1991; Markovits, I., Die Abwicklung, 1992; Wer war wer in der DDR?, hg. v. Müller-Enbergs, H. u. a., 1992, 2. A. 1995, 3. A. 2000, 4. A. 2006 (3213 Biogramme), 5. A. 2010 (4000 Biogramme); Eisert, W., Die Waldheimer Prozesse, 1993; Steuerung der Justiz in der DDR, hg. v. Rottleuthner, H., 1994; Hagemann, F., Der Untersuchungsausschuss freiheit­licher Juristen 1949-1969, 1994; Entnazi­fizierungspolitik der KPD/SED 1945-1948, hg. v. Rösler, R., 1994; Eine Diktatur vor Ge­richt, hg. v. Weber, J. u. a., 1995; Das Zivil­gesetzbuch der DDR vom 19. Juni 1975, hg. v. Eckert, J. u. a., 1995; Werkentin, F., Politische Strafjustiz in der Ära Ulbricht, 1995; Die Rechtsordnung der DDR, hg. v. Heuer, U., 1995; Beckert, R., Die erste und letzte Instanz, 1995; Mielke, H., Die Auflösung der Länder in der SBZ/DDR, 1995; Lindner, N., Der Übergang des Rechts der Wirtschaft von der Plan- zur Marktwirt­schaft in Ostdeutschland, 1996; Die Vertriebenen in der SBZ/DDR, hg. v. Wille, M., Bd. 1ff. 1996ff.; Rechtswissenschaft in der DDR 1949-1971, hg. v. Dreier, R. u. a., 1996; Amos, H., Justizverwaltung in der SBZ/DDR, 1996; Hauschild, I., Von der Sowjetzone zur DDR, 1996; Mampel, Die sozialistische Verfassung, 3. A. 1996; Wendel, E., Ulbricht als Richter und Henker, 1996; Amos, H., Justizverwaltung in der SBZ/DDR, 1996; Johmann, U., Die Entwicklung des Sozialrechts in der DDR, 1996; Lexikon des DDR-Sozialismus, hg. v. Eppelmann, R., 1996, 2. A. 1997; Liwinska, M., Die juristische Ausbildung in der DDR, 1997; Haerendel, H., Gesellschaftliche Gerichtsbarkeit, 1997; Rechtserfahrung DDR, hg. v. Dilcher, G., 1997; Feth, A., Hilde Benjamin, 1997; Die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“, 1997; Immisch, L., Der sozialistische Richter in der DDR, 1997; Heitmann, S., Die Revolution in der Spur des Rechts, 1997; Kaiser, M., Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker, 1997; Harendel, H., Gesellschaftliche Gerichtsbarkeit, 1997; Trute, H., Die Überleitung des Personals, 1997; Walter, M., Die Freie Deutsche Jugend, 1997; Kraut, G., Rechtsbeugung?, 1997; Kluge, U. u. a., Willfährige Propagandisten, 1997; Schwan, H., Erich Mielke, 1997; Volksrichter in der SBZ/DDR 1945-1952, hg. v. Wentker, H., 1997; Mählert, U. Kleine Geschichte der DDR, 1998; Offenberg, U., Seid vorsichtig gegen die Machthaber, 1998; 50 Jahre DDR, hg. v. Handloik, V./Hauswald, H., 1998; Schroeder, K., Der SED-Staat, 1998, 2. A. 2013; Recht und Rechtswissenschaft im mitteldeutschen Raum, hg. v. Lück, H., 1998; Lorenz, T., Die Rechtsanwaltschaft in der DDR, 1998; Die Strafrechtsjustiz der DDR, hg. v. Drobnig, U., 1998; Hoffmann, H., Die Betriebe mit staatlicher Beteiligung, 1998; Laufs, A., Recht und Unrecht in der DDR, 1998; Lorenz, T., Die Rechtsanwaltschaft in der DDR, 1998; Grote, M., Die DDR-Justiz vor Gericht, Diss. jur. Hannover 1998; Harder, G., Das verliehene Nutzungsrecht, 1998; 50 ;Schäfer, B., Staat und katholische Kirche in der DDR, 1998, 2. A. 1999; Werkentin, F., Recht und Justiz im SED-Staat, 1998, 2. A. 2000; Jahre DDR, hg. v. Drommer, G., 1999; Maier, C., Das Verschwinden der DDR und der Untergang des Kommunismus, 1999; Zum Stand der Deutschen Einheit: Recht und innere Sicherheit, NJW 1999, 1450; Widerstand und Opposition in der DDR, hg. v. Henke, K., 1999; Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit, hg. v. Deutschen Bundestag, Bd. 1ff. 1999; Papier, H./Möller, J., Die rechtsstaatliche Bewältigung von Regime-Unrecht, NJW 1999, 3289; Wagner, H., Hilde Benjamin und die Stalinisierung der DDR-Justiz, 1999; Zivilrechtskultur der DDR, hg. v. Schröder, R., 1999ff.; Foitzik, J., Sowjetische Militäradmi­nistration in Deutschland, 1999; Kloth, H., Vom Zettelfalten zum freien Wählen, 2000; Raschka, J., Justizpolitik im SED-Staat, 2000; Grün, B., Vom Teilungsunrecht zum Wiederver­einigungsrecht, 2000; Rössler, R., Justizpolitik in der SBZ/DDR, 2000 (nicht erschienen); Lexikon Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur, hg. v. Veen, H., 2000; Strafjustiz und DDR-Unrecht. Dokumentation, hg. v. Marxen, K. u. a., Band 1ff. Wahlfälschung u. a., 2000ff.; Schroeder, F., Zehn Jahre strafrechtliche Aufarbeitung des DDR-Unrechts, NJW 2000, 3017; Rummler, T., Die Gewalttaten an der deutsch-deutschen Grenze, 2000; Fahnenschmidt, W., DDR-Funktionäre vor Gericht, 2000; Thiemrodt, I., Strafjustiz und DDR-Spionage, 2000; Hohoff, U., An den Grenzen des Rechtsbeugungstatbestands, 2000; Mierau, J., Die juristischen Abschluss- und Diplomprüfungen in der SBZ/DDR, 2000; Die DDR – Recht und Justiz als politisches Instrument, hg. v. Timmermann, H., 2000; Die DDR und der Westen, hg. v. Pfeil, U., 2001; Mollnau, M., Die Boden­rechtsentwicklung in der SBZ/DDR, 2001; Gieseke, J., Mielke-Konzern, 2001; Eine Revolution und ihre Folgen, hg. v. Jesse, E., 2001; Raschka, J., Zwischen Überwachung und Repression, 2001; Wulf, M., Erich Honecker, 2001; Rüthers, B., Geschönte Geschichten, 2001; Wentker, H., Justiz in der SBZ/DDR 1945-1953, 2001; Zehn Jahre deutsche Rechtseinheit, hg. v. Koch, E., 2001; Steininger, R., Der Mauerbau, 2001, 2. A. 2001. 3. A. 2001, 4. A. (Berlinkrise und Mauerbau) 2009; Schönfeldt, H., Vom Schiedsmann zur Schiedskommission, 2002; Ihme-Tuchel, B., Die DDR, 2002, 3. unv. A. 2010; Holzweißig, G., Die schärfste Waffe der Partei – Eine Mediengeschichte der DDR, 2002; Armee ohne Zukunft, hg. v. Ehlert, H., 2002, Mahlmann, C., Die Strafrechtswissenschaft der DDR, 2002; Heuer, U., Im Streit, 2002; Blümmel, R., Der Opferaspekt bei der strafrechtlichen Vergangen­heitsbewältigung, 2002; Soziale Ungleich­heit in der DDR, hg. v. Mertens, L., 2002; Howe, M., Karl Polak, 2002; Horstmann, T., Logik der Willkür. Die zentrale Kommission für staatliche Kontrolle, 2002; Strafjustiz und DDR-Unrecht, Bd. 2 Gewalttaten an der deutsch-deutschen Grenze, hg. v. Marxen, K. u. a., 2002; Was war die Stasi?, hg. v. Dümmel, K. u. a., 2002, 3. A. 2009, 4. A. 2012; Knabe, H., 17. Juni 1953, 2003; Staat und Kirchen in der DDR, hg. v. Dähn, H. u. a., 2003; Bilanz und Perspektiven der DDR-Forschung, hg. v. Eppelmann, R. u. a., 2003; Lindenberger, T., Volkspolizei, 2003; Alltag in der DDR, 2003; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungs­rechtsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Bauer, T., Blockpartei und Agrarrevolution von oben. Die Demokratische Bauernpartei Deutschlands 1948-1963, 2003; Leupolt, S., Die rechtliche Aufarbeitung des DDR-Unrechts, 2003; Lindenberger, T., Volkspolizei, 2003; Baron, U., Kalter Krieg und heißer Frieden, 2003; Heydemann, G., Die Innenpolitik der DDR, 2003; Scholtysek, J., Die Außenpolitik der DDR, 2003; Glees, A., The Stasi Files, 2003; Kowalczuk, I., Geist im Dienst der Macht, 2003; Rechtsprobleme der Restrukturierung land­wirtschaftlicher Unternehmen in den neuen Bundesländern nach 1989, hg. v. Bayer, W., 2003; Ebbinghaus, F., Ausnutzung und Verdrängung, 2003; Mollnau, K., Recht und Juristen im Spiegel der Beschlüsse des Politbüros und Sekretariats der SED, 2003; Reichhelm, N., Die marxistisch-leninistische Staats- und Rechtstheorie Karl Polaks, 2003; Schneider, U., Hausväteridylle oder sozialistische Utopie?, 2004; Grafe, R., Deutsche Gerechtigkeit, 2004; Grütz, R., Katholizismus in der DDR-Gesellschaft 1960-1990, 2004; Peterson, E., The Limits of Secret Police Power, 2004; Digutsch, G., Das Ende der nationalen Volksarmee, 2004; Baumgarten, K./Freitag, P., Die Grenzen der DDR, 2004; Osterburg, D., Das Notariat in der DDR, 2004; Korzilius, S., Asoziale und Parasiten im Recht der SBZ/DDR, 2005; Thiemrodt, P., Die Entstehung des Staatshaf­tungsgesetzes der DDR, 2005; Arp, A., VEB. Vaters ehemaliger Betrieb, 2005; Weinreich, B., Strafjustiz und ihre Politsierung in SBZ und DDR bis 1961, 2005; Wolff, F., Einigkeit und Recht, 2005, 2. A. 2005; Seibel, W., Verwaltete Illusionen – Die Privatisierung der DDR-Wirtschaft durch die Treuhandanstalt, 2005; Bauerkämper, A., Die Sozialgeschichte der DDR, 2005; Kurze, D., Sozialistische Betriebe und Institutionen als Verklagte im DDR-Zivilprozess, 2005; Sozialstaatlichkeit in der DDR, hg. v. Hoffmann, D. u. a., 2005; Schöne, J., Frühling auf dem Lande? Die Kollektivierung, 2005; Ritter, G., Der Preis der Einheit, 2006; Markovits, I., Gerechtigkeit in Lüritz, 2006; Windmüller, J., Ohne Zwang kann der Humanismus nicht existieren, 2006; Inszenierungen des Rechts, hg. v. Marxen, K. u. a., 2006; Republik­flucht, hg. v. Melis, D. van u. a., 2006; Fischer-Langosch, P., Die Entstehung des Familienge­setzbuches der DDR von 1965, 2007; Johannsen, L., Die rechtliche Behandlung ausreise­williger Staats­bürger in der DDR, 2007; Behling, K./Eik, J., Vertuschte Verbrechen – Kriminalität in der Stasi, 2007; Rickmers, E., Aufgaben und Struktur der Bezirkstage und Räte der Bezirke in der DDR 1952-1990/91 am Beispiel des Bezirkes Cottbus, 2007; Rohrer, F., Strafjustiz im Dritten Reich und in der SBZ/DDR, 2007; Riegel, P., Der tiefe Fall des Professors Pchalek, 2007; Müller, S., Das administrative Element im Zivilrecht der DDR. Diss. jur. Jena 2007; Fulbrook, M., Das ganz normale Leben, 2008; Sperlich, P., The East German social courts, 2007; Modrow, H., In historischer Mission - Als deutscher Politiker unterwegs, 2007; Wuttke, J., Konfliktvermeidung und Streitbei­legung in Familienrechtssachen in der DDR, 2008; Willing, M., Sozialistische Wohlfahrt, 2008; Wolfrum, E., Die DDR, 2008; Rogg, M., Armee des Volkes, 2008; Vinke, H., Die DDR, 2008; Hirsch, S., Der Typus des sozial desintegrierten Straftäters, 2008; Buchholz, E., Strafrecht im Osten, 2008; Krewer, P., Geschäfte mit dem Klassenfeind, 2008; Segert, D., Das 41. Jahr 2009; Schulz, G., Mitteldeutsches Tagebuch, 2009; Die demokratische Revolution 1989 in der DDR, hg. v. Conze, E. u. a., 2009; Kowalczuk, I., Endspiel, 2009; Koritsch, H., Die verspielte Chance, 2009; Erinnerungsorte der DDR, hg. v. Sabrow, M., 2009; Krenz, E., Gefängnis-Notizen. 2009; Eisenhardt, U., War die DDR ein Unrechtsstaat?, Journal der juristischen Zeitgeschichte 3 (2009), 45; Gräf, D., Im Namen der Republik, 2009; Boldorf, M., Brüche oder Kontinuitäten, HZ 289 (2009), 287; Stadelmann-Wenz, E., Widerständiges Verhalten und Herr­schaftspraxis in der DDR, 2009; Seifert, U., Gesundheit staatlich verordnet, 2009; Sozialistische Städte zwischen Herrschaft und Selbstbehauptung, hg. v. Bernhardt, C. u. a., 2009; Bogisch, M., Die LDPD und das Ende der DDE, 2009; Rüdiger, G. u. a., Die 111 Tage des Potsdamer Bürgerlomitees Rat der Volkskontrolle 1989/90, 2009; Palmowski, J., Inventing a Socialist Nation, 2009; Schütterle, J., Kumpel, Kader und Genossen, 2010; Greiner, Bettina, Verdrängter Terror, 2010; Gürtler, L., Vergangenheit im Spiegel der Justiz, 2010; Petrov, N., Die sowjetischen Geheimdienstmitarbeiter in Deutschland, 2010; Stuhler, E., Die letzten Monate der DDR, 2010; Rettler, W., Der strafrechtliche Schutz des sozialistischen Eigentums in der DDR, 2010; Taylor, F., Die Mauer - 13. August 1961 bis 9. November 1989, 2010; Duda, S., Das Steuerrecht im Staatshaushaltssystem der DDR, 2011; Keßler, H. u. a., Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben, 2011; Reichel, T., Sozialistisch arbeiten, lernen und leben. Die Brigadebewegung, 2011; Stasi - die Ausstellung, Gesamtred. Camphausen, G., 2011; Schmidt, K., Zur Frage der Zwangsarbeit im Strafvollzug der DDR, 2011; Die DDR, hg. v. Brunner, D. u. a., 2011; Das MfS-Lexikon, hg. v. Engelmann, R., 2011; Wilke, M., Der Weg zur Mauer, 2011; Sonntag, M., Die Arbeitslager in der DDR, 2011; Heinemann, W., Die DDR und ihr Militär, 2011; Wenzke, R., Ab nach Schwedt!, 2011; Muhl, F., Volkseigentum ist unan­tastbar, 2011; König, G., Fiasko eines Brunderbundes, 2011; Wernicke, S., Jugendstrafvollzug in der DDR, 2011; Gieseke, J., Die Stasi, (Sonderausgabe) , 4. A. 2011; Rudnick, C., Die andere Hälfte der Erinnerung, 2011; Bröckermann, H., Landesverteidigung und Militarisierung, 2011; Jander, I., Politische Verfolgung in Bradenburg 1949 bis 1953, 2012; Otto, E., Das Verwaltungsrecht in der SBZ/DDR, 2012; Honecker, E., Letzte Auf­zeichnungen, 2012; Jander, I., Politische Verfolgung in Brandenburg, 2012; Buchholz, E., Das DDR-Justizsystem, 2012; Udke, G., Erlebnisse und Erfahrungen. Aus dem Arbeitsleben eines Juristen in der DDR 1958 bis 1991. 2012; Neunzehnhundertneunundachtzig und die Rolle der Gewalt, hg. v. Sabrow, M., 2012; Dokumente zur Deutschlandpolitik. „Besondere Bemühungen“, hg. v. Bundesministerium des Inneren u. a., Bd. 1 2012; Schekahn, J., Die Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherhit in Rostock, 2012; Grünwald, K., Das Staatskirchenrecht der DDR, 2012; Büchler, M., Verfassung als Kampagne - Verfassungspolitik und Verfassungskultur in der SBZ und DDR, Online-Ress. Diss. jur. Univ. Hagen 2012; Buthmann, R., Hochtechnologien und Staatssicherheit - Die strukturelle Verankerung des MfS in Wissenschaft und Forschung der DDR, 2. A: 2012; Görlich, C., Urlaub vom Staat, 2012; Hanisch, A., Die DDR im KSZE-Prozess 1972-1985, 2012; Wolff, F., Ein Leben - Vier Mal Deutschland, 2013; Burdumy, A., Sozilpolitik und Repression in der DDR, 2013; Walter Ulbricht, hg. v. Krenz, E., 2013; Keller, I., Die strafrechtliche Aufarbeitung von DDR-Justizunrecht, 2013; Die DDR im Blick der Stasi 1953 - Die geheimen Berichte an die SED-Führung, bearb. v. Rngelmann, R., 2013; Irmen, H., Stasi und DDR-Militärjustiz, 2013; Kowalczuk, I., STASI Konkret, 2013 Klose, B., Das Verblassen eines Makels, 2013; Sarge, G., Im Dienste des Rechts, 2013; Lapp, P., Grenzregime der DDR, 2013; Judt, M., Der Bereich Kommerzielle Koordinierung, 2013; Bühne der Dissidenz und Dramaturgie der Repression - Ein Kulturkonflikt in der späten DDR, hg. v. Niethammer, L. u. a., 2013; Hürtgen, R., Ausreise per Antrag, 2013; Bobsin, K., Das Presseamt der DDR, 2013; Schroeder, K., Der SED-Staat, 2013; Bühne der Dissidenz , hg. v. Niethammer, L., 2013; Wölbern, J., Der Häftlingsfreikauf aus der DDR 1962/63-1989, 2014

Deutsche Nationalgesetzgebung →Kodi­fi­ka­ti­ons­streit, →Allgemeine Deutsche Wechselordnung, →Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch

Deutschenspiegel ist das durch eine einzige vollständige, aus dem frühen 14. Jh. stammende, aus Neustift bei Brixen kommende Handschrift (Universitätsbibli­o­thek Innsbruck cod. 922) und einige verstreute Artikel (in 18 Handschriften des sog. Schwabenspiegels) überlieferte, mittel­bayerische Rechtsbuch, das sich selbst als spiegel aller tiuscher liute benennt. Der (von Julius Ficker so genannte) D. beruht wahrscheinlich auf einer mitteloberdeutschen Übersetzung einer Handschrift der Klasse Ib des →Sachsenspiegels (und vielleicht einer weiteren, wohl im mit Magdeburg eng verbundenen Minoritenkonvent in Augsburg erfolgten Bearbeitung des Sachsenspiegels), wobei die Artikel 1 bis 109 des Landrechts unter Verwendung der Kaiserchronik, des Buchs der Könige und zweier Gedichte des Strickers, der (römischrechtlichen) Insti­tutionen, der (kirchenrechtlichen) Summa Raymundi (von Penyafort) und des Mainzer Reichsland­friedens, zweier Reichsgesetze vom 19. 2. 1274 sowie vor allem Augsburger Gewohnheitsrechts umgestaltet sind, die Art. 110ff. und das Lehnrecht dagegen im Wesentlichen unbearbeitet ihre Vorlage(n) übernehmen, aber jeweils Sachsen durch deutsche Lande oder deutsche Leute ersetzen. Als Quelle werden statt der guten Vorfahren die Könige mit weiser Meister Lehre genannt. Vermutlich ist der D. 1275/1276 in Augsburg als Privatarbeit (eines Minoriten) entstanden. Das Verhältnis zwischen D. und Schwabenspiegel ist streitig geworden. →Schwabenspiegel

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Spiegel­%20­Deutscher%20Leute_Ficker.pdf; http://www.­koebler­gerhard.­de/­Fontes/­Deutschenspiegel-Eckhardt-Huebner.pdf; Köbler, DRG 103; Der Spiegel deutscher Leute, hg. v. Ficker, J., 1859; Müller, E. Frhr. v., Der Deutschenspiegel, 1908; Pfalz, A., Die Überlieferung des Deutschenspiegels, 1919; Eckhardt, K., Heimat und Alter des Deutschenspiegels, ZRG GA 45 (1925), 13; Eckhardt, K., Der Deutschenspiegel, 1924; Eckhardt, K., Rechtsbücherstudien 1, 1927; Eckhardt, K., Zur Schulausgabe des Deutschenspiegels, ZRG GA 50 (1930), 115; Deutschenspiegel mit Augsburger Sachsenspiegel und ausgewählten Artikeln der oberdeutschen Sachsenspiegelübersetzung, hg. v. Eckhardt, K./Hübner, A., 1930; Schwerin, C. Frhr. v., Zum Problem des Deutschenspiegels, ZRG GA 53 (1932), 260; Hübner, A., Vorstudien zur Ausgabe des Buches der Könige, 1932 (SB Göttingen); Deutschenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1971; Trusen, W., Die Rechtsspiegel und das Kaiserrrecht, ZRG GA 102 (1985), 12ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 33

Deutsche Rechtsgeschichte ist allgemein die Geschichte des in Deutschland geltenden Rechtes einschließlich der Geschichte seiner Wurzeln (oder bei engerer Betrachtungsweise die Geschichte des aus germanistischer Wurzel stammenden Rechtes) (in Deutsch­land).

Lit.: Kroeschell, DRG; Köbler, DRG; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992

Deutscher Bund ist der als unauflöslich geplante völkerrechtliche Zusammen­schluss (Verein, Staatenbund, aber mit einigen bundesstaatlichen Zügen) von (nach der Deutschen Bundesakte vom 8. 6. 1815 38) souveränen deutschen Einzelstaaten (34 Fürstentümer, 4 freie Städte mit einem Gebiet von 630100 Quadratkilometern und einer Bevölkerung von 29,2 Millionen, Österreich etwa 31 Prozent, Preußen etwa 26 Prozent) auf der Grundlage der →Deutschen Bundesakte (8. 6. 1815, Wiener Kongressakte 9. 6. 1815) und der Wiener Schlussakte (15. 5. 1820). Er folgt auf die Erkenntnis, dass mit der Niederlegung der Krone des →Heiligen römischen Reiches  durch Kaiser Franz II. am 6. 8. 1806 das Reich auch rechtlich untergegangen ist und eine Restauration wegen der egoistischen Interessen der damit souverän gewordenen deutschen Fürsten (vor allem Österreich, Preußen, Sachsen, Hannover, Baden, Würt­temberg, Bayern) und der außerdeutschen Staaten Europas (Frankreich, England, Russland) ebensowenig Aussicht auf Erfolg hat wie das Streben der überwiegend bürgerlichen deutschen Nationalbewegung nach einem national-deutschen Einheitsstaat. Deswegen schließen sich 38 (1817 39 [Hessen-Homburg], dann 41, 1863 35, 1864 nur noch 34) weltliche Mitgliedstaaten (Österreich und Preußen mit ihren 1803 zum Reich gehörigen Gebieten, Bayern, Sachsen, England wegen Hannover, Württemberg, Baden, Kurhessen, Großherzogtum Hessen, Dänemark wegen Holstein, Niederlande wegen Luxemburg, Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha, Sachsen-Coburg, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Hildburghausen, Braun­schweig, Nassau, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Holstein-Oldenburg, Anhalt-Dessau, Anhalt-Bernburg, Anhalt-Kö­then, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarz­burg-Rudolstadt, Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen, Liechtenstein, Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck und die 4 selbständig gebliebenen Städte (Reichsstädte bzw. freien Städte) Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg) in einer Art Zwischenstufe auf dem Weg zu einem für Europa annehmbaren deutschen Bundesstaat zum Deutschen Bund als einem Staatenbund mit bundesstaatlichen Merk­malen zusammen. Als seine Ziele sind festgelegt die Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutsch­lands und der Unabhängigkeit und Un­verletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten. Sein Organ ist der selbständige Bundestag (Bundesversamm­lung, Gesandten­kongress) in Frankfurt am Main (Palais Thurn und Taxis) (vom 12. 7. 1848 bis September 1850 ohne Befugnisse). In dessen selten zusam­men­tretendem Plenum hat jeder Staat mindestens eine, höchstens aber vier Stimmen, im engeren Rat führen die elf größten Staaten je eine Stimme, die anderen 27 Staaten die übrigen 6 Stimmen. Den Vorsitz übt →Österreich aus. Der Deutsche Bund hat grundsätzlich nur sehr geringe gesetzgebende, vollziehende und richterliche Gewalt, doch wirken seine Mitglieder vereinzelt in Gesetzgebung (Urheberrecht, Wechselrecht, Handelsrecht, gescheitert im Schuldrecht, Patentrecht und Verfahrens­recht), Vollzug (z. B. Karlsbader Beschlüsse) und Rechtsprechung (Austrägalgerichtsbar­keit, Dreistufigkeit der Gerichtsbarkeit) zusammen. Nach den revolutionären Unruhen um 1848 geraten Österreich und Preußen 1850/1851 in verstärkten Gegensatz, doch einigt man sich auf den Dresdener Kon­ferenzen (23. 12. 1850-15. 5. 1851) auf eine Fortführung des Deutschen Bundes. An der Verwaltung des durch Bundesexekution vom 1. 2.-1. 8. 1864 Dänemark abgewon­nenen Schleswig-Holsteins entzün­det sich dann wegen der Einberufung des holstei­nischen Landtags (am 8. 4. 1866) ein Streit, der damit endet, dass Preußen Holstein am 9. 6. 1866 besetzt, Österreich ohne förmliche Bundesexekution die Mobilmachung des Bundesheeres gegen Preußen erwirkt, Preußen den Deutschen Bund für erloschen erklärt, Österreich nach militärischer Niederlage des Deutschen Bundes (Öster­reichs und Sachsens) gegen Preußen bei Königgrätz bzw. Sadowa (3. 7. 1866) am 26. 7. 1866 die Auflösung des Deutschen Bundes anerkennt und auf Holstein (und gegenüber Italien auf Venetien) verzichtet und die Bundesversammlung am 24. 8. 1866 letztmals tagt. Allgemein an­erkannt wird die friedensichernde Wirkung des Deutschen Bundes.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 169, 192, 196; Acten des Wiener Kongresses, hg. v. Klüber, J., Bd. 1ff., 1815ff.; Protocolle der deutschen Bundesversammlung, 1816-1848, 1850-1866; Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1ff. 1957ff.; Heßler, R., Das Durchzugsrecht innerhalb des Deutschen Bundes, Diss. jur. Berlin (FU) 1966; Darmstadt, R., Der Deutsche Bund in der zeitgenössischen Publizistik, 1971; Gruner, W., Der Deutsche Bund, 1982; Deutscher Bund und deutsche Frage, hg. v. Rumpler, H., 1990; Fehrenbach, E., Verfassungsstaat und Nationsbildung 1815-1871, 1992; Die Dresdener Konferenz und die Wiederherstellung des Deutschen Bundes 1850/1851, bearb. v. Müller, J., 1996; Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes, Bd. 1ff. 1996ff.; Der Deutsche Bund zwischen Reaktion und Reform 1851-1858, bearb. v. Müller, J., 1998; Die Entstehung des Deutschen Bundes 1813-1815, hg. v. Treichel, E., 2000; Kotulla, M., Die Entstehung der Kriegsverfassung des Deutschen Bundes, ZRG GA 117 (2000), 122; Steinmetz, C., Deutscher Bund und europäische Friedensordnung, 2002; Angelow, J., Der Deutsche Bund, 2003; Bieker, E., Die Interventionen Frankreichs und Groß­britanniens anlässlich des Frankfurter Wachensturms 1833, 2003; Ham, R., Bundesintervention und Verfassungsrevision, 2004; Müller, J., Deutscher Bund und deutsche Nation 1848-1866, 2005; Müller, J., Der Deutsche Bund 1815-1866, 2006; Werner, E., Die Märzministerien, 2009; Doering-Manteuffel, A., Die deutsche Frage und das europäische Staatensystem 1815-1871, 3. A. 2010; Hahn, H. u. a., Reformen, Restauration und Revolution, 2010; Schmidt, S., Der Frankfurter Wachensturm, 2011 (3. 4. 1833); Gruner, W., Der Deutsche Bund 1815-1866), 2012; Jansen, S., Die Souveränität der Gliedstaaten im Deutschen Bund, 2014

Deutscher Juristentag ist der 1860 auf Vorschlag der juristischen Gesellschaft zu Berlin gegründete, früh Nationsbildung durch Rechtsvereinheitlichung und Rechtsverein­heit­li­chung durch Nationsbil­dung anstrebende Verein deutscher Juristen mit dem Zweck, auf wissenschaftlicher Grundlage die Notwen­digkeit von Ände­rungen und Ergänzungen der deutschen Rechtsordnung (bürgerliches Recht, Handels­recht, Wechselrecht, Straf­recht, Prozessrecht, 1906 Verwaltungs­recht, 1921 Verfassungs­recht) zu untersuchen bzw. seit 1921 das Recht parteipolitisch unabhän­gig fortzubil­den. An seine Stelle tritt 1933 der 1928 gegründete Bund nationalsozialistischer deutscher Juristen, 1936 der nationalso­zialistische Rechtswahrerbund. 1949 wird der deutsche Jurstentag wieder tätig. Seit 2001 führen deutscher Juristentag, österreichischer Juristentag und Schweizer Juristenverein einen europäischen Juristentag (in Nürnberg, Athen, Wien, Genf, Budapest, Luxemburg  u. s. w.) durch.

Lit.: Conrad, H., Der deutsche Juristentag 1860-1960, (in) Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Bd. 1 1960, 1; Dilcher, G., Der deutsche Juristentag 1960 bis 1980, 1980; Landau, P., Die deutschen Juristen und der nationalsozialistische Juristentag 1933, 1996; Conrad, H. u. a., Der Deutsche Juristentag 1860-1994, 1997; Hartwich, E., Der deutsche Juristentag, 2008; Festschrift 150 Jahre deutscher Jurstentag, hg. v. Deutschen Juristentag, 2010­

Deutscher Orden ist die im Februar 1199 (durch Papst Innozenz III. unter Verleihung der Johanniterregel für die karitativen Aufgaben und der Templerregel für die militärischen Tätigkeiten) aus einer Lübeck-Bremer Spitalsbruderschaft (erster Ansatzpunkt Marienhospital in Jerusalem zwischen 1118 und 1127, [fortgeführt?] 1190 Hospital vor Akkon, September 1190 Privileg König Guidos von Jerusalem, Februar 1191 päpstlicher Schutz, Juli 1191 Hospital in der rückeroberten Stadt) zu einem geistlichen (Ritter-)Orden mit Sitz in Montfort bei Akkon umgeformte Vereinigung. Von 1211 bis 1225 wirkt der Deutsche Orden auf Anforderung König Andreas’ II. von Ungarn in Siebenbürgen (Burzenland). 1225/1226 ruft Herzog Konrad von Masowien den Deutschen Orden gegen die heidnischen Pruzzen zu Hilfe und überlässt ihm dafür 1230 das Kulmer Land (zwischen 1228 und 1309 590 Brüden in Preußen nachweisbar). Der 1226 mit reichsfürstlichen Rechten begabte Deutsche Orden, der nach dem Verlust Akkons 1291 seinen Sitz nach Venedig, 1309 nach Marienburg in Westpreußen und (nach der Niederlage bei Tannenberg/Grunwald 1410) 1457 nach Königsberg verlegt, erreicht durch umfangreiche Eroberungen zu Beginn des 15. Jh.s die größte Ausdehnung, muss aber 1466 durch seinen Hochmeister die Schirm­herrschaft des Königs von →Polen anerkennen. Die Güter im Mittelmeerraum gehen verloren. 1525/1561 wird das Deutsch­ordensgebiet in Preußen in das Herzogtum Preußen und Kurland umgewandelt, das 1618/1619 mit Brandenburg in Personalunion vereinigt und 1657/1660 vertraglich von der Lehnshoheit Polens befreit wird. 1803 bleibt der Deutsche Orden im Reich, wo er durch zahlreiche einzelne Gaben zu beträchtlichen, vom Deutschmeister (1494 Reichsfürst) verwalteten Gütern gekommen war, bestehen. 1809 wird das 1805 aus dem Deutschen Orden geschaffene Fürstentum Mergentheim von Napoleon beseitigt, so dass dem Deutschen Orden unter dem Hochmeister Anton Viktor von Österreich nur die Häuser im Habsburgerreich verbleiben. 1834 wird in Österreich der Deutsche Orden unter Erzherzögen als Hoch- und Deutschmeistern wiederbelebt. Nach Ende der Herrschaft der Habsburger in Österreich (1918) wird 1923 der Ritterbruderzweig abgeschafft, während die geistliche und karitative Tätigkeit fort­geführt wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 93; Köbler, Historisches Lexikon; Müller, G., Die Ursachen der Vertreibung des deutschen Ordens aus dem Burzenlande und Kumanien, Korrespondenzblatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde 48 (1925), 41; Stengel, E., Hochmeister und Reich, ZRG GA 58 (1938), 178; Milthaler, F., Die Großgebietiger des deutschen Ritterordens bis 1440, 1940; Schmidt, G., Die Handhabung der Strafgewalt gegen Angehörige des deutschen Ordens, 1954; Hofmann, H., Der Staat des Deutschmeisters, 1964; Forstreuter, K., Der Deutsche Orden am Mittelmeer, 1967; Wunder, H., Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte der Komturei Christburg, 1968, Kisch, G., Forschungen und Quellen zur Rechts- und Sozialgeschichte des Deutschordenslandes, 1973; Tumler, M./Arnold, U., Der Deutsche Orden, 1974, 4. A. 1986; Boockmann, H., Johannes Falkenberg, 1975; Sperling, F., Gerichtsorganisation und Prozesspraxis des Mergentheimer Stadtgerichts unter dem Deutschen Orden von 1780-1801, 1981; Boockmann, H., Der Deutsche Orden, 1981, 4. A. 1994; Neitmann, K., Die Staatsverträge des Deutschen Ordens in Preußen 1230-1449, 1986; Braasch-Schwersmann, U., Das Deutschordenshaus Marburg, 1989; Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190-1994, hg. v. Arnold, U., 1998; Militzer, K., Von Akkon zur Marienburg, 1999; Zimmermann, H., Der Deutsche Orden im Burzenland, 2000; Demel, B., Der Deutsche Orden im Spiegel seiner Besitzungen und Beziehungen in Europa, 2004; Militzer, K., Die Geschichte des Deutschen Ordens, 2005; Demel, B., Unbekannte Aspekte der Geschichte des Deutschen Ordens, 2006; Sarnowsky, J., Der Deutsche Orden, 2007; Ehlers, A., Die Ablasspraxis des Deutschen Ordens im Mittelalter, 2007; Morton, N., The Teutonic Knights in the Holy Land, 2009; Salch, D., Vestis Alba et Crux Nigra, 2010; Demel, B., 1190-2010 - 820 Jahre Deutscher Orden, 2011; Dorna, M,, Die Brüder des Deutschen Ordens in Preußen 1228-1309. Eine prosopgraphische Studie, 2012 (590); Generalprobe Burzenland, hg. v. Gündisch, K., 2013

Deutscher Rechtshistorikertag ist die auf Anregung Heinrich Mitteis‘ in Heidelberg 1927 erstmals zusammengetretene Versamm­lung der deutschsprachigen oder an der Rechtsgeschichte Deutschlands interessierten Rechtshistoriker. Diesem Treffen folgen Tagungen in Göttingen 1929, Jena 1932, Köln 1934, Tübingen 1936, (Marburg 1947,) Heidelberg 1949, Wien 1951, Würzburg 1952, Hamburg 1954, Freiburg im Breisgau 1956, München 1958, Saarbrücken 1960, Mainz 1962, Wien 1964, Basel 1966, Münster 1968, Salzburg 1970, Nürnberg-Erlangen 1972, Tübingen 1974, Linz 1976, Berlin 1978, Augsburg 1980, Zürich 1982, Graz 1984, Frankfurt am Main 1986, Bielefeld 1988, Nimwegen/­Nijmegen 1990, Köln 1992, Bern 1994, Wien 1996, Regensburg 1998, Jena 2000, Würzburg 2002, Bonn 2004, Halle 2006, Passau 2008, Münster 2010 und Luzern 2012. Seit 1994 gibt es auch ein jährlich tagendes europaweites Forum junger Rechtshistoriker zwecks wissenschaft­lichen Austauschs.

Deutscher Richterbund ist eine privatrechtliche Vereinigung der deutschen Richter.

Lit.: Wrobel, H., Der Deutsche Richterbund im Jahre 1933, Krit. Justiz 1982, 323

Deutsches Privatrecht ist allgemein das in Deutschland geltende Privatrecht und herkömmlicherweise eingeengt das ältere aus germanistischer, also nicht aus römischrecht­licher oder kirchenrechtlicher Wurzel stam­mende, vor Schaffung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900) auch ohne gesetz­geberischen Akt unmittelbar geltende Privatrecht in Deutschland. In diesem engeren Sinn wird es als wissenschaftlich erfassbare Einheit vielleicht seit dem Spätmittelalter (z. B. Lüneburg 1401) gesehen, jedoch insgesamt erst anerkannt, als Hermann →Conring (1635/1643) den Ursprung des deutschen Rechtes (De origine iuris Germanici) erörtert und 1649 eine geschlossene Darstellung des gesamten tatsächlich im Heiligen römischen Reich geltenden Rechtes fordert, wie sie etwa Georg Adam Struves Iurisprudentia Romano-Germanica (Römisch-deutsche Rechtswissen­schaft, 1670) oder Joachim Hoppes Commen­tatio succincta zu den Institutionen Justinians (1715) bieten. In Gegenüberstellung zu dem durch gewohnheitsrecht­lichen Vorgang aufge­nommenen gemeinen römischen (Privat-)­Recht wird das gemeine deutsche Privatrecht zuerst 1675 durch Johann →Schilter (1632-1705) erfasst und seit 1701 bzw. 1705 durch Christian →Thomasius (1655-1728), der in seinen 1713 erschienenen (lat. [F.Pl.]) Notae ad singulos Institutionum et Pandectarum titulos (Bemerkungen zu den einzelnen Titeln der Institutionen und Pandekten) alles nichtrezipierte römische Recht ausscheidet, auf Grund der Reichsgesetze und deutschen Gewohnheiten behandelt und vorgetragen (lat. [F.Pl.] Institutiones iuris Germanici, Ein­richtungen des deutschen Rechtes) und nach Vorlesungen seit 1707 erstmals von Georg →Beyer (1665-1714) in einem posthum von Michael Heinrich Gribner veröffentlichten Leitfaden (nach der romanistischen Syste­matik der Institutionen) dargestellt (z. B. Recht des Adels, der Kaufleute und Hand­werker, Leibeigene, morganati­sche Ehe, Einkindschaft, Hand muss Hand wahren, Erbvertrag, Gerade, Morgengabe, Musteil, Leibgedinge, Versicherungsvertrag, Retraktsrecht, Verlobung, Ehe, Adoption, Emanzipation, Einlager, Majorat, Fideikom­miss, Ganerbschaft, Gesellschaft, Emphyteu­se, Überbau, Schenkung). Danach wird es im 18. Jh. teils antiquarisch, teils praktisch ausgerichtet (vgl. z. B. Heineccius, Johann Gottlieb [1681-1741], Elementa iuris Germanici 1735ff., Pütter, Johann Stephan [1725-1807], Elementa iuris Germanici privati hodierni, Elemente des heutigen deutschen Privatrechts, 1756, Runde, Justius Friedrich [1741-1807] 1791, weiter später Eichhorn [1823], Mittermaier [1821] Reyscher [1837ff.], Beseler [1847ff.], Gerber [1848f.], Stobbe [1871], Gierke [1895ff.] u. a.) Als wissen­schaftliches Prinzip des deutschen Privat­rechts gilt dabei zunächst die (unge­fähre) Übereinstimmung (unterschied­lichster) parti­kulärer Rechtssätze (z. B. Pütter), dann die aus den Rechtsverhältnissen vermöge der natürlichen Vernünftigkeit abstrahierte Regel (Natur der Sache, z. B. Runde) und danach die gemeinsame Nationaleigen­tümlichkeit und Volkssitte (z. B. Eichhorn). Der Ansicht Carl Friedrich →Gerbers (1846), dass das auf Freiheit und Fehderecht zu gründende deutsche Privatrecht nur eine wissenschaftlich gewonnene, nicht unmittelbar anwendbare Summe von Rechtssätzen sei, widersprechen Georg →Beseler (Volksrecht) und Otto von →Gierke (gemeindeutsche Gewohnheiten). Mit der Schaffung des Bürgerlichen Gesetz­buchs (1900) hat diese, nicht durch einen überzeugenden Nachweis einer einheit­lichen Quelle eines gemeinen deutschen Privatrechts entschiedene Streitfrage ihre praktische Bedeutung verloren. Mehr und mehr wird das geschichtliche Privatrecht in seiner tatsäch­lichen Vielfalt sinnvollerweise insgesamt in die allgemeine Rechtsgeschichte eingefügt.

Lit.: Köbler, DRG 205; Gerber, C., Das wissenschaftliche Prinzip des gemeinen deutschen Privatrechts, 1846; Gierke, O. v., Deutsches Privatrecht, Bd. 1ff. 1895ff.; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Luig, K., Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, Ius Commune 1 (1967), 195; Luig, K., Die Theorie der Gestaltung eines nationalen Privatrechtssystems aus römisch-deutschem Rechts­stoff, (in) Wissenschaft und Kodifikation, 1974, 217; Kroeschell, K., Zielsetzung und Arbeitsweise der Wissenschaft vom gemeinen deutschen Privatrecht, (in) Wissenschaft und Kodifikation 1974, 249; Rückert, J. A. L. Reyschers Leben und Rechtstheorie 1801-1880, 1974; Schlosser, H., Das wissenschaftliche Prinzip der germanistischen Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 491; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981; Kroeschell, K., Verfassungsgeschichte und Rechtsgeschichte, Der Staat Beiheft 6 1983, 47; Dilcher, G./Kern, B., Die juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts und die Fachtradition der deutschen Rechtsgeschichte, ZRG GA 101 (1984), 1; Luig, K., Die sozialethischen Werte des römischen und germanischen Rechts in der Privatrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, (in) Wege europäischer Rechts­geschichte, 1987, 281; Luig, K., Begriff und Aufgabe des deutschen Privatrechts in der Sicht von Heinrich Mitteis, (in) Heinrich Mitteis nach hundert Jahren, 1991, 91; Scherner, K., Das deutsche Privatrecht und seine Darstellbarkeit, ZRG GA 118 (2001), 346; Dannhorn, W., Römische Emphyteuse und deutsche Erbleihe, 2003; Christian Thomasius (1655-1728), hg. v. Lück, H., 2006; Schäfer, F., Juristische Germanistik, 2008

Deutsches Recht ist allgemein das in Deutschland geltende Recht (Gesetzesrecht, Richterrecht, Gewohnheitsrecht) und in einem engeren Sinn das aus germanistischer Wurzel stammende Recht in Deutschland (vor allem in Gegensatz zu dem aus römischer Wurzel stammenden Recht in Deutschland), wobei mit Savigny teilweise das rezipierte römische Recht nach seiner Rezeption (im Sinne eines entlehnten Rechtes) (auf Grund des natürlichen Rechtsgefühls und der analogen Heranzie­hung römischrechtlicher Quellen) als d. R. angesehen wird. Wissenschafts­ge­schichtlich haben sich um d. R. besonders Hermann Conring (1643), Johann Schilter (1672), Christian Thomasius (1701), Johann Heinrich Christian von Selchow und Johann Stephan Pütter (1770) verdient gemacht.

Lit.: Deutsches Recht, 1934; Halban, A. v., Zur Geschichte des deutschen Rechtes in den Gebieten von Tschernigow und Poltawa, ZRG GA 19 (1898), 1; Kaindl, R., Zur Geschichte des deutschen Rechtes im Osten, ZRG GA 40 (1919), 275; Merk, W., Vom Werden und Wesen des deutschen Rechtes, 3. A. 1935; Jakowliw, A., Das deutsche Recht in der Ukraine, 1942; Kötzschke, R., Die Anfänge des deutschen Rechtes in der Siedlungsgeschichte des Ostens (Ius teutonicum), 1941 (SB Leipzig); Dahm, G., Deutsches Recht, 1951; Ebel, W., Deutsches Recht im Osten, 1952; Getz, H., Die deutsche Rechtseinheit im 19. Jahrhundert als rechtspolitisches Problem, 1966; Fließ, W., Die Begriffe germanisches Recht und deutsches Recht bei den Rechtshistorikern des 19. und 20. Jahrhunderts, Diss. Freiburg im Breisgau 1968 (masch.schr.); Krause, H., Der deutschrechtliche Anteil an der heutigen Privatrechtsordnung, JuS 1970, 313; Gudian, G., Zur Situation der Germanistik, ZRG GA 89 (1972), 215; Keller, O., Forschungsbericht - deutsches Recht im Osten, ZRG GA 129 (2012), 376

Deutsches Rechtswörterbuch ist das 1896 von einer Kommission der preußischen Akademie der Wissenschaften (Amira, Heinrich Brunner, Frensdorff, Gierke, Richard Schröder, Ernst Dümmler, Karl Weinhold) vorgeschlagene, alphabetisch ge­ordnete Wörterbuch der älteren deutschen Rechtesprache (der vor 1815 belegten Grundwörter und der vor 1700 belegten Zusammensetzungen), das von Heidelberg (Richard Schröder) aus seit 1914 erscheint, seit etwa 2000 (retro)digitalisiert ist und in 16 Bänden mit 120000 Stichwörtern bis 2036 abge­schlossen sein soll (2007 Band 11 Rat bis R/S, 2013 13 1/2 Schwefel-setzen).

Lit.: Wissenschaftliches Wörterbuch der deutschen Rechtesprache, ZRG GA 18 (1897), 211; Lemberg, I./Speer, H., Bericht über das deutsche Rechtswörter­buch, ZRG GA 114 (1997), 679; Speer, H., Rechts­sprachlexikographie und neue Medien, (in) Das Wort, 2002, 89; http;//www.deutsches-rechtswoerterbuch.de; Das Deutsche Rechtswörterbuch - Perspektiven, hg. v. Deutsch, Andreas, 2010

Deutsches Reich ist eine Bezeichnung für verschiedene verfassungsrechtliche Organisa­tionsformen der Deutschen. Dabei wird als erstes D. R. das aus dem fränkischen Reich im Laufe des 10. Jh.s erwachsene ostfränkische Königreich verstanden, das gegen die Jahrtausendwende anscheinend von Italien (Chronicon Venetum, Brixener Urkunde Heinrichs II. von 1020, Miracula Severi) ausgehend (lat.) regnum (N.) Teutonicum (D. R.) genannt wird. Es wird seit der Mitte des 12. Jahrhunderts (Lothar III., Konrad III.) hauptsächlich als römisches Reich, alsbald auch als heiliges Reich und 1474 als →Heiliges römisches Reich  bezeichnet und führt diesen Namen 1512 erstmals auch offiziell. Demgegenüber wird die frühere Benennung als D. R. erst wieder gegen sein Ende (1806) hin allgemein üblich. (Zweites) D. R. nennt sich danach ebenfalls der 1848/1849 vergeb­lich angestrebte, am Widerstand der partikularen Fürsten gescheiterte deutsche Nationalstaat. Für den Namen (zweites) D. R. entscheiden sich dann auch im Dezember 1870 die Staaten des Norddeutschen Bundes bei der Benennung des nach dem Sieg des Norddeutschen Bundes über Frankreich im deutsch-französischen Krieg vom 19. 7. 1870 bis 26. 2. 1871 (Kriegserklärung Frankreichs am 19. 7. 1870 wegen der Ablehung eines öffentlichen Verzichts auf eine Thronfolge in Spanien für die Zukunft durch Preußen) auf Betreiben Otto von Bismarcks am 15., 23. und 25. 11. 1870 mit Bayern, Württemberg, Baden und Hessen(-Darmstadt) auf neuen Grundlagen vereinbarten, am 1. 1. 1871 ins Leben tretenden bzw. erweiterten (str.) Bundesstaats (, dem Österreich, Luxemburg, Limburg und Liechtenstein fernbleiben). Dieses Deutsche Reich (540742 qkm, 56,37 Mill. Einwohner) umfasst (die 22 mo­narchischen Staaten) Preußen (65 Prozent oder fast 2/3 des Reichs­gebiets, 62 Prozent oder mehr als 3/5 der Reichsbevölkerung, tat­sächliche Vorrangstellung, seit etwa 1895 gegenüber der Reichsverwaltung allmählich schwindend), Bayern, Sachsen, Würt­temberg, Baden, Hessen, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg—Strelitz, Sachsen-Weimar-Eisenach, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Schaumburg-Lippe, Lippe, Sachsen-Mei­ningen, Sach­sen-Altenburg, Sachsen-Co­burg-Gotha, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarz­burg-Rudolstadt, Waldeck, Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, (die drei Stadtrepubliken) Bremen, Hamburg, Lübeck sowie (das am 10. 5. 1871 von Frankreich gewonnene, durch Gesetz vom 9. 6. 1871 vereinigte Reichsland) Elsass-Lothringen und seit 1884 als Nebenländer die überseeischen deutschen →Schutzge­biete (Kolonien) Südwest­afrika, Togo, Kamerun  u. s. w. Nach seiner am 16. 4. 1871 in Kraft tretenden Verfassung ist (in dieser eingeschränkten Monarchie) der Kaiser (König von Preußen) der (erbliche) Inhaber der Präsidialrechte. Träger der Souveränität ist die Gesamtheit der Fürsten und freien Städte (Bundesrat), die ihre starke Stellung aber auf dem Wege zu einem unitarischen Bundesstaat infolge der Reichsgesetzgebung allmählich verliert. Der Kaiser regiert durch den von ihm frei ernannten und entlassenen Reichskanzler (1871-1890 Otto von Bismarck), der jedoch alle Anordnungen gegen­zeichnen muss und dadurch die Verantwor­tung übernimmt (und dem die obersten Reichsbehörden bzw. Reichsämter untergeordnet sind). (Nach Ländergröße gewichteter) Bundesrat und Reichstag (all­gemeine, unmit­telbare, geheime Wahl wie in Frankreich und Griechenland und später auch anderen Staaten) beschließen (gleichrangig) die Gesetze, die dann der Kaiser ausfertigt und verkündet. Höchstes Gericht ist das Reichsgericht in Leipzig. Nach Entlassung des auf Ausgleich bedachten Reichskanzlers Bethmann Holl­weg entsteht eine Art Kriegsdiktatur (Generalfeldmarschall Paul von Hinden­burg, Stellvertreter Erich Ludendorf), bis am Ende des Oktober 1918 General Erich Ludendorf gestürzt wird. Am 9. 11. 1918 wird am Ende des ersten Weltkriegs ein Verzicht des Kaisers auf den Thron bekanntgegeben und von Philipp Scheide­mann im Rahmen des bestehenbleibenden Deutschen Reiches die Republik (Weimarer Republik) ausgerufen, die Adolf Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler (30. 1. 1933) rasch in das nationalsozialistische, totalitäre →Dritte (Deutsche) Reich (zentra­listischer Einheits­staat, nach dem Anschluss Öster­reichs 1938 inoffiziell, 1943 offiziell Groß­deutsches Reich) umge­staltet. Am 8. 5. 1945 bricht dieses Deutsche Reich mit der vollständigen Kapitulation gegenüber den alliierten Siegermächten des zweiten Weltkriegs zu­sammen. Nach herrschender Ansicht setzt die Bundesrepublik Deutschland das Deutsche Reich fort, ist also mit ihm rechtlich identisch.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 76, 172, 196, 220, 256; Jahrbücher des deutschen Reiches, Bd. 1ff. 1862ff.; Acta imperii, hg. v. Kern, F., 1911; Laband, P., Das Staatsrecht des deutschen Reiches, 1887, 5. A. 1911ff.; Brandenburg, E., Die Reichs­gründung, 2. A. 1924, Neudruck 2005; Handbuch des deutschen Staatsrechts, hg. v. Anschütz, G. u. a., 1930; Anschütz, G., Die Verfassung des deuschen Reiches vom 11. August 1919, 14. A. 1933; Herding, O., Das römisch-deutsche Reich in deutscher und italienischer Beurteilung, 1937; Tellenbach, G., Die Entstehung des deutschen Reiches, 1940, 2. A. 1942; Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3 1963; Müller-Mertens, E., Regnum Teutonicum, 1970; Brühl, C., Die Anfänge der deutschen Geschichte, 1972; Dokumente zur Geschichte des deutschen Reiches und seiner Verfassung 1349, hg. v. d. Akad. d. Wiss. d. DDR, 1974ff.; Eggert, W., Das ostfränkisch-deutsche Reich, 1975; Töpfer, B./Engel, E., Vom staufischen Imperium zum Hausmacht­königtum, 1976; Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 7. A. 1993; Hanisch, W., Als weit das Römische reiche in allen den egenanten Tewtschen landen begriffen ist, ZRG GA 101 (1984), 47; Schilling, Heinz, Höfe und Allianzen. Deutschland 1648-1763, 1989; Duchhardt, H., Altes Reich und europäische Staatenwelt, 1990; Ehlers, J., Die Ent­stehung des deutschen Reiches, 1994, 2. A: 1998, 3. A. 2010, 4. A. 2012; Fried, J., Der Weg in die Geschichte, 1994; Das Deutsche Reich im Urteil der großen Mächte, hg. v. Hildebrand, K., 1995; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005; Reitemeier, A., Außenpolitik im Spätmittelalter, 1999; Berghahn, V., Das Kaiserreich 1871-1914, 2003; Frie, E., Das deutsche Kaiserreich, 2004; Frotscher, W./Pieroth, B., Verfassungsgeschichte, 10. A. 2011, 11. A. 2012; Mertens, E., Römisches Reich im Besitz der Deutschen, HZ 282 (2006), 1; Zachau, P., Die Kanzlerschaft des Fürsten Hohenhlohe 1894-1900, 2007; Hildebrand, K., Das vergangene Reich, 2008; Röhl, W., Wilhelm II., Bd. 3 2008; Stalmann, v., Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst 1819-1901, 2009; Politische Versammlungen und ihre Rituale, hg. v. Peltzer, J. u. a., 2009; Wilhelm, U., Das deutsche Kaiserreich und seine Justiz, 2010; Obst, M., Einer nur ist Herr im Reiche - Kaiser Wilhelm II. als politischer Redner, 2010; Canis, C., Der Weg in den Abgrund, 2011; Winzen, P., Im Schatten Wilhelms II., 2011 (schwaches Werk); Kaiser Friedrich III. Tagebücher 1866-1888), hg. v. Baumgart, W., 2012 (sehr schwacher Herrscher); Kroll, F., Geburt der Moderne, 2013; Conze, E., Das Auswärtige Amt, 2013

Deutschland ist eine wohl im 14. Jh. durch Zusammenziehung aus (mhd.) daz diutsche lant entstandene allgemeine Bezeichnung für das Gebiet des →Deutschen Reiches bzw. das von Deutschen überwiegend besiedelte Gebiet.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gebhardt, B., Handbuch der deutschen Geschichte, 1891f., 3. A. 1906, 4. A. 1910, 5. A. 1913, 6. A. 1922f., 7. A. 1930, 8. A. 1954ff., 9. A., hg. v. Grundmann, H., 1970; Andreas, W., Deutschland vor der Reformation, 1932; Keyser, E., Bevölkerungsgeschichte Deutschlands, 1938; Kienast, W., Deutschland und Frankreich in der Kaiserzeit (900-1270), 1974f.; Raumer, K. v. u. a., Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, 1980; Deutschlands Grenzen, hg. v. Demandt, A., 3. A. 1993; Haverkamp, A., Aufbruch und Gestaltung, Deutschland 1056-1273, 1984; Moraw, P., Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, 1985; Angermeier, H., Deutschland zwischen Reichstradition und Nationalstaat, ZRG GA 107 (1990), 19; Nipperdey, T., Deutsche Geschichte 1866-1918, Bd. 1f. 1990ff.; Brühl, C., Deutschland – Frankreich, 1990; Baum, W., Reichs- und Territorialgewalt, 1994; Fried, J., Der Weg in die Geschichte, 1994; Steininger, R., Deutsche Geschichte seit 1945, 1996ff.; Ritter, G., Über Deutschland, 1998; Schulze, H., Kleine deutsche Geschichte, 1998; Staatliche Vereinigung – fördernde und hemmende Elemente in der deutschen Geschichte, hg. v. Brauneder, W., 1998; Reich oder Nation?, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 1998; Nationalatlas Bundes­republik Deutschland, hg. v. Institut für Länderkunde, Bd. 1ff. 1999ff.; Stürmer, M., Das Jahrhundert Deutschlands, 1999; Dirlmeier, U. u. a., Deutsche Geschichte, 1999; Laufs, A., Ein Jahrhundert wird besichtigt, JuS 2000, 1; Winkler, H., Der lange Weg nach Westen, Bd. 1f. 2000; Seibt, F., Das alte böse Lied, 2000; Föderative Nation. Deutschlandkonzepte von der Reformation bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Langewiesche, D. u. a., 2000; Kielmannsegg, P. Graf, Nach der Katastrophe, 2000; Küsters, H., Der Integrationsfriede, 2000; Green, A., Fatherlands – State Building and Nationhood in Nineteenth Century Germany, 2001; Holste, H., Der deutsche Bundesstaat im Wandel (1867-1933), 2001; Laufs, A., Ein Jahrhundert wird besichtigt – Rechtsentwicklungen in Deutschland im 20. Jahrhundert, ZRG GA 118 (2001), 1; Kocka, J., Das lange 19. Jahrhundert, 2001; Köhler, H., Deutschland auf dem Weg zu sich selbst, 2002; Fenske, H., Deutsche Geschichte, 2002; Schabert, T., Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit, 2002; Plato, A. v., Die Vereinigung Deutschlands, 2002; Lexikon der deutschen Geschichte von 1945 bis 1990, hg. v. Behnen, M., 2002; Holste, H., Der deutsche Bundesstaat im Wandel, 2002; Deutschland 1949-1989, hg. v. Elvert, J. u. a., 2003; Wolfrum, E., Die Deutschen im 20. Jahrhundert, 2004; Goertz, H., Deutschland 1500-1648, 2004; Grigoleit, K., Bundesverfassungsgericht und deutsche Frage, 2004; Pagenkopf, O., Die Hauptstadt in der deutschen Rechtsgeschichte, 2004; Ehmer, J., Bevölkerungsge­schichte und historische Demographie 1800-2000, 2004; Weichlein, S., Nation und Region, 2004; Rexroth, F., Deutsche Geschichte im Mittelalter, 2005; Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert, hg. v. Schildt, A., 2005; Book, A., Die Justizreform in der Frühzeit der Bundesrepublik, 2005; Wolfrum, E., Die Bundesrepublik Deutschland (1949-1990), 2005; Helm, I. u. a., Die Geschichte Norddeutschlands, 2005; Driftmann, M., Die Bonner Deutschlandpolitik 1989/1990, 2005; Weber-Fas, R., Epochen deutscher Staatlichkeit, 2006; Kühne, J., Zu Veränderungs­möglichkeiten der Oder-Neiße-Linie nach 1945, 2006, 2. A. 2008; Glaser, R. u. a., Geographie Deutschlands, 2007; Wagner, A., Die Entwicklung des Lebens­standards in Deutschland zwischen 1920 und 1960, 2008; Langewiesche, D., Reich, Nation, Föderation, 2008; Das Deutsche Kaiserreich in der Kontroverse, hg. v. Müller, S. u. a., 2009; Rödder, A., Deutschland einig Vaterland, 2009; Uhl, M., Die Teilung Deutschlands, 2009; Gehler, M., Deutschland, 2010; Staat und Recht in Teilung und Einheit, hg. v. Krüper, J. u. a., 2011; Müller, C., US-Truppen und Sowjetarmee in Deutschland, 2011; Mittler, G., Geschichte im Schatten der Mauer, 2011; Stangel, M., Die Neue Linke und die nationale Frage, 2013

Deutschlandvertrag ist der das Besatzungsstatut der westlichen alliierten Siegermächte für ihre Besatzungszonen aufhebende Vertrag der Westmächte mit der Bundesrepublik Deutschland vom 26. 5. 1952/5. 5. 1955. Er löst die →Alliierte Hohe Kommission auf und schreibt der Bundes­republik Deutschland die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten zu.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Die Rechtsstellung Deutschlands, hg. v. Rauschning, D., 1985; Kohl, H., Ich wollte Deutschlands Einheit, 1996

Deutschösterreich ist (im 19. Jh. die inoffizielle Bezeichnung für die deutsch­sprachigen Gebiete Österreich-Ungarns und danach) die am 30. Oktober 1918 (str., Staatsgründungsbeschluss) ent­standene, am 12. 11. 1918 (Beschluss über die republi­kanische Regierungs- und Staatsform) von der provisorischen Nationalversammlung der deutschsprachigen Teile →Österreichs ausgerufene Republik, die ein Bestandteil der Deutschen Republik sein und nach dem Grundsatz der Selbstbestimmung das geschlossene Siedlungsgebiet der Deutschen innerhalb der bisher im Reichsrat Österreichs vertretenen Königreiche und Länder umfassen soll (einschließlich Deutschsüdmähren, Deutsch­südböhmen, Sudetenland, Brünn, Iglau, Olmütz). Der am 10. 9. 1919 zwischen Österreich und den alliierten Mächten geschlossene Friedensvertrag von Saint Germain-en-Laye schließt dies auf Grund der Interessen der nichtdeutschen Mächte in Art. 88 aus bzw. macht es von der Zustimmung des Völkerbunds abhängig. Das Deutsche Reich anerkennt im Friedensvertrag von Versailles vom 28. 6. 1919 notwendigerweise die Unabhängigkeit Öster­reichs. Mit Gesetz vom 21. 10. 1919 ändert Österreich seinen Namen in Republik Österreich und lehnt die Rechtsnachfolge nach der Monarchie (nochmals) ab.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher; Merkl, A., Die Verfassung der Republik Deutschösterreich, 1919; Brauneder, W., Eine Republik entsteht, 1999; Brauneder, W., Deutsch-Österreich 1918, 2000; Krämer, K., Die Bestrebungen für einen Zusammenschluss zwischen Österreich und Deutschland, Diss. phil. Hannover 2003

Deutschtirol ist im Gegensatz zu Welschtirol der deutschsprachige Teil der ver­schiedensprachige Gebiete unter einer Herrschaft zusammenfassenden Grafschaft Tirol. D. reicht südlich bis zur Salurner Klause.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter, 1903; Stolz, O., Deutschtirol, 1910; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 1983, 2. A. 1988, 3. A. 2001

Devestierung ist im kirchlichen Recht die das Gegenstück zur sichtbar gemachten Bekleidung (Investierung oder Investitur) mit einem Amt bei dessen Übertragung bildende, ebenfalls sichtbar gemachte Entkleidung von dem Amt bei dessen Entzug (z. B. Papst Formosus 897, Petrus Leonis 1139, Jan Hus auf dem Konstanzer Konzil 1414-1418, Alfred Dreyfus Frankreich 1894). In der Gegenwart wird die D. nicht mehr durchgeführt.

Lit.: Kober, F., Die Deposition und Degradation, 1867

Devolution ist der Übergang eines Rechtes von einer Person auf eine andere, insbesondere in der Kirche der Übergang des Rechtes zur Verleihung eines Amtes auf den nächsthöheren Oberen, wenn der an sich zuständige Berechtigte sein Recht nicht oder nicht rechtmäßig ausübt. Die D. findet sich bereits bei Justinian. Seit dem 13. Jh. schränkt die Kirche den Anwendungsbereich ein.

Lit.: Ebers, G., Devolutionsrecht, 1906, Neudruck 1965; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972, 343

Dezemberverfassung ist in →Österreich eine Gesamtheit von sechs am 21. 12. 1867 erlassenen Gesetzen (Gesetz über die Ministerverantwortlichkeit, Staatsgrundgesetz über die Reichsvertretung [Novellierung des Grundgesetzes der Februarverfassung von 1861 mit Herrenhaus, Abgeordnetenhaus, kaiserlichem Vetorecht und Notverordnungs­recht], Staatsgrundgesetz über die allge­meinen Rechte der Staatsbürger [übernimmt Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit und Gesetz zum Schutz des Hausrechts aus dem Jahr 1862], Staatsgrundsetz über die Einsetzung eines Reichsgerichts [verfas­sungsgerichtliche und verwaltungsgericht­liche Zuständigkeiten des Reichsgerichts), Staatsgrundgesetz über die richterliche Gewalt [Trennung von Rechtspflege und Verwaltung, Unabhän­gig­keit des Richters, Mündlichkeit, Öffent­lichkeit, Anklagever­fahren, Geschwo­re­nen­gerichte, Ankündigung eines Verwaltungsge­richtshofs], Staatsgrund­gesetz über die Ausü­bung der Regierungs- und Vollzugsgewalt [z. B. Bindung an die Gesetze], Delegationsgesetz über das Verhältnis zwischen der österreichischen und der ungarischen Reichshälfte und deren Beziehung zum gemeinsamen Monarchen), die einen Reichsrat mit Herrenhaus und Abgeordnetenhaus, Grund­rechte in 19 Artikeln, ein Reichsgericht als Verfassungs­gerichtshof, Trennung von Ver­waltung und Justiz u. a. vorsehen.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/­VerfOe­Dezem­ber1867.doc; Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher; Haider, B., Die Protokolle des Verfassungsausschusses des Reichsrates von 1867, 1997

Dezennalrezess ist der zehn Jahre laufende Steuerbewilligungsbeschluss der Landstände, den Maria Theresia seit 1749 (außer in Kärn­ten) in ihren Ländern politisch erzwingt.

Dezision (F.) Entscheidung, Urteil

Diakon (Lehnwort aus dem Griechischen, „Diener, Helfer“) ist in der Antike ein dem Bischof untergeordneter Diener oder Gehilfe, danach eine Vorbereitungsstufe (Weihegrad) auf dem Weg zur Priesterschaft. In der protestan­tischen Kirche gewinnt der D. seit dem 19. Jh., in der katholischen Kirche seit dem zweiten Vatikanischen Konzil an Bedeutung. Hier ist der D., der auch verheiratet sein kann, ermächtigt, viele liturgische Handlungen selbständig vorzunehmen (ausgenommen Eucharistie und Bußsakramenterteilung).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Reynolds, R., The Ordinals of Christ, 1978; Der Diakon, hg. v. Plöger, J. u. a., 1980; Landau, P., Officium und libertas christiana, 1991; Will, J., Die Rechtsverhältnisse zwischen Bischof und Klerus im Dekret des Bischofs Burchard von Woms, 1992; Handbuch Geschichte der deutschen evangelischen Diakonie, hg. v. Kaiser, J., 2000

Dialogus (M.) de scaccario (lat.) des Schatzmeisters Richard von Ely (um 1178) ist ein Lehrgespräch (Dialog) zwischen Lehrer und Schüler über die vom Schatzamt (lat. [N.] scaccarium, engl. exchequer) in Finanz­angelegenheiten angewandten Rechtssätze des englischen Rechtes.

Lit.: Busz, H., Zur Entstehungsgeschichte des Scaccarium, ZRG GA 35 (1914), 437; Richard von Ely, Dialog über das Schatzamt, übers. v. Siegrist, M., 1963; Dialogus de Scaccario, hg. v. Carter, F. u. a., 1983

Diät ist ursprünglich die geregelte Lebens­weise oder der Aufenthaltsort. Diäten sind seit dem 20. Jahrhundert die Entschädigung des Ab­geordneten für die von ihm für politische Arbeit aufgewandte Zeit (Gesetz des Deutschen Reiches vom 21. 5. 1906).

Lit.: Butzer, H., Diäten und Freifahrt, 1999; Urban, N., Die Diätenfrage, 2003

Dichterkrönung ist die von 1315 (Albertino Mussato Universität Padua) bis 1804 (Karl Reinhard) nachweisbare Ehrung von Dichtern durch Krönung seitens der Päpste und Fürsten.

Lit.: Broadus, E., The Laureateship, 1921; Konrad Celtis und Nürnberg, hg. v. Fuchs, F., 2004

Dictatus (M.) papae (lat.) sind fünf im ersten und zweiten Buch des Registers der Briefe Papst Gregors VII. als D. p. bezeichnete Stücke bzw. genauer 27 undatierte Sätze Gregors VII. (1073-1085), die zwischen zwei Briefen vom 3. und 4. März 1075 in das Register eingetragen sind und ohne erkennbare Ordnung Vorrang und Vorrechte der römischen Kirche und des Papstes betonen, jedoch keine zeitgenössische Wirk­sam­keit entfalten.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Caspar, E., Das Register Gregors VII., (in) Monumenta Germaniae Historica, Epistolae selectae Bd. 2,1 1920, 201; Hofmann, K., Der Dictatus papae, 1933; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Hoffmann, H., Zum Register und zu den Briefen Papst Gregors VII., DA 32 (1976), 86; Fuhrmann, H., Papst Gregor VII. und das Kirchenrecht, Studi Gregoriani 13 (1898), 123

Dieb ist der Täter des →Diebstahls.

Lit.: Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001; Siciliano, D., Das Leben des fliehendenDiebes, 2003, 2. A: 2013

Diebstahl ist die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache in der Absicht, sich (oder einem Dritten) dieselbe rechtswidrig zuzu­eignen (bzw. ganz allgemein eine Form von Vermögensschädigung). Im altrömischen Recht hat die Sachentziehung (lat. [N.] furtum) grundsätzlich die Leistung des Doppelten des Wertes und die Infamie zur Folge. In der klassisch-römischrechtlichen Zeit wird der D. zunehmend öffentlich verfolgt und mit Strafe geahndet. Justinian betont daneben den Ausgleich mit dem Doppelten. Im Mittelalter wird zunächst der D., dessen Kennzeichen die Heimlichkeit ist, mit einer →Buße geahndet. Mit der Landfriedensgesetzgebung wird der große D. mit der →Todesstrafe (Hängen), der kleine D. mit der →Leibesstrafe (Haut und Haar) bedroht, wobei die Grenze zwischen groß und klein an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten verschieden gesetzt wird. Die →Constitutio Criminalis Carolina (1532) scheidet D., Raub und Unterschla­gung, doch setzt sich dies nicht vollständig durch und werden D. und rezipiertes (lat. [N.]) futum vielfach vermengt. Erst in der ersten Hälfte des 19. Jh.s wird der D. endgültig eingeengt und die Todesstrafe für D. allmählich beseitigt. 1851 wird in Preußen auch die Trennung von großem D. und kleinem D. aufgegeben.

Lit.: Kaser § 51 I; Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 27, 48, 65, 86, 119, 158; Hälschner, H., System des preußischen Strafrechts, 1868, 2, 388ff.; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931, 459ff.; Fischer, H., Der Diebstahl in den Volksrechten, 1942; Janßen, H., Der Diebstahl, Diss. jur. Göttingen 1969; Hagemann, H., Vom Diebstahl im altdeutschen Recht, FS H. Krause 1975, 1; Wirtz, H., Versuch und Vollendung beim einfachen Diebstahl in Rechtsprechung und Dogmatik der Partikularrechte, Diss. jur. Kiel 1976; Stackmann, N., Die Recht­sprechung des preußischen Obertribunales zum Diebstahl, Diss. jur. München 1989; Schnyder, S., Tötung und Diebstahl, 2010

Dienst (Wort germanisch) ist die Tätigkeit eines Menschen für einen anderen. Die Grundlage hierfür ist ver­schieden, kann aber in einem →Dienstvertrag bestehen.

Lit.: Steuern, Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer, E., 1994; Biographisches Handbuch des deutschen auswärtigen Dienstes 1871-1945, hg. v. Auswärtigen Amt, Bd. 1ff. 1999ff.; Concepts and Patterns of Service in the Later Middle Ages, hg. v. Curry, A. u. a., 2000; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Dienstadel ist der durch Dienst für einen Herren entstehende Adel z. B. der zunächst unfreien Dienstmannen aber auch ursprüng­lich Freier im ausgehenden Frühmit­telalter.

Lit.: Bosl, K., Die Reichsministerialität, 1950/1; Witzel, W., Die fuldischen Ministerialen, 1989; Derschka, H., Die Ministerialen des Hochstiftes Konstanz, 1999; Hechberger, W., Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter, 2005

Dienstbarkeit (Wort 1307, Wiedergabe von Servitut) ist das beschränkte dingliche Recht an einer Sache, das den Eigentümer in einzelnen Beziehungen in der Benutzung der Sache oder in der Ausübung seiner Rechte zu Gunsten eines anderen oder des Berechtigten eines anderen Sache beschränkt. In dieser Beziehung kennt das altrömische Recht bereits (lat. [N.]) iter (Pfad), (M.) actus (Trift), (F.) via (Weg) und (M.) aquaeductus (Wasserleitung), die als handgreifbare Sachen (lat. [F.Pl.] res mancipi) behandelt werden. Dabei werden eine in einem Tun bestehende D., eine D. an einer eigenen Sache und die Ersitzung einer D. abgelehnt. Spätestens Justinian (527-565) lässt auch die Personalservitut zu. Nach diesen römischen (F.Pl.) servitutes finden sich verschiedene beschränkte dingliche Nut­zungsrechte vor allem an Liegenschaften seit dem Hochmittelalter auf unterschiedlicher Grund­lage. Seit dem Spätmittelalter werden die römischen Regeln über Servituten in abgeänderter Form aufgenommen. Danach kann jede Nutzung beliebiger Art Gegenstand einer D. sein, auch ein Tun (sog. deutschrechtliche D.). Sie kann sogar dem Eigentümer der Sache zustehen. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Öster­reichs (1811/1812) folgt weitgehend dem römischen Recht.

Lit.: Kaser § 28; Hübner; Köbler, DRG 26, 125, 163; Naendrup, H., Zur Geschichte deutscher Grund­dienstbarkeiten, 1900; Birzer, B., Altrechtliche Dienstbarkeit in der Oberpfalz, Diss. jur. Regensburg 1998; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Dienstleistung ist die Leistung einess Dienstes für einen anderen durch einen.

Lit.: Dienstleistungen, hg. v. Gilomen, H. u. a., 2007

Dienstmann ist im Mittelalter der durch Dienst allmählich in den Adel aufsteigende Unfreie. Dies ist sowohl im Dienst des Königs (Reichsdienstmann) wie auch im Dienst eines anderen Herrn möglich. Im 19. Jh. ist D. die Bezeichnung eines amtlich angestellten Gepäckträgers.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Loesch, H. v., Das kürzere Kölner Dienstmannenrecht, ZRG GA 44 (1924), 298; Haendle, O., Die Dienstmannen Heinrichs des Löwen, 1930; Bumke, J., Studien zum Ritterbegriff, 1964, 2. A. 1977; Jendorff, A., Verwandte, Teilhaber und Dienstleute, 2003

Dienstrecht ist das für eine Diensttätigkeit geltende Recht. Im Mittelalter gibt es für die Dienstmannen eines Herrn verschiedentlich ein besonderes, manchmal schriftlich nie­dergelegtes Recht (z. B. Limburg 1035, Bischof von Bamberg [1057-64], St. Maximin bei Trier, Grafen von Ahr, Erzbischof von Köln [um 1154], Bischof von Basel, Grafen von Tecklenburg), das mit dem Aufstieg der Dienstmannen in den niederen Adel im allgemeinen Lehnrecht aufgeht. In der jüngeren Neuzeit ist unter D. vor allem das Recht des öffentlichen d. h. staatlichen Dienstes zu verstehen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Loesch, H. v., Das kürzere Kölner Dienstmannenrecht, ZRG GA 44 (1924), 298; Stech, L., Die Dienstrechte von Magdeburg und Hildesheim, Diss. jur. Göttingen 1965

Dienstvertrag (Wort 1794) ist der gegen­seitige Vertrag, in dem sich der eine Teil (Dienstverpflichteter) zur Leistung verein­barter Dienste irgendeiner Art, der andere Teil (Dienstberechtigter) zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Im klassischen römischen Recht gehört dieser Vertrag zu der Gruppe von Verhältnissen, die in dem in seiner Vorgeschichte unklaren Konsensualkontrakt (lat.) →locatio conductio ([F.] Hinstellung - Mitführung) zusam­mengefasst sind (→locatio conductio ope­rarum, locator ist Dienst­nehmer, conductor ist Dienstgeber, grundsätzlich auf bestimmte Zeit gegen Ent­gelt). Er hat deswegen nur einen geringen Anwendungsbereich, weil die häufigen Dienste der Sklaven auf Grund des Sklavenstatus erbracht werden und höhere Dienste (lat. artes [F.Pl.] liberales) nicht durch Entgelt entlohnt, sondern durch Ehrengaben (lat. [N.] honorarium) anerkannt werden. Auch im Frühmittelalter werden Dienste am ehesten auf Grund grundherrschaftlicher Abhängigkeit oder lehnsrechtlicher Verbin­dung geleistet. Diese personen­recht­lichen Abhängigkeitsver­hältnisse werden nur in der hochmittelalterlichen Stadt durch den D. ersetzt (Gesinde, Gesellen). In der frühen Neuzeit werden auch höhere Dienste entgeltlich. Das 19. Jh. hebt die personen­rechtlichen Abhängigkeitsverhältnisse auf, regelt den D. im Wesentlichen römisch­rechtlich und erhofft sich vom freien Spiel der Kräfte den gerechten Ausgleich (z. B. §§ 611ff. BGB). Da dieser wegen der ungleichen Gewichtigkeit von Dienstgeber und Dienstnehmer ausbleibt, entwickelt sich der besondere →Arbeitsvertrag für das abhän­gige, fremdbestimmte Dienstverhältnis, so dass der D. sich auf wenige Anwen­dungs­fälle beschränkt.

Lit.: Kaser § 42; Söllner §§ 10, 17; Hübner; Köbler, DRG 45, 127, 166, 215, 240, 271; Gierke, O., Die Wurzeln des Dienstvertrags, FS H. Brunner, 1914, 37; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht im deutschen Mittelalter, 1934; Schmelzeisen, G., Die Ar­beitsordnungen in den jüngeren Berggesetzen, ZRG GA 72 (1955), 111; Schröder, R., Zur Arbeitsver­fassung des Spätmittelalters, 1984; Amann, P., Abgrenzung und Anwendungsbereich von Dienst­vertrag, Werkvertrag und Auftrag in der Ent­steh­ungs­­geschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Diss. jur. Bielefeld 1987; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010: Stähler, M., Der freie Dienstvertrag in der Rechtspre­chung seit 1900, 2010

Diepholz

Lit.: Moormeyer, W., Die Grafschaft Diepholz, 1938

Dies interpellat pro homine (lat., der Termin mahnt für den Menschen) ist eine Regel des Rechtes des Verzugs, die sich für das klassische römische Recht nicht nachweisen lässt. Nach mittelalterlichem deutschem Recht muss der Schuldner eine Verbindlichkeit, deren Fälligkeit durch eine Zeitangabe bestimmt ist, an diesem Zeitpunkt erfüllen. Hieraus bildet der (lat.) →usus (M.) modernus pandectarum den Satz d. i. p. h., der jedoch nicht überall anerkannt wird. Der Code civil (1804) lehnt ihn ab.

Lit.: Kaser § 37 II; Hübner 556ff.; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Gregor IX. um 1170-1241, Dekretalen 3, 18, 4, am Ende)

Die Tat tötet den Mann (d. h. der äußere Erfolg entscheidet, nicht die innere Ein­stellung).

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 315 (Simrock 1846); Schildt, B., Die Tat tötet den Mann, ZRG GA 114 (1997), 380

Dietrich von Bern →Theoderich

Dietrich von Bocksdorf →Bocksdorf, Dietrich von

Dietrich von Nieheim

Lit.: Dietrich von Nieheim, Viridarium imperatorum et regum Romanorum, hg. v. Lhotsky, A. u. a., 1956

Differentienliteratur ist die ansatzweise schon in der Spätantike vorhandene, dann von den Glossatoren verbreitete Vergleichslitera­tur zwischen den unterschiedlichen, gleichen Gerechtigkeitsgehalt ermöglichenden Lösun­gen verschiedener Rechte. Dabei wird insbesondere das römisch-weltliche Recht mit dem kirchlichen Recht oder mit den einheimischen Partikularrechten verglichen (z. B. Berhard Walther 1516-1584, Johann Baptist Suttinger 1662 [Consuetudines Austriacae], Nikolaus Beckmann 1634-1689, Johann Weingärtler 1674, Benedikt Finsterwalder).

Lit.: Köbler, DRG 143; Fontana, A., Amphitheatrum legale, 1688, Neudruck 1961, Teil III, 13; Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur, 1867, Neudruck 1957; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 1,345

Differenzgeschäft ist das auf der Preis­dif­ferenz zweier zu unterschiedlicher Zeit ge­schlossener Rechtsgeschäfte beruhende Rechtsgeschäft.

Lit.: Duderstadt, D., Spiel, Wette und Differenz­geschäft (§§ 762-764 BGB) in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2007

Digesten (Durchgearbeitetes) (oder Pandek­ten) sind (allgemein Gesamtdar­stel­lungen [des römischen Rechtes] und besonders) die (9142 bzw. 9950 Fragmente) Auszüge aus (mehr als 200 von fast 2000 noch vorhandenen) Schriften bzw. 1528 Büchern (wahrscheinlich 39) klassischer Rechtskun­diger des römischen Rechtes, die (im Umfang von vielleicht 1000354 Wörtern) der oströmische Kaiser Justinian 530/533 unter Beseitigung der unmittelbaren Geltung aller nicht erfassten Texte zum als Kompilation entstandenen Gesetz erhebt (16. 12. 533 [Constitutio Tanta] bzw. 30. 12. 533). Sie werden von einer Kom­mission vorbereitet, welcher der Rechts­kundige und Justizminister Tribonian vorsitzt und welcher die vier Professoren Dorotheus und Anatolius aus Berytos (Beirut) sowie Theophilus und Cratinus aus Konstantinopel, der magister officiorum und elf Anwälte angehören. Über die erstaunlich rasche Arbeitsweise besteht keine völlige Klarheit, doch wird seit Bluhme (1820) davon ausgegangen, dass die Kommission in (4) Untergruppen einzelne Stoffmassen (Sabinusmasse aus den Kommentaren zum ius civile, Ediktmasse aus den Edikts­kommen­taren, Papinianmasse aus den Werken der Spätklassiker, Appendix­masse) vielleicht auf Grund schon vorhandener vergleichender Literatur verwertet und dabei mehr als 2000 Schriften (mit 3000000 versus [Zeilen]) zumindest mittelbar berücksichtigt. Im Vordergrund stehen Rechtskundige der klassischen Zeit (Ulpian [2/5], Paulus [1/5], Papinianus, Gaius und Modestinus [zusammen 1/5]). Vermutlich sind etwa 5-7% (bzw. 5-10%) dessen aufgenommen, was zur Zeit Justinians von den Schriften der Rechtskundigen noch vorhanden ist. Die Reihenfolge schließt sich an das prätorische Edikt an. Das Gesamtwerk ist in 50 Bücher (mit 432 Titeln und 150000 versus) gegliedert (Buch 1 Rechtsquellen, Bücher 2 bis 46 das Privatrecht, Bücher 47, 48 Strafrecht, Buch 49 Appellation Buch 50 Verwaltungsrecht und Bedeutung von Wörtern). Die sachlichen, teilweise allerdings schon vor Justinian erfolgten Eingriffe in die Schriften werden in der Neu­zeit als →Interpolationen bezeichnet, deren Umfang streitig ist. Die wohl wegen ihrer Schwierigkeit zwischen 603 und 1076 (erste Wiedererwähnung) im Westen kaum genannten D. sind in (zwei) Handschriften des 6. oder frühen 7. Jh.s (907 Blätter umfassende, in zwei Bände 1-29 und 30-50 getrennte, vermutlich in Kon­stanti­no­pel/Byzanz im 6. oder frühen 7. Jahrhundert zweispaltig geschriebene, spätestens im 9. oder 10. Jh. in Italien liegende, im späteren 11. Jh. in Süditalien wieder­entdeckte, wahrscheinlich 1155 von Amalfi nach Pisa – littera Pisana –, 1406 von Pisa nach Florenz gebrachte [Codex Florentinus] und 1553 erstmals gedruckte Handschrift) und 11. Jh.s (verlorene, von der Florentina abhängige, aber nach einer von dieser unabhängigen Vorlage durch­korrigierte, vielleicht in der zweiten Hälfte des 11. Jh.s möglicherweise in Süd­italien geschaffene Stammform [Codex Secundus] der in drei Teile geteilten Vulgat­handschriften) sowie drei Fragmenten des 7./8. Jh.s und zwei Fragmenten des 9. Jh.s (insgesamt dreigeteilt in Digestum vetus 1-24,2, Digestum infortiatum 24,3-38,2 und Digestum novum 39-50) überliefert. Diese Quellen ermöglichen die Aufnahme (Rezep­tion) der Gedankenwelt der römischen Rechtskundigen im Mittelalter. Zitiert werden die D. nach Buch, (meist) Titel, Fragment (oder Gesetz) (lat. [F.] lex) und Anfang (lat. [N.] principium = eigentlich Paragraph 1) bzw. Paragraph (der zweite Abschnitt wird als § 1 gezählt) (z. B. D. 8,3,23,2, früher [als ff.] nach Titelrubrik und Anfangsworten der Fragmente). Bekannte Drucke stammen von 1523, 1553 Lelio Torelli in Florenz und 1583

Lit.: Kaser §§ 1, 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Söllner §§ 22, 23; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 50, 53, 105; Digestorum seu pandectarum libri quinquaginta, hg. v. Haloander, G., 1529, Neudruck 2004; Digestorum seu Pandectarum libri quinquaginta, 1553, Neudruck 2004; Digesta et Institutiones, rec. Gebauer, G./Spangenberg, G., 1776, Neudruck 2004; Bluhme, F., Die Ordnung der Fragmente in den Pandektentiteln, ZRG 4 (1818), 257; Kantorowicz, H., Über die Entstehung der Digestenvulgata, ZRG RA 30 (1909), 183ff., 31 (1910), 14ff.; Schulz, F., Einführung in das Studium der Digesten, 1916; Krüger, H., Die Herstellung der Digesten Justinians, 1922; Schindler, K., Justinians Haltung zur Klassik, 1966; Archi, G., Giustiniano legislatore, 1970; Honoré, T., Tribonian, 1978; Kaser, M., Ein Jahrhundert Inter­polationenforschung, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 1979; Digesten 1-10, übersetzt v. Behrends, O. u. a., 1995, 11-20 1999, 21-27 2005, 28-34 2012; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Troje, H., Crisis digestorum. Studien zur historia pandectarum, 2011; Reinoso-Barbero, F., Modus allegandi textus qui in pandectis continentur, 2013; Martín Minguijón, A., Digesto, 2013

Digestum (N.) infortiatum (lat., gestärktes bzw. geschwächtes bzw. unter Verschluss gehaltenes bzw. in Kraft gesetztes Durchgearbeitetes) sind die Bücher 24,3 bis 38 der Vulgatafassung der →Digesten, wobei das in D. 38, 2, 82 beginnende Schlussstück tres partes (lat. [F.Pl.] drei Teile) heißt.

Lit.: Accursii Glossa in Digestum vetus, in Digestum infortiatum, in Digestum novum, in Codicem, in Volumen, 1487ff.; Wouw, H. van de, Zur Textgeschichte des Infortiatum, Ius commune 11 (1984), 231; Whitman, J., A Note on the medival Division, TRG 59 (1991), 269

Digestum (N.) novum (lat., neues Durchgearbeitetes) sind die Bücher 39-50 der Vulgatafassung der →Digesten.

Digestum (N.) vetus (lat., altes Durchgearbeitetes) sind die Bücher 1-24,2 der Vulgatafassung der →Digesten.

Dijon ist als gallorömisches Divio im 2. Jh. n. Chr. nachweisbar. 1182 erlangt es unter den Herzögen von Burgund Stadtrecht. 1477 gelangt es an Frankreich und erhält 1737 eine Universität.

Lit.: Humbert, F., Les finances municipales de Dijon, 1961; Didier, P., Les statuts de métier à Dijon aux 14e et 15e siècles, ZRG GA 94 (1977), 63; Histoire de Dijon, hg. v. Gras, P., 1981

Diktatur ist im altrömischen Recht das Amt eines von einem →Konsul in einer Notlage für eine streng befristete Zeit ernannten außerordentlichen Magistrats (Diktators) (ohne kontrollierenden Kollegen, z. B. T. Larcius 501 v. Chr., von Sulla und Caesar ohne zeitliche Beschränkung ausgeübt, 44 v. Chr. abgeschafft). Im Anschluss hieran entwickeln sich verschiedene Formen unbeschränkter Herrschaft eines Einzelnen oder einer Personengruppe. Diese D. zeigt vielfach totalitäre Züge (z. B. unter Adolf →Hitler, Josef Stalin). Der Begriff D. wird in der Renaissance wiederbelebt. Von 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union weisen 17 Erfahrungen mit Diktaturen auf.

Lit.: Söllner §§ 6, 13; Köbler, DRG 222; Kautsky, Z., Die Diktatur des Proletariats, 1918; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 900; Schmitt, C., Die Diktatur, 1928, 6. A. 1994; Arendt, H., Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, 1957, 13. A. 2011; Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 1973, 7. A. 1993; Korporativismus in den südosteuropäischen Diktaturen, hg. v. Mazzacane, A. u. a., 2005; Diktaturüberwindung in Europa, hg. v. Hofmann, B. u. a., 2010; Erinnerung und Gesellschaft, hg. v. Assmann, W. u. a., 2011; Kellerhoff, S., Aus der Geschichte lernen, 2013

Dilatura (lat. [F.], delatura, zu mlat. dilatura, F., Verzögerung, Aufschub) ist eine besondere frühmittelalterliche Buße bei Vermögensverletzung (Weigerungsbuße?).

Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H./Schwerin, C., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2 2. A. 1928, § 138; Goldmann, E., Zum Problem der dilatura, ZRG GA 53 (1932), 43

Diligentia (lat. [F.]) ist im spätrömischen Recht die dem sorgsamen Familienvater angemessene Sorgfalt, deren Einhaltung Schuld ausschließt, deren schuldhafte Verletzung aber eine Nachlässigkeit bedeutet.

Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 63; Köbler, LAW

diligentia quam in suis (rebus) (lat.) (Beachtung der) Sorgfalt wie in eigenen Angelegenheiten (schließt Verschulden etwa bei unentgeltlicher Ver­wahrung, Gesellschaft oder Miteigentum aus)

Dillingen an der Donau ist von 1549/1554 bis 1804 Sitz einer Universität.

Ding (älter thing, zu idg. *tenkos, Zeit) ist im Mittelalter und vielleicht schon vorher die (zu einer bestimmten Zeit stattfindende) Ver­sammlung (der erwachsenen freien Männer ursprünglich eines Stammes, im fränkischen Reich wohl bald nur noch kleinerer Gebiete), in der über verschiedene Angelegenheiten gesprochen und verhandelt werden kann. Dementsprechend ist D. die wichtigste Bezeichnung für das Gericht. Unterschieden werden dabei (bei Franken und Sachsen) echtes (ungebotenes, an festen Zeitpunkten in einer Grafschaft alle sechs Wochen und damit an jeder der 3 oder vier Gerichtsstätten einer Grafschaft zweimal oder dreimal im Jahr stattfindendes) D. und (je nach Bedarf beson­ders) gebotenes D. Das durch die besondere Hegung eröffnete D. wird (unter freiem Him­mel auf Hügeln oder Malbergen oder auch bei großen Bäumen oder Steinen am Tag) vom König, Grafen oder von sonstigen (zunächst Thunginen, seit karolingischer Zeit) Richtern geleitet. Die inhaltlichen Entscheidungen werden vom Umstand (Dinggenossenschaft) oder be­sonderen Urteilern (Rachinburgen, Schöffen) gefällt. Diese Aufgabenteilung wird auch von den kirchlichen Sendgerichten übernommen. Dagegen erscheint seit dem 13. Jh. in der Kirche der berufsmäßige Einzel­richter, der seit dem frühen 15. Jh. die Laienurteiler verdrängt. Im 16. Jh. tritt dementsprechend die Verwendung von D. im Sinne von Gericht zurück, hält sich aber in ländlichen Weistümern bis in das 18. Jh. In der Umgangssprache bleibt D. in blasser, allgemeiner Bedeutung (Sache, Angelegenheit) erhalten.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 116; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Amira, K. v., Die Dingzeiten des Schultheißen zu Magdeburg, ZRG GA 28 (1907), 437, 29 (1908), 337; Buchwald, G., Das thüringische Hegemahl, ZRG GA 28 (1907), 444; Loening, O., Die Gerichtstermine im Magdeburger Stadtrecht, ZRG GA 30 (1909), 37; Amira, K. v., Die Dingzeiten des Schultheißen zu Magdeburg, ZRG GA 30 (1909), 310; Rietschel, S., Nochmals die Dingzeiten des Magdeburger Schultheißen, ZRG GA 30 (1909), 313; Stölzel, A., Geding und Appellation, 1911:;Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft, 1921; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungs­rechts, 1954; Karg-Gasterstädt, E., Althochdeutsch Thing - neuhochdeutsch Ding, Verh. d. Sächs. Akad. d. Wiss. 104,2, 1958; Landwehr, G., Urteilfragen und Urteilfinden, ZRG GA 96 (1979), 1; Weitzel, J., Über Oberhöfe, 1981; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985

Dingfriede ist der im →Ding einzuhaltende →Friede.

dinglich (Wort um 1000), das Ding oder die Sache betreffend

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Dinglicher Vertrag ist der im 19. Jh. von Friedrich Carl von Savigny entwickelte, 1872 im preußischen Eigentumserwerbsgesetz an­erkannte, sachenrechtliche Rechtsverände­rungen betreffende Vertrag (Einigung über den Rechtsübergang oder die Rechts­entstehung an einem Gegenstand z. B. bei Über­eig­nung oder Verpfändung) im Gegensatz zum schuldrechtlichen Vertrag (z. B. Kauf, Schenkung).

Lit.: Köbler, DRG 212; Felgenträger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927

Dingliches Recht ist (seit dem 16. Jh., 1548, bisheriger Erstbeleg kurmärkische Ständeak­ten 1551) das eine Sache (körperlichen Ge­genstand) betref­fende, gegen jedermann wirkende Recht (z. B. [Besitz,] Eigentum, Pfand, Dienstbarkeit[, Reallast, Bergwerkseigentum, Erbbaurecht, früher vielleicht auch Bodenleihe, Lehen, Un­tereigentum]) im Gegensatz zum (persönli­chen Sachenrecht bzw. zum) schuldrecht­lichen. nur im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner wirkenden Recht (z. B. Kaufpreisforderung).

Lit.: Köbler, DRG 212; Wiegand, W., Numerus clausus der dinglichen Rechte, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 623; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Dingpflicht ist die Anwesenheitspflicht im mittelalterlichen →Ding. In welchem Um­fang sie jeweils bestanden hat, lässt sich nicht sicher bestimmen. Jedenfalls verringert Karl der Große in seiner zwischen 770 und 780 vorgenommenen Reform ihren Umfang auf jährlich drei Dinge und sind verfolgte Fälle ihrer Verletzung nicht bekannt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985

Dinus de Rossonis Mugellanus ist ein bei Florenz um 1250 geborener Jurist in Bologna (commentaria, additiones, glossae contrariae, tractatus z. B. de successionibus ab intestato, de modis arguendi, ordo iudiciorum, erste erhaltene umfangreiche – 53 – Sammlung von consilia).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 445

Dionysius Exiguus (Skythien um 475?-Rom um 545) ist ein skythischer Mönch, der in Rom nach dem 21. 11. 496 als Übersetzer griechische Kultur dem lateinischen Westen vermittelt und eine klar geordnete lateinische Sammlung der griechischen Quellen des Kirchenrechts (lat. [M.Pl.] canones) und der Konzilsakten (lat. [N.Pl.] decreta) herstellt ([lat.] Liber [M.] canonum und Liber decretorum). Seine vielfach abgeänderte Sammlung ist durch zahlreiche Handschriften überliefert. 774 überreicht Papst Hadrian Karl dem Großen die sog. Dionysio-Hadriana. Bei der Übernahme der alexandrinischen Berechnung des Osterdatums führt D. E. (nach Eusebius von Caesarea) die Jahres­zählung von Christi Geburt an (um 5 bzw. 4 Jahre zu spät) ein.

Lit.: Köbler, DRG 53, 80; Strewe, A., Die Canones-Sammlung des Dionysius Exiguus, 1931; Wurm, H., Studien und Texte zur Dekretalensammlung des Dionysius Exiguus, 1939; Peitz, W., Dionysius Exiguus als Kanonist, 1945; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Mordek, H., Kirchen­recht und Reform, 1975

Diözese (F.) Amtsgebiet eines Bischofs (der katholischen Kirche)

Diplom (lat. [N.] diploma, Verdoppeltes) ist im römischen Altertum zunächst die durch Falten doppelt gelegte Urkunde, danach die vom Senat, einem höheren Magistrat oder vom Kaiser ausgestellte Urkunde. Das Mittelalter nennt Urkunden (lat.) charta, instrumentum, litterae, pagina, testamentum  u. s. w. Seit dem 17. Jh. (Jean Mabillon 1632-1707) ist D. die Herrscherurkunde, die nach dem Ausstellerwillen dauernde Rechtskraft haben soll. In der Gegenwart ist D. der Abschluss einer höheren Ausbildung und die darüber erteilte Urkunde.

Lit.: Monumenta Germaniae Historiaca, Diplomata; Erben, W., Die Kaiser- und Königsurkunden des Mittelalters, 1907, 181, 238; Classen, W., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977; Kölzer, D., Merowingerstudien, Bd. 1f. 1998f.

Diplomat ist der (durch Diplom ausge­wiesene, geschickt handelnde) Vertreter des Staates in politischen Angelegenheiten.

Lit.: Le diplomate au travail, hg. v. Babel, R., 2005; Wohlan, M., Das diplomatische Protokoll im Wandel, 2013

Diplomatik ([im 17. Jh. entwickelte] Urkundenlehre [zwecks Unterscheidung ech­ter und gefälschter Urkunden an Hand äußerer und innerer Merkmale]) →Diplom, Urkunde

Lit.: Mabillon, J., De re diplomatica, 1681; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, 1889, 2. A. 1912ff.; Rosenmund, R., Die Fortschritte der Diplomatik seit Mabillon, 1897; Diplomatik im 21. Jahrhundert, A. f. Diplomatik 52 (2006), 233; Digitale Diplomatik, hg. v. Vogeler, G., 2009

Diplomjurist ist in der Gegenwart der seine wissenschaftliche Berufsvorbildung mit ei­nem Diplom abschließende Jurist (z. B. in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Repu­blik, an Fachhochschulen oder seit 2001 auch an einigen juristischen Fakultäten der Bundes­republik Deutschland).

Lit.: Kutschke, T., Diplom-Jurist für jedermann, JuS 2003, 205

Diplovatacio, Tommaso (Korfu 25. 5. 1468-Pesaro 29. 5. 1541) verfasst nach dem Studium in Salerno, Neapel, Padua (Jason de Mayno), Perugia und Ferrara (1490) bis 1511 einen unvollständig geschriebenen (lat.) Tractatus (M.) de praestantia doctorum (Abhandlung über den Vorrang der Doktoren), in dem er die bedeutendsten Rechtskundigen des Altertums und Juristen des Mittelalters beschreibt (De claris iuris consultis).

Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 172

Directorium (N.) in publicis et cameralibus ist die nach Vorstufen (seit 1744 Repräsentationen und Kammern, 1748 dem Herrscher unmittelbar unterstellt) 1749 unter Maria Theresia für Österreich geschaffenene Behörde, in der unter Ausschluss der Stände die innere Verwaltung und die Finanzverwaltung für alle Erbländer vereinigt werden. Zugleich werden die Hofkanzleien aufgelöst und ihre verblie­benen Zuständigkeiten der obersten Justiz­stelle ü­bertragen. 1761 wird das D. zerschlagen (z. B. Verwaltungsrechtspflege an oberste Justiz­stelle, Anderes an Böhmisch-Österreichische Hofkanzlei), von 1792 bis 1797 unter ande­rem Namen nochmals kurzfristig herge­stellt.

Lit.: Walter, F., Die österreichische Zentralverwltung, 1938

direkt, Adj., unmittelbar (z. B. direkte, ohne abgeordnete, repräsentierende Organe beste­hende Demokratie)

Dispens (M. bzw. auch F., zu lat. [F.] dispensatio, Abwiegen, Zuteilen) ist die Befreiung, insbesondere im katholischen Kir­chenrecht die durch die zuständige Autorität auf Grund Billigkeit erteilte Befreiung von der Geltung eines Rechtssatzes im begrün­deten Sonderfall.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Hove, A. van, De privilegiis et dispensationibus, 1939; Bindschedler, U., Die Dis­pensation, 1958; Mussgnug, R., Der Dispens von gesetzlichen Vorschriften, 1964; Erler, A., Kir­chenrecht, 5. A. 1983; Schmugge, L., Kirche, Kinder, Karrieren, 1995; May, G., Die Auseinandersetzungen zwischen den Mainzer Erzbischöfen und dem Heiligen Stuhl um die Dispens­befugnis im 18. Jahrhundert, 2007

Dispensehe ist die auf Grund eines (evtl. weltlichen) Dispenses von einem kirchen­rechtlichen Ehehindernis (z. B. bestehende Ehe) geschlossene Ehe (z. B. seit 1919 Dispense einzelner sozialistischer Länder­re­gierungen österreichischer Bundes­länder [z. B. Niederösterreich] vom Ehe­hindernis der bestehenden unauflöslichen Ehe, woraufhin bis 1938 mehr als 50000 Dispensehen entstehen).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Dispositio (lat. [F.]) Anordnung, Verfügung

Dispositio (F.) Achillea (lat., achillische Verfügung) ist die Verfügung bzw. das Hausgesetz (str.) des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg (1414-1486) vom 24. 2. 1473, das nur noch höchstens drei regierende Linien (Brandenburg, Franken, Obergebirg um Kulmbach) zulässt und 1791 zum Rückfall der Fürsten­tümer Ansbach und Bayreuth an die Hauptlinie Preußen der Hohenzollern führt.

Lit.: Schulze, H., Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstentümer, Bd. 3 1883; Caemmerer, H. v., Die Testamente der Kurfürsten von Brandenburg, 1915; Ulshöfer, W., Das Hausrecht der Grafen von Zollern, 1969

Dispositionsmaxime ist der Grundsatz der Verfügungsfreiheit der Parteien im Zivilprozess. Die D. stammt aus dem kirch­lichen Prozessrecht, aus dem sie in den Pro­zess vor dem Reichskammergericht übergeht.

Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975

Disputation (F.) Erörterung

Lit.: Horn, E., Disputationen und Promotionen an den deutschen Universitäten, 1893; Mommsen, K., Katalog der Basler juristischen Disputationen 1558-1818, hg. v. Kundert, W., 1978; Katalog der Helmstedter juristischen Disputationen, Programme und Reden, hg. v. Kundert, W., 1984; Die Kunst der Disputation, hg. v. Bellomo, M., 1997; Ahsmann, M., Collegium und Kolleg, 1998; Leinsle, U., Dilinganae Disputationes, 2006

disseisin (mengl.) Besitzentzug →novel disseisin

Dissens ist die fehlende Übereinstimmung zweier Willenserklärungen bei einem Vertragsschluss. Schon im klassischen römischen Recht kommt dabei ein Vertrag dann nicht zustande, wenn der Vertragsinhalt mehrdeutig ist oder wenn er zwar eindeutig ist, aber ein Teil ihn nachweislich einseitig missdeutet hat. Zwischen Irrtum und D. wird dann dabei auch im älteren gemeinen Recht nicht unterschieden.

Lit.: Kaser § 8 II; Hübner; Wesenberg, G./Wesener, G., Neue deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985 § 18; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Dissertation ist die wissenschaftliche Erör­terung einer Frage, die seit dem Mittelalter Prüfungsverfahren wissenschaft­licher Befä­higung wird. Die Zahl juristischer Dis­sertationen in Deutschland hzw. im Heiligen römischen Reich steigt dabei im 17./18. Jh. auf durchschnittlich mindestens 500 im Jahr (120000 zwischen 1600 und 1800 nachweisbar, abzüglich Doubletten  u. s. w. möglicherweise 40000, davon rund 40 % Zivilrecht, 20 % Verfassungsrecht und Verwal­tungsrecht, 15 % Verfahrensrecht, 5 % Strafrecht, 5 % Lehnrecht, 3% Kirchenrecht, 12 % Gemischtes, Grundherrschaft, Rechts­philosophie, Rechtsgeschichte, Rechts­quel­len). Später nimmt sie infolge der Einführung der Staatsprüfung im Verhältnis zur Zahl der Studierenden ab. Vermutlich wirkt sich auch die Entstehung juristischer Fachzeitschriften nachteilig aus, weil die Professoren damit neue Veröffentlichungs­möglichkeiten erlan­gen­. Am Ende des 20. Jh.s gewinnt sie wegen der schwierigen Arbeitsmarktlage für Juristen wieder an Bedeutung (fast 2000 pro Jahr).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 143; Horn, E., Die Disputationen und Promotionen an den deutschen Universitäten, 1893, Neudruck 1968; Bibliographi­sches Verzeichnis von Universitäts- und Hochschuldrucken, hg. v. Wickert, K., Bd. 1ff. 1936ff.; Schubart-Fikentscher, G., Untersuchungen zur Autorschaft von Dissertationen im Zeitalter der Aufklärung, 1970; Dissertationen in Wissenschaft und Bibliotheken, hg. v. Jung, R. u. a., 1979; Juristische Dissertationen deutscher Universitäten 17.-18. Jahrhundert, zusammengestellt von Ranieri, F., 1986; Katalog juristischer Dissertationen, hg. v. Tsuno, R., 1988; Härter, K., Ius publicum und Reichsrecht in den juristischen Dissertationen mitteleuropäischer Univer­si­täten der frühen Neuzeit (in) Science politique et droit public dans les facultés de droit européennes, hg. v. Krynen, J. u. a., 2008, 485

Distinktion (F.) (Unterscheidung, Aufteilung, Unterschied, Auszeichnung) ist die schon der Antike bekannte, als Ergebnis eines An­eignungsvorgangs antiker Bildung in Nutzung von Kenntnissen des Triviums im 12. Jh. zum Kennzeichen der Wissenschaften, insbe­sondere der Kanonistik, werdende Unter­suchungs­weise.

Lit.: Söllner §§ 3, 16; Lange H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Meyer, C., Die Distinktions­technik in der Kanonistik des 12. Jahrhun­derts, 2000

Disziplinarverfahren ist das außerstraf­recht­liche Verfahren bei fehlerhaftem Verhalten eines Beamten(, Soldaten, Klerikers, Studen­ten, Schülers oder Vereinsmitglieds). Es wird im 19. Jh. vom Strafrecht geschieden (Preußen 1841). 1850 sieht die Verfassung Preußens bei D. in der Justiz eine gerichtliche Entscheidung vor, seit 1873 können auch D. gegen andere Beamte des deutschen Reiches disziplinargerichtlich überprüft werden. Die Disziplinarmaßnahmen reichen vom Verweis bis zur Entfernung aus dem Dienst. Deswegen muss das Verfahren rechtsstaatlichen An­forderungen genügen und darf nicht von Rechtsbrechern zur Unterdrückung der Auf­deckung ihrer Miss­stände missbraucht werden. Das 1967 errichtete Bundesdiszipli­nargericht Deutsch­lands in Frankfurt am Main ist unter Übertragung seiner Aufgaben auf die Verwaltungsgerichte der Länder zum 31. 12. 2003 wieder aufgelöst.

Lit.: Wunder, B., Privilegierung und Disziplinierung, 1978

Dithmarschen ist die zwischen Nordsee, Elbemündung und Eidermündung gelegene Landschaft, deren Recht erstmals 1447 nach einer Landesversammlung aus dem Gewohn­heitsrecht (mit Wergeldern, ohne Strafen für Tötungen) aufgezeichnet, 1483 gedruckt und 1539 revidiert sowie 1567 wissenschaftlich gefasst wird (Dithmarscher Landrecht).

Lit.: Sammlung altdithmarscher Rechtsquellen, hg. v. Michelsen, A., 1842, Neudruck 1969; Hoppe, J., Das Strafensystem des Dithmarscher Rechts im Mittelalter, 1933; Boie, K., Die mittelalterlichen Geschlechter Dithmarschens, 1937; Carstens, C., Bündnispolitik und Verfassungsent­wicklung in Dithmarschen, Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinsche Geschichte 66 (1938), 1; Carstens, W., Geschlecht und Beweisrecht in den Dith­marscher Landrechten, Zs. d. Gesellschaft f. schleswig-holsteinische Geschichte 60 (1941), 1; Stoob, H., Die dithmarsischen Geschlechter­verbände, 1951; Das Dithmarscher Landrecht, hg. v. Eckhardt, K., 1960; Eickmeyer, G., Das Strafverfahren in Dithmarschen von 1447 bis 1559, 1963; Witt, R., Die Privilegien der Landschaft Norderdithmarschen, 1975; Alberts, K., Friede und Friedlosigkeit nach den Dithmarscher Landrechten von 1447 und 1539, 1978; Eggers, P., Das Prozessrecht nach dem Dithmarscher Landrecht von 1567, 1986

Divisio regnorum (lat. [F.] Teilung der Reiche) ist die in Diedenhofen am 6. 2. 806 auf einem Reichstag festgelegte, in vier Handschriften und einem Erstdruck überlie­ferte Nachfolgeordnung Karls des Großen für seine drei ehelichen Söhne, die infolge des Todes Pippins (810) und des ältesten Sohns Karl (811) keine unmittelbare Wirkung entfal­tet.

Lit.: Capitularia, hg. v. Boretius, A. u. a., Bd. 1 1883, 126; Schieffer, R., Die Karolinger, 1992

Divortium (lat. [N.]) ist die im altrömischen Recht noch nicht rechtlich geregelte Schei­dung der Ehe, für die der Wille des Mannes oder beider Eheleute (die Ehe zu beenden) und ein dies begründender Anlass (z. B. Ehebruch der Frau, Kinderlosigkeit) bestehen muss. →Ehescheidung

Lit.: Kaser § 58; Köbler, DRG 22

Doctor (lat. [M.]) ist seit dem 12. Jh. der auch als (lat. [M.]) magister oder professor bezeichnete Lehrer, insbesondere der wissenschaftlich gebildete Lehrer an der Universität (z. B. quattuor doctores 1158). Im Recht ist der d. dabei meist doctor legum (Lehrer des weltlichen Rechtes) oder doctor decretalium (Lehrer des kirchlichen Rechtes). Seit dem späten 13. Jh. erscheint in Orléans und Italien der doctor utriusque iuris (Doktor beider Rechte d. h. des →ius civile und des →ius canonicum). Der Titel folgt auf das Lizentiat und wird in einer kostspieligen Feier verliehen. Der Grad berechtigt grundsätzlich zum Abhalten von Lehrveranstaltungen und sichert gesellschaftliche Wertschätzung. Am Ende des Mittelalters gerät er in Verfall. Seit dem 18./19. Jh. wird deswegen die Habilitation als Voraussetzung der Lehrbe­fugnis entwickelt, deren regelmäßige Notwendigkeit am Beginn des 21. Jh. gesetzlich beseitigt wird. Zwischen 1933 und 1945 wird im Deutschen Reich in rund 2000 Fällen der Doktorgrad aberkannt (davon etwa 70 Prozent jüdische oder jüdisch versippte Emigranten, häufig aber auch wegen Straftaten, in München nur wenige Juristen).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, LAW; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973; Fischer, A., Das österreichische Doktorat der Rechtswissenschaften und die Rechtsanwaltschaft, 1974; Horn, N., Bologneser Doctores und Judices, ZHF 3 (1976); Lange, H., Vom Adel des doctor, (in) Das Profil des Juristen, 1980, 279; Lemberg, M., … eines deutschen akademischen Grades unwürdig, 2002; Harrecker, S., Degradierte Doktoren, 2007; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 65

doctor (M.) iuris (lat.) →Rechtsgelehrter

doctor (M.) iuris utriusque (lat.) Doktor beider Rechte

doctor (M.) legum (lat.) Doktor des welt­lichen Rechtes

Dogma (N.) Lehrsatz, Lehrmeinung, Grund­satz

Lit.: Parent, J., La notion de dogme, 1932; Piano-Mortari, V., Dogmatica e interpretazione, 1976; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Dogmatisierungsprozesse in Recht und Religion, hg. v. Essen, G. u. a., 2011

Doktor →doctor

Doktorgrad →doctor

Doktrin (F.) Lehre, Festlegung

Dolmen (zu bret. tol, Tisch, men, Stein) ist die Bezeichnung für das in Europa zwischen 4000 v. Chr. und dem Frühmittelalter nach­weisbare, bis zu 168 Meter lange, mittels Steinen gebildete Grab.

Lit.: Körn, W., Megalithkulturen, 2005

Dolo facit, qui petit, quod restiturus est bzw. quod restituere oportet eundem (lat.). Arglistig handelt, wer fordert, was er demnächst zurückgibt bzw. was er selbst zurückerstatten muss.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Paulus, um 160-um 230, Digesten 44, 4, 8, pr.)

Dolus (lat. [M.]) ist im römischen Recht die Arglist, nach Anerkennung einer Haftung für fahrlässiges Verhalten der →Vorsatz, dolus malus. Das durch Arglist herbeigeführte oder beeinflusste Rechtsgeschäft ist zwar an sich gültig. Auf Anregung des Rechtskundigen Gaius Aquilius Gallus gibt der Prätor im 1. Jh. v. Chr. aber dem, der durch Arglist beeinträchtigt ist, dann, wenn keine andere Klage gegeben ist, einen Klaganspruch (lat. actio [F.] de dolo) auf den einfachen Schadensbetrag. Gegenüber einer möglichen Verpflichtung (stricti iuris) kann der Verpflichtete eine Einrede erheben (lat. exceptio [F.] doli).

Lit.: Kaser §§ 8 V, 33, 36, 37; Söllner §§ 9, 15; Köbler, DRG 42f., 61, 63, 65; Köbler, LAW

Dom (zu lat. [F.] domus, Haus) ist meist die Hauptkirche des Bistums.

Lit.: Schieffer, R., Die Entstehung von Domkapiteln, 1976

Domäne (im 16./17. Jh. aus dem Fran­zösischen aufgenommen) ist in der Spätantike das kaiserliche Grundeigentum. Die D. ist Vermögen des Kaisers und geht auf den jeweiligen Nachfolger über. Sie wird getrennt von den Staatseinkünften (vom (lat. M.] comes rerum privatarum) verwaltet. Mit dem Untergang des weströmischen Kaisertums fällt die D. vor allem im Herrschaftsbereich der Franken an den König (→Königsgut). Infolge umfangreicher Vergabungen gelangt dieses Gut bis zum 13. Jh. in großem Ausmaß an die Landesherren. In Preußen umfassen die Domänen dabei schließlich etwa ein Drittel des Landes. In Hessen -Kassel bzw. Kurhessen versorgen die etwa 300 zwischen 1600 und 1866 nachweisbaren Domänen den Hof mit Lebensmitteln, sichern die Mitglieder des Fürstenhauses wirtschaftlich ab und dienen der fürstlichen Agrarpolitik ebenso wie der Finanzierung  lokaler und zentraler Behörden. Seit dem 18. Jh. wird im Land das Staatsgut vom fürstlichen Hausgut getrennt, wobei die Domänen überwiegend dem Staatsgut und nur in geringerem Maß dem Hausgut zugeteilt werden, der Landesherr aber die Nutzungen der D. als Einkunft erhält. Der Höhe nach betragen die Einkünfte dabei fast die Hälfte der gesamten Staatseinkünfte. Im 19. Jh. erlangen vor allem die deutschen Fürstentümer Rechtspersön­lichkeit, die staatliches Domäneneigentum kennen. In den Fürstentümern ohne staat­liches Domäneneigentum haben die Stände das Steuerbewilligungsrecht und gelegentlich bereits vor 1848 ein Ausgabenbewilligungs­recht hinsichtlich der aus Steuern zu tätigenden Ausgaben im Gegensatz zu den Ausgaben der fürstlichen Kammer. Seit dem Ende der Monarchie (Deutschland 1918) fließen die Einkünfte aus den Domänen dem Staat zu. 1945 werden in der sowjetischen Besatzungszone die Domänen fast ganz aufgeteilt. In der Bundesrepublik Deutschland (vor allem in Niedersachsen) umfassen sie nur noch weniger als 0,5 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Wendt, E., Die staatliche Selbstbewirtschaftung von Domänen, 1925; Corsten, S., Das Domanialgut im Amt Heinsberg, 1953; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirt­schaft, 1962; Hoffmann, R., Die Domänenfrage in Thü­ringen, 2006; Klein, W., Die Domänenfrage im deutschen Verfassungsrecht des 19. Jahrhunderts, 2007; Ebert, J., Domänengüte4r im Fürstenstaat, 2013

Domat, Jean (Clermont-Ferrand 30. 11. 1625-Paris 14. 3. 1696), Notarssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bourges 1645 Anwalt, 1655 Kronanwalt und 1683 Privatgelehrter. Sein 1689 veröffentlichtes, →Grotius ver­pflichtetes Hauptwerk ([franz.] Les lois civiles dans leur ordre naturel, Die weltlichen Gesetze in ihrer natürlichen Ordnung) ordnet das römische Recht und das dieses ergänzende französische Recht in der Art eines Lehrbuchs des Naturrechts nach den grundlegenden Sätzen D. verselbständigt das Erbrecht innerhalb des Sachenrechts und verwendet erstmals den Ausdruck ésprit des lois.

Lit.: Voeltzel, R., Jean Domat (1625-1696), 1936; Baudelot, B., Un grand jurisconsulte du 17e siècle, 1938

Domesdaybook ist eine zweibändige, unvollständige Landesaufnahme Englands (Bd. 1 31 Grafschaften, Bd. 2 Essex, Norfolk, Suffolk) auf der Grundlage von Angaben der Grundstücksberechtigten von 1066 und 1086. Das D. dient dem König als Grundlage seiner Herrschaft. Von 596 im D. genannten Fami­lien sind im Jahre 1166 noch 437 in den Cartae baronum erwähnt.

Lit.: Maitland, F., Domesday Book and Beyond, 2. A. 1907; Galbraith, V., The Making of Domesday Book, 1961; Darby, H., Domesday England, 1978; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Domesday names, compiled by Keats-Rohan, K. u. a., 1997; Fleming, R., Domesday Book and the Law, 1998; Keats-Rohan, K., Domesday People, 1999; Roffe, D., Domesday, 2000; Keats-Rohan, K., Domesday Descendants, 2002; Roffe, D., Decoding Domesday, 2007

Dominat ist (nach Mommsen) die vom Kai­ser als absolutem Herrn und Gott (lat. [M.] dominus et deus) bestimmte Herrschaftsform der römischen Spätantike seit Diokletian (284-313/316).

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner § 19; Köbler, DRG 55; Bleicken, J., Prinzipat und Dominat, 1978

Dominikalland (N.) Herrenland, vom Grundherrn selbst bewirtschaftetes Land

Lit.: Feigl, H., Die niederösterreichische Grundherr­schaft, 1964, 2. A. 1998

Dominikaner ist (seit dem 15. Jh.) der Angehörige des von dem Spanier Dominikus (Caleruega nach 1170-Bologna 1221, aus dem Geschlecht der Guzmán) in Toulouse 1215 begründeten, am 22. 12. 1216 vom Papst unter seinen Schutz gestellten (Bettel-)Ordens (lat. [M.] ordo praedicatorum, in Frankreich Jakobinerorden) der Prediger, dem von Papst Gregor IX. 1232 die Inquisition übertragen wird und dem 1990 677 Klöster mit 6775 Mitgliedern bzw. 226 Dominikanerinnenklö­ster mit 4225 Schwestern (2004 626 Klöster, 6262 Mitglieder, 227 Frauenköster, 3488 Mit­glieder) angehören.

Lit.: Altaner, B., Der heilige Dominikus, 1922; Walz, A., Wahrheitskünder, 1960; Hinnebusch, W., The History of the Dominican Order, 1966ff.; Hertz, A., Domenikus und die Dominikaner, 1981; Vicaire, M., Histoire de Saint Dominique, 1982; Springer, K., Die deutschen Dominikaner in Widerstand und Anpassung, 1999; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2003, 156

Dominium (lat. [N.]) ist im römischen Recht (wie proprietas) das Eigentum, wobei das (lat.) d. ex iure Quiritium (quiritisches Eigentum) römischen Bürgern vorbehalten und nur an beweglichen Sachen und italischen Grundstücken möglich ist (d. dormiens, ruhendes Eigentum z. B. an einem fremden Balken während des Bestands des ihn aufnehmenden Gebäudes). Nach Ernst Levy verfällt dieses klassische d. in der Spätantike, doch ist diese Ansicht inzwischen wieder streitig geworden. Im Mittelalter bezeichnet d. (ahd. giwaltida, herskaf, hertuom) die Herrschaft (oder Gewalt über ein Gebiet einerseits und die Herrschaft über einzelne Sachen andererseits). Zugleich wird von Italien ausgehend ein (lat.) d. directum (Obereigentum z. B. des Lehnsherrn) von ei­nem d. utile (Untereigentum z. B. des Lehns­manns) geschieden. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes dringen römischrechtliche Vorstellungen durch und werden insbeson­dere gewisse ältere Bindungen des Eigentums (z. B. gegenüber Erben oder Nachbarn) aufge­geben und D., beschränkte dingliche Rechte sowie Besitz von einander klar geschieden, wird freilich im 20. Jh. das Eigentum auch wieder einer sozialen Bindung unterworfen.

Lit.: Kaser § 22 II; Hübner 241ff.; Köbler, LAW; Schmidt, C., Der prinzipielle Unterschied zwischen dem römischen und germanischen Recht, Bd. 1 1853, 223; Lautz, K., Entwicklungsgeschichte des dominium utile, Diss. jur. Göttingen 1916; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Willoweit, D., Dominium und proprietas, Hist. Jb. 94 (1974), 131; Köbler, G., Eigen und Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1; Mayer-Maly, T., Das Eigentumsverständnis der Gegenwart, FS H. Hübner, 1984, 145; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts, 1996; Diestelkamp, B., Frühe urkund­liche Zeugnisse für dominium directum und dominium utile im 13. Jahrhundert, (in) Grundlagen des Rechts = FS P. Landau, 2000, 391ff.; Vandendriessche, S., Pos­sessio und Dominium im postklassischen römischen Recht, 2006

dominium (N.) directum (lat.) Obereigentum →dominium, Eigentum

dominium (N.) plurium in solidum (lat.) Gesamteigentum →Miteigentum

dominium (N.) utile (lat.) (vielleicht erstmals bei Johannes Bassianus am Ende des 12. Jh.s belegt, 1204 Bischof Huguccio von Ferrara) Nutzungseigentum →dominium, Eigentum

dominus (lat. [M.]) Herr (über jemanden oder etwas), Eigentümer

dominus (M.) terrae (lat.) →Landesherr

Dominus imperator in territorio suo (lat.). Der Landesherr ist Kaiser in seinem Land.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Eyben 1660)

Domkapitel (Wort neuzeitlich) ist das seit der zweiten Hälfte des 8. Jh.s aus dem verpflichtend werdenden gemeinschaftlichen klösterlichen Leben der Geistlichen einer Domkirche erwachsene, seit der Mitte des 9. Jh.s gegenüber dem Bischof autonom werdende Gremium von Geistlichen, das den Bischof unterstützt und nach seinem Tod das Bistum vorübergehend verwaltet und den neuen Bischöf wählt (lat. [N.] capitulum [10. Jh.] in domo episcopi). Es erlangt seit dem 9. Jh. Güter (z. B. Bamberg 1007) und wird im Hochmittelalter Verbandsperson. Es enthält eine Reihe von Ämtern (Dompropst, Domdekan, Domscholaster, Kantor, Kustos). Der Sicherung des Unterhalts dient das in Pfründen geteilte Kapitelsgut. Das D. steht bis in das 19. Jh. grundsätzlich nur Adligen offen. In den Hochstiften erlangen die D. vielfach die Stellung von Landständen. Die Säkula­risation von 1802/1803 bewirkt einen deutlichen Einschnitt. Danach wird das D. zu einem kirchlichen, vom Staat dotierten Gre­mium mit geringeren Rechten und Aufgaben, wobei das Erfordernis des Adels abgeschafft wird. Nach dem geltenden Kirchenrecht haben die D. der Diözesen Deutschlands, Salzburgs, Churs, Sankt Gallens und Basels gegenüber dem Bischofsernennungsrecht des Papstes ein Beteiligungsrecht.

Lit.: Gehring, G., Die katholischen Domkapitel Deutschlands als juristische Personen, 1851; Kisky, W., Die Domkapitel der geistlichen Kurfürsten, 1906; Heckel, J., Die evangelischen Dom- und Kollegiat­stifter Preußens, 1924, Neudruck 1964; Hofmeister, P., Bischof und Domkapitel, 1931; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Trippen, N., Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen in Köln, 1972; Schieffer, R., Die Entstehung von Domkapiteln in Deutschland, 1976; Hersche, P., Die deutschen Domkapitel im 17. und 18. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1984; Maier, K., Das Domkapitel von Konstanz, 1990; Haas, R., Domkapitel und Bischofsstuhlbesetzungen in Münster 1813-1846, 1991; Jüsten, E., Das Domkapitel nach dem Codex Iuris Canonici von 1983, 1993; Miele, M., Sui capitoli cattedrali in Italia, 1999; Burkhard, D., Staatskirche, Papstkirche, Bischofskirche, 2000

Domscholaster (M.) Leiter der Domschule (seit 816, seit der Neuzeit allmählich, z. B. Österrreich 1787, aufgegeben)

Donatio (lat. [F.] →Schenkung) ist im römi­schen Recht die unentgeltliche Zuwendung oder Gabe. Sie ist zunächst nur ein Rechtsgrund, der einen Zuwendungsvorgang rechtfertigt. Erst unter Kaiser Konstantin (337-361) wird die d. zu einem eigenen Geschäft. Besondere Fälle sind die d. mortis causa (Schenkung von Todes wegen), die d. post obitum (Gabe nach dem Tod), die d. propter nuptias (Ehegabe, Widerlage) und die d. reservato usufructu (Gabe unter Vorbehalt eines Nutzungsrechts).

Lit.: Kaser § 47; Köbler, DRG 41, 37; Köbler, LAW; Cappon, C., Eine donatio post obitum mit Treuhändern – die Schenkung von Dietrich von Ulft zugunsten des Klosters Camp (um 1138), ZRG GA 112 (1995), 245; Gade, G., Donationes inter virum et uxorem, 2001

Donau ist der auf fast 3000 Kilometern vom Schwarzwald zum Schwarzen Meer fließende Fluss, der für die Römer einen Teil ihrer Nordgrenze bildet und seit dem 19. Jh. zunehmend europäischen Rechtsregeln (Pariser Friede 1856, internationale Donau­kommission 1922, NAIDES-Aktions­pro­gramm der Europäischen Kommission) unter­worfen ist.

Lit.: Wegener, W., Die internationale Donau, 1951; Neweklowsky, E., Die Schifffahrt und Flößerei im Raume der oberen Donau, 1952ff.; Weithmann, M., Die Donau, 2000

Donaumonarchie (F.) die dem Einzugsbereich der Donau weitgehend entsprechende Monarchie Österreich-Ungarn

Doneau (Donellus), Hugo (Chalons-sur-Saône 23. 12. 1527-Altdorf 4. 5. 1591), aus patrizischer Familie, wird nach dem Rechtsstudium in Toulouse (1544) und Bourges (1546) dort Professor (1551). Als Calvinist flieht er 1572 nach Genf, geht 1572 nach Heidelberg, 1579 nach Leiden und 1588 nach Altdorf. In seinem Hauptwerk (lat. [M.Pl.] Commentarii de iure civili, Kommentare zum weltlichen Recht, 1589ff.) ordnet er das überlieferte römische Recht losgelöst von der Reihenfolge der Digesten nach einem aus ihm selbst gewonnenen System, um durch die innere Ordnung die verstreuten Einzelsätze besser zu verstehen, wobei er als einer der ersten das Recht der Obligationen im Allgemeinen zu erfassen sucht und vielleicht das Erfordernis der Kau­salität von Verpflichtungen begründet. Dabei gelingen über die Darstellung hinaus weiterführende Erkenntnisse (z. B. Ausdeh­nung des Satzes [lat.] impossibilium nulla est obligatio, zu Unmöglichem besteht keine Pflicht, Beiträge zur Entwicklung des subjektiven Rechtes, des Besitzrechts, des Vertragsrechts und des Persönlichkeitsrechts).

Lit.: Eyssell, A., Donellus, 1860; Bergfeld, C., Savigny und Donellus, Ius commune 8 (1980), 24; Cannata, C., Systématique et dogmatique dans le Commentarii iuris civilis des Hugo Doneau, (in) Jacques Godefroy, 1991, 217; Schermaier, M., Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums, 2000, 102f.; Heise, V., Der calvinistische Einfluss auf das humanistische Rechtsdenken, 2004

Donellus →Doneau

Doping (N.) Rauschmittelgebrauch zwecks Leistungssteigerung vor allem im Sport

Lit.: Engel, R., Doping in der DDR, 2010

Dorf ist die aus einer nicht ganz geringen Zahl von beieinander liegenden Häusern gebildete, landwirtschaftlich geprägte Sied­lung. Das D. setzt die Sesshaftwerdung vor­aus. Sein zeitliches Verhältnis zu Einzelhaus bzw. kleiner Hausgruppe (Weiler, Drubbel) steht nicht sicher fest. Örtlich findet sich das D. in Deutschland im gesamten Gebiet, aus­ge­nommen den Nordwesten, den Schwarz­wald und das Alpengebiet. Vorherrschend ist das Haufendorf, doch prägen auch Marschhufendorf und Wald­hufendorf kleinere Räume. Das D. kann vor allem Nutzungsverband oder auch Gerichts­verband (mit Richter und Schöffen) sein, wobei am Nutzungsverband meist nur die Inhaber vollbäuerlicher Hof­stellen berechtigt sind. Der Dorfvorsteher und evtl. neben ihm stehende Gremien sind unterschiedlich strukturiert und bezeichnet, die juristische Persönlichkeit lange Zeit nur undeutlich ausgeprägt. Seit dem 19. Jh. werden D. und Stadt grundsätzlich einheitlich als →Gemeinde im Sinne eines staatlichen Verwal­tungsbezirks (1935 Deutsche Ge­mein­deord­nung) angesehen, zu dem allerdings örtliche Selbstverwaltungszüge hinzutreten.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, WAS; Frey, K., Wollmatingen, 1910; Mayer, E., Dorf-Geschlechtsverband, ZRG GA 41 (1920), 375; Bolleter, E., Geschichte eines Dorfes (Fisibach, jetzt Bachs, Kanton Zürich), 1921; Maßberg, K., Die Dörfer der Vogtei Groß-Denkte, 1930; Steinemann, H., Geschichte der Dorfverfassungen im Kanton Zürich, 1932; Dinklage, K., Fünfzehn Jahrhunderte Münnerstädter Geschichte, 1935; Ganahl, K., Langen-Erchingen (Langdorf), ZRG GA 58 (1938), 389; Bader, K., Entstehung und Bedeutung der oberdeutschen Dorfgemeinde, Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 1 (1937), 265; Frölich, K., Rechts­denkmäler des deutschen Dorfes, 1947; Zimmermann, F., Die Rechtsnatur der altbayerischen Dorfgemeinde und ihrer Gemeindenutzungsrechte, 1950; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff. (Bd. 2 Dorfgenossenschaft und Dorfgemeinde, 1962, Bd. 3 Rechtsformen und Schichten der Liegenschaftsnutzung im mittelalterlichen Dorf, 1973); Buijtenen, M., Het friese dorp, 1961; Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., Bd. 1f. 1964; Tütken, H., Geschichte des Dorfes und Patrimonialgerichtes Geismar, 1967; Lippert, W., Geschichte der 110 Bauerndörfer in der nördlichen Uckermark, 1968; Ardelt, R., Das Dorf Edelbruck im Mühlviertel, 1972; Ossfeld, W., Obergrombach und Untergrombach, 1975; Zeller, G., Rechtsgeschichte der ländlichen Siedlung, 1975; Das Dorf der Eisenzeit und des frühen Mittelalters, hg. v. Jankuhn, H., 1977; Donat, P., Haus, Hof und Dorf, 1980; Arnold, K., Niklashausen 1476, 1980; Wunder, H., Die bäuerliche Gemeinde in Deutschland, 1986; Schildt, B., Bauer, Gemeinde, Nachbarschaft, 1996; Troßbach, W. u. a., Die Geschichte des Dorfes, 2006

Dorfgericht ist das in einem →Dorf und häufig auch nur für Angelegenheiten des Dorfes meist unter der Linde (Gerichtslinde, Dorflinde) tätige Gericht. Es ist in vielen Fällen ein Gericht des Grundherrn und grund­sätzlich nur Niedergericht. Spätestens in der Mitte des 19. Jh.s verschwindet es zugunsten des Amtsgerichts oder Bezirksgerichts.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Müller, K., Das Gericht zu Ottendorf, ZRG GA 44 (1924), 168; Mitter, F., Die Grundlagen der Gerichtsverfassung und das Eheding der Zittauer Ratsdörfer, 1928; Frölich, K., Alte Dorfplätze, 1938; Herrmann, W./Schründer, H., Greven an der Ems, 1938; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Fried, P., Grundherrschaft und Dorfgericht im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern, (in) Vorträge und Forschungen 27 (1983), 277; Kroeschell, K., Dorfgerichtsplätze, FS K. Bader, 1986, 1

Dorfordnung ist die das Dorf betreffende Ordnung, wie sie als Rechtsquelle seit dem Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit erscheint. S. Dorfrecht, Weistum

Lit.: Stöhr, K., Erläuterungen und Anlagen zur Altenburger Dorfordnung vom 13. Juni 1876, 1885; Robert, H., Als sich die Eberstädter eine Dorfordnung gaben, 1982; Kunz, R., Die Dorfordnung von Schwanheim, 1985; Rheinheimer, M., Die Dorfordnungen im Herzogtum Schleswig, 1999

Dorfrecht ist das besondere Recht eines →Dorfes bzw. subjektiv die besondere Mitgliedschaft in einer Dorfgemeinde. Das beispielsweise durch den →Sachsenspiegel (Landrecht III, 79, 2) bezeugte besondere D. entsteht teils durch Gewohnheit, teils durch An­ordnung oder Satzung mit der Ter­ritorialisierung bzw. Lokalisierung des Rechtes im Hochmittelalter und verschwindet mit der staatlichen Vereinheitlichung in der Neuzeit, in der es freilich auch vielfach erst aufgezeichnet wird (zeitlicher Schwerpunkt in Schleswig-Holstein 1675-1774). Überliefert ist es hauptsächlich im →Weistum.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Alberti, W., Der Rheingauer Landbrauch von 1643, 1913; Badische Weistümer und Dorfordnungen, Bd. 1 1917; Schildt, B., Bauer – Gemeinde – Nachbarschaft, 1996; Rheinheimer, M., Die holsteinischen Dorfordnungen, ZRG 115 (1998), 529; Rheinheimer, M., Die Dorfordnungen im Herzogtum Schleswig, Bd. 1f. 1999

Dorpat (estnisch 1919 Tartu) wird 1030 erstmals erwähnt, 1224 als (lat. [N.] castrum tarbatum) durch den Deutschen Orden erobert, gelangt 1558 an Russland, 1582 an Polen, 1625 bzw. 1629 an Schweden, erhält neben einem Obergericht 1632 durch König Gustav Adolf von Schweden eine Universität (Akademie mit deutsch-lateinischer Unter­richtssprache und schwe­disch-finnischen Leh­rern) (1656 geschlossen, 1690-1710 als deutschbaltische Anstalt in Pernau), die 1802 (nach der Angliederung Livlands an Russland im Jahre 1721) als einzige deutschsprachige Univer­sität Russlands von Deutschbalten neu gegründet, ab 1867 allmählich und 1893 entschieden russifiziert (Jurév) und unter Besatzungs­regime des Deutschen Reiches erfolglos regermanisiert wird (Rechtslehrer Johann Ludwig von Müthel, Karl Friedrich Meyer, Christian Daniel Rosenmüller, Friedrich Kasimir Kleinenberg, Johann Georg Neumann, Karl Schröter, Walter Friedrich Clossius, Friedrich von Bunge, Gustav Bröcker, Otto Karl von Madai, Karl Eduard von Otto, Eduard Osenbrüggen, Alexander von Reutz, Ewald Tobien, Johannes Engelmann, Karl von Rum­mel, Viktor Ziegler, August von Bulmerincq, Karl Bergbohm, Ottomar Meykov, Karl Erd­mann, Woldemar von Rohland, Alexander [Axel] Baron von Freytagh-Loringhoven, Vladimir Grabar, Michail Djakonov, Aleksej Guljaev, Evgenij Passek, Peter Pustoroslev, Ivan Ditjatin, Alexander Filip­pov, Lev Schalland, Alexander Nevzorov) und erhält 1919 in Estland den Namen Tartu.

Lit.: Gernet, A. v., Verfassungsgeschichte des Bistums Dorpat, 1896; Lemm, R., Dorpater Ratslinie, 1960; Luts, M., Eine Universität für unser Reich, ZRG GA 117 (2000), 607; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Donnert, E., Die Universität Dorpat-Jurév 1802-1918, 2007

Dorstadt (Augustinerchorfrauenstift)

Lit.: Urkundenbuch des Augustinerchorfrauenstifts Dorstadt, hg. v. Ohainski, U., 2011 (1143-1660)

Dortmund wird 880-884 (Throtmanni, Siedlung am gurgelnden Wasser?, nach Udolph 2009/2010 zu mons, lat., M., Berg?, „Berg mit einem Einschnitt?“) erstmals erwähnt, erhält im 10. Jh. eine königliche Pfalz, wird Reichsstadt (Privilegien Konrads III., Friedrichs I., Friedrichs II. [1236 bzw. 1220]) und Mitglied der Hanse und kommt mit etwa 4000 Einwohnern 1802 an die Fürsten von Oranien-Nassau und 1815 an Preußen, in dem es zur industriell geprägten Großstadt heranwächst.

Lit.: Rübel, K., Dortmunder Urkundenbuch, Bd.1ff. 1881ff.; Frensdorff, F., Dortmunder Statuten und Urtheile, 1882; Meininghaus, A., Die Grafen von Dortmund, 1905; Meininghaus, A., Die Dortmunder Freistühle und ihre Freigrafen, Beiträge zur Geschichte Dortmunds 19 (1910); Stahm, G., Das Strafrecht der Stadt Dortmund, 1910; Rübel, K., Geschichte der Grafschaft und der freien Reichsstadt Dortmund, Bd. 1 1917; Winterfeld, L. v., Reichsleute, Erbsassen und Grundeigentum in Dortmund, 1917; Meininghaus, A., Die Entstehung von Stadt und Grafschaft Dortmund, 1920; Berken, R. von den, Dortmunder Häuserbuch von 1700 bis 1850, 1927; Winterfeld, L. v., Geschichte der freien Reichs- und Hansestadt Dortmund, 1934; Luntowski, G. u. a., Geschichte der Stadt Dortmund, 1994; Ferne Welten, freie Stadt. Dortmund im Mittelalter, hg. v. Ohm, M. u. a., 2006; Dortmund und die Hanse, hg. v. Schilp, T. u. a., 2012

Dos (lat. [F.], zu lat. dare, geben) ist bereits im altrömischen Recht die vom Hausvater der Frau bei der Verehelichung dem Ehemann grundsätzlich gegebene, der Unterhalts­sicherung dienende →Mitgift, die nach dem Tod der Frau oder einer auf ihrer Seite schuldlosen Scheidung aus dem Vermögen des Mannes an den ursprünglichen Geber zurückfällt. Im Jahre 18 v. Chr. verbietet die (lat.) lex (F.) Iulia de dote fundali (julisches Gesetz über Grundstücks­mitgift) die Ver­äußerung eines Mitgiftgrund­stücks ohne Zustimmung der Frau. In der Spätantike wird die Bestellung einer d. durch den Brautvater zu einer Rechtspflicht. Das Recht der d. wird im Mittelalter und in der Neuzeit (nur) teilweise aufgenommen (Kurhessen, Hannover, Braunschweig, Pom­mern, Teile Mecklenburgs, Dotalsystem). Nach dem ger­manischen Recht gibt dagegen der Mann (bzw. seine Familie) der Frau (bzw. ihrer Familie) eine Gabe (vielleicht als Gegenleistung für die Personalgewalt des Mannes über die Frau).

Lit.: Kaser § 59; Söllner §§ 8, 12, 15, 18, 24; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 22, 37, 58; Köbler, LAW; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Teil 1f. 1863ff., Neudruck 1967; Brunner, H., Die fränkisch-romanische dos, SB. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1894, 545; Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578, 1935; Lorenz, E., Das Dotalstatut in der italienischen Zivilrechtslehre des 13. bis 16. Jahrhunderts, 1965; Stagl, J., Favor dotis, 2009

Dotalitium (lat. [N.]) ist meist die →Leibzucht oder das →Wittum.

Lit.: Heusler, A., Deutsches Privatrecht, Bd. 1 1885, 370; Bellomo, M., Ricerche sui rapporti patrimoniali, 1961

Dotalsystem (19. Jh.) ist das auf der römisch­rechtlichen →dos aufbauende Ehegüterrecht, das von der Gütertrennung ausgeht, bei der die Lasten der Ehe das Vermögen des Ehemanns treffen, die Ehefrau aber mit ihrer in das Eigentum des Ehemanns überge­henden dos die Ehelasten mittragen soll. Die Rezeption ändert das römische D. ab, soweit es überhaupt aufgenommen wird. Mit den Kodifikationen geht das im Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) und im Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) bereits nicht mehr erwähnte D. unter (BGB 1900, ZGB der Schweiz 1907).

Lit.: Söllner §§ 5, 9, 12, 18, 24; Hübner 664, 694

Dotation (F.) Ausstattung, Zuwendung, Aussteuer

Lit.: Landau, P., Ius patronatus, 1975; Dröge, M., Staatsleistungen an Religionsgemeinschaften, 2004

Dou de Bassols, Ramón Llàtzer de (1742-1832) verfasst nach dem Rechtsstudium in Cervara (1760-1764) und einer anwaltlichen Tätigkeit als Professor in Cervara die erste systematische Darstellung des spanischen öffentlichen Rechtes (Instituciones del derecho público general en España, 1800ff.), die sich in die drei Bücher Person, Sache, Gericht und jeweils einen allgemeinen und besonderen Teil gliedert.

Lit.: Elias de Molins, A., Diccionario biográfico, Bd. 1 1889, 532

Do ut des (lat.). Ich gebe, damit du gibst.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Paulus, um 160-um 230, Digesten 19, 5, 5, §1)

Douai

Lit.: Espinas, G., La vie urbaine de Douai, Bd. 1ff. 1913

Drakon ist der athenische Gesetzgeber (Thesmothet), der 624 (bzw. 621/620) v. Chr. (?) das geltende Recht veröffentlicht, in dem die Selbsthilfe (Blutrache) durch strenge Strafen (drakonische Strenge) für Verbrechen ersetzt und die gewollte Tötung von der ungewollten Tötung und der gerechtfertigten Tötung unterschieden ist.

Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17; Stroud, R., Drakon´s Law on Homicide, 1968; Gagarin, M., Drakon and Early Athenian Homicide Law, 1981; Biscardi, A., Diritto greco antico, 1982; Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 4. A. 1995; Carawan, E., Rhetoric and the Law of Draco, 1998

Draufgabe (lat. [F.] →arrha) ist eine Leistung bei Eingehung eines Vertrags, die als Zeichen des Abschlusses des Vertrags gilt und im Zweifel auf die geschuldete Leistung anzurechnen oder bei Erfüllung zurückzugeben ist. Sie besteht im gemeinen Recht, ist in der Gegenwart aber nur von geringer Bedeutung.

Lit.: Kaser § 41; Hübner 543; Jagemann, E. v., Die Draufgabe (arrha), 1873; Gastreich, F., Die Draufgabe, Diss. jur. Erlangen 1932

Drei ist eine im Recht häufiger verwendete Zahl (z. B. aller guten Dinge [Gerichte] sind drei).

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 285; Usener, H., Die Dreiheit, 2. A. 1922; Meyer, H./Suntrup, R., Lexikon der mittelalterlichen Zahlenbedeutungen, 1987, Neudruck 1999; Großfeld, B., Zeichen und Zahlen im Recht, 2. A. 1995

Dreibund (N.) den 1879 zwischen dem Deut­schen Reich und Österreich-Ungarn geschlos­senen Bund 1882 um Italien erweiternder Bund (1883 Beitritt Rumäniens, im ersten Weltkrieg Kündigung durch Italien, das 1915 den Alliierten beitritt, Rumänien 1916)

Dreifelderwirtschaft ist die vom 8. bis zum 19. Jh. verbreitete Form der Landwirtschaft, bei der jeweils ein Drittel des Ackerlands mit Winterfrucht oder mit Sommerfrucht bebaut oder als Brache gelassen wird. Bei der Dreizelgenwirtschaft ist dabei die gesamte Flur eines Dorfes in drei etwa gleich große im Wechsel bewirtschaftete Teile aufgegliedert.

Lit.: Köbler, DRG 77, 174; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 46; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 1985; Brakensiek, S., Agrarreform, 1991; Rösener, W., Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter, 1992

Dreiklassenwahlrecht ist das die Wähler in drei Klassen einteilende Wahlrecht (kopfzahl­bezogenes D. erstmals im Gemeindegesetz Badens vom 23. 8. 1821). Es widerspricht dem Grundsatz der Stimmengleichheit, indem es bei dem steueranteilbezogenen D. z. B. Wählern mit höherem Steueraufkommen mehr politischen Einfluss in einem zu wählenden Gremium gewährt (z. B. wählen in Preußen 1849 bis 1918 etwa 4,7%, 12,6% und 82,6% der Wähler mittelbar je ein Drittel der Abgeordneten). 1918 wird es spätetens aufgegeben (Preußen, Braunschweig, Lippe, Sachsen-Altenburg, Waldeck). In Österreich besteht von 1849 bis 1918 ein D. für das Gemeindewahlrecht, bei dem ein Zensus den Kreis der Wahlberechtigten einengt und die Wahlkörper eine unterschiedliche Zahl von Gemeinderäten wählen.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197; Gerlach, D., Die Geschichte des preußischen Wahlrechts, 1908; Boberach, H., Wahlrechtsfragen im Vormärz, 1959 ;Kühne, T., Dreiklassenwahlrecht, 1994; Gerhards, J./Rössel, J., Interessen und Ideen im Konflikt um das Wahlrecht, 1999

Dreiliniensytem ist eine Erbfolgeordnung in den drei Linien Abkömmlinge, Aszendenten, Seitenverwandte.

Dreißigjähriger Krieg ist der von 1618 (Prager Fenstersturz, 8. 11. 1620 Schlacht am Weißen Berg mit Niederlage der aufständi­schen prostestantischen Landstände Böh­mens, 10. 5. 1627 Verneuerte Landesordnung für Böhmen) bis 1648 (Friede von Münster und Osnabrück, →Westfälischer Friede) unter protestantenfreundlicher Beteiligung europäi­scher Mächte (Dänemark 1625, Schweden 1630, Frankreich 1635) währende Religions­krieg im Heiligen römischen Reich.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Franz, G., Der dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk, 1940, 3. A. 1961, 4. A. 1979; Schormann, G., Der Dreißig­jährige Krieg, 1985; Burkhardt, J., Der Dreißigjährige Krieg, 1991; Kampmann, C., Reichsrebellion und kaiserliche Arbeit, 1993; Wedgwood, C., Der 30jäh­rige Krieg, 1978, 8. A. 1995, 9. A. 1996; Oschmann, A., Der Nürnberger Exekutionstag 1649-1650, 1991; Schmidt, G., Der Dreißigjährige Krieg, 1995, 4. A. 1999, 8. A. 2010; Englund, P., Die Verwüstung Deutschlands, 1998; Findeisen, J., Der Dreißigjährige Krieg, 1998; Zwischen Alltag und Katastrophe, hg. v. Krusenstjern, B. v. u. a., 1999; Bedürftig, F., Der Dreißigjährige Krieg, 2006; Kampmann, C., Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg, 2007; Sack, H., Der Krieg in den Köpfen, 2008; Fuchs, R., Ein Medium zum Frieden, 2008; Brockmann, T., Dynastie, Kaiseramt und Konfession, 2009; Arndt, J., Der Dreißigjährige Krieg, 2009; Krüssmann, W., Ernst von Mansfeld (1580-1626), 2010; Crowne, W., Blutiger Som­mer (1636), hg. v. Ritter, A. u. a., 2011; Neu­burger, A., Konfessionskonflikt und Kriegsbeen­digung im Schwäbischen Reichskreis, 2011

Dreißigster (1221-1224 Sachsenspiegel) ist der dreißigste Tag nach dem Tod eines Menschen und die als gesetzliches Ver­mächtnis daraus grundsätzlich sich ergebende Verpflichtung der →Erben, bestimmten Familienangehörigen des →Erblassers während der ersten 30 Tage nach dem selten genau vorherbestimmten Erbfall Unterhalt zu gewähren und die Benutzung der Wohnung und der Haushaltsgegenstände zu gestatten. Eine dreißig­tägige Beweinung kennt bereits das alte Testament (5. Moses 34,8). Danach erscheint der D. beispielsweise im →Sachsenspiegel (1221-1224). In der Zeit des Dreißigsten ist der Erbe zwar schon Eigentümer, darf aber nicht im Widerspruch zum Dreißigsten verfügen. Teilweise setzt das gemeine Recht den bis zum Dreißigsten ruhenden Nachlass der römischrechtlichen (lat.) hereditas (F.) iacens (ruhenden Erbschaft) gleich. Der D. ist noch geltendes Recht (§ 1969 BGB).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hübner 676f.; Hennecke, G., Das Recht des Dreißigsten, Diss. jur. Heidelberg 1909; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Dresden an der Elbe (sorb., Sumpfgebiet, steinzeitliche Besiedlungsspuren, Erster­wähnung 1206, 1201?) erhält vielleicht um 1150 eine Burg der wettinischen Markgrafen von Meißen. 1299 wird ihm das Stadtrecht von Magdeburg bestätigt. Stadtbücher sind seit 1404 erhalten. Seit 1485 wird es Vorort der albertinischen Linie der Herzöge von Sachsen. 1828 wird eine Technische Universität eingerichtet. 1945 wird D. weitgehend zerstört (25000 Todesopfer). An der Technischen Universität wird 1991eine juristische Fakultät eingerichtet, deren Auf­lösung 2004 beschlossen wird.

Lit.: Richter, O., Verfassungs- und Verwaltungs­geschichte der Stadt Dresden, Bd. 1ff. 1885ff.; Butte, H., Geschichte Dresdens, 1967; Streifzüge durch die Dresdener Justiz, 1999; Die Professoren der TU Dresden 1828-2003, bearb. v. Petschel, D., 2003; Pommerin, R., Geschichte der TU Dresden 1828-2003, 2003; Hädecke, W., Dresden, 2006; Geschichte der Stadt Dresden, hg. v. Blaschke, K. u. a., Bd. 1-3, 2005f.; Meinhardt, M., Dresden im Wandel, 2008; Die Stadtbücher Dresdens, hg. v. Kübler, T. u. a., Bd. 1ff. 2007ff.; Meinhardt, M., Dresden im Wandel, 2009; Die Zerstörung Dresdens, hg. v. Müller, R. u. a., 2010

Dresdener Entwurf ist der - der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung von 1847/1848 und dem Allgemeinen Deutschen Handelsge­setzbuch von 1861 folgende - in →Dresden in Sachsen auf Grund der nach dreijährigen Beratungen 1862 beschlossenen Schaffung eines einheitlichen Obligationenrechts (→Allge­mei­nes Deutsches Gesetz über Schuld­verhältnisse) der Staaten des →Deutschen Bundes in einer Kommission beratene, 1866 noch der Bundesver­sammlung zu­geleitete, dort aber nicht mehr behandelte, Ent­wurf, der infolge der Auflösung des Deutschen Bundes (1866) nicht Gesetz bzw. allgemeines deutsches Recht wird, sich aber auf das Obligationenrecht der Schweiz (1881) und den Allgemeinen Teil und das Schuld­recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (1896/­1900) auswirkt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; http://www.koeblergerhard.­de/Fontes/DRE1866-Ent­wurf­eines­allgemeinendeut­schen­Gesetzes­ueberSchuld­verhaeltnisse.pdf; Hedemann, J., Der Dresdener Entwurf von 1866, 1935; Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866, hg. v. Francke, B., 1973; Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts, Dresden 1866, 1984; Benöhr, H., Der Dresdener Entwurf von 1866 und das Schweizerische Obligationenrecht von 1881, (in) Hundert Jahre Schweizerisches Obligati­onenrecht, 1982, 57

Drews, Bill (Drews, Wilhelm Arnold, Berlin 11. 02. 1870-Berlin 17. 02. 1938) wird 1917 Minister des Innern in Preußen, 1919 Staatskommissar für die Vorbereitung einer Verwaltungsreform Preußens und 1921 Prä­sident des Oberverwaltungsgerichts Preußens (bis 1937). 1927 legt er ein Preußisches Poli­zeirecht vor. Er nimmt maßgeblichen Einfluss auf das Polizeiverwaltungsge­setz Preußens von 1931.

Lit.: Naas, S., Die Entstehung des preußischen Polizei­verwaltungsgesetzes von 1931, 2003

Dritter ist die an einem Verhältnis zweier Personen mittelbar beteiligte weitere Person.

Lit.: Barnert, E., Der eingebildete Dritte, 2008

Drittes Reich ist die (problematische) Bezeichnung des →Deutschen Reiches in der vom →Nationalsozialismus Adolf →Hitlers beherrschten Zeit zwischen dem 30. 1. 1933 und dem 8. 5. 1945. Sie geht in möglichen Anfängen auf Joachim von Fiore (Celico um 1130-Fiore 1202), der Reiche des Vaters, des Sohnes und des Geistes unterscheidet, zurück. 1923 weist A. Moeller van den Bruck (1876-1925) auf ein dem Heiligen römischen Reich  und dem Reich Bismarcks folgendes D. R. hin. Dieses entwickelt sich in der Wirklichkeit zu einer totalitären Diktatur, in der das Recht an vielen Stellen zum Instru­ment der Durchsetzung des Nationalso­zia­lismus wird. In ihm wird in einer Pres­seanweisung vom 10. 7. 1939 der Ausdruck D. R. verboten, weil die darin zwecks Sinn­stif­tung für das Ungewisse verwendete Tra­di­tion inzwischen als ent­behrlich angesehen wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 234, 242; Wust, N., Das Dritte Reich, 1905; Mutius, G. v., Die drei Reiche, 1916; Neurohr, J., Der Mythos vom Dritten Reich, (1933, veröff. 1957); Hertel, H., Das Dritte Reich in der Geistesgeschichte, 1934; Rühle, G., Das Dritte Reich, Bd. 1ff. 1934ff.; Kobé, E., Die Idee eines Dritten Reiches im deutschen Idealismus, Diss. phil. Wien 1939; Fraenkel, E., The Dual State, 1941; Schorn, H., Der Richter im Dritten Reich, 1959; Diehl-Thiele, P., Partei und Staat im Dritten Reich, 1960, 2. A. 1971; Mähl, H., Die Idee des goldenen Zeitalters im Werk des Novalis, 1965; Hansen, Das Ende des Dritten Reiches, 1966; Scheffler, W., Judenverfolgung im Dritten Reich, 1966; Adam, U., Judenpolitik im Dritten Reich, 1972, Neudruck 1979; Scholder, K., Die Kirche und das Dritte Reich, Bd. 1f. 1977ff.; Justiz im Dritten Reich, hg. v. Staff, I., 1979; Hildebrand, K., Das Dritte Reich, 1979, 6. A. 2003, 7. A. 2009; Schönbaum, D., Die braune Revolution, 1980; Majer, D., Fremdvölkische im Dritten Reich, 1981; Broszat, M./Möller, H., Das Dritte Reich, 1983; Wistrich, R., Wer war wer im Dritten Reich, 1983; Hochschule und Wissenschaft im Dritten Reich, hg. v. Tröger, J., 1984; Shirer, W., Aufstieg und Fall des Dritten Reiches, 1984; Strafjustiz und Polizei im Dritten Reich, hg. v. Reifner, U. u. a., 1984; Das große Lexikon des Dritten Reiches, hg. v. Zentner, C. u. a., 1985; Wissenschaft im Dritten Reich, hg. v. Lundgren, P., 1985; Schumacher, U., Staatsan­waltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Staatsrecht und Staatslehre im Dritten Reich, hg. v. Böckenförde, E., 1985; Koenen, A., Der Fall Carl Schmitt, 1995; Justizalltag im Dritten Reich, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1988; Gruchmann, L., Justiz im Dritten Reich 1933-1940, 1988, 2. A. 1990, 3. A. 2001; Kropat, W., Kristallnacht in Hessen, 1988; Puppo, R., Die wirtschaftliche Gesetzgebung des Dritten Reiches, 1988; Schröder, R., .. aber im Zivilrecht sind die Richter standhaft geblieben!, 1988; Rüthers, B., Entartetes Recht, 1988, 2. A. 1994; Michelberger, H., Berichte aus der Justiz des Dritten Reiches, 1989; Recht und Justiz im Dritten Reich, hg. v. Dreier, R. u. a., 1989; Werle, G., Justiz - Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich, 1989; Rebentisch, D., Führerstaat und Verwaltung im zweiten Weltkrieg, 1989; Schmoeckel, M., Die Groß­raumtheorie, 1994; Fürst, M., Politisches Strafrecht im Dritten Reich, 1995; Die deutsche Rechtsgeschichte in der NS-Zeit, hg. v. Rückert, J. u. a., 1995; Schindler, F., Paulus van Husen im Kreisauer Kreis, 1996; Nunweiler, A., Das Bild der deutschen Rechtsvergangenheit und seiner Aktualisierung im Dritten Reich, 1996; Trott zu Solz, L. v., Hans Peters und der Kreisauer Kreis, 1997; Die deutsche Herrschaft in den „germanischen“ Ländern, hg. v. Bohn, R., 1997; Bedürftig, F., Lexikon Drittes Reich, 1997; Kroll, F., Geschichtsdenken und politisches Handeln im Dritten Reich, 1997; Schiller, C., Das Oberlandesgericht Karlsruhe im Dritten Reich, 1997; Friedländer, S., Das Dritte Reich und die Juden, 1998; Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, hg. v. Weiß, H., 1998; Michelberger, H. Berichte aus der Justiz des Dritten Reiches, 1998; Hummel, K., Deutsche Ge­schichte 1933-1945, 1998; Die juristische Aufarbeitung des Unrechtsstaats, hg. v. d. Redaktion Kritische Justiz, 1998; Klaus, M., Mädchen im Dritten Reich, 1998; Perels, J., Das juristische Erbe des Dritten Reiches, 1999; Wendt, B., Das Dritte Reich, 1999; Schwerin, F. Graf v., Helmuth James Graf von Moltke, 1999; Benz, W., Geschichte des Dritten Reiches, 2000; Ellmann, M., Hans Lukaschek im Kreisauer Kreis, 2000; Die tödliche Utopie, hg. v. Dahm, V. u. a., 3. A. 2001; Klee, E., Deutsche Medizin im Dritten Reich, 2001; Science in the Third Reich, hg. v. Szöllösi-Janze, M., 2001; Schott, A., Adam Trott zu Solz, 2001; Studt, C., Das Dritte Reich in Daten, 2002; Zwangsarbeit im Dritten Reich, hg. v. Zumbansen, P., 2002; Rauh-Kühne, C., Hitlers Hehler?, HZ 275 (2002), 54; Beevor, A., Berlin 1945, 2002; Hilger, C., Rechtsstaatsbegriffe im Dritten Reich, 2003; James, H., Die Deutsche Bank im Dritten Reich, 2003; Hildebrand, K., Das Dritte Reich, 6. A. 2003; Schreckenberg, H., Ideologie und Alltag im Dritten Reich, 2003; Unschuld, P., Chronik des Rotary Clubs München, 2003; Klee, E., Das Personenlexikon zum Dritten Reich, 2003; Tofahrn, K., Chronologie des Dritten Reiches, 2003; Pohl, D., Verfolgung und Massenmord in der NS-Zeit 1933-1945, 2003, 3. A. 2011; Malinowski, S., Vom König zum Führer, 2003; Angrick, A., Besatzungspolitik und Massenmord, 2003; Ciernoch-Kujas, C., Ministerialrat Franz Mass­feller (1902-1966), 2003; Regimekritik, Widerstand und Verfolgung in Deutschland und den besetzten Gebieten, hg. v. Boberach. H. - Erschlie­ßungsband zur Mikroficheedition 2003; Heinemann, I., Rasse, Siedlung, deutsches Blut, 2003; Stufen zum Galgen, hg. v. Pätzold, K. u. a., 2004; Kater, M., Hitler-Jugend, 2004; Evans, R., Das Dritte Reich, Bd. 1 2004; Mühlberger, D., Hitler’s Voice, 2004; Bartels, U., Die Wochenschau im Dritten Reich, 2004; Hayes, P., Die Degussa im Dritten Reich, 2004; Ley, A., Zwangssterilisation und Ärzteschaft, 2004; Gall, L., Elitenkontinuität in Wirtschaft und Wissenschaft, HZ 279 (2004) 659; Huppuch, W., Eugen-Rosenstock-Huessy (1888-1973), 2004; Frei, N., 1945 und wir, 2005; Das Europa des Dritten Reichs, hg. v. Bähr, J./Banken, R., 2005; Finger, T., Die Nürnberger Gesetze, JURA 27 (2005), 161; Hamburg im Dritten Reich, hg. v. d. Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg, 2005; Lindner, S., Hoechst, 2005; Bastian, T., High Tech unterm Hakenkreuz, 2005; Stürickow, R., Kriminalfälle im Dritten Reich. Berlin, 2005; Werner, C., Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW, 2005; Braun, K., Dr. Otto Thierack (1889-1946), 2005; Confront! Resistance in Nazi Germany, hg. v. Michalczyk, J., 2. A. 2005; Köhler, I., Die Arisierung der Privatbanken, 2005; Kißener, M., Das Dritte Reich, 2005; Olick, J., In the House of the Hangman, 2005; Gesche, K., Kultur als Instrument der Außenpolitik totalitärer Staaten, 2006; Voß, R., Johannes Popitz, 2006; Einhaus, C., Zwangs­sterilisation in Bonn (1934-1945), 2006; Winstel, T., Verhandelte Gerechtigkeit, Rückerstattung und Entschädigung für jüdische NS-Opfer, 2006; Schenk, D., Hans Frank, 2006; Schäfer, K., Werner von Blomberg, 2006; Zwicker, S., Nationale Märtyrer - Albert Leo Schlageter und Julius Fučik, 2006; Tent, J., Im Schatten des Holocaust. Schicksale deutsch-jüdischer „Mischlinge“, 2007; Die NS-Gaue -regionale Mittelinstanzen, hg. v. John, J., 2007; Rohrer, F., Strafjustiz im Dritten Reich und in der SBZ/DDR, 2007; Hürter, J., Hitlers Heerführer, 2006, 2. A. 2007; Lübbe, H., Vom Parteigenossen zum Bundesbürger, 2007; Schmerbach, F., Das Gemein­schaftslager Hanns Kerrl für Referendare in Jüterbog 1933-1939, 2008 (rund 20000 Referendare, systemstabilisierende Wirkung); Bähr, J. u. a., Der Flick-Konzern im Dritten Reich, 2008; Stirken, H., Der Kölner Justizalltag im zweiten Weltkrieg, 2008; Orte der Bücherver­brennungen in Deutschland 1933, hg. v. Schoeps, J. u. a., 2008 (ab März 1933 94 Bücherverbrennungen in 62 Städten); Ribbentrop, R. v., Mein Vater Joachim von Rib­bentrop, 2008; Universitäten und Studenten im Dritten Reich, hg. v. Scholtyseck, J. u. a., 2008; Kontinuitäten und Zäsuren. Rechtswissenschaft und Justiz im Dritten Reich und in der Nachkriegszeit, hg. v. Schumann, E., 2008; Harris, W., Tyrannen vor Gericht, 2008; Longerich, P., Heinrich Himmler, 2008; Schlick, C., Apotheken im totalitären Staat, 2008; Das Dritte Reich, hg. v. Süß, D. u. a., 2008; Die Charité im Dritten Reich, hg. v. Schleiermacher, S. u. a., 2008; Drecoll, A., Der Fiskus als Verfolger, 2009; Tofahrn, K., Das dritte Reich und der Holocaust, 2008; Koop, V., Himmlers letztes Aufgebot, 2008; Schleusener, J., Eigentums­poli­tik im NS-Staat, 2009; Bevers, J., Der Mann hinter Adenauer, 2009; Gathmann, P. u. a., Narziss Goebbels, 2009; Ladwig-Winters, S., Ernst Fraenkel, 2009; Lüdicke, L., Griff nach der Weltherrschaft, 2009; Die Katholiken und das Dritte Reich, hg. v. Hummel, K./Kißener, M., 2009, 2. A. 2010; Nie mehr zurück in dieses Land, hg. v. Gerhardt, U. u. a., 2009; Zelle, K., Hitlers zweifelnde Elite, 2010; Verfemt und verboten, hg. v. Schoeps, J. u. a., 2010; Kasseckert, C., Straftheorie im Dritten Reich, 2010; Conze, E. u. a., Das Amt und die Vergangenheit, 2010; Koop, V., In Hitlers Hand, 2010; Iselt, K., Sonderbeauftragter des Führers, 2010; Longerich, P., Joseph Goebbels, 2010; Selbstmobilisierung im Dritten Reich, hg. v. Dinckal, N. u. a., 2010; Rüstung, Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit im „Dritten Reich“, hg. v. Heusler, A. u. a., 2010; Allert, T., Der deutsche Gruß, 2010; Buddecke, J., Endstation Anatomie, 2010; Hausmann, M., Die Geisteswissenschaften im „Dritten Reich“, 2011; Reichskommissariat Ostland, hg. v. Lehmann, S., 2011; Blatman, D., Die Todesmärsche 1944/45, 2011 (mit etwa 250000 Toten); Kramer, N., Volksgenossinnen an der Heimatfront, 2011; Jasch, C., Staatssekretär Wilhelm Stuckart und die Judenpolitik, 2011; Brinkhus, J., Luftschutz und Versorgungspolitik, 2011; Lustiger, A., Rettungs­widerstand, 2011 (200 Retter aus insgesamt 100000 Rettern verfolgter Juden in 30 Ländern); In Nürnberg machten sie ein  Gesetz, hg. v. Beutin, L. u. a., 2011; Steiner, Z., The Triumph of the Dark, 2011; Fremde Blicke auf das Dritte Reich, hg. v. Bajohr, F. u. a., 2011; Hachtmann, R., Das Wirtschaftsimpe­rium der Deutschen Arbeitsfront 1933-1945, 2012; Herzer, M., Auslandskorres­pondenten und auswärtige Pressepolitik im Dritten Reich, 2012; Eichmann in Jerusalem, hg. v. Ambos, K. u. a., 2012; Interessen um Eichmann, hg. v. Renz, W., 2012; Koop, V., Martin Bormann Hitlers Vollstrecker, 2012; Galler, C., Die Spinnhütte Celle im Nationalsozialismus, 2012; Pahl, M., Fremde Heere Ost, 2012; Broichmann, C., Der außer­ordentliche Einspruch im Dritten Reich, 2013 (21 Fälle von Verfahren vor dem besonderen Strafsenat des Reichsgerichts, 92 Fälle vor dem besonderen Senat des Volksgerichtshofs, jeweils hohe Zahl von Todesurteilen); Grenzen des katholischen Milieus, hg. v. Kuropka, J., 2013; Schlosser, H., Sprache unterm Hakenkreuz, 2013; Kuwalek, R., Das Vernichtungslager Belzec, 2013 (rund 450000 Vernichtungen); Scheil, S., Ribbentrop, 2013; Sassin, H., Carl Goerdeler, 2013; Gross, R., November 1938, 2013; Vollmer, A. u. a., Stauffenbergs Gefährten, 2013; Bahro, B., Der SS-Sport, 2013; Ortner, H., Der Hinrichter, 2. A. 2013 (Roland Freisler); Nonn, C., Theodor Schieder, 2013; Becker, M., Mitstreiter im Volkstumskampf, 2014; Lüdicke, L., Constantin von Neurath, 2014; Roos, D., Julius Streicher und „Der Stürmer“ 1923-1945, 2014

Drittschadensliquidation ist die Ersetzung eines einem Dritten entstandenen Schadens durch den Schuldner eines Schuld­verhältnisses. Sie ist dem römischen Recht und dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) an sich fremd, für bestimmte Fallgestaltungen seit einer Entscheidung in Lübeck vom 20. 1. 1855 und einer dog­matischen Erörterung Zimmermanns (1858) aber gewohnheitsrechtlich anerkannt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 184; Reichard, I., Die Frage des Drittschadensersatzes im klassischen römischen Recht, 1992; Schroeter, H., Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten, 1995; Neuner, J., Die Entwicklung der Haftung für Drittschäden, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 193

Drittschutz ist der Schutz eines Dritten durch ein Verhältnis zwischen zwei anderen.

Lit.: Hofer, S., Drittschutz und Zeitgeist, ZRG GA 117 (2000), 377

Drittwiderspruchsklage ist die als Inter­ventionsklage entwickelte Klage des angeblichen oder wirklichen Inhabers eines die Veräußerung hindernden Rechtes an einem Gegenstand (z. B. Eigentum) gegen die Zwangsvollstreckung in den betreffenden Gegenstand.

Lit.: Picker, E., Die Drittwiderspruchsklage, 1981

Drittwirkung ist die Wirkung gegenüber Dritten. Grundsätzlich wirken sich Rechte in einem Schuldverhältnis nur zwischen Gläu­biger und Schuldner (relativ) aus, so dass im römischen Recht sogar Stellvertretung, Abtretung und Schuldübernahme Schwierig­keiten bereiten. Dagegen wirken Sachenrechte gegenüber jedermann (absolut). Die D. von Grundrechten wird in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s erörtert (z. B. Nipperdey), aber überwiegend verneint.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Fabisch, D., Die unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte im Arbeitsrecht, 2010

Drohung (775) ist das Inaussichtstellen eines Übels.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

droit (M.) commun (franz.) gemeines Recht

Lit.: Bourjon, F., Le droit commun de la France et la coutume de Paris reduits en principes, 1747; Petot, P., Le droit commun en France selon les coutumiers, RH 38 (1960), 412

Droit (M.) coutumier (franz.) ist das in →coutumiers aufgezeichnete Gewohnheitsrecht (coutume) (im Norden Frankreichs).

droit (M.) écrit (franz.), Schriftrecht, römisches Recht (im Süden Frankreichs)

droit (M.) intermédiaire (franz.) das zwischen französischer Revolution von 1789 und den Kodifikationen Napoleons (1804ff.) durch Einzelgesetze geschafffene französi­sche Recht

Drost (M.) aus mnd. drossete (Truchsess) gebildete Bezeichnung eines örtlichen Ver­waltungsamtsträgers in Norddeutschland und Westdeutschland vom 13. bis zum 19. bzw. 20. Jh.

Lit.: Bornhak, C., Geschichte des preußischen Verwaltungsrechts, Bd. 1ff. 1884ff.; Drecktrah, V., Die Gerichtsbarkeit in den Herzogtümern Bremen und Verden, 2002; Blazek, M., Von der Landdrostey zur Bezirksregierung, 2004

Druck ist das Einwirken auf einen Gegenstand mit Gewicht oder Kraft. Seit etwa 1440 (1454?) werden Texte durch farbigen Abdruck einer Vorlage auf Papierblätter (Buchdruck mit berweglichen Lettern seitens Johannes Gutenbergs) vervielfältigt (z. B. Bibel in 42 Zeilen je Seite). Einblattdrucke (z. B. Ablassbriefe, Gebete, Mahnschreiben) werden ab 1475 häufig.

Lit.: Eisermann, F., Verzeichnis der typographischen Einblattdrucke im Heiligen römischen Reich deutscher Nation, Bd. 1ff. 2004; Westphal, J., Die Darstellung von Unrecht in Flugblättern der frühen Neuzeit, 2008

Druckprivileg ist das seit Erfindung des Buchdrucks (1440-1454) auf Grund des vom Kaiser beanspruchten Buchregals in Übung kommende herrscherliche, meist zeitlich begrenzte, mit Strafgeldern und Vermögens­einziehung bewehrte Privileg, zum Schutz vor allem der Drucker und auch Verleger sowie mittelbar letztlich auch der Urheber ein bestimmtes Buch aus­schließlich zu drucken und dementsprechend Nachdrucke Nicht­privilegierter zu bekämpfen (Venedig 1469 auf fünf Jahre befristetes, aus­schließliches Privileg Bücher zu drucken für Johan von Speyer [† 1470]], Herzog von Mailand 1481 Nachdrucks­verbotsprivileg, im Heiligen römischen Reich 1501 Nach­druckprivileg für Conrad Celtis, Frankreich 1507, England 1518). Das vielfach erteilte und meist im jeweiligen Werk auch abgedruckte D. wird auf Drängen der Buchhändler und Verleger seit dem 19. Jh. durch das sie und die Urheber vollkommener schützende →Ur­heberrecht (Preußen 11. 6. 1837 Gesetz zum Schutze des Eigentums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck) abgelöst.

Lit.: Pütter, J., Der Büchernachdruck, 1774; Bluntschli, J., Deutsches Privatrecht Bd. 1, 1853; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht über den Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970; Gieseke, L., Vom Privi­leg zum Urheberrecht, 1995; Wadle, E., Geistiges Ei­gentum, 1996; Gergen, T., Die Nachdruckprivilegien­praxis Württtembergs im 19. Jahrhundert, 2007

Dualismus ist grundsätzlich jede Lehre, die von zwei voneinander unabhängigen meist gegensätzlichen Gegebenheiten ausgeht. In diesem Sinne besteht seit dem 14. Jh. ein (durch gegenseitige vertragliche Treuebin­dung befriedeter) ständisch-monarchischer D. (Otto von Gierke 1868) zwischen Landesherr und Landständen, der im Absolutismus zu Lasten der Landstände (vor allem in Öster­reich und Preußen) weitgehend verschwindet. In Österreich sind nach 1867 dualistische Angelegen­heiten die in übereinstimmenden Beschlüs­sen des österreichischen Reichsrats und des ungarischen Reichstags geregelten Ange­legenheiten (Münzwesen, Zollgesetzge­bung, Eisenbahnlinien, Wehrsystem), de­ren Verwaltung in Österreich und Un­ganr jeweils eigenständig erfolgt.

Lit.: Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1 1868, Neudruck 1954; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Thouzellier, C., Livre de deux principes, 1973; Rosenau, K., Hegemonie und Dualismus, 1986; Vormünder des Volkes?, 1999; Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegen­heiten der österreichisch-ungarischen Mo­narchie, 2001

Duaren, François (Bourges 1509-1559), adliger Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bourges und nach weiteren Studien bei Budé Advokat am Parlament von Paris und 1538 Nachfolger Alciats in Bourges. 1544 setzt er sich in der Schrift (lat.) De ratione docendi discendi iuris (Von der richtigen Art Recht zu lehren und zu lernen) für eine moderne Studiengestaltung (lat. →mos [M.] Gallicus) mit Einführungslehr­veranstaltungen, guten Sprachkenntnissen und neuer Methodik ein. Sein gleichzeitig erscheinender Kommen­tar über Verträge beeinflusst die Entwicklung des Schuldrechts (u. a. Grundsatz der Beschränkung der Herausgabe des ungerechtfertigt Erlangtem auf die noch vorhandene Bereicherung).

Lit.: Vogt, W., Franciscus Duarenus, 1971

Dublin in Irland erscheint im 3. Jh. 1171 erhält es das Stadtrecht von Bristol. 1591 bzw. 1909 werden Universitäten gegründet. Seit 1922 ist D. Hauptstadt Irlands.

Lit.: Stewig, R., Dublin, 1959

Duderstadt

Lit.: Bilgenroth-Barke, H., Kriminalität und Zahlungsmoral im 16. Jahrhundert, 2010

Duell ist der geordnete Waffenkampf zweier Streitender (zur Sühnung einer Ehr­ver­letzung). Wurzeln des Duells reichen vielleicht in die Vorzeit zurück. Im Früh­mittelalter durchaus allgemein häufig, tritt im Hochmittelalter der ritterliche Zweikampf zu Ross mit Schild und Lanze in den Vordergrund. Im engeren Sinn entwickelt sich das D. erst in der Neuzeit. Vom 17. Jh. an wird es unter strenger Strafandrohung ohne besonderen Erfolg verboten. Erst nach Ende der adelsgeprägten Gesellschaft (1918) ver­schwindet das ernsthafte D. gänzlich. Seit 1969 gelten die allgemeinen Strafrechtsnor­men, wovon freilich rechtstatsächlich die studentische Mensur noch nicht erfasst wird.

Lit.: Below, G. v., Das Duell in Deutschland, 1896; Fehr, H., Der Zweikampf, 1908; Prokowsky, D., Die Geschichte der Duellbekämpfung, Diss. jur. Bonn 1965; Slawig, J., Der Kampf gegen das Duellwesen, Diss. jur. Münster 1986; Kiernan, V., The Duel in European history, 1988; Dieners, P., Das Duell, 1992; MacAleer, K., Dueling, 1994; Bringmann, T., Reichstag und Zweikampf, 1997; Schmiedel, H., Berüchtigte Duelle, 2000; Schlink, B., Das Duell im 19. Jahrhundert, NJW 2002, 537; Walter, W., Das Duell in Bayern, 2002; Baumgarten, R., Zweikampf, 2002; Das Duell, hg. v. Ludwig, U. u. a., 2011; Geifes, S., Das Duell in Frankreich 1789-1830, 2013

Duguit, Léon (Libourne/Frankreich 1859-Bordeaux 1928), Professor des öffentliches Rechtes in Caen und Bordeaux (1892), sieht den Staat positivistisch-realistisch als bloße Gruppe von an einer Aufgabe arbeitenden, von Regierenden gelenkten und kontrollierten Menschen an.

Lit.: Dumas, u. a., A la mémoire de Léon Duguit, 1929; Grimm, D., Solidarität als Rechtsprinzip, 1973

Duisburg an der Mündung der Ruhr in den Rhein ist (883/884) Pfalz (Dispargum) des fränkischen Königs, wird 1129 (?) Stadt (regia villa) und kommt 1290 als Pfand vom König an Kleve und damit 1614 an Brandenburg. Von 1655 bis 1818 (dann Bonn) ist es Sitz einer von Preußen gegründeten Universität, seit 1972 Sitz einer Gesamthochschule (1980 Uni­versität).

Lit.: Geschichte der Universität Duisburg, hg. v. Ering, W., 1920; Ahrens, T., Aus der Lehr- und Spruch­tätigkeit der alten Duisburger Juristenfakultät, 1962; Ro­den, P. v./Jedin, H., Die Universität Duisburg, 1968; Roden, P.. v., Geschichte der Stadt Duisburg, 1970ff.; Komorowski, M., Bibliographie der Duis­burger Universitätsschriften (1652-1817), 1984; Born, G./Kropatschek, F., Die alte Universität Duisburg, 1992; Die Protokolle des Duisburger Notgerichts 1537-1545, hg. v. Mihm, M., 1994; Zur Geschichte der Universität, hg. v. Hantsche, I., 1997; Jägers, R., Duisburg im 18. Jahrhundert, 2001; Zur Geschichte der Universität Duisburg 1655-1818, hg. v. Geuenich, D. u. a., 2007; Mihm, M. u. a., Mittelalterliche Stadtrechungen im historischen Pro­zess, Bd. 1f. 2007f.

Du Moulin (Molinaeus, Dumoulin), Charles (1500-1566), aus einer Juristenfamilie, wird nach dem Sprachstudium bei Budé und dem Rechtsstudium in Poitiers und Orléans 1522 Advokat in Paris und gelangt nach seiner Vertreibung wegen seiner Zugehörigkeit zum Calvinismus über Basel, Genf und Straßburg 1553-1555 als Rechtslehrer nach Tübingen. 1539 kommentiert er die Coutume von Paris von 1510, 1567 zahlreiche französische Gewohnheits­rechte (Le grand coutumier).

Lit.: Gamillscheg, F., Der Einfluss Du Moulins auf die Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955; Thireau, J., Charles Du Moulin, 1980

Dundee wird 1200 erwähnt. 1883/1967 erlangt es eine Universität. Seit 1889 ist es Stadt.

Lit.: Maxwell, A., Old Dundee, 1891

Duoviri (lat. [M.Pl.] Zweimänner) sind im altrömischen Recht ein Organ des Straf­verfahrens, im spätantiken römischen Recht ein gemeindliches Verwaltungsorgan.

Lit.: Kaser § 80; Köbler, DRG 20, 55

duplum (lat. [N.]) Doppeltes

Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 65

Durantis (Duranti), Guilelmus der Ältere (Speculator) (Puimoisson/Languedoc (1230?) 1237-Rom 1. 11. 1296) wird nach dem Rechtsstudium in Lyon? und Bologna (1255, doctor decretorum) Rechtslehrer in Modena und vielfältiger päpstlicher Amtsträger (1271 Richter, 1279 Dekan in Chartres, 1286 Bischof von Mende/Südfrankreich). Sein vierbändiges, in mindestens 130 Hand­schriften überliefertes Hauptwerk (lat. →Speculum [N.] iudiciale, Gerichtsspiegel, 1271-vor 1276, 2. A. 1289-1291, Druck Straßburg 1473, Neudruck 1975) behandelt, dem Ablauf eines Prozesses folgend, in vier Teilen (Personen, Zivilsachen, Kriminalsachen, einzelne Klagen) in erschöpfender Sammlung und Verwaltung der prozessrechtlichen Literatur das gesamte geistliche Gerichtsrecht unter Berücksichtigung vieler Formulare.

Lit.: Köbler, DRG 107; Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, 2. A. Bd. 5 1850, 571; Guillaume Durand, hg. v. Gy, P., 1992; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 478

Durchgangserwerb ist der nur durchgangsweise erfolgende Erwerb eines Rechtes, das unmittelbar nach Eingang in das Vermögen des Durchgangserwerbers aus diesem wieder ausscheidet.

Lit.: Weyand, S., Der Durchgangserwerb, 1989

Durch zweier Zeugen Mund wird die Wahrheit kund.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 360 (Simrock 1846)

Durlach

Lit.: Mührenberg, A., Kleine Geschichte Durlachs, 2009

dux (lat. [M.]) Feldherr, Führer, Herzog (z. B. im westfränkischen Reich dux Britonum 860, dux Aquitanorum 909, dux Burgundiae 918, dux Francorum 937, dux Normannorum 1006, dux Gasconum 1022, dux Narbonae 1088)

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55; Sprandel, R., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Kienast, W., Der Herzogstitel in Frankreich und Deutschland, 1968; Ebling, H., Prosopographie der Amtsträger, 1974; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1977; Gasparri, S., I duchi longobardi, 1978; Holzfurtner, L., Gloriosus dux, 2003; Geist, S., Der gescheiterte Feldherr, 2009

Dynastie (Herrschergeschlecht) →Merowin­ger, →Karolinger, →Ottonen (bzw. Sachsen), →Salier, →Staufer, →Welfen, →Babenberger, →Wittels­bacher, Luxemburger, →Wettiner, →Hohenzollern, →Habsburger, Kapetinger, Bourbonen, Stuart u. a.

Lit.: Schmid, K., Zur Problematik von Familie, Sippe und Geschlecht, Haus und Dynastie, ZGO 105 (1957); Sokop, B., Stammtafeln europäischer Herrscherhäuser, 1976; Thoma, G., Namensänderungen in Herrscher­familien des mittelalterlichen Europa, 1985; Sokop, B., Stammtafeln europäischer Herrscherhäuser, 1989; Hlawitschka, E., Der Thronwechsel des Jahres 1002 und die Konradiner, ZRG GA 110 (1993), 149; Durschmied, E., Der Untergang großer Dynastien, 2000

 

E

Ebel, Wilhelm (Garsuche/Schlesien 7. 6. 1908-Göttingen 22. 6. 1980) wird nach dem Studium von Rechtswissenschaft, Geschichte und Sprachen in Königsberg, Heidelberg und Bonn 1933 bei Adolf Zycha in Bonn pro­moviert, 1936 habilitiert und 1938 nach Rostock berufen. 1939 wechselt er als Nachfolger Herbert Meyers nach Göttingen (bis 1945, ab 1954), wo er 1965 vorzeitig emeritiert wird. Besonders verdient macht er sich durch Arbeiten zum lübischen Recht und durch Quelleneditionen.

Lit.: Landwehr, G., Wilhelm Ebel, ZRG GA 98 (1981), 467; Die deutsche Rechtsgeschichte in der NS-Zeit, hg. v. Rückert, J. u. a., 1995

Ebenburt Ebenbürtigkeit

Ebenbürtigkeit (Ebenburt) ist die von der Gleichheit des (Geburts-)Standes abhängige rechtliche Gleichheit. Ihr ähnelt im römischen Recht das →conubium. Wann im Mittelalter E. eine Voraussetzung einer Rechtsfolge wird, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Immerhin ist erkennbar, dass seit der karolingischen Zeit der Hochadel nahezu ausnahmslos unter sich heiratet. Später zeigen sich Auswirkungen auch im Verfahrensrecht (E. der Urteiler, der Zeugen, des kampflich Ansprechberechtigten). Mit dem Verlust der Vorrangstellung des Adels verschwindet (spätestens 1918) auch die rechtliche Bedeu­tung der E. weitgehend.

Lit.: Köbler, DRG 120; Pütter, J., Über Missheiraten teutscher Fürsten und Grafen, 1796; Göhrum, C., Geschichtliche Darstellung der Lehre von der Ebenbürtigkeit, 1846; Dungern, O. v., Das Problem der Ebenbürtigkeit, 1905; Anschütz, G., Das Reichskammergericht und die Ebenbürtigkeit, ZRG GA 27 (1906), 172; Minnigerode, H. v., Ebenburt und Echtheit, 1912; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993; Willoweit, D., Standesungleiche Ehen des regierenden hohen Adels in der neuzeitlichen deutschen Rechtsge­schichte, 2004

Ebenteuer (N.) Sicherstellung (z. B. des Erwerbers eines ohne Erbenlaub veräußerten Gutes unmündiger Kinder) durch gleichen Wert (z. B. Pfand)

Lit.: Mayer-Maly, T., Ebenteuer, ZRG GA 72 (1955), 216

Ebstorf

Lit.: Urkundenbuch des Klosters Ebstorf, hg. v. Jaitner, K., 1985; Die Ebstorfer Weltkarte, hg. v. Kugler, H., 2007

ecclesia (lat. [F.]) Kirche

Ecclesia non sitit sanguinem (lat., die Kirche dürstet nicht nach Blut) ist eine mittelalterliche Rechtsregel unbekannter Her­kunft, die begründet, weshalb Geistliche nicht an Verfahren teilnehmen dürfen, die zu einer →Todesstrafe oder Verstümmelungsstrafe führen können. Sie wird im Hochmittelalter sichtbar (Westminster 1173, Rouen 1190, Dublin 1214). Sie hat zur Folge, dass die Kirche in ihren weltlichen Herrschafts­gebieten Gerichtshalter (Vögte) einsetzen muss, die für sie das Blutgericht ausführen. Zumindest inhaltlich nicht an ihre Selbstbeschränkung hält sich die Kirche gegenüber Ketzern, Zauberern und Hexen. Auch bei Kreuzzügen scheut die Kirche vor dem Blutvergießen nicht zurück.

Lit.: Stickler, A., Il gladius negli Atti dei concili, Salesianum 13 (1951), 414; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Ecclesia vivit lege Romana (lat., die Kirche lebt nach römischem Recht) ist eine beispielsweise in der (lat.) →Lex (F.) Ribvaria (61) des 7. Jh.s bezeugte mittel­alterliche Rechtsregel, die zum Ausdruck bringt, dass die christliche Kirche grundsätzlich römische Rechtsgedanken angenommen hat und ihre Geltung für ihre Angehörigen einfordert. Stellenweise grenzt sich die Kirche aber auch bewusst vom römischen Recht ab.

Lit.: Biondi, B., Il diritto Romano Cristiano, 1952ff.; Feine, H., Vom Fortleben des römischen Rechtes in der Kirche, ZRG KA 73 (1956), 1; Fürst, C., Ecclesia vivit lege Romana?, ZRG KA 92(1975), 17; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Lex Ribvaria 763/4)

Echte Not ist die von der mittelalterlichen Rechtsordnung als Ausnahmetatbestand einer Rechtsregel anerkannte besondere Lage (z. B. ist Säumnis im Verfahren bei echter Not [z. B. Krankheit, Haft, Unwetter, Krieg, Kreuz­zug] entschuldigt), deren Wirkung in dem Satz Echte Not kennt kein Gebot zum Aus­druck kommt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schmidt, A., Echte Not, 1888; Sousa Costa, A. de, Studien zu volkssprachigen Wörtern in kaorlingischen Kapitularien, 1993, 151

Echtes Ding ist das nicht besonders gebotene, regelmäßig zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfindende →Ding.

Eckhardt, Karl August (Witzenhausen 5. 3. 1901-Witzenhausen 29. 1. 1979); Rechtsan­waltssohn, wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Marburg 1922 vier Wochen nach der ersten juristischen Staatsprüfung bei Walther Merk mit einer Dissertation über die Witzenhäuser Schwabenspiegelhand­schrift promoviert und 1924 mit 23 Jahren in Göttingen bei Herbert Meyer mit einer Schrift über den Deutschenspiegel für deutsches Recht habi­litiert. 1928 wird er ordentlicher Pro­fessor in Kiel, 1932 (mit bereits mehr als 70 Veröffentlichungen) an der Handelshoch­schule Berlin, dann in Bonn, 1933 in Kiel, 1934 für Geschichte in Berlin und Hauptreferent für Recht, Staat, Politik, Wirtschaft und Geschichte der Hochschul­abteilung des Reichs- und preußischen Minis­teriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (Eckhardtsche juristische Studienreform). 1936 wechselt er an die juristische Fakultät, 1937 nach Bonn, zeitweise ist er in Paris. 1945 wird er als entschiedener Anhänger der Nationalsozi­alistischen Deutschen Arbeiterpartei (Oktober 1933 Mitglied der SS, 1935 zum persönlichen Stab des Reichsführers SS abkommandiert) (mit 44 Jahren) seines Amtes enthoben, 1948 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, eine Emeritierung wird von seiner Fakultät ver­hindert. Als Privatgelehrter führt er seine Editionstätigkeit mittelalterlicher Rechtsquel­len mit starkem persön­lichem Einsatz fort.

Lit.: Festschrift zum 60. Geburtstag von Karl August Eckhardt, hg. v. Perst, O., 1961; Werksverzeichnis Karl August Eckhardt, zusammengestellt v. Eckhardt, A., 1979; Krause, H., Karl August Eckhardt, DA 35 (1979), 1; Die Juristen der Universität Bonn im Dritten Reich, hg. v. Schmoeckel, M., 2004, 160

Edda (an. Urgroßmutter?) ist der Name für eine in einer um 1270 (anonym) verfassten isländischen Handschrift (lat. [M.) Codex regius) überlieferten altnordischen Lieder­sammlung (Götterlieder und Heldenlieder) in Stabreimen (Liederedda, mit der noch weitere Texte anderer Handschriften als [lat. N. Pl.] Eddica minora verbunden werden,) und vor allem für ein überwiegend in Prosa gehal­tenes, um 1225 entstandenes altnordisches Werk des Isländers Snorri Sturluson (1179-1241) über altnordische Dichtung und Mythologie (Snorra Edda), von denen die möglicherweise erheblich ältere Geschehnisse verarbeitende Liederedda auch als rechtsge­schichtlich ertragreich angesehen wird.

Lit.: Snorra Edda, hg. v. Jónsson, F., 1900; Eddica minora, hg. v. Heusler, A. u. a., 1903, Neudruck 1974); Edda - Die Lieder des Codex regius nebst verwandten Denkmälern, hg. v. Neckel, G., 5. A. 1936; Kommentar zu den Liedern der Edda. hg. v. See, K. v. u. a., Bd. 2ff. 1997ff.; Fidjestøl, B., The Dating of Eddic Poetry, 1999; Krause, A., Die Götter- und Heldenlieder der älteren Edda, 2004; Gudmundsson, Ó., Snorri Sturlus­on, 2011

Eddach (mnd.) Eidtag

Lit.: Ebel, W., Bursprake, echteding, eddach, FS H. Niedermeyer, 1953, 53

edictum (lat. [N.]) Ausgesagtes, Ankündi­gung, Festlegung, Edikt (z. B. e. des römi­schen Prätors, in dem er angibt, nach welchen Grundsätzen er in seinem Amt Recht sprechen wird, oder der kurulischen Ädilen über die Folgen eines Mangels bestimmter Sachen wie Sklaven, Zugtieren und Lasttieren)

Edictum Chilperici ist das von dem merowingischen König Chilperich I. (561-584, Reichsteil um Soissons) verfasste, in einer karolingischen Handschrift überlie­ferte Edikt bzw. Kapitular.

Lit.: Beyerle, F., Das legislative Werk Chilperichs I., ZRG GA 78 (1961), 1; Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962, Tit. 106-116

Edictum Theoderici ist der nur durch einen frühneuzeitlichen Druck (Pierre Pithous [1579] aus zwei seitdem verschollenen Handschriften) überlieferte Rechtstext der ausgehenden Spätantike (2. H. 5. Jh.?), der in 154 bzw. 155 kurzen, zeitlich geordneten Kapiteln unter Verwendung des (vulgar umgeformten römischen) Codex Theodosi­anus, des Codex Gregorianus und des Codex Hermogenianus sowie der sog. Paulussenten­zen und der Responsen des Paulus verschie­denste Gegenstände behandelt und dabei in 26 Kapiteln die Todesstrafe androht. Streitig ist, ob das E. T. dem Gotenkönig →Theoderich dem Großen (493-526) und der Zeit um 500 zugeschrieben werden kann (oder älter ist).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 53, 80; Bluhme, F., MGH LL (in folio) 5, 1, 145-168, 176-179; Gau­denzi, A., Die Entstehungszeit ZRG GA 7 (1886), 29; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Vismara, G., Edictum Theoderici, 1967, Ius Romanum Medii Aevi I 2 b aa α, dazu Nehlsen, H., ZRG GA 86 (1969), 246; Stelzer, W., Gelehrtes Recht, 1982; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987; Kohlhas-Müller, D., Untersuchungen zur Rechtsstellung Theo­derichs des Großen, 1995; Lafferty, S., Law and Society in the Age of Theoderic the Great, 2013

Edictum (N.) tralaticium (lat.) ist das ü­ber­lieferte →Edikt des römischen Prätors. Um 130 n. Chr. beauftragt Kaiser Hadrian den Rechtskundigen Julian mit der Fest­legung des bis dahin jährlich neu ange­nom­menen Edikts in einem (lat.) edictum (N.) perpetuum (dauernden, unveränder­lichen Edikt mit rund 500 Sachpunkten in fünf Teilen). Nach diesem Zeitpunkt über­neh­men die kaiser­lichen Konstitutionen die bis dahin von den Prätoren wahrgenom­mene Aufga­be der Rechtsfortbildung.

Lit.: Köbler, DRG 30; http://www.koeblergerhard.­de/Fontes/EdictumPerpetuumPraetorisUrbani_Lenel.htm

Edictus Rothari ist das unter der Herrschaft König Rotharis 643 in 388 Kapiteln lateinisch aufgezeichnete Recht der Langobarden (→Volksrecht). Es berücksichtigt neben den hergebrachten Gewohnheiten (langobardisch cawarfide) römisches Recht, biblische Ge­danken und vielleicht westgotisches, bayerisches, alemannisches und fränkisches Recht. Die Nachfolger Rotharis fügen Ergänzungen an (→Leges Langobardorum).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Edictus ceteraeque Langobardorum leges, ed. Bluhme, F., 1869; Njeussychin, A., Der Freiheitsbegriff im Edikt des Rothari, ZRG GA 66 (1948), 64; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Dold, A., Zur ältesten Handschrift des Edictus Rothari, 1955; Cavanna, A., Nuovi problemi intorno alle fonti, Studia et documenta 34 (1968), 269; Cavanna, A., La civiltà giuridica longobarda, 1978; Vismara, G., Il diritto in Italia nell’ alto medioevo, 1981

Edikt („Ausspruch“ist allgemein die Bekanntmachung oder der Erlass. In der römischen Rechtsgeschichte ist das Edikt des Gerichtsmagistrats (Prätors) die Bekannt­machung vor allem der Grund­sätze, die der Gerichtsmagistrat während der gesamten Dauer seiner Amtszeit beachten will (lat. edictum [N.] perpetuum, dauerhafte Bekanntmachung z. B. einer Prozessformel, einer Rechtsschutz­verheißung). Kaiser Ha­drian lässt um 130 n. Chr. das Edikt der Prätoren (lat. praetor [M.] urbanus und prae­tor peregrinus) und der kurulischen Ädilen durch den Rechtskundigen Salvius →Iulianus in eine endgültige, nur mehr durch den Kaiser ab­änderbare oder ergänzbare Fassung bringen.

Lit.: Kaser §§ 2, 80; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 22; Söllner §§ 9, 15, 16, 23; Köbler, DRG 31, 161; Lenel, O., Das Edictum perpetuum, 3. A. 1927, Neudruck 1956; Selb, W., Das prätorische Edikt, FS M. Kaser, 1986, 259

Ediktalzitation ist die durch öffentliche Bekanntmachung erfolgende Ladung eines Beklagten, den eine persönliche Ladung nicht oder schwer erreicht (z. B. durch Anschlag an einem öffentlichen Gebäude wie einem Rathaus oder einer Kirche). Sie stammt aus dem römischen Recht. Sie erscheint im 13. Jh. auch im deutschen Reich (Reichsabschied vom 19. 11. 1274) und wird danach im Kameralprozess als subsidiäre Einrichtung aufgenommen. Sie ist in der öffentlichen Zustellung der Gegenwart erhalten (§§ 186 II 1, 187 ZPO, § 40 I StPO). Von der E. zu unterscheiden ist die Feststellung, dass der Beklagte vor Gericht nicht erschienen ist.

Lit.: Haase, C., Über Edictalladungen und Edictalprozeß, 1817; Meyer, H., Das Strafverfahren gegen Abwesende, 1869; Bethmann Hollweg, M. v., Der Zivilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 5 1873, 111; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 339; Opet, O., Geschichte der Prozesseinleitungsformen, 1891; Sel­lert, W., Die Ladung des Beklagten vor das Reichskammergericht, ZRG GA 84(1967), 202; Rein­schmidt, T., Die Einleitung des Rechtsganges und des Versäumnisverfahrens im salfränkischen Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1968; Kaser, M./Hackl, K., Das römische Zivilprozessrecht, 2. A. 1996, § 71

Edikt von Nantes ist das am 13. 4. 1598 von König Heinrich IV. von Frankreich erlassene Edikt, welches das katholische Bekenntnis als Staatsreligion bestätigt, den Hugenotten (fran­zösische Protestanten) Gewissensfreiheit und ungefähr 100 sichere Orte gewährt.

Edinburgh ist die am Firth of Forth sich unterhalb einer seit dem 6. Jh. nachgewiesenen Burg entwickelnde Sied­lung, in der seit dem Ende des 11. Jh.s die schottischen Könige sitzen (um 1470-1707 Hauptstadt). 1583 erlangt es eine Universität.

Lit.: Arnot, H., The History of Edinburgh, 1779

Edition (F.) Ausgabe, Herausgabe, Bekannt­gabe von Klagemitteilung und Beweisurkun­de im römischen und frühneu­zeitlichen Zivilprozess

Lit.: Bresslau, H., Geschichte der Monumenta Germa­niae Historica, 1921; Richtlinien für die Edition landes­geschichtlicher Quellen, hg. v. Heinemeyer, W., 2. A. 2000; Vom Nutzen des Edierens, hg. v. Merta, B. u. a., 2005; Editiones principes delle opere dei padri greci e latini, hg. v. Cortesi, M., 2006; Editionen - Wandel und Wirkung, hg. v. Sell, A., 2007; Erlanger Editionen, hg. v. Neuhaus, H., 2009

Eferding

Lit.: Die Rechtsquellen der Stadt Eferding, hg. v. Wutzel, O., 1954

Eger

Lit.: Siegl, K., Alt-Eger, 1927; Sturm, H., Eger, (1951); Šimek, E., Chebsko (Das Egerland), 1955; Das Egerer Urgichtenbuch, hg. v. Skála, E., 1972; Sturm, H., Districtus Egranus, 1981

Ehaft (zu dem Adj. ehaft, echt, rechtmäßig) ist vor allem in Bayern die örtlich verbreitete Bezeichnung für →Weistum.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Meyer, C., Ehaften des Klosters Heidenheim, ZRG GA 14 (1894), 168; Eisenbrand, T., Ehehaftsordnungen im Hochstift Eichstätt, 1938; Trauchburg, G. v., Ehehaften und Dorfordnungen, 1995

Ehalt ist die örtlich verbreitete Bezeichnung für →Gesinde.

Ehe (mit anderer Bedeutng schon für das Indogermanische zu erschließen) ist die mit Eheschließungswillen eingegangene aner­kann­te Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau. Bei den Indogermanen gibt vermutlich der Vater die Tochter dem Mann, der sie (in das eigene Haus) führt, aber zu den Eltern der Frau in keine (verwandtschaftliche) Beziehung tritt. Im altrömischen Recht, in dem die E. ein hauptsächlich sozial geordnetes Verhältnis (gewollte tatsächliche Lebensgemeinschaft mit Rechtsfolgen) ist, verspricht der Gewalthaber der Braut diese dem Bräutigam. Daneben kann der Bräutigam seinerseits die Heimführung zusagen. Beides kann durch Geldversprechen gesichert werden und wird regelmäßig danach erfüllt. Die Eheschließung selbst erfordert den überein­stimmenden Willen, die E. einzugehen. Kaiser Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) stellt Eheverbote und Ehegebote auf (lex Iulia de maritandis ordinibus 18 v. Chr. Eheverbote, Lex Iulia de adulteriis 18 v. Chr. Ehebruchsstrafen, lex Papia Poppaea 9 n. Chr. Ehegebote). Viel­leicht schon im klas­sischen römischen Recht, jedenfalls in der Spätantike wird die E. unter vorwiegend christlichem Einfluss ein stärker rechtlich geprägtes Verhältnis, wobei die Kirche ihrerseits die Gegensätze zwischen alttestamentarischem Eheverständnis (Mehr­ehe, Ehescheidung) und neutestamentarischen Eheverständnis (Einehe auf Lebenszeit) aus­gleichen muss. Für den Eheschluss der mündigen Brautleute genügt der jetzt rechtlich eingeordnete Konsens, der aber in der Regel nur durch Urkunden über eine Mitgiftbestellung bewiesen wird. Im Frühmittelalter setzen sich die kirchlichen Vorstellungen gegenüber den germani­schen Gestaltungen (Vertrag zwischen Brautvater und Bräutigam [Muntehe, daneben vielleicht Entführungsehe und angeblich Raubehe und Kebsehe], Möglichkeit der Mehrehe) durch. Wohl seit dem 12. Jh. gilt der bereits den Kirchenvätern des Altertums bekannte Satz, dass allein die Vereinbarung die E. begründet ([lat.] solus consensus facit nuptias). Seit dem 12./13. Jh. soll aus Gründen der Rechtssicherheit ein vorheriges Aufgebot (1215) und die Erfragung des Ja-Wortes durch den Priester erfolgen. Die E., die im 13. Jh. unter Einengung einer ursprünglich weiteren Bedeutung (ahd. ewa, Recht) ihren Namen E. erhält und die vor kirchlichen Gerichten hauptsächlich von Frauen eingeklagt wird, wird christliches Sakrament. Die durch Martin Luthers Refor­mation von 1517 begründete protestantische Kirche lehnt dies ab und sieht die E. als Vertrag. In der frühen Neuzeit wendet sich die Aufklärung überhaupt gegen das kirchliche Wesen der E. Es wird die Schließung der E. vor einer staatlichen Stelle zugelassen oder vorgeschrieben (England 1653, Frankreich 1792). Im Kulturkampf wird im deutschen Reich die obligatorische Zivilehe in der Form gegenseitiger Willenserklärungen vor dem Standesbeamten festgesetzt (Preußen 1874, 6. 2. 1875 Personen­standsgesetz des Reiches). Daneben besteht die Möglichkeit der (zusätzlichen, nachträglichen) kirchen­recht­li­chen E. fort. Das Bürgerliche Gesetz­buch von 1900 geht von der auf Lebenszeit von den Eheleuten vor dem Standesbeamten geschlossenen E. aus, sieht aber die Möglichkeit der Ehescheidung durch gerichtliches Urteil bei Vorliegen be­stimmter Gründe vor. Am Ende des 20. Jh.s wird die Ehe rechtstatsächlich durch viele nichteheliche Lebensgemeinschaften und ge­setzlich durch die Zulässigkeit der einge­tragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspart­ner­schaft ergänzt bzw. ersetzt. Dement­sprechend wird auch auf die Priorität der staatlichen Eheschließung vor der kirchenrechtlichen Eheschließung verzich­tet.

Lit.: Kaser § 58; Söllner §§ 5, 6, 7, 8, 12, 14, 18, 23; Hübner 624ff.; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 15, 22, 36, 58, 114, 120, 161, 209, 238, 267; Baltl/Kocher; Schulte, J. v., Handbuch des katholi­schen Eherechts nach dem gemeinen katholischen Kirchenrecht, 1855; Friedberg, E., Das Recht der Ehe­schließung in seiner geschichtlichen Entwicklung, 1865, Neudruck 1965; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875; Kawerau, W., Die Reformation und die Ehe, 1892; Köstler, R., Muntwalt und Ehebewilligung, ZRG GA 29 (1908), 78; Schlatter, A., Der Schutz der ehelichen Gemeinschaft, 1920; Hoyer, E., Die Ehen minderen Rechts, 1926; Preisker, H., Christentum und Ehe in den ersten drei Jahrhunderten, 1926, Neudruck 1979; Joyce, G., Die christliche Ehe, 1934; Plöchl, W., Das Eherecht des Magisters Gratian, 1935; Vaccari, P., Il matrimonio germanico, 1935; Schubart-Fikentscher, G., Das Eherecht im Brünner Schöffenbuch, 1935; Goern, H., Das Ehebild im deutschen Mittelalter, 1936; Köhler, W., Die Anfänge des protestantischen Eherechts, ZRG KA 61 (1941), 271; Köstler, R., Raub-, Kauf- und Friedelehe bei den Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Conrad, H., Die Grundlegung der modernen Zivilehe durch die französische Revolution, ZRG GA 67 (1950), 336; Erle, M., Die Ehe im Naturrecht, Diss. jur. Göttingen 1952; Ziegler, J., Die Ehelehre der Poe­nitentialsummen, 1956; Lettmann, R., Die Diskussion über die klandestinen Ehen, 1966; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967; Tietz, G., Verlobung, Trauung und Hochzeit in den evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, 1969; Schulze-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel, 1970; Gräfe, R., Das Eherecht in den Coutumiers des 13. Jahrhunderts, 1972; Dufour, A., Le mariage dans l’Ecole allemande du droit naturel moderne, 1972; Giesen, D., Grundlagen und Entwicklung des englischen Eherechts, 1975; Huber, J., Der Ehekonsens im römischen Recht, 1977; Mikat, P., Dotierte Ehe – rechte Ehe, 1978; Die nichteheliche Lebens­gemeinschaft, hg. v. Landwehr, G., 1978; Fricke, F., Das Eherecht des Sachsenspiegels, 1978; Raiser, B., Die Rechtsprechung zum deutschen internationalen Eherecht im Dritten Reich, 1980; Hauser, H., Die geistigen Grundlagen des Eherechts an der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert, 1980; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Ehen ohne Ring, hg. v. Böhme, W., 1981; Buchholz, S., Recht, Religion und Ehe, 1988; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, 1990; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Marriage, property and succession, ed. by Bonfield, L., 1992; Krüger, J., Die Ehegesetzgebung des Kaisers Augustus, 1994; Seehase, H., Ehesachen vor dem Reichskammergericht, Diss. jur. Münster 1998; Fuhrmann, I., Die Diskussion über die Einführung der fakultativen Zivilehe in Deutschland und Österreich seit Mitte des 19. Jahrhunderts, 1998; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999; Ehe und Familie, hg. v. Hecker, H., 1999; Göwer, K., Wilde Ehen, 1999; Blümel, K., Die Aufhebung der sog. Rassenmischehe, Diss. jur. Regensburg 1999; Eisenring, G., Die römische Ehe als Rechtsverhältnis, 2000; Das älteste Tübinger Ehebuch (1553-1614), hg. v. Schiek, S. u. a., 2000; Matrimoni in dubbio a cura di Seidel Menchi S. u. a., 2001; Schwab, C., Das Augs­burger Offizialatsregister 1348-1352, 2001; Schnell, R., Sexualität und Emotionalität in der vormodernen Ehe, 2002; Saar, S., Ehe – Scheidung - Wieder­verheiratung, 2002; Mammeri-Latzel, M., Justizpraxis in Ehesachen im Dritten Reich, 2002; Eisenring, G., Die römische Ehe als Rechtsverhältnis, 2002; Fischer, G., Die Problematik der Ehe, 2003; Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2003; Arni, C., Entzweiungen, 2004; Grahn-Hoek, H., Zu Mischehe, Namengebung und Personenidentität im frühen Frankenreich, ZRG GA 121 (2004), 100; Jacobi, K., Der Ehetraktat des Magisters Rolandus von Bologna, 2004; Karl, A., Castitas temporum meorum, 2004; McCarthy, C., Marriage in Medieval England, 2004; Lang, M., Das Eheverbot wegen Glaubensverschiedenheit, 2004; D’Avray, D., Medieval Marriage, 2005; Eisfeld, J., Die Scheinehe, 2005; Frassek, R., Eherecht und Ehege­richtsbarkeit in der Reformationszeit, 2005; Lutz, A., Ehepaare vor Gericht, 2006; Lumpp, S., Die Scheinehenproblematik, 2007; Kaiser, D., Die elterliche Eheeinwilligung, 2007; Westphal, S., Ehen vor Gericht, 2008; Weber, I., Ein Gesetz für Männer und Frauen, 2009; Ehe - Haus - Familie, hg. v. Schmidt-Voges, I., 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Walther, S., Die (Un-)Ordnung der Ehe, 2010; Rabaa, A., Die Ehe als Rechtsinstitut im Badischen Landrecht von 1810, 2011; Venus und Vulcanus, hg. v. Westphal, S. u. a., 2011; Szymanski, H., Theorie und Lebenswirklichkeit, 2013; Freist, D., Glaube - Liebe - Zwietracht - Konfessionell gemischte Ehen in Deutschland in der frühen Neuzeit, 2013

Ehebruch (Wort 1338) ist der zumindest bedingt vorsätzliche Vollzug des Beischlafs eines Ehegatten mit einer dritten Person anderen Geschlechts. Der wohl zunächst privat geahndete E. (der Frau), dem nach der Bibel die Steinigung folgt (1. Moses 38,24), wird seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) strafbar. Bei den Germanen darf der Mann die Frau nackt und geschoren durch die Siedlung treiben und damit dem Untergang preisgeben oder überhaupt töten. Ihr männlicher Partner darf in handhafter Tat bußlos getötet werden und unterliegt im Übrigen der Rache und später der Buße. Die christliche Kirche verlangt die Gleichbehandlung von Mann und Frau (unter Ausschluss der Wiederheirat), setzt sie aber erst seit dem 14. Jh. in den Städten durch. Dem folgt im Gegensatz zum Sachsenspiegel (1221-1224) und zur Consti­tutio Criminalis Bambergensis (1507) die Constitutio Criminalis Carolina (1532), äußert sich aber zur Strafe selbst nicht. Das preußische Allgemeine Landrecht (1794) bestraft die Ehebrecher nur im Fall der Eheschließung auf Antrag des beleidigten Ehegatten mit höchstens einjähriger Gefängnisstrafe. Je nach dem Religions­bekenntnis ist im Josephinischen Gesetzbuch (1787) und im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (1811) der E. Ehe­scheidungsgrund. 1969 wird in Deutschland die Strafbarkeit beseitigt (Öster­reich 1996, aber schwere Eheverfehlung). Mit dem Übergang zum Zerrüttungsprinzip (1976) ist E. als solcher auch kein Grund mehr zur Ehescheidung (in Österreich seit 1999 kein absoluter Ehescheidungsgrund mehr).

Lit.: Söllner §§ 10, 14; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 35, 119, 264; Hälschner, H., Die Lehre vom Ehebruch, Gerichtssaal 22 (1870), 401; Bennecke, H., Die strafrechtliche Lehre vom Ehebruch, 1884; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 691; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931, 424; Bruns, B., Ehescheidung und Wiederheirat im Fall von Ehebruch, 1976; Bullough, V./Brundage, J., Sexual Practices, 1982; Graf, W., Der Ehebruch im fränkischen und deutschen Mittelalter, Diss. jur. Würzburg, 1983; Schmitz, W., Der nomos moicheias, ZRG RA 114 (1997), 233; Kossak, W., Ehebruch, 2000; Melchior-Bonnet, S./Tocqueville, A. de, In flagranti, 2000; Mader, K., Ehebruch als Scheidungstatbestand, 2002; Trasgressioni, hg. v. Seidel Menchi, S., 2004; Kümper, H., Ein spätmittelalterlicher Kurztraktatüber die Tötung der Ehebrecherin, ZRG GA 126 (2009), 223; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Ehefrau (Wort 1287) →Frau

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Ehegatte (1409, Eheleute 1264)

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Ehegattenerbrecht ist das Erbrecht eines Ehegatten beim Tode des anderen Ehegatten. In Rom führt die wachsende Häufigkeit der gewaltfreien Ehe schließlich zur Einführung einer (allen Verwandten nachgeordneten) Erb­folge zwischen Ehegatten. Justinian spricht der bedürftigen undotierten Witwe neben Kindern ein Viertel des Erbes ihres Mannes zu (Novellen 53). Im deutschen Reich fehlt anfangs ebenfalls ein E., doch erkennen Stadtrechte im Hochmittelalter als Folge der Güterge­meinschaft allmählich ein E. an. In der Neuzeit wird vielerorts unabhängig vom Güterstand ein bestimmter Anteil am Nachlass des erstversterbenden Ehegatten gewährt. Teilweise wird das justinianische Recht aufgenommen. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erhält der Ehegatte mindestens ein Viertel des Nachlasses (Österreich 1914). Dieser Erbteil erhöht sich im Falle der Zugewinn­gemeinschaft (1957) um ein Viertel. Seit 2004 erbt der hinterbliebene Ehegatte in Österreich bereits neben Neffen oder Nichten den gesamten Nachlass

Lit.: Kaser §§ 65, 66; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 123, 210, 269; Wesener, G., Geschichte des Erbrechtes in Österreich seit der Rezeption, 1956; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Fröschle, T., Die Entwick­lung der gesetzlichen Rechte des überlebenden Ehegatten, 1996; Heyse, G., Mulier non debet abire nuda, 1994

Ehegattenschenkung ist die Schenkung von Gütern unter Hausverbänden von Ehegatten. Sie wird im römischen Recht (vielleicht im 3. Jh. v. Chr. unter dem Einfluss der Stoa ent­wickelt und) unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) verboten.

Lit.: Köbler, DRG 37; Misera, K., Der Bereicherungsgedanke bei Schenkungen unter Ehegatten, 1974; Schenkungen unter Ehegatten, (in) Familie und Recht, 1995, 177; Kemner, D., Schenkungen unter Ehegatten, 1998; Gade, G., Donationes inter virum et uxorem, 2001

Ehegesetz ist ein die →Ehe betreffendes Gesetz, insbesondere das am 6. 7. 1938 auf Grund des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich erlassene, zum 1. 8. 1938 in Kraft gesetzte Gesetz (zur Verein­heitlichung des Rechtes der Eheschließung und Ehe­scheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet), welches das Recht der Eheschließung und Ehescheidung aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch Deutschlands und dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (unter Beendigung des konfes­sionell gegliederten Eherechts Österreichs, des Konkordatsrechts von 1933 und des Sonderrechts des Burgenlands) herausführt und u. a. die Ehe­scheidung erleichtert. 1946 wird das E. durch Gesetz des Alliierten Kontrollrats von national­sozialistischem Gedankengut gerei­nigt (ähnlich in Öster­reich), 1976 das Ehescheidungsrecht und (nach Wiedererlangung der vollständigen Souve­ränität im Jahre 1990) bis 1. 7. 1998 in Deutschland das gesamte Eherecht wieder in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 239, 254; Baltl/Kocher; http://www.koeblergerhard.­de/Fon­tes/­Ehegesetz­1938.pdf;  Grachl, P., Die geschicht­liche Entwicklung des § 48 Ehegesetzes, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1965; Wolff, A., Das Zerrüttungsprinzip im Ehescheidungsrecht und die Nationalsozialisten, FamRZ 1988, 1271; Gruchmann, L., Das Ehegesetz, ZNR 11 (1989), 63; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999

Ehegüterrecht ist das die Güter der Ehegatten betreffende Recht. Im altrömischen Recht gibt der Hausvater der Frau dem Ehemann in der Regel eine →dos, die nach ihrem Tod grundsätzlich aus dem Vermögen des Mannes an den Geber zurückfällt. Bei den später immer häufiger werdenden gewalt­freien Ehen bleibt das Vermögen der Ehe­gatten rechtlich getrennt, wird aber tatsächlich weiter (wohl unter unter der Verwaltung des Ehemanns) gemeinsam genützt. Die Schenkung unter Ehegatten (bei gewaltfreier Ehe) ist verboten. Bei den Germanen wird wohl ein eingebrachtes Gut vom Ehemann verwaltet. Im Frühmittelalter wird neben dieser grund­sätzlichen →Gütertrennung mit Verwal­tungseinheit bei Franken und Westfalen eine Gemeinschaft an dem in der Ehe gewonnenen Gut sichtbar (→Errungen­schafts­gemeinschaft). Im Hochmit­telalter dringt im weltlich bleibenden E. die →Gütergemeinschaft in verschiedenen Formen weiter vor (allgemeine Güterge­meinschaft, Fahrnisgemeinschaft), wobei die örtlichen Regeln sehr unterschiedlich sind und vertragliche Gestaltungen häufig werden. In der frühen Neuzeit wird das römische →Dotal­system abgewandelt in einzelnen Gebie­ten aufgenommen (Braunschweig, Kurhes­sen). Die natur­rechtlichen Kodifika­tionen sehen nur gewisse Regelgüterstände vor (ALR grundsätzliche Verwaltung und Nutzung des gesamten Vermögens der Frau durch den Mann, § 1237 ABGB Güter­trennung mit Verwaltungsgemein­schaft). Die fünf noch im Bürgerlichen Ge­setzbuch (1900) enthaltenen, erstmals reichseinheitlichen Gü­ter­­stände (Regelgüterstand Ver­waltungs­gemeinschaft) werden später auf Zugewinn­gemeinschaft (18. 6. 1957) als gesetzlicher Güterstand, Gütertrennung und Güterge­meinschaft als durch Ehevertrag vereinbare Wahlgüterstände verringert. Ge­setzlicher Güterstand des Zivil­gesetzbuchs der Schweiz (1907/1911) ist die Güterver­bindung.

Lit.: Kaser § 59; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 161, 209; Baltl/Kocher; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Adler, S., Eheliches Güterrecht und Abschichtungsrecht, 1893; Mottloch, T., Traktat über das eheliche Güterrecht in Österreich ob der Enns, ZRG GA 23 (1902), 275; Behre, E., Die Eigentumsverhältnisse im ehelichen Güterrecht, 1904; Arnold, H., Das eheliche Güterrecht von Mülhausen im Elsass, 1906; Hradil, P., Beiträge zur Geschichte des süddeutschen Ehegüterrechts, ZRG GA 30 (1909), 304; Hradil, P., Untersuchungen zur spätmittelalterlichen Ehegüterrechtsbildung nach bayrisch-österreichischen Rechtsquellen, 1908; Steiner, H., Das eheliche Güterrecht des Kantons Schwyz, 1910; Bartsch, R., Das eheliche Güterrecht in der Summa Raymunds von Wiener Neustadt, 1912; Merz, H., Die historische Entwicklung des aargauischen ehelichen Güterrechts, 1923; Willecke, R., Das eheliche Güterrecht im Braunschweiger Stadtrecht, 1929; Schubert, K., Die Hamburger ehelichen Güterrechtsverhältnisse, 1934; Winter, G., Das eheliche Güterrecht im älteren hamburgischen Recht, Diss. jur. Hamburg 1958; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973; Akademie für deutsches Recht 1933-1945. Protokolle der Ausschüsse 3,2, Familien­rechtsausschuss, Unterausschuss für eheliches Güter­recht, hg. v. Schubert, W., 1989; Schmid, K., Die Entstehung der güterrechtlichen Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch, 1990; Mehnert, S., Entwicklungen im gesetzlichen Güterrecht, 2002; Obladen, M., Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau, 2005; Lehmann, J., Die Ehefrau und ihr Vermögen, 2006; Sellschopp, T., Der Weg zum Revokationsrecht der Ehegatten nach § 1368 BGB, 2009; Stierstorfer, S., Das erste einheitliche eheliche Güterrecht, 2010; KItsakis, S., Breaqdwinners und Housekeepers, 2012

Ehehindernis (1669) ist der einer Ehe­schließung entgegenstehende Umstand. Anscheinend können bei den Germanen Kinder von (im gleichen Haus lebenden) Brüdern nicht heiraten. Im altrömischen Recht ist die Ehe ausgeschlossen unter Verwandten bis zum sechsten Grad, mit einem Verheirateten sowie beim Fehlen des →conubium. Witwen sollen zur Vermeidung von Unklarheiten über die Vaterschaft von Kindern 10 Monate nach dem Tod des Mannes nicht heiraten. Im spät­antiken römischen Recht sind christliche Ehe­hinder­nisse zu beachten. Seit dem 6. Jh. wirkt sich dies auf das fränkische Recht aus, das ursprünglich wohl nur wenige tatsächliche Ehehindernisse kennt. Danach setzt die Kirche ihr Recht der Ehehindernisse durch. Ein staatliches Recht der Ehehindernisse begegnet ansatzweise im Verlauf der frühen Neuzeit (Frankreich 1629 Entwurf, Österreich 1783, Frankreich 1804) und wird danach allgemein aufgegriffen. Verboten ist die Ehe nach § 4 Ehegesetz von 1938 auch zwischen Staats­ange­hö­rigen deutschen oder artver­wand­ten Blutes mit Personen artfremden Blu­tes (1945 aufgehoben).

Lit.: Kaser § 58; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 58, 88, 122, 161, 209, 239; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Fischer, A., Die verhinderte Ehe, 2013; Ganster, S., Religions­verschiedenheit als Ehehindernis, 2013

ehelich (790) Ehe betreffend (Ehelichkeit um 1210, Ehelichkeitserklärung 1875)

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Ehemakler ist der gegen (nicht einklagbares) Entgelt tätige Vermittler von Ehen.

Lit.: Jung, K., Der Ehemaklerlohn, 1991

Ehemann (1200-1254)

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Ehemündigkeit (1809) ist das für den Eheschluss frühest mögliche Alter.

L.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Ehepakt (1704) Ehevertrag

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Ehepatent ist die am 16. 1. 1783 von Joseph II. für Österreich veröffentlichte Regelung, welche die Ehe als bürgerlichrechtlichen Vertrag (vor dem Geistlichen [als Staatsbeamten]) ansieht, die Ehescheidung erleichtert und für Ehestreitigkeiten die Zuständigkeit der weltlichen Gerichte anordnet.

Lit.: Köbler, DRG 142, 161; Baltl/Kocher; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967; Mühlsteiger, J., Der Geist des josephinischen Eherechts, 1967

Eherecht ist das Recht der →Ehe. Es betrifft vor allem die Eheschließung, die Ehehinder­nisse, die Ehewirkungen, die Ehescheidung und das Ehegüterrecht. Nach M. Schmoeckel entsteht das kirchliche Eherecht im 9. Jh. gelegentlich des Ehestreits Lothars II.

Lit.: Söllner §§ 8, 14; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Fricke, F., Das Eherecht des Sachsenspiegels, 1898; Emge, C., Das Eherecht Immanuel Kants, Kant-Studien 29 (1924), 243ff.; Schönsteiner, F., Grundriss des kirchlichen Ehe­rechts, 1925, 2. A. 1937;Plöchl, W., Das Eherecht des Magisters Gratianus, 1935; Pappe, H., Methodische Strömungen in der eherechtsgeschicht­lichen Forschung, 1934; Schubart-Fikentscher, G., Das Eherecht im Brünner Schöffenbuch, 1935; Schultze, A., Das Eherecht in den älteren angelsächsischen Königs­gesetzen, 1941 (SB Leipzig); Dieterich, H., Das protestantische Eherecht, 1970; Gräfe, R., Das Eherecht in den Coutumiers des 13. Jahrhunders, 1972; Ramm, T., Eherecht und Nationalsozialismus, FS Fraen­kel, 1973; Giesen, D., Grundlagen und Entwicklung des englischen Eherechts, 1975; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Schäfer, J., Die Entstehung der Vorschriften über das persönliche Eherecht, 1983; Zur Geschichte des Ehe- und Familienrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Eherecht und Familiengut, hg. v. Simon, D., 1992; Gmür, R., Betrachtungen zur Entwicklung des Eherechts, FS W. Stree/J. Wessels, 1993, 1227; Sibeth, U., Eherecht und Staatsbildung, 1994; Jackman, D., Das Eherecht und der frühdeutsche Adel, ZRG GA 112 (1995), 158; Schwab, D., 20 Jahre „Erstes Eherechtsreformgesetz“, JuS 1997, 587; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999; Deutsch, C., Ehegerichtsbarkeit im Bistum Regensburg (1480-1538), 2005; Frassek, R., Eherecht und Ehegerichtsbarkeit in der Reformationszeit, 2005; Aspecten van het Middeleeuwse Ro­meinse Recht, hg. v. Waelkens, L., 2008, 109ff.; Verfassungsrechtliche Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten im Familien-, Erb- und Gesellschaftsrecht, hg. v. Schmoeckel, M., 2008; Eherecht 1811-2011, hg. v. Kohl, G. u. a., 2012

Ehering ist der als Zeichen eines Ehe­schließungswillens gegebene Fingerring. Er geht wohl auf den (lat.) anulus (M.) pronubus (Verlobungsring) der Römer zurück, den das Christentum als Symbol der Treue fördert. Er ist im Frühmittelalter zuerst im Volksrecht der Westgoten und Langobarden belegt. Unter kirchlichem Einfluss entwickelt sich die einseitige Gabe des Bräutigams an die Braut bei der Verlobung und dann auch bei der Trauung seit dem Mittelalter allmählich zum gegenseitigen Ringwechsel. Der E. ist bis in das 19. Jh. aber nur in einer dünnen Ober­schicht tatsächlich üblich.

Lit.: Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und Hochzeit, 1914; Köstler, R., Ringwechsel und Trauung, ZRG KA 53 (1933), 1; Mühl, M., Anulus pronubus, 1961; Ehen ohne Ring, hg. v. Böhme, W., 1981; Schott, C., Trauung und Jawort, 1992

Ehescheidung (1489, Ehescheidungsgrund 1824, Ehescheidungsklage 1701, Eheschei­dungss­trafe 1794) ist die Auflösung der Ehe aus nach der Eheschließung eingetretenen Gründen. Sie ist bei den Römern (lat. [N.] →divortium) einseitig wie einvernehmlich zunächst ebenso möglich wie bei den Germanen, ohne dass sie in der Rechtswirk­lichkeit allzu häufig gewesen sein dürfte. In der Spätantike führen die christ­lichen Vorstel­lungen zur allmählichen Einschränkung der freien E. Im Früh­mittelalter wird die E. von der Kirche auf Grund von 1. Korinther 7,39ff. seit dem 8. Jh., verstärkt seit 829, bekämpft und bald gänzlich ausgeschlossen. Demgegenüber lässt die protestantische Religion, in der die Ehe kein Sakrament mehr ist, (seit 1517)allmählich die E. aus bestimmten Gründen (Matthäus 5,31ff., 19,3, 1. Korinther 7,15), die Stadtgericht oder Landpfarrer sowie später die Konsistorien in einem Verfahren überprüfen, zu. Die Aufklärung versucht dies auszudehnen (Preußen 1749, Frankreich 1792, Österreich 1783 für Protestanten). Im Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) und im Code civil Frankreichs (1804) ist die E. auf Grund Vereinbarung möglich. In England wird 1857 erstmals die E. mit gerichtlicher Mitwirkung möglich. In Deutsch­land lässt das Personen­standsgesetz vom 6. 2. 1875 die E. durch ein staatliches Gericht aus bestimmten Gründen zu, doch wird zur Verhinderung von Ehe­scheidungen ein Verschulden als Eheschei­dungsgrund gefordert. 1976 wird das grund­sätzlich erforderliche Verschulden durch die Zerrüttung ersetzt. Bei der E. erfolgt nunmehr auch ein Ausgleich der Versorgungsan­sprüche. Am Ende des 20. Jh.s wird im Durchschnitt jede dritte Ehe geschieden. In Österreich lassen das josephinische Ehepatent (1783) und das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811) nur die E. von Protestanten und Juden zu. Im Gegensatz hierzu dis­pensiert Albert Sever (1867-1942) als Landeshauptmann Niederösterreichs von dem Ehehindernis des bestehenden Ehebands, um Ehescheidungen von Katho­liken tatsächlich zu ermöglichen (Sever-Ehen). 1938 gestattet das nach dem Anschluss im gesamten Deutschen Reich eingeführte Ehegesetz die E. und wird 1978 die ein­vernehmliche E. vor dem Außerstreitgericht eingeführt (§ 55a EheG).

Lit.: Kaser § 58 II 2a; Söllner §§ 5, 8, 12, 23; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 58, 72, 88, 122, 161, 219, 239, 267; Baltl/Kocher; Richter, Ä., Beiträge zur Geschichte des Ehescheidungsrechts in der evan­gelischen Kirche, 1858; Hubrich, E., Das Recht der Ehescheidung in Deutschland, 1891; Geffcken, H., Zur Geschichte der Ehescheidung vor Gratian, 1894; Damas, P., Les origines du divorce en France, 1897; Wehrli, P. Die Ehescheidung zur Zeit Zwinglis, Zürcher Taschenbuch, 1934, 61; Rost, S., Die Einführung der Ehescheidung in Zürich, 1935; Wolf, E. u. a., Scheidung und Scheidungsrecht, 1959; Hesse, H., Evangelisches Ehescheidungsrecht in Deutschland, 1960; Escher, K., Die Entwicklung des Ehe­schei­dungsrechts in Kleve und Mark 1532-1874, 1967; Hecker, A., Die historische Entwicklung des Ehe­scheidungsprozessrechts, 1967; Schwab, D., Grund­lagen und Gestalt der staatlichen Ehege­setzgebung in der Neuzeit, 1967; Dieterich, H., Das protestantische Eherecht, 1970; Mikat, P., Zur Be­deutung Friedrich Carl von Savignys für die Ent­wicklung des deutschen Scheidungsrechts, FS W. Bosch, 1976, 671; Schnell, R., Praesumpta mors, ZRG GA 100 (1983), 181; Jensen, H., Die Ehescheidung des Bischofs Hans von Lübeck von Prinzessin Julia Felicitas von Württemberg-Weiltingen, 1984; Schubert, W., Die Projekte der Weimarer Republik, 1986; Blasius, D., Ehescheidung in Deutschland 1784-1945, 1987; Wolff, A., Das Zerrüttungsprinzip, FamRZ 1988, 1271ff.; Blasius, D., Ehescheidung in Deutschl­and im 19. und 20. Jahrhundert, 1992; Wadle, E., Ehescheidung vor dem Standesbeamten, FS H. Herrmann, 1995, 291; Roß­deutscher, G., Privatautonomie im Scheidungs­recht, 1995; Horn, C., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Ehesachen, 1997; Nahmacher, K., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts und der Hamburger Gerichte, 1999; Hoffmann-Steudtner, V., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zu dem Scheidungsgrund, 1999; Harmat, U., Ehe auf Wider­ruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999; Saar, S., Ehe, Scheidung, Wiederver­heiratung, 2003; Schubert, W., Die Abkehr vom Ver­schul­­densprinzip im Ehescheidungsrecht, ZRG GA 120 (2003), 280; Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2004; Humphrey, M., Die Weimarer Reformdiskussion über das Ehescheidungsrecht, 2006; Lutz, A., Ehepaare vor Gericht, 2006; Köhler, A., Die Sorgerechtsregelung bei Ehescheidung seit 1945, 2006, Försch, H., Die Scheidungsgründe im Wandel der Zeit, 2006; Die Reform des Ehescheidungsrechts von 1976, hg. v. Schubert, W., 2007; Mund, W., Das preußische Ehe­scheidungsrecht, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Eheschließung (1680) ist die Eingehung der →Ehe. Sie erfordert geschichtlich unterschiedliche Voraussetzungen und erfolgt in verschiedenen Formen. Im Mittelalter wird sie allmählich vom kirchlichen Recht ([lat.] consensus facit nuptias, die Willensüber­einstimmung der Ehe­leute bewirkt die Ehe, seit 1563 Gegen­wart des Priesters und zweier Zeugen nötig) bestimmt, in der Neuzeit setzt sich vor allem im 19. Jahrhundert (Kulturkampf) das weltliche bzw. staatliche Recht wieder durch.

Lit.: Kaser §§ 6, 58; Söllner §§ 5, 8, 12, 18; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 122, 161, 209; Friedberg, E., Das Recht der Eheschließung in seiner geschichtlichen Entwicklung, 1865; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875; Scheurl, C., Die Entwicklung des kirchlichen Eheschließungsrechts, 1877; Opet, O., Braut­tradition und Konsensgespräch in mittel­alterlichen Trauungsritualen, 1910; Zallinger, O., Die Eheschließung im Nibelungenlied, 1923; Schwerin, C. Frhr. v., Quellen zur Geschichte der Eheschließung, Bd. 1ff. 1925ff.; Frölich, K., Die Eheschließung des deutschen Mittelalters, Hess. Bll. f. Volkskunde 1928, 144; Meyer, H., Die Eheschließung im Ruodlieb und das Eheschwert, ZRG GA 52 (1932), 276; Melicher, T., Die germanischen Formen der Eheschließung im westgotisch-spanischen Recht, 1940; Weltliche und kirchliche Eheschließung, hg. v. Dombois, H. u. a., 1952; Ritzer, K., Formen, Riten und religiöses Brauchtum der Ehe­schließung, 1962, 2. A. 1981; Landau, P., Hadrians IV. Dekretale „Dignum est“, Studia Gratiana 12 (1967), 511; Schröter, M., Wo zwei zusammenkommen in rechter Ehe, 1990; Fuhrmann, I., Die Diskussion über die Einführung der fakultativen Zivilehe, 1998; Fassbender, M., Das Eheschließungsrecht im Herzog­tum Berg, 1998 (Diss. jur. Köln 1998); Siffert, R., Verlobung und Trauung, 2004; Scholz Löhnig, C., Bayerisches Eherecht von 1756 bis 1875, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Ehevertrag (1784/1794, Ehepakt 1704, Eheversprechen 1717) ist der zur besonderen Gestaltung der abänderbaren ehelichen Rechtsver­hältnisse geschlossene, vielfach formbedürftige Vertrag zwischen den Ehe­leuten. Er betrifft hauptsächlich das Ehegüterrecht. Er wird schon in den hoch­mittelalterlichen Städten häufiger, bleibt aber insgesamt auf vermögende Menschen be­schränkt.

Lit.: Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Hillenbrand, M., Fürstliche Eheverträge, 1996; Aushandeln von Ehe, hg. v. Laanzinger, M. u. a., 2010

Ehre ist der Wert eines Menschen innerhalb der Gesellschaft. Die Verletzung der E. kann schon im altrömischen Recht eine Folge nach sich ziehen (bei [lat.] iniuria [F.] sind 25 Pfund Kupfer zu leisten). Ihr Schutz bleibt weitgehend der Selbsthilfe und dem Strafrecht überlassen. Bestimmtes Verhalten führt zum rechtlichen Verlust der E. (Ehrlosigkeit, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte). Im Mittelalter ist die E. durch den Stand bestimmt. In der Neuzeit dient der Ver­teidigung verletzter Ehre besonders das Duell. Nach Art. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar.

Lit.: Kaser § 13; Köbler, DRG 216; Marezoll, T., Bürgerliche Ehre, 1824; Osenbrüggen, E., Ehre im Spiegel der Zeit, 1872; Binding, K., Die Ehre im Rechtssinn und ihre Verletzbarkeit, 1890; Kisch, G., Ehrenschelte und Schandgemälde, ZRG GA 51 (1931), 514; Brauer, G., Die ehrenwörtliche Bekräftigungsform, ZRG GA 54 (1934), 117; Reiner, H., Die Ehre, 1956; Geipel, J., Die Konsiliarpraxis der Eberhard-Karls-Universität, 1965; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 1; Brenzina, M., Ehre und Ehrenschutz im nationalsozialistischen Recht, 1987; Müller-Burgherr, T., Die Ehrverletzung, Diss. jur. Freiburg i. Ü. 1987; Polay, E., Der Schutz der Ehre, ZRG RA 106 (1989), 502; Verletzte Ehre, hg. v. Schreiner, K. u. a., 1995; Backmann, S. u. a., Das Konzept der Ehre, 1997; Ehrkonzepte in der frühen Neuzeit, hg. v. Backmann, S. u. a., 1998; Fuchs, R., Um die Ehre, 1998; Hagemann, M., Iniuria bis zur justinianischen Kodifikation, 1998; Fuchs, R., Um die Ehre, 1999; Dülmen, R. van, Der ehrlose Mensch, 1999; Beher, K. u. a., Strukturwandel des Ehrenamts, 1999; Bastl, B., Tugend, Liebe, Ehre, 2000; Waldow, J., Der strafrechtliche Ehrenschutz in der NS-Zeit, 2000; Görich, K., Die Ehre Friedrich Barbarossas, 2001; Fama, hg. v. Fenster, T. u. a., 2003; Lentz, M., Konflikt, Ehre, Ordnung – Untersuchungen zu den Schmähbriefen und Schandbildern, 2004; Burkhart, D., Geschichte der Ehre, 2001; Burkhart, D., Eine Geschichte der Ehre, 2006; Brüggenbrock, C., Die Ehre in den Zeiten der Demokratie, 2006; Goldberg, A., Honor, Politics and the Law in Imperial Germany 1871-1914, 2010; Speitkamp, W., Ohrfeige, Duell und Ehrenmord, 2010

Ehrengericht ist das Gericht zur Entschei­dung von Fragen der Ehre. In Preußen wird nach längeren Erörterungen 1808 ein E. zur Überwachung des Verhaltens der Offiziere eingerichtet, in Bayern und Österreich wenig später, doch erklärt die Reichsver­fassung des deutschen Reiches von 1919 die Ehrengerich­te für aufgehoben. E. ist auch das seit dem Mittelalter geführte Standesgericht der Zünf­te, das im 19. Jh. geschaffene E. studentischer Verbindungen (Burschenschaf­ten) und das E. sonstiger Verbände oder Personengruppen.

Lit.: Dietz, H., Die Ehrengerichtsverordnungen, 3. A. 1912; Holly, G., Geschichte der Ehrengerichtsbarkeit der Rechtsanwälte, 1989; Voigt, E., Die Gesetzge­bungsgeschichte der militärischen Ehrenstrafen und der Offizierehrengerichtsbarkeit im preußischen und deut­schen Heer von 1806 bis 1918, 2004

Ehrenstrafe ist die die →Ehre betreffende Strafe. Bereits das römische Recht lässt die Aberkennung bürgerlicher Vorrechte vor allem als Nebenfolge einer Verurteilung auf Grund bestimmter Straftaten zu. Im Mittel­alter sind als Ehrenstrafen beispielsweise anzusehen das Ausstellen am →Pranger, das Scheren der Haare oder das Tragen einer Schandmaske. In der frühen Neuzeit versucht man die E. gesetzlich festzulegen. Im 19. Jh. werden ältere Formen der E. wie Zurschau­stellung am Pranger in Sachsen 1838 und in Preußen 1851 beseitigt, doch wird in Anleh­nung an das römische Recht nach dem Vorbild des Code pénal (Strafgesetzbuchs) Frankreichs von 1810 die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte als zeitlich begrenz­te Nebenstrafe aufgenommen. In der 2. Hälfte des 20. Jh.s (deutsches StGB 1969) wird ihre Bedeutung gering, doch dürfen Amtsfähig­keit, Wählbarkeit und Stimmrecht auf bis zu fünf Jahre aberkannt werden (§ 45 StGB).

Lit.: Marcuse, O., Die Ehrenstrafe, 1899; Quanter, R., Die Schand- und Ehrenstrafen in der deutschen Rechtspflege, 1901, Neudruck 1970; Künßberg, E. Frhr. v., Über die Strafe des Steintragens, 1907; Kühne, E., Die Ehrenstrafe, 1931; Rannacher, H., Der Ehrenschutz in der Geschichte des deutschen Strafrechts mit besonderer Berücksichtigung der Eh­renstrafen, 1938; Voigt, E., Die Gesetzgebungsge­schichte der militärischen Ehrenstrafen, 2004; Lidman, S., Zum Spektakel und Abscheu, 2008

Ehrenwort ist das die Ehre als Siche­rungsmittel der Wahrheit oder der Ver­wirklichung einer Erklärung einsetzende Wort (18. Jh. aus franz. parole d’honneur). Seine rechtliche Bedeutung ist gering.

Ehrlich, Eugen (Czernowitz/Bukowina 14. 9. 1862-Wien 2. 5. 1922), Sohn eines Advoka­ten, wird nach dem Rechtsstudium in Wien Advokat und 1896 Professor für römisches Recht in Czernowitz. Schon seine frühe Schrift über Lücken im Recht (1888) wendet sich gegen die herrschende Vorstellung von der Unangreifbarkeit des staatlichen Rechtes. Der Vortrag Freie Rechtsfindung und freie Rechts­wissenschaft (1903) folgert daraus, dass im Falle einer Lücke eine freie Rechtsfindung erforderlich sei, die sich auf überkommene Gerechtigkeitsvorstellungen und im Zweifel auf soziologische Über­legungen stützen müsse. 1909 richtet E. ein Seminar für lebendes Recht ein und 1913 bietet E. mit seinem Hauptwerk Grundlegung der Soziologie des Rechtes eine der wichtigsten Grundlagen für die Entwicklung der Rechtssoziologie. Eigentlicher Sitz der Rechtsentwicklung ist ihm die Gesellschaft, während Juristenrecht und staatliches Recht nur zu dieser Grundlage hinzukommen.

Lit.: Köbler, DRG 189, 228; Rehbinder, M., Die Begründung der Rechtssoziologie durch Eugen Ehrlich, 1967, 2. A. 1986; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 469; Vogl, S., Soziale Gesetzgebungspolitik, freie Rechtsfindung und soziologische Rechtswissenschaft, 2003; Ehrlich, E., Politische Schriften, hg. v. Rehbinder, M., 2007

Ehrlichkeit →unehrlich

Ehrlosigkeit ist der ohne Ehre bestehende Zustand eines Menschen. Die im Mittelalter bestehende E. ist wohl auch auf die von der Kirche vermittelte römischrechtliche Figur der (lat. [F.) infamia zurückzuführen. E. besteht z. B. für Diebe, Räuber, Henker, mancherorts für Müller, Spielleute u. a. Seit der Neuzeit wird die E. zurückgedrängt und allmählich rechtlich beseitigt.

Lit.: Dülmen, R. v., Der ehrlose Mensch, 1999

Eichhorn, Karl-Friedrich (Jena 20. 11. 1781-Köln 4. 7. 1854), Theologensohn, wird nach dem Rechtsstudium (seit 1797) in Göttingen (Hugo, Pütter, 1801 Promotion, 1803 Habi­litation) 1805 Professor in Frankfurt an der Oder, 1811 in Berlin, 1817-1829 in Göttingen sowie nach krankheitsbedingter Unterbre­chung seit 1832-1834 in Berlin. 1808 veröffentlicht er ganz aus den Quellen geschrieben die erste Gesamtdarstellung der deutschen Rechtsgeschichte (Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte), seit 1823 die Einleitung in das deutsche Privatrecht, die das geltende deutsche Privatrecht systematisch-dogmatisch gegliedert (als innere Rechts­geschichte) aussondert. Die Einheit des deutschen Rechtes wird dabei auf die Gemeinsamkeiten der mittelalterlichen Land­rechte, sein System auf die ihnen angeblich zugrunde liegenden gemeinsamen Grundsätze gegründet. 1831-1835 folgen noch die zweibändigen Grundsätze des Kirchenrechts.

Lit.: Köbler, DRG 188; Eichhorn, F., Einleitung in das deutsche Privatrecht, 1823, 2. A. 1825, 3. A. 1829, 947, 5. A: 1845; Frensdorff, F., Karl Friedrich Eichhorn, 1881; Kerler, H.?, Zur Lebensgeschichte Karl Friedrich Eichhorns, ZRG GA 3 (1882), 177; Schulte, J. v., Karl Friedrich Eichhorn, 1884; Jelusic, K., Die historische Methode Karl Friedrich Eichhorns, 1936; Erler, A., Eine unbekannte Niederschrift nach Eichhorns Vorlesung „Deutsche Geschichte und Rechtsaltertümer“, ZRG GA 66 (1948), 537; Conradi, R., Karl Friedrich Eichhorn als Staatsrechtslehrer, 1987; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987, 166ff.; Dopke, F., Eichhorn als Rechtsgutachter, Diss. jur. Kiel 1992

Eichmann, Eduard (Hagenbach/Pfalz 14. 2. 1870-München 26. 4. 1946) wird nach dem Studium der Theologie (1888) und der Rechtswissenschaft (1898) in Würzburg, Straßburg und München (1904 Promotion Dr. iur., Freiburg 1909 Promotion theol.) 1905 Professor für Kirchenrecht in Prag, Wien (1913) und München (1918-1936, 1946 Vertretung) und veröffentlicht 1923 das führende Lehrbuch des Kirchenrechts seiner Zeit (13. A. 1991).

Lit.: Festschrift für Eichmann, hg. v. Laforet, W. u. a., 1940; Hofmann, K., Eduard Eichmann, ZRG KA 65 (1947), VII

Eichstätt ist der Ort an der mittleren Altmühl, in dem Bonifatius um die Mitte des 8. Jh.s ein BistumBistum gründet.

Lit.: Das Bistum Eichstätt - Die Bischofsreihe bis 1535, hg. v. Wendehorst, A., 2006; Zürcher, P., Die Bischofswahlen im Fürstbistum Eichstätt von 1636 bis 1790, 2008; ; Lullies, E., Die ältesten Lehnbücher des Hochstiffts Eichstätt, 2012

Eichwesen ist die Sicherstellung redlicher Verwendung von Maßen (z. B. Längenmaßen, Hohlmaßen, Gewichten). Ansätze des Eich­wesens finden sich bereits in der hoch­mittelalterlichen Stadt (z. B. Stadtelle). Mit verstärkter Genauigkeit wird die Eichung auf der Grundlage technisch-wissenschaftlich definierter Maße seit dem 19. Jh. vorge­schrieben (1869 Normal-Eichungskommis­sion, 1875 Pariser Meterkonvention, 1887 Physikalisch-Technische Reichsanstalt).

Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980; Vec, M., Recht und Normierung in der industriellen Revolution, 2006

Eid ist die Anrufung einer (übermensch­lichen) Macht (z. B. Gott, Feuer?) als Zeugen für die Wahrheit einer Aussage oder die Gültigkeit eines Versprechens. Der E. ist weit verbreitet, aber z. B. in Matthäus 5,33ff. verboten. Er verbindet meist Worte mit besonderen Formen (z. B. Handerheben, Be­rühren der Bibel, eines Kreuzes, einer Waffe  u. s. w.). Er ist ein wichtiges Beweismittel im Verfahren (z. B. Reinigungseid des Beschuldigten [vielfach nicht als Eineid möglich, sondern Eidhelfer nötig], Zeugeneid). Strafbar ist der →Meineid. Eine umfassende Untersuchung des Eides fehlt bislang.

Lit.: Kaser §§ 84 I, 87; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70, 114, 116, 155, 202, 216, 235; Köbler, WAS; Strippelmann, F., Der Gerichtseid, 1855ff.; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879; Loening, R., Der Reinigungseid, 1880; Göpfert, F., Der Eid, 1883; Siegel, H., Handschlag und Eid, 1894; His, R., Der Gleichheitseid, ZRG GA 27 (1906), 331; Thudichum, F. v., Geschichte des Eides, 1911; Pedersen, J., Der Eid bei den Semiten, 1914; Hartung, H., Der richterliche Eid, 1916, Neudruck 2013; Hirzel, T., Der Eid, 1922; Friesenhahn, E., Die politischen Eide, 1928; Gottlob, T., Der kirchliche Amtseid, 1936, Neudruck 1963; David, M., Le serment du sacre, 1951; Koller, F., Der Eid im Münchener Stadtrecht des Mittelalters, 1953; Bauernfeind, O., Eid und Frieden, 1956; Hofmeister, P., Die christlichen Eidesformen, 1957; Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Ebel, W., Das Ende der bürgerlichen coniuratio reiterata, ZRG GA 78 (1961), 319; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Giesey, R., If Not, Not, 1968; Lea, H., The Duel and the Oath, 1974; Eckhardt, U., Untersuchungen zu Form und Funktion der Treueidleistung im merowingischen Frankenreich, 1976; Vormbaum, T., Eid, Meineid und Falschaussage, 1990; Prodi, P., Il sacramento del potere, 1992 (deutsch 1997); Prodi, P., Das Sakrament der Herrschaft: Der politische Eid, 1997; Czeguhn, I., Der Herrschereid am Beispiel des Eides und der Eidesbekräftigung des spanischen Königs, ZRG GA 115 (1998), 589; Eid und Wahrheitssuche, hg. v. Esders, S. u. a., 1999; Esders, S./Mierau, H., Der althochdeutsche Klerikereid, 2000; Lange, S., Der Fahneneid, 2001; Twellmann, M., Über die Eide, 2010; Oaths and Swearing in Ancient Greece, hg. v. Sommerstein, A. u. a., 2012; Harke, J., Der Eid im klassischen römischen Privat- und Zivilprozessrecht, 2013

Eidgenossenschaft (14. Jh., Eidgenosse 13. Jh.) ist allgemein das eidlich bekräftigte genossenschaftliche Bündnis. Die wichtigste besondere E. ist die →Schweiz. Hier schließen die Länder →Uri und →Schwyz zwischen 1240 und 1273 einen ersten Bund, dem 1291 und 1315 sowie 1351ff. (Zürich, Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern, Glarus, Zug) weitere folgen und zu dem danach zusätzliche Orte hinzutreten. Von einer Schweizerischen E. wird dabei aber erst seit dem späten 18. Jh. gesprochen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hilty, C., Die Bundes­verfassung der schweizerischen Eidgenossen­schaft, 1891; Meyer, K., Italienische Einflüsse bei der Entstehung der Eidgenossenschaft, Jahrbuch für schweizerische Geschichte 45 (1920), 1; Fehr, H., Die Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1929; Gasser, A., Entstehung und Ausbildung der Landeshoheit im Gebiet der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1930; Quellenwerk zur Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, hg. v. Schieß, T. u. a., Bd. 1ff. 1933ff.; Planitz, H., Kaufmannsgilde und städtische Eidgenossenschaft, ZRG GA 60 (1940), 1; Meyer, K., Der Ursprung der Eidgenossenschaft, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 21 (1941), 285; Pappard, W., Die Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft 1848-1948, 1948; Claussen, H., Der Zusammenschluss der schweizerischen Eidgenossen als Beispiel für die Ausübung des Widerstandsrechts, Diss. jur. Hamburg 1951; Abegg, R., Die alte Eidgenossenschaft, 1964; Laroche, P., Das Interregnum und die Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1971; Meyer, B., Die Bildung der Eidgenossenschaft im 14. Jahrhundert, 1972; Braun, B., Die Eidgenossen, 1997; Zürich 650 Jahre eidgenössisch, 2001; Marquardt, B., Die alte Eidgenossenschaft und das Heilige Römische Reich (1350-1798), 2008

Eidhelfer (Wissenschaftsbegriff), Eideshel­fer, ist im (früh)mittelalterlichen deutschen Recht der Mensch, der schwört, dass der Eid eines Eidesleistenden rein und nicht mein (falsch) sei. Häufig soll dabei ein Beschuldigter mit sechs oder 12 (oder auch 72) Eidhelfern sich durch Eid von einer Beschuldigung reinigen. Der E. ist vom Zeugen grundsätzlich zu trennen, doch ist die Buße für einen Meineid eines E. mit der für den Meineid eines Zeugen gleich. Im Heiligen römischen Reich schwindet der E. im Spätmittelalter. In England wird der Eidhel­fereid erst 1833 aufgegeben.

Lit.: Cosack, K., Die Eidhelfer des Beklagten, 1885; Schwerin, C. Frhr. v., Zur altschwedischen Eideshilfe, 1919 (SB Heidelberg); Ruth, R., Zeugen und Eideshelfer, 1922, Neudruck 1973; Loschiavo, L., Figure di testimoni, 2004

Eidsivathingslög ist das Recht des ostnorwegischen Gebiets um Eid (Eidsvoll), das in seinem weltlichen Teil bruchstückhaft, in seinem kirchen­recht­lichen Teil (Christen­recht) in vier Handschriften des frühen 14. Jh.s über­liefert ist (Eidsivathingsbok).

Lit.: Meißner, R., Bruchstücke der Rechtsbücher des Borgarthings und des Eidsivathings, 1942

Eigen ist im deutschen Mittelalter das einem Menschen (uneingeschränkt) gehörige Gut. Es bildet meist den Gegensatz zum Gemeinland (→Allmende) und zum →Lehen als einem geliehenen Gut. Häufig wird neben E. auch das →Erbe besonders genannt. In den schriftlichen Zeugnissen betrifft das E. überwiegend die Liegenschaft. Seit dem 13. Jh. wird E. durch das vermutlich lateinisch beeinflusste →Eigentum (lat. [F.] proprietas) abgelöst.

Lit.: Hübner 241; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 116, 124; Puntschart, P., Das „Inwärts-Eigen“ im österreichischen Dienstrecht des Mittelalters, ZRG GA 43 (1922), 66; Buchda, G., Dursal (dursal eigen), ZRG GA 59 (1939), 194; Ebner, H., Das freie Eigen, 1969; Köbler, G., Eigen und Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1

Eigener Herd ist Goldes wert.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 175 (Franck 1541)

Eigenhändiges Testament ist das mit der eigenen Hand geschriebene und unter­schriebene →Testament.

Eigenkirche (lat. ecclesia [F.] propria) ist (nach Ulrich Stutz) die einem Einzelnen (auch hinsichtlich der vollen geistlichen Lei­tungsgewalt) gehörende Kirche. Sie hat ihren Ursprung darin, dass in der christlichen Frühzeit der Gottesdienst häufig in einem privaten Haus abgehalten wird (Unter­scheidung zwischen [lat.] ecclesia [F.] publica und ecclesia privata, öffentlicher Kirche und privater Kirche, im Osten 388, im 5. Jh. im weströmischen Reich, 441 in Orléans, 546 in Lérida/Spanien), und darin, dass auf dem Land oft der Grundherr am leichtesten in der Lage ist, ein Kirchengebäude zu errichten. In der Folge wählt der Gebäudeeigner vielfach den dort tätigen Geistlichen aus, verlangt die Teilhabe an den Einkünften und kann die Kirche übertragen, während der Bischof auf die bloße Weihe beschränkt wird. Im →Investiturstreit wird die E. als Form der Simonie bekämpft und danach seit dem 12. Jh. durch Patronat und Inkorporation ersetzt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 90; Stutz, U., Die Eigenkirche, 1895, Neudruck 1955; Stutz, U., Ausgewählte Kapitel aus der Geschichte der Eigenkirche, ZRG KA 57 (1937), 1; Landau, P., Ius patronatus, 1975; Petke, W., Von der klösterlichen Eigenkirche zur Inkorporation, RHE 87 (1993), 34ff., 375ff.; Oberholzer, P., Vom Eigenkirchenwesen zum Patronatsrecht, 2002

Eigenleute (lat. homines [M.Pl.] proprii) sind im Mittelalter die einem anderen gehörenden und damit eigenen Menschen. Sie bilden keine in sich einheitliche Gruppe (z. B. Sachsenspiegel Landrecht III 44,3 Laten, Südwesten des Heiligen römischen Reichs 15. Jh., Westfalen bis in das 18. Jh.). Teils schulden sie Abgaben, teils Dienste. Im Gegensatz zu den →Sklaven haltenden Gesellschaften lässt das Mittelalter einen lebhaften Handel mit Eigenleuten nicht erkennen. →Hörige

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Wretschko, A., Über Eigenleute und Eigenleuteteilungen in Tirol, ZRG GA 46 (1926); Klein, H., Die bäuerlichen Eigenleute des Erzstifts Salzburg, Mitteilungen d. Ges. f. salzburg. Landeskunde 73 (1933),109, 74 (1934),1; Demade, J./Morsel, J., Les eigenleute aux XIIIe-XVe siècles, (in) Forms of servitude in Northern and Central Europe, hg. v. Freedman, P. u. a., 2005, 75ff.

Eigentum (Wort Köln 1170, § 903 BGB) ist das Recht, mit einer Sache nach Belieben zu verfahren und andere von einer Einwirkung auf die Sache auszuschließen. In altrömischer Zeit ist E. die Gewalt des Hausvaters über Sachgüter unter Einschluss der Vorläufer der beschränkten dinglichen Rechte (z. B. Servituten) und ohne scharfe Grenze gegenüber dem →Besitz. Im klassischen römischen Recht entwickelt sich das E. als (lat.) →dominium (N.) ex iure Quiritium an beweglichen Sachen und italischen Grundstücken, neben dem das E. nach prätorischem Recht (lat. →in bonis esse) steht. Einschränkungen bestehen auch hier (z. B. Baurecht, Nachbarrecht). Erworben werden kann E. ursprünglich (Aneignung, Fruchterwerb, Verbindung, Vermischung, Vermengung, Verarbeitung und Ersitzung oder abgeleitet von einem Berechtigten durch Rechtsgeschäft). Gleich­bedeutend mit dominium ist die Bezeichnung (lat. [F.]) →proprietas. Im nachklassischen römischen Recht wird die damit geschaffene Trennung von E. und Besitz bzw. beschränkten dinglichen Rechten vielleicht weniger streng gehandhabt, doch verwendet Justinian unter Vereinheitlichung des Eigentums für jedermann an allen Sachen die begriffliche Schärfe des klassischen römischen Rechtes. Im germanischen Bereich bildet das bloße Haben (germ. *aigan, *haben) den Ausgangspunkt des Eigentums. Dementsprechend ist im Mittelalter Eigen die Bezeichnung der Herrschaft über eine Sache, wobei die Herrschaft durch Zeichen (Eigentumsmarke, Hausmarke, Hofmarke, Ohrenmarke) dargestellt sein kann. Diesem Eigen stehen vor allem →Allmende und →Lehen gegenüber, während die →Ge­were die äußere (sichtbare) Erscheinungsform („Kleid“) aller (wegen ihres gedanklichen Wesens notwendigerweise unsichtbaren) Sachenrechte und damit auch des Eigens ist. Im 13. Jh. erscheinen mhd. eigenschaft und mnd. (?) egendom (Köln 1170, Köln 1230 hegindum) wohl als Lehnübersetzungen von lat. proprietas. Das E. hat aber keinen eindeutigen Inhalt. Es kann zeitlich und inhaltlich beschränkt sein. Neben einem (lat. dominium [N.] directum) Obereigentum (etwa des Lehnsherrn) kann selbst nach gelehrtem Recht (z. B. Wilhelmus de Cabriano, Pilius [† 1213], Azo [zuerst nur bei der Emphyteuse], Accursius) in An­knüpfung an eine dem einstigen bonitarischen Berechtigten des römischen Rechtes gewährte (lat.) rei vin­dicatio (F.) utilis ein Unter­eigentum (lat. dominium [N.] utile) (etwa des Er­sitzungsbesitzers, Erbpächters, Erbbau­berech­tigten oder des Lehnsmanns) stehen. Nach Bartolus, der Eigentum im Kern als das umfassende Recht der Verfügung über einen körperlichen Gegenstand (lat. ius de re corporali perfecte disponendi n. 4 ad D. 41. 2. 17) erfasst, kann E. (dominium) im weiteren Sinn auch auf unkörperliche Gegenstände bezogen (und zwischen mehreren Berechtigten aufgeteilt) werden. Dies wird mit der Aufnahme des gelehrten Rechtes fortgeführt, wobei das Untereigentum zur Aufzehrung des Obereigentums neigt. Danach betrachtet das aufstrebende Bürgertum unter dem Einfluss des Protestantismus Eigentum als vorgesellschaftliches und damit unantastbares Recht und wirkt sich wohl auch der von Hugo Grotius gutachtlich begründete koloniale Zugriff europäischer Staaten auf den Rest der Welt auf die Eigentumsvorstellung aus. Unter dem Einfluss der Aufklärung und des Liberalismus wird das E. (über Kant bzw. Fichte und Hegel) zu einem völlig freien, von Einschränkungen gelösten Recht einer Person an einer körperlichen Sache (Thibaut, A., Über do­minium directum und utile, 1801 [Aufsatz]). Am entschiedensten zeigt sich dies (nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens von 1863) in § 903 BGB (trotz Otto von Gierkes vergeblichen Versuchs der Entwicklung eines besonderen deutschrecht­lichen Eigentums­be­griffs). Die fragwürdigen Folgen schranken­loser Freiheit haben im 20. Jh. zur Anerkennung der Sozialbindung des Eigentums geführt. Außerdem hat sich im öffentlichen Recht die Ansicht durchgesetzt, die unter dem von der Verfassung garantierten E. jede schützens­werte Vermögensposition versteht. Das sozialistische E. der Deutschen Demokati­schen Republik (1949ff.) ist mit deren Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland (1990) wieder aufgegeben.

Lit.: Kaser § 22; Söllner §§ 8, 23; Hübner 241ff., 453ff.; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 40, 124, 163, 174, 211, 269; Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 65; Arnold, W., Zur Geschichte des Eigentums in den deutschen Städten, 1861; Felix, L., Entwicklungsgeschichte des Eigentums, Teil 1ff. 1883ff.; Landsberg, E., Die Glosse des Accursius, 1883; Goldschmidt, H., Eigentum und Eigentums­teilrechte in ihrem Verhältnis zur Sozialisierung, 1920; Hedemann, W., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Teil 2, 1 1930; Dungern, O. Frhr. v., Über die Freiheit des Eigentums im Mittelalter, ZRG GA 53 (1933), 287; Keller, R. v., Freiheitsgarantien für Person und Eigentum im Mittelalter, 1933, Wieacker, F., Wandlungen in der Eigentumsverfassung, 1935; Kaser, M., Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 1943, 2. A. 1956; Wagner, H., Das geteilte Eigentum, 1938; Eichler, H., Wandlungen des Eigentumsbegriffes in der deutschen Rechtsauffassung, 1938; Coing, H., Zur Eigentumslehre des Bartolus, ZRG RA 70 (1953), 348; Schacht, J., An Introduction to Islamic Law, 1964; Feenstra, R., Les origines du dominium utile, (in) Flores legum, 1971, 49; Eigentum und Verfassung, hg. v. Vierhaus, R., 1972; Brandt, R., Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, 1974; Landau, P., Ius patronatus, 1975; Rittsteig, H., Eigentum als Verfassungsproblem, 1975; Floßmann, U., Eigentumsbegriff und Bodenordnung im historischen Wandel, 1976; Kroeschell, K., Die Lehre vom germanischen Eigentumsbegriff, FS H. Thieme, 1977, 34; Köbler, G., Eigen und Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1; Zenati, M., La nature juridique de la propriété, 1981; Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Klemm, P., Eigentum und Eigentumsbe­schränkungen in der Doktrin des usus modernus pandectarum, 1984; Kühl, K., Eigentumsordnung als Freiheitsordnung, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Eigentum, hg. v. Köhn, J., 1987; Kroeschell, K., Die national­sozialistische Eigentumslehre, (in) Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus, 1989, 43; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Hecker, D., Eigentum als Sachherrschaft, 1990; Property and Power in the Early Middle Ages, hg. v. Davies, W. u. a., 1995; Penner, J., The idea of property in law, 1997; Eigentum im internationalen Vergleich 18.-20. Jahrhundert, hg. v. Siegrist, H. u. a., 1999; Bertram, K., Die Gesetzgebung zur Neuregelung des Grundeigentums, 2000; Finkenauer, T., Eigentum und Zeitablauf, 2000; Diestelkamp, B., Frühe urkundliche Zeugnisse für dominium directum und dominium utile im 13. Jahrhundert, (in) Grundlagen des Rechts, 2000, 391ff.; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002; Ulmschneider, C., Eigentum und Naturrecht, 2003; Hoppe, K, Eigentum, Erbrecht und Vertragsrecht, 2003; Gottschalk, K., Eigentum, Geschlecht, Gerechtigkeit, 2003; Lehmann, J., Sachherrschaft und Sozialbindung, 2004; Keiser, T., Eigentumsrecht im Nationalsozialismus und Fascismo, 2005; Garnsey, P., Thinking about Property, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Müller, D., Adliges Eigentumsrecht und Landesverfassung, 2011; The Future of European Property Law, hg. v. Van Erp, S. u. a. 2012

Eigenümer (1478) ist der an einer Sache voll Berechtigte. →Eigentum

Lit. Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Eigentumserwerb ist der Erwerb des →Eigentums. Er erfolgt anfangs originär (ursprünglich) durch Aneignung. Nach weitgehender Erschöpfung der dafür in der Umwelt vorhandenen Güter verdrängt der (abgeleitete) E. durch Rechtsgeschäft (→Übergabe auf Grund eines Titels, →Einigung und Übergabe) den ursprünglichen E., der im Übrigen auch durch Fruchterwerb, Verbindung, Vermischung, Vermengung und Verarbeitung möglich ist. Daneben steht der E. durch Hoheitsakt. Gegründet auf Grotius’ Verständnis von Institutionen 2. 1. 40 lässt der Code civil (1804) Frankreichs bei dem abgeleiteten Erwerb das Eigentum (bereits) mit dem (schuldrechtlichen) Vertragsab­schluss (z. B. Kaufvertrag) über­gehen (Konsensprin­zip). Umgekehrt verlangt Savig­ny zusätzlich zum schuldrechtlichen Grund­geschäft einen davon unabhänigen sachen­rechtlichen Vertrag (Einigung).

Lit.: Kaser §§ 24ff.; Köbler, DRG 40, 61, 163; Brandt, H., Eigentumserwerb und Austausch­geschäft, 1940; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Köbler, G., Die rechtliche Regelung des Eigentumserwerbs an Grundstücken in Preußen, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976, 201; Zimmermann, M., Der Rechtserwerb hinsichtlich eigener Sachen, 2001; Klinck, F., Erwerb durch Übergabe an Dritte nach klassischem römischem Recht, 2004; Damler, D., Wildes Recht. Zur Patho­genese des Effektivitätsprinzips in der neuzeitlichen Eigen­tumslehre, 2008

Eigentumsübertragung ist die Übertragung des →Eigentums von einem bisherigen Eigentümer auf einen neuen Eigentümer. Ihr geht im römischen Recht die Vorstellung voraus, dass dem Untergang eines Rechtes eines bisherigen Eigentümers die Entstehung des Eigentums als neues Recht bei einem neuen Berechtigten folgt, doch kennt bereits das klassische römische Recht den Gedanken der Übertragung. Die wichtigsten Wege hierfür sind die (lat. [F.]) →mancipatio, die (lat.) →in iure cessio (F.) und die formfreie Übergabe (lat. [F.] →traditio) bei Vorliegen eines Rechtsgrunds. Für die Germanen ist ein einfaches Handgeschäft zu vermuten. Im Frühmittelalter stehen Einigung oder Übergabe (ahd. →sala, lat. traditio) und Besitzeinräumung oder Bekleidung (ahd. giwerida, lat. →investitura) in nicht völlig klarer Weise nebeneinander. Mit dem Beginn der Geldwirtschaft wird die E. sehr häufig. Sie erfolgt bei Liegenschaften vielfach vor Gericht und unter Verwendung von Schriftakten ( →Schreinskarten). Mit der Aufnahme des römischen Rechtes setzt sich die Lehre vom vorausgesetzten (lat.) titulus (M.) acquirendi und vom erfüllenden (lat.) modus (M.) acquirendi weitgehend durch. Im 19. Jh. entwickelt Savigny die Rechtsfigur des dinglichen, neben dem schuldrechtlichen Vertrag (z. B. Kaufvertrag) stehenden Vertrags (abstrakte →Einigung). Sie findet Eingang in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900). Danach erfolgt die E. durch Einigung und Übergabe oder Übergabesurrogat sowie bei Grundstücken durch Einigung (Auflassung) und →Eintragung in das Grundbuch. In den übrigen europäischen Ländern ist die E. ein kausales Geschäft.

Lit.: Kaser § 24; Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 28; Dyckerhoff, E., Die Entstehung des Grundeigentums, 1909; Kleinbub, M., Das Recht der Übertragung und Verpfändung von Liegenschaften in der Reichsstadt Ulm, 1961; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; 1984; Transfer of Title Concerning Movables, Teil 1ff., hg. v. Rainer, J. u. a., Bd. 1ff. 2006 ff.

Eigentumsvorbehalt (1809) ist der Vorbehalt des Verbleibens des Eigentums bei einem bishe­rigen Eigentümer trotz einer Verpflichtung zur Eigentumsüber­tragung bis zu einem be­stimmten Zeitpunkt. Der bereits dem klassischen römischen Recht (Ulpian D. 43, 26, 20 bekannte), im mittelalterlichen Italien durch die Glosse zu C. 4, 54, 3 übernommene, in Deutschland durch die Rente vertretene, aber zu Anfang des 17. Jh.s zunächst in Kursachsen und der Oberlausitz bei Kauf von Grundstücken ausdrücklich erwähnte und verbreitete E. gewinnt mit dem Vordringen des Abzahlungskaufs im ausgehenden 19. Jh. Bedeutung. Der Eigentumsvorbehalts­käufer erlangt eine An­wart­schaft, die mit fortschreitender Bezahlung des Kaufpreises schließlich zum Vollrecht erstarken soll.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigen­tumsübertragung, 1966; Berger, W., Eigen­tumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, besitz­lo­ses Pfandrecht und Eigentum, 1984; Misera, K., Eigen­tumsvorbehalt im klassischen römischen Recht, FS R. Serick, 1992, 275; Maaß, M., Die Geschichte des Eigentumsvorbehalts, 2000; Köbler, U., Werden, Wan­del und Wesen des deutschen Privat­rechts­wort­schatzes, 2010

Eike von Repgow (um 1180?-nach 1233?) ist der wahrscheinlich aus einer ostfälisch-säch­sischen, im 12. Jh. in das sorbische Gebiet Serimunt eingewanderten Familie stammende Verfasser des (zunächst lateinisch verfassten und dann durch Übersetzung in die Muttersprache) mittelniederdeutschen Rechtsbuchs →Sachsenspiegel. Er benennt sich selbst (in den Versen 261-266 der Reimvorrede) nach dem Dorf Repchowe (Reppichau westlich Dessaus im Anhaltinischen). Er tritt in sechs Urkunden 1209 (Mettine), 1215 (Lippehna), 1218 (Grimma), 1219, 1224 (Delitzsch) und 1233 (Salbke) an unterschiedlichen Orten in der Nähe bedeutender Fürsten als Zeuge auf. Er ist schöffenbarfrei und bezeichnet Graf Hoyer von Falkenstein, den Stiftsvogt von Quedlinburg, als seinen Herrn. Da er den Sachsenspiegel zunächst in Latein schreibt und danach übersetzt, gehört er zur dünnen Bildungsschicht der hochmittelalterlichen Gesellschaft. Sonstige Einzelheiten über ihn stehen nicht sicher fest. Nach Peter Landau könnte Abt Matthäus von Altzelle ein Lehrer Eike von Repgows sein.

Lit.: Köbler, DRG 102; Fehr, H., Die Staatsauffassung Eikes von Repgow, ZRG GA 37 (1915), 131; Voltelini, H. v., Der Verfasser der sächsischen Weltchronik, 1924; Möllenberg, W., Eike von Repgow und seine Zeit, 1934; Heck, P., Eike von Repgow, 1939; Lieberwirth, R., Eike von Repchow und der Sachsenspiegel, 1982; Ignor, A., Über das allgemeine Rechtsdenken Eikes, 1984; Johannek, P., Eike von Repgow, Hoyer von Falkenstein und die Entstehung des Sachsenspiegels, (in) Civitatum communitas 2, 1984, 716ff.; Kroeschell, K., Der Sachsenspiegel in neuem Licht, (in) Rechtsgeschichte in beiden deutschen Staaten, 1991, 232; Schroeder, K., Eike von Repgow, JuS 1998, 776; Landau, P., Der Entste­hungsort des Sachsenspiegels, DA 61 (2005), 73ff.; Lück, H., Magdeburg, Eike von Repgow und der Sach­senspiegel, (in) Magdeburg, hg. v. Puhle, M. u. a., 2005, 155ff.; Eike von Repgow 800. Reppichau 850, hg. v. Lück, H. u. a., 2009; Das Eike-vonRepgow-Dorf Reppichau zwischen 1159 und 2009, hg. v. Lück, H. u. a., 2009

Einantwortung ist die Übertragung einer Gesamtheit von Rechten an einen Erwerber z. B. eines Landes (1317) oder eines Nachlasses (in den Besitz des Erben durch Gerichts­be­schluss, § 797 ABGBG 1811) oder früher auch eines Mündels im Verhältnis zum Vormund.

Lit.: Wesener, G., Einantwortung, FS Kocher, G., 2006, 485

Einbenennung ist die Erteilung des Ehenamens der Mutter und ihres Ehemanns oder die Erteilung des Namens des Vaters an das nichteheliche Kind.

Lit.: Engler, H., Der Familienname des nichtehelichen Kindes, FamRZ 1971, 76

Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprich­wörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 121 (Gruter 1612)

Einforstung ist die Beanspruchung eines Waldes als andere Menschen ausschließenden Forstes seit dem 7. Jh. bis in die Neuzeit.

Lit.: Hasel, K., Forstgeschichte, 1985, 2. A. 2002; Günther, R., Der Arnsberger Wald im Mittelalter, 1994; Kieß, R., Forst-Namen und kleine Forsten, Forstliche Forschungsberichte München 161 (1997), 66ff.; Dasler, C., Forst- und Wildbann im frühen deut­schen Reich, 2001

Eingriffsverwaltung ist der Teil der öffentlichen →Verwaltung, der in die Rechte (z. B. Freiheit, Eigentum) des Untertanen bzw. Staatsbürgers eingreift. Er ist der von Anfang an bestehende Kernbestand der Verwaltung, dem seit dem 19. Jh. die →Leistungsverwaltung gegen­übertritt.

Einheitliche Europäische Akte ist die am 17. 2. 1986 von den Mitgliedstaaten der europäischen Gemeinschaften beschlos­sene, am 1. 7. 1987 in Kraft getretene Abänderung der römischen Gemeinschaftsverträge von 1957. Sie legt die schrittweise Vollendung des Binnenmarkts bis 1992 und eine Wirtschafts- und Währungsunion fest, stellt die Europä­ische Politische Zusammenarbeit auf eine vertragliche Grundlage und richtet den Euro­päischen Rat ein.

Einigung (1322) ist allgemein die Über­einkunft mehrerer Beteiligter. Im 19. Jh. wird die E. als Vereinbarung (dinglicher Vertrag) über den Eigentumsübergang von →Savigny entwickelt. Unterstützt von seit der Mitte des 19. Jh.s spürbaren Bestrebungen, die um­ständlichen Formen des älteren Rechtes (z. B. Hypothekenordnung Preußens von 1783) zu vereinfachen, wird diese Vorstellung in Preußen 1872 und im deutschen Reich 1897/1900 gesetzlich anerkannt.

Lit.: Köbler, DRG 212; Felgentraeger, C., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Einigungsvertrag ist der am 31. 8. 1990 zwischen der Bundesrepublik →Deutschland und der →Deutschen Demokratischen Republik abgeschlossene Vertrag über die – wegen der eigenstaatlichen Interessen von Margaret Thatcher (Großbritannien) eisern und François Mitterand (Frankreich) wortlos (Deutschland zu mächtig, um nicht dominant zu werden)bekämpfte - Herstellung der Einheit Deutschlands, auf dessen Grund am 3. 10. 1990 die Deutsche Demokratische Republik der Bundesrepublik Deutschland beitritt.

Lit.: Köbler, DRG 247; Jackisch, K., Eisern gegen die Einheit, 2004; La diplomatie française face ‚l’unification, hg. v. Vaïsse, M. u. A., 2011

Einkammersystem ist das politische System, in dem das Gesetzgebungsorgan (→Parlament) bzw. die Volksvertretung nur aus einer Kammer besteht (z. B. Sachsen-Weimar 1816, Schwarzburg-Rudolstadt 1816, Sach­sen-­Hildburghausen 1818, Sachsen-Mei­ningen 1824, Sachsen-Altenburg 1831, Kurhessen 1831, Braunschweig 1832, Bayern bis 2000). Es bildet den Gegensatz zum Zweikam­mersystem.

Lit.: Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz, Teil 2 1979, 451ff.

Einkindschaft (Ingelheim 1419) ist die vertraglich vereinbarte erbrechtliche Gleichstellung von Kindern aus zwei Ehen eines Elters (lat. unio [F.] prolium). Sie findet sich in einer österreichischen Urkunde von 1275, in einem Stadt­bucheintrag in Wismar von 1324, in Ingelheim 1378, Frankfurt am Main 1399, Wetzlar 1475, Worms 1498, Freiburg im Breisgau 1520 und Solms 1571. Dabei vereinbaren die Ehegatten der zweiten Ehe zwecks Abdingung des im Hoch­mittelalter entstehenden Ehegüterrechts (Ver­fangenschaftsrechts, Teilungsrechts, Teil­rechts) meist bei oder kurz nach der Eingehung einer neuen Ehe vor Zeugen oder vor Gericht mit den Kindern einer voran­gehenden Ehe, dass diese Kinder (Vorkinder) unter Verzicht auf ihr Erbrecht (Ver­fangenschaftsrecht, Teilungsrecht, Teil­recht) am Vermögen der verstorbenen ersten Ehegatten zugunsten der oder des neuen Ehegatten (wie die Kinder der neuen Ehe, Nachkinder) ein Erbrecht gegen diesen bzw. diese erhalten. Sie beerben also ihren erstverstorbenen Elter nicht, erhalten aber ein Erbrecht in Bezug auf den letztversterbenden Ehegatten der zweiten Ehe. Die E. ist noch im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794, II 2 §§ 717-752) enthalten, verschwindet danach jedoch.

Lit.: Hübner 509f.; Hertel, C., Über die Einkindschaft, 1818; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, 2, 1, 1868, Neudruck 1967; Mittelstein, M., Die Einkindschaft nach hambur­gischem Recht, 1886; Meyer, H., Die Einkindschaft, Diss. jur. Breslau 1900; Meyer, H., ZRG GA 34 (1913), 610ff. (Besprechung); Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Bley, H., Das Erbrecht nach den Urteilen des Ingelheimer und des Neustädter Oberhofs, Diss. jur. Frankfurt am Main 1977, 203ff.; Schartl, R., Zur Entstehung der fränkischen Einkindschaft, Ius commune 16 (1989), 264

Einkommensteuer ist die vom Einkommen natürlicher Personen als Steuerobjekt zu entrichtende Steuer. Sie wird in England (income tax zur Finanzierung des Krieges gegen Napoleon) 1799, in Ostpreußen 1808 und nach dem Klassensteuergesetz von 1820 in Preußen 1851 eingeführt. 1878 beträgt sie in Sachsen bis 5%. 1891 wird unter Finanz­minister Miquel in Preußen ein als fortschrittlich geltendes Einkommensteuer­gesetz erlassen, in dem die von dem Finanzbeamten Bernhard Fuisting vor­geschlagene Einkommensteuerer­klä­rung von besonderer Bedeutung ist (1893 Ergänzung um Vermögensteuer, Kom­munalabgabenge­setz). Im 20. Jh. wird die E. (unter Verselbständigung der Körper­schaft­steuer für juristische Personen 1920) zu einer der wichtigsten staatlichen Einnahmequellen.

Lit.: Köbler, DRG 198, 233, 251; Großfeld, B., Die Einkommensteuer, 1981; Linzbach, P., Der Werdegang der preußischen Einkommensteuer, 1984; Greim-Kuczewski, P., Die preußische Klassen- und Einkommensteuergesetzgebung, 1990; Mathiak, W., Die erste Einkommensteuer in Deutschland, (in) Steuer und Wirtschaft, 1995, 352; Mathiak, W., Das preußische Einkommen­steuer­gesetz von 1891, 2011;  Osmialowski, C., Bernhard Fuisting (1841-1908) und die Begründung der Steuererklärungspflicht, Diss. jur. Bonn 2011; Harris, P., Income Tax in Common Law Jurisdictions, Bd. 1 2012

Einlager ist die seit dem 12. Jh. (mangels besserer Erfüllungsverwirklichungsmög­lich­kei­ten) entstehende bzw. bekannte Form der Schuldsicherung, bei der sich der →Bürge oder →Schuldner (z. B. Adliger, Stadt vielfach gegenüber Juden) verpflichtet, bei Fälligkeit der Schuld einen festgelegten Ort (z. B. ein Gasthaus) aufzusuchen und ohne Einwilligung des Gläubigers nicht wieder zu verlassen, was als Folge der entstehenden Kosten den Schuldner oder Bürgen zur baldigen Leistung bewegen sollte. Die Kosten der Unter­bringung fallen je nach Vereinbarung dem Hauptschuldner oder dem Bürgen zur Last. 1572 verbietet Sachsen (Kursachsen), 1577 eine Reichspolizeiord­nung das E., doch hat es zumindest örtlich bis in das 19. Jh. tatsächlich Bestand. Im Übrigen wird es durch die →Schuldhaft abgelöst.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 128; Friedlaender, E., Das Einlager, 1868; Lechner, A., Das Obstagium, 1906; Rintelen, M., Schuldhaft und Einlager im Vollstreckungsverfahren, 1908; Kisch, G., Das Einlager, 1912; Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004; Lentz, M., Konflikt, Ehre, Ordnung, 2004

Einlassung ist die Bereitschaftserklärung eines Beklagten, mit dem Kläger über die Klage streiten zu wollen. Sie ist der Sache nach bereits Bestandteil des römischen Formularprozesses (förmliche Verneinung des Begehrens des Klägers, nicht Anerkenntnis oder Untätigkeit des Beklagten), wobei ein Zwang zur E. bei einer (lat.) actio in personam besteht, während bei einer (lat.) actio in rem der Gerichtsmagistrat erst Rechtsschutz (lat.) in personam gewähren muss. Im Heiligen römischen Reich wird die E. mit der Aufnahme des gelehrten Prozesses ein Teil der Streitbefestigung (lat. litis contestatio [F.]). Eine klare Bestimmung der E. im gemeinrechtlichen Verfahren des Reichskam­mergerichts ist nicht möglich, weil sowohl die Litis­kontestations­begründung wie auch die Einrede oder Antwort des Beklagten als E. bezeichnet werden., obwohl die Reichskam­mergerichtsordnung von 1500 beides trennt. Die Reichskammerge­richts­ordnung von 1555 sieht in jeder Klage­erwiderung eine Litiskon­testation. Der jüngste Reichsabschied von 1654 übernimmt aus dem sächsischen Verfahren die besondere Litis­kontestation und lässt die E. als zusam­menhängende Klage­erwiderung in einem einfachen Klaglibell erfolgen. In der Gegenwart ist im Zivilprozess das Verhandeln zur Hauptsache eine Zustän­dig­keits­vereinbarung (§§ 39, 504 ZPO). Im Strafprozess ist E. jede Äußerung des Beschuldigten zur Sache.

Lit.: Kaser § 82; Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses, 1861, 3. A. 1878, § 14; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 2. A. 1996; Sellert, W., Prozessgrundsätze und stilus curiae am Reichs­hofrat, 1973; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess, 1974; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralpro­zesses, 1981

Einmal ist keinmal.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechts­sprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 88 (Hertius 1737, lat. unus actus nullus actus)

Ein Mann, ein Wort.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 235 (Sachße 1856)

Einmanngesellschaft ist in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s die zunächst bei einer bereits bestehenden Gesellschaft und danach auch für die Entstehung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zugelassene, nur aus einem Gesellschafter bestehende Gesellschaft.

Einmauern ist im Altertum eine Todesstrafe und seit dem Mittelalter eine Art Frei­heitsstrafe, die mit der Aufklärung aufgege­ben wird.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, 1920

Einrede (1188) ist das nicht im bloßen Leugnen bestehende, gegen den Klaganspruch gerich­tete Vorbringen des Beklagten. Die E. ist schon dem römischen Zivilprozessrecht als (lat.) exceptio (F.) bekannt. Dementsprechend erscheint sie bei der Aufnahme des gelehrten Prozessrechts in Deutschland. Bereits im Hochmittelalter werden in Urkunden um­fängliche romanistische Verzichtsformeln für Einreden aufgenommen.

Lit.: Kaser § 4 II; Söllner § 9; Köbler, DRG 155; Schlosser, H., Die Rechts- und Einredeverzichts­formeln (renuntiationes), 1963; Wesener, G., Nichtediktale Einreden, ZRG GA 112 (1995), 109; Ernst, W., Die Einrede des nichterfüllten Vertrags, 2000; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Einspruch

Lit.: Broichmann, C., Der außer­ordentliche Einspruch im Dritten Reich, 2013 (21 Fälle von Verfahren vor dem besonderen Strafsenat des Reichsgerichts, 92 Fälle vor dem besonderen Senat des Volksgerichtshofs, jeweils hohe Zahl von Todesurteilen, in zwei Fällen persönliche Einflussnahme Adolf Hitlers)

Einstweilige Anordnung ist die vorläufige Anordnung des Gerichts in einem Rechtsstreit. Sie findet sich sachlich not­wendig­erweise seit dem Beginn von Verfahren. Sie wird aber erst spät grundsätzlich geregelt.

Lit.: Rohmeyer, H., Geschichte und Rechtsnatur der einstweiligen Anordnung im Verwaltungsprozess, Diss. jur. Hamburg 1967

einstweilige Verfügung →Mandatspro­zess

Eintragung (1440) ist die Aufnahme in ein Register. Sie ist an unterschiedlichen Stellen Voraus­setzung für eine Rechtsfolge. Im 19. Jh. wird in Deutschland die E. in das Grundbuch grundsätzlich Voraussetzung für das Entstehen eines dinglichen Rechtes oder die E. einer Gesellschaft in das Handelsregister Voraussetzung für ihre Entstehung (Eintragungsgrundsatz, Intabula­tions­prinzip). In Österreich ist E. (lat.) modus des Rechtsübergangs für unbewegliche Sa­chen (auf Grund Eintragungsbewilligung bzw. Aufsan­dungs­er­klärung).

Lit.: Köbler, DRG 125, 212; Planitz, H., Konstitutivakt und Eintragung in den Kölner Schreinsurkunden, FS A. Schultze, 1934, 175; Grolle, N., Die Eintragungsbewilligung, Diss. jur. Münster 1989; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Eintritt ist das Hineintreten in eine Lage oder einen Raum (z. B. auch in ein Haus oder in eine Gesellschaft).

Eintrittsrecht (Wort 1608) ist das Recht zum Eintritt in einen Raum oder in eine Rechtslage. Im Erbrecht ist insbesondere das E. (Repräsentationsrecht) von Enkeln an Stelle vorverstorbener Kinder bedeutsam. Es findet sich im römischen Recht (Gaius, Institutionen 3,7, 3,8, I. 3. 1. 6, Nov. 118, 1). Dort kenn Justinian (527-565) nur das E. der Geschwisterkinder. Das E. wird bereits spätestens 596 vom fränkischen König in der (lat.) Decretio (F.) Chil­deberti bestimmt und vielleicht am 17. Mai 938 auf einem Hoftag in Steele bei (bzw. heute in) Essen auf Grund eines Zweikampfs für Sachsen zugunsten von Sohnessöhnen bejaht (eingeschränkt nach Söhnen im Sachsenspiegel 1221-1224, abgelehnt in Augsburg 1276/1420). Mit der Aufnahme des römischen Rechtes findet es allgemeine Anerkennung im Heiligen römischen Reich (Reichsabschied 1500, 1521, Jülich-Berg 1555/1564, Solms 1571, Kurköln 1663, Kurtrier 1668/1713, ALR 1794, Code civil 1804, ABGB 1811, ABGB Aargau 1856, BGB Sachsen 1863, PRG Schaffhausen 1864). In Österreich folgt der Entwurf Neue Satz- und Ordnung (1720) weitgehend, der Codex Theresianus (1766) Justinian.

Lit.: Hübner 766ff.; Kroeschell, DRG 1; Wesener, G., Zum Weiterleben römischen Rechtes im Frühmittelalter, ,(in) Cinquante anni della Corte costituzionale della Repubblica italiana, 2006, 1751; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wort­schatzes, 2010; Kroeschell, K., König Otto I. und das Eintrittsrecht der Enkel (in) Römische Jurisprudenz, 2011, 361

Einung ist die Vereinbarung unter mehreren Menschen und auch deren dsdurch geschaffener Zusammenschluss (z. B. Innung). Die E. kann bindende Wirkung für eine Gesamtheit entfalten. Insofern werden etwa hochmittelalterliche Landfriedenseinun­gen als Gesetze eingeordnet.

Lit.: Köbler, WAS; Ebel, W., Die Willkür, 1953; Vogel, O., Die ländliche Einung, Diss. jur. Zürich 1953; Bader, K., Die städtische Einung, Arch. d. hist. Ver. d. Kantons Bern 44 (1958), 159; Kulenkampff, A., Einungen mindermächtiger Stände, Diss. phil. Frankfurt am Main 1967; Kulenkampff, A., Einungen und Reichsstandschaft fränkischer Grafen und Herren, 1971; Spieß, P., Rüge und Einung, 1988; Einungen und Bruderschaften, hg. v. Johanek, P., 1993; Moraw, P., Die Funktion von Einungen und Bünden, (in) Alternativen zur Reichsverfassung, hg. v. Press, V., 1995, 1; Pitz, E., Bürgereinung und Städteeinung, 2001

Einwerfung oder Ausgleichung ist die Berücksichtigung eines einem von mehreren Erben zu Lebzeiten des Erblassers von diesem zugeflossenen Vermögenswerts bei der Aus­ei­nan­dersetzung des Nachlasses (Teil der gesetzlichen Ausgestaltung der Erbauseinan­dersetzung). Sie ist dem römischen Recht als (lat.) →collatio (F.) bonorum bekannt. Sie findet sich im langobardischen Volksrecht (Edictus Rothari [643] 199) und im westgotischen Volksrecht (L. Vis. [7. Jh.] IV, 5, 3) sowie im →Sachsenspiegel ([1221-1224] Landrecht I 10, 13) und im →Schwabenspiegel ([um 1275] 148a). Ausführlich ist die E. oder Aus­gleichung in den neuzeitlichen Gesetzbüchern behandelt (ALR [1794] II 2 §§ 303ff., Code civil [1804] Art. 843ff., ABGB [1811] §§ 788, 790ff., BGB Sachsen [1863] §§ 2354ff., BGB [1900] §§ 2050ff., ZGB [1907/1911] Art. 626ff.).

Lit.: Kaser § 73 IV; Hübner 750ff.; Reinhardt, K., Die Lehre von der Einwerfung, 1818; Rummel, C. v., Zur Lehre von der Einwerfung, 1843; Staudinger, J./Kipp, T./Coing, H., Erbrecht, 12. A. 1965, § 120; Eberl-Borges, C., Die Erbauseinandersetzung, 2000; Werbik, K., Lebzeitige Zuwendungen des Erblassers, 2004

Einwilligung (1478) ist die vorherige Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft oder sonstigen Verhalten.

Lit.: Kaiser, D., Die elterliche Einwilligung, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Einziehung

Lit.. Arnold, M., Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung (§§ 73 bis 76a StGB), 2013

Eisenach am nordwestlichen Fuß des Thüringer Waldes erhält 1283 Stadtrecht. Eisenacher Rechtsbuch ist ein in verschiedenen Fassungen überliefertes Rechtsbuch der Stadt E. Das bruchstückweise in einer einzigen in Kassel befindlichen Handschrift des ersten Viertels des 15. Jh.s überliefert erhaltene ältere Eisenacher Rechtsbuch des Stadtschreibers Johannes →Rothe (Creuzburg 1350/60-Eisenach 1434) von 1384-1387 verbindet Teile des Meißener Rechtsbuchs, des glossierten Sachsen­spiegels, des Schwabenspiegels und des Decretum Gratiani, der Digesten, der Dekretalen, des Liber Sextus und anderer gelehrter Quellen mit dem Eisenacher Stadtspiegel von 1283 und Eisenacher Gerichtsgewohnheiten des 14. Jh.s (Buch 1 Erbrecht, Buch 2 Heergewäte, Leibgeding, Morgengabe [, Vormundschaft], Buch 3 Häuser, Äcker, Vieh). Quelle ist das an 20 Stellen in Bezug genommene Eisenacher Kettenbuch, das landgräfliche Privilegien und städtische Willküren verarbeitet. Von Rothe stammt ein weiteres, zehn Bücher umfassendes Rechtsbuch, das 1503/1504 der Stadtschreiber Johann →Purgold unter Einbeziehung der Institutionen und des Codex in den 8 wenig geordneten Büchern seines jüngeren Eisenacher Rechtsbuchs überarbeitet.

Lit.: Das Rechtsbuch nach Distinktionen. Ein Eisenacher Rechtsbuch, hg. v. Ortloff, F., 1836, 625-756; Die Stadtrechte von Eisenach, Gotha und Waltershausen, hg. v. Strenge, K. u. a., 1909; Helmoldt, H., Geschichte der Stadt Eisenach, 1936; Rondi, P., Eisenacher Rechtsbuch, 1950; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 57

Eisenbahn - nach einer berühmten Begriffs­bestimmung des Reichsgerichts (RGZ 1, 247, 252) ein Unter­nehmen, gerichtet auf wiederholte Fortbe­wegung von Personen oder Sachen über nicht ganz unbedeutende Raumstrecken auf metal­lener Grundlage, welche durch ihre Konsistenz, Konstruktion und Glätte den Transport großer Gewichtmassen bzw. die Erzielung einer verhältnismäßig bedeutenden Schnelligkeit der Transportbewegung zu ermöglichen bestimmt ist, und durch diese Eigenart in Verbindung mit den außerdem zur Erzeugung der Transportbewegung benutzten Natur­kräften (Dampf, Electrizität, thierischer oder menschlicher Muskeltätigkeit, bei geneigter Ebene der Bahn auch schon der eigenen Schwere der Transportgefäße und deren Ladung, u. s. w.) bei dem Betriebe des Unter­nehmens auf derselben eine verhältnismäßig gewaltige (je nach den Umständen nur in bezweckter Weise nützliche, oder auch Menschenleben vernichtende und die menschliche Gesundheit verletzende) Wirkung zu erzeugen fähig ist - ist das im 19. Jh. auf der Grundlage älterer Ansätze entwickelte, auf Schienen laufende, dem öffentlichen oder ihm ähnlichen Verkehr dienende Transportmittel. Die erste öf­fentliche Eisenbahn wird (21 Jahre nach der Inbetriebnahme der ersten Dampfloko­motive) 1825 als Stockton and Sarlington Railway in England 1825 verwirklicht. Die erste Eisen­bahnstrecke wird 1830 zwischen Manchester und Liverpool, die erste deutsche Eisenbahnstrecke 1835 zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet. Bereits am 3. 11. 1838 sieht Preußen auf Grund eines schriftlichen Votums des Staatsrats­mitglieds (1817-1848) Friedrich Carl von Savigny im Gesetz über Eisenbahnunternehmungen (§ 25) für die E. eine (abdingbare) →Gefährdungshaftung vor. Zu Gunsten der E. werden vielfach Grundstücks­eigentümer enteignet. Häufig erweisen sich übergeordnete Einheiten und Verinbarungen als sinnvoll (Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen 1847, Reichseisen­bahnamt 1873, internationale Vereinbarung über die technische Einheit im Eisenbahn­wesen 1887, Union für den Eisenbahn­frachtverkehr 1890, Staatsver­trag zur Gründung der deutschen Reichsbahngesell­schaft 1920, Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr 1980). Die aus militärischen Gründen (ab 1879 auch in Preußen) überwiegend verstaatlichten Eisen­bahnen wirtschaften vor allem nach Erfindung des nicht an Schienen gebundenen, örtlich wie zeitlich flexibleren Automobils (Kraftfahr­zeugs) grundsätzlich mit Verlusten, weshalb seit der Mitte des 20. Jahrhunderts Streckenstilllegungen erforder­lich sind. Wegen der für den Staatshaushalt infolge hoher Ausgaben und geringer Einnahmen zunehmend untragbaren Verluste ist die auf Kernstrecken beschränkte Bun­desbahn Deutschlands seit 1994 privatisiert (Deutsche Bahn AG, daneben viele wenig übersichtliche Einzelgesellschaften). Vor allem aus Umweltüberlegungen erwachsende Bestim­mungen zur zwangsweisen Verlagerung von Verkehr von der Straße auf ide Schiene sind nur bedingt erfolgreich.

Lit.: Köbler, DRG 176; Camphausen, L., Versuch eines Beitrags zur Eisenbahngesetzgebung, 1838; Endemann, W., Das Recht der Eisenbahnen, 1886; Anderegg, F., Schweizerische und bernische Eisenbahngesetzgebung, 1978; Albrecht, C., Bismarcks Eisenbahngesetzgebung, 1994; Heyn, F., Die Entwicklung des Eisenbahnfrachtrechts, 1996; Ziegler, D., Eisenbahnen und Staat im Zeitalter der Industrialisierung, 1996; Then, V., Eisenbahnen und Eisenbahnunternehmer, 1997; Bracht, C., Der Bau der ersten Eisenbahnen in Preußen, 1998; Julitz, L., Bestandsaufnahme Deutsche Bahn, 1998; Schubert, W., Das preußische Eisenbahngesetz von 1838, ZRG GA 116 (1999), 152; Die Eisenbahn in Deutschland, hg. v. Gall, L. u. a., 1999; Thomas, W., Lawyering for the railroads, 1999; Wachtel, R./Marxmüller, H./Heide, H., Eisenbahn­unfälle, 2000; Mitchell, A., The Great Train Race, 2000; Delbanco, H., Ursprünge des europäischen Eisenbahnrechts, (in) Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts 5 (2000), 215; Ely (jr.) jr., J., Railroads and American law, 2001; Prêtre, A., Eisenbahnverkehr als Ordnungs- und Gestaltungsaufgabe des jungen Bundesstaats, 2002; Usselman, S., Regulating railroad innovation, 2002; Raster, J., Enteignung und Eisenbahnbau, 2003; Bremm, K., Von der Chaussee zur Schiene, 2005; Auf eisernen Scheinen, hg. v. Hedwig, A., 2008; Across the Borders, hg. v. Roth, R. u. a., 2008

Eisenbahnrecht ist die Gesamtheit der die auf Schienen laufenden, dem öffentlichen oder ihm ähnlichen Verkehr dienenden Transportmittel betreffenden Rechtssätze. Rechtlich wirkt sich die (Herrschaft über Raum und Zeit erleichternde) →Eisenbahn vor allem auf die Bildung von Aktiengesellschaften, die Enteignung von Grundstücken und die Entwicklung der Gefährdungshaftung (Preußen 1838) aus. 1920 übernimmt in Deutschland das Reich (bis 1924 und von 1937 an) die Eisenbahnverwaltung. Nach 1993 wird die verlustreiche Deutsche Bahn teilweise privatisiert.

Lit.: Loth, W., Verkehrsentwicklung in Deutschland seit 1800, 1920; Ogorek, R., Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975; Anderegg, F., Schweizerische und bernische Eisenbahn­gesetzgebung, 1978; Albrecht, C., Bismarcks Eisenbahngesetzgebung, 1994; Heyn, F., Die Entwicklung des Eisenbahnfrachtrechts, 1996; Küper, N., Entlastung des Straßengüterverkehrs durch den Schienengüterverkehr, 1997; Schubert, W., Das preußische Eisenbahngesetz von 1838, ZRG 116 (1999), 152; Roth, R., Das Jahrhundert der Eisenbahn, 2005; Sonderzüge in den Tod, hg. v. Kill, S. u. a., 2009

Ekenberger, Blasius

Lit.: Elucubratio Blasii Ekenbergers auer dat erste undt ander Koning Waldemari Lohbuch anno 1595, hg. v. Haff, K., 1932

Ekloge ([F.] Auswahl) ist das vor allem das römische Strafrecht abändernde byzantinische Gesetz Kaiser Leos III. des Jahres 726, das erstmals ausdrücklich auf Generalprävention abzielt. Es ordnet viele verstümmelnde Körperstrafen an und weitet den Bereich der Straftaten gegen die Sittlichkeit aus.

Lit.: Sinogowitz, B., Studien zum Strafrecht der Ekloge, 1956

Elbe (F.) ist der vom Riesengebirge in Böhmen auf 1100 Kilometern bei Hamburg in die Nordsee fließende Strom, der im frühen Mittelalter teilweise fränkisch-deutsches Reich und Slawen voneinander abgrenzt. 1821 wird von den Anrainerstaaten eine Elbschifffahrtsakte unterzeichnet (1844 Ad­ditionalakte). Von 1945 bis 1990 bildet die E. eine innerdeutsche Grenze.

Lit.: Schröder, D., Die Elb-Grenze, 1986, Jüngel, K., Die Elbe, 1993; Johne, K., Die Römer an der Elbe, 2006

Elbing ist die 1237 im Land des Deutschen Ordens gegründete, 1466 an Polen, 1772 an Preußen (1905 94065 Einwohner deutsch­sprachig, 280 polnischsprachig), 1945/1990 wieder an Polen gefallene Stadt. Das Elbinger Rechtsbuch ist ein in einer 1825 in E. aufgetauchten, derzeit verschollenen Hand­schrift des frühen 15. Jh.s überliefert. Es enthält in mittelmitteldeutscher Sprache von einem unbekannten Verfasser aufgezeichnetes polnisches Recht von wahrscheinlich zwischen 1270 und 1320 in 27 Artikeln. Quellen sind der Schwabenspiegel, das Meißener Rechtsbuch, ein Magdeburger Schöffenbrief an Kulm und Magdeburger Recht. Mit der vom lübischen Recht geprägten Rechtsentwicklung Elbings besteht kein Zusammenhang.

Lit.: Steffenhagen, E., Deutsche Rechtsquellen in Preußen vom 13. bis zum 16. Jahrhundert, 1875, 118ff.; Brünneck, W. v., Zur Geschichte der Gerichtsverfassung Elbings, ZRG 36 (1915), 24; Schubart-Fikentscher, G., Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Osteuropa, 1942; Grekow, B., Polskaja prawda, 1957; Najstarszy zwód prawa polskiego, hg. v. Matuszewski, J., 1959; Tischer, K., Das älteste polnische Gewohnheitsrechtsbuch, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969; Maisel, W., Die Rätsel des Elbinger Rechtsbuchs, (in) Deutsches Recht zwischen Sachsenspiegel und Aufklärung 1991, 47ff.; Najstarszy zwód prawa polskiego, hg. v. Thieme, H./Matuszewski, J., 1995

Elegante Jurisprudenz ist die aus dem französischen (lat.) →mos (M.) Gallicus entwickelte niederländische Rechtswissen­schaft des 17./18. Jh.s.

Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Canoy-Olthoff/Nève, P., Holländische Eleganz, 1990; Van den Bergh, G., Die holländische elegante Schule, 2001

Elektriziät ist das zuerst an der Reibung von Bernstein erkannte Spannungs­verhältnis zwischen einem geladenen Teilchen und seiner Umgebung. Seit dem 19. Jh. wird die E. mit größtem Erfolg (z. B. Licht, Elektromotor, Digitalisierung) wirt­schaftlich nutzbar gemacht. Seitdem wird sie auch rechtlich erfasst.

Lit.: Stier, B., Staat und Strom, 1997; Kehrberg, J., Die Entwicklung des Elektrizitätsrechts in Deutschland, 1997

Elisabeth von Thüringen (Ungarn 1207-Marburg 16./17. 11. 1231) Hospitalheilige

Lit.: Sankt Elisabeth, hg. v. d. Philipps-Universität Marburg, 1981; Elisabeth, hg. v. Blume, D. u. a., 2007

Elsass ist die aus geographisch unterschiedlichen Teilen zusammenge­setzte Landschaft zwischen Oberrhein und Vogesen, die seit 269 n. Chr. von Germanen besetzt wird. Im 7. Jh. entsteht unter der Familie der Etichonen ein Herzogtum, das in der Mitte des 8. Jh.s unter Teilung in die Grafschaften Nordgau und Sundgau beseitigt wird. Das 768 Alemannien zugeordnete E. kommt 870 zum ostfränkischen Reich. Im Hochmittelalter erringen neben den Staufern die Grafen von →Habsburg wichtige Rechte (z. B. Landgrafen im Sundgau), verpfänden ihre Güter 1469 aber an Burgund. 1648/1697 gelangt das E. an Frankreich, das es seit 1789/1790 zunehmend integriert. Von 1871 bis 1918 bildet das E. einen Teil des deutschen Reichslands Elsass-Lothringen. 1940-1945 wird nochmals eine deutsche Zivilverwaltung errichtet. Davon abgese­hen wird das E. im 20. Jh. von Frankreich weitgehend französisiert.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Stouff, L., Les origines de l’annexion de la Haute-Alsace à la Bourgogne en 1469, 1901; Schmidlin, J., Ursprung und Entfaltung der habsburgischen Rechte im Oberelsass, 1902; Becker, J., Geschichte der Reichslandvogtei im Elsass, 1905; Hessel, A., Elsässische Urkunden, 1915; Meyer, O., La régence épiscopale de Saverne, 1935; Thieme, H., Staufische Stadtrechte im Elsass, ZRG GA 58 (1938), 654; Colmarer Stadtrechte, bearb. v. Finsterwalder, P., 1938; Büttner, H., Geschichte des Elsass, Bd. 1 1939; Atlas de villes médiévales d’Alsace, hg. v. Himly, F., 1970; Histoire de l’Alsace, hg. v. Dollinger, P., 1970, 4. A. 1984, neue A. 2001; Seidel, K., Das Oberelsass, 1980; Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne, 1982ff.; Das Elsass, hg. v. Erbe, M., 2002; Hummer, H., Politics and Power in Early Medieval Europe, 2005; Igersheim, F., L’Alsace et ses historiens 1680-1914, 2006; Sütterle, H., Die Salier und das Elsass, 2009; Fischer, C., Alsace to the Alsatians?, 2010; Weber, K., Die Formierung des Elsass im Regnum Francorum, 2011; Vogler, B., Geschichte des Elsass, 2012

Elsass-Lothringen →Elsass, →Lothringen

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Jacob, K., Das Reichsland Elsass-Lothringen, Bd. 1ff. 1898ff.; Hamburger, G., Die staatsrechtlichen Besonderheiten der Stellung des Reichslandes Elsass-Lothringen, 1901; Preibusch, S., Verfassungsentwicklungen im Reichsland Elsass-Lothringen 1871-1918, 2006

Elter (Wort 765 belegt)

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

elterliche Gewalt →Eltern, →Kind

elterliche Sorge →Eltern, →Kind

Lit.: Schlüter, W., Elterliches Sorgerecht, 1985; Liebler-Fechner, M., Der ideologisch motivierte Entzug des elterlichen Sorgerechts in der Zeit des Nationalsozialismus, 2001; Andermann, M., Der ideologisch motivierte Entzug des elterlichen Sorgerechts im Dritten Reich und in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Köhler, A., Die Sorgerechtsregelungen bei Ehescheidung seit 1945, 2006

Eltern sind Vater und Mutter eines Kindes. Von ihnen hat im römischen Recht der Hausvater (lat. [M.] pater familias) bis zu seinem Tode die fast unbeschränkte väterliche Gewalt (lat. patria potestas [F.]) über die Haussöhne und Haustöchter, die nur allmählich gemäßigt wird. In gleicher Weise untersteht bei den Germanen das Kind der Personalgewalt (germ. *mundiz) des Familienvaters. Bereits im späteren 19. Jh. werden in Deutschland und Frankreich die elterlichen Rechte durch den Staat gesetzlich eingeschränkt. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) stehen die ehelichen Kinder bis zur Volljährigkeit unter elterlicher Gewalt, die in erster Linie dem Vater und nur daneben der Mutter obliegt. Österreich führt ab 1970 die elterliche Obsorge statt der elterlichen Gewalt ein. Am 18. 7. 1979 wird die elterliche Gewalt in Deutschland durch die elterliche Sorge ersetzt, bei der Kinder in gewissem Umfang an wichtigen Entschei­dungen beteiligt und die Eltern stärker auf das Wohl der Kinder verpflichtet sind.

Lit.: Kaser § 60; Hübner; Krause, E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche zwischen Eltern und Kindern, 1982; Zitscher, H., Elterlicher Status in Richterrecht und Gesetzesrecht, 1996; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1999; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, 2000; Engel, T., Elterliche Gewalt unter staatlicher Aufsicht, 2011; Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern, hg. v. Jurczyk, K. u. a., 2012

Emancipatio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die rechtsgeschäftliche Entlassung des Hauskinds aus der väterlichen Gewalt. Bei ihr werden Söhne dreimal, Töchter und Enkel einmal, vom Hausvater an einen Vertrauens­mann übertragen. Von diesem werden sie danach jeweils freigelassen, wodurch sie an den Hausvater zurückfallen. Nach der letzten, für die Beendigung der väterlichen Gewalt erforderlichen Übertragung wird das Haus­kind vom Vertrauensmann an den leiblichen Vater zurückübertragen, damit es von diesem endgültig freigelassen wird, ohne durch die Freilassung in die Patronatsgewalt des Ver­trauensmanns zu fallen.

Lit.: Kaser § 60 IV; Köbler, DRG 21

Emancipatio (lat. [F.]) Saxonica ist die in der frühen Neuzeit im Heiligen römischen Reich  geübte Lösung des Haussohns aus der väterlichen Gewalt durch wirtschaftliche Verselbständigung (→Abschichtung).

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 160

Emanzipation (1599, emancipiren 1536) ist die Befreiung aus einem Zustand der Beschränkung oder Abhängig­keit. Sie nimmt ihren Ausgang bei der römischrechtlichen →emancipatio. Seit dem 19. Jh. richtet sich die E. hauptsächlich auf die Befreiung der Frau von der Vorherrschaft des Mannes, deren Auswirkungen sich im Familienrecht der zweiten Hälfte des 20. Jh.s erkennen lassen.

Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 178, 252; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 153; Theurer, A., Emanzipation, 1996; Jenni, R., Die Emanzipation der mehrjährigen (!) Frauenzimmer, 1997; Grimme, M., Die Entwicklung der Emanzipation der Frau, 2003; Revolution und Emanzipation, hg. v. Rennhak, K. u. a., 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Engel, T., Elterliche Gewalt unter staatlicher Aufsicht in Frankreich und Deutschland (1870-1924), 2011

Emden

Lit.: Fritzschen, G., Die Entwicklung des Emder Stadtrechts, Diss. jur. Göttingen 1958

Emendatio (lat. [F.] Besserung) ist die lateinische Bezeichnung für die frühmittelalterliche →Buße.

Lit.: Köbler, DRG 91

Emigration (F.) Auswanderung

Lit.: Breunung, L. u. a., Biographisches Handbuch der Emigration deutschsprachiger Rechtswis­sen­schaftler ab 1933. Bd. 1 2012 (Ball, Balogh, Baumgarten, Cohn, Darmstaedter, David, [Giles,] James Goldschmidt, Werner Goldschmidt, Grünhut, Hirsch, Kantorowicz, Leibholz, Lewald, Mann­heim, Mendelssohn Bartholdy, Nawiasky, Praus­nitz, Pringsheim, Schulz, Schwarz, Sinzheimer, Strupp, Wolff, kürzer erwähnt Ehrhardt, Haymann, Isay, Erich Kaufmann, Mann, Schöndorf, Schü­cking, Schwarzenberger, Wassermann, Wegner)

Emilia Romagna ist die zwischen Po, Apennin und Adria gelegene, ursprünglich von Etruskern besiedelte, nach der Konsularstraße des M. Aemilius Lepidus (187 v. Chr.) benannte Landschaft. Im Mittelalter steht sie teils unter der Herrschaft der Langobarden, teils Byzanz‘ bzw. des Kirchenstaats. Die sich danach entwickelnden Herzogtümer Modena und Reggio sowie Parma und Piacenza kommen 1860 zu →Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon (Modena, Parma); Storia della Emilia Romagna, hg. v. Berselli, A., 1976

Emmingersche Justizreform ist die nach dem seinerzeitigen Reichsjustizminister Erich Emminger (1880-1951) benannte Verein­fachung des Verfahrensrechts. Zwei Verord­nungen vom 4. 1. 1924 (Ver­ordnung über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege, RGBl. I, 15, gesetzliche Grundlage Ermäch­tigungsgesetz vom 8. 12. 1923) und 13. 2. 1924 schränken die Herrschaft der Partei über das Zivilverfahren zugunsten der Leitungsbe­fugnis des Richters ein und wandeln das im 19. Jh. errichtete →Schwurgericht (mit 12 Geschworenen) unter Beibehaltung des Namens in ein großes →Schöffengericht (3 Berufsrichter, 6 Geschworene [Laien]) um.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Vormbaum, T., Die Lex Emminger vom 4. Januar 1924, 1988; Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, Abteilung I Weimarer Republik, hg. v. Schubert, W., Bd. 4 1999; Zivilprozess­reform in der Weimarer Zeit, hg. v. Schubert, W., 2005; Koch, A., Das bayerische Schwurgericht der Nachkriegszeit, ZRG GA 122 (2005), 242

Emphytheusis (lat. [F.]) ist die Erbpacht des spätrömischen Rechtes, die auch im Wege der Rezeption Auswirkungen hat.

Lit.: Kaser § 30; Köbler, DRG 61; Cencetti, G., Il contratto di enfiteusi, 1933; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Theisen, F., Studien zur Emphyteuse, 2003

Empirismus ist die von Francis →Bacon (1561-1626) in Fortführung des mittelalterlichen Nomina­lismus, dem Allgemeinbegriffe nur Sammelnamen für einzelne wirkliche Erscheinungen sind, begründete, neue, von kirchlicher Dogmatik befreite Erkenntnis­methode (Begriff von Kant [1724-1804] eingeführt), die von der vorurteilslosen Beobachtung von Einzelvorgängen als Begreifen der Welt an Hand von messbaren und zählbaren Größen induktiv zu allgemeinen Erkenntnissen führen soll. Die Erkenntnistheorie des E. entwickelt John Locke (1632-1704).

Lit.: Köbler, DRG 136; Moody, E., Empiricism and Metaphysics, Philosphical Revue 67 (1958), 145; Engfer, H., Empirismus versus Rationalismus, 1996

Emptio venditio (lat. [F.]) ist im römischen Recht der →Kauf (Verkauf). Er ist ur­sprünglich wohl ein Handgeschäft, bei dem Abschluss und Ausführung des Austauschs einer Sache gegen einen in Geld bestehenden Preis zeitlich zusammenfallen, unabhängig davon, ob eine (lat. [F.]) →mancipatio erforderlich ist oder ein formfreies Geschäft (über eine [lat.] res nec mancipi oder mit einem Nichtrömer) zur Sicherung des Erwerbers vor Diebstahl­verdacht ausgeführt wird. Spätestens seit dem 2. Jh. v. Chr. werden Vereinbarung (Kon­sensual­kontrakt) und Erfüllung getrennt, so dass die e. v. den Verkäufer zur möglicherweise später erst erfolgenden Übertragung des Eigentums verpflichtet. In nachklassischer Zeit wird der Vertrags­abschluss vielfach beurkundet und geht das Eigentum mit dem Abschluss und der Zahlung des Kaufpreises über. Justinian trennt Kauf und Übereignung wieder, lässt aber die Schriftform als Wirksamkeitsvor­aussetzung zu. Möglich ist der Kauf einer Hoffnung (Chance) und einer erhofften Sache.

Lit.: Kaser §§ 38, 41; Söllner §§ 9, 15; Köbler, DRG 45

Emser Punktation ist die in Bad Ems im Jahre 1786 getroffene, nicht in Wirksamkeit getretene Vereinbarung der Erzbischöfe von Köln, Mainz, Trier und Salzburg mit dem Ziel, eine größere Selbständigkeit (der deutschen Kirche) vom Papst zu erreichen.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972

Emunitas (lat. [F.]) ist die Freiheit von der Abgabenpflicht der kirchlichen Güter und der Kleriker seit Kaiser Konstantin (306-337). →Immunität

Lit.: Köbler, DRG 30

Endlicher Rechtstag (Art. 91, 123 CCB, 78 [, 82] CCC ist vor allem im von der Constitutio Criminalis Bambergensis (1507) und der →Constitutio Criminalis Carolina (1532) maßgeblich geprägten frühneuzeitlichen Strafverfahren der der heimlichen →Inquisition folgende Tag der öffentlichen Verhandlung, der angesichts des durch Folter erreichten Geständnisses für das Urteil weitgehend nur noch förmliche Bedeutung hat. Er entwickelt sich als Folge der Inquisition seit dem 14. Jh. und verschwindet endgültig erst im frühen 19. Jh. (e. R. noch in Dresden am 12. 7. 1821). An manchen Orten ist der endliche Rechtstag auf die Verkündung und Vollstreckung des Urteils beschränkt (Norditalien, Freiburg im Breisgau 1361, Worms 1498, Tirol 1499, Radolfzell 1506).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 118, 156; Müller, K., Zur Geschichte des peinlichen Prozesses in Schwaben, 1910; Ruoff, W., Der endliche Rechtstag in Zürich vor 1400, (in) Festschrift G. F. Pfenninger, 1956, 115ff.; Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von Akkusationsprozess und peinlicher Frage im frühen 17. Jahrhundert, 1971; Leiser, W., Strafgerichtsbarkeit in Süddeutschland, 1971; Langbein, J., Prosecuting crime in the Renaissance, 1974; Alber, P., Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974; Plöger, R., Die Mitwirkungspflichten des Beschul­digten, 1982; Schild, W., Der entliche Rechtstag, (in) Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a., 1984; Kocher, G., Der endliche Rechtstag der steirischen Landgerichtsordnung 1574, (in) Recht und Geschichte, 1988, 361ff.; Ignor, A., Geschichte des Strafprozesses in Deutschland 1532-1846, 2002

Endlösung ist die vom National­sozialismus u. a. mittels der nur zweistündigen Wann­seekonferenz am 20. 1. 1942 unter der Leitung Reinhard Heydrichs angestrebte und teilweise verwirklichte Ver­nichtung des Judentums (Holocaust) in besonderen Vernichtungslagern (z. B. Auschwitz, Bergen-Belsen, Dachau).

Lit.: Der Mord an den Juden im 2. Weltkrieg, hg. v. Jäckel, E. u. a., 1985; Verbrechen erinnern, hg. v. Knigge, V. u. a., 2002

Energiewirtschaftsrecht ist die Gesamtheit der die seit dem 19. Jh. immer bedeutendere Energiewirtschaft betreffen­den Rechtssätze.

Lit.: Kehrberg, J., Die Entwicklung des Elektrizitätsrechts, 1997; Grunwald, J., Das Energierecht der Europäischen Gemeinschaften, 2003

Engadin ist die Tallandschaft des oberen Inn in →Graubünden, die seit dem 10. Jh. an den Bischof von Chur gelangt.

Lit.: Jecklin, F., Land und Leute des Unterengadins und Vintschgaus im 14. Jahrhundert, 1922; Stolz, O., Beiträge zur Geschichte des Unterengadis aus Tiroler Archiven, Jahresbericht der hist. ant. Gesellschaft von Graubünden 53 (1924); Valèr, P., Die Entwicklung der hohen Gerichtsbarkeit, Diss. jur. Zürich 1927; Stolz, O., Zur Geschichte der Landeshoheit im Unterengadin und in Tirol, ZRG GA 49 (1929), 439; Schwarzenbach, A., Beiträge zur Geschichte des Oberengadins, 1931; Planta, P. v., Die Rechtsgeschichte des Oberengadins, 1931

Engelbert (Poetsch bzw. Pötsch) von Admont (Steiermark um 1250-Admont 16.? 5. 1331) wird nach dem 1267 erfolgten Eintritt in das Benediktinerstift Admont in der Steiermark und dem Studium in Prag (1271-1274) und Padua (1278?-1287 u. a. Recht) 1297 Abt in Admont (bis 1327) und verfasst, beeinflusst von Aristoteles, Cicero, Seneca und Augustinus, (mindestens 39) verschie­dene staatspolitische Schriften (Tugendspie­gel, [lat.] De regimine principum [um 1300], [lat.] Speculum virtutum [um 1310], Über Fürstenherrschaft, [lat.] De ortu et fine Romani imperii [1312], Vom Anfang und Ende des römischen Reiches).

Lit.: Fowler, G., Engelbert of Admont and the Universal Idea, 1958; Hamm, M., Engelbert von Admont als Staatstheoretiker, Diss. phil. Würzburg 1973; Engelbert von Admont, hg. v. Baum, W., 1998; Ubl, K., Engelbert von Admont, 2000; Engelbert von Admont, hg. v. Ubl, K., 2004

Engels, Friedrich (Barmen/Wuppertal 28. 11. 1820-London 5. 8. 1895), Textilfabrikanten­sohn, wird nach kaufmännischer Lehre und dem Besuch von Philosophievorlesungen Mitbegründer des →Marxismus (Die Lage der arbeitenden Klasse, 1845).

Lit.: Hirsch, H., Friedrich Engels, 1968; Herferth, W., Sachregister zu den Werken Karl Marx, Friedrich Engels, 1983; Marx-Engels Begriffslexikon, hg. v. Lotter, K., 1984

England ist die vereinfachende Bezeichnung für die zunächst (3. Jh. v. Chr.) von Kelten (Briten, Pikten) besiedelten, um die Zeitenwende (41-54 n. Chr.) zum Teil von Rom in sein Weltreich eingegliederten und gegen 470 n. Chr. von den Angeln, Sachsen und Jüten (→Angelsachsen) eroberten nordwesteu­ro­päischen Inseln. 1066 geraten die erst am Ende des 9. Jh.s unter Wessex geeinten Angelsachsen unter die Herrschaft der →Normannen, woraus eine ziemlich unterschiedliche anglonormannische Ober­schicht entsteht. Überschaubares Gebiet und Streulage adliger Güter begünstigen an­scheinend die Durchsetzung königlicher Gewalt, der gegenüber der Adel zwar nicht Landesherrschaft errichten, aber die könig­liche Macht in der (lat.) Magna charta libertatum (1215) eingrenzen kann. Nacheinander regieren Könige aus den Häusern →Plantagenet (1154-1399, Verlust der meisten Güter in Frankreich in der Schlacht von Bouvines 1214 und im hundertjährigen Krieg zwischen 1337 und 1453), Lancaster (1399-1461), York (1461-1485), Tudor (1485-1603), →Stuart (1603-1649, 1660-1714), Hannover (1714-1901), Sachsen-Coburg (1901-1910) und Windsor (seit 1910), wobei 1536 Wales stärker mit E. verbunden wird und sich König Heinrich VIII. auch zum König Irlands erklärt. Bereits 1614 gelingt es dem seit dem 13. Jh. sichtbaren →Parlament, seine Stellung dauerhaft so zu stärken, dass es die Einberufung unabhängig vom Willen des Königs, die Zuständigkeit für alle Steuergesetze und die Beseitigung aller Sondergerichte erreicht. 1649 wird König Karl I. hingerichtet, die Monarchie abge­schafft und E. zum Commonwealth erklärt. 1660 wird der Sohn Karls I. als Karl II. zum König berufen, doch gelingt 1689 in der →Bill of Rights dem Parlament der Ausbau seiner Rechte. 1707 wird durch die Vereinigung des Parlaments →Schottlands mit dem englischen Parlament aus der seit dem Beginn der Herrschaft der Stuarts bestehenden Personal­union die Realunion →Großbri­tannien (1801 United Kingdom of Great Britain and Ireland, 1921 The United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland). Danach wird das über ein durch seinen hohen Anteil indirekter Steuern ertragreiches Steuersystem verfügende Land allmählich Weltmacht. In ihm beginnt die wohl vom puritanischen Unernehmergeist begünstigte sog. industrielle Revolution. 1801 wird der Titel eines Königs von Frankreich aufgegeben. Das Unterhaus (→House of Commons) (Wahl­rechtsänderungen 1832, 1867, 1884, 1918, 1948) setzt sich bis 1911 gegenüber dem Oberhaus (→House of Lords) durch und gestaltet allmählich die Monarchie zur bloßen äußerlichen Staatsform. Mit dem zweiten Weltkrieg endet die Stellung als Weltmacht, doch erhält der Staat noch ein Vetorecht im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Die Kolonien (z. B. Indien) erlangen ganz überwiegend Selbständigkeit. 1973 tritt Großbritannien der Europäischen Gemein­schaft (1993 Europäischen Union) bei.

Lit.: Köbler, DRG 175; Maitland, F., Roman Canon Law in the Church of England, 1898; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,62,1047, 3,2,2217,3650,3927; A Bibliography of English History, hg. v. Graves, E., 1975; Makower, F., Die Verfassung der Kirche von England, 1894; Vinogradoff, P., Villainage in England, 1892; Vinogradoff, P., English society in the eleventh century, 1908; Hatschek, J., Englische Verfassungs­geschichte, 1913; Cam, H., Studies in the Hundred Rolls, 1921; Jacob, E., Studies in the period of baronial reform and rebellion, 1258-1267, 1925; Stephenson, C., Borough and Town, 1933; Lenz, G., Demokratie und Diktatur in der englischen Revolution 1640-1660, 1933; Tait, J., The medieval English borough, 1936; Weinbaum, M., The incorporation of boroughs, 1937; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Sandberger, D., Studien über das Rittertum in England, 1937; Trautz, F., Literaturbericht über die Geschichte Englands im Mittelalter, HZ Sonderheft 2 (1965), 108; Hill, C., Intellectual origins of the English revolution, 1965; Kluxen, K., Geschichte Englands, 1968, 5. A. 1998; Gerlach, H., Der englische Bauernaufstand von 1381, 1969; Ziegenbein, U., Die Unterscheidung von Real und Personal Actions im Common Law, 1971; Vollrath-Reichelt, H., Königsgedanke und Königtum bei den Angelsachsen, 1971; Crime in England 1550-1800, hg. v. Cockburn, J., 1977; Wellenreuther, H., Repräsentation und Grundbesitz in England, 1979; Hyams, P., Kings, Lords and Peasants in Medieval England, 1980; Hahn, H./Krieger, K./Niedhart, G., Einführung in die englische Geschichte, 1982; Wende, P., Geschichte Englands, 1985, 2. A. 1995; Tuck, A., Crown and Nobility, 1986, 2. A. 1999; Kluxen, K., Englische Verfassungsgeschichte, 1987; Niedhart, G., Ge­schichte England im 19. und 20. Jahrhundert, 1987, 2. A. 1996, 3. A. 2004; Kleinhenz, R., Englische Institutionengeschichte – Perspektiven der Kabinetts­entwicklung zwischen dem ausgehenden 17. Jahrhundert und dem Jahre 1783, ZRG GA 105 (1988), 145; Kaeuper, R., War, Justice and Public Order, 1988; Wirsching, A., Parlament und Volkes Stimme, 1990; Krieger, K., Geschichte Englands, 1990, 2. A. 1996, 3. A. 2002, 4. A. 2009; Cheney, C. u. a., Notai in Inghilterra, 1991; Kleinhenz, R., Königtum und parlamentarische Vertrauensfrage in England 1689-1841, 1991; Loyn, H., Anglo-Saxon England, 2. A. 1992; Mortimer, R., Angevin England, 1994; Chibnall, M., Anglo-Norman England, 1995; Schröder, H., Englische Geschichte, 1995; Maurer, M., Kleine Geschichte Englands, 1997; Verwaltung und Verwaltungsrecht in Frankreich und England, hg. v. Heyen, E., 1996; Schwanitz, J., Englische Kulturgeschichte von 1500 bis 1914, 1996; Englische Könige und Königinnen, hg. v. Wende, P., 1998; Günnewig, B., Das Bild der Germanen und Britannier, 1998; De Vries, K., The Norwegian Invasion of England in 1066, 1999; Reitemeier, A., Außenpolitik im Spätmittelalter, 1999; Bartlett, R., England under the Norman and Angevin kings 1075-1225, 2000; Walker, I., Mercia and the Making of England, 2000; A Handbook of Dates, hg. v. Cheney, C., 2000; Maurer, M., Geschichte Englands, 2000; Sarnowsky, J., England im Mittelalter, 2002; Göllmann, U., Das Geld des Königs, 2002; Eickels, K. van, Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt, 2002; Valente, C., The Theory and Practice of Revolt in Medieval England, 2003; Hyams, P., Rancor and Reconciliation in Medieval England, 2003; Lollards and their Influence in Late Medieval England, hg. v. Somerset, F. u. a., 2003; Brand, P., Barons and Justices, 2003; Tscherpel, G., The Importance of Being Noble, 2004; Die englischen Könige im Mittelalter, hg. v. Vollrath, H. u. a., 2004; English Government in the Thirteenth Century, hg. v. Jobson, A., 2004; McCarthy, C., Marriage in Medieval England, 2004; Eßer, R., Die Tudors und die Stuarts, 2004; Cross, Crown & Community, hg. v. Trim, D. u. a., 2004; Grassnick, U., Ratgeber des Königs, 2004; Vita Edwardi Secundi, hg. v. Childs, W., 2005; Charters of Malmesbury Abbey, hg. v. Kelly, S., 2005; Harriss, G., Shaping the Nation. England 1360-1461, 2005; Green, J., Henry I, 2006; Fischer, R., Richard I. Löwenherz 1157-1199, 2006; Curia Regis Rolls of the Reign of Henry III hg. v. Crook, D., Bd. 20-34, 2006; A Social History of England 1200-1500, hg. v. Horrox, R. u. a., 2006; The Reign of Edward II, hg. v. Dodd, G. u. a., 2006; Thompson, S., Anglo-Saxon Royal Diplomas, 2006 (118 Originale); Garnett, G., Conquered England, 2007; Hanawalt, B., The Wealth of Wives, 2007; Richard Scrope, hg. v. Goldberg, P., 2007; Dodd, G., Justice and Grace, 2007; Hosler, J., Henry II., 2007; Wareham, A., Lords and Communities in Early Medieval East Anglia, 2007; Masschaele, J., Jury, State and Society in Medieval England, 2008; King Stephens’s Reign (1135-1154) hg. v. Dalton, P. u. a., 2008; Howe, N., Writing the Map of Anglo-Saxon England, 2008; Thirteenth century England, hg. v. Burton, J., 2009; A short History of Parliament, hg. v. Jones, C., 2009; Crime, Law and Society in the Later Middle Ages, transl. and ed. by Musson, A., 2009; Edward the Confessor, hg. v. Mortimer, R., 2009; Baumann, D., Stephen Langton, 2009; The Anglo-Norman Language and its Context, hg. v. Ingham, R., 2010; Egan, G., The Medieval Household, 2010; Kleine, U., Der weite Weg von Clarendon nach Canterbury, HZ 290 (2010), 679, Oliver, C., Parliament and Political Pampleteering in Fourteenth Century England, 2010; Petitions to the Crown from English Religious Hauses, hg. v. Dodd, G. u. a., 2010; Maddicott, J., The Origins of the English Parliament (924-1327), 2010; Ottow, R., Ancient Constitution, 2011; A Middle English Statute-Book, hg. v. Fennell, C., 2011 (Oxford, Bodleian Library, Rawlinson MS B 520); Thornton, T., The Channel Islands 1370-1640; Rudolph, J., Common Law and Enlightenment in England, 1689-1750, 2013; Berg, D., Heinrich VIII von England, 2013; Jansing, J., Verwaltungsrechts­schutz durch tribunals in England, 2013; Rowley, C. u. a., Britannia’s Tortuous Road to Freedom 1066-1884, 2014

Englisch

Lit.: Wells, J., A Manual of the Writings in Middle English 1050-1400, Bd. 1ff. 1926ff.; The Dictionary of Old English Web Corpus 2007 http://www.doe.utoronto.ca/pages/pub/web-corpus.­html; The Dictionary of Old English, hg. v. Paolo Healey, A. di u. a., 2008 CD-ROM (A-G)

Englisches Recht ist das in →England (seit 1330 auch in Wales, nicht dagegen ohne weiteres auch in Schottland und Irland) geltende Recht. Seinen Ausgangs­punkt bilden die frühmittelalterlichen →Volksrechte (Gesetze) der →Angelsach­sen. Mit dem Sieg der →Normannen unter Wilhelm dem Eroberer über die Angelsachsen (1066) wird das →angelsächsische Recht auf die örtlichen Gerichte beschränkt, während am Königsgericht (lat. curia [F.] regis, Königsrat, →Court of King‚s Bench [E. 13. Jh.] für Delikte, Strafen, Appellationen, →Court of Common Pleas für alle gewöhnlichen Klagen [1178], →Court of Exchequer für Abgabenstreitigkeiten [E. 13. Jh.]) und bei den dieses bzw. diese unterstützenden Reiserichtern eine übergeordnete, französisch (Law French) gehaltene commune ley (lat. communis lex [F.], gemeines Recht) Anwendung findet (→common law). Besondere Bedeutung erlangt hier der vom Kanzler des Königs dem Kläger ausgestellte, lateinisch abgefasste →writ (ver­fahrensrechtliche Weisung) an den Sheriff, von dem es bereits am Ende des 12. Jh.s etwa 75 bzw. 1227 56 verschiedene Arten gibt, die Ranulf de Glanvill († 1190) in dem (lat.) Tractatus (M.) de legibus et consuetudinibus regni Angliae (Traktat über die Gesetze und Gewohnheiten des Königreichs England) und Henricus de Bracton († 1268) in seinem Werk (lat.) De legibus et consuetudinisbus Angliae (Über die Gesetze und Gewohnheiten Englands) ordnen und darstellen. Wegen des Gewichts des Königsgerichts und der grundlegenden Bedeutung der vor ihm durch den writ eröffneten Verfahrensarten rückt der praktisch geschulte, ab 1200 namentlich bekannt werdende, bis etwa 1300 professionalisierte Richter im Mittelalter in den Mittelpunkt des Rechtes. Dieses wird (neben allgemeinen Bestimmungen wie der Magna Charta von 1215 oder den Provisions of Westminster von 1259 vor allem) durch Einzelurteile fortgebildet, in denen nur ausnahmsweise von einem Präjudiz abgewichen wird (amtliche Aufzeichnungen in Latein als records, nichtamtliche Aufzeichnungen durch junge Anwälte in Lawfrench von etwa 1290 bis 1536 in reports bzw. year books). Dabei kommt zum königlichen Gericht seit dem Spätmittelalter das Gericht des Kanzlers (→Court of Chancery) hinzu, das nach Billigkeit (→equity) urteilt (z. B. Anspruch auf vor­beugende Unterlassung, Anspruch auf Vertragserfüllung). In den Auseinanderset­zungen zwischen König und Parlament im 17. Jh. stellen sich die praktisch in den inns of court ausgebildeten englischen Rechtes kun­digen (z. B. Edward Coke [1552-1643], der in seinen Institutes of the Laws of England eine erste umfassende Darstellung des common law bietet) auf die Seite des Parlaments und festigen dadurch ihre Stellung. Im 18. Jh. entwickelt William Blackstone (1723-1380) in seinen Commentaries on the laws of England erstmals eine nach materiellen Rechtssätzen geordnete Darstellung des englischen Rechtes, das im Übrigen durch die Gewinnung von Kolonien auf viele Teile der gesamten Welt verbreitet wird (z. B. Vereinigte Staaten von Amerika, Kanada, Australien, Neuseeland, Afrika, Asien). Seit dem 19. Jh. gewinnt gegenüber den rich­terlichen Fallentschei­dungen nicht zuletzt auch unter dem Einfluss Jeremy Benthams (1748-1832) das Gesetz (z. B. Judicature Act 1873/1875, Verbindung von courts of law und court of chancery zu einem supreme court of judicature mit high court of justice und court of appeal, Zusammenfassung der writs in einem einleitenden writ of summons) ein gewisses, mit dem Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften (1973) bzw. Euro­päischen Union (1993) steigendes Gewicht.

Lit.: Placita Anglo-Normannica, hg. v. Bigelow, M., 1879; Bigelow, M., History of procedure in England, 1880; Gneist, R. v., Englische Verfassungsgeschichte, 1882; Holland, T., The Elements of Jurisprudence, 2. A. 1882; Pollock, F./Maitland, F., The History of English Law, Bd. 1f. 2. A. 1898; Wertheim, P., Wörterbuch des englischen Rechtes, 1899; Maitland, F., English Law and the Renaissance, 1901; Year books Bd. 1ff. 1903ff.; Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen, 1909; Maitland, F., The Forms of Action at Common Law, 1909; Frommhold, G., Grundzüge der Entwickung der Einzelerbfolge in Familiengüter, ZRG GA 33 (1912), 86; Hatschek, J., Englische Verfassungsgeschichte, 1913; Essays in Legal History, hg. v. Vinogradoff, P., 1913; Güterbock, C., Studien und Skizzen zum englischen Strafprozess des 13. Jahrhunderts, 1914; Scott, L./Hildesley, A., The case of requisition, 1920; Ehrlich, L., Proceedings against the Crown (1216-1377), 1921; Winfield, P., The Chief Sources of English Legal History, 1922; Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 1ff., 1922ff.; Holdsworth, W., Sources and Literature of English Law, 1925; Bicknell, B., Cases on the law, 1926; Keir, D./Lawson, J., Cases in constitutional law, 1928; The collected papers of Paul Vinogradoff, hg. v. Fisher, H., 1928, Neudruck 1963f.; Plucknett, T., A Concise History of the Common Law, 1929, 2. A. 1936, 5. A. 1956; Tait, J., The borough community in England, The English Historical Review 45 (1930), 529; Anglo-Saxon Wills, hg. v. Whitelock, D., 1930; Turner, R., The Equity of Redemption, 1931; Bémont, C., Simon de Montfort, Earl of Leicester 1208-1265. 1930; Hallis, F., Corporate Personality, 1930; Würdinger, H., Geschichte der Stellvertretung (agency) in England, 1933; Rossi, M. de, Historical and comparative notes on the first origin of specific performance, 1936; Select Cases in the court of king’s bench under Edward I., hg. v. Sayles, G., Bd. 1ff. 1936ff.; Buckland, W./McNair, A., Roman Law and Common Law, 1936, 2. A. 1952; Jackson, R., The Machinery of Justice in England, 1940, 3. A. 1960, 4. A. 1964, 7. A. 1977; Radbruch, G., Der Geist des englischen Rechtes, 1946, 2. A. 1947, 3. A. 1956, 4. A. 1958, 5. A. 1965; Radzinowicz, L., A History or English Criminal Law and its Administration from 1750, Bd. 1ff. 1948ff.; Noyes, C., The Institution of Property, 1936; Prerogativa regis, hg. v. Thorne, S., 1949; Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 1ff. 7. A. 1956ff.; Expedicio billarum antiquitus, hg. v. Strateman Sims, C., 1954; Cohn, E., Der englische Gerichtstag, 1956; Lord Nottingham’s Chancery Cases, hg. v. Yale, D., Bd. 1f. 1957ff.; Select Cases in the court of king’s bench under Edward II., hg. v. Sayles, G., 1957; Peter, H., Actio and writ, 1957; Select Cases in the Council of Henry VII., hg. v. Bayne, C., 1958; Select Cases in the Court of King’s Bench under Edward III., hg. v. Sayles, G., 1958ff.; Squibb, D., The High Court of Chivalry, 1959; Caenegem, R. van, Royal writs in England, 1959; Pension Book of Clement’s Inn, hg. v. Carr, C., 1960; Plucknett, T., Edward I and criminal law, 1960; Seldon Society General Guide, bearb. v. Kiralfy, A. u. a., 1960; Carr, C., The mission of the Selden Society, 1961; Cross, R., Precedent in English Law, 1961, 2. A. 1968, 3. A. 1977, 4. A. 2004; Fesefeld, W., Englische Staatstheorie des 13. 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Stenton, D., 1967; Jones, W., The Elizabethan Court of Chancery, 1967; Wedderburn, K., Cases and materials on labour law, 1967; Pugh, R., Imprisonment in Medieval England, 1968; Hurnard, N., The King’s pardon for Homicide, 1969; Veall, D., The Popular Movement for Law Reform 1640-1660, 1970; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Blumenwitz, D., Einfüh­rung in das angloamerikanische Recht, 1971, 7. A. 2003; Caenegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 1973, 2. A. 1988; Giesen, D., Grundlagen und Entwicklung des englischen Eherechts in der Neuzeit, 1973; Teubner, W., Kodifikation und Rechtsreform in England, 1974; Simpson, A., A History of the Common Law of Contract, 1975; Lyon, B., A Constitutional and Legal History of medieval England, 2. A. 1980; Manchester, A., A Modern Legal History of England and Wales 1750-1950, 1980; Englische und kontinentale Rechts­geschichte - ein For­schungs­programm, hg. v. Coing, H. u. a., 1985, Neudruck 2013; Scrutton, T., The Influence of the Roman Law on the Law of England, 1985; Jenkyns, D., The state of English law in the eighteenth century, (in) Das nachfriderizianische Preußen, 1988, 3; Powell, E., Kingship, law and society. Criminal justice in the reign of Henry V, 1989; Cornish, W./Clark, G., Law and Society in England 1750-1950, 1989; English Lawsuits from William I to Richard I, hg. v. Caenegem, R. van, Bd. 1f. 1991/1992; Brand, P., The Making of the Common Law, 1992; Palmer, R., English Law, 1993; Herman, S., Medieval usury and the commercialization of feudal bonds, 1993; Jäschke, K., Die neue Quellen­sammlung zum frühenglischen Fallrecht, ZRG GA 111 (1994), 550; Pöggeler, W., Die deutsche Wissenschaft vom englischen Staatsrecht, 1995; Graf, J., Die Auswirkungen der englischen Reformation auf das englische Recht, 1994; Köbler, G., Rechtsenglisch, 1996, 6. A. 2004, 7. A. 2007, 8. 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Mulholland, M. u. a., 2003; Brand, P., Kings, Barons and Justices, 2003; Milsom, S., A Natural History of the Common Law, 2003; The Letter of the Law, hg. v. Steiner, E. u. a., 2003; Stechern, D., Das Recht in den Romanen von Sir Walter Scott, 2003; The Oxford History of the Laws of England, Bd. 1ff. 2003ff.; Brooks, C., Pettyfoggers and vipers of the commonwealth, 2004; Schneider, N., Uberrima fides, 2004; Corèdon, C./Williams, A., A Dictionary of Medieval Terms and Phrases, 2004; Shirley, K., The Secular Jurisdiction of Monasteries, 2004; McCarthy, C., Marriage in Medieval England, 2004; Boundaries of the Law, hg. v. Musson, A., 2005; Reimann, M., Die Erosion der klassischen Formen, ZNR 28 (2006), 208ff.; Tucker, P., Law Courts and Lawyers in the City of London 1300-1550, 2007; Anglo-American Legal Tradition Project http://aalt.law.uh.edu; The Northumberland Eyre Roll for 1293, hg. v. Fraser, C., 2007; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 967; http://www.oldbaileyonline.org; Bord, B., Das Erbrecht der Kanalinseln, 2009; Lacey, H., The Royal Pardon, 2009; Kaye, J., Medieval English Conveyances, 200); Worby, S., Law and Kinship in Thirteenth-Century England, 2010; English Law before Magna Charta, hg. v. Jurasinski, S. u. a., 2010; Faction Displayed, hg. v. Knights, M., 2012; Laws, Lawyers and Texts, hg. v. Jenks, S. u. a., 2012; Hudson, J., The Oxford History of the Laws of England, Bd. 2 871-1216, 2012; Collection of Reports of Celebrated Trials, 2012; Robson, R., The Attorney in Eighteenth-Century England, 2013; Heilbron, H., Rose Heilbron, 2012; Probert, R., The Changing Legal Regulation of Cohabitation, 2012; Putnam, B., The Place in Legal History of Sir William Shareshull, 2013; Sartore, M., Outlawry, Governance and Law in Medieval England, 2013

Enkel (bzw. Enkelin) ist das Kind eines Kindes. Der E. ist grundsätzlich von der Erbfolge nach seinen Großeltern durch seinen Vater oder seine Mutter ausgeschlossen. Ihm wird aber schon früh (z. B. 596 n. Chr.) ein →Eintrittsrecht zugesprochen.

Lit.: Hübner

Enklave (Einschlussgebiet) ist das vom Gebiet eines anderen Staates oder mehrerer anderer Staaten (aus deren Sicht) eingeschlossene Teilgebiet eines anderen Staats (aus der Sicht dieses Staates Exklave bzw. Ausschlussgebiet) (z. B. Büsingen innerhalb der Schweiz, Campione am Luganer See innerhalb der Schweiz, bis 1797 päpstliches Avignon in Frankreich, nicht Vatikan, San Marino, Monaco, Liechtenstein, Andorra, Ceuta, Königsberg/Kaliningrad, kleines Walsertal). Für die zahlreichen Enklaven der Länder des Heiligen römischen Reiches  ist ein allgemeines Durch­zugsrecht anerkannt. Der Durchzug bewaffneter Kräfte bedarf grundsätzlich einer besonderen Erlaubnis. 1928 bestehen in Deutschland noch mehr als 200 Enklaven.

Lit.: Lancizolle, W. v., Übersicht der deutschen Reichsstandschafts- und Territorialverhältnisse, 1830; Ritter, E., Freie Reichsländer, 1927; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte 1994, 2. A. 2007

Enneccerus, Ludwig (Neustadt am Rübenberge 1. 4. 1843-Marburg 31. 5. 1928), Pastorensohn, wird nach dem Studium von Mathematik und Recht in Göttingen und Promotion (1868) und Habilitation (1870) 1872 außerordentlicher Professor für römisches Recht in Göttingen und 1873 ordentlicher Professor in Marburg, der von Bernhard Windscheid und Rudolf von Ihering beeinflusst ist (1921 emeritiert). Er verfasst 1898 ein während der ersten Hälfte des 20. Jh.s bedeutsames Lehrbuch des bürgerlichen Rechtes (Allgemeiner Teil, 30.-34. A. bzw. 12. Bearbeitung 1928, Schuldrecht, 28.-30. A. bzw. zweiter Abdruck der 10. Bearbeitung 1928) in Deutschland. Von 1882 bis 1889 ist er Mitglied des Abgeordnetenhauses Preußens, von 1887 bis 1890 und 1893 bis 1898 als Vertreter der nationalliberalen Partei Mitglied des Reichstags.

Lit.: Köbler, DRG 184; Jacobi, A., Ludwig Enneccerus 1843-1928, 1999

Enteignung ist die Entziehung oder Belastung des Eigentums durch staatlichen Hoheitsakt zur Befriedigung öffentlicher Belange (z. B. zum Wohl der Allgemeinheit, zum allgemeinen Besten). Die E. wird bereits in der römischen Spätantike bezüglich Grundstücke oder Lebensmittel geübt und als Zwangskauf verstanden. Danach kann in der hochmittelalterlichen Stadt (Oberitalien 12. Jh., Kopenhagen 1254, Schaffhausen 1380) eine bauliche Beschränkung festgelegt oder sogar das →Eigen gänzlich entzogen werden. Das Naturrecht anerkennt wegen der Ent­stehung des Eigentums des Einzelnen aus dem Recht der Allgemeinheit grundsätzlich die E. gegen Entschädigung (→Grotius, Christian Wolff, Codex Maximilianeus Bava­ricus civilis 1756, §§ 74, 75 Einleitung zum ALR 1794, § 365 ABGB 1811, Zwangskauf). Seit der französischen Revolution (1789 [Art. 17 Menschenrechtserklärung]/1807/1810 Ex­pro­­pria­tionsgesetze) werden als grund­legende Voraussetzungen der E. (franz. [F.] expro­priation) ein öffentliches Bedürfnis, ein rechtmäßiges Verfahren sowie eine aus­gleichende Entschädigung angesehen (Bayern 1818, Deutsches Reich 1848/1849, Preußen 1850). Die E. wird als öffent­lichrechtlicher Eingriff in ein privates Recht verstanden. Im 20. Jh. bildet in Deutschland die Verfassung (Art. 153 WRV, 14 GG) die Rechts­grundlage für den Eingriff in das Eigentum.

Lit.: Kaser § 23 I 3; Hübner 272; Köbler, DRG 40, 124, 163, 212; Baltl/Kocher; Layer, M., Prinzipien des Enteignungsrechts, 1902; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 2, 1 1930, 225; Giese, F., Enteignung und Entschädigung, 1950; Mann, F., Zur Geschichte des Enteignungsrechts, (in) Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Bd. 2 1960, 291; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privat­rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1770; Rittstieg, H., Eigentum als Verfassungsproblem, 1975; Grimm, D., Die Entwick­lung des Enteignungsrechts, (in) Wissenschaft und Kodifi­kation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 121; Pennitz, M., Der Enteignungsfall, 1992; Schubert, W., Zur Entwicklung des Enteignungsrechts 1919-45, ZRG GA 111 (1994), 482; Jung, O., Volksgesetzgebung, Bd. 1f. 2. A. 1996; Raster, J., Enteignung und Eisen­bahn­bau, 2003; Paffrath, C., Macht und Eigentum, 2004; Niesler, A., Aufopferung und Enteignung vom ALR bis zur WRV, Juristische Zeitgeschichte 8 (2007), 128ff.; Eigentumsrecht und Enteignungsunrecht, hg. v. Gornig, G. u. a., 2008; Reynolds, S., Before Eminent Domaine, Toward a History of Expropriation of Land for the Common Good, 2010

Enteignungsgleicher Eingriff ist der in Deutschland durch die Rechtsprechung 1952 als entschädigungspflichtig eingeordnete rechtswidrige, einer rechtmäßigen Enteignung in den Wirkungen gleichkommende Eingriff in eine vermögenswerte Rechtsposition.

Lit.: Köbler, DRG 259

Enterbung (1431) ist die bereits dem klas­sischen römischen Recht (lat. [F.] exheredatio) bekannte Entziehung einer Erbaussicht eines (gesetzlich) Erbberechtigten durch →letztwillige Verfügung. Sie erscheint überall, wo letztwillige Verfügungen unbeschränkt zulässig sind.

Lit.: Kaser §§ 65, 67, 69; Hübner; Köbler, DRG 38; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Merkel, J., Die justinianischen Enterbungsgründe, 1908; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Entführung ist die rechtswidrige Fortführung eines Menschen, insbesondere einer (ein­willigenden) Frau zur Erreichung sexueller Ziele. Im römischen Recht ist für Vergewaltigung, Frauenraub und E. Enthauptung angedroht (C. 9, 13, 1). Im Frühmittelalter begründet die E. eine →Fehde. Im Spätmittelalter wird für E. (ohne Einwilligung) wie für Frauenraub und Notzucht Enthauptung angedroht. Seit der Mitte des 18. Jh.s tritt an die Stelle der Todesstrafe eine zeitliche Freiheitsstrafe. Im 19. Jh. geht die E. in der allgemeineren Freiheitsberaubung auf.

Lit.: His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967, 145; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931

Entgeltfortzahlungsgesetz ist das 1995 das Lohnfortzahlungsgesetz ersetzende deutsche Gesetz über die Fortzahlung des Entgelts des Arbeitnehmers bei Krankheit.

Lit.: Köbler, DRG 273

Enthauptung ist die durch Abtrennung des Haupts vom Rumpf mittels Schwert oder (ab 1792) mittels Guillotine (Fallbeil) vollzogene Tötung bzw. →Todesstrafe.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967

Entmannung (Kastration) ist die Entfernung der Keimdrüsen eines Mannes. Sie führt im Frühmittelalter als Körperverletzung zu einer Buße (Wergeld). Sie kann im hohen Mittelalter auch als Strafe (bei Vergehen gegen die Sittlichkeit) eingesetzt werden. Im Dritten Reich wurden in Umsetzung älterer Überlegungen rund 366000 Menschen zur Verhütung erbkranken Nachwuchses sterili­siert.

Lit.: His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967; Tuchel, S., Kastration im Mittelalter, 1998; Kramer, S., Ein ehrenhafter Verzicht auf Nachkommenschaft, 1999; Schneider, C., Die Verstaatlichung des Leibes, 2000; Justiz und Erbgesundheit, hg. v. Justizministerium des Landes Neordrhein-Westfalen, 2009

Entmündigung (1809, entmündigen 1809) ist die Entziehung oder Beschränkung der dem Entmündigten dem Alter nach an sich zustehenden →Geschäftsfähigkeit. In Rom kann nach dem Zwölftafelgesetz (5, 7c) der Verschwender durch (lat. [F.]) interdictio (Untersagung) (des Prätors) von allen Verpflichtungsgeschäften und Verfügungsgeschäften ausgeschlossen werden, wobei für das Vermögen des Ver­schwenders eine →Pflegschaft (lat. [F.] cura) eingesetzt wird. Im Mittelalter wird die Familie tätig, welche die bei körperlichen und geistigen Gebrechen mögliche E. vor Gericht kundzugeben hat. Später greift die Obrigkeit ein. Im 16. Jh. kann der Verschwender für unmündig erklärt werden. Seit dem 18. Jh. ist die E. ein besonderer Rechtsakt auf Grund eines eigenen gerichtlichen Verfahrens (1775 preuß. AGO I, 38, 1794 ALR I, 2 §§ 27ff., 1804 Code civil Art. 490ff., Code de procédure civile Art. 890ff., 1877 ZPO §§ 593ff.) Der Entmündigte erhält einen Vormund. Zur Erhebung einer Entmündi­gungsklage sind Ehegatte und Verwandte berechtigt, später auch der Staatsanwalt und gegebenenfalls die Gemeinde. Trunksucht und Rauschgiftsucht werden Grund für die E., während körperliche Gebrechen die E. nicht mehr begründen können. 1971 stützt eine Resolution der Vereinten Nationen (2856/­XXVI die Rechte geistig behinderter Menschen. Österreich hebt die Entmündi­gungsordnung vom 28. 6. 1916 durch das Sachwaltergesetz vom 2. 2. 1983 auf. In Deutschland wird die E. 1992 (Gesetz vom 12. 9. 1990) durch die →Betreuung ersetzt.

Lit.: Kaser §§ 14 V, 64 IV; Hübner; Rive, F., Geschichte der deutschen Vormundschaft, Bd. 1f. 1862ff.; Schwarz, A., Die Entmündigung des Verschwenders, Diss. jur. Tübingen 1891; Ent, H., Das Sachwalterrecht für Behinderte, 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Trompetter, J., Die Entmündigung wegen Verschwendungssucht, 1996; Schmidt, T., Die Entmündigung, 1998; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Bulling, S., Die zivilrechtliche Erwachsenen­fürsorge des 19. Jahrhunderts, 2013

Entnazifizierung ist die Reinigung von nationalsozialistischem Gedankengut und die damit verbundene Entfernung von Anhängern des →Nationalsozialismus aus ihren beruflichen Stellungen (auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 vom 20. 12. 1945 und z. B. des Gesetzes zur Befreiung unseres Volkes vom Nationalsozialismus vom 5. 3. 1946). Sie erfasst im Gebiet der alten Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland mit Unterschiden  in den einzelnen Besatzungszonen in drei zeitlichen Stufen 3,6 Millionen Fälle. Als Folge werden 486 Menschen hingerichtet, 1667 (oder 1654)  als Hauptschuldige, 23060 (oder 22122) als Belastete, 150425 als Minderbelastete, 1500874 als Mitläufer und 1213873 als Entlastete eingestuft. Von den Professoren der Zeit zwischen 1933 und 1945 behalten oder erlangen ihr Amt etwa 90 Prozent wieder. Dabei entsteht bald eine überparteiliche Überein­stimmung dahin, Belastete rasch in die demokratische Gesellschaft einzuglie­dern. 1948 werden die Entnazifizierungsmaßnah­men der Alliierten eingestellt. In Westberlin werden aber zwischen 1955 und 1979 mehr als 1000 Sühneverfahren mit Geldstrafen von insgesamt mehr als 1,5 Millionen DM durchgeführt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245; Fürstenau, J., Entnazifizierung, 1969; Niethammer, L., Ent­nazifizierung in Bayern, 1972; Lange, J., Ent­nazifizierung in Nordrhein-Westfalen, 1976; Henke, K., Politische Säuberung unter französischer Besatzung, 1981; Niethammer, L., Entnazifizierung in Bayern?, 1982; Hornhardt, G., Die Stunde der Justiz, ZRG GA 106 (1989), 239; Entnazifizierung, hg. v. Vollnhals, C., 1991; Frei, N., Vergangenheitspolitik, 1996, 2. A. 1997; Kappelt, O., Die Entnazifizierung in der SBZ, 1997; Schuster, A., Die Entnazifizierung in Hessen, 1999; Borgstedt, A., Entnazifizierung in Karlsruhe 1946 bis 1951, 2001; Entnazifizierung im regionalen Vergleich, hg. v. Schuster, W. u. a., 2004; Deissler, D., Die entnazifizierte Sprache, 2004; Bedau, M., Entnazifizierung des Zivilrechts, 2004; Ent­nazifizierung, hg. v. Mesner, M., 2005; Hesse, H., Konstruktionen der Unschuld, 2005; Botor, S., Das Berliner Sühneverfahren, 2006; Löhnig, M., Die Justiz als Gesetzgeber, 2010; Bullinger, R., Belastet oder entlastet?, 2012

Entscheidung ist die bewusste Schaffung eines zumindest vorläufig abschließenden Ergebnisses in einem Meinungsbildungs­vorgang (z. B. Beschluss, Urteil, Verwaltungsakt).

Lit.: Herstellung und Darstellung von Entscheidungen, hg. v. Stollberg-Rilinger u. a., 2010.

Entsippung ist das im Frühmittelalter verschiedentlich erkennbare (freiwillige oder unfreiwillige) Ausscheiden aus einem Verwandtschaftsverband (→Sippe).

Lit.: Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A. 1906, 129

Entwerung ist der (freiwillige oder unfreiwillige) Verlust der →Gewere an einer Sache. Der Käufer einer Sache kann sich bereits im römischen Recht erst dann (wegen Nichterlangung des Eigentums) an den Verkäufer halten, wenn ihm die Sache von einem Dritten abgestritten (bzw. „entwert“) worden ist.

Lit.: Kaser § 41 III 1; Söllner §§ 8, 9, 15; Meyer, H., Entwerung und Eigentum im deutschen Fahrnisrecht, 1902

Enzyklopädie (F., eigentlich gewöhnliche Lehre) ist seit dem 18. Jh. die Sammlung des Wissens in einem Druckwerk zwecks Belehrung. Die Enzyklopädie aller Enzy­klopädien Diderots und d’Alemberts enthält in 33 Bänden 71818 Artikel und Artikelfragmente mit 2885 Kupferstichen. →Rechtsenzyklopädie

Lit.: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft, hg. v. Holtzendorff, F. v., Teil 1ff. 1870ff., 2. A. 1873, 6. A. 1904, Neudruck 2013; Vulgariser la science - les encyclopédies médiévales, hg. v. Ribémont, B., 1999; Die Enzyklopädie im Wandel vom Hochmittelalter bis zur frühen Neuzeit, hg. v. Meier, C., 2002; Kiesow, R., Das Alphabet des Rechts, 2004; Blom, P., Das vernünftige Ungeheuer, 2005; Enzyklopädie der Neuzeit, hg. v. Jaeger, F., Bd. 1ff. 2005ff.; Seine Welt wissen. Enzyklopädien in der frühen Neuzeit, hg. v. Schneider, U., 2006; Prodöhl, I., Die Politik des Wissens, 2010

Episcopalis audientia (lat. [F.] „bischöfliches Gehör“) ist die in der römischen Spätantike einsetzende besondere Gerichtsbarkeit des →Bischofs.

Lit.: Köbler, DRG 56

Episkopalismus ist die im Gefolge des Konzils von Trient die Stellung der Bischöfe gegenüber dem Papst betonende Strömung in Deutschland im 16. und 17. Jh. (Nikolaus von Hontheim 1763, Emser Punktation 1786).

Lit.: Raab, H., Die Concordata nationis Germanicae, 1956

Epitome (gr. [F.]) Auszug (aus einem umfangreichen Text) (z. B. E. exactis regibus [Frankreich 12. Jh.], E. legum [Byzanz 920])

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Landau, P., Der Traktat Lex est commune preceptum (in) Römische Jurisprudenz, 2011, 379

Epitome Iuliani ist eine Einführungs­vorlesung in lateinischer Sprache zu einer Sammlung von 124 Novellen Kaiser Justi­nians, die im Westen im Frühmittelalter die Kenntnis der justinianischen Novellen vermit­telt und von François Pithou in Basel 1576 ediert wird.

Lit.: Hermeneutik der Quellentexte des römischen Rechtes, hg. v. Avenarius, M., 2008, 300

eques (lat. [M.]) →Ritter

Lit.: Stemmler, M., Eques Romanus, 1997

Equity (engl.) ist allgemein die →Billigkeit und im besonderen die Gesamtheit der anerkannten Sätze, nach denen das Gericht des Kanzlers (→Court of Chancery) des →englischen Rechtes unter Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalls, aber ohne unberechenbare Freiheit des Ermessens, verfährt. →aequitas

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Barbour, W., The history of contract in early English Equity, 1914; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Macnair, M., The Law of Proof in Early Modern Equity, 1999

Erasmus von Rotterdam (Rotterdam 28. 10. 1466? [uneheliches Kind eines Geistlichen]-Basel 12. 7. 1536), Humanist

Lit.: Kisch, G., Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, 1960; Ribhegge, W., Erasmus von Rotterdam, 2009

Erbabfindung ist der vermögensmäßige Ausgleich für die Aufgabe einer Erbaussicht. →Abschichtung, →Aussteuer

Erbach ist Hauptort einer Grafschaft im Odenwald, die um 1165 erstmals genannte ursprünglich ministerialische Herren von E. im allmählichen Aufstieg in die Reichs­standschaft (1422) gewinnen. Sie gelangt 1806 hauptsächlich an Hessen-Darmstadt und damit ihr Gebiet 1945 an Hessen.

Lit.: Killinger, G., Die ländliche Verfassung der Grafschaft Erbach, 1912; Steiger, U., Die Schenken und Herren von Erbach, 2007

Erbauseinandersetzung ist die Aufteilung eines Erbes (N.) unter mehreren Erben (M.). Bereits im altrömischen Recht kann jeder Miterbe (lat. [M.] →coheres) die Aufhebung der ohne weiteres eintretenden Gemeinschaft am Erbe (lat. [N.] →consortium) jederzeit mit dem Erbteilungsklaganspruch (lat. →actio [F.] familiae erciscundae) fordern. Seit der jüngeren Republik erhält jeder Miterbe schon während bestehender Gemeinschaft ein quotenmäßig begrenztes Recht an den einzelnen Erbschaftsgegenständen, über das er jederzeit verfügen kann. Außerdem kann er uneingeschränkt die Erbteilung begehren. Eine Aufteilung ist wohl auch bei den Germanen möglich. Allerdings erben mehrere Erben vermutlich als Gemeinschaft zur gesamten Hand, so dass der einzelne Beteiligte über seinen Anteil am Nachlass nicht verfügen kann. Jeder kann aber Teilung verlangen. Im Hochmittelalter soll dabei nach einer auch schon bei Plutarch für das 8. Jh. v. Chr. sowie bei dem Kirchenvater Augustin (354-430) bezeugten Regel der (eher zu einer gleichmäßigen Teilung fähige) Ältere teilen und der Jüngere (bei ungleichen Teilen den ihm günstiger erscheinenden Teil) wählen (→maior dividat, minor eligat). Die gesamthänderische Gestal­tung wird 1900 auch in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen, das allerdings die Verfügung über den gesamten Erbteil zulässt.

Lit.: Kaser § 73; Hübner; Kroeschell, DRG 2

Erbbaurecht (1629, Erbbau 1434) ist das veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter fremdem Grund und Boden ein Bauwerk zu haben. Ihm entspricht im römischen Recht schon früh die Bürgern vererblich, aber zunächst wohl nicht veräußerlich erteilte Befugnis, auf städtisch­em Boden gegen Bezahlung eines Bodenzinses (lat. [N.] vectigal) ein Gebäude zu haben. Um die Zeitenwende tritt zu diesem als Pacht verstandenen Verhältnis das Recht hinzu, auf einem privaten Grundstück ein Gebäude (lat. [F.] →superficies) zu haben. Justinian erfasst dieses veräußerlich, vererblich und belastbar gestaltete Recht teils als Recht eigener Art, teils als Servitut und teils als Emphyteuse. Im Mittelalter entsteht unabhängig hiervon die →Erbleihe städtischer Grundstücke, die dem Beliehenen gegen jährlichen Zins ein vererbliches, unveräußerliches Recht an einem Grundstück gewährt, das jedoch allmählich zum →Eigentum erstarkt. Danach wird das römische Recht der superficies aufgenommen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) und ausführlicher die insofern das Gesetz ersetzende Verordnung über das E. (15. 1. 1919) schaffen ein besonderes veräußerliches und vererbliches, grundsätzlich grundstücks­gleich bestehen­des Nutzungsrecht auf Errichtung, Besitz und Benutzung eines Bauwerks am Grundstück, wobei ein Erbbauzins nicht unbedingt erforderlich ist. Der Erbbauberechtigte ist regelmäßig Eigen­tümer des einen wesentlichen Bestandteil des Erbbaurechts bildenden Gebäudes (auf dem ihm nicht gehörenden Grundstück). Das E. darf sich nicht auf einen Gebäudeteil beschränken. Die tatsächliche Bedeutung des Erbbaurechts ist gering. Österreich folgt der Regelung Deutschlands durch das Baurechtsgesetz von 1912, die Schweiz im Zivilgesetzbuch von 1907/1911. Die Deutsche Demokratische Republik kennt ein ver­gleichbares Recht im 1975 erlassenen und 1990 aufgehobenen Zivil­gesetzbuch.

Lit.: Kaser § 30 II; Hübner; Köbler, DRG 41, 61, 240; Schiwek, D., Das Erbbaurecht, Diss. jur. Kiel 1969; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Erbbaurechtsverordnung →Erbbaurecht

Erbe (M., Wort bereits für das Indoger­ma­nische zu erschließen) ist der Ver­mögensnachfolger des Erblassers. Erben sind in den ältesten Zeiten die Kinder des Erblassers, die das eigentümerlos gewordene Gut ohne weiteres in ihrer Gewalt haben. Im ältesten römischen Recht treten mit dem Tod des Familienvaters seine Hauskinder und seine gewaltunter­worfene Ehefrau, die mit dem Tod des Familienvaters gewaltfrei werden, als Rechtsgemeinschaft (lat. [N.] →consortium) der (lat.) →sui heredes (M.Pl.) an seine Stelle. Fehlen Hauserben, gelangt das Gut an die Agnaten (z. B. Geschwister des Erblassers, Geschwister des Vaters des Erblassers  u. s. w.) oder hilfsweise auch an die Gentilen als sog. Außenerben ([lat.] extranei heredes). Möglich sind aber Abschichtung und Abänderung durch ein Testament. E. (lat. [M.] →heres) ist dabei nur der E. nach dem Recht der römischen Bürger (lat. ius [N.] civile), dessen Berufung auf Gesetzen, Senatuskonsulten oder auf dem vom Kaiser geschaffenen Recht beruht. Deswegen kann der Prätor auch keinen Erben schaffen, sondern nur den Güterbesitz (lat. bonorum possessio [F.]) bestimmter Menschen wie den eines Erben schützen (bonitarisches Erbrecht). Justinian beseitigt die Unterscheidung zwischen zivilem Erbrecht und bonitarischem Erbrecht, stellt Männer und Frauen sowie Hauskinder und emanzipierte Abkömmlinge gleich und schließt die Agnaten 543/548 als solche von der Erbfolge aus. Er bildet vier neue Erbklassen (Abkömmlinge [wobei die Kinder nach Stämmen teilen], dann Eltern [Trennung in väterlichen Stamm und mütterlichen Stamm], Vorfahren und vollbürtige Geschwister, dann halbbürtige Geschwister und Kinder, und schließlich übrige Seiten­verwandte), von denen jede frühere jede spätere verdrängt. Die christliche Kirche fordert vielleicht aus heidnischen Kult­bräuchen und philosophischen Gerechtig­keitsvorstel­lungen heraus allmählich einen Anteil an jedem Erbe (→Freiteil). Bei den Germanen geht das einem Hausvater (während seines Lebens als Verwalter für die Familie oder den Verwandtschaftsverband) besonders zuste­hende Gut mit seinem Tod auf seine Kinder über, Grund und Boden vielleicht nur auf die Söhne. Mehreren gehört es bis zu einer Aufteilung gemeinschaftlich. Fehlen Kinder, so gelangt das Gut, da der Vater des Verstorbenen meist vorverstorben ist, als Erbe an Brüder, sonst Onkel  u. s. w. Stirbt die Frau, so fällt das von ihr möglicherweise mitgebrachte wie das ihr gegebenenfalls vom Mann zugewandte Gut an die Kinder, bei deren Fehlen aber an den (ursprünglich) Berechtigten ihrer väterlichen Familie zurück. Auch im Frühmittelalter haben Möglichkeiten zur Veränderung dieser Regeln noch keine wirkliche Bedeutung. Erst im Hochmittelalter wird das →Testament aus dem römischen Recht aufgenommen. Seitdem stehen neben den gesetzlichen Erben (Verwandten) die gewillkürten Erben. Die Erbfolge ist im Einzelnen von Recht zu Recht unterschiedlich. An vielen Stellen dringt die justinianische Ordnung allmählich ein. Im 18. Jh. wird hieraus das →Pa­rentelensystem entwickelt (Joachim Georg Darjes 1714-1791). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s verbessert sich die rechtliche Stellung der Ehegatten (Deutschland 1957). Das nichteheliche Kind erhält in Deutschland 1969 ein Erbrecht oder zumindest einen Erb­ersatzanspruch, 1998 wird es gleichgestellt. Auch in Österreich werden die Unterschiede zwischen ehelichen und unehelichen Kindern beseitigt.

Lit.: Kaser § 65; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 15, 23, 37, 59, 73, 88, 116, 122, 162, 210, 239, 268; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Ebel, W., Über die Formel „für mich und meine Erben“, ZRG GA 84 (1967), 236; Signori, G., Vorsorgen – Vererben – Erinnern. Kinder- und familienlose Erblasser in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters, 2001; Köbler, U., Werden, Wan­del und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Erbe (N., Wort bereits für das Indo­ger­manische zu erschließen) (lat. [F.] hereditas) ist der Nachlass eines verstorbenen Menschen. Er umfasst anfangs nur Werte (Vermögen), später auch Schulden. Manche Gegenstände können dabei zeitweise einer →Sondererbfolge unterfallen (z. B. Gerade, Heergewäte, Erbhof, Gesellschaftsanteil).

Lit.: Kaser § 65 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Erbebuch, Erbbuch ist eine Art des Amtsbuchs seit dem 16. Jh. bzw. eine Art des Stadtbuchs seit dem 13. Jh.

Lit.: Homeyer, G., Die Stadtbücher des Mittelalters, 1860; Die Erbebücher der Stadt Riga 1384-1579, bearb. v. Napiersky, J., 1888; Thieme, A., Die kursächsischen Amtsbücher, Familie und Geschichte 6/16 (2007), 1ff.

Erbeinsetzung (1538) ist die besondere Be­stimmung zum Erben. Vielleicht schon im altrömischen Recht ist die E. (lat. heredis institutio [F.]) das Kernstück jeden Testaments. Jedes Testament muss eine E. enthalten, die (bis zu Kaiser Konstantin [306-337]) am Anfang stehen muss (lat. z. B. Titius heres esto, Titius soll Erbe sein). Die E. schafft entweder einen einzigen Erben oder lautet auf einen Bruchteil der Erbschaft. Im mittelalterlichen Recht gibt es eine besondere E. des Enkels am Grabe oder an der Bahre eines vorverstorbenen Kindes, die ein fehlendes →Eintrittsrecht ersetzt. In der Neuzeit übernehmen Codex Maximilianeus Bavaricus civilis (1756), Allgemeines Landrecht Preußens (1794) und Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Österreichs (1811) die Notwendigkeit der E. im Testament, während Code civil Frank­reichs (1804), Bürgerliches Gesetzbuch Sach­sens (1863), Bürgerliches Gesetzbuch des deutschen Reiches (1896/1900) und Zivil­gesetzbuch der Schweiz (1907/1911) hierauf verzichten.

Lit.: Kaser § 68; Köbler, DRG 23, 38; Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Erbengemeinschaft (1900, erbgemeinschaft 1396) ist die im Falle mehrerer Erben (Miterben) entstehende Gemeinschaft (lat. [N.] →consortium [ercto non cito]). Sie ist im klassischen römischen Recht sowie im neuzeitlich aufgenommenen römischen Recht Bruchteilsgemeinschaft, bei der Forderungen und Verbindlichkeiten anteilmäßig geteilt sind (z. B. § 555 ABGB Österreichs 1811), sonst meist Gesamt­handsgemeinschaft (BGB des deutschen Reiches 1896/1900 §§ 2032ff., ZGB Schweiz 1907/1911, ähnlich ALR Preußens 1794). Sie endet durch →Erbauseinandersetzung. Vorempfänge sind meist rechnerisch auszugleichen.

Lit.: Kaser § 73; Söllner § 8; Hübner 749ff.; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 23, 122, 162, 207; Lange, H., Lehrbuch des Erbrechts, 1962, 5. A. 2001; Jäkel, H., Die Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft und ihre Beteiligungsfähigkeit an Personengesell­schaf­ten, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Greil-Lidl, S., Die Verfügungsverwaltung in der Erbengemeinschaft, 2014

Erbenhaftung (1898) ist die Haftung des Erben für Schulden des Erblassers (und der Erbschaft). Wohl schon das römische →Zwölftafelgesetz (451/450 v. Chr.) lässt die Haftung für Schulden des Erblassers auf den übergehen, der die Rechte des Erblassers erwirbt. Teilbare Schulden zerfallen mit der Erbfolge von selbst nach dem Verhältnis der Erbteile in selb­ständige Schulden. Der Erbe haftet unbeschränkt. Er muss also notfalls auch sein vor dem Erbfall bestehendes Vermögen zur Tilgung der ererbten Schuld verwenden. Er kann sich aber als Hauserbe der Erbschaft enthalten oder als Außenerbe die Erbschaft ausschlagen. Dagegen können sich die Nachlassgläubiger gegen die Nachteile, die ihnen aus der Überschuldung des Erben drohen, durch Verlangen einer Sicher­heitsleistung oder durch eine Scheidung vom Nachlass und Erbenvermögen (lat. separatio [F.] bonorum) schützen. Justinian (527-565) gewährt dem Erben die Wohltat des →Inventars (lat. →beneficium [N.] inventarii), wonach er durch die Errichtung eines Verzeichnisses der Erbschaftsgegen­stän­de die Haftung für Schulden des Erblassers auf die Gegenstände der Erbschaft beschränken kann (Haftung cum viribus hereditatis, Haftung nur mit den Mitteln der Erbschaft). Im deutschen Recht haftet für Schulden des Erblassers noch im →Sachsenspiegel nur die Fahrnis des Nachlasses, wobei bestimmte Schulden (z. B. aus Raub, Diebstahl, Spiel) überhaupt ausgenommen sind. Später ist für alle Schulden und mit dem ganzen Nachlass einzustehen. In der Neuzeit wird die justinianische Rechtswohltat des Inventars übernommen. Das Allgemeine Landrecht Preußens (1794) geht von der beschränkten Haftung des Erben aus, verwandelt diese aber in eine unbeschränkte Haftung, wenn der Erbe nicht fristgerecht ein Inventar errichtet. Das Bürgerliche Gesetzbuch Sachsens (1863) sieht beschränkte Haftung vor. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch des deutschen Reiches (1896/1900) ist die Haftung des Erben unbeschränkt, aber auf den Wert des Nachlasses beschränkbar (Haftung pro viribus hereditatis, Haftung mit dem Wert der Mittel der Erbschaft, Nachlassverwaltung, Nachlass­konkurs, Inventarerrichtung).

Lit.: Kaser § 74; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Lewis, W., Die Succession des Erben, 1864; Freytagh-Loringhoven, A. v., Die Schuldenhaftung der Erben nach den livländischen Rechtsbüchern, ZRG GA 27 (1906), 92; Freytagh-Loringhoven, A. v., Beispruchsrecht und Erbenhaftung, ZRG GA 28 (1907), 69; Enneper, C., Die Reform der Erbenhaftung im Erbrechtsausschuss, 1993; Peer, R., Die Vorschläge der Akademie für Deutsches Recht, Diss. jur. Mannheim 1995; Muscheler, K., Die Haftung der Erben im preußischen ALR, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Erbenlaub ist im mittelalterlichen deutschen Recht (z. B. →Sachsenspiegel) die (aus der Gebundenheit des Familienguts erwachsende Notwendigkeit der) Zustimmung (Erlaubnis) des (zur Zeit einer Verfügung) nächsten Erben zu einer Verfügung des (künftigen) Erblassers über ein Grundstück. Damit gibt der Erbe seine Erbaussicht auf Erbgut (im Gegensatz zu Kaufgut) auf. Fehlt das E., ist das Geschäft zwischen Erblasser und Dritten gegenüber dem Erben unwirksam. Dieser kann es angreifen und das veräußerte Gut teils ohne Gegenleistung, teils gegen Erstattung des Kaufpreises (→Erbenlosung) verlangen. Der unmündige Erbe hat diese Rechte bis zu einer bestimmten Frist nach Erreichen der Mündigkeit. Zuerst in den Städten, dann auch allgemeiner schwindet das E., wird aber teilweise als Vorkaufsrecht fortgeführt.

Lit.: Heusler, A., Deutsches Privatrecht, Bd. 2 1886, 54; Partsch, G., Das Mitwirkungsrecht der Familienge­meinschaft im älteren Walliser Recht, 1955

Erbenlosung ist im mittelalterlichen deutschen Recht die Befugnis eines Erben, ein ohne seine Zustimmung abgeschlossenes Verfügungsge­schäft über ein Grundstück des Erblassers gegen Erstattung des Kaufpreises an den Erwerber rückgängig zu machen.

Lit.: Hübner 428; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853

Erbenwartrecht ist das Anrecht (Wartrecht) des nächsten künftigen Erben (z. B. der Söhne) auf das Vermögen eines künftigen Erblassers. Es ist eine Art Anwartschaft auf die in Aussicht stehende Erbschaft. Es beruht auf der Familiengebundenheit des Hausguts. Es wirkt sich (allmählich nur noch) im →Erbenlaub und der →Erbenlosung bzw. dem ausgleichsfreien Herausgabeanspruch (Revo­kationsrecht) aus. In der frühen Neuzeit wird es durch den Grundsatz der Testierfreiheit verdrängt.

Lit.: Hübner 328; Köbler, DRG 124; Schröder, R., Zur Geschichte des Warterechts der Erben, ZRG 9 (1870), 410; Adler, S., Über das Erbenwartrecht nach den ältesten bairischen Rechtsquellen, 1891; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 2 1931, 217

Erbfähigkeit (1783, erbfähig 1555) ist die Fähigkeit Erbe zu sein.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Erbfall (1350) ist der für die Zuordnung von vermögenswerten Rechten und Pflichten zu Rechtsträgern bedeutsame Tod eines Men­schen.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Erbfolge (1655, Erbfolgeordnung 1729) ist der Übergang des Ver­mögens des Erblassers auf den Erben. Für die E. entwickeln sich bereits früh vor allem in der Hinsicht Regeln, wer der →Erbe (oder die gemeinschaftlichen Erben) innerhalb der Gesamtheit der Verwandtschaft des Erblassers ist (oder sind). Dabei unterscheidet das römische Recht zunächst zwischen von selbst erbenden Hauserben (lat. →sui heredes [M.Pl.) und nach Annahme erbenden Außenerben (lat. heredes extranei) und legt danach eine genauere Reihenfolge fest, die in der justinianischen Novelle 118 zu den vier einander sukzessive ausschließenden Klassen der Abkömmlinge (1), der Eltern und sonstigen Vorfahren sowie der vollbürtigen Geschwister (2), der halbbürtigen Geschwister und ihrer Kinder (3) und aller übrigen Seitenverwandten (4) führt. Das germanische Recht trennt zwischen Haus­gemeinschaft und der (ansatzweise in Familienschaften gegliederten übrigen) Ver­wandtschaft. Der Sachsenspiegel (Landrecht I 3 § 3 [1221-1224]) verwendet hierfür das Bild des menschlichen Körpers, bei dem der Erblasser durch den Kopf, die Kinder, Eltern und Geschwister durch den Hals, die Enkel, Großeltern, Eltern­ge­schwister und Ge­schwisterkinder durch die Schulter, die Urenkel, Urgroßeltern, Groß­el­terngeschwis­ter, Elterngeschwisterkinder und Geschwis­terenkel durch die Ellenbeuge, die Ururenkel, Ururgroßeltern, Urgroßelterngeschwister, Groß­­elterngeschwister­kin­der, Elterngeschwis­ter­en­kel und Geschwister­ur­enkel durch das Handgelenk  u. s. w. versinn­bildlicht werden und ausgenommen die Angehörigen des ersten Glieds die gleich nah Geborenen zu gleichen Teilen erben. Im Übrigen sind die Ordnungen der E. im Einzelnen landschaftlich und örtlich sehr unterschiedlich. Allgemein wird ein →Eintrittsrecht der Enkel zunehmend bejaht und die Schlechterstellung der Frau ver­ringert. In der Neuzeit dringen verschiedene Gedanken des römischen Rechtes in das deutsche Recht ein. Joachim Georg Darjes entwickelt (1740) das gemetrisierende System von Parentelen (Familienschaften). Das Erbfolgepatent Kaiser Josphs II. vom 11. 5. 1786 legt eine einheitliche Intestaterbfolge für die öster­reichischen Erbländer nach dem Parentel­system fest, wobei bei Fehlen eines Verwandten der (6) Parentelen der Ehegatte erbt. Das Allgemeine Landrecht Preußens (17949 verbindet die Erbfolge nach Stämmen mit dem Eintrittsrecht der Abkömmlinge (II 2 §§ 348ff.). Der Code civil (1804) unterscheidet Deszendenten, Aszendenten und Seitenver­wandte (Art. 731ff.), so dass den Deszendenten die Eltern und Geschwister mit sämtlichen Abkömmlingen folgen. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811) wendet das Paren­telensystem durchgehend an (§§ 730ff., Abkömmlinge, Eltern und deren Abkömm­linge, Großeltern und deren Abkömmlinge, Urgroßeltern) und knüpft den Erbgang an die gerichtliche Einantwortung in den Nachlass an. Im Bürgerlichen Gesetzbuch des deut­schen Reiches (1896/1900) geht die gewillkürte E. der gesetzlichen E. vor und werden (jeweils außer dem Ehegatten) fünf Ordnungen von gesetz­lichen Erben nach einem →Parentelensystem unterschieden (Abkömm­linge, Eltern und deren Ab­kömmlinge, Großeltern und deren Abkömm­linge  u. s. w.). Fehlen Verwandte und Ehegatte, so erbt der →Fiskus als gesetzlicher Erbe. Zusätzliche Beson­derheiten gelten für die E. in die Stellung eines Monarchen.

Lit.: Kaser § 66; Hübner 752; Danz, W., Versuch einer Entwicklung der gemeinrechtlichen Erbfolgeart in Lehen, 1793; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Wasserschleben, H., Das Prinzip der Successionsordnung nach deutschem und insbesondere sächsischem Rechte, 1860; Stobbe, O., Die Erbfolgeordnung nach den Magdeburger Schöffensprüchen, 1865; Brunner, H., das anglonormannische Erbfolgesystem, 1869, 2. A. 2013; Wasser­schleben, H., Das Prinzip der Erbenfolge, 1870; Schanz, F., Das Erbfolgprinzip des Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts, 1883; Gál, A., Der Ausschluss der Aszendenten von der Erbfolge und das Fallrecht, 1904; Freytagh-Loringhoven, A. Frhr. v., Der Sukzessionsmodus des deutschen Erbrechts, 1908; Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preußen, hg. v. Sering, M., Bd. 7 1908; Fritz, M., Die gesetzliche Verwandtenerbfolge des älteren schwedischen Rechts, ZRG GA 36 (1915), 137; Kühn, O., Die kaiserliche Konstitution von 1529 über die Erbfolge der Geschwisterkinder und Ulrich Zasius, ZRG GA 78 (1961), 310; Mertens, H., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erbfolge und das Pflichtteilsrecht, 1970; Mertens, H., Überlegungen zur Herkunft des Parentelensystems, ZRG GA 90 (1973), 149ff.; Diestelkamp, B., Das Verhältnis von Gesetz und Gewohnheitsrecht im 16. Jahrhundert, FS H. Thieme 1977, 1; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 87; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Buchholz, S., Erbfolge und Wiederverheiratung, 1986; Olzen, D., Vorweggenommene Erbfolge, 1988; Meuten, L., Die Erbfolgeordnung des Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts, 2000; Hartmann, P., Das Recht der vertraglichen Erbfolgeregelung in der neueren Privatrechtsgeschichte, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Erbfolgekrieg ist der aus Anlass eines Streites um die →Erbfolge in einem Erbfall entstehende Krieg (z. B. bayerischer E., schle­sischer E., spanischer E.). Er endet vielfach mit einer (einvernehmlichen) Güteraufteilung.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon

Erbfolgepatent ist das die Erbfolge ordnende Patent wie z. B. das Patent Josephs II. vom 11. 5. 1786, mit dem eine einheitliche gesetzliche Erbfolge für die österreichischen Erbländer festgesetzt wird (6 Parentelen, subsidiäres Erbrecht des Ehegatten, der bis zur Wiederverheiratung außerdem ein Frucht­genussrecht an einem Viertel des Nachlasses erhält).

Erbgut ist im deutschen Mittelalter das durch Erbfolge erworbene Gut im Gegensatz zum durch Kauf erlangten Gut. Für das E. gelten bis in die Mitte des 19. Jh.s verschiedentlich besondere Regeln (z. B. →Erbenwartrecht).

Lit.: Hübner 747; Kroeschell, DRG 1f.

Erbhof ist allgemein der durch lange →Erbfolge im Eigentum einer Familie stehende bäuerliche Hof. Im Dritten Reich wird für den Eigentümer des vom →Reichserbhofgesetz (vom 29. 9. 1933, aufgehoben durch Art. I 1 Kontrollratsgesetz Nr. 45 zum 23. 4. 1947) erfassten Erbhofs (35 % der Höfe) (sog. Bauer im Gegensatz zu den sonstigen Landwirten) die →Testierfreiheit einge­schränkt.

Lit.: Köbler, DRG 239; Weitzel, J., Sonderprivatrecht aus konkretem Ordnungsdenken, ZNR 1992, 55ff.; Buchenroth, A., Die Heimatzuflucht, 2004; Czeguhn, I., Das Reichserbhofgesetz (ungedruckt)

Erbhuldigung ist (vor allem in den österreichischen Erbländern) der besondere Akt der →Huldigung (der Landleute gegenüber dem Landesherrn), der in Niederösterreich auf das Jahr 1282, in der Steiermark auf das Jahr 1186 und in Kärnten auf die Herzogseinsetzung auf dem Herzogsstuhl bei Maria Saal zurückgeführt wird.

Lit.: Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899; Holenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991; Brademann, J., Autonomie und Herrschaft, 2006

Erblande sind grundsätzlich die (seit alters) ererbten Länder gegenüber neueren Ländern. Zu den nach anderen älteren Zusam­menfassung von 1336 oder 1364 seit dem 15. Jh. so bezeichneten, sich im Lauf der Zeit wandelnden österreichischen Erb­landen oder Erbländern zählen zunächst die Stammlande Habsburgs in der Schweiz und in Schwaben (1380 obere lande, 1480 vordere Lande, 16. Jh. Vorderösterreich), das Herzog­tum Öster­reich einschließlich vor allem der Steiermark, Kärntens (1335, mit Krain) und Tirols (1363) sowie der Markgrafschaft Istrien und der windischen Mark (1374), Triests (1382) der Grafschaft Görz und der Herrschaft Gradiska (1500). Später kommen Burgund (selten) sowie Böhmen (und Ungarn selten) hinzu. Schließlich werden unter dem Begriff der E. alle österreichischen Gebiete einschließlich Böhmens von Ungarn, Galizien und den italienischen Ländern geschieden. Um 1800 erstrecken sich die deutschen E. der Habsburger auch auf Galizien, Bukowina, Dalmatien und Lombardo-Venetien. Der eher privatrecht­lichen Vorstellung der E. entspricht dann (1848) der öffentlichrechtliche der Kronländer, innerhalb deren zwischen öster­reichischen (mit Galizien) und ungarischen getrennt wird. In der zweiten Hälfte des 19. Jh.s werden österreichische E. und Länder der ungarischen Krone gegenübergestellt, aller­dings stark abnehmend, da die öster­reichischen E. bald inoffiziell und ab 1915 auch offiziell als Österreich bezeichnet werden.

Lit.: Baltl/Kocher; Hellbling, E., Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1956, 65, 267, 275; Zöllner, E., der Österreichbegriff, 1988; Brauneder, W., Die Habsburgermonarchie als zusammengesetzter Staat, (in) Zusammengesetzte Staatlichkeit, hg. v. Becker, H., 2006, 197ff.

Erblasser (1420) ist der Mensch, der bei seinem Tode ein Erbe (hinter)lässt.

Lit.: Immel, G., Die höchstpersönliche Willens­entscheidung des Erblassers, 1965; Tschäppeler, H., Die Testierfreiheit, 1983; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Erbleihe ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht die erbliche, vielfach veräußerbare, meist entgeltliche →Leihe von Grund­stücken. Sie entspricht in vielen Zügen der spätrömischen Emphyteuse (Erbpacht) und der Bittleihe (Prekarie). Sie entwickelt sich sowohl in der mittelalterlichen Stadt wie in der ländlichen Grundherrschaft. In der Stadt wird aus dem erblichen Zins allmählich eine privatrechtliche →Reallast an Eigentum. Auf dem Land treten zu dem privatrechtlichen Verhältnis die öffentlich­rechtlichen Elemente der Herrschaft des Grundherrn über den Hintersassen hinzu. Die E. endet hier mit der Beseitigung der →Grundherrschaft in der Mitte des 19. Jh.s, weshalb sie im Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) nicht mehr enthalten ist.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125; Gobbers, J., Die Erbleihe und ihr Verhältnis zum Rentenkauf, ZRG GA 4 (1883), 130; Schwind, E. v., Zur Entstehungsgeschichte der freien Erbleihen, 1891, Neudruck 1973; Rietschel, S., Die Entstehung der freien Erbleihe, ZRG GA 22 (1901), 181; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter, 1903; Winiarz, A., Erbleihe und Rentenkauf in Österreich, 1906; Schreiber, O., Die Geschichte der Erbleihe in der Stadt Straßburg im Elsass, 1909; Hallermann, H., Die Erbleihe an Grundstücken in den westfälischen Städten bis 1500, 1925; Beer, K., Beiträge zur Geschichte der Erbleihe in elsässischen Städten, 1933; Fischer, K., Die Erbleihe in Köln, 1939

Erbmonarchie ist die durch das Erbrecht einer Dynastie auf die (staatliche) Herrschaft gekennzeichnete Monarchie. Das Heilige römische Reich  schwankt zwischen Erbrecht und Wahl, wobei der Versuch eines Erbreichsplans Heinrichs VI. im deutschen Reich 1196 scheitert. Tatsächlich kommen aber die Könige und Kaiser des Reiches seit 1438 fast durchweg aus der Familie der Habsburger bzw. dem Hause →Habsburg. In den Ländern setzt sich demgegenüber das Prinzip der Erblichkeit der Herrschaft durch, bis es 1918 beseitigt wird.

Lit.: Köbler, DRG 95; Perels, E., Der Erbreichsplan Heinrichs VI., 1927; Wallner, M., Zwischen Königsabsetzung und Erbreichsplan, 2004

Erbpacht (1299, z. B. § 1122 ABGB, vgl. § 1123 ABGB Erbzinsrecht, ab 1848 leerlaufend) →emphyteusis

Lit.: Brunner, H., Die Erbpacht der Formel­samm­lungen, ZRG GA 5 (1884), 69; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Erbrecht (1062) ist objektiv die Gesamtheit der Rechtssätze, die das →Erbe betreffen, subjektiv die im Erbfall entstehende Berechtigung des Erben am Nachlass. Es ist von den erkennbaren Anfängen des Rechtes an ein wichtiger Bestandteil (des Privatrechts, lat. ius [N.] hereditarium). Kennzeichnend ist zunächst die vorgegebene (gesetzliche) →Erbfolge (der Verwandten nach verwandtschaftlicher Nähe zum Erb­lasser unter teilweiser Bevorzugung von Männern), die schon im altrömischen Recht und danach erneut spätestens im hochmittelalterlichen Recht um die Möglichkeit ergänzt wird, die gesetzliche Erbfolge gewillkürt abzuändern (gewillkürte Erbfolge, →Erbvertrag, →Tes­tament). Seit dem Ende des 19. Jh.s wird das E. zunehmend durch die →Erbschaftsteuer (Deutsches Reich 1906/1911) beeinflusst.

Lit.: Kaser §§ 65ff.; Söllner §§ 8, 12, 18; Hübner 734; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 15, 23, 37, 162, 206, 210; Baltl/Kocher; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Zachariä von Lingenthal, K., Geschichte des griechisch-römischen Rechtes, 3. A. 1892, Neudruck 1955, 133; Brunner, H., Der Totenteil in germanischen Rechten, ZRG GA 19 (1898), 107; Brunner, H., Kritische Bemerkungen zur Geschichte des germanischen Weibererbrechts, ZRG GA 21 (1900), 1; Dultzig, E. v., Das deutsche Grunderbrecht, 1899; Escher, A., Der Einfluss des Ge­schlechts­unterschiedes, 1899; Schultze, A., Der Einfluss der Kirche auf die Entwicklung des germanischen Erbrechts, ZRG GA 35 (1914), 75; Ferrari, G., Ricerche sul diritto ereditario, 1914; Fischel, A. v., Erbrecht und Heimfall auf den Grund­herrschaften Böhmens und Mährens, Archiv für österreichische Geschichte 106 (1915); Schultze, A., Augustin und der Seelteil des germanischen Erbrechts, 1928; Meyer, H., „Ligurisches Erbrecht“, ZRG GA 50 (1930), 354; Plucknett, T., A Concise History of the Common Law, 1929, 2. A. 1936, 5. A. 1956; Hegglin, G., Das gesetzliche Erbrecht der Rechtsquellen Unterwaldens, Diss. jur. Bern 1930; Bruck, E., Kirchenväter und soziales Erbrecht, 1956; Wesener, G., Geschichte des Erbrechtes in Österreich, 1957; Rüdin-Bader, S., Die erbrechtliche Stellung der Stiefkinder und Halbgeschwister nach den zürcherischen Rechtsquellen, 1959; Besta, E., Le successioni, 2. A. 1961; Sheehan, M., The Will in Medieval England, 1963; Eisenmann, H., Konstanzer Institutionen des Familien- und Erbrechts, 1964; Arnold, J., Das Erbrecht der Reichsstadt Esslingen, 1965; Bart, J., Recherche sur l’histoire des successions, 1966; Ebel, W., Über die Formel „für mich und meine Erben“ in mittelalterlichen Schuldurkunden, ZRG GA 84 (1967), 236ff.; Hess, R., Familien- und Erbrecht im württembergischen Landrecht von 1555, 1968; Fedynskyj, J., Rechtstatsachen auf dem Gebiete des Erbrechts im Gerichtsbezirk Innsbruck 1937 bis 1941, 1968; Vismara, G., Famiglia e successioni nella storia del diritto, 1970; Hafström, G., Den svenska familjerättens historia, 1970; Bley, H., Das Erbrecht nach den Urteilen des Ingelheimer und Neustadter Oberhofs, Diss. jur. Frankfurt am Main 1977; Schröder, R., Abschaffung oder Reform des Erbrechts, 1981; Müller-Eiselt, K., Divus Pius constituit, Diss. jur. Freiburg 1982; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 87; Hattenhauer, H., Zur Dogmengeschichte des Erbrechts, Jura 1983, 9, 68; Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Udina Abelló, A., La successió testado, 1984; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Schubert, W., Erbrecht, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Zur Geschichte des Familien- und Erbrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Waibel, T., Erbrecht und Familie, 1988; Kasten, B., Erbrechtliche Verfügungen des 8. und 9. Jahrhunderts, ZRG GA 107 (1990), 236; Baker, H., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Das Familien- und Erbrecht unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Schubert, W., 1993; Andres, I., Der Erbrechtsentwurf von Friedrich Mommsen, 1996; Wacker, G., Der Erbrechtsausschuss der Akademie für Deutsches Recht, 1997; Bühler, T., Die Methoden der Rezeption des römisch-gemeinen Rechts in die Erbrechte der Schweiz, ZRG GA 120 (2003); Signori, G., Vorsorgen – Vererben – Erinnern, 2001; Heusen, F., Der Erbschaftserwerb im Spätmittelalter, 2002; Beckert, J., Unverdientes Vermögen, 2004; Seif, U., Römisch-kanonisches Erbrecht in mittelalterlichen deutschen Rechtsauf­zeichnungen, ZRG GA 122 (2005), 88; Wesener, G., Ephemere Besonderheiten des spätrömischen Erbrechts, FS Rolf Knütel, 2009, 1401; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Der Einfluss religiöser Vorstellungen auf die Entwicklung des Erbrechts, hg. v. Zimmermann, R., 2012

Erbschaft (1205, Erbschaftsbesitz 1863, Erbschaftsbesitzer 1794, Erbschaftsgegen­stand 1863, Erbschaftsklage 1687) ist das aus Rechten und Pflichten bestehende Vermögen des Erblassers, das bei seinem Tod als Ganzes auf eine(n) oder mehrere Menschen bzw. Personen übergeht. Lateinisch heißt die E. →hereditas (F.). Die Zugehörigkeit der Grundstücke, Rechte und Verpflichtungen zur E. entwickelt sich anscheinend erst allmählich.

Lit.: Kaser §§ 65 I, 66 IV; Heuser, F., Der Erbschaftserwerb im Spätmittelalter, 2002

Erbschaftsanfall ist der Übergang der Rechte und Pflichten des Erblassers (Erbschaft) auf den Erben (im Wege der Gesamtrechts­nachfolge). Er erfolgt z. B. bei den mit dem Tod des Hausvaters gewaltfrei werdenden römischen Hauserben (lat. sui heredes als necessarii heredes) grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers, wobei eine Enthal­tungsmöglichkeit ([lat.] beneficium abstinen­di) besteht. Dagegen müssen im römischen Recht die Außenerben (Agnaten, Gentilen) einen besonderen Erwerbsakt (Erbschafts­antritt, lat. [F.] aditio hereditatis) vornehmen, so dass zwischen dem Tod des Erblassers und dem Erbschaftsantritt eine sog. ruhende Erbschaft (lat. hereditas [F.] iacens) vorliegt. Dieses Ruhen der Erbschaft wird in der Neuzeit in einigen Rechten (für alle Erben) übernommen. Daneben ist verschie­dentlich eine Einweisung in die Erbschaft durch das zuständige Gericht erforderlich (§ 797 ABGB Österreichs [1811], vorher Erbantritts­erklä­rung). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1896/1900) und im schweizerischen Zivil­gesetzbuch (1907/1911) wird (unter der Möglichkeit der Ausschlagung) die Erbschaft unmittelbar erworben.

Lit.: Kaser § 71 II; Hübner 734; Köbler, DRG 210; Huber, E., System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, Bd. 4 1893, 541; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957; Fischer, H., Vonselbsterwerb und Antrittserwerb, 1996; Bielefeld, C., Die Entwicklung des Erbschaftserwerbs nach österreichischem Recht, 1997; Heuser, F., Der Erb­schaftserwerb im Spätmittelalter, 2002; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Erbschaftsanspruch (1862) ist bereits im klassischen römischen Recht der eine (lat. actio in rem bildende) Klaganspruch des Erben (nach zivilem Recht) gegen den, der einen Vermögensvorteil aus der Erbschaft erlangt hat, auf Herausgabe (lat. hereditatis petitio [F.]), wobei ein gutgläubiger Besitzer nach dem →Senatusconsultum Iuventianum (129 n. Chr.) nur herauszugeben hat, worum er bereichert ist. Der Erbe nach prätorischem Recht (lat. bonorum possessor [M.]) kann die Herausgabe auf Grund eines (lat.) interdictum (N.) quorum bonorum verlangen. Der E. wird in der frühen Neuzeit weitgehend übernommen (Erbschaftsklage).

Lit.: Köbler, DRG 37; Müller-Ehlen, M., Hereditatis petitio, 1998; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Erbschaftskauf (1784) ist der Kauf einer Erbschaft.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Erbschaftsschuld ist die von einem Erblasser oder aus dem Erbfallsvorgang herrührende Schuld. Für sie haftet der Erbe nach römischem Recht mit der von Justinian gewährten Rechtswohltat des →Inventars. Im Hoch­mittelalter haftet noch im Sachsen­spiegel nur die Fahrnis des Nachlasses, wobei bestimmte Schulden (z. B. aus Raub, Diebstahl oder Spiel) überhaupt ausge­nommen sind. Später ist für alle Schulden und mit dem ganzen Nachlass einzustehen, doch wird die Rechtswohltat des Inventars aufgenommen. →Erbenhaftung

Lit.: Kaser § 74; Hübner; Köbler, DRG 59, 123

Erbschaftsteuer ist die den Übergang eines Vermögens durch →Erbfolge erfassende →Steuer. Ihr gehen bereits im Mittelalter Sterbefallsabgaben etwa an den Grundherrn (→Besthaupt, Buteil) voraus. Im Deutschen Reich wird (am 3. 6.) 1906/1911 eine E. eingeführt. Ihre Höhe wird gestaffelt und führt bei sehr großen Vermögen zu sehr beachtlichen Steuern. Sie werden auf der unentwegten Suche nach Einkünften (des Staates) zu Lasten anderer im Laufe der Zeit (z. B. 1997 bis 30%, 2008) noch erhöht.

Lit.: Köbler, DRG 210; Hübner, H., Erbschaft­steuer­reform 2009, 2009; Handbuch Erbschaftsteuer und Bewertung, 2010

Erbschein (Preußen 1869) ist das amtliche, vom Nachlassgericht auf Antrag auszustellende Zeugnis des Erben über sein Erbrecht und bei mehreren Erben auch über die Größe des jeweiligen Erbteils. Ein entsprechendes Zeugnis kennen bereits neuzeitliche Partikularrechte, die es allerdings auf den Fall der gesetzlichen →Erbfolge beschränken. Aus den Erbbescheinigungen in Mecklenburg und Neuvorpommern sowie seit 1869 das ganze Preußen entwickelt sich der E. des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 211; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Hirsch, M., Von der Erbbescheinigung des preußischen Rechts zum Erbschein des BGB, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Erbschulze ist der erbliche Leiter (Schulze) der bäuerlichen Gemeinde (und Beauftragte der Herrschaft) der mittelalterli­chen deut­schen Ostsiedlung vom 12. bis zum 19. Jh. Der E. hat meist einen besonderen Erb­schulzenhof und oft auch weitere Vorrechte.

Lit.: Riedel, L., Über die Dorfschulzen, 1834; Schwineköper, B., Die mittelalterliche Dorfgemeinde in Elbostfalen, (in) Vorträge und Forschungen 8, 1964, Bd. 2 115

Erbteilung ist die Aufteilung des Erbes unter Erben. Für sie kennt im Streitfall bereits das römische Recht Klagansprüche ([lat.] actio familiae erciscundae).

Lit.: Voltelini, H. v., Der Ältere teilt, der Jüngere wählt, ZRG GA 36 (1915), 478

Erbtochter ist die Tochter (evtl. auch eine weitere weibliche Verwandte) des letzten Mannes einer (adligen) Familie. Über sie werden vielfach bedeutende Güter vererbt (z. B. Margarethe Maultasch 1363 in Tirol, Maria Theresia 1740 in Österreich).

Lit.: Hübner; Köbler, Historisches Lexikon; Wolf, A., Prinzipien der Thronfolge in Europa, (in) Vorträge und Forschungen, 1986

Erbunfähigkeit ist die Unfähigkeit, Erbe zu werden (z. B. im römischen Recht Perso­nenverbände, später Ordensangehörige mit Armutsgelübde).

Erbuntertänigkeit ist im neuzeitlichen deutschen Recht (in Preußen) die in Abschwächung der Leibeigenschaft ent­stehende grundherrschaftliche Abhängigkeit (Un­frei­heit).

Lit.: Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004

Erbunwürdigkeit (Österreich 1786) ist die im spätrömischen Recht aus Einzelfällen (z. T. Tötung des Erblassers, Verhinderung, Unterdrückung oder Fälschung des Tes­taments) entwickelte Unwür­digkeit, Erbe zu sein. Dem Erbunwürdigen wird das ererbte Gut vom Staat (lat. [N.] aerarium, später [M.] fiscus) entzogen. Die E. wird im neuzeitlichen Recht übernommen.

Lit.: Kaser § 71 V; Hempel, I., Erbunwürdigkeit, Diss. jur. Köln 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Nehmer, M., Erbunwürdigkeit und Elternunterhalt im internationalen Privatrecht, 2013

Erbverbrüderung →Erbvertrag

Lit.: Loening, R., Erbverbrüderungen, 1867

Erbvertrag (1535) ist der Vertrag zwischen min­destens zwei Menschen, in dem mindestens einer der Vertragsschließenden (Erblasser) vertrags­mäßige Verfügungen von Todes wegen (z. B. Erbeinsetzung, Vermächtnis, Auflage) trifft. Der E. ist im römischen Recht (als sittenwidrig) unzulässig (D. 45, 1, 61), den griechischen Rechten dagegen geläufig und deswegen in der oströmischen Rechtswirk­lichkeit im Gegen­satz zum gesetz­lichen Verbot verbreitet. Das Frühmittelalter kennt mit der fränkischen →Affatomie und dem langobardischen Speer­gedinge die Möglichkeit, den Nachlass einem nicht verwandten Menschen durch Rechts­geschäft zukommen zu lassen. Etwas später gewinnt die Gabe nach dem Tod (lat. donatio [F.] post obitum) an Bedeutung, für die es streitig ist, ob sie schon E. ist. Hierher gehört dann insbesondere die seit dem 14. Jh. vor­dringende Erbverbrüderung (adliger Familien) zwecks Gestaltung der künftigen Güter­zuordnung (z. B. 1373/1457 Braun­schweig, Sachsen, Hessen, 1442 Branden­burg, Mecklenburg, 1537 Liegnitz). In der frühen Neuzeit werden seit der Mitte des 17. Jh.s vom →usus modernus pandectarum bestimmte Arten von erwerbenden Erbverträ­gen auf deutschrechtlicher Grundlage bejaht. Eine allgemeine Anerkennung erfolgt im Naturrechtszeitalter bei Leyser (1683-1752), Böhmer (1674-1749) und Heineccius (1681-1741). Die Gesetzbücher seit dem 18. Jh. lassen den E. zu (Codex Maximilianeus Bavaricus civilis 1756 III, 11, § 1, ALR Preußens 1794 I 12 §§ 617ff.), wobei ihn das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811/­1812) auf Ehegatten und drei Viertel des Nachlasses beschränkt. Die strenge wissenschaftliche Ausformung des Erbvertrags erfolgt durch Hasse 1828.

Lit.: Kaser § 65; Hübner 788; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 38, 123, 162, 211; Hasse, J., Ueber Erbvertrag, Rhein. Museum für Jurisprudenz 2 (1828), Heft 2; Beseler, G., Die Lehre von den Erbverträgen, Bd. 1ff. 1835ff.; Hartmann, G., Zur Lehre von den Erbverträgen, 1860; Loening, R., Erbverbrüderungen, 1867; Kugelmann, G., Gemein­rechtliche Begründung des partikulären Erbvertrags, 1875; Vismara, G., Storia dei patti successori, Bd. 1f. 1941; Vismara, G., I patti successori nella dottrina di Bartolo, (in) Bartolo di Sassoferrato, Bd. 2 1962, 755; Battes, R., Gemeinschaftliches Testament und Ehegattenerbrecht, 1974; Wesener, G., Zur Lehre vom Erbvertrag, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 607; Jaeckel, G., Die Liegnitzer Erbverbrüderung von 1537, 1988; Kuttig, W., Der brandenburgisch-schlesische Erbverbrüderungsvertrag, 1988; Weimar, P., Erbvertrag und gute Sitten, Misc. D. Maffei, Bd. 4 1995, 231; Christiansen, T., Die erbvertragliche Bindungswirkung in der Rechtsprechung des 20. Jahrhunderts, 2004; Hartmann, P., Das Recht der vertraglichen Erbfolgeregelung in der neueren deutschen Privatrechtsgeschichte, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Müller, M., Besiegelte Freundschaft - Die brandenburgischen Erbei­nungen, 2010

Erbverzicht (1602) ist der Verzicht auf das Erbe. Er ist im römischen Recht ausgeschlossen. Später wird er zugelassen.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Erbzins (M.) erbliche Zinsverpflichtung, vielfach aus Erbleihe, vom Mittelalter bis ins 19. Jh.

Lit.: Winiarz, A., Erbleihe und Rentenkauf in Österreich im Mittelalter, 1906; Dannhorn, W., Römische Emphyteuse und deutsche Erbleihe, 2003

Ercto non cito (lat.) ist die altrömische Erbengemeinschaft (lat. [N.] consortium).

Lit.: Kaser §§ 66 I 2

Erfindung (1282) ist die erstmalige Her­stellung eines neuen Werkes. In Altertum und Mittelalter erfährt die E. keinen rechtlichen Schutz. Erst mit der E. des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Guten­berg (Mainz um 1450) entwickelt sich allgemeiner der Schutz der E. (z. B. durch Privilegien gegen den unerlaubten Nach­druck von Büchern). Hieraus entstehen im 19. Jh. Urheberrecht, Patentrecht und weitere Erfinderrechte.

Lit.: Zycha, A., Beitrag zur Frühgeschichte des deutschen Erfinderrechts, ZRG GA 59 (1939), 208; Zycha, A., Zur älteren Geschichte und vergleichsweisen Bedeutung des niederländischen Erfindungsschutzes, ZRG GA 62 (1942), 294; Kurz, P., Weltgeschichte des Erfindungsschutzes, 2000; Vogel, F., Urheber- und Erfinderrechte im Rechtsverkehr, 2004; Schmidt, A., Erfinderprinzip und Erfinder­persönlichkeitsrecht im deutschen Patentrecht, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Flechsig, A., Frühneuzeitlicher Erfindungsschutz, 2013

Erfolgshaftung ist die beim bloßen Verursachen eines Erfolgs ohne Rücksicht auf die Vorwerfbarkeit eines Verhaltens eintretende Haftung (wie sie in dem spätmittelalterlichen Rechtssprichwort →„Die Tat tötet den Mann“ zum Ausdruck gebracht wird). Im weiteren Sinn wird darunter auch die Strafbarkeit wegen eines bloßen verursachten Erfolgs verstanden. E. in diesem Sinn ist für die Frühzeit in weitem Umfang wahr­scheinlich, weil (wie bei der Rache) ein Anknüpfen am verur­sachten sichtbaren Erfolg geringere Schwierigkeiten bereitet als die Prüfung eines inneren unsichtbaren Gedankenvorgangs und die Erfahrung zudem zeigt, dass bestimmte äußere Ergebnisse typischerweise bestimmten inneren Ziel­setzungen entsprechen. Abwei­chend hiervon unterscheidet bereits das altrömische Recht (→Zwölftafelgesetz [451/0 v. Chr.] 8, 24a) zwischen gewolltem Erfolg und nicht gewolltem Erfolg. Hieraus entwickelt sich die grundsätzliche Be­schränkung auf die Haftung für ein verschuldetes Verhalten. Allerdings ist auch eine Haftung für das Verschulden eines Gehilfen (bei Werkvertrag) oder aus deliktischem Verhalten eines Gewalt­unterworfenen (→Noxalhaftung) aner­kannt. Dieser Entwicklung entspricht es, dass das germanische Recht wohl zwar am äußeren Erfolg anknüpft, darin aber typisierend zugleich den schädigenden Willen erfassen will. Das frühmittelalterliche Recht unterscheidet zwi­schen vorsätzlicher Tat und sog. Ungefährwerk. Demgegenüber bedrohen hochmittelalterliche Strafrechtsquellen des öfteren Fälle von Ungefährwerk (ungewollte Tötung und Körperverletzung) mit peinlichen Strafen. Demnach entwickelt sich ein ausgeprägtes Schuldstrafrecht erst in der Neuzeit. Im Privatrecht setzt sich das Verschuldensprinzip unter dem Einfluss des Liberalismus im 19. Jh. (→Ihering) durch. Gleichzeitig gewinnt aber gerade in und seit dieser Zeit die (vom Verschulden gelöste) →Gefähr­dungshaftung (Eisenbahn  u. s. w.) an Bedeutung.

Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 71, 128; Brunner, H., Forschungen zur Geschichte des deutschen und französischen Rechts, 1894, 487; Kaufmann, E., Die Erfolgshaftung, 1958; Mikat, P., Erfolgshaftung und Schuldgedanke im Strafrecht der Angelsachsen, FS H. Weber, 1963, 9; Ogorek, R., Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975; Bader, K., Zum Unrechtsausgleich und zur Strafe im Frühmittelalter, ZRG GA 112 (1995) 1ff.; Schildt, B., Die Tat tötet den Mann, ZRG GA 114 (1997), 380ff; Stübinger, S., Schuld, Strafrecht und Geschichte, 2000; Schumann, E., Unrechtsausgleich im Frühmittelalter, Habilitationsschrift 2003; Kéry, L., Gottesfurcht und irdische Strafe, 2006; Maihold, H., Strafe für fremde Schuld, 2005; Der Strafgedanke, 2007

Erfüllung (1190, Erfüllungsinteresse 1879, Erfüllungsort 1828) ist das (Einhalten einer Verpflichtung bzw.) Bewirken der geschul­deten Leistung durch den Schuldner. Die E. ist im römischen Recht als (lat. [F.]) →solutio bekannt. Mit der E. wird der Schuldner von seiner Verpflichtung frei.

Lit.: Kaser § 53 I; Köbler, DRG 215; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 46; Heymann, E., Das Verschulden beim Erfüllungsverzug, 1913; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932; Harder, M., Die Leistung an Erfüllungs Statt, 1976; Seong, S., Der Begriff der nicht gehörigen Erfüllung, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Platschek, J., Das Edikt de pecunia constituta. Die römische Erfüllungszusage, 2013

Erfüllungsgehilfe ist die Person, die mit Wissen und Wollen des Schuldners tatsächlich in dessen Pflichtenkreis tätig wird. Der E. wird als solcher besonders im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erfasst. Nach § 278 BGB haftet der Schuldner für Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen und gesetzlichen Vertreter ohne eigenes Verschul­den.

Lit.: Köbler, DRG 214

Erfurt an der Gera (742 Erphesfurt), das im 8. Jh. durch Bonifatius kurzzeitig Bischofssitz ist und zu unbekannter Zeit (E. 10. Jh.) vom König an den Erzbischof von Mainz gelangt, ist von (1378/1389/)1392 bis 1816 Sitz einer Universität. 1802/1814 fällt es an Preußen. 1850 berät in E. ein Deutsches Parlament erfolglos über einen Bundesstaat „Deutsches Reich“. Eine von Preußen mit Sachsen und Hannover gegen Österreich gerichtetete Erfur­ter Union scheitert am Widerstand Österreichs und einiger Mittelstaaten (Olmützer Punk­tation). 1991 wird E. Hauptstadt Thüringens. 1994 wird die Universität wiederbegründet. →Johannes von E.

Lit.: Reuleaux, C., Das Erfurter Parlament, Diss. jur. Mainz 1953; Schubert, W., Die für das Reichsgericht der Erfurter Union bestimmten Organisations- und Verfahrensgesetze von 1849/50, ZRG GA 101 (1984), 169; Lorenz, S., Studium generale Erfordense, 1989; Erfurt 742-1992, hg. v. Weiß, U., 1992; Märker, A., Geschichte der Universität Erfurt, 1993; Moraw, P., Die ältere Universität Erfurt, (in) Erfurt. Geschichte und Gegenwart, hg. v. Weiß, U., 1995, 189; Die Erfurter Union und das Erfurter Unionsparlament 1850, hg. v. Mai, G., 2000; Lengemann, J., Das Deutsche Parlament (Erfurter Unionsparlament) von 1850, 2000; Große Denker Erfurts und der Erfurter Universität, hg. v. Pfordten, D. v. d., 2002; Gramsch, R., Erfurter Juristen im Spätmittelalter, 2003; Wolf, S., Erfurt im 13. Jahrhundert, 2005; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 169

Ergänzung (1530) ist das Hinzufügen in Richtung auf eine Ganzheit oder Voll­ständigkeit.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deut­schen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Erholung ist im mittelalterlichen deutschen Recht die Rücknahme einer von einem →Fürsprecher durchgeführten fehlerhaften Rechtshandlung durch die Partei (→Sachsenspiegel Landrecht I 60 § 1). Sie ist vielleicht vor 1200 gegen die Formenstrenge des Verfahrensrechts und zur inhaltlichen Verbesserung nachteiliger Äußerungen entwickelt und ver­schwindet im Spätmittelalter.

Lit.: Siegel, H., Die Erholung und Wandelung, 1863; Oestmann, P., Erholung am Ingelheimer Oberhof, (in) Symbolische Kommunikation vor Gericht, 2006, 29ff.

Erkenntnisverfahren ist das mit einer Entscheidung über einen Rechtsstreit endende Verfahren. Ihm kann ein Vorverfahren vorangehen und ein Vollstreckungsverfahren folgen. Es bildet seit den Anfängen des Verfahrensrechts dessen Kern.

Lit.: Köbler, DRG 19, 202

Erlangen (1002 ersterwähnt, 1398 Stadtrecht) an der Regnitz wird am 4. 11. 1743 (in der Markgrafschaft Bayreuth) Sitz einer der Aufklärung verpflichteten Universität (1792 Preußen, 1810 Bayern, zwischen 1743 und 1885 332 juristische Promotionseinträge), die 1961 mit einer Wirtschaftshochschule in Nürnberg (1919) verschmolzen wird.

Lit.: Kolde, T., Die Universität Erlangen, 1910; Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger Juristenfakultät, 1951, 2. A. 1962; Köbler, G., Erlanger juristische Vorlesungen, Jb. f. fränk. Landesforschung 27 (1967), 241; Beyer, A., Die Verfassungsentwicklung der Universität Erlangen, 1992; Wendehorst, A., Geschichte der Universität Erlangen-Nürnberg 1743-1993, 1993; Wittern, R., Die Professoren und Dozenten, Bd. 1f. 1993ff.; Willett, O., Sozialgeschichte Erlanger Professoren, 2001; Schieber, M., Erlangen, 2002; Wachter, C./Hoffmann-Randall, C., Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 2004; Verzeichnis der Erlanger Promotionen 1743-1885, unter der Leitung v. Pohl, R., 2009

Erlass ist im Verwaltungsrecht eine innerdienstliche allgemeine Anweisung und im Schuldrecht ein Schuldaufhebungsvertrag zwischen Gläubiger und Schuldner. Der privatrechtliche E. ist bereits dem klassischen römischen Recht geläufig (lat. →solutio [F.] per aes et libram nummo uno, acceptilatio, ähnlich pactum de non petendo). Über die Aufnahme des römischen Rechtes findet er in das moderne Privatrecht Eingang.

Lit.: Kaser §§ 52, 52; Köbler, DRG 43, 215; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Erlaubnis ist im Verwaltungsrecht die Erklärung einer Behörde, dass sie ein bestimmtes Verhalten zulässt. Sie entsteht im Sinne von Regel und Ausnahme mit der Entwicklung obrigkeitlicher Verbote.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Becker, K., Die behördliche Erlaubnis, Diss. jur. Marburg 1970

Erler, Adalbert (Kiel 1. 1. 1904-Frankfurt am Main 19. 4. 1992), Admiralssohn, wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Heidelberg und Berlin (Hans Fehr, Ulrich Stutz, Promotion Greifswald 1929) während einer Tätigkeit als Finanzbeamter in Frankfurt am Main (Rudolf Ruth) 1939 habilitiert. Über Straßburg (1941) und Mainz (1946) wird er 1950 nach Frankfurt am Main berufen. Dort ediert er die Urteile des Ingelheimer Ober­hofes und begründet auf Anregung Wolfgang Stammlers das Hand­wörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte.

Lit.: Rechtsgeschichte als Kulturgeschichte, hg. v. Becker, H. u. a., 1976, Recht, Gericht, Genossen­schaft und Policey, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986; Dilcher, G., Nachruf, ZRG GA 110 (1993), 680ff.; In memoriam Adalbert Erler, hg. v. Hennle, K. u. a, 1994

Ermächtigung (1752) ist die Erteilung einer Macht zu einem Verhalten (für einen ande­ren).

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Ermächtigungsgesetz ist das Gesetz, das ein Verfassungsorgan zu einem bislang nicht zulässigen Verhalten ermächtigt. Beispiels­weise erlaubt es das deutsche E. vom 4. 8. 1914 dem Bundesrat des Deutschen Reiches, (rund 1000) Notver­ordnungen zu erlassen. Zwischen 1919 und 1923 werden wegen der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Lage 7 Ermächtigungsgesetze (1919-1921 viermal Gesetzgebungsgewalt auf die Reichs­regierung übertragen) verabschiedet. Zwi­schen 1923 und 1932 wird stattdessen das Notverordnungsrecht des Reichsprä­sidenten verwendet. Am 23. 3. 1933 bzw. 24. 3. 1933 wird das (mit notwendiger Zweidrittelmehr­heit vom Reichstag be­schlossene) Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich erlassen bzw. verkündet, durch das der Reichstag seine Gesetzgebungsgewalt auf die Reichsre­gierung überträgt und diese damit zur Gesetzgebung ermächtigt. 1937, 1939 und 1943 (durch Erlass des Führers) wird die Geltungsdauer verlängert. Die auf seiner Grundlage erlassenen Gesetze sind wirksam. Durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 wird dieses E. aufgehoben. In Österreich erlässt der Kaiser 1914 gemäß § 14 des Staatsgrundgesetzes über die Reichs­vertretung eine Notver­ordnung, die zu notwendigen Verfügungen auf wirtschaft­lichem Gebiet und zur Ver­sorgung der Bevölkerung ermächtigt und 1917 durch Beschluss der Reichsregierung zum kriegs­wirtschftlichen Emächtigungsge­setz wird. Nach Ausschaltung des Ver­fassungs­gerichtshofs durch Regierungs­ver­ordnung vom 23. Mai 1933 wird am 30. 4. 1934 das bis 1938 geltende Bundesverfas­sungs­gesetz über außerordent­liche Maß­nahmen im Bereich der Verfassung die Bundes­regierung zur Gesetzgebung und zur Wie­derverlautbarung der Maiver­fassung 1934 beschlossen, das Nationalrat und Bundesrat auflöst und das Erfordernis einer Volksab­stimmung bei einer Gesamtänderung des Bundesver­fassungs­gesetzes aufhebt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 170, 230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933; Schneider, H., Das Ermächtigungsgesetz vom 24. 3. 1933, 1955, 2. A. 1961, Neudruck 1968; Das „Ermächtigungsgesetz“ vom 24. März 1933, hg. v. Morsey, R., 1968; Huemer, P., Sektionschef Robert Hecht, 1975; Frehse, M., Ermächtigungsgesetzgebung im Deutschen Reich, 1985; Biesemann, J., Das Ermächtigungsgesetz, 1985, 2. A. 1988; Eilers, S., Ermächtigungsgesetz und militärischer Ausnahmezustand, Diss. jur. Köln 1988; Morsey, R., Das Ermächtigungsgesetz, 1992; Schnur, R., Die Ermächtigungsgesetze von Berlin 1933 und Vichy 1940, 1993; Mommsen, H., Entstehung und Bedeutung des Ermächtigungsgesetzes, 2003; Das Ermächtigungsgesetz, eingel. v. Laufs, A., 2003; Bickenbach, C., Vor 75 Jahren - Die Entmächtigung, JuS 2008, 199; Das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933, hg. v. Morsey, R., 2010; Rieker, S., Das Ermächtigungsgesetz vom 24. 03. 1933 und die Konsequenzen des Grundgesetzes, 2013

Ermessen ist der an der Vernünftigkeit des Ergebnisses ausgerichtete Maßstab für ein Verwaltungshandeln. Die dabei bestehende Entscheidungsfreiheit wird im Laufe des (19. und) 20. Jh.s zunehmend verrechtlicht.

Lit.: Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Held-Daab, U., Das freie Ermessen, 1996

Ermittlungsverfahren ist das Verfahren zur Ermittlung eines Täters einer Straftat. Es entwickelt sich seit dem Hochmittelalter. Seit dem 19. Jh. wird es verrechtlicht.

Lit.: Roth, A., Kriminalitätsbekämpfung in deutschen Großstädten 1850-1914, 1996; Weinke, A., Eine Gesellschaft ermittelt gegen sich selbst, 2. A. 2009; Samel, E., Historische Entwicklung des Ermittlungsverfahrens als Vorverfahren innerhalb des Strafprozesses, 2012

Ermland

Lit.: Perk, H., Verfassungs- und Rechtsgeschichte des Fürstbistums Ermland, 1931; Thimm, W., Die Ordnungen der ermländischen Kapitelsburgen, Zs. f. d. Gesch. und Altertumsunde Ermlands 33 (1969), 53

Ernestiner →Wettiner

Erpressung ist die Beschädigung des Vermögens eines anderen durch Nötigung dieser oder einer anderen Person in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern. Dem entspricht im klassischen römischen Recht die (lat. [F.]) →concussio. In der Neuzeit erscheint die E. im 18. Jh.

Lit.: Köbler, DRG 35; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007

Error (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Irrtum. Er wird zunächst bei den Konsensualkontrakten (z. B. Kauf) dann berücksichtigt, wenn er einen Konsens verhindert. Dies kann sich auf den Gegenstand (lat. [N.] corpus), den Preis, den Geschäftstyp oder (str.) eine wesentliche Eigenschaft (lat. [F.] substantia) beziehen, nicht dagegen auf die bloße Bezeichnung (lat. [N.] nomen).

Lit.: Kaser § 8 II; Köbler, DRG 43; Error iudicis. Juristische Wahrheit und justizieller Irrtum, hg. v. Gouron, A. u. a., 1998

Errungenschaft (1582) ist der durch Tätigwerden erlangte Wert.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Errungenschaftsgemeinschaft ist die Gütergemeinschaft zweier Ehegatten an den während der Ehe erworbenen Gütern (Gesamtgut im Gegensatz zum Sondergut jedes Ehegatten). Die E. erscheint im Frühmittelalter bei Franken und westfälischen Sachsen. Danach verbreitet sie sich besonders in Süddeutschland und bildet um 1900 für rund 10 Millionen Deutsche den Regel­güterstand. Beim Tod eines Ehegatten erwirbt der überlebende Ehegatte in beerbter Ehe das Sondergut des Verstorbenen, während bei unbeerbter Ehe das Sondergut des Verstorbenen an die Herkunftsseite zurück­fällt und das Gesamtgut zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Erben des verstorbenen Ehegatten meist hälftig geteilt wird. Die noch im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) beibehaltene E. wird 1957 beseitigt. In Frankreich gilt die E. in Form der Fahrnisgemeinschaft.

Lit.: Hübner 667; Köbler, DRG 88, 210; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1f. 1863ff.; Hradil, P., Über eheliche Errungenschaftsgemeinschaft, ZRG GA 36 (1915), 459

Ersatz (1491, Ersatzanspruch 1854) ist das an die Stelle etwas anderen Tretende.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Ersatzerbe ist der vom Erblasser für den Fall des Wegfalls des Erben vor oder nach Eintritt des Erbfalls eingesetzte Erbe. Die Einsetzung eines Ersatzerben (lat. [F.] substitutio) im Testament ist bereits im klassischen römischen Recht möglich und wird von dort mit der Aufnahme des römischen Rechtes übernommen.

Lit.: Kaser § 68 II, V; Söllner § 11; Köbler, DRG 38; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985ff.

Ersitzung (1520) ist der Erwerb des Eigentums durch Zeitablauf. Bereits im altrömischen Recht kann der Gewaltinhaber über eine Sache seine Berechtigung auf Gebrauch­nahme (lat. [F.] usucapio) stützen, womit die Berufung auf einen Vormann (im Recht an der Sache) überflüssig wird. Damit ist jeder, der ein Grundstück 2 Jahre oder eine andere Sache 1 Jahr unangefochten gebraucht hat, gegen jedermann geschützt, sofern es sich nicht um eine gestohlene, geraubte oder von Unmün­digen und Frauen ohne Mitwirkung des Vormunds veräußerte handgreifbare Sache handelt. Später muss der Eigenbesitz, der ein fremdes Besitzrecht ausschließen will, einen rechtsgültigen Erwerbsgrund haben und der Eigenbesitzer im Augenblick der Besitzerlangung gutgläubig sein (vgl. D. 41, 3, 1). Mit Ablauf der Ersitzungsfrist erwirbt der Ersitzungsbesitzer ziviles Eigentum. Im deutschen Recht hat die →Ver­schweigung (in einer Frist von Jahr und Tag) eine vergleichbare Wirkung. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes wird die E. in der Form übernommen, wie sie sie unter Justinian durch Verbindung von (lat. [F.]) usucapio mit (lat.) longi temporis praescriptio (F.) gefunden hat. Danach muss eine ersitzbare bewegliche Sache 3 Jahre (usucapio), ein ersitzbares Grundstück bei Anwesenheit in der gleichen Provinz 10 bzw. bei Abwesenheit 20 Jahre (longi temporis praescriptio) gutgläubig auf Grund eines rechtsgültigen Erwerbsgrundes oder wenigstens 30 Jahre (longissimi temporis praescriptio) gutgläubig besessen worden sein. Nach kanonischem Recht muss seit Papst Innozenz III. (X 2, 26, 20) guter Glaube noch am Ende der Ersitzungsfrist vorliegen. Vielfach wird dabei die E. mit der Verjährung in der (lat. [F.]) praescriptio zusammen­gefasst. Savigny trennt beides wieder. Die E. verliert wegen der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs und wegen der Einrichtung des Grundbuchs an tatsächlicher Bedeutung. Nach dem deutschen Bürger­lichen Gesetzbuch (1900) erfordert die E. bei beweglichen Sachen 10 Jahre gutgläubigen Eigenbesitz (§ 937 BGB, Österreich 1452 ABGB, 3 bzw. 30 Jahre), bei Grund­stücken 30 Jahre Besitz und Eintragung im Grundbuch (§ 900 BGB Tabularersitzung). Eine E. gegen das Grundbuch (Kontra­tabularersitzung) ist ausgeschlossen.

Lit.: Kaser § 25; Söllner §§ 8, 9; Hübner 271, 468; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 25, 40, 61, 163; Immerwahr, W., Die Verschweigung im deutschen Recht, 1895; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Bauer, K., Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen Recht, 1988; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Erskine of Carnock, John (1695-1768), nach dem Studium in den Niederlanden 1719 Anwalt am Obergericht Schottlands und 1737 Professor für schottisches Recht in Edinburgh, veröffentlicht 1754 mit den systematisierenden (engl.) Principles of the Law of Scotland (Grundsätze des Rechtes Schottlands) das bis in das 20. Jh. führende Lehrbuch des schottischen Rechtes.

Lit.: Walker, D., The Scottish Legal System, 3. A. 1969, 171; Walker, D., The Scottish Jurists, 1985, 202

Erstbittrecht (lat. ius [N.] primariarum precum) ist das wohl nach dem Investiturstreit entstandene, 1191 erstmals belegte, seit 1437 allmählich an die Zustimmung des Papstes gebundene Recht des deutschen Königs (und dann auch der Landesherren) auf einen verbindlichen Besetzungsvorschlag für die erste nach seiner Krönung bzw. ihrem Herrschaftsantritt freigewordene Pfründe jedes Stiftes oder Klosters. Das E. ist zum Panisbrief zu trennen.

Lit.: Bauer, H., Das Recht der ersten Bitte, 1919; Feine, H., Papst, Erste Bitten und Regierungsantritt des Kaisers, ZRG KA 51 (1931), 1; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972, 387

Erstgeburt →Primogenitur

Ertränken ist die im gewaltsamen Untertauchen im Wasser bis zum Eintritt des Todes bestehende, vom Altertum bis in das 18. Jh. bekannte Form der Todesstrafe (ertränkt werden einerseits vor allem Frauen, andererseits die Täter von Diebstahl, Unter­schlagung, Notzucht, Doppelehe, Gottes­­lästerung  u. s. w.). Abgelehnt wird das E. von der Constitutio Criminalis Theresiana (Österreich 1768).

Lit.: Baltl/Kocher 127; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922

Erwählter römischer Kaiser (lat. electus Romanorum imperator [M.]) ist seit dem 4./8. 2. 1508 (dem Scheitern der angestrebten Krönung Maximilians I. folgend) der die Unabhängigkeit von der Krönung durch den Papst ausdrückende Titel des →Kaisers des Heiligen römischen Reiches .

Lit.: Rabe, H., Reich und Glaubensspaltung, 1989; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 24 III 1

Erwerb (1378, Erwerbsgeschäft 1795) ist das durch Verhalten Erlangen und das durch Verhalten Erlangte.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Erzamt (14. Jh., lat. [N.] archiofficium) ist die aus dem frühmittelalterlichen Hofamt der Stammesherzöge im Laufe des Mittelalters (Erzkanzler 10. Jh.) entwickelte, 1356 den sieben Kurfürsten für die Kurländer zugeteilte und später zahlenmäßig noch erweiterte oberste Reichswürde (Erzkanzler für das Reich [Mainz], Italien [Köln], Burgund [Trier], Erztruchsess [Pfalzgraf bei Rhein, dann Bayern, dann Hannover], Erzmarschall [Sachsen], Erzkämmerer [Brandenburg], Erz[mund]schenk [Böhmen]).

Lit.: Buchner, M., Die Entstehung der Erzämter, 1911; Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main 1970; Wolf, A., Die Entstehung des Kurfürstenkollegs 1198-1298, 1998, 2. A. 2000; Erkens, F., Kurfürsten und Königswahl, 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter, hg. v. Moraw, P., 2002; Ertl, T., Alte Thesen und neue Theorien zur Entstehung des Kurfürstenkollegiums, ZHF 30 (2003), 619ff.

Erzberger, Matthias (Buttenhausen/Württem­berg 20. 9. 1875-bei Bad Griesbach/Schwarz­wald 26. 8. 1921) wird 1903 für die (katholische) Zentrumspartei als jüngster Abgeordneter in den Reichstag gewählt und unterzeichnet als Staatssekretär der Regierung Prinz Max von Baden am 11. 11. 1918 den Waffenstillstand zur Beendigung des ersten Weltkriegs für das deutsche Reich. Als Reichsfinanzminister (20. 6. 1919) setzt er eine umfassende Reichsfinanzreform durch, muss aber wegen nur teilweise entkräfteter Bereicherungsvorwürfe am 12. 3. 1920 zu­rücktreten. Bei einem Spaziergang wird er von Nationalisten erschossen.

Lit.: Epstein, K., Matthias Erzberger, 1962; Möller, A., Reichsfinanzminister Matthias Erzberger, 1971; Huber-Stentrup, E., Der Mord an Matthias Erzberger, JuS 1981, 246ff.; Haehling von Lanzenauer, R., Der Mord an Matthias Erzberger, 2008

Erzbischof (lat. [M.] archiepiscopus) ist in der katholischen (seit dem 3. Jh. n. Chr.) (sowie in der anglikanischen, schwedischen und fin­nischen) Kirche der Titel des Leiters einer Kirchenprovinz (Erzbistum).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972

Erzherzog ist die durch das gefälschte lat. →privilegium (N.) maius (um 1358) entwickelte, 1442 von Friedrich III. bestätigte und 1453 von den Kurfürsten gebilligte Titulatur des Herzogs von →Österreich (1804 Kaiser).

Lit.: Baltl/Kocher; Lhotsky, A., Privilegium maius, 1957

Erziehung

Lit.: Schwanke, B., Die verfassungsrechtliche Entwick­lung der staatlichen Erziehungsrechte und der allgemei­nen Schulpflicht, 2010; Schreiber, H., Im Namen der Ordnung - Heimerziehung in Tirol, 2010

Erzkanzler ist der Inhaber der obersten, auf das Schreibwesen bezogenen Würde im Heiligen römischen Reich . Dies ist seit dem 9./10. Jh. (für das Reich) der Erzbischof von Mainz (, für Italien seit 1031 der Erzbischof von Köln und für Burgund bzw. lat. [F.] Gallia seit 1308 der Erzbischof von Trier).

Lit.: Seeliger, G., Erzkanzler und Reichskanzler, 1889; Bärmann, J., Zur Entstehung des Mainzer Erzkanzleramtes, ZRG GA 75 (1958), 1; Der Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler, hg. v. Hartmann, P., 1997

Eschwege

Lit.: Eckhardt, A., Eschweger Zunftverfassung und hessische Zunftpolitik, 1964; Eckhardt, K., Eschwege, 1964; Heinemeyer, K., Der Königshof Eschwege in der Germar-Mark, 1970

Eselreiten ist die aus Ostrom über Italien in das Heilige römische Reich kommende, für die Neuzeit bezeugte, teils (für Frauen) auf einem lebenden Esel, teils (für Soldaten) auf einem hölzernen Gestell mit scharfer Oberkante ausgeführte →Ehrenstrafe.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 2, 318; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, 1920; Künßberg, R., Rechtliche Volkskunde, 1936; Lentz, M., Konflikt, Ehre und Ordnung, 2004

Esmein, Adhémar (Touvérac 1. 2. 1848-Paris 22. 7. 1913) wird nach dem Rechtsstudium in Paris und Lehrtätigkeiten in Douai und Paris 1890 Professor für Rechtsgeschichte Frank­reichs (1892 Cours élémentaire d’histoire du droit français, daneben weitere Grundrisse und Einzelarbeiten).

Lit.: Weiss, A., Notice sur la vie et les travaux de Adhémar Esmein, (in) Séances et travaux de l’Académie des sciences morales 87, 1917, 437

Essen

Lit.: Ribbeck, K., Geschichte der Stadt Essen, 1915; Vries, R. de, Die Landtage des Stiftes Essen, 1934; Stift Essen, die große Vogteirolle des Grafen Friedrich von Isenberg-Altena um 1220, hg. v. Bentheim-Tecklenburg-Rheda, M. Graf zu, 1955; Brand, J., Geschichte der ehemaligen Stifter Essen und Werden während der Übergangszeit, Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 86 (1971); Gründerjahre, hg. v. Borsdorf, U. u. a., 2005

Esslingen

Lit.: Maier, K., Das Strafrecht der Reichsstadt Esslingen, Diss. jur. Tübingen 1960; Kirchgässner, B., Wirtschaft und Bevölkerung der Reichsstadt Esslingen im Spätmittelalter, 1964; Arold, J., Das Erbrecht der Reichsstadt Esslingen, 1965; Kittelberger G., Der Adelberger Freihof in Esslingen, 1970; Jerouschek, G., Die Hexen und ihr Prozess, 1992

Estland ist der am Ostrand der mittleren Ostsee südlich Finnlands gelegene nordosteuropäische Staat mit der Hauptstadt Reval bzw. Talinn. E. geht auf ein von den finno-ugrischen Esten besiedeltes Gebiet am Finnischen und Rigaischen Meerbusen zurück, das 1207/1227 vom Schwertbrüder­orden und Dänemark erobert wird und bis 1346 an den →Deutschen Orden gelangt. 1315 entsteht unter dem Einfluss niederdeutscher Siedler das waldemar-erichsche Lehnrecht und das älteste livländische Ritterrecht. Das Recht der deutschen Herrschaftsschicht folgt dem Recht des Heiligen römischen Reiches, während die abhängigen Bauern nach ungeschriebenem Gewohnheitsrecht leben. 1561 (Norden)/1580 fällt das Gebiet an Schweden, das die Reformation einführt und in Dorpat eine Universität gründet. 1710/1721 kommt das Land (mit rund 430 Rittergütern etwa 160er landtagsfähiger Familien) an →Russland und wird dort im 19. Jh. verstärkt russifiziert. 1864 wird das liv-, est- und kurländische Privatrecht in einem von Friedrich Georg von →Bunge erarbeiteten, zu mehr als der Hälfte römischrechtlich geprägten Gesetzbuch (Pro­vinzialrecht des Ostsee­gouvernements Russ­lands, rund 4600 Bestimmungen) nie­derge­legt, das dem Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) nahesteht und in E. bis 1945 gilt. Das Gerichtswesen wird 1889 moder­nisiert. Die am 24. 2. 1918 aus­gerufene baltische Republik E. (Straf­gesetzbuch 1929/1935, Entwurf eines Zivilgesetzbuchs 1936), in der 1939 die Deutschbalten ausgesiedelt werden, wird am 6. 8. 1940 der das sowjetische Recht in Kraft setzenden Sowjetunion eingegliedert (1941-1944 vom deutschen Reich besetzt), am 6. 9. 1991 aber von der Sowjetunion wieder als unabhängig anerkannt. Das sowjetische Recht wird danach unter Verwendung deutscher Vorbilder vor allem im Privatrecht und Strafrecht durch eigenes Recht ersetzt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bunge, F. v., Einleitung in die liv-, est- und kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Schmidt, O., Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Kraus, H., Grundriss der Geschichte des estnischen Volkes, 1935; Wedel, H. v., Die estländische Ritterschaft, 1935; Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,545, 3,2,2076; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt der Mächte, Nordeuropäische Studien Bd. 11, 1997; Ludwig, K., Estland, 1999; Deutsch-estnische Rechtsfragen, hg. v. Recker, N. v., 2003; Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005; Modernisierung durch Transfer im 19. und frühen 20. Jahrhundert, hg.v. Giaro, T., 2006; Modernisierung durch Transfer zwischen den Weltkriegen, hg. v. Giaro, T., 2007; Luts-Sootak, M., Der Fall Estland, ZRG GA 125 (2008), 276; Donnert, E., Agrarfrage und Aufklärung in Lettland und Estland, 2008

Estoppel (Verschweigung) ist im englischen Verfahrensrecht die Unzulässigkeit der Rechtsausübung (aus einem übergeordneten Grund). Die älteste Erscheinungsform der von frz. étouffer (vertuschen, niederschlagen) abgeleiteten Einrichtung zeigt sich in den Leges des englischen Königs Heinrich I. (um 1118), nach denen der Inhalt von Eintragungen in die Urkundenrolle (ne. record) des Königsgerichts nicht bestritten werden kann. Um die Mitte des 15. Jh.s ist dann anerkannt, dass Urteile zuständiger Gerichte in ihren rechtserheblichen Feststel­lungen von den Parteien und ihren Rechtsnachfolgern nicht angegriffen werden können (e. by record). Daneben erscheint seit dem Ende des 13. Jh.s der Satz, dass eine Erklärung, die in einer unter Handsiegel abgegebenen Urkunde (ne. deed) enthalten ist, von dem nicht bestritten werden kann, dessen Handschrift und Siegel die Urkunde trägt, sofern die Urkunde rechtlich wirksam ist (e. by deed). Seit dem 15. Jh. ist die vielleicht hieraus abgeleitete Regel bezeugt, dass eine Partei, die eine im Lande (mengl. pays) weithin bekannt gewordene Rechtshandlung vorgenommen hat, eine ihr notwendig als Voraussetzung dienende Tatsache (z. B. Mietvertrag für Mietzahlung) nicht bestreiten darf (e. by in pais, daraus entwickelt e. by conduct, e. by representation). In der Folge wird das Prinzip des e. erheblich verfeinert und wirkt über das englische Recht hinaus. E. wird nicht vom Richter von Amts wegen berücksichtigt, sondern nur auf Vortrag der Partei.

Lit.: Riezler, E., Venire contra factum proprium, 1912, 55; Holdsworth, W., History of English Law, 9 1926; Cohn, E., Die materielle Rechtskraft im englischen Recht, FS H. Nipperdey 1965, Bd. 1, 875­,

Estor, Johann Georg (Schweinsberg/­Hessen 8. 6. 1699-Marburg 25. 10. 1773) wird nach dem Studium des Rechtes und der alten Sprachen in Gießen, Jena (1719) und Halle (Johann Peter von Ludewig, Nikolaus Hiero­nymus Gundling) in Gießen 1726 außer­ordentlicher und 1728 ordentlicher Professor und promoviert. 1734 wechselt er nach Jena, 1742 nach Marburg. Seine dreibändige bürgerliche Rechtsgelehrsamkeit der Teut­schen (1757) enthält erstmals eine sys­tematische Zusammenstellung des gesamten geltenden einheimischen deutschen Rechtes und beeinflusst wie auch das übrige Werk Estors Schüler Johann Stephan Pütter.

Lit.: Sippel, C., J. G. Estor, 1874; 650 Jahre Stadt Schweinsberg, 1982; Buschmann, A., J. G. Estors System der bürgerlichen Rechtsgelehrsamkeit der Teutschen, (in) Wirkungen europäischer Rechtskultur, 1997, 77ff.; Buschmann, A., Estor, Pütter, Hugo, (in) Festgabe Elmar Wadle, 2004, 75ff.

états généraux (franz.) Generalstände (1468)

Ethik (F.) Sittenlehre

Lit.: Lexikon der Ethik, hg. v. Höffe, O., 5. A. 1997; Hauskeller, M., Geschichte der Ethik, 1999

Ethnologie (F.) Völkerkunde (völkerkundliche Berichte antiker Autoren seit Hekataios von Milet 500 v. Chr., wissenschaftliche Ethnologie 19. Jh. mit Suche evolutionärer Gesetzmäßigkeiten, Feld­forschung einfacher Stammesgesell­schaf­ten, Ethnographie traditioneller Streitschlich­tungsverfahren, Rechtspluralismus)

Lit.: Post, A., Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft auf vergleichender ethnologischer Basis, Bd. 1f. 1880f., Neudruck 1995; Thurnwald, R., Werden, Wandel und Gestaltung des Rechts, 1934; Pospisil, L., Anthropology of Law, 1971; Moore, S., Law as process, 1978; Newman, K., Law and economic organization, 1983; Kohl, K., Ethnologie, 1993; Rouland, N., Legal anthropology, 1994; Fikentscher, W., Modes of thought, 1995, 2. A. 2004; Streck, B., Vom Wissen der Ethnologie, 1997; Panoff, M./Perrin, M., Taschenwörterbuch der Ethnologie, 3. A. 1999; Wörterbuch der Ethnologie, hg. v. Streck, B., 2. A. 2000; Kaschuba, W., Einführung in die europäische Ethnologie, 2. A. 2003; Gingrich, A./Schweitzer, P., Geschichte der deutschsprachigen Ethnologie, 2004; Petermann, W., Die Geschichte der Ethnologie, 2004

Etrusker ist der Angehörige eines vielleich vor den Römern und neben den Römern in Mittelitalien (Toskana) ansässigen, hochste­henden, im 8. Jh. v. Chr. sichtbaren, aber nicht näher bekannten, mit seinen letzten Stadtstaaten 89 v. Chr. in das römische Bürgerrecht aufgenommenen Volkes.

Lit.: Pfiffig, A., Einführung in die Etruskologie, 4. A. 1991; Torelli, M., Die Etrusker, 1988; Heurgon, J., Die Etrusker, 1993; Cristofani, M., Die Etrusker, 1995; Aigner-Foresti, L., Die Integration der Etrusker, 1998; Briquel, E., La civilisation étrusque 1999; Falchetti, F. u. a., Die Etrusker, 2001; Aigner-Foresti, L., Die Etrusker und das frühe Rom, 2003, 2. A. 2009; Entstehung von Staat und Stadt bei den Etruskern, hg. v. Aigner-Foresti, L u. a., 2006; Aigner-Foresti, L., Die Etrusker, 2010; Kulte - Riten - religiöse Vorstellungen bei den Etruskern und ihre Auswirkungen auf Politik und Gesellschaft, 2012

Etter ist der (aus lebenden Gewächsen geflochtene) Zaun, der im Mittelalter die dörfliche Wohnsiedlung oder die einzelne Hofstatt (tatsächlich bzw. rechtlich) vom Umland trennt.

Lit.: Köbler, WAS; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 74; Lieberich, H., Etterrecht und Ettergerichts­barkeit in Bayern, Z. f. bay. LG. 21 (1958), 472ff.

Etymologie ([F.] Wahrheitslehre) ist die seit dem 5. Jh. v. Chr. bei den Griechen erkennbare Lehre vom Ursprung (gr. etymon, Stammwort) eines Wortes, die bei der Aufklärung der Entwicklungs­geschichte der sprachlichen Ein­heiten hilfreich ist.

Lit.: Klinck, R., Die lateinische Etymologie des Mittelalters, 1970; Seebold, E., Etymologie, 1981; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995

Eugenik (F.) Erbgesundheitslehre

Lit.: Roth, A./Schlatmann, B., Eugenik im Recht, (in) Themen juristischer Zeitgeschichte (1) Schwer­punktthema - Recht und Nationalsozialismus, hg. v. Düwell, F. u. a., 1998, 152; Schneider, C., Die Verstaatlichung des Leibes, 2000; Merkel, C., „Tod den Idioten“, 2006; Wie nationalsozialistisch ist die Eugenik? hg. v. Wecker, R. u. a., 2008; Westermann, S., Verschwiegenes Leid, 2010 (mehr als 300000 Zwangssterilisationen im Deutschen Reich zwischen 1933 und 1945); The Oxford Handbook of the History of Eugenics, hg. v. Bashford, A. u. a., 2010

Euratom (F.) Europäische Atomgemein­schaft

Eurich (um 440?-484) ist der westgotische König (466) mit königlichem Vater (Theoderich I.), der große Gebiete erobert und dem der →Codex Euricianus (um 475) zugeschrieben wird. →Gote

Lit.: Köbler, DRG 80; Stroheker, K., Eurich, 1937; El Codigo del Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960

Euro ist die seit 1. 1. 2002 in der seinerzeitigen Mehrzahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltende Währungs­einheit.

Lit.: Grosjean, R., Was passiert mit unserem Geld?, 2003; Schön, G., Euro Mümzkatalog, 13. A. 2014; Die Euro-Münzen, bearb. v. Sonntag, K., 11. A. 2012, 13. A. 2013

Europa ist (die von Zeus in der Gestalt eines Stieres entführte Frau der grie­chischen Mythologie und namensgleich) die tief gegliederte westliche Halbinsel Asiens zwischen Atlantik und Ural (str., 10,5 Mill. qkm). In vielen Beziehungen entwickelt sich E. seit dem Altertum ver­hältnismäßig über­einstimmend. Insbeson­dere wird in zahlreichen Gebieten seit dem Mittelalter das römische Recht des Altertums wieder aufgegriffen (→Re­zeption). Auch Kirchenrecht, Aufklärung und Vernunftrecht wirken vereinheit­li­chend. Im 19. Jh. wird E. zu einem überlegenen Raum des Fortschritts, aus dem die im Nationalstaat eingebundene Gesellschaft zum Zugriff auf die übrige Welt ausreichende Mittel zur Verfügung stellt und zur kriegerischen Auseinan­dersetzung bereit ist. 1923 begründet der Schriftsteller Richard Nikolaus Graf Couden­hove-Kalergi (Tokio 17. 11. 1894-Schruns 25. 7. 1972) eine Paneuropa-Be­wegung (1947 Europäische Parlamentarier Union, später Reorganisation der Pan­europa-Bewegung). Zu einer festeren Ausbildung einheitlichen Rechtes kommt es jedoch erst seit den zur Vermeidung weiterer Kriege (vor allem zwischen Frankreich und Deutschland geschaffenen) Europäischen Gemeinschaf­ten der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (1951/1952/­1957, Europäische Union 1993, „Verfassung“ 2003/2004/­2007/­2008/­2009).

Lit.: Coudenhove-Kalergi, R. Graf, Paneuropa 1923, 4. A. 1926; Dawson, C., The Making of Europe, 1932; Reynold, G. de, L’Europe tragique, 1934; Reynold, G. de, La formation de l’Europe, 1942ff.; Curtius, E., Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, 1947, 5. A. 1965; Ritter, G., Europa und die deutsche Frage, 1948; Ritter, G., Die Neugestaltung Europas im 16. Jahrhundert, 1950; Chabod, F., Storia dell’idea di Europa, 1961; Foerster, R., Die Idee Europas 1300–1946, 1963; Koschaker, P., Europa und das römische Recht, 1947, 4. unv. A. 1966; Bosl, K., Frühformen der Gesellschaft im mittelalterlichen Europa, 1964; Vanderlinden, J., Le concept de code en Europe occidentale, 1967; Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Gerhard, D., 1969; Bosl, K., Europa im Mittelalter, 1970; Wagner, W., Europa zwischen Aufbruch und Restauration, 2. A. 1972; Luig, K., Zur Verbreitung des Naturrechts in Europa, TRG 40 (1972), 539; La formazione storica del diritto moderno in Europa, Bd. 1ff. 1977; Craig, G., Geschichte Europas im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 1f. 1978; Schoenberger, Der gelbe Stern, 1978; Diritto Comune e diritti locali nella storia dell’Europa, 1980; Gerhard, D., Old Europe, 1981; Bleckmann, A., Europarecht, 6. A. 1997; Geschichte der Ver­waltungs­rechtswissenschaft in Europa, hg. v. Heyen, E., 1982; Eichler, H., Verfassungsbewegungen in Amerika und Europa, 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ambrosius, G./Hubbard, W., Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Europas im 20. Jahrhundert, 1986; Lansky, R., Biblio­graphisches Handbuch der Rechts- und Verwaltungs­wissenschaften, Bd. 1 Allgemeines und Europa, 1987; Republiken und Republikanismus im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Königsberger, H., 1988; Verosta, S., Kollektivaktionen der Mächte des europäischen Konzerts (1866-1914), 1988; Willoweit, D., Aufgaben und Probleme einer europäischen Verfassungs­geschichtsschreibung, 1990; Towards the United States of Europe, ed. by Ransome, P., 1991; Schulze, R., Die europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, 1991; Propyläen Geschichte Europas, Bd. 1ff. 1992f.; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 1992, 2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Le Goff, J., Das alte Europa, 1994; Europaideen im 18. und 19. Jahrhundert in Frankreich und Zentraleuropa, hg. v. Reinalter, H., 1994; Fontana, J., Europa im Spiegel, 1995; Europa im Blick der Historiker, hg. v. Hudemann, R., 1995; Craig, G., Geschichte Europas, 1995; Europa im Umbruch 1750-1850, hg. v. Albrecht, D. u. a. 1995; Brown, P., Die Entstehung des christlichen Europa, 1996; Brandstetter, G., Chronologisches Lexikon der europäischen Integration, 1996; Bartett, R., Die Geburt Europas, 1996; Davies, N., Europe, 1996; Europäische Geschichte als historisches Problem, hg. v. Duchardt, H. u. a., 1997; Das europäische Geschichtsbuch, hg. v. Delouche, F., 1998; Siedler, Geschichte Europas, Bd. 1ff. 1998ff.; Mieck, I., Europäische Rechtsgeschichte der frühen Neuzeit, 1998; Möller, H., Europa zwischen den Weltkriegen, 1998; Neumann, T., Die europäischen Integrationsbestrebungen in der Zwischen­kriegszeit, 1999; Die Entstehung des modernen Europa, hg. v. Mörke, O. u. a., 1998; Schneider, R., Europas Einigung und das Problem Deutschland, 1999; Salewski, M., Geschichte Europas, 2000; Schümer, D., Das Gesicht Europas, 2000; Demel, W., Europäische Geschichte des 18. Jahrhunderts, 2000; Prinz, F., Von Konstantin zu Karl dem Großen, 2000; Schmale, W., Geschichte Europas, 2000; Bade, K., Europa in Bewegung, 2000; Schulz, G., Europa und der Globus - Staaten und Imperien seit dem Altertum, 2001; Vom Mittelmeer zum Atlantik, hg. v. Feldbauer, P. u. a., 2001; Segl, P., Byzanz. Das andere Europa, 2001; Zimmermann, R., Roman Law, Contemporary Law, European Law, 2001; Seibt, F., Die Begründung Europas, 2002; Borgolte, M., Europa entdeckt seine Vielfalt, 2002; Fisch, J., Europa zwischen Wachstum und Gleichheit 1850-1914, 2002; Bernecker, W., Europa zwischen den Weltkriegen 1914-1945, 2002; Seibt, F., Die Begründung Europas, 2002; Caenegem, R. van, European law, 2002; Brunn, G., Die europäische Einigung, 2002; Mitterauer, M., Warum Europa? 2003; Vogler, G., Europas Aufbruch in die Neuzeit 1500-1650, 2003; Duchhardt, H., Europa am Vorabend der Moderne 1650-1800, 2003; Reinhard, W., Lebensformen Europas, 2004; Le Goff, J., Die Geburt Europas im Mittelalter, 2004; James, H., Geschichte Europas im 20. Jahrhundert, 2004; Altrichter, H. u. a., Geschichte Europas im 20. Jahrhundert, 2004; Kleines Europa-Lexikon, hg. v. Gruner, W. u. a., 2004; Grabmayer, J., Europa im späten Mittelalter 1250-1500, 2004; Europa und seine Regionen. 2000 Jahre europäische Rechtsgeschichte, hg. v. Bauer, A. u. a., 2004; Gruner, W./Woyke, W., Europa-Lexikon, 2004; Postel, V., Die Ursprünge Europas, 2004; Reale, G., Kulturelle und geistige Wurzeln Europas, 2004; Landwehr, A./Stockhorst, S., Einführung in die europäische Kulturge­schichte, 2004; Etappen auf dem Weg zu einer europäischen Verfassung, hg. v. Hummer, W., 2004; Der europäische Konvent und sein Ergebnis. Eine europäische Verfassung, hg. v. Busek, E. u. a., 2004; Eine Verfassung für Europa, hg. v. Beckmann, K. u. a., 2004; Der Konvent zur Zukunft der Europäischen Union, hg. v. Mantl, W. u. a., 2004; Ehlers, J., Das westliche Europa, 2004; Weiler, J., Ein christliches Europa, 2004; Schuller, W., Das erste Europa, 2004; Langewiesche, D., Europa zwischen Restauration und Revolution 1815-1849, 4. A. 2005; Blanning, T., Das alte Europa 1660-1789, 2005; Nolte, H., Weltgeschichte, 2005; Conze, V., Das Europa der Deutschen, 2005; Petersen, T., Europa – Eine Kulturgeschichte, 2006; Elvert, J., Die europäische Integration, 2006; Borgolte, M., Christen, Juden, Muselmanen, 2006; Wyrwa, U., Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi, HZ 283 (2006), 102; Krüger, P., Das unberechenbare Europa, 2006; Europa im späten Mittelalter, hg. v. Schwinges, R. u. a., 2006; Gasteyger, C., Europa zwischen Spaltung und Einigung, 2006; Judt, T., Geschichte Europas, 2006; Boshof, E., Europa im 12. Jahrhundert, 2007; Chabert, G., L’idée euro­péenne, 2007; Blickle, P., Das alte Europa, 2008; Europa im Weltbild des Mittelalters. Kartographische Konzepte, hg. v. Baumgärtner, I. u. a., 2008; Kohler, A., Expansion und Hegemonie, 2008; Darwin, J., After Tamerlane, 2008; Gall, L., Europa auf dem Weg in die Moderne, 5. A. 2009; Liedtke, R., Geschichte Europas von 1800 bis zur Ge­genwart, 2009; Schorn-Schütte, L., Studienhandbuch frü­he Neuzeit Europäische Geschichte 1500-1789, 2009; Schorn-Schütte, L., Konfessionskriege und europäische Expansion, 2010; Dirlmeier, U. u. a., Europa im Spätmittelalter 1215-1378, 2. A. 2009; Schulz, M., Normen und Praxis, 2009; Winkler, H., Geschichte des Westens, 2009; Lundt, B., Europas Aufbruch in die Neuzeit 1500-1800, 2009; Doering-Manteuffel, A., Die deutsche Frage und das europäische Staatensystem 1815-1871, 3. A. 2010; Wesel, U., Geschichte des Rechts in Europa, 2010; How to (Re)Write European History, hg. v. Rathkolb, O., 2010; Schorn-Schütte, L., Konfessionskriege und europäische Expansion, 2010; Gehler, M., Europa, 2010; Schneid­mül­ler, Bernd, Grenzerfahrung und monarchi­sche Ordnung - Europa 1200-1500, 2011; Wirsching, A., Der Preis der Freiheit, 2012; Prettenthaler-Ziegerhofer, A., Europäische Integrationsrechtsgeschichte, 3. A. 2012; Neue Wege in ein neues Europa, hg. v. Koopmann, M. u. a., 2012; Fuhrer, A. u. a., Eine Freundschaft für Europa, 2013; Fenske, H., Der Anfang vom Ende des alten Europa, 2013; Europäische Einigung im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Lappenküper, U. u. a., 2013; Prettenthaler-Ziegerhofer, A., Verfass­ungs­geschichte Europas, 2013; Langewieschew, D., Das Jahrhundert Europas, HZ 296 (2013), 29

Europäische Atomgemeinschaft (Eura­tom) ist die (nach Scheitern einer europäischen politi­schen Gemeinschaft und einer europäischen Verteidigungsge­meinschaft an der Ablehnung durch die Nationalver­samm­lung Frankreichs 1954) am 25. 3. 1957 zwecks gegenseitiger Kontrolle geschaffene Gemeinschaft europäischer Staat­en (zunächst Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien, Luxemburg) in Angelegenheiten der Kernspaltung. →Europäische Gemein­schaft

Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996; Blockmans, W., Geschichte der Macht in Europa, 1998

Europäische Freihandelsassoziation (EF­TA)­ (oder Europäische Freihandelszone) ist der am 4. 1. 1960 in Stockholm gegründete Zusam­menschluss siebener europäischer Staaten (Großbritannien, Irland, Dänemark [alle bis 1973], Portugal [bis 1985], Finnland [1961/1986], Schweden, Österreich [alle bis 1994], Schweiz, Island (1970), Norwegen, Liechtenstein [1991]). Die Bedeutung der Euro­päischen Freihandelsassoziation ist infolge des Eintritts der wichtigsten Mitglieder in die →Europäische(n) Gemein­schaft(en) bzw. Europäische Union und der Gründung eines europäischen Wirtschafts­raums (1994, Liechtenstein 1. 5. 1995) gering.

Europäische Gemeinschaft ist die 1993 (Vertrag von Maastricht 7. 2. 1992) durch Umbenennung aus der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft entstehende europä­ische Gemeinschaft.

Lit.: Köbler, DRG 246, 248; Geiger, R., EG-Vertrag, 2. A. 1995

Europäische Gemeinschaft(en) sind die Europäische Atomgemeinschaft (25. 3. 1957), die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (18. 4. 1951-2002) und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (25. 3. 1957) mit jeweils eigener Rechtspersönlichkeit. Sie haben seit dem Abkommen über gemeinsame Organe der Europäischen Gemeinschaften vom 25. 3. 1957 ein gemeinsames Parlament und einen gemeinsamen Gerichtshof, und seit dem sie zu den Europäischen Gemeinschaften zusammenschließenden Fusi­ons­vertrag (8. 4. 1965 unterzeichnet, 1. 1.1967 in Kraft ge­treten) eine gemeinsame Kommission, einen gemeinsa­men Rat und einen gemein­samen Rechnungshof. 1973 werden die europäischen Gemeinschaften um Dänemark, Großbri­tannien und Irland er­weitert (Norderwei­terung), 1981 um Griechenland, 1986 um Portugal und Spanien (Süderweiterung). Zum 7. 2. 1992 (Vertrag von Maastricht/­Niederlande) werden sie zur →Europäischen Gemeinschaft zusammenge­schlossen, die 1993 in Euro­päische Union umbenannt wird (am 1. 11. 1993 in Kraft getretener Vertrag [von Maastricht] über die europäische Union). Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. 12. 2009 ist die Europäische Union Rechts­nachfolgerin der Europäischen Ge­mein­schaft.

Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996; Rothacher, A., Diue Kommissare, 2012

Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl ist die auf der Grundlage eines Plans Robert Schumans als Außenminister Frankreichs vom 9. 5. 1950 am 18. 4. 1951 zwecks Kontrolle der deutschen Rüstungs­industrie zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg unter Übertragung einzelstaatlicher Hoheitsrechte für die Montan­industrie (Kohle, Eisenerz) verein­barte und später um zusätzliche Mitglieder erweiterte internationale Gemein­schaft (Monta­nunion mit hoher Behörde, Rat, Versammlung und Gerichtshof). In ihrem Rahmen wird auf der Konferenz von Messina am 1./2. 6. 1955 die Einsetzung von Arbeits­gruppen zur Bildung weiterer europäischer Gemeinschaften beschlossen, deren Tätigkeit die Grundlage für die römischen Verträge vom 25. 3. 1957 über die europäische Atomgemeinschaft und die europäische Wirtschaftsgemeinschaft bildet. Der am 23. Juli 2002 ausgelaufene Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl ist nicht erneuert und der Kohle- und Stahlsektor dem Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft unterstellt.

Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996

Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ist der auf der Grundlage der Menschenrechts­er­klärung der Vereinten Nationen vom 10. 12. 1948 vom →Europarat 1950 ausgearbeitete, in Rom am 4. 11. 1950 von 13 Staaten (Bel­gien, Dänemark, Deutschland, Frank­reich, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Türkei und Groß­britannien) unterzeichnete, 1952 von der Bundesrepublik Deutschland als Gesetz angenommene, am 3. 9. 1953 allgemein in Kraft getretene, 1957 von Österreich mit Verfassungsrang und inzwischen von allen Staaten Europas anerkannte völkerrecht­liche, um (14) Zusatzprotokolle ergänzte Vertrag, der in allen der Herrschaft der angeschlossenen Staaten unterstehenden Län­dern die grundl­egenden menschlichen Freiheiten sichern will. Dazu sind (bis 1998) eine Europäische Kommission für Menschenrechte und ein Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz in Straßburg gebildet.

Lit.: Seidel, P., Der Rang der Europäischen Men­schenrechtskonvention in den Mitgliedstaaten, DVBll. 1975, 747; Frowein, J./Peukert, W., Europäische Menschenrechtskonvention, 2. A. 1997; Grabenwarter, C., Europäische Menschrechtskonvention, 3. A. 2008

Europäischer Gerichtshof in Luxemburg ist der gemeinsame Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bzw. →Europäischen Union, der die einheitliche Anwendung, Auslegung und Fortbildung des Europäischen Unionsrechts sichern soll.

Lit.: Kenke, U., Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, 1989; Drewes, E., Entstehung und Entwicklung des Rechtsschutzes vor den Gerichten der Europäischen Gemeinschaften, 2000; Davies, B., Resisting the European Court of Justice, 2012

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte ist das gemäß der →Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte in Straßburg errichtete Gericht, das über die Einhaltung der in der Konvention gewährleisteten Menschenrechte wacht und von den Mitgliedstaaten oder der Europäischen Kommission für Menschen­rechte (, an die sich Bürger wenden müssen,) mit einem Fall befasst werden kann. 1998 wird der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als ständiger Gerichtshof neu geordnet.

Lit.: Polakiewicz, J., Die Verpflichtungen der Staaten aus den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 1994; Haß, S., Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 2006

Europäischer Rat ist das aus den Ministerpräsidenten der Mitgliedstaaten der →Europäischen Union gebildete, die Richtlinien der Politik der Europäischen Union bestimmende Organ.

Europäischer Wirtschaftsraum (EWR) ist der in Verhandlungen zwischen der →Europäischen Gemeinschaft und den Staaten der Europäischen Freihandelszone verein­barte, 1994 mit Österreich, Schweden, Finnland (bis 31. 12. 1994), Norwegen und Island in Kraft getretene einheitliche europäische Wirtschaftsraum, dem die Staaten der Europäischen Union und Island, Norwegen und Liechtenstein angehören.

Lit.: Streit, A., Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, NJW 1994, 555

Europäisches Gemeinschaftsrecht ist das besondere, zwischen Völkerrecht und staatlichem Recht angesiedelte Recht der Europäischen Gemeinschaft(en) bzw. der Europäischen Union. Es setzt sich zusammen aus dem zur Bildung der Europäischen Gemeinschaften geschaffe­nen Vertragsrecht (primäres E. G.) und dem von den Organen der Europäischen Gemeinschaften erlassenen Recht (sekundäres E. G.). Das Europäische Gemein­schaftsrecht gilt zum Teil unmittelbar in den einzelnen Mitgliedstaaten und hat dann Vorrang vor dem Recht des einzelnen Staates. Nicht E. G. ist das nationale, auf Grund gemeinsamen Beschlusses der Mitgliedstaaten geschaffene Recht.

Lit.: Nicolaysen, G., Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1979; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996

Europäisches Parlament (Versammlung) in Straßburg ist das gemeinsame parlamen­tarische Hauptorgan der →Europäischen Gemein­schaften bzw. Europäischen Union.

Lit.: Thöne-Wille, E., Die Parlamente der EG, 1984

Europäisches Recht ist das in →Europa geltende Recht. Ein in ganz Europa einheitlich geltendes Recht gibt es bis zur Gegenwart nicht. Vielmehr gilt im Altertum selbst das römische Recht nur innerhalb des römischen Weltreichs. Im Frühmittelalter stehen zahlreiche Rechte einzelner Völker, im Hochmittelalter und im Spätmittelalter viele territoriale Landrechte und Stadtrechte nebeneinander. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes in andere Rechte kommt es zwar ebenso zu einer gewissen Euro­päisierung wie mit der Anwendung des einheitlichen kirchlichen Rechtes im christianisierten Europa, doch gelten beide gelehrten Rechte grundsätzlich nur subsidiär zu partikularen Rechten. Deren Geltungs­gebiet erweitert sich mit der Bildung der europäischen Nationalstaaten. In sie finden zunehmend allgemeine Reformgedanken Eingang. Daneben wird e. R. erst im Rahmen der →Europäischen Gemeinschaften bzw. der Europäischen Union in größerem Ausmaß (für große Gebiete Europas einheitlich) geschaffen. →Europa­recht, Europäisches Gemeinschafts­recht

Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Kropholler, J., Europäisches Zivilprozessrecht, 1985, 7. A. 2002, 8. A. 2005; Schwarze, J., Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 1 1988; Vers un droit privé commun? – Skizzen zum gemein­europäischen Privatrecht, 1994; Europas universale rechtsordnungspolitische Aufgabe im Recht des dritten Jahrtausends, hg. v. Köbler, G. u. a., 2000; Jansen, N., Binnenmarkt, Privatrecht und europäische Identität, 2003; The need for a European contract law, hg. v. Smits, J., 2005; Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich, hg. v. König, B. u. a., 2007; Metzger, A., Extra legem - intra ius, 2009

Europäisches Währungssystem ist das auf einer Entschließung des Rates der →Europäischen Gemeinschaften beruhende Währungssystem mit dem seinerzeitigen Ziel, bis zum Jahre 1999/2002 zu einer stabilen Währungszone in Europa zu gelangen (Währungseinheit Euro).

Lit.: Scharrer, H./Wessels, W., Das Europäische Währungssystem, 1983

Europäische Union ist die durch den Vertrag von Maastricht/Niederlande am 7. 2. 1992 gegründete, zum 1. 11. 1993 unter Ergänzung um die Politikbereiche gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres aus der Europäischen Gemeinschaft bzw. den Eu­ropäischen Gemeinschaften entwickelte Ver­bindung (Staatenverbund) der europäischen Staaten Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien, Luxemburg (1951), Großbri­tannien (1973), Irland, Dänemark, Griechen­land, Spanien und Portugal, zu denen zum 1. 1. 1995 Österreich, Schweden und Finnland stoßen. Ihre (in der Form der Organleihe wirkenden [str.]) Organe sind Rat, Kommission, Versammlung und europäischer Gerichtshof. Zum 1. 5. 2004 wird die E. U. um Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Tschechische Republik, Ungarn, Slowenien, Malta und Zypern (Südzypern), zum 1. 1. 2007 um Rumänien und Bulgarien erweitert. Außerdem äußern die Türkei, Kroatien, Serbien, Albanien, Russland und andere Staaten einen Wunsch nach Mitgliedschaft. Die Staatsbürger der Mitgliedstaaten der europäischen Union (Unionsbürger 1993) dürfen sich der Freiheiten der Europäischen Union bedienen und sind im Wohnsitzstaat kommunal­wahlberechtigt. Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. 12. 2009 ist die Europäische Union Rechts­nachfolgerin der Europäischen Ge­mein­schaft.

Lit.: Sachwörterbuch zur Europäischen Union, hg. v. Monar, J. u. a., 1993; Kommentar zur Europäischen Union, hg. v. Grabitz, E. u. a., 2. A. 1994; Brandstetter, G., Chronologisches Lexikon der europäischen Integration, 1996; Dedman, M., The origins and development, 1996; Pfeil, W., Historische Vorbilder und Entwicklung des Rechtsbegriffs der „Vier Grundfreiheiten“, 1998; Die Europäische Union als Prozess, hg. v. Hrbek, R. u. a., 1998; Die Europäische Union als Akteur der Weltpolitik, hg. v. Schubert, K. u. a., 2000; Der Europäische Konvent und sein Ergebnis, hg. v. Busek, E. u. a., 2004; Butschek, F., Vom Staatsvertrag zur EU, 2004; Dinan, D., Europe Recast, 2004; Schönberger, C., Unionsbürger, 2006; Thurner, P., Die graduelle Konstitutionalisierung der Europäischen Union, 2006; Kristoferitsch, H., Vom Staatenbund zum Bundesstaat?, 2007; Vom gemeinsamen Markt zur Europäischen Unionsbildung, hg. v. Gehler, M., 2007; Fünfzig Jahre römische Verträge, hg. v. Schulze, R. u. a., 2008; Thiemeyer, G., Europäische Integration, 2009; Weidenfeld, W., Die Europäische Union, 2010; Callies, C., Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, 2010; Mangold, A., Gemeinschaftsrecht und deutsches Recht, 2011; Marschner, S., Die Geschichte und Entwicklung der Europäischen Union, 2011; Grüner, C., Quantität und Qualität der europäischen Rechtsetzung, 2011

Europäische Verteidigungsgemeinschaft ist die durch Gründungsvertrag am 27. 5. 1952 beschlossene, auch die Schaffung einer euro­päischen politischen Gemeinschaft vorsehen­de, am 30. 8. 1954 an der Ablehnung durch die Nationalversammlung Frankreichs gescheiter­te Verteidigungsgemeinschaft Deutschlands, Frankreichs, Italiens, der Niederlande, Belgi­ens und Luxemburgs mit europäischer Ge­meinschaftsarmee), deren Zielsetzung am 23. 10. 1954 in der Westeuropäischen Union fortgeführt wird.

Europäische Wirtschaftliche Interessenver­einigung ist die durch Verordnung des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 7. 1985 zur Verfügung gestellte Unternehmens­form. Sie beruht auf dem in Frankreich am 23. 9. 1967 als neue Gesellschaftsform geschaffenen Groupement d’Intérêt Economique.

Lit.: Bott, R./Rosener, W., Das Groupement d´Intérêt Economique, NJW 1970, 364; Hatzig, C., Die Europäische Wirtschaftliche Interessenver­einigung, 1990

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist die am 25. 3. 1957 zwischen Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg vereinbarte und später auf weitere Mitglieder ausgedehnte, eine allgemeine wirtschaftliche Untegration durch Herstellung eines gemeinsamen Marktes anstrebende eu­ropäische Gemeinschaft in Wirtschaftsangele­genheiten. Sie ist eine der →Europäischen Gemeinschaften. Nach Erweiterung ihrer Po­litiken (Aufgaben) durch die einheitliche Europäische Akte (1986) und den Vertrag von Maastricht (1992) wird sie in Europäische Gemeinschaft umbenannt.

Lit.: Kommentar zum EWG-Vertrag, hg. v. Grabitz, E., 1989; Thiemeyer, G., Vom „Pool Vert“ zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1999; Pitzer, F., Interessen im Wettbewerb, 2009; Patel, K., Europäisierung wider Willen, 2009; Ebert, V. u. a., Europa ohne Fahrplan?, 2010

Europarat (Sitz in Straßburg) ist der am 5. 5. 1949 in London von 10 Staaten (Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Schweden, Vereinig­tes Königreich von Großbritannien) errichtete völkerrechtliche Zusammenschluss zunächst westeuropäischer, seit 1990 zunehmend auch osteuropäischer Länder (1999 41 Mitglieder, als erste Kaukasusrepublik wird Georgien am 27. 4. 1999 41. Mitgliedsland des Europarates, 2007 47 Mitglieder) mit dem Ziel, eine engere allgemeine und wirtschaftliche Verbindung der Mitglied­staaten herzustellen. Die Organe sind das Ministerkomitee (der Außen­minis­ter), die beratende Versammlung (von Vertre­tern der Parlamente der Mitgliedstaaten) und das Ständige Sekretariat. Sie wirken haupt­sächlich durch Empfehlungen und Konven­tionen. Auf den E. gehen die →Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grund­freiheiten und der →Europäische Gerichtshof für Menschen­rechte zurück.

Lit.: Carstens, K., Das Recht des Europarates, 1956; Österreich im Europarat 1956-1986, hg. v. Hummer, W. u. a., 1988; Council of Europe, hg. v. Streinz, R., 2000; Winkler, G., Der Europarat und die Verfassungsautonomie seiner Mitgliedstaaten, 2005; Österreich im Europarat 1956-2006, hg. v. Hummer, W., 2008

Europarecht ist das gesamte, eine europäische Organisation betreffende Recht. Dement­sprechend wird zum E. im weiteren Sinn insbesondere das Recht des Nordatlantikpakts (NATO), der Westeuro­päischen Union (WEU), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), des →Europarats, der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und das →europäische Gemeinschaftsrecht gezählt. Im engeren Sinn ist E. nur das europäische Gemeinschaftsrecht (Unionsrecht).

Lit.: Bleckmann, A., Europarecht, 6. A. 1997; Streinz, R., Europarecht, 1994; Arndt, U., Europarecht, 1994; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996; Neueste Entwicklungen im Zusammenspiel von Europarecht und nationalem Recht der Mitgliedstaaten, hg. v. Hummer, W., 2010; Schwarze, J., Das Verhältnis von nationalem Recht und Europarecht im Wandel der Zeit, Bd. 1f. 2012f.

Euthanasie ist die bereits dem griechisch-römischen Altertum bekannte Sterbehilfe durch Arzneimittel. Sie wird insbesondere im Dritten Reich planmäßig für gesellschafts­politische Ziele verwendet (Euthanasiebefehl Adolf Hitlers von Ende Oktober 1939 mit [bis 24. 8. 1941] rund 100000 vergasten oder ver­hungerten Menschen „lebensunwerten Le­bens“).

Lit.: Nowak, K., Euthanasie und Sterilisierung im Dritten Reich, 2. A. 1980; Klee, E., „Euthanasie“ im NS-Staat, 1983; Schmuhl, H., Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie, 1987; Rainer, J., Zur Euthanasie, (in) Ethik und Recht, 1993, 19; NS-„Euthanasie“ vor Gericht, hg. v. Loewy, H. u. a., 1996; Bieber, E., Der Euthanasiebefehl Hitlers, 1996; Brass, C., Zwangssterilisation und „Euthanasie“ im Saarland 1935-1945, 2004; Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, hg. v. Riha, O., 2005; Die nationalsozialistische „Euthanasie“-Aktion „T4“, hg. v. Rotzoll, M. u. a., 2010; Hammon, K., Karl Binding, Alfred E. Hoche, 2011

evangelisch (Adj.) die Evangelien betreffend, protestantisch, lutherisch

Evangelisches Kirchenrecht ist das Recht der seit 1517 entstandenen evangelischen bzw. protestantischen Kirchen. Es baut auf dem →kanonischen Recht auf. Es unter­scheidet sich aber von diesem durch zahlreiche eigenständige Entwicklungen.

Lit.: Hinschius, P., Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten, Bd. 1ff. 1869ff., Neudruck 1959; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Eventualmaxime ist der Verfahrens­grundsatz, wonach eine Partei eines Zivilprozesses zur Vermeidung des Ausschlusses ihres gesamten Vortrags diesen einschließlich aller (denkbaren) Möglich­keiten bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Prozess einzubringen hat. Durch die Notwendigkeit des gleichzeitigen Vorbrin­gens aller Klagetat­sachen soll das Verfahren beschleunigt werden. Die E. gehört dem frühneuzeitlichen sächsischen Prozess an, wird aber vom französischen Prozess des beginnenden 19. Jh.s abgelehnt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155, 201; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Schulte, J., Die Entwicklung der Eventualmaxime, 1980

Evers, Johann Gustav (1781-1830), Professor für Rechtsgeschichte in Dorpat, stellt unter dem Einfluss Hegels 1826 in dem Werk „Das älteste Recht der Russen“ die Entwicklung des Rechtes in Russland vom patriarchalischen Zustand der bürgerlichen Gesellschaft bis zum Territorialstaat der Neuzeit dar.

Lit.: Grothusen, K., Die historische Rechtsschule Russlands, 1961

Eviktion (→Entwerung) ist die Wiederer­langung des Besitzes einer verkauften Sache durch den Berechtigten bzw. der Entzug des Besitzes auf Seiten eines Käufers. Im klassischen römischen Recht kann der Käufer einer dem Verkäufer nicht gehörigen (beweglichen) Sache gegen den Verkäufer grundsätzlich Schadensersatz wegen Nicht­er­füllung nur verlangen kann (lat. [F.] actio auctoritatis), wenn die Sache dem Käufer auf Grund eines dinglichen Rechtes im Rechtsstreit entzogen wird. Diese Gestaltung ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen.

Lit.: Kaser § 41 III 1; Söllner §§ 8, 9, 15; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 46; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 452

Evokationsrecht (lat. ius [N.] evocandi, zu lat. evocatio [F.] Amtsladung) ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht die Befugnis des Königs, jeden noch nicht entschiedenen Rechtsstreit vor sein Hofgericht zu ziehen. Seit dem 13. Jh. streben die Landesherren nach einem (lat.) privilegium (N.) de non evocando. Dieses wird 1356 den Kurfürsten allgemein erteilt. In der Folge verlagert sich die Gerichtsbarkeit auf die Länder, 1487 wird das E. des Königs beseitigt.

Lit.: Kaser § 87; Köbler, DRG 114; Eisenhardt, U., Die Rechtswirkung der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86 (1969), 97

Ewa (F.) ist die althochdeutsche Bezeichnung (8. Jh.) für das (objektive) Recht (lat. [F.] lex). Die Etymologie des nur westgermanisch (ahd., mhd., as., afries., ae.) verbreiteten Wortes ist streitig (zu aind. éva, Lauf, Gang, Gewohnheit, zu lat. aevum, Ewigkeit, zu lat. aequum, Billigkeit, zu lat. ius?). Der Bezug zum religiösen Kult könnte unter dem Einfluss des Christentums entstanden sein (altiu ewa, lat. testamentum vetus). Im 13. Jh. engt e. seine Bedeutung auf (rechtmäßige) →Ehe ein.

Lit.: Köbler, DRG 80; Köbler, WAS; Weisweiler, J., Bedeutungsgeschichte, Linguistik und Philologie, (in) Stand und Aufgaben der Sprachwissenschaft, 1924, 419; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Seebold, E., Etymologie, 1981, 89; Schmidt-Wiegand, R., Recht und ewa, (in) Althochdeutsch, hg. v. Bergmann, R. u. a., 1987, 937

Ewa Chamavorum ist das Volksrecht (lat. [F.] lex) des fränkischen Teilstamms der an der Zuidersee siedelnden Chamaven (Ewa quae se ad Amorem habet). Es ist in zwei Handschriften überliefert und in 48 knappe Kapitel gegliedert. Vielleicht wird es 802/803 in Aachen durch einen Königsboten erfragt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953

Ewiger Landfriede ist der am 7. 8. 1495 in Worms von König Maximilian mit Rat der Reichstände auf der Grundlage von Land­frieden von 1486, 1474, 1471 und 1442 (sowie [1356 und] 1235) erlassene, dauerhafte Geltung beanspruchende und deswegen zwar nicht im Text, aber doch von den Zeitgenossen als ewig bezeichnete und tatsächlich bis 1806 geltende →Landfriede des Heiligen römischen Reiches. Er hebt das Fehderecht zugunsten der gerichtlichen Entscheidung jedes Rechtsstreits auf (Fehdeverbot unter Androhung der Reichsacht). Zugleich drängen damit die Stände den König in der Friedenswahrung zurück.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Angermeier, H., Königtum und Landfriede im deutschen Spätmittelalter, 1966; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 15 II 4; 1495, 1995, 71ff.; Landfriede, hg. v. Buschmann, A. u. a., 2002; http://www.koeblerger­hard.de/Fontes/EwigerLandfriede1495.htm

Ewigrente ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf Dauer vereinbarte →Rente.

Lit.: Hübner

Ewigsatzung ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf Dauer gedachte →Satzung eines →Pfandes.

Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981

exactio (lat. [F.]) Eintreiben (von Forderungen)

Exceptio (lat. [F.] Ausnahme) ist die Einrede (als Verteidigung eines Beklagten gegen einen Klaganspruch [stricti iuris, strengen Rechtes]). Sie ist im römischen Recht ursprünglich die dem Beklagten günstige Ausnahme von den Bedingungen, unter denen er dem Klaganspruch (lat. [F.] →actio) zufolge zu verurteilen wäre. Aus dieser ver­teidigenden Einrichtung des Verfahrensrechts, die auf Antrag des Beklagten in die Klagformel eingefügt wird (z. B. lat. exceptio doli, exceptio pacti), entwickelt sich allmählich ein selbständiges Recht des Beklagten, das Begehren des Klägers zu verweigern. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes im Heiligen römischen Reich im Spätmittelalter wird die e. aufgenommen (z. B. 1721 mehr als 150 exceptiones unterschieden). Im Laufe des 19. Jh.s wird die e. durch Einrede und Einwendung ersetzt.

Lit.: Kaser §§ 4, 80; Söllner § 9; Köbler, DRG 33f.; Köbler, LAW; Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses, 18761, 3. A. 1878; Schlosser, H., Spätmittel­alterlicher Zivilprozess, 1971; Dick, B., Die Entwick­lung des Kameralprozesses, 1981; Litewski, W., Der römisch-kanonische Zivilprozess, 1999

Exceptio (F.) doli (lat.) ist die Einrede der Arglist. Sie gilt im römischen Recht (bei den [lat., N.Pl.] iudicia stricti iuris) grundsätzlich nur bei besonderer Aufnahme in die Klagformel des Prätors auf Verlangen des Beklagten, bei den sog. →bonae-fidei-iudicia aber auch ohne diese. Sie kann auf die Vergangenheit oder die Gegenwart bezogen sein.

Lit.: Kaser §§ 4, 8, 9, 22, 26, 27, 33, 36, 37, 40, 53, 62, 65, 83; Söllner § 9; Köbler, DRG 42, 43, 45; Haferkamp, H., Die exceptio doli generalis in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 1

Exceptio (F.) iusti dominii (lat.) ist im römischen Recht die Einrede des quiritischen Eigentümers gegen­über der (lat.) actio (F.) Publiciana des Er­sitzungsbesitzers.

Exceptio (F.) non adimpleti contractus (lat.) ist im römischen Recht (bei Kauf, Miete und Gesellschaft) die Einrede der Nichterfüllung.

Lit.: Kaser § 38

Exceptio (F.) non numeratae pecuniae (lat.) ist im römischen Recht die Einrede des nichtgezahlten Entgelts.

Lit.: Kaser §§ 40, 53; Litewski, W., Non numerata pecunia, SDHI 60 (1994)

Exceptio (F.) rei sibi (ante bzw. quoque) pigneratae (lat.) ist im römischen Recht bei einer Mehrfachverpfändung die Einrede eines vorrangigen oder besitzenden Pfandgläubigers gegen eine (lat.) actio (F.) Serviana eines nachrangigen oder anderen Pfandgläubigers.

Exceptio (F.) rei venditae et traditae (lat.) ist im römischen Recht die dem Käufer (einer nicht durch [lat.] mancipatio, sondern nur durch [lat.] traditio übertragenenen res man­cipi als bloßem bonitarischem Eigentümer) seit Einführung des Formularverfahrens vom Prätor gegenüber dem herausverlangenden Verkäufer und quiritischen Eigentümer gewährte Einrede der verkauften und übergebenen Kaufsache.

Lit.: Kaser §§ 22, 27

Exegese (F.) ist die Auslegung eines Textes (z. B. Digestenexegese, Sachsenspie­gel­exegese, Bibelexegese). Sie ist notwendiger Bestandteil jeder wissenschaftlichen juristi­schen Tätigkeit. Als eigene Lehrveranstaltung tritt die E. im ausgehenden 20. Jh. zurück.

Lit.: Köbler, DRG 11; Lubac, H. de, Exégèse médievale, 1959ff.; Schlosser, H./Sturm, F./Weber, H., Die rechtsgeschichtliche Exegese, 2. A. 1993; Hattenhauer, H., Die deutschrechtliche Exegese, 1975; Waßmer, M./Wittemann, F., Die verf­assungsgeschichtliche Exegese, 1999

exegetisch (auslegend) z. B. exegetische, eng an das Gesetz gebundene und dessen Fortbildung grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassende Schule zur Anwen­dung des Privatrechts nach gesetzlich [§§ 6, 7 ABGB] festgelegten Regeln in Österreich ab 1812 (tatsächlich Rechtsfortbildung z. B. durch verschämte Verwaltungsgemeinschaft und Gütergemeinschaft auf den Todesfall)

Exekutor, M., Vollstrecker

Lit.: Hitzbleck, K., Exekutoren, 2010

Exemption (F.) Herausnahme, Ausnahme (z. B. aus der Herrschaft eines kirchlichen Oberen, aus einer Gerichtszuständigkeit oder aus der Geltung des Rechtes eines Staates zu Gunsten von Geschäftsträgern eines anderen Staates)

Exercitalis (lat. [M.]) Heermann, Arimanne

Lit.: Jarnut, J., Beobachtungen zu den langobardischen arimanni und exercitales, ZRG GA 88 (1971), 1

exercitor (lat. [M.]) Reeder

Exekution (F.) →Vollstreckung, →Zwangs­vollstreckung

Lit.: Mally, A., Der österreichische Kreis in der Exekutionsordnung des römisch-deutschen Reiches, 1967

Exekutive ist die ausführende Gewalt. Sie wird als solche von den Vertretern der Lehre von der →Gewaltentrennung (→Locke 1680, →Montesquieu 1748) von der Legislative (und der Judikative) getrennt.

Lit.: Köbler, DRG 190, 191

Exil ist seit dem Altertum das (freiwillige oder zwangsweise) Ausscheiden eines oder mehrerer Menschen aus einem Staat. Seit dem 19. Jh. können im E. auch Regierungen beibehalten oder geschaffen werden.

Lit.: Die 48er, hg. v. Freitag, S., 1998; Auswanderung, Flucht, Vertreibung, Exil im 19. und 20. Jh., hg. v. Haus der Geschichte Baden-Württemberg, 2003; Exile in the Middle Ages, hg. v. Napran, L. u. a., 2007; Stini, F., Plenum exiliis mare, 2011; Exilerfahrung und Konstruktionen von Identität 1933 bis 1945, hg. v. Mittelmann, H. u. a., 2013

Exklave ist das Teilgebiet eines Staates (aus dessen Sicht), das von seinem übrigen Gebiet getrennt und vollständig vom Staatsgebiet anderer Staaten einge­schlossen ist (z. B. deutsche Exklave Büsingen in der Schweiz, Russlands Gebiet um Königsberg). S. Enklave.

Exkommunikation ist im (katholischen) Kirchenrecht ursprünglich der strafweise Ausschluss eines Mitglieds aus der Gemeinschaft der Gläubigen. Seit der Wende zum 5. Jh. wird die E. auf den Entzug der mit der Mitgliedschaft verbundenen Rechte (ohne Entbindung von den Pflichten) einge­schränkt. Die Dekretisten entwickeln im Hochmittelalter ein differenziertes Regelwerk für die E. Wegen der starken Ausweitung verliert die E., abgesehen vom klerikalen Bereich, später ihre Bedeutung. In der Gegenwart kann die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche nicht mehr verloren werden.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 56; Morel, M., L’Excommunication, 1926; Hyland, F., Excommunicatio, 1928; Siuts, H., Bann und Acht, 1959; Elsener, F., Die Exkom­munikation als prozessuales Vollstreckungsmittel, FS E. Kern, 1968, 69; Logan, F., Excommunication, 1968; Weigand, R., Zur Exkommunikation bei den Glossatoren, ZRG KA 56 (1970), 396; Vodola, E., Excommunication, 1986; Murray, A., Excommunication, 1991; Pauler, R., Dum esset catholicus – Zur Frage der Gültigkeit von Regierungshandlungen exkommunizierter und abge­setzter Kaiser, ZRG GA 112 (1995), 344; Helmholtz, R., The Spirit of the Classical Canon Law, 1996; Magnúsardottir, L., Bannfoering og Kirkjuvald, 2007

Exlibris (lat. ex libris, aus den Büchern) ist das seit Erfindung des Buchdrucks in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s zur Bezeichnung des Eigentümers des einzelnen Buches auf die Innenseite des vorderen Buchdeckels geklebte Blatt.

Lit.: Kretz, H., Exlibris für Juristen, 2003

Ex nihilo nihil (lat.). Aus nichts wird nichts.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Anaxagoras, um 500-428 v. Chr.)

Extrajudizialappellation ist die bereits dem römischen Recht bekannte Appellation au­ßerhalb gerichtlicher Endurteile. Sie ist in Lübeck 1296 bezeugt. Sie wird durch den Reichsabschied von 1594 für den Prozess des Reichskammergerichts in engen Grenzen eröffnet. Seit dem Ende des 18. Jh.s wird sie eingeengt und durch die Reichsjustizgesetze des deutschen Reiches von 1877/1879 beseitigt.

Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen Zivil­prozeses, 1861, 3. A. 1878, 768ff.; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess, 1974; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht, 1976; See­ger, T., Die Extrajudizialappellation, 1992; Oestmann, P., Hexenprozesse am Reichskammergericht, 1997

Extranei heredes (lat. [M.Pl.], Sg. extraneus heres) sind im römischen Recht die im Gegensatz zu den (lat. [M.Pl.]) →sui heredes (Hauserben) stehenden Außenerben (Agnaten, Gentilen).

Lit.: Kaser §§ 66, 71

Extraordinaria cognitio (lat. [F.]) ist im römischen Recht das seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) das ältere zweigeteilte Verfahren vor Magistrat und ehrenamtlichem Richter ablösende einheitliche →Kognitionsverfahren eines einzigen öffentlichen Amtsträgers.

Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 14, 15, 16, 18

Extravagantes (lat. [M. Pl.] Herumschwei­fende) ist die Bezeichnung für die 20 (bereits 1325 in einer privaten Sammlung zusam­mengestellten) Dekre­talen Papst Johannes’ XXII. (1314ff., Extravagantes Johannis XXII.) und die 70 eher zufällig ausgewählten Dekretalen der Päpste Bonifaz’ VIII. (1294-1303) bis Sixtus’ IV. (1471-1484) (Extravagantes communes, allgemeine Extravaganten), die der Pariser Kirchen­rechtler Jean Chappuis in seine Ausgabe des →corpus iuris canonici (1499ff., Korpus des kanonischen Rechtes) ohne amtlichen Auftrag aufnimmt. Zitiert werden sie z. B. als Extr. Joann. XXII. 4. 2 bzw. Extrav. com. 1. 7. 1.

Lit.: Bickell, J., Über die Entstehung und den heutigen Gebrauch der beiden Extravagantensammlungen, 1825; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972, 276; Tarrant, J., Extravagantes Iohannis XXII, 1983 Extremismus ist die inhaltlich am Rand stehende politische Strömung.

Lit.: Backes, U., Politische Extreme, 2006; Bergsdorf, H. u. a., Linksextrem, 2011; Bötticher, A. u. a., Extremismus, 2012

Eyre (engl. [N.]) ist die von lat. (N.) iter (Reise, Weg) abgeleitete Bezeichnung für die Reise bzw. Sitzung der königlichen eng­lischen Reiserichter zwischen 1086 bzw. 1166 und 1294.

Lit.: Harding, A., Rolls of the Shropshire Eyre of 1256, 1981

 

F

Faber →Favre

Faber, Johannes ist der um 1270 geborene, in Montpellier und vielleicht Bologna ausgebildete, um 1340 verstorbene, praktisch tätige französische Jurist, der breviarium Codicis und Commentarius in institutiones verfasst.

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 581

Fabrik ist das Gebäude, in dem industriemäßig aus Rohstoffen Erzeugnisse hergestellt werden. Die F. entwickelt sich seit dem 18. Jh. aus dem Verlagssystem. Kennzeichnend ist die Tätigkeit der Bediensteten außerhalb des eigenen Hauses. Im 19. Jh. wird die F. Gegenstand besonderer rechtlicher Regelungen.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 175; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 229; Pfeiffer, H. v., Die Manufakturen und Fabriken Deutschlands, Teil 1f. 1781; Neumann, F., Zur Reform deutscher Fabrikgesetzgebung, 1873, Neudruck 2013; Anton, G., Geschichte der preußischen Fabrikgesetzgebung, 1891, Neudruck, 1953; Mises, L., Zur Geschichte der österreichischen Fabrikgesetzgebung, Z. f. Volkswirtschaft, Sozial­politik und Verwaltung 14 (1905), 230; Gellbach, H., Arbeitsvertragsrecht der Fabrikarbeiter im 18. Jahrhundert, 1939; Worring, H., Das fürstenbergische Eisenwerk Hammereisenbach, 1954; Dällenbach, H., Kantone, Bund und Fabrikgesetzgebung, Diss. jur. Bern 1961; Wadle, E., Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, 1983; Österreichische Fabriksprivilegien vom 16. bis ins 18. Jh., hg. v. Otruba, G., 1981, 84; Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht in der Schweiz, ZNR 8 (1986), 157; Ruppert, W., Die Fabrik, 2. A. 1993

Fabrikengericht ist das im späten 18. Jh. in Preußen für einige Zeit aus der Poli­zeijurisdiktion entwickelte und danach im Rheinland geschaffene besondere Gericht für Rechtsstreitigkeiten in einer Fabrik zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern.

Lit.: Willoweit, D., Die Entstehung der preußischen Fabrikengerichtsbarkeit, ZNR 4 (1982), 1; Schloßstein, K., Die westfälischen Fabrikengerichtsdeputationen, 1982; Schöttler, P., Die rheinischen Fabrikengerichte, ZNR 7 (1985), 160

facere (lat.) handeln, tun, machen

facultas (F.) alternativa (lat.) Ersetzungs­befugnis

Fahndung ist die Verfolgung möglicher Straftäter durch die Allgemeinheit, die seit der frühen Neuzeit und besonders seit dem 19. Jh. ausgebaut und zur Staatsaufgabe erhoben wird.

Lit.: Blauert, A. u. a. Gauner- und Diebslisten, 2001; Benad, R., Geschichte der Fahndung, 2006

Faden ist das dünne, längliche, meist durch Drehen entstehende, meist dem Verbinden von Geweben oder Lederstücken dienende menschliche Erzeugnis (Gespinst). Der F. kann als Längenmaß verwendet werden (z. B. etwa 185 cm). Er ist auch Gegenstand der rechtlichen Volkskunde.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck 1994

Fähigkeit (1512, fähig 1481) ist die Eigenschaft des Erlangenkönnens bzw. Han­delnkön­nens.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Fahne ist das als Symbol verwendete, meist rechteckige Tuch. →Fahnenflucht, →Fahnenlehen, →Reichsfahne

Lit.: Meyer, H., Die rote Fahne, ZRG GA 50 (1930), 310; Meyer, H., Sturmfahne und Standarte, ZRG GA 51 (1931), 204; Meyer, H., Kaiserfahne und Blutfahne, ZRG GA 53 (1933), 291; Neubecker, O., Fahnen und Flaggen, (um 1940)

Fahnenflucht ist das eigenmächtige auf Dauer angelegte Verlassen des Heeres, das schon im Altertum gewichtige Folgen nach sich zieht. Das langobardische Volksrecht sieht die Tötung, das alemannische Volks­recht die Buße von 80 Schillingen vor. Auch später wird zumindest für schwere Fälle die Todesstrafe angedroht, während einfachere Fälle mit Gefängnis und Ehrenminderung bestraft werden. Seit der zweiten Hälfte des 17. Jh.s dringt die Bezeichnung Desertion ein. Im zweiten Weltkrieg werden etwa zwei Drittel der als fahnenflüchtig bezeichneten deutschen Soldaten zum Tode verurteilt. Die F. in der Unrechtsherrschaft (berechtigte Fahnen­flucht in verbrecherischen Regimen) kann gerechtfertigter Widerstand sein. Am 17. 5. 2002 beschließt der Bundestag Deutsch­lands die Aufhebung aller Urteile wegen F. (Desertion) im zweiten Weltkrieg.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 561; Sargmeister, M., Das Delikt der Fahnenflucht, Diss. jur. Erlangen 1908; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1ff. 1920ff., Neudruck 1964; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939; Haase, N., Gefahr für die Manneszucht, 1996; Armeen und ihre Deserteure, hg. v. Bröckling, U. u. a., 1998; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtsjustiz 1933-1945, 2005; Brümmer-Pauly, K., Desertion im Recht des Nationalsozialismus, 2006

Fahnenlehen, Fahnlehn, ist das mit einer Fahne als Symbol (einer besonderen Herrschaftsgewalt?) verliehene →Lehen. Nach verbreiteter hochmittelalterlicher An­sicht ist die königliche Belehnung mit einem F. Voraussetzung der Zugehörigkeit zum Fürstenstand. Das F. darf weder geteilt noch vom König länger als Jahr und Tag einbehalten werden.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Bruckauf, J., Vom Fahnlehn, 1906; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter, 1979, 36

Fähre ist das dem planmäßigen Übersetzen über einen Strom oder See meist an fester Stelle dienende Fahrzeug. Seit dem Hochmittelalter wird das Recht zum Betrieb einer F. auf öffentlichem Gewässer als →Regal verstanden. Von ihm leitet sich das einzelne Fährenrecht ab. In Deutschland gelten (über Art. 73 EGBGB) die früheren landesrechtlichen Vorschriften, sofern in den Landeswassergesetzen keine andere Regelung enthalten ist.

Lit.: Nordegg zu Rabenau, L. v., Das Recht der Fähren mit besonderer Berücksichtigung des Regierungs­bezirks Danzig, Diss. jur. Leipzig 1910; Sandkaulen, J., Fährgerechtsame, Diss. jur. Köln 1925; Künßberg, E. v., Fährenrecht und Fährenfreiung, ZRG GA 45 (1925), 144; Riegler, B., Fährgerechtigkeiten, Diss. jur. Würzburg 1933; Elben, J., Die Deutz-Kölner Rheinfähre als Kurkölner Regal, 1933; Hahn, C., Das Fährenrecht am Niederrhein, 1949

Fahrende Habe Fahrnis

Fahrende Leute sind die in Ausnützung ursprünglich allgemein verwendeter Freiheit der Ortsveränderung ohne festen Wohnsitz umherziehenden Menschen (im Mittelalter schätzungsweise 5-10 Prozent der Bevöl­kerung). Seit dem Spätmittelalter werden sie als Störung der Ordnung angesehen. Seit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wird Umherziehen teilweise strafbar, wobei Rechtssätze und angedrohte Strafen nicht stets umgesetzt werden. Gegen f. L. werden Pass und Meldepflicht eingesetzt, ohne dass ein vollständiger Erfolg erreicht wird.

Lit.: Mylius, A./Barthel, D., Iura vagabundorum, 1679; Enklaar, D., Varende Luyden, 1957; Schubert, E., Arme Leute, Bettler und Gauner im Franken des 18. Jahrhunderts, 1983, 2. A. 1990; Jütte, R., Poverty and Deviance, 1994; Schubert, E., Fahrendes Volk im Mittelalter, 1995; Rheinheimer, M., Arme, Bettler und Vaganten, 2000; Härter, K., Policey und Strafjustiz in Kurmainz, 2005

Fahrhabe →Fahrnis

Fahrlässigkeit (1480, fahrlässig 15. Jh.) ist im Privatrecht die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, im Strafrecht für die wenigen auch fahrlässig begehbaren Straf­taten der Vorwurf, dass der Täter eine objektive Sorgfaltspflicht nicht erkannt oder die daraus folgende Sorgfaltsanforderung nicht erfüllt hat, obwohl er dazu nach seinen persönlichen Fähigkeiten und dem Maß seines individuellen Könnens imstande gewesen wäre. Im römischen Recht wird erst zu Beginn der klassischen Zeit an die an ein Handeln gebundene F. (lat. [F.] →culpa) die zunächst auf den Vorsatz beschränkte Folge angeknüpft. Dies gilt allmählich auch für Verträge. Bei Justinian hat der Schuldner eine allgemeine Pflicht zur Sorgfalt (lat. [F.] →diligentia), mit deren schuldhafter Verletzung er eine Nachlässigkeit (lat. [F.] →neglegentia) begeht. Innerhalb der (lat. [F.]) culpa wird die grobe F. dem Vorsatz gleichgehalten. Im Frühmittelalter kennen die Quellen eine Reihe von Tätigkeit-Erfolgs-Beziehungen, bei denen kein Vorsatz angenommen wird (Ungefährwerk). Die Folgen sind allerdings durchaus unterschiedlich, wobei am Ende des Mittelalters eine Tendenz zur schwächeren Folge für den nicht gewollten Erfolg überwiegt. Ziemlich klar unterscheidet die Constitutio Criminalis Carolina (1532) vorsätzliche Tötung, fahrlässige Tötung und zufällige Tötung. Daran knüpft die weitere Entwicklung an, in der seit dem 19. Jh. eine Legaldefinition der strafrechtlichen F. vermieden wird.

Lit.: Kaser § 36; Söllner §§ 8, 15; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 158, 204; Bruck, F., Zur Lehre von der Fahrlässigkeit, 1885; Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, 1895; Hippel. R. v., Die Grenze von Vorsatz und Fahrlässigkeit, 1903; Exner, F., Das Wesen der Fahrlässigkeit, 1910, 12; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 90, Neudruck 1964; Wiegand, H., Rechtspolitische Untersuchungen über die Stufen der Fahrlässigkeit, 1925; Engisch, K., Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit, 1930, Neudruck 1964; Tobler, R., Fahrlässigkeit im Zivil- und Strafrecht, 1931; Plass, K., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur quali­fizierten Fahrlässigkeit, 1932; Ziegler, W., Fahr­lässigkeit und Gefährdung, 1935; Brehmer, I., Grenze zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, 1935; Nörr, D., Die Fahrlässigkeit im byzantinischen Vertragsrecht, 1960; Deutsch, E., Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, 1963; Jescheck, H., Aufbau und Behandlung der Fahrlässigkeit im modernen Strafrecht, 1965; Hoffmann, H., Die Abstufung der Fahrlässigkeit in der Rechtsgeschichte, 1968; Köbler, G., Mittlere Fahrlässigkeit und dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 1969, 404; Holl, T., Entwicklungen der Fahrlässigkeitsdogmatik im Strafrecht von Feuerbach bis Welzel, 1992; König, V., Die grobe Fahrlässigkeit, 1998; Rösler, H., Haftungsgründe und -grenzen für fahrlässiges Verhalten, 1999; Schrage, E., Negligence, 2001; Mikus, R., Die Verhaltensnorm des fahrlässigen Erfolgsdelikts, 2002; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004; Bohrer, M., Der morsche Baum, 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Fahrnis (Fahrhabe) ist die bewegliche (mo­bile) Sache, die ohne Verletzung von einem Ort zu einem anderen Ort gefahren bzw. bewegt werden kann (z. B. Kleid, Tier, Marktbude). Auf die Beweglichkeit einer Sache stellt das römische Recht nur in wenigen Einzelheiten (z. B. Ersitzung, Besitzschutz, später besondere Form des Kaufes unbeweglicher Sachen) ab. Im mittelalterlichen deutschen Recht kann über F. schon früh frei verfügt werden, unterliegt F. in der Ehe vielfach anderen Regeln hin­sichtlich der Nutzung, Verwaltung und Verfügung und gibt es an F. keine mehrfache und keine ideelle Gewere. Möglich sind aber Entliegenschaftung und Verliegenschaftung einer Sache. In der Neuzeit verblassen die Unterschiede unter dem Einfluss des römischen Rechtes, doch regelt beispielsweise noch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) den Erwerb von Rechten an beweg­lichen Sachen (z. B. Einigung und Übergabe) einleuchtenderweise anders als den Erwerb von Rechten an unbeweglichen Sachen (z. B. Auflassung und Eintragung).

Lit.: Kaser § 15 I; Hübner 182, 430; Kroeschell, DRG 2; Estlander, E., Bidrag till en undersökning om klander, 1900; Meyer, H., Entwerung und Eigentum, 1902; Goldmann, E., Tertia manus und Intertertiation, ZRG GA 39 (1918), 145, 40 (1919), 199; Hübner, H., Der Rechtsverlust im Mobiliarsachenrecht, 1955

Fahrnisgemeinschaft ist im Ehegüterrecht die →Errungenschaftsgemeinschaft (betref­fend Fahrnis und Liegenschaften), in der auch die voreheliche →Fahrnis den Eheleuten ge­meinschaftlich zusteht. Sie ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Seit 1. 7. 1958 kann die F. in Deutschland nicht mehr vereinbart werden.

Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 18

faida →Fehde

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Schumann, E., Unrechts­aus­gleich im Frümittelalter, Habilitations­schrift Leipzig 2003

Faktorei ist seit dem Spätmittelalter die kaufmännische Niederlassung außerhalb des Hauptsitzes des Unternehmens (z. B. Kontore der Hanse im Nordseeraum und Ostseeraum, Fondaco dei Tedeschi in Venedig, Zweig­niederlassung), vor allem im Kolonialhandel.

Lit.: Bürger, R., Die Organisation der Fuggerschen Faktoreien, 1955; Wirtschaft und Handel der Kolonialreiche, hg. v. Schmitt, E., Bd. 4 1988

Fakultät ist die Fachabteilung der Universität. Im Mittelalter ist die Universität meist in die vier Fakultäten der Artisten, Theologen, Juristen und Mediziner gegliedert. Ihre Geschäfte leitet der Dekan. Seit dem 19. Jh. hat sich die Zahl der Fakultäten vermehrt. Seit 1970 sind in Deutschland die Fakultäten an vielen Orten in Fachbereiche umbenannt und teilweise weiter in kleinere Einheiten aufgegliedert.

Lit.: Köbler, DRG 99, 143; Baltl/Kocher; Wretschko, A. v., Die Geschichte der juristischen Fakultät an der Universität Innsbruck, FS zum 27. Deutschen Juristentag 1904, 101; Wohlhaupter, E., Die Spruchtätigkeit der Kieler juristischen Fakultät, ZRG GA 58 (1938); Dickel, G., Die Heidelberger juristische Fakultät, 1961; Kisch, G., Die Anfänge der juristischen Fakultät der Universität Basel, 1962; Finke, K., Die Tübinger Juristenfakultät 1477-1534, 1972; Schikora, A., Die Spruchpraxis der juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Cobban, A., The medieval University, 1975; Festschrift der juristischen Fakultät Heidelberg, 1986; Artisten und Philosophen – Wissenschafts- und Wirkungsgeschichte einer Fakultät, hg. v. Schwinges, R., 1999; Kriebisch, A., Die Spruchkörper Juristenfakultät und Schöppenstuhl zu Jena, Diss. jur. Jena 2007

fakultativ (Adj.) möglich, nicht zwingend (z. B. Zivilehe)

Falkenstein

Lit.: Codex Falkensteinensis, bearb. v. Noichl, E., 1978

Fall (lat. [M.] casus) ist die durch die Anziehungskraft der Erde bewirkte senkrechte ungewollte Ortsveränderung. Wegen der damit vielfach verbundenen nachteiligen Folgen wird als F. auch das einzelne rechtlich bedeutsame Geschehen bezeichnet. Einzelne Rechtsordnungen wer­den durch die gericht­lichen Entscheidungen der Fälle geprägt (z. B. Rom, angloamerika­nisches Recht). Als berühmte einzelne Fälle gelten etwa das Strafverfahren gegen Sokrates, die (lat. [F.]) causa Curiana (1. Jh. v. Chr.), der Prozess Jesu, der Prozess der Iusta, der Ehestreit Lothars II. (ab 859), der Prozess gegen Heinrich den Löwen (1180), der Prozess gegen Galileo Galilei (1633), die Prozesse des Müllers Arnold (um 1779), das Strafverfahren gegen Alfred Dreyfus (1894), das Strafverfahren wegen Entziehung elektri­schen Stromes (1896) u. a.

Lit.: Mit den Augen der Rechtsgeschichte - Rechtsfälle selbstkritisch kommentiert, hg. v. Luminati, M. u. a., 2008; Fälle aus der Rechtsgeschichte, hg. v. Falk, U. u. a., 2008

Fälligkeit (1518, fällig um 900) ist der Zeitpunkt, in dem der Gläubiger vom Schuld­ner Leistung verlangen kann.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Fallrecht ist die auf richterlichen Ent­scheidungen beruhende Rechtsordnung. F. sind das klassische →römische Recht und das →englische Recht (case-law) sowie die päpstliche Rechtsprechung seit dem 12. Jh. Ansätze zu einem F. finden sich auch in Deutschland (mittelalterliche Schöffen­sprü­­che, Entscheidungen des Reichskam­merge­richts), können sich jedoch wegen der Aufnahme des römisch-justinianischen Gesetzesrechts, des Gesetzgebungsan­spruchs der Landesherren und des Fehlens einer durchsetzungsfähigen Höchstge­richts­barkeit nicht ausreichend entwickeln und behaupten. Dennoch besteht F. auch nach Erlass der Vernunftrechts­gesetz­bücher in der Praxis in den Fall­sammlungen der Höchstgerichte (z. B. Reichsgericht, Bundesverfassungsgericht, Bundesgerichtshof, Europäischer Gerichts­hof). Allerdings ist das F. auf dem euro­päischen Kontinent dem vor allem seit dem 18. Jh. kodifikativ ausgebauten Gesetzes­recht grundsätzlich untergeordnet, während in England das Parlament kein Rechtsetzungs­monopol beansprucht und sich die stare-decisis-Vorstellung 1898 zum (1966 aufge­hobenen) Prinzip verfestigt. Daneben ist F. auch das Rückfallrecht von Gütern bei Fehlen von Abkömmlingen an die Familie, aus der sie gekommen sind.

Lit.: Kaser § 2; Köbler, DRG 31; Gál, A., Der Ausschluss der Aszendenten von der Erbfolge und das Fallrecht, 1904; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 298ff., 468ff.; Esser, J., Grundsatz und Norm, 1956; Rüdin-Bader, S., Die erbrechtliche Stellung der Stiefkinder und Halbgeschwister nach den zürcherischen Rechtsquellen, 1959; Gehrke, H., Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur Deutschlands, 1974; Weller, H., Die Bedeutung der Präjudizien im Verständnis der deutschen Rechtswissenschaft, 1979; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat, 1986; Case-Law in the Making, hg. v. Wijffels, A., 1997; Müßig, U., Geschichte des Richterrechts und der Präjudizienbildung auf dem europäischen Kontinent, ZNR 28 (2006), 79ff.; Reimann, M., Die Erosion der klassischen Formen, ZNR 28 (2006), 209ff.; Vogenauer, S., Zur Geschichte des Präjudizienrechts in England, ZNR 28 (2006), 48ff.; Case Law in the Making, hg. v. Wijffels, A., Bd. 1f. 2013 e-book

Falsa demonstratio non nocet (lat.). Eine falsche Bezeichnung schadet nicht.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Gaius, um 120-um 180, Digesten 35, 1, 17, pr.)

Falschaussage →Meineid

Lit.: Vormbaum, T., Eid, Meineid und Falschaussage, 1990

Falsche Verdächtigung ist der 1871 in das Strafgesetzbuch Deutschlands eingefügte, die wahrheitswidrige Verdächtigung eines anderen betreffende Tatbestand des § 164 StGB.

Lit.: Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165 StGB) und Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB), 2003

Falschmünzer ist der Münzen fälschende Täter.

Lit.: Walz, K., Fälscher & Falschgeld, 2012

Fälschung ist die zu betrügerischem Zweck vorgenommene Veränderung oder Nach­bildung eines Gegenstands (z. B. Münze, Bild). Einzelne Fälschungshand­lungen erwähnt bereits das altrömische Zwölf­tafelgesetz (Falschaussage 8,23, Richterbestechung 9,3). Seit dem 1. Jh. v. Chr. bilden sich Fälschungsdelikte (lat. crimina [N.Pl.] falsi) als besondere Gruppe (falsum) aus (Testament, Urkunde, Grenze, Münze, Maß, Gewicht  u. s. w.), neben die um 200 n. Chr. der „Betrug“ (lat. [M.] stellionatus, D. 47, 20, 3, 1) tritt. Im Frühmittelalter verschmelzen die Tatbestände des römischen Rechtes zu Deliktsfiguren, die nur noch wenige Ähnlichkeiten mit ihren Vorbildern haben. Im Hochmittelalter werden etwa falsche Maße und Gewichte oder der Verkauf verfälschter Waren wie Diebstahl behandelt. Dagegen fasst das spätmit­telalterliche gelehrte Recht (z. B. Klagspiegel 1436/1442) die Fälschungsdelikte zu einem einheitlichen (lat. [N.]) crimen falsi zusammen, zu dem (lat. [M.]) →stellionatus ein qualifizierter Sonderfall ist. Im 19. Jh. werden im Code pénal Frankreichs (1810) →Betrug und Fälschung voneinander getrennt. Dem folgen die deutschen Strafgesetzbücher (Bayern 1813, Baden 1845, Preußen 1851, Reich 1871) im Wesentlichen.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Binding, K., Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, Teil 2, 2, 1901; Beyerle, K., Die Urkundenfälschungen des Kölner Burggrafen Heinrich III., 1913; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Fuhr, L., Zur Entstehung und rechtlichen Bedeutung der mittelalterlichen Formel ane argliste unde geverde, Diss. jur. Frankfurt am Main 1962; Fuhrmann, H., Die Fälschungen im Mittelalter, HZ 197 (1963), 529; Kocher, E., Überlieferung und ursprünglicher Anwendungsbereich der Lex Cornelia de falsis, 1965; Hupe, E., Falsum, fraus und stellionatus, Diss. jur. Marburg 1968; Kausch, W., Die Entwicklung des Falsum von der Carolina zur Aufklärung, 1971; Lorenz, W., Die Falschbeurkundung, 1976; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1987ff.; Fuld, W., Das Lexikon der Fälschungen, 1999; Topper, U., Fälschungen der Geschichte, 2001; Fortschritt durch Fälschungen? hg. v. Hartmann, W. u. a., 2002; Fezzi, L., Falsificazione di documenti pubblici nella Roma tardorepubblicana, 2003; Faußner, H., Wibald von Stablo, 2006; Pokorny, R., Augiensia, 2010; Faußner, H., Wibald von Stablo auf der Spur, 2010 (Aufsatzsammlung)

Falsum (lat. [N.]) ist die im klassischen römischen Recht als Straftat erfasste →Fälschung, für die Sulla an der Wende vom 2. zum 1. Jh. eine eigene Untersuchungsbehörde einrichtet.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Kunkel, W., Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens, 1962

Familia (lat. [F.]) ist im frühen Mittelalter nach antikem Vorbild vor allem der zu einer Grundherrschaft gehörige Personenverband.

Lit.: Kaser § 12; Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Baltl/Kocher; Weizsäcker, W., Die familia des Klosters St. Emmeram in Regensburg, Verhandl. d. histor. Vereins v. Oberpfalz und Regensburg 92 (1951), 1; Bosl, K., Die „familia“, Z. f. bay. LG. 38 (1975), 403; Kuchenbach, L., Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherschaft im 9. Jahrhundert, 1978; Scherner, K., Ut propriam familiam nutriat, ZRG 111 (1994), 330; Paludan, H., Familia og Familie, 1995; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993

familiae emptor (lat. [M.]) Erbschaftskäufer

Familie (1409) ist der Kreis der durch Ehe, Verwandtschaft und Schwägerschaft verbundenen Menschen, insbesondere die Ehegatten und ihre Kinder. Im Altertum wird die F. als von der Natur des Menschen gegeben eingestuft. Vermutlich sind sich bereits die Indogermanen der F. bewusst. Vielleicht mit der Sesshaft­werdung bildet sich in Rom die auf dem Einzelhof lebende, aus Familienvater, Ehefrau und Kindern (sowie Gesinde) bestehende F. Dem dürfte auch die F. der Germanen entsprochen haben. Sie ist Wirtschaftsgemeinschaft. Die durch­schnitt­liche Zahl der Geburten einer Frau dürfte wegen der hohen Sterblichkeit und der längeren Stillzeiten fünf nicht über­schritten haben. Die F. steht meist unter der Personalgewalt (munt) des Hausvaters, die mit Emanzipation, Abschichtung oder Verheiratung endet. Mit der Chris­tianisierung verbessert sich die Stellung der Frau in der F. Seit der Neuzeit entdeckt der Staat sein Interesse an der Kindererziehung. Mit der Industrialisie­rung wird die F. zur bloßen Verbrauchs­gemeinschaft. Mit dem 19. Jh. lockern sich auch die familienrechtlichen Bindungen, so dass das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) die F. eher als Summe rechtlicher Einzelbeziehungen versteht. Im 20. Jh. ändert sich vielleicht als Folge des allmählichen Zurücktretens der körper­lichen Arbeit die F. grundlegend. Dementsprechend stellt Art. 199 I der Weimarer Reichsver­fassung fest, dass Grundlage der F. die auf der Gleichberechtigung der Geschlechter beru­hende Ehe ist. Die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik hebt alle den Gleichberechtigungsgrundsatz verletzenden Bestimmungen auf. In der Bundesrepublik entsteht infolge Nichterfüllung eines Auftrags des Grundgesetzes zum 1. 4. 1953 ein gesetz­loser Zustand, den das Bundesver­fas­sungsgericht am 18. 12. 1953 durch Aner­kennung der Gleichberechtigung hilfsweise schließt. Am 18. 6. 1957 verabschiedet der Bundestag ein am 1. 7. 1958 in Kraft tre­ten­des Gleichberech­tigungsgesetz, das durch das Bundesverfas­sungsgericht am 29. 7. 1959 teilweise aufgehoben wird. Danach tritt in an die Stelle der väterlichen Gewalt die gemeinschaftliche Leitung der F. durch Mann und Frau. 1979 wird die gemeinsame →elterliche Gewalt durch die elterliche Sorge ersetzt. Tatsächlich treten neben die durch die Ehe gekennzeichnete F. nichteheliche Lebens­gemeinschaft und gleichgeschlechtliche Part­nerschaft.

Lit.: Kaser § 12; Söllner §§ 4, 5, 8, 12, 18; Hübner 615; Köbler, DRG 129, 209, 238, 252, 267; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 253; Bartsch, R., Die Rechtsstellung der Frau, 1903; Weber, M., Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, 1907; Schulz, W., Die germanische Familie der Vorzeit, 1925; Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 1; Möller, H., Die kleinbürgerliche Familie im 18. Jahrhundert, 1969; Vismara, G., Famiglia e successioni nella storia del diritto, 1970; Scheffler, E., Die Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft im Wandel der Rechtsordnung seit 1918, 1970; Weber-Kellermann, I., Die deutsche Familie, 1974; Montanos, E., La familia en la Alta Edad Media española, 1980; Maschke, E., Die Familie in der deutschen Stadt des späten Mittelalters, 1980; Familie zwischen Tradition und Moderne, hg. v. Bulst, N., 1981; Gaunt, D., Familjelivi i Norden, 1983; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Fuhrmann, M., Volksvermehrung als Staatsaufgabe?, 2002; Burguière, A. u. a., Histoire de la famille, 1986; Weibel, T., Erbrecht und Familie, 1988; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, 1990; Rosenbaum, H., Formen der Familie, 5. A. 1990; Haushalt und Familie, hg. v. Ehlert, T., 1991; Dixon, S., The Roman Family, 1992; Rachel, C., Die Diskussion um den französischen Familienrat in Deutschland im 19. Jahrhundert, 1994; Geschichte der Familie, hg. v. Burguière, A. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.; Historische Familienforschung, hg. v. Ehmer, J. u. a., 1997; Rothenbacher, F., Historische Haushalts- und Familienstatistik, 1997; The Roman Family, hg. v. Rawson, B. u. a., 1997; Schumann, E., Die nichteheliche Familie, 1998; Gestrich, A., Geschichte der Familie, 1999, 2. A. 2010, 3. A: 2013; Ehe und Familie, hg. v. Hecker, H., 1999; Die jüdische Familie, hg. v. Keil, M. u. a., 1999; Peters, U., Dynastiegeschichte und Verwandt­schafts­bilder, 1999; Gestrich, A. u. a., Geschichte der Familie, 2003; Heinemann, R., Familie zwischen Tradition und Emanzipation, 2004; Kuller, C., Familienpolitik im föderativen Sozialstaat, 2004; Schneiders, U., Hausväteridylle oder sozialistische Utopie?, 2004; Le médiéviste et la monographie familiale, hg. v. Aurell, M., 2004; Klippel, D., Familienpolizei, FS Dieter Schwab, 2005; Köbler, G., Familienrecht im geschichtlichen Wandel (in) Recht als Erbe und Aufgabe, 2005, 355ff; Bauszus, S., Der Topos von der Großfamilie, 2006; Familiensozialisation seit 1933, hg. v. Gebhardt, M. u. a., 2007; Gendering the Fertility Decline in the Western World, hg. v. Janssens, A., 2007; Haus- und Familienbücher, hg. v. Studt, B., 2007; Meller, H. u. a., Tatort Eulau, 2010 (älteste je nachgewiesene Kernfamilie); Generationen, hg. v. Häberlein, M. u. a., 2010; Gestrich, A., Geschichte der Familie im 19. und 20. Jahrhundert, 2. A. 2010; Koschorke, A./Ghanbari, N. u. a., Vor der Familie, 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Die Familie in der Gesellschaft des Mittelalters, hg. v. Spieß, K., 2009

Familienfideikommiss ist die auf rechtsgeschäftlicher Stiftung beruhende Bindung des Vermögens (z. B. auch Grundstück, Haus, Bibliothek) einer Familie im Mannesstamm ohne Bildung einer eigenen Rechtspersönlichkeit. Solche Stiftungen des niederen Adels, die dieselben Wirkungen wie die auf Rechtsetzungsgewalt beruhenden Hausgesetze der späteren Landesherren anstreben, sind in England seit dem 8. Jh., in Deutschland seit dem 11. Jh. bezeugt. Sie nehmen in der Neuzeit seit dem dreißigjährigen Krieg (1618-1648) zu. Philipp Knipschild formuliert 1654 (De fideicommissis familiarum nobilium, Über die Fideikommisse der adligen Familien) die dafür aus dem römischrechtlichen (lat. [N.]) fideicommissum der justinianischen Novelle 159 und dem lehnrechtlichen Gedanken einer (lat.) successio (F.) ex pacto et providentia maiorum (Nachfolge aus Vertrag und Voraussicht der Vorfahren) entwickelte Theorie vorbildlich. Danach ist Eigentümer des durch schriftliche Willenserklärung errichteten Familienfideikommisses (evtl. Eintragung und staatliche Genehmigung notwendig) der jeweilige Inhaber oder gesamthänderisch die Gesamtheit der jeweiligen Inhaber. Veräußerungen und Belastungen sind nichtig. Meist folgt der älteste Sohn nach. Schon Montesquieu (1748) bekämpft den F. aus wirtschaftlichem Grund. 1804 wird der F. im Gebiet des französischen Rechtes aufgehoben. Dem passt sich die (gescheiterte) deutsche Reichsverfassung von 1848/1849 an. In Preußen wird die 1850 verfügte Aufhebung später wieder beseitigt. Art. 155 II der Weimarer Reichsverfassung setzt die Auflösung fest, ein Reichsgesetz vom 6. 7. 1938 beschleunigt sie (erloschen zum 1. 1. 1939, vgl. das Bundesgesetz vom 28. 12. 1950/3. 8. 1967). Vielfach ist der F. in eine Stiftung überführt.

Lit.: Kaser § 77; Söllner § 17; Hübner 337; Köbler, DRG 123, 162, 210, 231; Lewis, W., Das Recht der Familienfideikommisse, 1868, Neudruck 1969; Bruckner, F., Zur Geschichte des Fideicommisses, 1893; Hager, P., Familienfideikommiss, 1897; Kunsemüller, E., Zur Entstehung der westfälischen Fideikommisse, 1909; Sautier, A., Die Familienfideikommisse der Stadt und Republik Luzern, 1909; Meyer, H., Die Anfänge des Familien­fideikommisses in Deutschland, FG R. Sohm 1914, 225; Seelmann, W. u. a., Das Recht der Familienfideikommisse, 1920; Horsten, F., Die Familien-Fideikommiss-Politik in Preußen, 1924; Hausgeschichte und Diplomatarium der Reichs-Semperfreien und Grafen Schaffgotsch, hg. v. Kaufmann, J., 2, 2, 1925; Klässel, O./Köhler, K., Die Zwangsauflösung der Familienfideikommisse, Bd. 1 1932; Koehler, K./Heinemann, E., Das Erlöschen der Familienfideikommisse, 1940; Söllner, A., Zur Rechtsgeschichte des Familienfideikommisses, FS M. Kaser, 1976, 657; Bar, C. v./Striewe, P., Die Auflösung der Familienfidei­kommisse, ZNR 3 (1981), 184; Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse, 1992; Eckert, J., Use, Trust, strict Settlement, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bayer, B., Sukzession und Freiheit, 1999; Trott zu Solz, T. v., Erbrechtslose Sondervermögen, 1999; Brandner, B., Die Auflösung der Familienfideikommisse in Thüringen, 2000

Familiengericht ist die in Deutschland am 1. 7. 1977 geschaffene Gerichtsbarkeit in Familiensachen am →Amtsgericht. Das F. entwickelt sich am Beginn des 20. Jh.s aus dem Jugendgericht in den Vereinigten Staaten. Nach 1920 wird es in Japan aufgenommen.

Lit.: Röhl, Das Familiengericht in Japan, NJW 1957, 12; Erdsiek, G., Der Family Court in USA, NJW 1961, 1066; Peschel-Gutzeit, L., 25 Jahre Familiengerichte in Deutschland, NJW 2002, 2737

Familiengesetzbuch ist das am 20. 12. 1965 zur Neuordnung des Familienrechts in der →Deutschen Demokratischen Republik geschaf­fene, 1990 endende Gesetzbuch (Egalisierung im Namens­recht, erleichterte Scheidung ohne Unterhalts­ansprüche, Errungenschaftsgemeinschaft, Er­ziehung der Kinder zu Erbauern des Sozialismus).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Douma, E., Die Entwicklung des Familiengesetzbuches der DDR, ZRG GA 111 (1994), 592; Schneiders, U., Hausväteridylle oder sozialistische Utopie?, 2004; Fischer-Langosch, P., Die Entstehungsgeschichte des Familiengesetzbuches der DDR von 1965, 2006

Familienname (1748) ist der gemein­schaft­liche Name der Angehörigen einer Familie. Herkömmlich wird er durch den Namen des Mannes bestimmt. Mit der Gleichbe­rech­tigung der Geschlechter im ausgehenden 20. Jh. löst sich der einheiltiche F. mehr und mehr auf.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Familiennamen Österreichs (FAMOS) Online (Projekt); www.genealogienetz.de/vereine/­VFWKWB

Familienrecht (1775) ist die Gesamtheit der die →Familie betreffenden Rechtssätze. Sachlich erfasst sind davon in erster Linie das Verhältnis von Mann und →Frau in der Ehe, die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern sowie die →Vormundschaft, →Pflegschaft und →Betreuung. Die Erfassung der gesellschaftlichen Gegebenheiten durch das Recht ist erst allmählich erfolgt. Einen bedeutsamen Anteil hieran hat die christliche Kirche mit ihrer sakramentalen Ehevorstellung. Als besonderes Rechtsgebiet erscheint das F. erst im späten 18. Jh. Seitdem wird es zunehmend geprägt von der Emanzipation der Frau. Tatsächlich bedeutsam wird seit etwa 1970 die medizinische Entdeckung der medikamen­tösen Empfängnisverhütung. Seit 1. 1. 2008 ist das F. in Deutschland nochmals erheblich verändert, das Familienverfahrensrecht seit 1. 9. 2009 (Abschaffung des Vormund­schafts­gerichts, Erweiterung der Zuständigkeit des Familiengerichts).

Lit.: Kaser §§ 12, 58; Schulze, H., Erb- und Familienrecht der deutschen Dynastien des Mittelalters, 1871; Dargun, L., Studien zum ältesten Familienrecht, 1892; Boehmer, G., Die Teilreform des Familienrechts, 1962; Eisenmann, H., Konstanzer Institutionen des Familien- und Erbrechts, 1964; Schulte-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel, 1970; Hafström, G., Den svenska familjerättens historia, 1970; Bextermöller, C., Das Familienrecht in den Systemen der Pandektistik, 1970; Dörner, H., Industrialisierung und Familienrecht, 1974; Buchholz, S., Savignys Stellungnahme zum Ehe- und Familienrecht, Ius commune 8 (1979), 148; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Schubert, W., Familienrecht 3 Teile, 1983; Köbler, G., Das Familienrecht in der spätmittelalterlichen Stadt, (in) Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Ramm, T., Das nationalsozialistische Familien- und Jugendrecht, 1984; Zur Geschichte des Ehe- und Familienrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Das Familien- und Erbrecht unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Schubert, W., 1993; Ramm, T., Familienrecht – Verfassung, Geschichte, Reform, 1996; Vaupel, H., Die Familienrechtsreform, 1999; Frank, R., 100 Jahre BGB, Familienrecht zwischen Rechtspolitik, Verfassung und Dogmatik, AcP 200 (2000), 400; Franzius, C., Bonner Grundgesetz und Familienrecht, 2005; Wellenhofer, M., Das neue Familienrecht, JuS 2009, 673; Gierke, O., Deutsches Privatrecht Bd. 4 Familienrecht, hg. v. Kroeschell, K./Nehlsen-von Stryk, K., 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Family Law in Early Women’s Rights Debates, hg. v. Meder, S. u. a., 2013; Reformforderungen zum Familienrecht international, hg. v. Meder, S. u. a., Bd. 1f. 2013ff., Meder, S., Familienrecht, 2013

Familienstammgut ist das seit dem 13. Jh. kraft Hausgesetzes des Hochadels (meist mit Zustimmung des Kaisers des Heiligen römischen Reiches) einer besonderen Erb­folge (ungeteilte Ältestenerbfolge) unterwor­fene Gut. Ziel ist die Wahrung der Herrschaftsstellung. Wem dabei das Eigentum zusteht, ist noch im 19. Jh. streitig. Nach einem Gesetz des deutschen Reiches vom 6. 7. 1938 erlöschen alle bestehenden, nicht in Stiftungen umgewandelten Familienstamm­güter mit dem 1. 1. 1939.

Lit.: Zimmerle, L, Das deutsche Stammgutsystem, 1857; Schulze, H., Erb- und Familienrecht der deut­schen Dynastien des Mittelalters, 1871; Nöthiger, R., Familienfideikommisse, Stammgüter und standesherr­liche Hausgüter, 1932; Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse in Deutschland, 1992

Fara ist das langobardisch(-burgundisch)e Wort des 6./7. Jh.s für die Fahrtgenos­sen­schaft der Völkerwanderungszeit bzw. die Familie oder das Geschlecht.

Lit.: Köbler, WAS; Fasoli, G., I Langobardi in Italia, 1965, 50; Cavanna, A., Fara, 1967; Jarnut, J., Geschichte der Langobarden, 1982, 47; Olberg, G. v., Die Bezeichnungen für soziale Stände, Schichten und Gruppen in den Leges Barbarorum, 1991

Farbe ist der Eindruck, den der Mensch mit einem unbewegten Auge von einem im Licht befindlichen Gegenstand wahrnimmt. Mit dem Eindruck kann der Mensch Vorstel­lungen verbinden (z. B. Nationalfarben, Rubrum des Urteilskopfs, rote Robe). Mit ihnen befasst sich vor allem die rechtliche Volkskunde.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899; Meyer, H., Die rote Fahne, ZRG GA 50 (1930), 310ff.; Haupt, G., Die Farbe in der sakralen Kunst des abendländischen Mittelalters, 1941; Lauffer, O., Farbe im deutschen Volksbrauch, 1948; Gage, J., Kulturgeschichte der Farbe, 1994; Schwartzkopff, A., Die Schutzfähigkeit von Farben als Marken, 2002; Münch, I. v., Farben und Recht, 2006; Thurn, H., Farbwirkungen, 2007; Meier, C. u. a., Handbuch der Farbenbedeutungen im Mittelalter, 2012

Faschismus ist die politische Bewegung mit nationalistischer totalitärer Zielsetzung, die ihren historischen Ausgang von Benito Mussolini (Italien 23. 3. 1919 fasci di com­battimento) genommen hat. Ihr verbunden fühlen sich rasch Adolf →Hitler im Deutschen Reich, Francisco Franco in Spanien und andere. Nach dem zweiten Weltkrieg (1939-1945) wird der F. weltweit geächtet.

Lit.: Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 329; Nolte, E., Der Faschismus, 9. A. 1984; Turner, H., Faschismus und Kapitalismus in Deutschland, 1972; Wippermann, W., Faschismustheorien, 6. A. 1995; Payne, S., The History of Fascism, 1995; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 40 I; Faschismus und Gesellschaft in Italien, hg. v. Petersen, J. u. a., 1998; Sternhell, Z. u. a., Die Entstehung der faschistischen Ideologie, 1999; Kühnl, R., Der deutsche Faschismus, 7. A. 2000; Nolte, E., Der Faschismus in seiner Epoche, 5. A. 2000; Payne, S., Geschichte des Faschismus, 2001; Reichardt, S., Faschistische Kampfbünde, 2002; Nietzsche, Godfather of Fascism?, hg. v. Golomb, J. u. a., 2002; Classen, C., Faschismus und Antifaschismus, 2004; Breuer, S., Nationalismus und Faschismus, 2005; Bauerkämper, A., Der Faschismus in Europa 1918-1945, 2006; Knox, M., To the Threshold of Power 1922/33, 2007; Somma, S., Nicht einen Nagel habt ihr entfernt, ZRG 125 (2008), 314; Dormagen, J., Logiques du Fascisme, 2008; Schieder, W., Faschistische Diktaturen, 2008 (Sammelband); Wippermann, W., Faschismus, 2009; The Oxford Handbook of Fascism, hg. v. Bosworth, R., 2009; Schieder, W., Der italienische Faschismus 1919-1945, 2010; Stepanek, F., Ich bekämpfte jeden Faschismus, 2010; Damm, M., Die Rezeption des italienischen Faschismus in der Weimarer Republik, 2013; Wenke, N., Führer und Duce, 2013

Faustpfand ist das dem Pfandgläubiger zu unmittelbarem Besitz übergebene →Pfand, dessen Name sich von der unrichtigen Verbindung von (lat. [N.]) pignus, Pfand mit (lat. [M.]) pugnus, Faust ableitet. Im römischen Recht ist das Pfand teils Besitzpfand, teils besitzloses Pfand. Im deutschen Pfandrecht ist das Pfand zunächst F., doch entwickelt sich im Hochmittelalter an einigen für den Schuldner schwer ent­behrlichen Sachen auch ein besitzloses Pfand (neuere Satzung an Fahrnis). Trotz der Aufnahme des römischen Rechtes bleibt das (dadurch zurückgedrängte) F. bestehen und wird in die Hypothec- und Concursordnung Preußens (1722), das Allgemeine Landrecht Preußens (1794), das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) und in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Die deutsche Rechtswirklich­keit des 20. Jh.s zieht die →Siche­rungsübereignung vor.

Lit.: Kaser § 31 III; Köbler, DRG 126, 164, 213; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfand­prin­zips, 1971; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 39

Faustrecht (1467) ist die Bezeichnung für den Zustand der menschlichen Gesellschaft, in dem sich jeder sein Recht mit eigener Faust (Selbsthilfe) zu erkämpfen versucht. Insofern ist ein rechtsfreier Urzustand ein Zustand des Faustrechts, dem als Gegensatz der moderne, zunehmend besser bewertete Rechtsstaat gegenübersteht, in dem alle Verhältnisse rechtlich geordnet sind und grundsätzlich alle einzelnen Interessen im Streit der Durchsetzung durch den gewaltmonopolistischen Staat bedürfen.

Lit.: Wendt, O., Das Faustrecht, 1883; Fischer, M., Reichsreform und ewiger Landfrieden, 2007

favor (lat. [M.]) Gunst, Begünstigung (z. B. im Zweifel für Gültigkeit oder für Freiheit)

favor (M.) iuris (lat.) Rechtswohltat

Favor (M.) libertatis (lat.) ist im spätrömischen Recht die im Zweifel im Rechtsstreit um die Freiheit gewährte Begünstigung der Freiheit.

Lit.: Kaser §§ 13, 15; Söllner § 12; Köbler, DRG 57

Favor (M.) testamenti (lat.) ist im römischen Recht die bei mehreren Auslegungsmöglich­keiten im Zweifel gewährte Begünstigung des nur unentgeltliche Verfügungen enthaltenden Testaments gegenüber Geschäften unter Lebenden.

Lit.: Kaser § 68 I; Köbler, DRG 60

Favre (Faber), Antoine (1557-1624) aus Savoyen wird nach dem Rechtsstudium in Paris und Turin 1585 Mitglied und 1610 Präsident des Gerichtshofs von Savoyen, dessen Ent­scheidungen er in dem nach dem justinianischen Codex syste­matisierten Codex Fabrianus definitionum forensium (Faber­schen Buch der gerichtlichen Erklärungen) 1609 veröffentlicht (Begründer der Inter­pola­tionenforschung).

Lit.: Chevalier, L., Le président Favre, TRG 20 (1952), 263, 456

FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund [in der Deutschen Demokratischen Republik])

Febronius, Justinus ist das Pseudonym Johann Nikolaus von Hontheims (Trier 27. 1. 1701-Montquintin/Luxemburg 2. 9. 1790, Weihbischof von Trier), unter dem 1763 (lat.) De statu ecclesiae (Vom Zustand der Kirche) erscheint, in dem der Gedanke der den Papst beschränkenden Nationalkirchen unterstützt wird (Febronianismus).

Lit.: Mejer, O., Febronius, 2. A. 1885; Pitzer, V., Justinus Febronius, 1976

Februarpatent ist in →Österreich das dem →Oktoberdiplom folgende Patent vom 26. 2. 1861, das als Verfassung (Februarverfassung) des österreichischen Reiches einen Inbegriff von Grundgesetzen (Pragmatische Sanktion, Oktoberdiplom, die anerkannten Teile der ungarischen Verfassung, Grundgesetz über die Reichs­vertretung, neue Landesordnungen für die cisleithanischen Länder) versteht und für den Reichsrat zwei Kammern (Herrenhaus, Abgeordnetenhaus) vorsieht (, wobei die Abgeordneten von den Landtagen zu entsenden sind, 1873 Direktwahl) und damit den →Neoabsolutismus formal beendet. Das F. schafft ein zentrales System und bildet die erste Grundlage für den mit der →Dezemberverfassung 1867 begründeten Konstitutionalismus. In Ungarn wird das Grundgesetz über die Reichsvertretung von liberalen Kräften abgelehnt.

Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher; Rottenbacher, B., Das Februarpatent in der Praxis, 2001; Das Februarpatent 1861, hg. v. Bussjäger, P. u. a., 2011

Fehde ist im mittelalterlichen deutschen Recht der Zustand der rechtmäßigen, Verletzungen fremder Menschen und Sachen erlaubenden Feindschaft zwischen dem Verletzten (und seiner Verwandtschaft) und dem Rechts­brecher (und seiner Verwandt­schaft) zwecks Durchsetzung eines be­stehenden oder behaupteten Rechtes. Die F. lässt die Selbsthilfe zu und zwar auch in der Form der Blutrache. Neben ihr steht wohl schon früh die Möglichkeit des Erfolgsausgleichs durch Verhandlung bzw. Meinungsbildung oder Entscheidung Dritter. Im Frühmittelalter beginnen König und Kirche die F. wegen ihrer unbefriedigenden, in der Nähe des Unrechts stehenden Folgen zurückzudrängen. Deswegen enthalten die Volksrechte umfangreiche Bußkataloge (→Kompositi­onensystem). Im Hochmittelalter wird in den Landfriedensbestimmungen das Mittel der peinlichen →Strafe gegen die F. eingesetzt. Die F. wird auf den Adel beschränkt. Dem römischen Recht und dem kanonischen Recht ist die F. unbekannt, so dass die Rezeption eher zur Ablehnung der F. führt. Landfrieden von 1467, 1486 und schließlich der ewige Landfriede von 1495 verbieten die F. umfassend. Gleichzeitig wird das Reichs­kammergericht als Streitentschei­dungsorgan verfügbar. Danach geht die wohl noch gewohnheitsrechtlich legitimierte oder zumindest gewohnheitsmäßig geübte F., wie sie beispielsweise auch der Berliner Kaufmann Hans Kohlhase von 1534 bis 1538/1540 führt, tatsächlich allmählich zurück. →Duell und →Selbsthilfe bleiben Überreste auch in der Neuzeit.

Lit.: Köbler, LAW; Halban-Blumenstok, A., Königsschutz und Fehde, ZRG GA 17 (1896), 63; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Beyerle, F., Das Entwicklungs­problem im germanischen Rechtsgang, 1915; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 263, Neudruck 1964; Blockmans, F., Een patricische veete te Gent, Bulletijn der koninkl. commissie van geschiedenis 99 (1935), 573; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Brunner, O., Land und Herrschaft, 1939, 2. A. 1942, 3. A. 1943, 4. A. 1959, 5. A. 1965; Genzmer, F., Rache, Wergeld und Klage, 1941; Asmus, H., Rechtsprobleme des mittelalterlichen Fehdewesens, 1951; Kaufmann, E., Die Fehde des Sichar, JuS 1 (1961), 85; Fenger, O., Fejde og mandebod, 1971; Obenaus, H., Recht und Verfassung der Gesellschaft mit St. Jörgenschild, 1961; Orth, E., Die Fehden der Reichsstadt Frankfurt am Main im Spätmittelalter, 1973; Sendler, H., Über Michael Kohlhaas, 1985; Kaufmann, M., Fehde und Rechtshilfe, 1993; Terharn, C., Die Herforder Fehden, 1994; Ritzmann, P., Plackerey in deutschen Landen, 1995; Müller-Tragin, C., Die Fehde des Hans Kohlhase, 1997; Zmora, H., State and Nobility in Early Modern Germany, 1996; Althoff, G. Spielregeln der Politik im Mittelalter, 1997; Vogel, T., Fehderecht und Fehdepraxis im Spätmittelalter, 1998; Dießelhorst, M./Duncker, A., Hans Kohlhase, 1999; Graf, K., Gewalt und Adel in Südwestdeutschland, 2000; Hoheitliches Strafen in der Spätantike und im frühen Mittelalter, hg. v. Weitzel, J., 2002; Reinle, C., Bauernfehden, 2003; Hyams, P., Rancor and Reconciliation in Medieval England, 2003; Bechstein, E., Die Tierberger Fehde, 2004; Kortüm, H., Wissenschaft im Doppelpass? Carl Schmitt, Otto Brunner und die Konstruktion der Fehde, HZ 282 (2006), 561ff.; Feud in Medieval and Early Modern Europe, hg. v. Netterström, J. u. a., 2007; Fischer, M., Reichsreform und ewiger Landfrieden, 2007; Bernoth, C., Die Fehde des Sichar, 2008; Karauscheck, E., Fehde und Blutrache, 2011

Fehler (1470) ist im Kaufrecht die Abweichung von einer vereinbarten oder vorausgesetzten Beschaf­fen­heit. Nach rezi­piertem römischem Recht begründet der F. einen Anspruch auf Wandelung oder Minde­rung.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Fehmarn

Lit.: Thon, H., Untersuchungen zur Rechtsgeschichte der Insel Fehmarn, Zs. der Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 70/71 (1943), 117; Kramer, K., Fehmarner Volksleben, 1982,

Fehr, Hans (Sankt Gallen 9. 11. 1874-Muri bei Bern 21. 11. 1961) wird nach dem Rechtsstudium in Würzburg, Berlin (Heinrich Brunner, Otto von Gierke, Josef Kohler), Bern (Eugen Huber) und Leipzig (Rudolf Sohm, Gerhard Seeliger) Professor für deutsche Rechtsgeschichte in Jena (1907), Halle (1912), Heidelberg (1917, Nachfolge Richard Schröders) und Bern (1924-1944). Seine Hauptwerke betreffen das Recht im Bilde (1923), das Recht in der Dichtung (1933) und die Dichtung im Recht (1937).

Lit.: Kunst und Recht, hg. v. Beyerle, F./Bader, K., 1948; Bader, K., Hans Fehr, ZRG GA 80 (1963), XV; Jelowik, L., Tradition und Fortschritt, 1998, 125f.

Feiertag ist der kraft Rechtes arbeitsfreie Arbeitstag. Die Arbeitsfreiheit des siebenten Wochentags und der Feste Weihnachten, Ostern und Pfingsten geht auf die jüdisch-christliche Tradition zurück. 1642 schränkt Papst Urban VIII. die zu groß gewordene Zahl der katholischen Feiertage auf 34 jährlich ein. Seit dem 19. Jh. wird die staatliche Gesetzgebung entscheidend, auf die auch die an bezahlter Arbeitsfreiheit interessierten Gewerk­schaften (Tag der Arbeit) und die ihr ablehnend gegenüber­stehenden Arbeitgeber Einfluss nehmen. Im ausgehenden 20. Jh. verringern wirtschaft­liche Überlegungen (z. B. Maschinenauslas­tung, Konsumsteigerung, Freizeitmerkantili­sierung) die Bedeutung des Feiertags.

Lit.: Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 1953ff.; Krämer, J., Industrialisierung und Feiertage, 1999; Grube, A., Der Sonntag, 2003; Bürkle, M., Die Entwicklung des Sonn- und Feiertagsschutzes in Baden, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 2003

Feigheit ist die Neigung des Menschen, sein Handeln von Furcht vor Gefahren bestimmen zu lassen. Im Militärstrafgesetzbuch Preu­ßens von 1845 wird F. Straftatbestand. Auch nach § 6 Wehrstrafgesetz von 1957 entschul­digt Furcht vor persönlicher Gefahr nicht.

Lit.: Brinkkötter, H., Feigheit, Diss, jur. Marburg 1983

Feine, Hans Erich (Göttingen 21. 3. 1890, Tübingen 6. 3. 1965), Theologensohn, wird 1913 in Halle bei Paul Rehme promoviert und nach Kriegsteilnahme und Assistentenzeit bei seinem Schwiegervater Ulrich Stutz 1920 bei Paul Rehme in Breslau habilitiert. 1922 wird er Professor in Rostock, 1931 in Tübingen, wo er wegen seiner Verbundenheit mit dem Gedankengut des Nationalsozialismus 1946 amtsenthoben und 1952 emeritiert wird, 1955 aber seinen früheren Lehrstuhl wieder erhält. Seine Verfassungsgeschichte der Neuzeit ist im Nationalsozialismus erfolgreich, seine kirchliche Rechtsgeschichte unvollendet.

Lit.: Tausend Jahre deutsche Reichssehnsucht und Reichswirklichkeit, 1935; Bader, K., Hans Erich Feine, ZRG KA 51 (1965), XIff.,;Münchener rechtshistorische Studien zum Nationalsozialismus, hg. v. Nehlsen, H., 1996

Feld ist das dem Ackerbau unterworfene Grundstück (im Gegensatz zu Wiese und Wald).

Feldfrevel ist die ältere Sammelbezeichnung für die Beschädigung eines fremden Feldes (z. B. Reiten über fremdes Feld, Überpflügen, Übermähen). Der F. ist vor allem in Weistümern und Polizeiordnungen behandelt (vgl. auch Art. 167f. CCC). Rechtsfolgen sind vielfach Bußen und Schadenseratz.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 224ff.

Feldservitut (F.) s. Servitut, Dienstbarkeit

Felonie (11. Jh.) ist der Treuebruch (im mittelalterlichen Lehnswesen) durch Nichterfüllung der Lehnspflichten (z. B. heimlicher Verkauf des Lehens, Verwei­gerung der Einlassung in einen Lehnsprozess, Tötung des Lehnsherrn). Die F. des Lehns­manns berechtigt den Lehnsherrn zur Ein­ziehung des Lehens, doch wird diese Folge in der Neuzeit abgemildert. Bei F. des Lehns­herrn kann der Lehnsmann eine →Fehde beginnen oder eine Klage erheben.

Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972, 542, 679; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie, Diss. jur. Breslau 1937; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen, 1961; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafen von Katzenelnbogen, 1969; Bellamy, J., The Law of Treason, 1970; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 1961, 6. A. 1983, 104; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter, 1979, 400

Feme (Bund?, Strafe?), mhd. veme, ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf die Verbesserung der Rechtspflege durch Femegerichte abzielende Bewegung innerhalb der Gerichtsbarkeit (vemenoten 1227, 1306, 1311 belegt). Zu diesem Zweck entstehen seit dem (13. oder) 14. Jh. aus den westfälischen Freigerichten besondere Femegerichte, die mit einem Freigrafen und 7 Freischöffen besetzt sind. Die Angehörigen des Femegerichts sind in feierlicher Form in die Geheimnisse der F. eingeweiht. Jeder Freischöffe ist verpflichtet, todeswürdiges Unrecht zu rügen (Diebstahl, Raub, Gewalt gegen Kirchen, Mord, Meineid). Bei Bedarf können die Freischöffen überall ein Notgericht durchführen und nach Über­führung den Täter sofort mit dem Strang richten. Missachtet ein Beschuldigter eine Ladung, so wird das Verfahren in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt. Ohne dass er das Urteil kennt, muss er jederzeit mit der Vollstreckung rechnen, wenngleich anscheinend nur eine ziemlich geringe Zahl von Todesurteilen tatsächlich vollstreckt wird. Die allmählich mit teilweiser königlicher Unterstützung über das Reich (rund 15000-30000 Freischöffen) verbreitete F. wird wegen der auftretenden Missbräuche seit der Mitte des 15. Jh.s zurückgedrängt. Sie endet im 18. Jh.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Wigand, P., Das Femgericht Westfalens, 1825, 2. A. 1893, Neudruck 1968; Tross, L., Sammlung merkwürdiger Urkunden für die Geschichte der Femgerichte, 1826; Usener, P., Die Frei- und heimlichen Gerichte Westphalens, 18323; Duncker, H., Kritische Besprechung der wichtigsten Quellen, ZRG GA 5 (1884), 116; Lindner, T., Die Veme, 1888, 2. A. 1896, Neudruck 1989; Schnettler, O., Die Veme, 1921, 2. A. 1933; Siedler, A., Geschichte des Niedergangs der westfälischen Femegerichte, 1935; Scherer, C., Die westfälischen Femegerichte und die Eidgenossenschaft, 1941; Veit, L., Nürnberg und die Feme, 1955; Harnisch, W., Anmerkungen zu neueren Ansichten über die Feme, ZRG GA 102 (1985), 247; Gimbel, R., Die Reichsstadt Frankfurt am Main, 1990; Fricke, E., Die westfälische Veme, 2002; Schwob, U., Spuren der Femgerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Tirol, 2009; Fricke, E., Die westfälische Veme Supplementband, 2011

Femegericht →Feme

Fememord (politischer Mord im 20. Jh.) z. B. an Matthias Erzberger (1921) oder Walter Rathenau (1923)

Feminismus (M.) Geistesströmung des ausgehenden 20. Jh.s zu Gunsten des Femininen oder Weiblichen

Lit.: Feministische Rechtswissenschaft, hg. v. Foljanty, L. u. a., 2006, 2. A. 2012

Fenus (N.) nauticum (lat.) ist im klassischen römischen Recht das aus dem griechischen Recht kommende, ohne weiteres in unbeschränkter Höhe verzinsliche →Darlehen im Seerecht. Gehen die auf dem Schiff verladenen Sachen unter, so wird der Darlehensnehmer frei.

Lit.: Kaser §§ 34 IV 2, 39 I 3; Mathiass, B., Das foenus nauticum und die geschichtliche Entstehung der Bodmerei, 1881; Schuster, S., Das Seedarlehen in den Gerichtsreden des Demosthenes, 2005

Ferdinand I. (Alcalá de Henares 10. 3. 1503-Wien 25. 7. 1564) ist der zweite Sohn Philipps von Burgund und Johannas von Kastilien. Er vertritt seit 1521 seinen älteren Bruder Kaiser Karl V. im Reich, erhält 1521/1522 die österrei­chischen Herzogtümer, wird über (Heirat mit) Anna Jagiello von Ungarn am 23. 10. 1526/17. 12. 1526 zum König von Böhmen bzw. Ungarn gewählt, wird am 5. 1. 1531 römischer König und am 14. 3. 1558 Kaiser des Heiligen römischen Reiches. Er begründet die österreichische Linie der Habsburger. Bei seinem Tod werden die österreichischen Länder in eine öster­reichische Linie, steirische Linie und Tiroler Linie geteilt.

Lit.: Buchholtz, F., Geschichte der Regierung Ferdinand des Ersten, Bd. 1ff. 1831ff.; Ferdinand I., hg. v. Fuchs, M. 2002; González Navarro, R., Fernando I., 2003; Kaiser Ferdinand I. 1503-1564, 2003

Ferdinand III.

Lit.: Hengerer, M., Kaiser Ferdinand III. (1608-1657, 2012

Fernhandel ist der weiträumige Handel in Altertum und Mittelalter. Im Frühmittelalter wird der F. vor allem von syrischen und jüdischen sowie auch friesischen, angelsächsischen und normannischen Händlern betrieben. Mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft dehnt sich der auch technisch verbesserte F. über weite Teile Europas aus und geht in der Neuzeit in einen erdumspannenden F., Außenhandel oder Welthandel über.

Lit.: Warnke, C., Die Anfänge des Fernhandels in Polen, 1964; Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und frühgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa, Teil 1ff. 1985ff.; Siems, H., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1995; Fernhandel und Geldwirtschaft, hg. v. Kluge, B., 1993; Mercati e Mercanti nell’alto medioevo, 1993; Stoob, H., Die Hanse 1995; Nagel, J., Abenteuer Fernhandel, 2007

Ferrara

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007

Fertigung

Lit.: Müller, W., Fertigung und Gelöbnis mit dem Gerichtsstab, 1976

Fertigungsrecht

Lit.: Escher, A., Zur Geschichte des zürcherischen Fertigungsrechtes, Jb. f. schweiz. Geschichte 32 (1907), 89

Fest ist die gemeinschaftliche Feier eines Ereignisses. Verschiedentlich werden auch rechtliche bedeutsame Ereignisse durch ein F. hervorgehoben (z. B. Friedensschluss, Heirat).

Lit.: Das Fest, hg. v. Schultz, U., 1988; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Fest und Festhistorik, hg. v. Kopperschmidt, J. u. a., 1999; Becker-Huberti, M., Lexikon der Bräuche und Feste, 2000; Das Fest, hg. v. Maurer, M., 2004; Festrituale in der römischen Kaiserzeit, hg. v. Rüpke, J., 2008; Feiern und Erinnern, hg. v. Beck, H. u. a., 2009

Festkrönung ist im Mittelalter die (Wiederho­lung einer) Krönung an einem Fest.

Lit.: Klewitz, H., Die Festkrönung der deutschen Könige, ZRG KA 28 (1939), 48ff.; Brühl, C., Fränkischer Krönungsbrauch und das Problem der Festkrönung, HZ 194 (1962), 265ff.; Jäschke, K., Frühmittelalterliche Festkrönungen?, HZ 211 (1970), 556ff.

Festschrift

Lit.: Bibliographie juristischer Festschriften, bearb. v. Dau, H., Bd. 1ff. (1945-1961ff.), 1962ff.

Feststellungsklage ist die auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtete Klage.

Lit.: Weismann, J., Die Feststellungsklage, 1879

Festuca ist der seit dem Frühmittelalter (→Lex Salica, →Lex Ribvaria) als Rechts­symbol verwendete Halm oder Stab. Eine f. wird etwa geworfen, wenn jemand einseitig eine Bindung aufsagt (Exfestukation). Eine f. wird überreicht, wenn ein Recht einver­ständlich übertragen werden soll. In der frühen Neuzeit verschwindet die f.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 23; Köbler, LAW; Michelsen, A., Über die festuca, 1856; Thévenin, M., Wadium et festuca, Nouvelle Revue historique du droit, 1880, 69; Amira, K. v., Der Stab in der germanischen Rechtssymbolik, 1909, 145; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1

Festung ist der zum Zweck der Verteidigung durch Bauwerke besonders (fest) gesicherte Ort in der frühen Neuzeit. Die F. entsteht im 14./15. Jh. in Italien, als die schweren Geschütze die bisherigen Befestigungen von Burg und Stadt entwerten. Führend im Festungsbau wird danach Frankreich (Vauban 1633-1707). 1820 gibt es in Preußen noch 24 Festungen. Spätestens die Erfindung der Luftwaffe lässt die nur horizontal gesicherten Festungen wertlos werden.

Lit.: Menne, P., Die Festung des norddeutschen Raumes, 1942; Huber, R./Rieth, R., Festungen, 1979; Neumann, H., Festungsbaukunst und Festungsbau­technik, 1988; Böhme, H. u. a., Wörterbuch der Bur­gen, Schlösser und Festungen, 2004

Festungsbaustrafe ist die in der zwangsweisen Mitwirkung im Bau einer →Festung bestehende Strafe der frühen Neuzeit (z. T. bis 1867).

Lit.: Kleinschrod, G., Über die Strafe der öffentlichen Arbeiten, 1789; Krause, T., Geschichte des Strafvollzugs, 1999; Ivanovic, I., Zwangsarbeit als Strafe, 2002

Festungshaft ist die in einer →Festung vollzogene Freiheitsstrafe der mittleren Neuzeit. Sie zieht keine Ehrenminderung nach sich. 1954 wird sie von den Alliierten verboten, nach Wiederbelebung als Einschließung 1969 mit Einführung der Einheitsfreiheitsstrafe aufgegeben.

Lit.: Wächter, C., Lehrbuch des römisch-deutschen Strafrechts, Bd. 1 1825; Sonntag, K., Die Festungshaft 1872; Otto, W., Die Festungshaft, Diss. jur. Jena 1939; Uhl, K., Grundlagen der Festungshaft, Diss. jur. Tübingen 1940 (masch. schr.); Giesing, G., Entbehrlichkeit der Festungshaft?, Diss. jur. Tübingen 1948 (masch. schr.); Jennings, G., Die custodia honesta, Diss. jur. Köln 1965 (masch. schr.); Krause, T., Geschichte des Strafvollzugs, 1999

Feudalismus (frz. feodalité 1722/1727) ist im Sinne eines idealtypischen Ordnungsbegriffs die soziale, wirtschaftliche und politische Ordnung einer Gesellschaft, in der eine (adlige) Oberschicht mit Rechten an Land und anderen Gegenständen als Ausgleich für Kriegsdienste und andere Dienste ausgestattet wird, im engeren Sinn das Lehnswesen. In Europa entsteht der F. spätestens im Frühmittelalter. Er bleibt bis in das 19. Jh. (1848) bestimmend, wenn er auch seit dem ausgehenden 18. Jh. bekämpft wird. →Lehen

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 174; Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 337; Beaudoin, E., Étude sur les origines du régime féodal, 1889; Bloch, M., La société féodale, Bd. 1f. 1939f.; Brunner, O., Feudalismus, Abh. d. Akad. d. Wiss. Mainz, 1958, 10; Graus, F., Die Gewalt bei den Anfängen des Feudalismus, Jb. f. Wirtschaftsge­schichte 1 (1961), 61; Feudalismus, hg. v. Wunder, H., 1974; Feudalismus, hg. v. Kuchenbuch, L. u. a., 1977; Guerreau, A., Le féodalisme, 1980; Duby, H., Die drei Ordnungen, 1981; Zum Problem des Feudalismus in Europa, 1981; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, 1985; Feudalismus, hg. v. Müller-Mertens, E., 1985; Strukturen der Grundherr­schaft im frühen Mittelalter, hg. v. Rösener, W., 1989; Kroeschell, K., Lehnrecht und Verfassung, 1997; Borgolte, M., Feudalismus, ZHF 25 (1998), 245ff.; Bloch, M., Die Feudalgesellschaft, 1999; Blickle, P., Kommunalismus, 2000; Die Gegenwart des Feudalismus, hg. v. Fryde, N. u. a., 2002; Fiefs et féodalité, hg. v. Bonnassie, P., 2002

Feudistik (F.) Wissenschaft vom (mlat.) feudum (N.) bzw. vom Lehnswesen bzw. vom Lehnsrecht

feudum (mlat. [N.]) Lehen, wahrscheinlich zu ahd. fihu (N.) Vieh, Erstbeleg Sankt Gallen 786, im 13. Jh. häufiger als (lat.) beneficium (N.), f. extra curtem (sachlich seit dem hohen Mittelalter, Wort 18. Jh.) Lehen außerhalb der eigenen Landesherrschaft

Lit.: Köbler, LAW; Prausnitz, O., Feuda extra curtem, 1929; Krawinkel, H., Feudum, 1938; Tiefenbach, H., Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, 1973, 100ff.; Spieß, K., Das Lehnswesen in Deutschland, 2002, 2. A. 1009

Feuerbach, Paul Johann Anselm von (Hainichen bei Jena 14. 11. 1775-Frankfurt am Main 29. 5. 1833), unehelich geborenes Kind eines späteren Anwalts, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Jena (1795 Dr. phil., 1799 Dr. iur.) außer­ordentlicher Professor in Jena, 1801 ordentlicher Professor, 1802 in Kiel und 1804 in Landshut sowie nach Aufgabe seiner Lehrtätigkeit 1805 Verwaltungsbeamter in München, 1814 Appellationsvizegerichts­prä­sident in Bamberg und 1817 Appel­lations­gerichtspräsident in Ansbach. Auf Grund des 1801 erschienenen Lehrbuchs des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechtes (Jede Zufügung einer Strafe setzt ein Strafgesetz voraus - die Zufügung einer Strafe ist bedingt durch das Dasein der bedrohten Handlung - die gesetzlich bedrohte Tat be­dingt die gesetzliche Strafe) wird ihm (1804) die Erarbeitung eines modernen →Strafgesetz­buchs (1813) in →Bayern über­tragen. Wegen seiner von der Aufklärung geprägten Theorie des psychologischen Zwangs will er mit genauen Tatbeständen ([lat.] →nullum crimen sine lege) jedermann von Verletzungen der Rechte anderer abschrecken (→Generalprävention durch Furcht vor Strafe) und dadurch die wechselseitige Freiheit des Bürgers schützen. Im Verfahren setzt sich F. für Öffentlichkeit und Mündlichkeit ein. Daneben entwickelt er auch kriminalsoziologische Vorstellungen.

Lit.: Köbler, DRG 181, 204; Feuerbach, L., Anselm Ritter von Feuerbachs Leben, 1852; Döring, W., Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck 1958; Radbruch, G., Paul Johann Anselm Feuerbach, 1934, 2. A. 1957, 3. A. 1969, 4. A. 1998 (auch in Radbruch-Gesamtausgabe); Blau, G., P. J. A. Feuerbach, 1948; Wolf, E., Große Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 543; Naucke, W., Kant und die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs, 1962; Gallas, W., P. J. A. Feuerbachs „Kritik des natürlichen Rechts“ 1964 (SB Heidelberg); Kipper, E., Johann Paul Anselm Feuerbach, 1969; Schubert, G., Feuerbachs Entwurf zu einem Strafgesetzbuch, 1978; Feuerbach, Paul Johann Anselm – Savigny, Friedrich Carl von, 12 Stücke aus dem Briefwechsel, hg. v. Kadel, H., 1990; Neh, S., Die posthumen Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch, 1991; Küper, W., Das Verbrechen am Seelenleben, 1991; Feuerbach, P., Reflexionen, hg. v. Küper, W., 1993; Die Bedeutung P. J. A. Feuerbachs, hg. v. Haney, G., 2003; Feuerbachs Bayerisches Strafgesetzbuch, hg. v. Koch, A. u. a., 2014

Feuerschau ist die im Spätmittelalter in den Städten und danach auch in den Dörfern entwickelte regelmäßige amtliche Über­prüfung aller Gebäude auf ihre Feuer­sicherheit, bei der auch Geldstrafe oder Gefängnis verhängt werden kann.

Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff., 2, 367ff.

Feuerstrafe ist das Verbrennen eines Täters. Die F. ist im Altertum bekannt. Sie ist im Frühmittelalter selten. Mit dem peinlichen Strafrecht wird sie für Brandstiftung, Ketzerei und Unzucht mit Tieren üblich (Sachsenspiegel Landrecht [1221-1224] II 13 § 7, CCC [1532] Art. 109, 111, 116, 125, 172). Bald werden insbesondere Hexen verbrannt. Als Folge der Aufklärung wird die F. seit dem 18. Jh. aufgegeben.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 639; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 502, Neudruck 1964; Behringer, W., Mit dem Feuer vom Leben zum Tod, 1988

Feuerversicherung ist die Versicherung gegen Schäden an Sachen durch Feuer. Erste Ansätze finden sich bereits im Mittelalter. In der Neuzeit wird die F. Zwangsversicherung.

Lit.: ; Kühn, R., Das Brandversicherungswesen im Königreich Sachsen 1913, Neudruck 2013; Helmer, G., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung in den Herzogtümern Schleswig und Holstein, Bd. 1f. 1925f.; Ebel, W., Die Hamburger Feuerkontrakte und die Anfänge des deutschen Feuerversicherungsrechts, 1936; Zwiewrlein, C., Der gezähmte Prometheus - Feuer und Sicherheit, 2011

Feuerwehr ist die Abwehr von Gefahren des Feuers meist durch gemeinsame Anstrengung mehrerer Menschen. Sie beginnt als staatliche Leistung im Grunde mit der Schaffung von Wächtern ([lat.] vigiles [M.Pl.] Wächter) in Rom unter Kaiser Augustus (27. v. Chr.-14 n. Chr.). Im 19. Jh. treten freiwillige Feuerwehr in kleinen Gemeinden und berufsmäßige Feuerwehr in Großstädten einander gegen­über.

Lit.: Wallat, K., Sequitur clades – Die Vigiles im antiken Rom, 2004

Fiat iustitia et pereat mundus (lat.). Es muss Gerechtigkeit geübt werden und der Hochmut zu Fall kommen (bzw. es muss Gerechtigkeit geschehen, selbst wenn die Welt darüber zugrunde gehen sollte).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Anfang 16. Jh.)

Fichard, Johann (Frankfurt am Main 23. 6. 1512-Frankfurt am Main 7. 6. 1580) wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (1528), Freiburg im Breisgau (Ulrich Zasius) und Basel (1530) sowie der Promotion in Freiburg im Breisgau am 28. 11. 1531 Advokat in Frankfurt am Main, 1532/1533 am Reichkammergericht in Speyer und dann Syndikus in Frankfurt am Main und nach dem Studium in Padua 1536/1537 Anwalt und Berater in Frankfurt am Main. Seine wichtigsten Leistungen sind neben den 1539 in Fortführung eines Werkes des Bernhard Rutilius veröffentlichten (lat.) Vitae (F.Pl.) iu­risconsultorum recentiorum (Lebensbeschrei­bungen neuerer Rechtsgelehrter) (stark romanisiert) die Gerichts- und Landesordnung der Grafschaften →Solms (1571) und die revidierte Reformation der Stadt →Frankfurt am Main (1578).

Lit.: Köbler, DRG 143; Jung, R., Dr. Johann Fichard, 1889; Rivier, A., Über die ars notariatus von Johann Fichard (1539), ZRG RA 13 (1892), 356

Fichte, Johann Gottlieb (Rammenau bei Bischofswerda 19. 5. 1762-Berlin 29. 1. 1814), Philosoph des deutschen Idealismus (Jena 1794-1799, Erlangen 1805-1806, Kö­nigsberg 1806-1807, Berlin 1810) bestimmt das Recht im Sinne eines Verhältnisses der wechselseitigen Freiheitsbeschränkungen, ge­nannt Rechtsverhältnis, wobei schon im Na­turzustand das Rechtsgesetz den Einzelnen verpflichtet und ein Urrecht auf Freiheit, Unantastbarkeit des Körpers und Eigentum verleiht.

Lit.: Verweyen, H., Recht und Sittlichkeit in Johann Gottlieb Fichtes Gesellschaftslehre, 1875; Fichte, J. G., Gesamtausgabe, Bd. 1ff. 1962ff. (42 Bände)Fichtes Leh­re vom Rechtsverhältnis, hg. v. Kahlo, M., 1992; Pauly, W., Freiheit und Zwang in Fichtes Staatsphilosophie (in) Recht, Idee, Geschichte, 2000, 591ff.

Ficker, Julius (Paderborn 30. 4. 1826-Innsbruck 10. 7. 1902) wird nach dem Studium von Geschichte und Recht in Münster, Berlin und Bonn 1852 (bis 1879) Professor für Geschichte und zeitweise (1863) Rechtsgeschichte in Innsbruck, wo er zahlreiche unterschiedliche Fragen an Hand vorwiegend urkundlicher Quellen und später auch vergleichender Zielsetzungen untersucht.

Lit.: Puntschart, P., Julius Ficker, ZRG GA 23 (1902), XIV; Jung, J., Julius Ficker, 1907; Brechenmacher, T., Julius Ficker, Geschichte und Region 5 (1996), 53ff.

fictus (lat. [Adj.]) erdacht, fingiert z. B. (lat.) fictus possessor, gingierter Besitzer

Fideicommissum (lat. [N.] der Treue Anvertrautes) ist im römischen Recht zu­nächst die formlose, nur sittlich verpflichtende Anordnung (Bitte), die der Erblasser dem in einem Testament eingesetzten Erben erteilt bzw. mitteilt. Seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) wird das aus solchen Briefen entstehende Kodizill zusammen mit dem darin enthaltenen f. zu einer obligatorisch wirkenden Rechts­einrichtung, die der Bedachte vor dem Konsul, später vor einem besonderen (lat.) praet­or (M.) fideicommis­sarius (Fideikom­miss­prätor) geltend machen kann. Justinian (527-565) stellt f. und (lat. [N.]) legatum, Vermächtnis gleich. Beschwert werden kann der Erbe, der Vermächnisnehmer, ein anderer Fideikommissar oder der erbende Fiskus, betroffen sein kann ein einzelner Gegenstand oder die ganze Erbschaft.

Lit.: Kaser § 68 V

Fideikommiss (1543) →fideicommissum, Familien­fideikommiss

Lit.: Kunsemüller, E., Zur Entstehung der westfälischen Fideikommisse, 1909; Heß, K., Junker und bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Fischer, H., Die Auflösung der Fideikommisse, 2ß13

fideikommissarisch (Adj.) ein Fideikommiss betreffend

Fideiussio (lat. [F.]) ist im römischen Recht eine in der späten Republik für jede Schuld zulässige Form der →Bürgschaft.

Lit.: Kaser § 57 II 2

Fidelis (lat. [M.]) Getreuer, Gläubiger

Lit.: Gladiß, D. v., Fidelis regis, ZRG GA 57 (1937), 442; Hannig, J., Consensus fidelium, ZRG GA 102 (1985), 351

Fidepromissio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Nachbildung der nur unter römischen Bürgern und neben einer Stipulation möglichen (lat. [F.]) sponsio (→Bürgschaft) für Nichtbürger.

Lit.: Kaser § 57 II 2; Köbler, DRG 44, 63

Fides (lat. [F.]) ist im römischen Recht die anfangs nur sittliche, dann aber auch rechtliche Verpflichtung, zu einem gegebenen Wort zu stehen. Bona f. ist die gute Treue, mala f. die schlechte Treue, durch die sich beispielsweise redlicher Besitzer und unredlicher Besitzer voneinander unterschei­den. Auf die f. stützt das römische Recht vor allem die Fälle des →bonae-fidei-iudicium (Klage aus den wichtigsten formfrei begründeten Schuldverhältnissen).

Lit.: Kaser §§ 3 III 3, 13 I 2, 63 I 3; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 45; Köbler, LAW; Lombardi, L., Della fides alla bona fides, 1961; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1; Honsell, H., Quod interest im bonae fidei iudicium, 1969; Nörr, D., Die fides im römischen Völkerrecht, 1991; Schneider, N., Uberrima fides, 2004

Fiducia (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die Sicherungsübereignung, bei der dem Gläubiger (Fiduziar) als Sicherungsnehmer vom Schuldner (Fiduziant) als Sicherungsgeber das Eigentum an einer Sache unter der Treuabrede (f.) verschafft wird, dass die Sache nach Erreichung des Sicherungszwecks (z. B. Tilgung der gesicherten Schuld) zurück­zuübereignen sei. Im spätantiken römischen Recht stirbt die F. ab.

Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 24 II 2, 39 IV 2; Söllner § 9; Köbler, DRG 41, 62; Noordraven, B., Von der fiducia zur Treuhandschaft, Österreich. Notariatszeitung 1995, 256; Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 1998; Noordraven, B., Die Fiduzia im römischen Recht, 1999

Fiktion ist der Rechtssatz, der eine in Wahrheit nicht bestehende Tatsache als bestehend behandelt (z. B. gilt lange Zeit das uneheliche Kind nicht als mit seinem Vater verwandt, obwohl es tatsächlich mit ihm verwandt ist). Die F. ist bereits dem römischen Recht an einzelnen Stellen bekannt (z. B. bei vereitelter Bedingung).

Lit.: Kaser § 10 I 1; Söllner § 9

Fiktionstheorie ist im 19. Jh. die von Savigny vertretene Ansicht, dass die →juristische Person nur eine →Fiktion sei.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

filia (lat. [F.]) Tochter

filius (lat. [M.]) Sohn

Film

Lit.: Ackermann, A., Film und Fimrecht, 2013

final zweckgerichtet

Finale Handlungslehre ist die von Hans Welzel in der Mitte des 20. Jh.s entwickelte Lehre vom zweckgerichteten Handeln des Straftäters, nach welcher der →Vorsatz als subjektiver Teil des Tatbestands zu ver­stehen ist.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Finanz ist die vom mlat. Verb finare, festgesetzte Abgabe bezahlen abgeleitete Vermögenslage einschließlich des dafür notwendigen Rechnungswesens. Der Aus­druck Finanz(en) wird im 16. Jh. gebräuchlich, nachdem die Verfügbarkeit über Geldmittel als Grundlage von Herr­schaftsverwirklichung erkannt wird. Im 16. und 17. Jh. bestehen landesherrliche und land­ständische Finanzverwaltung nebeneinander, doch bricht die landständische Finanz­verwaltung im dreißigjährigen Krieg (1618-1648) vielerorts zusammen. Danach dienen alle öffentlichen Einnahmen der Befriedigung aller öffentlichen Ausgaben. Im 19. Jh. setzt sich die Steuer als Einnahmequelle gegenüber den Einnahmen aus Domänen und Regalien durch. Nach dem ersten Weltkrieg wird unter dem Reichsfinanzminister Matthias Erzberger die progressive Einkommensteuer mit Lohn­steuerabzug bei dem Arbeitgeber eingeführt. Das ausgehende 20. Jh. ist von der zu­nehmenden Bedeutung der weniger deutlich erkennbaren indirekten Steuer (Mehr­wertsteuer), das Haushaltsbewilli­gungsrecht des Parlaments, die öffentliche Haushalts­ordnung, durch Kassenordnungen, Rech­nungs­legungsordungen und Prüfungsbe­hörden gekennzeichnet.

Lit.: Brunner, O., Die Finanzen der Stadt Wien, 1929; Schnee, H., Die Hoffinanz und der moderne Staat, Bd. 1ff. 1963ff.; Schulz, H., Das System und die Prinzipien der Einkünfte im werdenden Staat der Neuzeit, 1982; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983; Witzleben, A. v., Staatsfinanznot und sozialer Wandel, 1985; Ullmann, H., Staatsschulden und Reformpolitik, 1986; Buchholz, W., Öffentliche Finanzen und Finnazverwaltung, 1992; Schremmer, E., Über gerechte Steuern, 1994; Economic Systems and State Finance, hg. v. Bonney, R., 1995; Alpers, M., Das nach­re­publikanische Finanzsystem, 1995; Buchholz, W., Geschichte der öffentlichen Finanzen in Europa, 1996; Schwennicke, A., Ohne Steuer kein Staat, 1996; The Rise of the Fiscal State in Europe, hg. v. Bonney, R., 1999; Staatsfinanzen - Statsverschuldung - Staatsbankrotte in der europäischen Staaten- und Rechtsgeschichte, hg. v. Lingelbach, G., 2000; Mersi­owsky, M., Die Anfänge territorialer Rechnungs­legung im deutschen Nordwesten, 2000; Finanzen und Herrschaft, hg. v. Edelmayer, F. u. a., 2003; Ullmann, H., Der deutsche Steuerstaat - Eine Geschichte der öffent­lichen Finanzen, 2005; Isenmann, M., Die Ver­waltung der päpstlichen Staatsschuld, 2005; Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006; Handbuch der europäischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, hg. v. Brandt, P., Bd. 1 2006; Städtische Finanzwirtschaft am Übergang vom Mittelalter zur frühen Neuzeit, hg. v. Seggern, H. v., 2007; Ullmann, H., Staat und Schulden, 2009; Lehmann, M., Finanzinstrumente, 2010

Finanzausgleich ist der finanzielle Ausgleich zwischen verschiedenen Personen, insbesondere zwischen Hoheitsträgern (z. B. Ländern, Gemeinden, Krankenkassen).

Lit.: Hidien, J., Der bundesstaatliche Finanzausgleich, 1998

Finanzgerichtsbarkeit ist der in Deutschland 1918 aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit gelöste (RGBl 1918, 959 Reichsfinanzhof, 13. 12. 1919 Finanzgericht, 28. 8. 1939 außer Tätigkeit gesetzt), vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s hauptsächlich für Steuerstreitigkeiten eingerichtete Zweig der →Gerichtsbarkeit.

Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichts­verfassungs­rechts, 1954; Kumpf, J., Die Finanzgerichtsbarkeit, (in) Justizalltag im Dritten Reich, 1988, 81

Finanzverwaltung ist der die Einnahmen des Staates (und anderer öffentlichrechtlicher Körperschaften) betreffende Teil der Verwaltung. Die F. erfolgt in Rom durch Ver­pachtung der Staatseinkünfte an meistbietende private Unternehmer (Steuer­pächter). Im Mittelalter gelangen trotz des besonderen Hofamtes des →Kämmerers erst die Landesherren allmählich zu einer geordneten F. (z. B. 1491 Raitkammer König Maximilians in Tirol, im Reich 1495 Versuch des Gemeinen Pfennigs). Diese gewinnt mit dem Ausbau der gesamten Staatstätigkeit in der Neuzeit immer größere Bedeutung, wobei in Preußen seit 1713 ein genauer und regelmäßiger Haushaltsvoranschlag aufge­stellt und 1714 zur Prüfung eine Oberrech­nungskammer geschaffen wird. Im 19. Jh. wird das Finanzwesen weitgehend ver­rechtlicht. In Deutschland ist die F. in der Gegenwart in Finanzministerium, Oberfinanz­direktion und Finanzamt geglie­dert.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Schmoller, G., Preußische Verfassungs-, Verwaltungs- und Finanzgeschichte, 1921; Bamberger, E., Die Finanzverwaltung in den deutschen Territorien des Mittelalters 1200-1500, Z. f. d. ges. Staatswiss. 77 (1923), 168; Handbuch der Finanzwissenschaft, hg. v. Gerloff, W. u. a., Bd. 1 2. A. 1952; Kummer, J., Der Einfluss des Parlaments auf das Finanzwesen, 1964; Engelhardt, H., Landstände und Finanzwesen in Bayern im 15. und 16. Jahrhundert, 1967; Wolfe, M., The Fiscal System of Renaissance France, 1972; Küchler, W., Die Finanzen der Krone Aragón, 1983; Die Kontrolle der Staatsfinanzen, 1989; Die Verwaltung und ihre Ressourcen, hg. v. Dilcher, G., 1991; Finanzen und Staatsräson in Italien und Deutschland, hg. v. Maddalena, A. de u. a., 1992; 75 Jahre Reichsfinanzhof - Bundesfinanzhof, 1993; Kanther, M., Finanzverwaltung zwischen Staat und Gesellschaft, 1993; Schremmer, E., Steuern und Staatsfinanzen, 1994; The Rise of the Fiscal State in Europe, hg. v. Bonney, R., 1999; Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006; Kempny, S., Die Staatsfinanzierung nach dere Paulskirchenverfassung, 2011

Finch, Heneage (1611-1682) wird nach dem Studium am Christ Church College 1638 Mitglied der Inn of Court Inner Temple in London und 1673 als Lord Chancellor Vorsitzender des →Court of Chancery, wo er eine zusammenfassende Gestaltung der →equity (des englischen Rechtes) bewirkt.

Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 1ff. 1903ff., 6, 539

Findebuch, Findbuch, ist das archivalische Hilfsmittel zum Auffinden von Daten bzw. Überlieferungsträgern(z. B. Akten) vor allem in Archiven.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Eberling, H., Findbuch zu den Reichskammergerichtsakten 1551-1806, 1985; Stein-Stegemann, H., Findbuch der Reichskammergerichts­akten im Archiv der Hansestadt Lübeck, 1987

Findelkind ist das ohne sicheren Hinweis auf seine Eltern gefundene Kind. Vielleicht anfangs rechtmäßig, wird die Aussetzung eines Kindes in Rom 374 n. Chr. mit Strafe bedroht. Ausgehend von Italien (Mailand 787, Siena 832) entstehen Findelhäuser. Um 1800 wird die Zahl der Findelkinder auf rund 100000 jährlich geschätzt.

Lit.: Hügel, F., Die Findelhäuser und das Findelwesen, 1863; Hunecke, V., Die Findelkinder von Mailand, 1987; Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Gestrich, A. u. a., Geschichte der Familie, hg. v. 2003

Finnland ist der zwischen Schweden, Russ­land und Estland gelegene nordost­europäische, hauptsächlich von schon im 4. oder 3. Jt. v. Chr. aus Asien kommenden Finnen besiedelte Staat. Im Hochmittelalter (1150-1323) wird das von Schweden aus christianisierte Gebiet zu einem Teil →Schwedens erklärt. Im frühen 16. Jh. wird die Reformation eingeführt. 1809 muss Schweden zugunsten →Russlands auf F. (autonomes Großfürstentum) verzichten, doch bleibt das von Schweden geprägte Recht bestehen. Helsinki wird 1812 statt des westlicheren Turku Hauptstadt und erhält 1827 auch die 1640 in Turku gegründete Universität. 1863 wird Finnisch neben Schwedisch zweite Amtssprache. Seit 1872 arbeiten die nordischen Länder im Recht verstärkt zusammen. Unter dem Einfluss der deutschen Rechtswissenschaft entsteht eine finnische Rechtswissenschaft. 1889/1894 wird ein Strafgesetzbuch geschaffen. 1906 wird im Rahmen eines allgemeinen Wahlrechts das Frauenwahlrecht eingeführt. Nach der Oktoberrevolution vom (25. 10./)7. 11. 1917 in Russland ruft F. am 15. 11. 1917 die Selbständigkeit aus. 1920 erkennt Russland das am 21. 6. 1919 mit einer republikanischen Verfassung begabte F. an. Im zweiten Weltkrieg verliert das bis 1944 auf Seiten des Deutschen Reiches kämpfende Land Gebiete an die Sowjetunion und steht lange unter sowjetischem Einfluss. 1961 verbindet es sich mit der Europäischen Freihandelszone. 1975 findet in Helsinki eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa statt. 1991 ratifiziert F. die Europäische Menschenrechts­konvention. Zum 1. 1. 1995 tritt es aus der Europäischen Freihandelszone der →Europäischen Union bei. 2000 wird ein Grundgesetz angeommen.

Lit.: Getz, B., Das staatsrechtliche Verhältnis zwischen Finnland und Russland, 1900, Neudruck 2013; Der Stolypinsche Gesetzentwurf, hg. v. Habermann, W., 1911, Neudruck 2013; Jutikkala, E./Pirinen, K., Geschichte Finnlands, 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,542,1027, 3,4,485; Klinge, M., A brief history of Finland, 1984; Vahtola, J., Keskiaika. Suomen historia pikkujättiläinen, 1987; Jodhatus Suomen oikeushistoriaan, hg. v. Letto-Vanamo. P., 1990; Albrecht, W./Kantola, M., Finnland, 1992; Finlands Historia, hg. v. Edgren, T. u. a., Bd. 1ff. 1992ff.; Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Finnland und Deutschland, hg. v. Menger, M. u. a., 1996; Finnisch-deutsche Kulturbeziehungen, hg. v. Jäntti, A. u. a., 1998; Endemann, H., Das Regierungs­system Finnlands, 1999; Ettmayer, W., Finnland, 1999; Pesonen, P./Riihinen, O., Dynamic Finland, 2002; Kohler, M., Die Entwicklung des schwedischen Zivilprozessrechts, 2002; Björne, L., Den Nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 3 1871-1910, 2002; Nesemann, F., Ein Staat, kein Gouvernement, 2003; Kähönen, A., The Soviet Union, Finland and the Cold War, 2006; Meinander, H., Finlands historia, 2006; Silvennoinen, O., Geheime Waffenbrüderschaft, 2010; Land unter dem Nordlicht, hg. v. Halmesvirta, A., 2013

Firma (1705) ist der →Name des Kauf­manns, unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt, im weiteren Sinn auch das →Unternehmen. Die F. entsteht aus dem mittelalterlichen Handel (Italien 12. Jh., in den deutschen Sprachraum am Anfang des 18. Jh.s entlehnt, ALR [1794] II, 8, 617). Sie kann mit dem Unternehmen übertragen werden.

Lit.: Erlanger, H., Über Ursprung und Wesen der Firma, Diss. jur. Tübingen 1891; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Bokelmann, G., Das Recht der Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, 1974, 5. A. 2000; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handels­gesell­schaften, 1976; Krause, O, Die Entwicklung des Firmenrechts im 19. Jahrhundert, 1995; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Fischbeck (Stift)

Lit.: Oldermann, R., Stift Fischbeck, 2010

Fischereirecht ist das Recht, in einem Binnengewässer Fische, Krebse und andere nutzbare Wassertiere, die nicht Gegenstand des Jagdrechts sind, zu hegen und sich anzueignen. Die ursprünglich freie Fischerei wird schon im Frühmittelalter an kleinen Gewässern vom Anwohner als Eigentümer und an größeren Gewässern vom König als Regal beansprucht. Vom König geht das Regal seit dem Hochmittelalter auf den Landesherrn und damit später grundsätzlich auf den neuzeitlichen Staat als Eigentümer des Gewässers über. Der Inhaber des Fischereirechts kann das Fischereiausübungs­recht verpachten.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Stoffel, F., Die Fischereiverhältnisse des Bodensees, 1906; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des altpreußischen Jagd- und Fischereirechts, ZRG GA 39 (1918), 88; Zumbach, E., Die Fischereirechte des Aegerisees, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1922; Kisch, G., Das Fischereirecht im Deutschordensgebiete, 1932, 2. A. 1978; Münch, W., Das Fischereirecht des Bodensees im Mittelalter, Diss. jur. Graz 1943; Cahn, E., Das Recht der Binnenfischerei, hg. v. Kaufmann, E., 1956; Kunz, R., Fischereirechte im Untersee und Seerhein, 1984; Jahnke, C., Das Silber des Meeres, 2000; Lampen, A., Fischerei und Fischhandel im Mittelalter, 2000; Schütt, E., Geschichte des Fischereirechts und der Fischerei im deutschen Ostseeraum, 2001; Sahrhage, D., Die Schätze Neptuns, 2002

Fiscus (lat. [M.] Korb) (Caesaris) ist im römischen Recht die Bezeichnung für die Kasse (des Kaisers), in welche die Einnahmen der Kaiserprovinz aus Steuern, Zöllen, Gebühren und Domänen fließen. Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) fasst die verschiedenen fisci zu einem einzigen f. zusammen. Zumindest später herrscht die Vorstellung, dass der f. gleichsam Eigentum des Kaisers ist. Am Beginn des 4. Jh.s geht die (vom Senat verwaltete) Staatskasse (lat. aerarium [N.]) im f. auf., während das Privatvermögen des Kaisers (lat. [N.] patrimonium) getrennt bleibt. Der f. wird eine Art die Vermögensrechte des Staates im Privatrechtsverkehr wahrnehmender, vielfach privilegierter →juristischer Person.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29 II B; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 36, 40, 57; Köbler, LAW; Alpers, M., Das nachrepublikanische Finanzsystem, 1995

Fiskal ist im spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Verwaltungsrecht der Interessenvertreter des (lat. fiscus [M.] bzw.) Staates. Er findet sich um 1225 in Sizilien unter Kaiser Friedrich II., von wo aus er nach Frankreich und Spanien ausstrahlt. 1421 ist Dr. Bartholus aus Pisa urkundlich als erster F. des Heiligen römischen Reiches nachweisbar. Aufgaben des Fiskals sind der Schutz der Kronrechte und die Vertretung des Königs bzw. Kaisers bei der gerichtlichen Verfolgung der Übertretungen der reichsrechtlichen Rechtssätze (z. B. Durchsetzung der An­sprüche gegenüber Reichsständen). Neben dem F. am königlichen Kammergericht des 15. Jh.s und am Reichskammergericht und Reichshofrat entsteht auch in Österreich, Bayern, Sachsen und Preußen ein F. (Landesfiskal). Am Reichskammergericht wird der F. im 16. Jh. von einem Vertreter der Interessen des Kaisers zu einem in gewisser Hinsicht privilegierten, in den Gerichtsbetrieb eingegliederten Angehörigen des Gerichts. →Fiskalat

Lit.: Demel, H., Geschichte des Fiskalamtes in den böhmischen Ländern, 1909; Rautenberg, B., Der Fiskal am Reichskammergericht, 2008

Fiskalat ist die spätmittelalterlich-neuzeitliche, vielleicht an den römischen (lat.) advocatus (M.) fisci angelehnte Behörde, die von Amts wegen die Rechte des Herrschers wahrnimmt. Das F. entwickelt sich um 1225 unter Kaiser Friedrich II. in Sizilien und gelangt von dort noch im 13. Jh. nach Frankreich (ministère public) und Spanien sowie im frühen 15. Jh. in das Heilige römische Reich (1421 Dr. Bartholus aus Pisa). Unabhängig hiervon wird im 19. Jh. die Staatsanwaltschaft aus Frankreich übernom­men.

Lit.: Ortloff, H., Die öffentliche Anklage in Deutschland, 16 (1865), 254ff.; Schmidt, E., Fiskalat und Strafprozess, 1921; Knolle, U., Studien zum Ursprung und zur Geschichte des Reichsfiskalats, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1964

Fiskus (1497) ist der Träger öffentlicher Verwaltung, soweit er in privatrechtlichen Formen tätig wird. Der F. geht auf den römischen →fiscus zurück. Das lateinische Wort fiscus (M.) bezeichnet im Frühmittelalter (vereinzelt das herzogliche und) meist das königliche Vermögen (u. a. das einzelne Landgut). Bis zum 13. Jh. werden Hausgut und Reichsgut und damit Person des Königs und F. getrennt. In den Ländern entsteht ein F. des Landes. Dort wird als F. zunächst die landesherrliche Kasse als solche verstanden, danach das Finanz­vermögen des Staates. Der F. wird zum Träger der staatlichen Vermögensrechte. Bis zum frühen 19. Jh. wird der Staat in die juristische Person des öffentlichen Rechtes „Staat“ und die juristische Person des privaten Rechtes „Fiskus“ aufgeteilt. Seit der Ein­führung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im späteren 19. Jh. wird der Staat als einheitliche juristische Person des öffentlichen Rechtes verstanden, die Bereiche, in denen diese Person sich aber privatrechtlicher Formen bedient, weiterhin als F. bezeichnet.

Lit.: Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962; Machleidt, M., Stellung und Funktion des Fiskus im deutschrechtlichen Bereich, Diss. jur. Hamburg 1965; Lechner, W., Das deutsche Verwaltungsrecht in den Kategorien von Res publica, Civitas und Fiscus, Diss. jur. Würzburg 1969; Schaller-Fischer, M., Pfalz und Fiskus Frankfurt, 1969; Römermann, K., Der Rechtsschutz bei streitigen Polizei-, Kameral- und Fiskalsachen in Kurköln, Diss. jur. Bonn 1969; Metz, W., Zur Erforschung des karolingischen Reichsgutes, 1971; Fiskus, Kirche und Staat, hg. v. Kellenbenz, H. u. a., 1994; Maletzky, M., Das Erbrecht des Fiskus, 2001

Flächenstaat ist der durch sein ausgedehntes Gebiet gekennzeichnete und vom Stadtstaat wie dem Personenverbandsstaat zu unter­schei­dende, seit dem Mittelalter entstehende →Staat.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111

Flame ist der fränkisch (bzw. altnie­der­fränlisch bzw. mittelniederfränkisch) sprechende Bewohner der nordwestlichsten Gebiete (Flandern) des Heiligen römischen Reichs bzw. der Bürger Belgiens. Flämisches Recht ist das in Flandern ausgebidete Recht. Seit dem Hochmittelalter wird modernes flämisches (niederländisches) Recht im Zuge der Ostsiedlung verbreitet.

Lit.: Goerlitz, T., Das flämische und das fränkische Recht in Schlesien und ihr Widerstand gegen das sächsische Recht, ZRG GA 57 (1937), 138; Van Winter, J., Vlaams en Hollands recht bij de kolonisatie von Duitsland in de 12e en 13e eeuw, TRG 21 (1953), 205ff.; Higounet, C., Die deutsche Ostsiedlung im MIttelalter, 1990; Lück, H., Flämische Siedlungen und flämisches Recht in Mitteldeutschland, (in) Sprachkontakte, hg. v. Stellmacher, D., 2004, 73ff.

Flandern ist das im frühen 8. Jh. erstmals unter diesem Namen bezeugte Flachland an der Schelde. 843 kommt es zum westfränkischen Reichsteil, 1384/1385 an das Herzogtum Burgund, 1477 mit Burgund an Habsburg und 1556 an die spanische Linie Habsburgs. Verkleinert gelangt F. 1714 qieder an →Österreich, 1794 an Frankreich, 1814 an die →Niederlande und 1830 überwiegend an →Belgien. Dementsprechend ist sein Recht anfangs fränkisch und später französisch geprägt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Nowé, H., Les baillis comtaux de Flandre, 1929; Ganshof, F., Recherches sur les tribunaux de châtellenie en Flandre, 1932; Sproemberg, H., Die Entstehung der Grafschaft Flandern, 1935, Neudruck 1965; Ganshof, F., Die Rechtsprechung des gräflichen Hofgerichtes in Flandern vor der Mitte des 13. Jahrhunderts, ZRG GA 58 (1938), 163; Caenegem, R. van, Geschiedenis van het strafrecht in Vlaanderen, 1954, Caenegem, R. van, Geschiedenis van het strafprocesrecht in Vlaanderen, 1956; Ganshof, F., Einwohnergenossenschaft und Graf, ZRG GA 74 (1957), 98; Koch, A., Die flandrischen Burggrafschaften, ZRG GA 76 (1959), 153; Roosbroeck, R. van, Geschichte Flanderns, 1968; Grotte, W. v., Praecones und Magnus Praeco in Flandern, ZRG GA 90 (1973), 165; Godding, P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux du 12e au 18e siècle, 1987; Van Peteghem, P., De raad van Vlaanderen, 1990; Jacob, R., Les époux, le seigneur et la cité, 1990; Nicolas, D., Medieval Flanders, 1992; Opsommer, R., Omme dat leengoed es thoochste dinc van der weerelt het leenrecht in Vlanderen in de 14de en 15de eeuw, 1995; Meyer, H., Anwachs und Insel im hochmittelalterlichen Recht der Grafschaft Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333; Heirbaut, D., Over lenen en families, 2000; Le parlement de Flandre à travers ses archives, Revue du Nord Nr. 382; Hortal Muñoz, J., Los asuntos de Flandes, 2011

Flavius, Gnaeus, ist der Schreiber des römischen Zensors Appius Claudius Caecus, der 304 v. Chr. die zuvor nur den Priestern (lat. [M.Pl.] pontifices) vertrauten Prozess­formeln (Legisaktionen) veröffentlicht (sog. ius [N.] civile Flavianum, flavisches römisches Recht der Bürger).

Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 29; Wolf, J., Die literarische Überlieferung der Publikation der Fasten und Legisaktionen durch Gnaeus Flavius, Nachr. d. Akad. d. Wiss. Göttingen 1980, Nr. 2

Flensburg ist die schleswig-holsteinische Stadt, die 1436 ihr →Grundbuch nach dem Realfoliensystem gestaltet.

Lit.: Aubert, L., Beiträge zur Geschichte der deutschen Grundbücher, ZRG GA 14 (1893), 1, 49

Fleta ist das in lateinischer Sprache verfasste, bald nach 1290 vollendete, in einer mittelalterlichen Handschrift überlieferte englische Rechtsbuch eines unbekannten Ver­fassers, das den (lat.) Tractatus (M.) de legibus (Abhandlung von Gesetzen) →Bractons kommentierend fortführt.

Lit.: Plucknett, T., A Concise History of the Common Law, 1929, 2. A. 1936, 5. A. 1956; 265

Florentina (Codex Florentinus) ist die in zwei Bände (1-29, 30-50) getrennte, im 6. oder frühen 7. Jh. vermutlich in Konstanti­nopel/Byzanz zweispaltig geschriebene, spätestens im 9. oder 10. Jh. in Italien liegende, in Süditalien im späteren 11. Jh. wie­derentdeckte, wahrscheinlich 1155 von Amalfi nach Pisa (littera Pisana) und 1406 von Pisa nach Florenz gebrachte, 1553 erstmals gedruckte Handschrift der →Digesten Justinians mit insgesamt 907 Blättern.

Lit.: Söllner § 22; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Florenz am Arno wird vermutlich im 2. Jh. v. Chr. von den Römern auf älteren Grundlagen als Florentina neu gegründet. 962 ist es Teil Reichsitaliens. 1138 weist F. eigene (lat. [M.Pl.]) consules auf und wird mit bedeutender Tuchherstellung im 13. und 14. Jh. führende Macht im mittleren Italien (Währung Florentiner bzw. Gulden). 1348 erlangt es erstmals eine Universität (1472 Pisa). 1354 erkennt es die Reichshoheit an. Seit dem 15. Jh. erringt die Familie Medici die Macht. 1531 wird F. Herzogtum. 1718 wird bei dem Aussterben der Medici der spanische Infant Karl als Erbe eingesetzt, zugleich aber die gesamte Toskana zum Reichslehen erklärt. 1737 fällt F. an Österreich. Im Frieden von Campo Formio (1797) verzichtet der Kaiser des Heiligen römischen Reichs auf alle Reichsrechte in Italien und damit auch auf F. 1859 gelangt F. an Italien (1865-1871 Hauptstadt).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Davidsohn, R., Geschichte von Florenz, Bd. 1ff. 1896ff.; Doren, A., Studien aus der Florentiner Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2 1908; Grote, A., Florenz, 2. A. 1968; Hale, J., Die Medici und Florenz, 1979; Firenze e la Toscana dei Medici nell’Europa, hg. v. Garfagnini, G., 1983; Panella, A., Storia di Firenze, 1984; Luzzati, M., Firenze e la Toscana nel Medioevo, 1986; Zorzi, A., L’amministrazione della giustizia penale nella republica fiorentina, 1988; Brucker, G., Florenz in der Renaissance, 1990; Turner, A., Renaissance in Florenz, 1997; Statuti della repubblica Fiorentina, hg. v. Pinto, G. u. a., Bd. 1f. 1999; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001; Dameron, G., Florence and Its Church, 2005; Najemy, J., A History of Florence 1200-1575, 2006; Höchli, D., Der Florentiner Republikanismus, 2005; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 34; Ciapelli, G., Fisco e società a Firenze nel Rinascimento, 2009

Floß ist das aus mehreren verbundenen Baumstämmen gebildete Wasserfahrzeug, das vor allem dem Transport von Holz dient. Seit dem 13. Jh. erscheint das F. häufiger in Quellen. Die Flößerei ist Regal. 1895 regelt ein Reichsgesetz des Deutschen Reiches die Flößerei (vgl. auch Art. 65 EGBGB), die mit der Verbreitung der Eisenbahn und der Lastkraftwagen aber ihre wirtschaftliche Bedeutung verliert.

Lit.: Sponeck, C. Graf v., Handbuch des Floßwesens, 1825; Jägerschmid, K., Handbuch für Holztransport und Floßwesen, 1827f.; Herold, H., Trift und Flößerei in Graubünden, 1982; Hasel, K./Schwartz, E., Forstgeschichte, 1985, 2.A. 2002

Flucht ist das Ausweichen vor einer Gefahr durch Ortsveränderung. Die F. ist ein Grund­verhaltensmuster von Lebewesen. Die F. eines Menschen kann je nach den Umständen unterschiedliche Rechtsfolgen haben. →Flüchtling

Lit.: Flucht, Vertreibung, Integration, red. v. Rösgen, P., 2. A. 2006

Flüchtling ist der Mensch, der aus seiner jeweiligen Umgebung flieht. Er ist grundsätzlich Feind, kann aber als Gast aufgenommen werden. Im 20. Jh. entwickeln sich allgemeine Regeln über die rechtliche Behandlung der immer größer werdenden Zahl von Flüchtlingen.

Lit.: Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, hg. v. Bundesministerium für Vertriebene  u. s. w., Bd. 1ff. 1958; Hathaway, J., The Rights of Refugees, 2005

Flumet

Lit.: Diestelkamp, B., Die Gründungsurkunde der Stadt Flumet (1228), ZRG GA 94 (1977), 204

Flur ist der vom Wald getrennte einzelne Teil des bäuerlichen Wirtschaftslands (Wiese, Feld).

Lit.: Kirbis, W., Siedlungs- und Flurformen germanischer Länder, 1952; Westfälischer Flurnamenatlas, bearb. v. Müller, G.. 2000ff.

Flurbereinigung ist die Zusammenlegung und Umgestaltung landwirtschaftlich ge­nutzter Grundstücke in einem öffentlich­rechtlichen Verfahren zum Zweck ertrag­reicherer Bewirtschaftung. Sie entwickelt sich in England und danach in Deutschland (19. Jh., Baden 1856, Hessen 1857, Bayern 1861) mit der Bauernbefreiung als Folge der Auflösung des Gemeinlands (→Allmende). Am 16. 6. 1937 wird sie im Deutschen Reich durch eine Reichsumlegungsordnung und am 14. 7. 1953 in der Bundesrepublik Deutschland durch ein Flurbereinigungsgesetz geordnet. Ihre Ergebnisse sind wegen der sich am Ende des 20. Jh.s rasch ändernden Betriebsstruktur der Landwirtschaft von bescheidener Bedeutung.

Lit.: Köbler, DRG 175, 250; Bornhak, C., Grundriss des deutschen Landwirtschaftsrechts, 1921; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1962, 3. A. 1978; Berkenbusch, F., Die Rechtsgeschichte der Flurbereinigung, Diss. jur. Göttingen 1972; Tayama, T., Die Entwicklungsgeschichte der Landeskultur, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 524; Vergleichende Studien über die japanische und mitteleuropäische Flurbereinigung, hg. v. Tayama, T., 1998; Quellen zur Ent­stehungsgeschichte des Flurbereinigungsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland von 1959, hg. v. Weiß, E., 2000

Flurname ist der besondere Name einer Flur oder eines Geländeteils (Berg, Tal, Wasser, Wald, Feld). Der F. ist Ortsname im weiteren Sinn (z. B. Judenbühel, Lehfeld, Langgreid, Hungerwiese, Himmelreich, Paint, Kach, Hut, Füchsle, Holzacker). Er kann Rechtsvor­stellungen enthalten.

Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Flurnamen und Rechtsgeschichte, ZRG GA 51 (1931), 93ff.; Hänse, G., Die Flurnamen des Stadt- und Landkreises Weimar, 1970; Piirainen, E., Flurnamen in Vreden, 1984; Hessischer Flurnamenatlas, hg. v. Ramge, H. u. a., 1987; Westfälischer Flurnamenatlas, hg. v. Müller, G., Lief. 1ff. 2000ff.; Mikrotyponyme, hg. v. Meineke, E. u. a., 2011

Flurschütz (Flurer, Flurknecht, Heye u. a.) ist der die Aufsicht über die Fluren führende niedere dörfliche Amtsträger.

Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Schildt, B., Bauer, Gemeinde, Nachbarschaft, 1996

Flurzwang ist die durch Zwang erreichte einheitliche Bewirtschaftung der Flur. Der F. könnte mit der mittelalterlichen →Drei­felderwirtschaft entstanden sein. Er verschwindet mit der Bauernbefreiung des 19. Jh.s.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 42.; Schildt, B., Bauer, Gemeinde, Nachbarschaft, 1996

Föderalismus ist die auf dem Bündnisgedanken (lat. [N.] foedus, Bund) beruhende gesellschaftliche Vorstellung, die sich besonders in der machtmäßigenden, mehrstufigen, relative Eigenständigkeit Beteiligter wahrenden Gestaltung eines Staates auswirkt (Bundesstaat im Gegensatz zum Einheitsstaat). Als älteste geschichtliche Form des F. gilt der Stammesföderalismus (z. B. der 12 Stämme Israels), als Geburtsstunde des politischen Organisationsprinzips F. die Entstehung der Vereinigten Staaten von Amerika 1787, deren Vorbild die Schweiz (1848), Kanada, Australien und in veränderter Form Österreich (1861) und der Nordeutsche Bund (1867) folgten.. Eine völ­kerrechtliche Form des F. ist der Staatenbund, der verschiedentlich einem Bundesstaat voraus­geht.

Lit.: Baltl/Kocher; Hintze, H., Staatseinheit und Föderalismus im alten Frankreich, 1928, Neudruck 1989; Der österreichische Föderalismus, 1969; Rauch, H., Föderalismus und Parlamentarismus im Wilhelminischen Reich, 1972; Föderalismus, hg. v. Kisch, G., 1977; Héraud, G., Prinzipien des Föderalismus und die Europäische Föderation, 1979; Föderalismus in Deutschland, 1992; Föderalismus, hg. v. Kinsky, F., 1995; Konsens und Konsoziation, hg. v. Duso, G., 1997; Laufer, H./Münch, U., Das föderative System der Bundesrepublik Deutschland, 1998; Föderative Nation, hg. v. Langewiesche, G. u. a., 2000; German federalism, hg. v. Umbach, M., 2002; Föderalismus in der griechischen und römischen Antike, hg. v. Siewert, P. u. a., 2005; Kaiser, A., Föderalismus, 2007; Funk, A., Föderalismus in Deutschland, 2008; Funk, A., Kleine Geschichte des Föderalismus, 2010; Franke, C., Wandlungen föderalen Regierens im Deutschen Kaiserreich, HZ 293 (2011), 374; Das Februarpatent 1861, hg. v. Kriechbauemer, R. u. a., 2011

Fodrum (lat. [N.]) ist die frühmittelalterliche Abgabe (Aquileja 792) (für Futter) an den Grafen bzw. König. In norditalienischen Städten entwickelt sich das f. im 12. und 13. Jh. zum Namen der direkten →Steuer.

Lit.: Köbler, LAW; Post, B., Über das Fodrum, Diss. phil. Straßburg 1880; Brühl, C., Das fränkische fodrum, ZRG GA 76 (1959), 53; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968; Grüninger, S., Grundherrschaft im frühmittelalterlichen Churrätien, 2006

Foederati (lat. [M.Pl.], Sg. foederatus) sind im spätrömischen Recht die besoldeten Verbündeten (z. B. Goten 382 n. Chr.).

Lit.: Köbler, DRG 67; Horn, H., Foederati, 1930

foenus (N.) nauticum (lat.) Seedarlehen →fenus (N.) nauticum

folkland (ae. [858]) Allod?, verliehenes Königsland?

Folter ist die Zufügung oder Ausnutzung vermeidbarer, nicht ganz unerheblicher Schmerzen oder Leiden, die von einem Staat oder einem entsprechenden Machtorgan selbst bzw. mit dessen Bewilligung oder Duldung eingesetzt wird, um den Gefolterten oder einen Dritten zu einer Aussage zu zwingen oder einzuschüchtern. Sie wird bereits seit Kaiser Tiberius (14-42 n. Chr.) gegenüber Freien angewendet, um ein Geständnis zu erreichen. Vielleicht wird sie im Früh­mit­telalter gegenüber Unfreien ge­braucht. Im Hochmittelalter (Verona 1228, Recht der Wiener Neustadt [1221/1230 str.], kirchliche Inquisition 1215/1231/1252 [Bulle Ad exstirpanda], Augsburg 1321) darf der verdächtigte Beschuldigte der F. (zu spätlat. [5. Jh.] poledrus [M.] „Fohlen“) auf einem Holzbock bzw. durch Gefängnis, Schläge, Hunger, Kälte, Daumenschrauben, Strecken, Feuer u. a. ausgesetzt werden (str. ob Rezeptionsvorgang). Im 15. Jh. wird die F. auch ohne besondere Verdachtsgründe angewandt. Dagegen setzt die →Constitutio Criminalis Carolina (1532) das Vorliegen besonderer Indizien vor Anwendung der F. voraus. In Hexenprozssen fragen örtliche Gerichte bei Fakultäten häufig nach der Anwendbarkeit der Folter, wogegen die Fakultäten anscheiend einen mäßigenden Einfluss ausüben. Die Aufklärung wendet sich erfolgreich gegen die F. (Juan Luis Vives 1522, Michel de Montaigne, Pierre Bayle, Schweden 1734, Preußen 1740, Österreich [Beschränkung auf mit der Todesstrafe bedrohte Tatbestände 1768] 1776, Polen, Litauen 1776, Schweiz 1798, Bayern 1806, Baden 1831). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s kämpft insbesondere die private Organisation Amnesty International gegen die nach wie vor (versteckt) gebrauchte F. Art. 3 der europäischen Menschenrechtskonvention vom 4. 11. 1950 stuft die F. als Verletzung der Menschenrechte ein. Mit der am 10. 12. 1984 beschlossenen, am 31. 12. 1990 in Kraft getretenen Konvention der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ist die F. weltweit geächtet.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 34, 118, 156; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Quanter, R., Die Folter in der deutschen Rechtspflege, 1900, Neudruck 1970; Heijnsbergen, P. van, De pijnbank in de Nederlanden, 1925; Fehr, H., Gottesurteil und Folter, FS R. Stammler, 1926; Helbin-Bauer, F., Die Tortur, 1926; Morschel, M., Der Kampf um die Abschaffung der Folter, Diss. jur. Gießen 1926; Fehr, H., Zur Lehre vom Folterprozess, ZRG 53 (1933), 317; Vogt, A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses in Frankfurt am Main, ZRG GA 68 (1951), 234; Schünke, W., Die Folter im deutschen Strafverfahren, Diss. jur. Münster 1952; Fiorelli, P., La tortura giudiziaria nel diritto commune, Bd. 1f. 1953f.; Thomasius, C., Über die Folter (1705), hg. v. Lieberwirth, R., 1967; Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1977; Ruthven, M., Torture, 1978; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000; Das Quälen des Körpers, hg. v. Burschel, P. u. a. 2000; Kramer, S., Die Folter in der Literatur, 2003; Baldauf, D., Die Folter, 2004; Hermann, H., Die Folter, 2004; Waltos, S., Die Abschaffung der Folter im Jahre 1776 in Polen und Litauen, 2004; Zagolla, R., Im Namen der Wahrheit, 2006; Gegen Folter und Todesstrafe, hg. v. Jacobs, H., 2007; Möhlenbeck, M., Das absolute Folterverbot, 2008; Sauter, M., Hexenprozess und Folter, 2010; Kimmelmann, A., Die Folter im Beweis­verfahren der Leges Visigothorum, 2010; Quellen zur Aufhebung der Folter, hg. v. Zopfs, J., 2010; Schild, W., Folter, Pranger, Scheiterhaufen, 2010; Die Geschichte der Folter seit ihrer Abschaffung, hg. v. Altenhain, K. u. a., 2011; Die Wiederkehr der Folter?, hg. v. Altenhain, K. u. a., 2012; Folter vor Gericht, hg. v. Altenhain, K. u. a., 2012

Fondaco ist die auswärtige Kaufmannsnie­derlassung im Mittelalter (gr. pandocheton, Herberge, arab. funduq, Unterkunft). In Italien begegnet der F. 1085 in Amalfi, 1191 in Genua, im 13. Jh. in Pisa und Venedig (F. dei Tedeschi, 1505 abgebrannt, bis 180 Handelshaus deutscher Kaufleute).

Lit.: Simonsfeld, H., Der Fondaco dei Tedeschi, Bd. 1f. 1887, Neudruck 1968; Concina, E., Fondaci, 1997; Constable, O., Housing the Stranger in the Medi­terranean World, 2003

Forderung (812, Forderungsrecht 1766) ist das Recht des Gläubigers gegen den Schuldner auf eine Leistung. Die ältesten Forderungen entstehen vermutlich bei den Unrechtserfolgen. Später tritt die rechtsgeschäftliche F. hinzu. Streitig ist, ob die F. bereits von Anfang an durch ein Einstehenmüssen (→Haftung) des Schuldners gesichert ist. Die F. erlischt grundsätzlich mit der Erfüllung.

Lit.: Kaser § 32; Hübner; Buch, G., Die Übertragbarkeit von Forderungen im deutschen mittelalterlichen Recht, 1912; Strohal, E., Schuldpflicht und Haftung, 1914; Fecht, W. v. d., Die Forderungspfändung im römischen Recht, 1999; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Forensium institutionum summa (lat. [F.] Gesamtheit der gerichtlichen Einrichtungen) ist das von König Alfons VIII. (1158-1214) veranlasste höfische Werk über den →Fuero viejo de Castilla.

Form (1190) ist die sinnlich wahrnehmbare Gestalt eines Gegenstands oder einer Vorstellung. Nach einem geflügelten Wort ist die F. die älteste Norm. Es ist aber fraglich, ob strenge Anforderungen an eine F. in die Anfänge einer Rechtseinrichtung (z. B. Frühmittelalter) oder erst in eine fortgeschrittenere Ent­wicklungsstufe gehören. Die Schriftform ist jedenfalls noch im ausgehenden 20. Jh. im Vordringen.

Lit.: Kaser § 6ff.; Hübner; Köbler, DRG 42, 126; Siegel, H., Erholung und Wandelung im gerichtlichen Verfahren, 1863; Siegel, H., Die Gefahr vor Gericht und im Rechtsgang, 1866; Brunner, H., Wort und Form im altfranzösischen Prozess (1868) (in) Brunner, H., Forschungen zur Geschichte des deutschen und französischen Rechts, 1894, 260; Stutz, U., Das Stadtrecht gegen die Formstrenge im Strafverfahren, ZRG GA 38 (1917), 367; Henssler, O., Formen des Asylrechts, 1954; Ritzer, K., Formen, Riten und religiöses Brauchtum der Eheschließung, 1961; Ebel, W., Recht und Form, 1975; Gmür, R., Rechtswirkungsdenken in der Privatrechtsgeschichte, 1981; Eckhardt, U., Untersuchungen zu Form und Funktion der Treueleistung, 1976; Symbolische Kommunikation vor Gericht in der frühen Neuzeit, hg. v. Schulze, R., 2006; Zwischen Formstrenge und Billigkeit, hg. v. Oestmann, P., 2009; Schwenk, A., Die Formbestimmung des § 313 BGB a. F., 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Formalismus ist das Betonen einer Form. Nach überwiegender, aber nicht wirklich belegter Ansicht ist das ältere Recht durch F. gekennzeichnet (z. B. lat. mancipatio [F.] im römischen Recht) und setzt sich die →Formfreiheit erst allmählich durch. Im Gegensatz hierzu hält aber auch das Recht der Gegenwart in vielen Fällen an einer vorgeschriebenen Form fest. Ein Kennzeichen des modernen Totalitarismus ist es, uner­wünschte Form als bloßen F. abzustufen.

Lit.: Kaser §§ 6, 7, 8, 68; Söllner §§ 9, 11; Kroeschell, DRG 1; Zallinger, O. v., Wesen und Ursprung des Formalismus, 1898; Kaufmann, E., Formalismus, HRG Bd. 1 1968, 1166; Dickhuth-Harrach, H. v., Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986

Formalvertrag ist der in seiner Entstehung von der Einhaltung einer vorgesehenen →Form abhängige Vertrag. Nach herkömm­licher Lehre ist im germanistischen Bereich der älteste Vertrag der F. (str.). Hier sind Eid, Wortformel und Gebärde die Vertragsform. Im Mittelalter sollen sich die Formen vereinfacht haben. Allmählich soll die Tendenz zur formlosen Beredung durchgedrungen sein.

Lit.: Köbler, DRG 74, 91, 126, 164; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981 Kap. 45; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875

Formel ist die förmlich festgelegte häufig wiederkehrende Aussage. Im altrömischen Recht beispielsweise bringen die Beteiligten eines Verfahrens vor dem Magistrat in einem ersten Verfahrensabschnitt regelmäßig in der jeweils erforderlichen Verfahrensform (lat. [F.] →legisactio), zu der genau vorge­schriebene Spruchformeln gehören, ihr Vorhaben vor. Das spätere Formularverfahren kennt statt der wenigen Legisaktionen viele, auf das jeweilige Rechtsverhältnis bezogene Klageformeln. Die Verbalkontrakte des klassischen römischen Rechtes erfordern für die Entstehung der Obligation bestimmte Worte. Außerdem entwickeln sich etwa für Eide, Gelöbnisse, Einsetzungen  u. s. w. häufig gewisse Formeln. Umfangreichere Formeln (lat. [F.] →formulae) werden in →Formel­sammlungen gesammelt.

Lit.: Köbler, DRG 5, 33, 81, 116; Dilcher, G., Paarformeln in der Rechtssprache des frühen Mittelalters, 1961; Selb, W., Formeln mit unbestimmter intentio, 1974; Wiegand, W., Zur Herkunft und Ausbreitung der Formel „Habere fundatam intentionem“, FS H. Krause, 1976, 126

formell, Adj., die Form betreffend (im Gegensatz zum Inhalt bzw. der Materie)

Formelles Recht ist das das Verfahren betreffende Recht (Verfahrensrecht, Prozessrecht) im Gegensatz zum materiellen Recht (z. B. Privatrecht, Strafrecht, Verwal­tungsrecht).

Lit.: Kollmann, A., Begriffs- und Problemgeschichte, 1996

Formelsammlung ist die bereits im Altertum bekannte, besonders für das quellenarme Frühmittelalter bedeutsame Sammlung von allgemeinen Formularen für Urkunden, wie sie auch in der Gegenwart kautelarjuristisch gepflegt wird. Die bekanntesten früh­mittel­alter­lichen Formelsammlungen (31 Hand­schriften) sind die west­gotischen (lat. [F.Pl.]) formulae (Cordoba 616-620), die formulae Andecavenses (Angers um 600), die formulae Marculfi (um 650?, 721-735?), die formulae Bituricenses (Bourges 8. Jh.) und die formulae imperiales (vor 832), wobei das Fehlen von Formelsammlungen aus Italien bemerkens­wert ist. Danach finden sich vielleicht unter dem Einfluss italienischer Notarskunst seit dem 11. Jh. Formel­sammlungen innerhalb der (lat.) ars (F.) dictandi (z. B. Breviarium de dictamine des Alberich von Montecassino, um 1080) oder der (lat.) ars (F.) notariae (Rainerius Perusinus [1185-1245] vor 1234, Rolandinus Passageri Summa artis notariae, 1255/1256, insgesamt schätzungsweise 3000 Hand­schriften und Frühdrucke). Für das spätmit­telalterlich-frühneuzeitliche Heilige römische Reich haben besonderes Gewicht der (lat.) Formularius (M.) de modo prosandi (Baumgartenberg bei Linz A. 14. Jh., 240 Stücke, Formularbuch) und Perneder, Andreas, Summa Rolandina (vor 1540).

Lit.: Rockinger, L., Über Formelbücher, 1855; Rockinger, L., Briefsteller und Formelbücher des 11. bis 14. Jahrhuderts, 1863f.; Schröder, R., Über die fränkischen Formel­sammlungen, ZRG GA 4 (1883), 75; Collectarius perpetuarum formarum Iohannis de Geylnhusen, hg. v. Kaiser, H., 1900; Liber Diurnus, hg. v. Foerster, H., 1958; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Uddholm, A., Marculfi formularum libri duo, 1962; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, 1964; Worstbrock, F./Klaes, M./Lütten, J., Repertorium der Artes dictandi des Mittelalters, Bd. 1 Von den Anfängen bis um 1200, 1992

Formfreiheit ist die Freiheit einer rechtlich bedeutsamen Handlung von einer besonderen →Form. Es ist streitig, inwieweit am Beginn rechtlicher Entwicklung F. besteht. Jedenfalls werden schon in den frühesten Quellen auch feste Formen sichtbar (z. B. lat. [F.] mancipatio). Im Spätmittelalter setzt sich die Kirche für die F. der Verträge ein. Auch der Liberalismus bejaht grundsätzlich die F. Dessenungeachtet entwickeln sich im 20. Jh. neue Formen (z. B. allgemeine Geschäfts­bedingungen, Verbraucherkreditverträge, Ar­beitsverträge).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Baltl/Kocher

formulae (lat. [F. Pl.]) →Formelsammlung

Formular ist das die allgemeinen Angaben eines Typs von Urkunden zwecks leichter in­diviueller Ergänzung enthaltende Schrift­stück.

Formularverfahren oder Formularprozess ist das dem älteren Legisaktionenverfahren (→legisactio) im klassischen römischen Recht nachfolgende, dem späteren →Kognitions­verfahren vorausgehende Verfahren. Es ist vielleicht anfangs nur dem Fremden zugänglich und kennt statt weniger Legis­aktionen viele, auf das jeweilige Rechtsverhältnis bezogene Klageformeln (Formulare). Sie werden auf den formlosen Vortrag der Parteien vor dem Prätor hin meist schriftlich in einer (lat. [F.]) formula (Schrift­formel) niedergelegt, woraufhin der (lat. [M.]) iudex (Richter) gemäß der Formel Beweis erhebt und sein Urteil spricht. 17 v. Chr. wird das Legisaktionenverfahren bis auf geringe Reste abgeschafft.

Lit.: Kaser §§ 80, 82ff.; Söllner § 9; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002

Foro ist die portugiesische Bezeichnung für →Fuero. 1111 wird ein F. an Coimbra verliehen, 1166 an Evora, um 1160 an Trancoso, 1179 an Lissabon (F. von Santarém). Seit dem 14. Jh. wird ein F. nur noch selten gewährt.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 666

Forsman, Jaakko (1839-1899), aus einer schwedischen Theologenfamilie, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Helsinki 1879 Professor für Strafrecht und Rechtsgeschichte und verfasst 1896 eine Geschichte der finnischen Gesetzgebung (Suomen laindsäädännön historia).

Forst (Etymologie unklar) ist seit dem Frühmittelalter der vielleicht dem römischen (lat. [M.]) saltus nachgebildete, durch →Bann abgesonderte herrschaftliche Wald (meist des Königs, Austrasien 648, Neustrien 657/661). Im Hochmittelalter gehen die Forsten des Königs auf die Landesherren über. Örtlich unter­schiedlich greift der absolutistische Fürst entschiedener auf die damit verbundenen Rechte zu. Der Liberalismus verlangt die Aufhebung der staatlichen Forsthoheit, doch verfahren die Forstgesetze des 19. Jh.s unterschiedlich. Im 20. Jh. lebt trotz einer Rahmengesetzgebung durch das Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (Bundeswaldgesetz) in Deutschland der hergebrachte Föderalismus im Forstrecht fort.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, WAS; Roth, K., Geschichte des Forst- und Jagdwesens in Deutschland, 1879; Völker, A., Die Forsten der Stadt Goslar bis 1552, 1922; Goller, F., Die älteren Rechtsverhältnisse am Wald in Altbaiern, Diss. jur. München 1938; Kaspers, H., Comitatus nemoris, 1957; Mager, F., Der Wald in Altpreußen als Wirtschaftsraum, 1960; Rubner, H., Untersuchungen zur Forstverfassung des mittelalterlichen Frankreichs, 1965; Bothmer, H. v., Mirica, Forst und Gesellschaft, 1965; Rubner, H., Forstgeschichte im Zeitalter der industriellen Revolution, 1967; Young, C., The Royal Forests of Medieval England, 1979; Mantel, K., Forstgeschichte des 16. Jahrhunderts, 1980; Rubner, H., Deutsche Forstgeschichte 1933-1945, 1985, 2. A. 1997; Hasel, K., Forstgeschichte, 1986, 2. A. 2006; Knöppel, V., Forstnutzungsrechte, Diss. jur. Marburg 1988; Dasler, C., Forst- und Wildbann, 2001; Marquardt, B., Umwelt und Recht in Mitteleuropa, 2003

Forsthoff, Ernst (Laar bei Duisburg 13. 9. 1902-Heidelberg 13. 8. 1974) wird nach der Promotion bei Carl →Schmitt 1933 Professor für öffentliches Recht in Frankfurt am Main, Hamburg (1935), Königsberg (1936), Wien (1941) und Heidelberg (1943-1946, 1952-1967). Er setzt sich für den starken Staat ein, der allein die mit dem technischen Fortschritt eintretenden Probleme bewältigen könne, und steht einem Wertesystem, der Verfassungs­gerichtsbarkeit, der umfassenden Verwal­tungsgerichtsbarkeit und dem Sozialstaat zurückhaltend gegenüber. Trotz seines konservativen Verfassungsverständnisses ist sein Verwaltungsrechtsverständnis modern. Sein Lehrbuch des Verwaltungsrechts (1950, 10. A. 1973) ist längere Zeit in Deutschland führend.

Lit.: Storost, U., Staat und Verfassung bei Ernst Forsthoff, 1978; Doehring, K., Ernst Forsthoff, (in) Juristen im Portrait, 1988, 341; Ernst Forsthoff Kolloquium, hg. v. Blümel, W., 2003; Schütte, C., Progressive Verwaltungswissenschaft auf konservativer Grundlage, 2006; Briefwechsel Ernst Forsthoff Carl Schmitt (1926-1974), hg. v. Mußgnug, D. u. a., 2007

Fortescue, Sir John (um 1385-um 1479), nach Ausbildung in Lincoln’s Inn 1442 oberster Richter am königlichen Gericht (King’s Bench), von 1463 bis 1471 im Exil in Frankreich, vergleicht in seinem in der Form eines Lehrgespräches an Prinz Eduard von Lancaster gerichteten Hauptwerk ([lat.] De laudibus legum Angliae, 1470, Über die Vorzüge des englischen Rechtes) das englische Recht mit dem festländischen (französischen) Recht in einer für Laien verständlichen Weise. In (engl.) On the Governance of the Kingdom of England (Über die Beherrschung des Königreichs England) (1471/1473) stellt er den politischen Gesamtzustand seines Landes dar.

Lit.: The Works of Sir John Fortescue, hg. v. Clermont, T., 1869; Heymann, E., Fortescues Laudes legum Angliae, ZRG GA 58 (1938), 615; Kluxen K., Englische Verfassungsgeschichte, 1987

Forum (lat. [N.]) ist im römischen Recht der Marktplatz und das dort öffentlich abgehaltene Gericht. Das mittelalterliche Kirchenrecht bildet von daher die Vorstellung eines (lat.) f. externum und eines f. internum. Daneben bezeichnet f. auch den Markt.

Lit.: Söllner §§ 4, 8; Köbler, DRG 19; Schlesinger, W., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungs­geschichte des Mittelalters, Bd. 1 1961, 275; Trusen, W., Forum internum und gelehrtes Recht im Spätmittelalter, ZRG KA 57 (1971), 83; Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980

Forum (N.) externum (lat.) oder (lat.) forum (N.) iudiciale ist seit dem Ende des 12. Jh.s (Glossenapparat [lat.] Animal est substantia [vor 1210], Wilhelm von Auvergne um 1225) bzw. seit Thomas von Aquin (1225-1274) (forum exterius) im mittelalterlichen Kirchenrecht der Bereich des menschlichen Bußwesens und Gerichtswesens (kirchliche Gerichtshöfe) im Gegensatz zum nur Gott einsehbaren inneren Gericht des Gewissens ([lat.] forum [N.] paenitentiale im Beicht­stuhl), das in der frühen Neuzeit (nach 1563) als (lat.) forum (N.) internum bezeichnet wird. Das Verfahren vor dem f. e. verläuft grund­sätzlich streitig. Der Angeklagte muss er­scheinen und die Wahrheit wird in einem von einem Richter (Archidiakon) geleiteten Ablauf erforscht.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Fries, B., Forum in der Rechtssprache, 1963; Trusen, W., Zur Bedeutung des geistlichen Forum internum und externum, ZRG KA 76 (1990), 254ff.

Forum (N.) internum (lat.) ist seit der frühen Neuzeit (nach 1563) der neuere Name für das zunächst als (lat.) forum (N.) paenitentiale bezeichnete, im Beichtstuhl erforschte Gewissen im Gegensatz zum (lat.) →forum (N.) externum. Im f. i. zu erscheinen, steht in der (freiwilligen) Entscheidung des Betrof­fenen. Allein auf seinem Bekenntnis beruht das „Urteil“ des Beichtpriesters (Penitentiars).

Lit.: Fries, B., Forum in der Rechtssprache, 1963; Trusen, W., Forum internum und gelehrtes Recht im Spätmittelalter, ZRG KA 57 (1971), 83; Trusen, W., Zur Bedeutung des geistlichen Forum internum und externum, ZRG KA 76 (1990), 254ff.; Goering, J., The Internal Forum and the Literature of Penance and Confession, Traditio 59 (2004), 175ff.

Fracht ist der Lohn für die Beförderung eines Gutes und das gegen Lohn beförderte Gut. Der die F. betreffende Vertrag entsteht im Hochmittelalter und ist Werkvertrag. Der Frachtführer ist Kaufmann. Seefrachtrecht wird vor allem im Libre del Consolat de Mar, in den Rôles d’Oléron, im Blackbook of the Admiralty oder im Schiffsrecht von Hamburg aufgezeichnet. Wichtige gesetzliche Regelun­gen finden sich im dänischen Seegesetz (1561), in Ordonnanzen Kaiser Karls V. und Philipps II. für die Niederlande von 1551 und 1563, in der Ordonnance de la Marine Frankreichs (1681), im Seerecht Preußens (1727), in den Ordonanzas von Bilbao, im Codice per la Veneta Mercantile di Marina Venedigs (1786) oder im Code de commerce Frankreichs (1807) und den ihm folgenden Handelsgesetzbüchern. Ausführlich erörtert C. E. Münster 1798 das Frachtfahrer-Recht.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Han­delsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Pappenheim, M., Zur Entwicklung des Seefracht­vertrags, ZRG GA 51 (1931), 175ff.; Ohler, N., Reisen im Mittelalter, 1986; Basedow, J., Der Trans­portvertrag, 1987; Morisset, J., Der Frachtvertrag in der Ordonnance de la marine, 1996; Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim Seefrachtvertrag, (in) Wirkungen europäischer Rechtskultur, 1997, 595; Lopez, R./Raymond, I., Medieval Trade in the Mediterranean World, 2001

Fragment (N.) Bruchstück (z. B. in den Di­gesten, dort weitere Unterteilung in [principium und] Paragraphen)

Lit.: Fragmente, hg. v. Gastgeber, C. u. a., 2010

Fragmenta (N.Pl.) Gaudenziana (lat.) (Gaudenzische Fragmente) sind die von dem Bologneser Professor Augusto Gaudenzi (1858-1916) in einer (um 900 geschriebenen) Handschrift der Bibliothek von Lord Leicester (Codex Holkhamensis Nr. 210, London, British Museum Add. Mss. 46676) ent­deckten, bis dahin unbekannten, als (lat.) ordo mellifluus in expositione legum Roma­narum beti­telten 14 Kapitel (Privatrecht, Prozess­recht) des gotischen Rechtskreises des 6. Jh.s (?, Provence?).

Lit.: Gaudenzi, A., Un’ antica compilazione di diritto romano e visigoto, 1886; Buchner, R., Die Rechts­quellen, 1953; Vismara, G., Fragmenta Gaudenziana, (in) Ius Romanum medi aevi I 2 b aa, 1967; Liebs, D., Römische Jurisprudenz in Gallien, 2002; Kaiser, W., Die Epitome Iuliani, 2004

Fragmenta (N. Pl.) Vaticana (vatikanische Fragmente) sind die auf einem Palimpsest in der vatikanischen Bibliothek in Rom 1821 von Angelo Mai entdeckten Bruchstücke einer Rechtssammlung wohl des 4. Jh.s mit Auszügen aus den Werken des Paulus, Pa­pinians und Ulpians sowie der kaiserlichen Konstitutionen des (lat.) Codex (M.) Gregorianus und des Codex Hermogenianus.

Fraktion ist das Bruchstück oder (seit 1848) die Vereinigung von Mitgliedern einer Partei im Parlament. In den Verfassungen erscheint die politische F. im Gegensatz zur Partei meist nicht, doch sind sie betreffende Grundsätze in Geschäftsordnungen geregelt. In Einparteiensystemen gibt es die F. rechtlich oder rechtstatsächlich nicht.

Lit.: Kramer, H., Fraktionsbindungen in den deutschen Volksvertretungen 1819-1849, 1968; Die Fraktion als Machtfaktor, hg. v. Schwarz, H., 2009

Franciscus de Accoltis ist der in Arezzo spätestens 1418 geborene, vielleicht in Bologna ausgebildete und dort sowie in Ferrara, Siena, Ferrara, Mailand, Siena und Pisa lehrende, 1485, 1486 oder 1488 ver­storben­e Jurist, der commentaria zu den Digesten, commentaria zu einzelnen Titeln, commentaria zum Codex, casus, repetitiones und consilia verfasst.

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 854

Franche-Comté (Freigrafschaft) →Burgund

Lit.: Hoke, R., Die Freigrafschaft Burgund, ZRG GA 79 (1962), 106

Francia (lat. [F.]) fränkisches Gebiet, →Franken

Lit.: Lugge, M., Gallia und Francia, 1960

Franckensteinsche Klausel ist die im Streit um die Verteilung der Finanzen zwischen Deutschem Reich und seinen Bundesstaaten am 12. 7. 1879 in zulässiger Verfassungs­durchbrechung verabschiedete, nach dem Abgeordneten der Zentrumspartei im Reichs­tag des Deutschen Reiches Georg Arbogast Freiherr von und zu Franckenstein (2. 7. 1825-22. 1. 1890) als ihrem Urheber bezeichnete Klausel (§ 8 I 1 des Gesetzes betreffend den Zolltarif des deutschen Zollgebiets und den Ertrag der Zölle und der Tabaksteuer), dass der Ertrag der Zölle und der Tabaksteuer (des Reiches), der die Summe von 130 Millionen Mark in einem Jahr übersteigt, den Bundesstaaten entspre­chend ihren Bevölkerungszahlen zu überweisen ist. Am 14. 5. 1904 wird sie im Kern aufgehoben und der Ertrag aus Zöllen und Tabaksteuer ganz dem Reich zugeschla­gen.

Lit.: Kittel, J., Franckensteinsche Klausel und die deutsche Finanzreform, 1894; Thier, A., Steuergesetz­gebung, 1999; Ullmann, H., Der deutsche Steuerstaat, 2005

Franeker in den Niederlanden (Friesland) ist von 1585 bis 1811 Sitz einer juristischen Fakultät (Ulrich Huber, Johann Gottlieb Heineccius).

Lit.: Universiteit te Franeker 1585-1811, hg. v. Jensma, G. u. a., 1985; Ahsmann, M., De juridische faculteit te Franeker, TRG 54 (1986), 39; Feenstra, R., Heineccius in den alten Niederlanden, TRG 74 (2004), 297ff.; Feenstra, R., Bibliografie van hoogleraren in de rechten aan de Franeker Universiteit tot 1811, 2003

Frank und frei ist die in der frankophonen Schweiz 1461 (franc et libre de toutes taillés) erstmals nachweisbare Wendung (Paarfor­mel).

Franke („Kühner“) ist der Angehörige einer 258 n. Chr. am Niederrhein erstmals sichtbaren germanischen Völkerschaft, die im 5. Jh. allmählich in das südlich gelegene, römische Gallien zwischen Rhein und Somme eindringt (vom 4. bis zum 8. Jh. rund 36000 Personennamen bezeugt). Die Franken besiegen unter ihrem sie gewaltsam einenden König Chlodwig ([* um 466,] 481/482-511) aus dem Hause der →Merowinger den römischen Statthalter in Nordgallien (Soissons) (486), die am oberen Rhein und an der oberen Donau sitzenden Alemannen (496) und die in Südgallien siedelnden Westgoten (Vouillé 507). Danach bringen ihre merowingischen Könige von dem Kernraum zwischen Rhein und Loire aus die Thüringer (531/534), Burgunder (532/534), die Provence (536) und Bayern (bis 545) in eine gewisse Abhängigkeit. Das Recht der Franken wird im (lat.) →Pactus (M.) legis Salicae (507/11?) und in der (lat.) →Lex (F.) Ribvaria sowie der →Ewa Chamavorum aufgezeichnet. Vielfach wird das Reich geteilt, kommt aber z. B. zwischen 558 und 561 unter Chlothar I. oder auch danach unter Chlothar II. wieder in eine Hand. Vielleicht erst in den dabei ausgelösten Wirren verfallen die römerzeitlichen Einrich­tungen Galliens weitgehend. Seit dem späteren 7. Jh. gewinnen die Hausmeier als der Familie der (Arnulfinger oder) Pippiniden (oder später Karolinger) an Bedeutung (Pip­pin der Mittlere 687-714, Karl Martell 714-741, Pippin der Jüngere 741-768). 751 löst die Familie der Karolinger die Merowinger mit Unterstützung Papsts Zacharias durch Akklamation seitens der Großen im Königtum ab ([lat.] consecratio [F.] durch die Bischöfe, 754 Salbung durch Papst Stephan II.). Unter Karl dem Großen, der Weihnachten 800 vom Papst zum (west)römischen Kaiser gekrönt wird, gewinnt das Reich der Franken seine größte Ausdehnung (Sachsen, Italien 774). 843 wird es in Westreich, Lotharingien und (deutschsprachiges) Ostreich geteilt, woraus sich unter einstweiligem Ausscheiden Italiens und Burgunds 887 eine Zweiteilung entwickelt, die im deutschen Reich einerseits und in Frankreich andererseits endet. In Frankreich gehen die Franken bald in der unterworfenen gallorömischen Bevölkerung auf. Im deutschen Reich verlagert sich die Herr­schaftsgewalt 919 auf die Herzöge von Sachsen. Das Herzogtum der Franken (ebenso wie ein Territorialherzogtum Franken [1168]) verschwindet infolge seiner späteren Königs­nähe bald in vollständiger Zersplitterung und hinterlässt nur in den 1838 gebildeten bayeri­schen Regie­rungsbezirken Mittelfran­ken (Ansbach), Oberfranken (Bayreuth) und Unterfranken (Würzburg) eine blasse Erinne­rung. Auch das fränkische Recht ist nur im Frühmittelalter deutlich erkennbar (s. Pactus legis Salicae, Lex Ribvaria, Ewa Chama­vorum).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1, 3; Rübel, K., Die Franken, 1904; Petri, F., Germanisches Volkserbe in Wallonien und Nordfrankreich, 1937; Zöllner, E. Die politische Stellung der Völker im Frankenreich, 1950; Petri, F., Zum Stand der Diskussion über die fränkische Landnahme, 1954; Balon, J., Études franques 1, 1963; Zöllner, E., Geschichte der Franken bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts, 1970; Bosl, K., Franken um 800, 2. A. 1980; Siedlung, Sprache und Bevölkerungsstruktur im Frankenreich, hg. v. Petri, F., 1973; Schneider R., Das Frankenreich 1982; Schulze, H., Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen, 1987; Périn, P./Feffer, C., Les Francs, 1987; James, E., The Francs, 1988; Fried, J., Der Weg in die Geschichte, 1994; Wood, I., The Merovingian Kingdoms, 1994; Franken, Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 9 1995, 373; Die Franken – Wegbereiter Europas, 1996; Clovis, hg. v. Rouche, M., 1997; Kasten, B., Königssöhne und Königsherrschaft, 1997; Franks and Alamanni, hg. v. Wood, I., 1998; Die Franken und die Alemannen, hg. v. Geuenich, D., 1998; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Hässler, H., 1999; Siegmund, F., Alemannen und Franken, 2000; Semmler, J., Der Dynastiewechsel, 2003; Schieffer, R., Die Zeit des karolingischen Großreichs, 2005; Collins, R., Die Fredegar-Chroniken, 2007; Uffelmann, U., Das frühe Frankenreich 482-687, 2008; Nonn, U., Die Franken, 2010

Franken ist das von dem 531/vor 720 von den Thüringern an die Franken gefallenen Gebiet um Würzburg (Herzogtum der Hedene, 10. Jh. orientalis Francia) ausgehende Gebiet zwischen Rhön und Donau, das im Mittelalter in zahlreiche kleine Herrschaften zerfällt (Ansbach, Bayreuth, Hohenlohe, Würzburg, Bamberg, Eichstätt, Deutscher Orden, Reichs­städte, Reichsritter, insgesamt 43 Landes­herren im fränkischen Reichskreis), am Beginn des 19. Jh.s insgesamt aber an Bayern gelangt, das die drei Regierungs­bezirke Unterfranken (Würz­burg), Mittelfranken (Ansbach mit Nürnberg) und Oberfranken (Bay­reuth) bildet. →Franke

Lit.: Stein, F., Geschichte Frankens, Bd. 1f. 1885f.; Hartung, F., Geschichte des fränkischen Kreises I, 1910, Neudruck 1973; Schmidt, G., Das Herzogtum Franken, 1913; Schaumberg, O. Frhr. v. u. a., Regesten des fränkischen Geschlechts von Schaumberg, 1930ff.; Franken, hg. v. Scherzer, C., Bd. 1f. 1955ff.; Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken; Bog, I., Dorfgemeinde, Freiheit und Unfreiheit in Franken, 1956; Merzbacher, F., Iudicium provinciale ducatus Franconiae. Das kaiserliche Landgericht des Herzogtums Franken im Spätmittelalter, 1956; Bosl, K., Franken um 800, 1959; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und souveräner Staat, 1962; Schrader, E., Vom Werden und Wesen des würzburgischen Herzogtums Franken, ZRG GA 80 (1963), 27; Zimmermann, G., Vergebliche Ansätze zu Stammes- und Territorialherzogtümern in Franken, Jb. f. fränkische Landesforschung 23 (1963), 379ff.; Wöppel, G., Prichsenstadt, 1968; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 3 1971; Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. III/1, Franken, hg. v. Spindler, M. u. a., 3. A. 1997; Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert Bd. 2, hg. v. Patze, H., 1971, 255ff.; Moraw, P., Franken als königsnahe Landschaft im späten Mittelalter, Bll. f. dt. Landesgeschichte 112 (1976), 123ff.; Andraschke, J., Arianische und fränkische Missionierung im Regnitz- und Obermaingebiet um 500 bis 800 n. Chr., Bericht des hist. Vereins Bamberg 135 (1999), 89; Franken von der Völkerwanderungszeit bis 1268, bearb. v. Störmer, W., 1999; Merz, J., Fürst und Herrschaft. Der Herzog von Franken und seine Nachbarn 1470-1519, 2000; Riedenauer, E., Fränkische Landesgeschichte, hg. v. Wendehorst, A., 2001; Franken in Vorstellung und Wirklichkeit in der Geschichte, hg. v. Blessing, W. u. a., 2003; Franken im Mittelalter, hg. v. Merz, J. u. a., 2004; Edel und Frei, hg. v. Jahn, W. u. a., 2004; Petersohn, J., Franken im Mittelalter, 2008; Blessing, W., Kleine Geschichte Frankens, 2008; Wieser, E., Geschichte des Frankenreichs, 2013

Franken (M.) Geldeinheit der Schweiz 1881

Lit.: Baltensperger, E., Der Schweizer Franken, 2012

Frankenberg ist die 1243 erstmals erwähnte Stadt an der oberen Eder, für die 1493 der in Erfurt (1454) und Leipzig (1457-1459) im­matrikulierte, bakkalaurierte Bürgermeisters­sohn und Schöffe Johannes Emmerich († 15. 11. 1494) ein Stadtrechtsbuch vollendet, das in seinem ersten Teil (Von den burgern) überwiegend auf Gewohnheitsrecht und (1476 verbrannten) Privilegien und in seinem zweiten Teil (Von dem gericht) vor allem auf dem (in etwa 190 Artikel geteilten) Schwa­benspiegel und dem Kleinen Kaiser­recht (Frankenspiegel) beruht und wohl aus dem Gedächtnis auch die Dekretalen Gregors IX. und die Institutionen Justinians einbezieht. Es wird 1556 abgeändert nach Alsfeld übernom­men.

Lit.: Diemar, H., Die Chroniken des Wigand Gersten­berg von Frankenberg, 1909; Spieß, W., Verfas­sungsgeschichte der Stadt Frankenberg, Diss. jur. Marburg 1922; Anhalt, E., Der Kreis Frankenberg, 1928; Spieß, W., Verfassungsgeschichte der Stadt Frankenberg, 1930; Gerhardt, H., Das Alsfelder Stadtrechtsbuch, Diss. Freiburg im Breisgau 1993; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 82; Eckhardt, W., Das Stadtgericht als Oberhof, Zs. f. hess. Gesch. 110 (2005), 21ff.

Frankenspiegel ist die an Sachsenspiegel, Deutschenspiegel und Schwabenspiegel ausgerichtete Bezeichnung (Richard Schroe­ders) des zwischen 1344 und 1350 bei Frank­furt am Main verfassten, eng an den sog. Schwabenspiegel angelehnten →Kleinen Kaiserrechts.

Lit.: Köbler, DRG 103; Eckhardt. K., Frankenspiegel-Studien, 1923; Stutz, U., Frankenspiegel-Studien, ZRG GA 44 (1924), 316; Hatzfeld, L., Frankenspiegel oder Kaiserrecht, TRG 26 (1958), 15; Ochsenbein, P. u. a., Neue Bruchstücke einer alemannischen Frankenspie­gelhandschrift, ZRG GA 95 (1978), 237; Munzel-Everling, D., Des keisers recht, 2003

Frankfurt am Main ist die 794 als Pfalz erstmals erwähnte Stadt am unteren Main. Seit 856 bzw. 1152 ist F. Ort der Königswahl (bis 1752 36 Könige in F. gewählt), wie dies die Goldene Bulle (1356) ausdrücklich festlegt, und seit 1562 auch Ort der Krönung. Um 1150 wird erstmals die Messe in F. erwähnt (seit Ende des 15. Jh.s auch für Bücher, Buchmesse). Bis 1372 (Erwerb des Pfandrechts am Schultheißenamt) wird F., dessen Recht erstmals in einem Weistum für Weilburg über Pfahlbürger (1297) aufge­zeichnet (und auch an Friedberg, Gelnhausen, Steinheim am Main, Hanau, Limburg und Wetzlar vermittelt) wird, tatsächlich reichsunmittelbar. 1509 reformiert die Stadt ihr Recht und erweitert diese Reformation 1578 durch Johann →Fichard noch. Die Zahl der danach in F. arbeitenden, häufig in Gießen ausgebildeten Rechtsanwälte ist überdurch­schnittlich groß. Nach dem Ende des Heiligen römischen Reiches 1806 wird F. Hauptstadt des Rheinbunds mit Residenz des Fürstprimas Carl Theodor von Dalberg im Palais Thurn und Taxis (1810 Großherzog von F., 1811 Einführung des Code Napléon). Nach dem Sturz Napoleons wahrt Karl Freiherr vom Stein die auf dem Wiener Kongress 1815 gesicherte Selbständigkeit der (freien) Stadt. Von 1815 bis 1866 ist F. Sitz der Bundesversammlung des Deutschen Bundes (und vom 31. 3.-3. 4. 1848 des die Wahl einer Nationlversammlung vorbereiten­den Frank­furter Vorparlaments, dessen Be­schlüsse vom Deutschen Bund anerkannt werden, sowie ab 18. 5. 1848 bis 1849 Sitz der deutschen Nationalversammlung mit 812 Abgeordneten, davon 491 Juristen, viele mit Studien in Göttingen, Heidelberg oder Berlin). 1866 wird es von Preußen annektiert. Wirtschaftlich entwickelt es sich zur Großstadt. 1914 wird es auf der Grundlage einer Akademie für Sozial- und Handels­wissenschaften Sitz einer Stiftungsuniversität (1932 Johann Wolfgang Goethe-Universität), in der 1964 das Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte (Helmut Coing) gegründet wird. 1945 gelangt es zu Hessen.

Lit.: Köbler, DRG 171; Köbler, Historisches Lexikon; Böhmer, J., Codex diplomaticus Moenofrancofurtanus - Urkundenbuch der Reichsstadt Frankfurt am Main (794-1400), 1836; Thomas, J., Der Oberhof zu Frank­furt a. M., 1841; Hohenemser, P., Der Frankfurter Verfassungsstreit 1705 bis 1732, 1920; Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578, 1935; Cellarius, H., Die Reichsstadt Frankfurt und die Gravamina der deutschen Nation, 1938; Coing, H., Die Rezeption des römischen Rechtes in Frankfurt am Main, 1939; Ziehen, E., Frankfurt, Reichsreform und Reichsgedanke 1486-1504, 1940; Lenhardt, H., Feste und Feiern des Frankfurter Handwerks, 1950; Die Bürgerbücher der Reichsstadt Frankfurt 1311-1400, hg. v. Andernacht, D., 1955; Habich, W., Das Weinungsgeld der Reichsstadt Frankfurt am Main, 1967; Wolf, A., Gesetzgebung und Stadtverfassung, 1968; Die Gesetze der Stadt Frankfurt am Main, hg. v. Wolf, A., 1969; Schalles-Fischer, M., Pfalz und Fiskus Frankfurt, 1969; Jahns, S., Frankfurt, Reformation und schmalkaldischer Bund, 1976; Orth, E., Frankfurt, (in) Die deutschen Königspfalzen Bd. 1 Hessen, 1985, 131ff.; Reforma­cion der Stat Franckenfort am Meine, hg. v. Köbler, G., 1984; Hammerstein, N., Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Bd. 1 1985; Zande, J. van der, Bürger und Beamter Johann Georg Schlosser 1739-1799, 1986; Bund, K., 1436-1986. 500 Jahre Stadtarchiv Frankfurt am Main, 1986; Die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, hg. v. Koch, R., 1989; Die Frankfurter Reichsverfassung, hg. v. Neumann, F., 1989; Juristen an der Universität Frankfurt am Main, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1989; Ein Jahrhundert Frankfurter Justiz, Gerichtsgebäude, hg. v. Henrichs, H. u. a., 1989; Hammerstein, N., Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Bd. 1 1989, Bd. 2 2012; Gimbel, R., Die Reichsstadt Frankfurt am Main unter dem Einfluss der westfälischen Gerichtsbarkeit – Feme, 1990; Fischer, R., Frankfurts Beitrag für das heutige Hessen, 1990; Frankfurt am Main, hg. v. der Frankfurter historischen Kommission, 1991; Maly, K., Die Macht der Honoratioren, 1992; ; Dölemeyer, B., Frankfurter Juristen im 17. und 18. Jahrhundert, 1993 (737 Juristen); Frankfurter Biographie, hg. v. Klötzer, W., 1994; Frankfurt, hg. v. d. Frankfurter historischen Kommission, 1994; Frankfurt am Main 1200, hg. v. Gall, L., 1994; Regierungsakten des Primatialstaates und des Großherzogtums Frankfurt 1806-1813, bearb. v. Rob, K., 1995; Kraß, G., Das Arrestverfahren in Frankfurt am Main, 1996; Best, H./Weege, W., Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter National­versammlung, 1996; Roth, R., Stadt und Bürgertum in Frankfurt/Main, 1996; Weber, M., Verfassung und Reform in Vormärz und Revolutionszeit, Diss. jur. Frankfurt am Main 1996; Ribhegge, W., Das Parlament als Nation, 1998; Laufs, A., Die Frankfurter Nationalversammlung, JuS 1998, 385; Rothemann, M., Die Frankfurter Messen im Mittelalter, 1998; Recht und Juristen in der deutschen Revolution 1848/49, hg. v. Düwell, F., 1998; Johann, A., Kontrolle mit Konsens, 2001; Eibach, J., Frankfurter Verhöre, 2003; Körner, H., Frankfurter Patrizier, 2003; Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit – Frankfurt am Main, hg. v. Halbleib, H. u. a., 2004; Ihrer Bürger Freiheit - Frankfurt im Mittelalter, hg. v. Müller, H., 2004; Schartl, R., Gerichtsverfassung und Zivilprozess in Frankfurt am Main im Spätmittelalter, ZRG GA 123 (2006), 136; Rheinbündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Wintergerst, M., Franoconofurt, 2007; Die Reichsstadt Frankfurt am Main als Rechts- und Gerichtslandschaft, hg. v. Amend, A., 2008; Frankfurt im Schnittpunkt der Diskurse, hg. v. Seidel, R. u. a., 2010; Riemer, R., Frankfurt und Hamburg vor dem Reichskammergericht, 2011

Frankfurt an der Oder wird im frühen 13. Jh. als Handelssiedlung gegründet und erhält 1253 das Stadtrecht von Berlin (der Magdeburger Stadtrechtsfamilie). Ab 1506 ist es Sitz der ersten brandenburgischen, 1811 nach Breslau verlegten, 1991 erneuerten Univer­sität (Samuel Stryk, Johann Samuel Friedrich Böhmer, Johann Gottlieb Heineccius, Johann Brunnemann, Karl Friedrich Eichhorn).

Lit.: Haalck, J., Zur Spruchpraxis der Juristenfakultät Frankfurt, (in) Heimatkunde und Landesgeschichte, 1958, 151ff.; Kliesch, G., Der Einfluss der Universität Frankfurt (Oder) auf die schlesische Bildungs­geschichte, 1961; Bardong, O., Die Breslauer an der Universität Frankfurt/Oder, 1970; Huth, E., Die Entstehung und Entwicklung der Stadt Frankfurt, 1975; Jajesniak-Quast, D./Stoklosa, K., Geteilte Städte an Oder und Neiße, 2000; Höhle, M., Universität und Reformation, 2002; Frankfurt an der Oder 1253-2003, hg. v. Knefelkamp, U. u. a., 2003; Kilian-Buchmann, M., Frankfurt im Mittelalter, 2005

Frankfurter Nationalversammlung →Frankfurt am Main

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Siemann, W., Die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, 1976; Die Protokolle des volkswirtschaftlichen Ausschusses der deutschen Nationalversammlung, hg. v. Konze, W. u. a., 1992

Fränkisches Recht ist das für →Franken geltende Recht. Dem fränkischen Recht untersteht der deutsche König, der auf fränkischem Boden gewählt und gekrönt wird (Frankfurt am Main, Aachen). Als besondere Einheit ist es trotz gelegentlicher hochmittel­alterlicher Bezugnahmen kaum fassbar (vielleicht Königsgericht, Königsbann, Königspfalz, Graf, Lehen, Kesselfang). →Pactus legis Salicae, Lex Ribvaria, Ewa Chamavorum, Decretio Childeberti, Pactus pro tenore pacis, Praeceptio Chlotharii, Kapitular

Lit.: Sohm, R., Fränkisches Recht und römisches Recht, ZRG GA 1 (1880), 1; Beaudoin, E., La participation des hommes libres au jugement dans le droit franc, 1888; Frommhold, G., Zur Geschichte des fränkischen Rechts in Schlesien, ZRG GA 13 (1892), 220; Schröder, R., Die Franken und ihr Recht, ZRG GA 2 (1881), 1; Egger, A., Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischen Recht, 1903; Gál, A., Der Zweikampf im fränkischen Prozess, ZRG GA 28 (1907), 236; Holtzmann, R., Französische Verfassungsgeschichte, 1910; Goldmann, E., Beiträge zur Geschichte des fränkischen Rechts 1, 1924; Goldmann, E., Neue Beiträge zur Geschichte des fränkischen Rechts, 1928; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Claude, D., Zu Fragen frühfränkischer Verfassungsgeschichte, ZRG GA 83 (1966), 273; Sizaret, L., Essai sur l’histoire de la dévolution successorale ab intestat, 1975; Mordek, H., Studien zur fränkischen Herrschergesetzgebung, 2000

Frankreich ist der aus dem westlichen Teil des Reiches der →Franken seit 843 allmählich entstandene westeuropäische Staat, in dem sprachlich die zahlenmäßig unter­legenen Franken in der romanischen Mehrheit allmählich aufgehen. In ihm entwickeln sich unter den Karolingern zahlreiche ziemlich selbständige Herrschaften (Aquitanien, Nor­mandie, Burgund, Blois-Tours, Anjou, Flandern, Toulouse). Seit 888 ist das Königtum zwischen Karolingern und Rober­tinern umstritten. Als nach dem Aussterben der west­fränkischen →Karo­linger 987 der Robertiner Hugo Capet, Graf von Paris, zum König ([lat.] rex [M.] Francorum, König der Franken) gewählt wird, setzt er die Erblichkeit des Königtums durch. Danach tritt an die Stelle des westfränkischen Reiches F. (mit den Grenzflüssen Schelde, Maas, Saône, Rhône), das rasch kulturell führend wird. Der König ist zunächst auf die um 1180 nur ein Zehntel des Reichs ausmachende Krondo­mäne beschränkt und beherrscht neun Zehntel des Reichs nicht mehr selbst, drängt aber später die großen Lehnsträger (rund ein Dutzend Prinzipate) zurück (1328 zwei Drittel Frankreichs Krondomäne). Der seit 1154 aus dem Haus Anjou-Plantagenet stammende König von England muss bis 1214 (Schlacht von Bouvines) große Teile Frankreichs an den französischen König überlassen. Dazu kommen kleinere Erweiterungen (Toulouse nach 1213, Lyon 1312, Dauphiné 1349, Grafschaft Provence 1482). Zwar herrscht der König noch im Umherziehen durch sein Reich, doch bleiben ab der Herrschaft Philipps II. (1180-1233) Parlament und Kanzlei zunehmend in Paris. König Ludwig IX. (1226-1270, rex Franciae) gelingt die Schaffung wichtiger Verwaltungs­einrich­tungen (Staatsrat, Hofgericht, Rechen­kammer). Auch die Gesetzgebung wird früh als Herrschaftsmittel erkannt. 1303 kann der König von F. den Papst gefangennehmen und 1309 nach Avignon verbringen. Beim Aussterben der →Kapetinger (1328) kommt es 1337 zum hundertjährigen Krieg mit England (Plantagenet), während dessen Dauer sich (nach anfänglichen großen Erfolgen Englands) unter dem Haus Valois (1328-1589) die Erbmonarchie festigt. Durch das Eingreifen der Bauerntochter Jeanne d’Arc gelingt der nationale Sieg über das sein kontinentales Gut verlierende England, so dass F. 1453 trotz großer Verwüstungen gestärkt aus dem Krieg hervorgeht. Gegen 1440 wird das Steuerwesen zu einer festen Einrichtung, das Heer stehend. 1477 fallen die Lehen des Herzogs von Burgund zurück. 1481 umfasst die Krondomäne des Königs (mit Nevers, Picardie, Anjou, Maine und Provence) drei Viertel Frankreichs (1491 Bretagne). 1492 wird nach Italien (Neapel) ausgegriffen. Die religiöse Bewegung des Calvinismus wird durch die Hugenottenkriege bis 1598 zurückgedrängt (Nacht zum 24. 8. 1572 Bartholo­mäusnacht mit rund 12000 Toten in Paris und 20000 Toten in Frankreich). Unter dem zum Katholizismus zurückgekehrten König Heinrich IV. aus dem Hause Bourbon (1589-1792) (13. 4. 1598 Edikt von Nantes [an der Loire nahe dem Atlantik] zur Tolerierung der Hugenotten, Glaubensfreiheit, Gewissensfreiheit, politi­sche Gleichberechtigung, 1685 aufgehoben) beginnt der Aufbau einer absolutistischen Herrschaft, in der die Generalstände (états généraux) seit 1614 nicht mehr einbe­rufen werden, aber doch die Gesetzgebung des Königs nicht wirklich schrankenlos wird. Unter Kardinal Richelieu als erstem Minister Ludwigs XIII. wird F. führende Macht Europas. Am Ende des dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) erlangt F. von Habsburg Gebiete im →Elsass, 1659 Roussillon und Artois. Der mit vier Jahren auf den Thron gelangte König Ludwig XIV. (1643-1715) wird als Sonnenkönig (mit Schloss Versailles) mer­kan­ti­listisch tätiges, Ordonnanzen erlas­sendes absolutistisches Vorbild in Euro­pa, muss aber am Ende des spanischen Erbfolgekriegs (1714) trotz sehr hoher Staatsverschuldung ein Gleichgewicht der Mächte anerkennen. Während des 18. Jh.s wendet sich die bürgerliche Aufklärung gegen die absolute Herrschaft und stürzt nach außenpolitischen Misserfolgen im siebenjäh­rigen Krieg und im amerikanischen Unabhän­gigkeitskrieg und innenpolitischen Wirt­schaftskrisen trotz Einberufung der General­stände (1788, 1789) als auf Betreiben des Abgeordneten Em­manuel Sieyès am 17. 6. 1789 zur Nationalversammlung erklärter (nichtad­liger und nichtgeistlicher) dritter Stand (tiers, état, rund 98 Prozent der Bevölkerung, davon 16 Prozent Bürger, 82 Prozent Bauern) am 14. 7. 1789 den König unter den Schlagworten Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (27. 8. 1789 Erklärung der Menschenrechte, 3. 9. 1791 Verfassung, kon­stitutinonelle Monar­chie, 1792 erste Re­publik, Februar 1793 Gironde-Verfassungsentwurf., 1793 Jako­binerver­fassung). Nach langjährigen revolutionären Wirren (Schreckens­herrschaft unter Marat und Robespierre) erreicht am 9. 11. 1799 Na­poleon Bonaparte (als einer von drei Konsuln) die Macht und bringt als selbstgekrönter Kaiser (2. 12. 1804) in kurzer Zeit große Teile Europas unter den Einfluss Frankreichs. Nach militärischen Niederlagen (Leipzig 16.-19. 10. 1813, Waterloo 18. 6. 1815) Napoleons wird F. konstitutionelle Monarchie (Bourbon, 1814-­1830 Restau­ration, Juli 1830 Revolu­tion, 1830-1848 Juli-Monar­chie, Bürgerkönig Louis Philippe, Zensuswahl­recht), 1848 (bis 1851) zweite Republik), 1853 (zweites) Kaiserreich), 1871 (dritte) Republik). 1871 verliert F. den wegen der Thronfolge in Spanien gegen Preußen und seine deutschen Verbündeten geführten Krieg. 1894 wird F. durch die Affäre Dreyfus (Offizier Alfred Dreyfus [1859-1535] aus anitsemitischen Gründen mit Hilfe gefälschter Beweise wegen Spionage zu lebenslanger Haft verurteilt, 1906 reha­bi­litiert) erschüttert, wodurch die Trennung von Staat und Kirche beschleunigt wird. Das 1871 verlorene Elsass-Lothringen gewinnt es am Ende des ersten Weltkriegs (1918) zurück. Danach verliert es in blutigen Kämpfen allmählich die in der Neuzeit eroberten Kolonien. Trotz vorläufiger Kapitulation gegenüber dem deutschen Reich (1940) und Errichtung eines autoritären Regimes im nichtbe­setzten Teil (État Fran­çais, Vichyregime) wird es 1945 gleich­berechtigte Besat­zungs­macht Deutsch­lands und erhält einen ständigen Sitz im Sicher­heitsrat der Vereinten Nationen mit Vetorecht. Rasch verliert es in Freiheitskämpfen die meisten seiner Kolonien (z. B. Indochina, Algerien). In der vierten Republik (1947-1958) schließt es sich seit 1952 mit Deutschland, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg zwecks gegenseitiger Kontrolle (Frankreichs über Deutschland) zu Gemeinschaften (Staatenverbünden) der Mon­tan­industrie (Montanunion), der Atom-wirtschaft (Euratom) und der Wirtschaft (EWG) (1957) zusammen (1958 fünfte Republik unter Charles de Gaulle), aus denen nach Zusammenfügung zu einer Europäischen Gemeinschaft 1993 insgesamt die →Europäische Union erwächst.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 76, 131, 141, 149, 186, 191, 223, 246, 256; Flach, J., Les origines de l’ancienne France, 1886ff.; Pouffin, H., Essay sur l’organisation et la juridiction municipales au moyen age, 1886; Beauchet, L., Histoire de l’organisation judiciaire en France, 1886; Viollet, P., Histoire des institutions politiques et administratives de la France, 1890ff.; Epinas, G., Les finances de la communauté de Douai, 1902; Viollet, P., Histoire du droit civil français, 1905, Neudruck 1966; Histoire de France, hg. v. 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A. 2004; Gläser, M., Lehre und Rechtsprechung im französischen Zivilrecht des 19. Jahrhunderts, 1996; Les constitutions de la France, hg. v. Debbasch, C. u. a., 3. A. 1996; Weisenfeld, E., Geschichte Frankreichs, 3. A. 1997; Bloch, M., Die wundertätigen Könige, 1998; Rigaudière, A., Pouvoirs et institutions dans la France médiévale, 2. A. 1998; Hartmann, P., Geschichte Frankreichs, 1999; Schmale, W., Geschichte Frankreichs, 2000; Rosanvallon, P., Der Staat in Frankreich, 2000; Altes Reich, Frankreich und Europa, hg. v. Asbach, O. u. a., 2001; Wechsel­seitige Beeinflussungen und Rezeptionen von Recht und Philosophie in Deutschland und Frankreich, hg. v. Kervégan, J. u. a., 2001; Geschichte Frankreichs, hg. v. Hinrichs, E., 2002; Woll, C., Die Königinnen des hochmittelalterlichen Frankreich, 2002; Naegle, G., Stadt, Recht und Krone, 2002; Le Moyen Âge, hg. v. Contamine, P., 2002; Chatenet, M., La cour de France au XVIe siècle, 2002; Schabert, T., Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit, 2002; Eickels, K. van, Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt, 2002; Baldinger, K., Dictionnaire étymologique de l’ancien français, 2003; Grüner, S./Wirsching, A., Frankreich, 2003; Goldsmith, J., Lordship in France, 2003; Müller, W., Der Prozess Jeanne d’Arc, 2004; Recueil des actes de Philippe Auguste Roi de France, hg. v. Favier, J. u. a., 2004; WBG Deutsch-französische Geschichte, hg. v. Paravicini, W. u. a. 2004ff.; Gauvard, C., La France au Moyen Âge, 2004; Schilling, L., Normsetzung in der Krise, 2005; Telliez, R., Per potentiam officii - Les officiers devant la justice, 2005; Schmidt, B. u. a., Frankreich-Lexikon, 2. A. 2006; Prutsch, M., Die Charte constitutionelle Ludwigs XVIII. in der Krise von 1830, 2006: Burguière, A., L’Ècole des Annales, 2006; Connelly, O., The Wars of the French Revolution and Napoleon 1792-1815, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 945; Gruder, V., The Notables and the Nation, 2007; Regnum et imperium, hg. v. Weiß, S., 2008; Krause, S., Die souveräne Nation, 2008;; In the embrace of France, hg. v. Jacobs, B., 2008; Ehlers, J., Der hundertjährige Krieg, 2009; Frankreich am Rhein, hg. v. Theis, K. u. a., 2009; Ehlers, J., Geschichte Frankreichs im Mittelalter, (2. A.) 2009; Schmidt, S., Frankreichs Außenpolitik in der Julikrise 1914, 2009; Schilling, L., Frankreich im Zeitalter Ludwigs XIV., 2010; Geiss, P., Der Schatten des Volkes, 2010; Howald, C., Der Fall Nicolas Fouquet, 2010; List, C. v., Frauen in der Résistance 1940-1944, 2010; Braun, G., La connaissance du Saint-Empire en France du baroque aux lumières, 2010; Seibel, W., Macht und Moral. Die Endlösung der Judenfrage in Frankreich, 2010; Geiss, P., Der Schatten des Volkes, 2011; Schröer, C., Republik im Experiment, 2011; Gironde-Verfassungsentwurf (1793), hg. v. Kley, A., 2011; Boyron, S., The Constitution of France (von 1958), 2012; Pejko, D., Gegen Minister und Parlament, 2012; Koziol, G., The Politics of Memory and Identity in Carolingian Royal Diplomas - The West Frankisch Kingdom, 2012; Koller, C., Die Fremdenlegion, 2013; Braun, G., Maximilien de Robespierre, 2013; Loth, W., Charles de Gaulle, 2013

Franz I. (Franz Stephan, Nancy 8. 12. 1708-Innsbruck 18. 8. 1765), 1723 in Wien erzogen, 1729 Herzog von Lothringen, 1732 Statthalter Ungarns, 12. 2. 1736 Heirat mit Maria Theresia, nach Ländertausch 1737 Großherzog von Toskana, 1745 Kaiser des Heiligen römischen Reiches

Lit.: Die Kaiser der Neuzeit, hg. v. Schindling, A. u. a., 1990, 232ff.

Franz II. (Florenz 12. 2. 1768-Wien 2. 3. 1835), Sohn Kaiser Leopolds II., in Toskana aufgewachsen, 1784 Wien, 1792 Kaiser des Heiligen römischen Reiches, 1797 Westgali­zisches Gesetzbuch, 1803 Strafgesetz, 1804 auch selbst verfassungswidrig ernannter (erb­licher) Kaiser Österreichs, 6. 8. 1806 Nieder­legung der Krone des Heiligen römischen Rei­ches, 1811/1812 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch

Lit.: Die Kaiser der Neuzeit, hg. v. Schindling, A. u. a., 1990, 286ff.; Hattenhauer, C., Wahl und Krönung Franz II., 1995

Franz Joseph I. (Schönbrunn 18. 8. 1830-Schönbrunn 21. 11. 1916) folgt am 2. 12. 1848 seinem Onkel Ferdinand I. als Kaiser Österreichs,.

Lit.: Conte Corti, E., Der alte Kaiser, 3. A. 1956; Höbelt, L., Franz Joseph I., 2009

Franziskaner ist der Angehörige des von Franz von Assisi (1181/1182-1226) begründeten Ordens der Minoriten (Minderbrüder, einschließlich der Kapuziner). Bekannt sind Heinrich von Merseburg (um 1242 [lat.] Summa super V libros decretalium), Balduin von Brandenburg (um 1270 [lat.] Summa titulorum), Johannes von Erfurt (Ende 13. Jh. [lat.] Tabula iuris utriusque, Summa confessorum), Bonagratia von Bergamo, Wilhelm von Ockham, Anaklet Reiffenstuel (1700ff. [lat.] Ius caonicum universum) und Lucius Ferraris (1746ff. Prompta bibliotheca canonica). Vermutlich sind Deutschenspiegel und Schwabenspiegel von Franziskanern beeinflusst.

Lit.: Ertl, T., Religion und Disziplin, 2006; Feld, H., Die Franziskaner, 2008; Grieb, C., DIe Selbst- und Fremdwahrnehmung der Franziskaner, 2010; Franciscan Organisation, hg. v. Robson, M. u. a., 2010

Französisch

Lit.: Tobler, A./Lommatzsch, E., Altfranzösisches Wörterbuch, Bd. 1ff. 1954ff. (11.-14. Jh.)

Französische Revolution ist die revo­lutionäre Veränderung des politischen Sys­tems (ancien régime) in →Frankreich 1789/­1799. Sie erwächst aus der zuneh­men­den Spannung zwischen dem durch Krieg und Hofhaltung die Staatsver­schuldung mehren­den König und dem nach politischen Rechten strebenden, mit der wirtschaftlichen Lage und wohl auch der mangels eines Steuerkatasters will­kürlichen Steuererhebung unzufrie­denen dritten Stand (der →Bürger [16 Prozent, Bauern 82 Prozent]). Als nach sehr strengen Wintern (1787, 1788) die zum 1. 5. 1789 nach fast 175 Jahren vom König erstmals wieder zusammen­gerufenen General­stände (états gé­néraux, 300, 300 und 600 Mitglieder der drei Stände) nach ergebnislosen Beratungen über ein Stimmrecht nach Köpfen sich am 17. 6. 1789 zur Nationalversammlung (des drit­ten, hauptsächlich aus Verwaltungsbe­am­ten, Juris­ten und Kaufleuten zusammenge­setzten Standes) erklären, versucht der König erfolg­los, sie aufzulösen. Nach dem Sturm des poli­ti­schen Gefängnisses (Bastille, Stadttorburg im Osten von Paris) am 14. 7. 1789 muss er sie als verfassung­gebende Nationalversamml­ung bestätigen. Die feudalen Rechte des an­cien régime werden aufgehoben (4./5. 8. 1789). Am 26. 8. 1789 werden von der Natio­nalversammlung Menschenrechte und Bür­gerrechte verkündet. Am 2. 11. 1789 wird die Kirche enteignet. Am 3. 9. 1791 wird eine er­ste →Verfassung geschaffen (konstitutio­nelle Monarchie mit Zensuswahlrecht, König als Spitze der ausführenden Gewalt). Die Schulen werden verstaatlicht. Die zivile Ehe­schließung wird eingeführt. Der Staat wird in 83 Departements eingeteilt. 1792 wird eine neue National­versammlung gewählt (radikale Jakobiner, gemäßigte Girondisten). Gegenü­ber Öster­reich und Preußen wird der Krieg erklärt. Am 21. 9. 1792 wird die Republik ausgerufen. Der König wird wegen Ver­schwö­rung gegen die öffentliche Freiheit und die allgemeine Sicherheit des Staates zum Tode verurteilt und am 21. 1. 1793 hingerich­tet. Am 10. 3. 1793 entsteht ein Revo­lutions­tribunal. Die darauf folgende Schreckens­herrschaft eines Sicherheits- und Wohlfahrts­ausschusses (Robespierre, Marat, Danton) wird mit dem Sturz Robespierres am 27. 7. 1794 beendet. Am 22. 8. 1795 wird eine liberale Verfassung geschaffen. Am 9. 11. 1799 stürzt Napoléon Bonaparte das diktato­risch herrschende fünfköpfige Direktorium.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Redslob, R., Völkerrechtliche Ideen der französischen Revolution, FS Otto Mayer, 1916, 773; Stern, A., Der Einfluss der französischen Revolution auf das deutsche Geistesleben, 1928; Göhring, M., Geschichte der großen Revolution, Bd. 1f. 1950f.; Garaud, M., La révolution et la propriété fonciere, 1959; Schmitt., E., Einführung in die Geschichte der französischen Revolution, 1976; Vovelle, M., Die französische Revolution, 1982; Die französische Revolution, hg. v. Günther, H., 1985; Vom alten Reich zu neuer Staatlichkeit, hg. v. Gerlich, A., 1982; Furet, F./Richet, D., Die französische Revolution, 1987; Schulin, E., Die französische Revolution, 4. A. 2004; Die französische Revolution als Bruch des gesellschaftlichen Bewusstseins, hg. v. Koselleck, R. u. a., 1988; Soboll, A., Die große französische Revolution, 1988; Berteau, J., Alltagsleben während der französischen Revolution, 1989; Die französische Revolution, hg. v. Reinalter, H., 1991; Botsch, E., Eigentum in der französischen Revolution, 1992; Meinzer, M., Der französische Revolutionskalender (1792-1805), 1992; Schmidt, U., Südwestdeutschland im Zeichen der französischen Revolution, 1993; Stone, B., The Genesis, 1994; Die französische Revolution und das Projekt der Moderne, hg. v. Pelinka, A. u. a., 2002; Thamer, H., Die französische Revolution, 2004; Kuhn, A./Schweigard, J., Freiheit oder Tod!, 2005; Schultz, U., Der König und sein Richter, 2012

Französisches Recht ist das in Frankreich geltende Recht bzw. das in Frankreich geschaffene Recht. Es ist aus zwei großen Teilgebieten erwachsen. Im Süden Frankreichs (Gascogne, Roussillon, Navarra, Béarn, Guyenne, Saintogne, Limousin, Lyon, Languedoc, Provence, [überwiegend] Bur­gund [sowie Savoyen]) gilt seit dem Unter­gang des weströmischen Reiches (476) das in vereinfachter Form (→Breviarium Alari­cianum) fortgeführte römische Recht als Schriftrecht fort (frz. droit [M.] écrit) und wird an den im Hochmittelalter entstehenden Universitäten (Montpellier, Toulouse und Orléans) gelehrt. Nördlich der Loire bilden sich auf der Grundlage der fränkischen Volks­rechte (→Pactus legis Salicae) schätzungs­weise 360 örtliche oder gebietliche Gewohn­heiten (frz. [F.Pl.] →Coutumes, pays de droit coutumier). Sie werden seit dem 13. Jh. nichtamtlich aufgezeichnet. Am bekann­testen sind die →coutumes de Beauvaisis des Philippe de →Beaumanoir (1283). 1454 wird die amtliche Aufzeichnung vom König geboten. Im 16. Jh. entsteht eine glanzvolle französische Rechtswissenschaft (lat. →mos [M.] Gallicus) mit dem Mittelpunkt in Bourges (Budé, Duarenus, Cujas/Cuiacius, Doneau/Donellus, Favre, Gothofredus, Du Moulin, Domat, Charondas, Bourjon, Pothier). Gewicht gewinnen einzelne könig­liche ordonnances (1510, 1539, 1566, 1579, 1667, 1673, 1681, 1731, 1735, 1745, 1747). Mit dem Edikt von Saint-Germain (1679) erhält jede juristische Fakultät eine Professor für französisches Zivilrecht. Die Aufklärung erweckt ein Streben nach allgemeinen Rechtsregeln. Am 3. 9. 1791 kündigt die Verfassung ein einheitliches bürgerliches Gesetzbuch (frz. Code [M.] des lois civiles communes) an, doch werden drei Entwürfe nicht verabschiedet und nur Einzelgesetze gegen Kirche und Adel erlassen (sog. droit [M.] intermédiaire). Nach der Machter­greifung Napoléons entstehen binnen weniger Jahre ein →Code civil des Français (Bürgerliches Gesetzbuch 1804), ein der ordonnance von 1667 eng folgender, das europäische Zivilprozessrecht des 19. Jh.s wesentlich bestimmender →Code de procédure civile (Zivilverfahrensgesetzbuch, in Kraft zum 1. 1. 1807), ein Code de commerce (Handelsgesetzbuch 1807), ein Code de l’instruction criminelle (Straf­verfahrensgesetz­buch 1808) und ein →Code pénal (Strafgesetzbuch 1810). Sie beein­flussen das Recht vieler Staaten (u. a. des linksrheinischen Deutschland) und gelten trotz erheblicher Abänderungen (z. B. Loi Naquet 1884, Reformen von 1975 und 2004 im Ehescheidungsrecht, 1999 Gesetz über den Pacte civil de solidarité, Relativierung des Eigentums, Höchstpreise, Verbraucherschutz, Gefährdungshaftung) teilweise noch in der Gegenwart. Allerdings ist der Versuch Napoleons, das partikulare Recht der europäischen Länder durch einheitliche französische Gesetzbücher zu ersetzen, nicht wirklich erfolgreich. 1958 wird ein neuer Code de procédure pénale (Strafprozessgesetzbuch) geschaffen, (1975 bzw.) 1976/81 ein Nouveau code de procédure civile (Neues Zivilprozessgesetz­buch), seit 1989 ein neues Strafgesetzbuch. Das Handelsgesetzbuch erfährt schon seit 1867 erhebliche Verän­derungen.

Lit.: Boucher D’Argis, A., Lettres d’un magistrat de Paris à un magistrat de province sur le droit Romain, 1782, hg. v. Wolodkiewicz, W., 1984; Glasson, E., Histoire du droit et des institutions de la France, Bd. 1ff. 1887ff.; Brissaud, J., Manuel d’histoire du droit français, 1898; Eberstadt, R., Das französische Gewerberecht, 1899; Lefebvre, C., Leçons d’introduction à l’histoire du droit matrimonial français, 1899; Caillemer, R., Études sur les successions au moyen-âge, 1901; Egger, A., Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischem Recht, 1903; Bauchond, M., La justice criminelle du magistrat de Valenciennes, 1904; Euler, H., Recht und Staat in den Romanen des Crestien von Troyes, 1906; Senn, F., L’institution des vidamies en France, 1907; Perrot, E., Les cas royaux, 1910; Laplanche, J. de, La réserve coutumiaire, 1925; Chénon, E., Histoire générale du droit français public et privé, Bd. 1f. 1926ff.; Regnault, H., Les ordonnances civiles du chancelier Daguesseau, 1929; Mitteis, H., Die germanischen Grundlagen des französischen Rechts, ZRG GA 63 (1943), 136; Viard, P., Histoire du droit privé français (1789-1830), 1931; Bloch., M., Les caractères originaux de l’histoire rurale française 1931; Les lois et coutumes de Saint-Amand, hg. v. Meijers, E. u. a., 1934; Olivier-Martin, F., L’organisation corporative de la France d’ancien régime, 1938; Mitteis, H., Die germanischen Grundlagen des französischen Rechtes, ZRG GA 63 (1943), 137; Decugis, H., Les étapes du droit, 1942; Olivier-Martin, F., Histoire du droit français, 1948, Neudruck 1988; Bongert, Y., Recherches sur les cours, 1949; Woopen, A., Die neuere Entwicklung des französischen Familienrechts, Diss. jur. Bonn 1953; Buisson, L., König Ludwig IX., der Heilige, und das Recht, 1954; Waldersee, J. Graf v., Ehe und Familie in der großen französischen Revolution, Diss. jur. Bonn 1957; Sicard, G., Le métayage, (um 1958); Timbal, P. u. a., Historie des institutions publiques et des faits sociaux, 2. A. 1961, 10. A. 2000; Guenée, B., Tribunaux et gens de justice dans le baillage de Senlis, 1963; Lohmann, F., Jean Paul Marat und das Strafrecht in der französischen Revolution, 1963; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. 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Jahrhundert, 2. A. 1995; Recht im frühmittelalterlichen Gallien, hg. v. Siems, H., 1995; Verwaltung und Verwaltungsrecht in Frankreich und England, hg. v. Heyen, E., 1996; Halpérin, J., Histoire du droit privé français depuis 1804, 1996; Köbler, G., Rechtsfranzösisch, 4. A. 2004; Gläser, M., Lehre und Rechtsprechung im französischen Zivilrecht des 19. Jahrhunderts, 1996; Kern, B., Die französische Gesetzgebung unter Napoleon, JuS 1997, 11; Gaudemet, J., Les naissances du droit, 1997, 4. A. 2006; Bart, J., Histoire du droit privé, 1998; Wandel von Recht und Rechtsbewusstsein in Frankreich und Deutschland, hg. v. Jurt, J. u. a., 1999; Thireau, J., Introduction historique au droit, 2001; Wadle, E., Französisches Recht in Deutschland, 2002; Carbasse, J., Introduction historique au droit, 2003; Guillot, O./Rigaudière, A./Sassier, Y., Pouvoirs et institutions dans la France médiévale, Bd. 1f. 2003; Bart, J., Du droit de la province au droit de la nation, 2004; Pfister, L., Introduction historique au droit privé, 2004; Halpérin, J., Rechtsgeschichte in Frankreich (1982-2003), ZNR 26 (2004), 282; Descamps, O., Les origines de la responsabilité pour faute personnelle dans le code civil de 1804, 2005; 1806 - 1976 – 2006 De la commémoration d’un code à l’autre, hg. v. Cadiet, L. u. a., 2006; Leuwers, H., L’invention du barreau français 1660-1830, 2006; Kähler, J., Französisches Zivilrecht und französische Justizverfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815), 2007; Dictionnaire historique des juristes français, hg. v. Arabeyre, P. u. a., 2007; Hamza, G., Die römischrechtliche Tradition und die Entwicklung des Pirvatrechts in Frankreich (in) Ius Romanum Schola Sapientiae, 2009, 167ff.; Kaucher, M., Die französische Spezial­gerichtsbarkeit unter Napoleon, 2010; Klein, J., Die Unwirksamkeit von Verträgen nach französischem Recht, 2010; Grilli, A., Il difficile amalgama, 2012

Französische Zone ist die 1945 im Deutschen Reich eingerichtete Besatzungs­zone Frank­reichs (Südbaden, Südwürttem­berg-Hohenzollern, Rheinland-Pfalz), die am 8. 4. 1949 der Bizone angeschlossen wird und danach in der →Bundesrepublik Deutschland aufgeht.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Frau ist der erwachsene weibliche Mensch. In einer patriarchalischen Gesellschaft ist die F. dem Mann rechtlich nicht in jeder Be­ziehung gleichgestellt. Im altrömischen Recht steht die F. grundsätzlich in der Hausgewalt (lat. [F.] manus, Hand) des Ehemanns (, die mündige Frau sui iuris unter Geschlechts­vormundschaft, lat. tutela [F.] iuris), im Frühmittelalter in der Hausgewalt (ahd. munt) des Ehemanns oder der Vormundschaft des nächsten mündigen männlichen Verwandten. Ihre durchschnittliche Le­benserwartung beträgt 21 Jahre. Auch das Christentum unterstellt die F. dem Mann. Im Alemannien des Frühmittelalters können Töchter Grundstücke erben, doch scheint ihr Erbrecht gesell­schaftlich weniger fest verankert zu sein, und können verheiratete Frauen teils mit und teils ohne Ehemann über Erbgut verfügen. Die Stellung der F. bessert sich mit ihrem Eintritt in die Marktwirtschaft (Kauffrau). Im 16. Jh. bricht, wenn auch noch ohne bestimmte rechtliche Folgen, die Erörterung über die Gleichrangigkeit der Geschlechter auf. Im Zuge der Aufklärung verlangen zuerst einzelne Frauen die Angleichung bzw. die grundsätzliche Gleichstellung (Dorothea Erxleben, Mary Wollstonecraft). Dies verstärkt sich mit der französischen Revolution von 1789 (Olympe de Gouges 1791 Erklärung der Frauen- und Bürgerinnenrechte). Vereinzelt treten in Deutschland Frauen auch im Umkreis der politischen Unruhen des Jahres 1848 hervor. 1865 wird ein Allgemeiner Deutscher Frauenverein gegrün­det. Danach werden 1869 in Preußen die Schranken der Hand­lungsfähigkeit auf­gehoben und wird 1877 im Deutschen Reich Prozessfähigkeit gewährt. 1892 lehnt die medizinische Fakultät der Universität Berlin die Zulassung von Frauen wegen des in der Natur der Dinge begründeten Unterschieds in den geistigen Gewohnheiten und der Lebensauffassung ab. 1894 erwächst aus unterschiedlichen Flügeln der Frauen­bewegung (Helene Lange, Gertrud Bäumer, Minna Cauer, Anita Augspurg 1857-1943) der Bund deutscher Frauenvereine. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erhält die F. Anteil an der elterlichen Gewalt. Sie wird 1900 zum Studium (1900 Baden, 1903 Bayern, 1904 Württemberg, 1906 Sachsen, Preußen 1908, Mecklenburg 1909, Österreich 1919 in Deutschland 1911 43 Rechtsstudentinnen, 1917 117, 1920/1921 2,58 Prozent der juristischen Studierenden, 1932/1933 6 Prozent, Anita Augs­purg erste juristische Doktorin Deutschlands, erste habilitierte deutsche Juristin Magdalene Schoch, erste Dr. h. c. der Rechte Marianne Weber, 1919 gleich­berechtigte Zulassung zu allen öffentlichen Ämtern, erste planmäßige Richterin Maria Hagemayer Juni 1928 Landgericht Bonn, erste Habilitation einer Juristin 1932 bei Albrecht Mendelssohn-Bartholdy in Hamburg, 1948 erste ordentliche Professorin der Rechtswissen­schaft im deutschen Sprachraum Gertrud Schubart-Fikentscher in Halle), 1919 zu Wahlen (New Jersey 1776-1807, Pitcairn 1838, Wyoming 1869, Pariser Kommune 1871-1871, Neuseeland 1893/1919, Süd­australien 1894, Australien 1902, Finnland 1906, Norwegen 1913, Island 1915, Dänemark 1915, Sowjetunion 1917, Kanada 1918, Österreich 1919, Vereinigte Staaten von Amerika 1920, Großbritannien 1928, Türkei 1930/1934, Spanien 1931, Frankreich 1944, Italien 1945/1946, Ungarn 1945, Japan 1945, Belgien 1946, China 1949, Indien 1950, Schweiz 1971, Liechtenstein 1984, Südafrika 1994, Afghanistan 2003, Kuweit 2005) und (1. 7.) 1922 zu den Ämtern der Rechtspflege (1924 erste Gerichtsassessorin) zugelassen. Die Verfassung des Deutschen Reiches (1919) und das Bundesver­fassungs­gesetz Österreichs (1920) erkennen die Gleichbe­rechtigung der Geschlechter grund­sätzlich an. Zum 31. 3. 1953 erklärt das Bundesver­fassungsgericht alles dem Gleich­berechti­gungs­grundsatz des Grundge­setzes entgegen­stehende Recht als außer Kraft. Weitere wichtige rechtliche Veränderungen schließen sich an (1973 Strafrecht, 1976 Familienrecht, 1980 Arbeitsrecht, 1983, 1987, 1992 Rentenrecht). 1979 wird weltweit eine Vereinbarung zur Abschaffung aller Formen der Diskriminierung von Frauen beschlossen. 1995 erklärt der Europäische Gerichtshof eine Bevorzugung einer F. nur wegen ihrer Eigenschaft als F. für rechtswidrig. Auf die Länge scheint das veränderte Weltbild der F. das durch den medizinischen Fortschritt ermöglichte Wachstum der Bevölkerung auszugleichen.

Lit.: Kaser § 12; Hübner; Köbler, WAS; Weinhold, K., Die deutschen Frauen im Mittelalter, 3. A. 1987; Bartsch, R., Die Rechtsstellung der Frau, 1903; Weber, M., Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, 1907; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Schubart-Fikentscher, G., Das Recht der Frau nach dem Sachsenspiegel, (in) Die Frau 41 (1933/4), 28; Schmelzeisen, G., Die Stellung der Frau in der deutschen Stadtwirtschaft, 1935; Barchewitz, J., Von der Wirtschaftstätigkeit der Frau, 1937; Merschberger, G., Die Rechtsstellung der germanischen Frau, ZRG GA 58 (1938), 824; Heß, L., Die deutschen Frauenberufe des Mittelalters, 1940; Pesle, O., La femme musulmane, 1946; Vogelsang, T., Die Frau als Herrscherin im hohen Mittelalter, 1954; Scheffler, E., Die Stellung der Frau, 1970; Pauli, L., Infirmitas sexus, 1975; Schwanecke, I., Die Gleichberechtigung der Frau unter der Weimarer Reichsverfassung, 1977; Frauen in der Geschichte, hg. v. Kuhn, A. u. a., 1979; The Women of England, hg. v. Kanner, B., 1979; Schmit­ter, R., Die Frauenbewegung im 19. Jahrhundert, 1981; Hervé, F., Geschichte der deutschen Frauenbewegung, 1982, 7. A. 2001; Weber-Will, S., Die rechtliche Stellung der Frau im Privatrecht des preußischen Allgemeinen Landrechts, 1983; Ennen, E., Frauen im Mittelalter, 1984, 5. A. 1994; Wemple, S., Women in Frankish society, 1985; Frauenlexikon, Fakten, Perspektiven, hg. v. Lissner, A., 1988; Kroj, K., Die Abhängigkeit der Frau, 1988; Duby, G., Die Frau ohne Stimme, 1989; Frauen in den 80er Jahren, 1989; Freiburg, A., Die Rechtsstellung der Frau, Diss. jur. Köln 1990; Frauen im Recht, 1990; Frauen in Spätantike und Frühmittelalter, hg. v. Affeldt, W., 1990; Medieval Women, hg. v. Rosenthal, J., 1990; Gerhard, U., Unerhört, 1990; Koch, E., Maior dignitas est in sexu virili, 1991; Demars-Sion, V., Femmes séduites et abandonnées au 18e siècle, 1991; Schenk, H., Die feministische Herausforderung, 1992; Geschichte der Frauen, hg. v. Duby, G. u. a., Bd. 1ff. 1993ff.; Arjava, A., Women and Roman Law in late Antiquity, Diss. Helsinki, 1994; Wolf, G., Æthelfled von Mercia und andere ottonische „dominae“, ZRG GA 111 (1994), 524; Douma, E., Die Entwicklung des Familiengesetzbuches der DDR, ZRG GA 111 (1994), 592; Alfing, S. u. a., Frauenalltag im frühneuzeitlichen Münster, 1994; Frauen, hg. v. Dülmen, A. van, 6. A. 1995; Schuster, B., Die freien Frauen, 1995; Berneike, C., Die Frauenfrage ist Rechtsfrage, 1995; Dressel-Schuh, E., Frauen in Frankfurt, 1995; Goetz, H., Frauen im frühen Mittelalter, 1995; Von Huren und Rabenmüttern, hg. v. Ulbricht, O., 1995; I, CLAVDIA, hg. v. Kleiner, D./Matheson, S., 1996; Walther, W., Die Frau im Islam, 1997; Rosenbusch, U., Die Belagerung der männlichen Rechtsburg, JuS 1997, 1062; Frauen in der Geschichte des Rechts, hg. v. Gerhard, U., 1997; Ziegler, S., Frauennachtarbeit, 1997; Frauen arbeiten, hg. v. Budde, G., 1997; Ziolkowski, K., Frauen­diskriminierung, 1997; Byok, N., Die rechtliche Stellung der Frau im alten Ägypten, Diss. jur. Berlin 1997; Nave-Herz, R., Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, 1997; Stretton, T., Women waging law, 1998; Rosenbusch, U., Der Weg zum Frauenwahlrecht in Deutschland, 1998; Hufton, O., Frauenleben, 1998; Recht, Geschlecht und Gerechtigkeit, hg. v. Floßmann, U., 1998; Bors, M., Bescholtene Frauen vor Gericht, 1998; Juristinnen in Deutschland, hg. v. Deutschen Juristinnenbund, 4. A. 2003; Esser, C., Rechtsstellung und Ansprüche der Ehefrau, Diss. jur. Köln 1998; Hellmuth, D., Frau und Besitz, 1998; Johlen, M., Die vermögensrechtliche Stellung der weströmischen Frau, 1999; Gilde, A., Die Stellung der Frau im Reichsstrafgesetzbuch, 1999; Stieldorf, A., Rheinische Frauensiegel, 1999; Klemm, S., Frauenbewegung und Familienrecht, Diss. jur. Tübingen 1999; Hemelrjk, E., Matrona docta, 1999; Kupisch, B., Die römische Frau im Geschäftsleben, FS B. Großfeld, 1999, 659; Kannappel, P., Die Behandlung von Frauen im nationalsozialistischen Familienrecht, 1999; Rublack, U., The crimes of women in early modern Germany, 1999; Mönnich, U., Frauenschutz vor riskanten Geschäften, 1999; Bock, G., Frauen in der Geschichte Europas, 2000; Feld, H., Frauen des Mittelalters, 2000; Medieval Women and the Law, hg. v. Menuge, N., 2000; Iwersen, J., Die Frau im alten Griechenland, 2002; Die Kaiserinnen Roms, hg. v. Temporini-Gräfin Vitzthum, H., 2002; Lauterer, H., Parlamentarierinnen in Deutschland 1918/19 bis 1949, 2002; Schulz, K., Der lange Atem der Provokation, 2002; Lauterer, H., Geschichte des Frauenstimmrechts, Universitas 2003, 801; Frauen und Kirche, hg. v. Schmitt, S., 2002; Die Macht der Frauen, hg. v. Finger, H., 2003; Geldsetzer, S., Frauen auf Kreuzzügen 1096-1291, 2003; Höbenreich, E./Rizzelli, G., Fragmente einer juristischen Geschichte der Frauen im antiken Rom, 2003; Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2003; Les femmes antiques, hg. v. Frei-Stolba, R., 2003; Malamud, S., Die Ächtung des Bösen, 2003; Godineau, D., Les femmes dans la société française 16e-18e siècle, 2003; Wischermann, U., Frauen und Öffentlichkeiten um 1900, 2003; Barth, R., Frauen die Geschichte machten, 2004; Schötz, S., Handelsfrauen in Leipzig, 2004; Frauen in der frühen Neuzeit, hg. v. Bonnet, A., u. a., 2004; Frauen­rechtsgeschichte, hg. v. Floßmann, U., 2004; Women’s Influence on Classical Civilization, hg. v. McHardy, F. u. a., 2004; Gender in the Early Medieval World, hg. v. Brubaker, L. u. a., 2004; Hacke, D., Women, Sex and Marriage in Early Modern Venice, 2004; Bock, G., Frauen in der europäischen Geschichte, 2005; Schüller, E., Marie Stritt, 2005; In eigener Sache, hg. v. Westphal, S., 2005; Kinnebrock, S., Anita Augspurg (1857-1943), 2005; Juristinnen, hg. v. Deutscher Juristinnenbund, 2005; Frauen an der Macht, hg. v. Illner, M., 2005; Spitzenfrauen, hg. v. Schulz, A., 2005; Timoschenko, T., Die Verkäuferin im wilhel­minischen Kaiserreich, 2005; McIntosh, M., Working Women in English Society 1300-1620, 2005; Makowski, E., A Pernicious Sort aof Woman, 2005; Frauenrecht und Rechtsgeschichte, hg. v. Meder, S. u. a., 2006; Schaser, A., Frauenbewegung in Deutschland 1815-1933, 2006; Ilan, T., Jewish Women in Greco-Roman Palestine, 2006; Rottloff, A., Lebensbilder römischer Frauen, 2006; Lindner, A., 100 Jahre Frauenkriminalität, 2006; Stavrianopoulou, S., Gruppenbild mit Dame, 2006; Die Stellung der Frau im islamischen Religionsunterricht, hg. v. Oebbecke, J. u. a., 2006; Röhrig, A., Klug, schön, gefährlich – Die hundert berühmtesten Frauen der Weltgeschichte, 2007; Die Vereinten Nationen und neuere Ent­wicklungen der Frauenrechte, hg. v. Schorlemer, S. v., 2007; Balaş, O., Reprezentǎri ale feminitǎţii în eposul germanic medieval (Die Darstellung der Weiblichkeit im mittelalterlichen germanischen Epos), 2007; Beattie, C., Medieval Single Women, 2007; Hartmann, E., Frauen in der Antike, 2007; Vogt, A., Vom Hintereingang zum Hauptportal?, 2007; Riedel, T., Gleiches Recht für Mann und Frau, 2008; Majer, D., Frauen - Revolution - Recht, 2008; Grochowina, N., Das Eigentum der Frauen, 2009; Hauch, G., Frauen bewegen Politik - Österreich 1848-1938, 2009; Une démographie au féminin, hg. v. Oris, M. u. a., 2009; Diewald-Kerkmann, G., Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009; Ross, S., The Birth of Feminism, 2009; Die Rechtsstellung der Frau um 1900, hg. v. Meder, S., 2010; Augustae. Machtbewusste Frauen am römischen Kaiserhof, hg. v. Kolb, A., 2010; Der Weg an die Universität, hg. v. Maurer, T., 2010; Breith, A., Textaneigung - Das Frauenlegendar der Lichtenthaler Schreib­miesterin Schwester Regula, 2010; Storgröße „F“ - Frauenstudium, hg. v. Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien, 2010; Zellmer, E., Töchter der Revolte?, 2011; Koloch, S., Frauen im Kulturprozess der frühen Neuzeut, 2011; Röwekamp, M., Die ersten deutschen Juristinnen, 2011; Karl, M., DIe Geschichte der Frauenbewegung, 2011; Cordes, O., Frauen als Wegbereiter des Rechts, 2012; The Struggle for Female Suffrage in Europe, hg. v. Rodrigues Ruiz, B. u. a., 2012; Carius, H., Recht durch Eigentum - Frauen vor dem Jenaer Hofgericht, 2012; Cordes, O., Frauen als Wegbereiter des Rechts, 2012; The Struggle for Female Suffrage in Europe, hg. v. Rodríguez-Ruiz, B. u. a., 2012, Reuthner, R., Platons Schwestern, 2013; Gerhard, U., Die Frau als Rechtsperson, ZRG GA 130 (2013), 281; Augsburg, A., Rechtspolitische Schriften, hg. v. Henke, C., 2013; Meiners, A., Die Stunde der Frauen, 2013

Fraubrunnen (1246-1528)

Lit.: Leuzinger, J., Das Zisterzienserinnenkloster Fraubrunnen, 2008+

Frauenarbeit ist die →Arbeit der →Frau außerhalb des Haushalts und der Familie. Sie gewinnt seit dem ausgehenden 19. Jh. an Bedeutung. Politisches Ziel ist seitdem die Gleichheit der Arbeit von Frau und Mann.

Lit.: Baltl/Kocher; Müller, W./Willms, A./Handl, J., Strukturwandel der Frauenarbeit 1880-1980, 1983; Werkstetter, C., Frauen im Augsburger Zunfthandwerk, 2001

Frauenhaus ist das in deutschen Städten seit dem Spätmittelalter als stadteigene Ein­richtung erkennbare Bordell. In der Gegenwart ist F. die Zufluchtsstätte misshandelter Frauen.

Lit.: Schuster, P., Das Frauenhaus, 1992

Frauenraub ist die gewaltsame Entführung einer Frau (zwecks Eheschließung). Der F. führt in der Frühzeit zur Fehde und begründet keine Ehe (str.). Im Frühmittelalter ist Buße zu leisten. Die →Constitutio Criminalis Carolina (1532) übernimmt die Todesstrafe des römischen Rechtes (C. 9, 13). Die Aufklärung sieht den F. als Freiheitsdelikt an.

Lit.: Dargun, L., Mutterrecht und Raubehe, 1883; Gössler, Die Entführung, Diss. jur. Rostock, 1903; Köstler, R., Raub-, Kauf- und Friedelehe bei den Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Boes, W., Frauenraub und Raubehe bei den westgermanischen Stämmen des Merowingerreiches, Diss. jur. Bonn 1956

Frauenstimmrecht→Frau, Wahlrecht

fraus (lat. [F.]) Tücke (actio de dolo, exceptio doli möglich)

Lit.: Behrends, O., Die fraus legis, 1982

Fredus (lat. [M.]) ist das im →Kompositionensystem des Frühmittelalters (Franken, Alemannen, Bayern, Thüringer, Friesen) bei einem Unrechtserfolg in verschiedenen Fällen (nicht an den Verletzten, sondern) an den König, Grafen, Fiskus oder die Kirche in unterschiedlicher Höhe zu entrichtende Friedensgeld (z. B. 1/3 der Buße).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 91; Köbler, LAW; Schumann, E., Unrechtsausgleich im Frühmit­telalter, Habilitationsschrift Leipzig 2003 (ungedruckt)

Freher, Marquard (Augsburg 26. 7. 1565-Heidelberg 13. 5. 1614), Sohn des Kanzlers der Kurpfalz, wird nach dem Rechtsstudium in Altdorf und Bourges (Cujas) Rat in der Pfalz und von 1596 bis 1598 Professor in Heidelberg, danach Hofgerichtsvizepräsident. Er ver­öffentlicht eine Reihe deutscher Geschichts­quellen und verfasst daneben eigene Abhandlungen.

Lit.: Freher, M., Germanicarum rerum scriptores, 1600ff.; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 680; Schwan, B., Das juristische Schaffen Marquard Frehers, 1984

Freibauer Freier, Bauer

Freiberg ist die in der zweiten Hälfte des 12. Jh.s gegründete sächsische Stadt, deren zwischen 1210 und 1218 verliehenes, ziemlich selbständiges Stadtrecht in einer 1296-1307 entstandenen Prachthandschrift und 4 weiteren Handschriften überliefert ist. Im Stadtrecht finden sich erste zu­sammenhängende Regelungen des erstmals in der Kulmer Handfeste (1233) erwähnten Freiberger Bergrechts ([lat.] ius [N.] Frybergense mit freiem Schürfrecht), die in Bergrechten von 1307-1328 bzw. 1346-1375 vertieft werden. 1572 wird das Stadtrecht von den kursächsischen Konstitutionen verdrängt.

Lit.: Ermisch, H., Das sächsische Bergrecht des Mittelalters, 1887; Ermisch, H., Das Freiberger Stadtrecht, 1889; Retzlaff, H., Die Entwicklung des Rechtsgangs nach dem Freiberger Stadtrechtsbuch, 1929; Unger, M., Stadtgemeinde und Bergwesen Freibergs, Diss. phil. Leipzig 1957; Clauss, H./Kube, S., Freier Berg und vermessenes Erbe, 1957; Löscher, H., Zur Frühgeschichte des Freiberger Bergrechts, ZRG GA 76 (1959), 343ff.; Unger, M., Stadtgemeinde und Bergwesen Freibergs im Mittelalter, 1963; Geschichte der Bergstadt Freiberg, hg. v. Kasper, H. u. a., 1986; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 81; Stadt Freiberg, hg. v. Hoffmann, Y. u. a., 2003

Freibrief ist die eine Freiheit enthaltende Urkunde (Brief).

Lit.: Lerchenfeld, G. v., Die altbayerischen landständischen Freiheitsbriefe, 1853; Nebinger, G., Geburts- und Freibriefe 1543-1700 der Reichsstadt Kempten, Blätter des bay. Landesvereins für Familienkunde 51 (1988), 60ff.

Freiburg im Breisgau ist der möglicherweise 1091 durch Herzog Berthold II. von Zähringen neben einem bereits römerzeitlich besiedelten Burgberg (Schlossberg) gegrün­dete, vielleicht 1120 durch Herzog Konrad von Zähringen um (oder auf) einen Markt (lat. [N.] forum) oder eine Stadt (lat. [F.] civitas) erweiterte, (Gewerbetätigkeit bezeugende?,) wohl um 1150 ummauerte Ort am Ausfluss der Dreisam aus dem Schwarzwald, dem der Herzog von Zähringen als Ortsherr bei Gelegenheit der Erweiterung ein berühmtes Stadtrechtsprivileg für die (lat.) mercatores (M.Pl.) personati (namhaften Kaufleute) erteilt (str., Diessenhofen 1178, Freiburg im Üchtland um 1175, Flumet 1228, Kenzingen 1249). 1368 unterstellt sich F. (1385 rund 9000 Einwohner, 1500 rund 7000 Einwohner) Habsburg (1415-1457 Reichs­stadt). 1457 wird eine Universität eingerichtet. 1520 tritt ein von Ulricus Zasius (Ulrich Zäsy) verfasstes, fünfteilig in Prozess, Schulden und Sachen, Familien und Erbe, Baurecht und Strafrecht gegliedertes, reformiertes Stadt­recht in Kraft, das bis 1781 (Allgemeine Gerichtsord­nung)/1787 (Josephi­nisches Ge­setz­buch)/1810 (Badisches Land­recht) gilt und auf Tirol (1526), Rheinfelden (1530), Württemberg (1555), Solms 1571, Frankfurt am Main (1578), Pfalz (1582), Katzen­elnbogen (1591), Solothurn 1604, Baden (1654) Basel (1719) und Mainz (1755) ausstrahlt. 1805/1806 fällt F. von Habsburg bzw. Vorderösterreich an Baden und damit 1951/1952 an Baden-Württemberg.

Lit.: Schreiber, H., Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau, 1857; Flamm, H., Geschichtliche Ortsbeschreibung der Stadt Freiburg im Breisgau, Häuserstand 1400-1806, 1903; Flamm, H., Der wirtschaftliche Niedergang Freiburgs, 1905; Joachim, H., Gilde und Stadtgemeinde in Freiburg im Breisgau, FG Anton Hagedorn, 1906, 25; Rietschel, S., Neue Studien über die älteren Stadtrechte von Freiburg im Breisgau, 1907; Beyerle, F., Untersuchungen zur Geschichte des älteren Stadtrechtes von Freiburg i. Br. und Villingen a. Schw., 1910; Rietschel, S., Das Freiburger Stadtrecht, ZRG GA 33 (1912), 471; Albert, P., Achthundert Jahre Freiburg im Breisgau, 1920; Below, G. v., Deutsche Städtegründung, 1920; Below, G. v., Zur Deutung des ältesten Freiburger Stadtrechts, Zeitschrift der Gesellschaft für Geschichte zu Freiburg 36 (1920); Müller, K., Geschichte der Getrei­dehandelspolitik, 1926; Bastian, J., Der Freiburger Oberhof, 1934; Freiburger Urkundenbuch, bearb. v. Hefele, F., Bd. 1ff. 1938ff.; Schindler, G., Verbrechen und Strafen im Recht der Stadt Freiburg, 1937; Gerber, H., Der Wandel der Rechtsgestalt der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg im Breisgau, (1957); Aus der Geschichte der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät zu Freiburg im Breisgau, hg. v. Wolff, H., 1957; Knoche, H., Ulrich Zasius und das Freiburger Stadtrecht von 1520, 1957; Freiburg im Breisgau, hg. v. statistischen Landesamt Baden-Württemberg, 1965; Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Schlesinger, W., Das älteste Freiburger Stadtrecht, ZRG GA 83 (1966), 63; Heinemeyer, W., Der Freiburger Stadtrodel, ZRG GA 83 (1966), 116; Nehlsen, H., Die Freiburger Familie Snewlin, 1967; Sauter, H., Studien zum mittelalterlichen Privatrecht der Stadt Freiburg, 1969; Brandl, H., Der Stadtwald von Freiburg, 1970; Diestelkamp, B., Gibt es eine Freiburger Gründungsurkunde aus dem Jahr 1120?, 1973; Nüwe Stattrechten und Statuten der loblichen Statt Fryburg, hg. v. Köbler, G., 1986, 2. A. 2008 (Internet http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Nuewe­StattrechtenundStatutenFreiburgimBreisgau1520.pdf); Köbler, G., Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; Nasall, W., Das Freiburger Stadtrecht von 1520, 1989; Die Freiburger Universität in der Zeit des National­sozialismus, hg. v. John, E. u. a., 1991; Blattmann, M., Die Freiburger Stadtrechte zur Zeit der Zähringer, 1991; Speck, D., Die vorderösterreichischen Landstände, Bd. 1f. 1994; Freiburg 1091-1120. Neue Forschungen zu den Anfängen der Stadt, hg. v. Schadek, H. u. a., 1995; Geschichte der Stadt Freiburg, hg. v. Haumann, H. u. a., Bd. 1ff. 1996, 2. A. 2001; Kälble, M., Zwischen Herrschaft und bürgerlicher Freiheit, 2001; Bubach, B., Richten, Strafen, Vertragen, 2005; Speck, D., Eine Universität für Freiburg, 2006; Hollerbach, A., Jurisprudenz in Freiburg, 2007; Hundertfünzig Jahre Amtsgericht Freiburg, hg. v. Kummle, T., 2007

Freiburg im Üchtland wird 1157 von Herzog Berthold IV. von Zähringen gegründet. Am 28. 6. 1249 erhält es von den Grafen von Kyburg (1218) eine (erneuerte) Stadtrechtsurkunde. 1277 wird es von Habsburg gekauft. 1452 fällt es an Savoyen. 1478 wird es freie Reichsstadt. 1481/1502 tritt es der Eidgenossenschaft der Schweiz bei. 1763 wird eine Rechtsschule geschaffen, die 1763 in einer neuen Universität aufgeht.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Welti, F., Beiträge zur Geschichte des älteren Stadtrechtes von Freiburg im Üchtland, 1908; Vevey, B. de, Les sources du droit du canton de Fribourg, 1932; Vevey, B. de, Le droit de Bulle, 1935; Das Notariatsformularbuch des Ulrich Manot, hg. v. Bruckner, A., 1958; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,449, 3,2,1898; Geschichte des Kantons Freiburg, 1981; Carlen, L. u. a., Hundert Jahre Rechts- und Wirtschaftsgeschichte, 1982; Histoire de l’université de Fribourg/Suisse, hg. v. Ruffieux, R., Bd. 1ff. 1991; Pahud de Mortanges, R./Siffert, R., Das Zivilgesetzbuch für den Kanton Freiburg, Freiburger Zeitschrift für Rechtsprechung 3 (1998), 247ff.; Die Freiburger Handfeste von 1249, hg. v. Foerster, H. u. a., 2003; Utz Tremp, K., Fiat littera ad dictamen sapientum, 2012

Freier ist der nicht von einem anderen unmittelbar abhängige Mensch. Im römischen Recht ist insbesondere der römische Bürger (lat. civis [M.] Romanus) frei. Für die Germanen ist es streitig, ob den Kern des Volkes eine Vielzahl von Freien bildet. Im Frühmittelalter stehen sich Adel, Freie, Halbfreie und Unfreie in den Volksrechten vielfach gegenüber, doch ist unklar, wie groß die Zahl der Freien in der zunehmend von der →Grundherrschaft gekennzeichneten Gesell­schaft ist. Die Lehre von den Königsfreien sieht in den Freien geradezu Abhängige des Königs. Im Hochmittelalter erwächst für den Bürger der Stadt und vielfach auch den Rodungssiedler eine neue Freiheit (→Stadtluft macht frei). Im frühen 19. Jh. verschafft die Bauernbefreiung (Preußen Edikt vom 9. 10. 1807 die persönlichen Ver­hältnisse der Landbewohner betreffend) allgemeine Freiheit. Damit ist der Begriff des Freien entbehrlich.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 68, 71, 87, 98; Köbler, WAS; Heck, P., Die Gemeinfreien der karolingischen Volksrechte, 1900; Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien, 1905; Molitor, E., Die Stände der Freien in Westfalen und der Sachsenspiegel, 1910; Schweikert, E., Die deutschen edelfreien Geschlechter des Berner Oberlandes, 1911; Ernst, V., Mittelfreie, ZRG GA 41 (1920), 410; Diehl, A., Die Freien der Weibelhube und das Gericht der Siebzehner, Zs. f. württembergische Landesgeschichte 7 (1943), 209; Bosl, K., Frühformen der Gesellschaft im mittelalterlichen Europa, 1964; Wittmann, R., Die Körperverletzung an Freien im klassischen römischen Recht, 1972; Köbler, G., Zur Lehre von den Ständen in fränkischer Zeit, ZRG 89 (1972), 171; Schmidt-Wiegand, R., Fränkische und franko-lateinische Bezeichnungen für soziale Schichten, 1972; Müller, W., Freie Gotteshausleute, ZRG GA 92 (1975), 89; Köbler, G., Die Freien im alemannischen Recht, (in) Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978, 38; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Die abendländische Freiheit, hg. v. Fried, J., 1991

Freie Rechtsschule (Freirechtsschule) ist die von wenigen unterschiedlichen Forschern bzw. Gruppen vor allem zwischen 1903 und 1914 geprägte Richtung (Schule) der Rechtswissenschaft (Ernst Stampe [1856-1942], Unsere Rechts- und Begriffsbildung, 1907, Freirechtsbewegung, 1911, Ernst Fuchs [1859-1929], Die Gemeinschädlichkeit der konstruktiven Jurisprudenz, 1907, Eugen →Ehrlich [1862-1922], Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft, 1903, H. U. Kan­torowicz [1877-1940]), die davon ausgeht, dass die einzelne Fallentscheidung des Richters nicht auf logisch-ver­standesmäßiger Unterord­nung (Sub­sumtion) des Sachver­haltes unter den Tatbestand der Norm, son­dern in Wahrheit auf dem Rechtsgefühl beruhe. Deshalb dürfe und müsse der Richter vom Gesetz abweichen, sobald dieses bei bloßer Sub­sumtion zu ungerechten Ergeb­nissen führen würde, und das lebende Recht nach Maßgabe des Sozialverhaltens in der Gesellschaft feststellen. Seine Aufgabe be­stehe mehr in der am allgemeinen Wohl aus­gerichteten Gesellschaftsgestaltung (Rechts­schöpfung) als in der strengen Norm­anwendung. Diese Ansich­ten setzen sich vor allem wegen der durch die Gewaltenteilung und damit die Verfassung vorgegebenen eingeschränkten Aufgabe und Zuständigkeit des Richters nicht durch.

Lit.: Kanigs, H., 25 Jahre Freirechtsbewegung, 1932; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Riebschläger, K., Die Freirechtsbewegung, 1968; Moench, D., Die methodo­logischen Bestrebungen der Freirechtsbewegung, 1971; Fuchs, E., Gesammelte Schriften, Bd. 1ff. 1970ff.; Muscheler, K., Relativismus und Freirecht, 1984; Rückert, J., Autonomie des Rechts in historischer Perspektive, 1988; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 9. A. 2001, 10. A. 2005; Klemmer, M., Gesetzesbindung und Richterfreiheit, 1996; Bartels-Ishikawa, A., Theodor Sternberg, 1998; Depping, A., Das BGB als Durchgangspunkt, 2002; Vogl. S., Soziale Gesetzgebungspolitik, 2003; Rückert, J., Vom „Freirecht“ zur freien „Wertungsjurisprudenz“, ZRG GA 125 (2008), 199

Freie Stadt ist die von der ursprünglich bestehenden Herrschaft des Bischofs frei (und damit reichsunmittelbar) gewordene Stadt (Re­gensburg 1255-1800, Straßburg 1263-1681, Speyer 1294-1801, Worms 1247/73-1801, Mainz 1244/1331-1462, Köln 1288/1475-1801, Bremen 1541/1646, Ham­burg 1510-1768, Bescançon 1290/1364-1648, Metz 1180/1210-1552, Toul 1271/1278-1552, Verdun 1156-1552, Cambrai 12. Jh.-1552) des Heiligen römischen Reiches . Die Benennung als f. S. wird seit der Mitte des 14. Jh.s, die Benennung als (freie) Reichsstadt am Ende des Mittelalters üblich.

Lit.: Arnold, W., Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte, 1854; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte, 1967; Möncke, G., Bischofsstadt und Reichsstadt, 1971; Heinig, P., Reichsstädte, freie Städte und Königtum 1389-1450, 1983

Freigelassener (lat. [M.] libertus) ist der von seinem Herrn durch Rechtsgeschäft mit der Freiheit begabte Unfreie. Der Freigelassene ist im römischen Recht rechtsfähig, verbleibt aber unter einer Schutzgewalt (Patronat mit gewisser Abhängigkeit) des bisherigen Herrn. Auch im mittelalterlichen Recht steht der Freigelassene dem Freigeborenen nicht in jeder Hinsicht gleich.

Lit.: Kaser §§ 16 II, 58, 62, 66, 69; Söllner §§ 8, 12, 14; Hübner; Köbler, DRG 21, 35, 68, 78, 88, 98; Sohm, R., Die liberti der altgermanischen Zeit, ZRG GA 21 (1900), 20; Olberg, G. v., Die Bezeichnungen für soziale Stände, Schichten und Gruppen in den Leges barbarorum, 1991; Mihailescu-Birliba, L., Les affranchis dans les provinces romaines d’illyricum, 2006

Freigericht ist die Bezeichnung für ein im Heiligen römischen Reich vom Reich abgeleitetes Gericht (bzw. Gebiet eines solchen Gerichts).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Thudichum, F., Geschichte des freien Gerichts Kaichen, 1858; Herold, F., Gogerichte und Freigerichte in Westfalen, 1909; Müller, W., Das Freigericht Thurlinden, Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte 103 (1966); Hardt-Friederichs, F., Das königliche Freigericht Kaichen, 1975 (mit etwa einem Dutzend Dörfern, 1293 erstmals erwähnt)

Freigrafschaft ist eine in verschiedenen Teilen des Heiligen römischen Reiches seit dem 12. Jh. auftretende Art der Grafschaft, deren Herkunft ungeklärt ist. Sie ist vielfach mit der Hochgerichtsbarkeit verknüpft. In Westfalen entsteht aus der F. die →Feme.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Brode, R., Freigrafschaft und Vehme, 1886; Herold, F., Gogerichte und Freigerichte in Westfalen, 1908; Waas, A., Zur Frage der Freigrafschaften, vornehmlich in der Wetterau, ZRG GA 38 (1917), 146; Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft und Gografschaft, 1949; Metz, W., Studien zur Grafschaftsverfassung Althessens, ZRG GA 71 (19545), 167; Hömberg, A., Die Entstehung der westfälischen Freigrafschaften, 1953

Freigut ist das in unterschiedlicher Weise freie Gut.

Lit.: Wilde, M., Die Ritter- und Freigüter in Nordsachsen, 1997

Freiheit ist die Möglichkeit der unein­geschränkten Entfaltung. Für viele Menschen besteht bis in das 19. Jh. keine F., weil sie nicht dem Stand der →Freien (oder des Adels) angehören, was von grundsätzlich sehr großer Bedeutung ist. Andere erlangen durch Privileg einzelne besondere Freiheiten. In England ist bereits 1215 in der (lat.) Magna Charta (F.) F. vor allem der Schutz (zunächst vor allem der Barone) vor rechtswidriger Verhaftung. (ähnlich Habeas-Corpus-Akte von 1679). Von hier aus fordert John Locke (1632-1704) Leben, Freiheit und Eigentum als unveräußerliche Rechte ein. Erst in der französischen Revolution des Jahres 1789 aber setzt sich unter dem Einfluss der Aufklärung der politische Gedanke einer allgemeinen F. (frz. liberté) des Menschen durch (, die vermutlich in einem vorgeschichtlichen Urzustand ohne weiteres bestand). Umstritten ist die Erklärung der F. als eines Zustands des von einem Herrn Geschütztseins. Die Privatrechtswissenschaft des 19. Jh.s geht von einer F. in Grenzen aus.

Lit.: Kaser § 16; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 425; Köbler, WAS; Hölzle, E., Die Idee einer altgermanischen Freiheit vor Montesquieu, 1925; Keller, R. v., Freiheitsgarantien für Person und Eigentum im Mittelalter, 1933; Tellenbach, G., Libertas, 1936, Neudruck 1996; Voltelini, H. v., Der Gedanke der allgemeinen Freiheit in den deutschen Rechtsbüchern, ZRG GA 57 (1937), 182; Otto, E., Adel und Freiheit, 1937; Waas, A., Die alte deutsche Freiheit, 1939; Njeussychin, A., Der Freiheitsbegriff im Edikt des Rothari, ZRG GA 66 (1948), 66; Mayer-Maly, T., Zur Rechtsgeschichte der Freiheitsidee in Antike und Mittelalter, Z. f. öff. Recht 6 (1954), 425; Das Problem der Freiheit in der deutschen und schweizerischen Geschichte, hg. v. Mayer, T., 1955, 4. unv. A. 1981; Reibstein, E., Volkssouveränität und Freiheitsrechte, Bd. 1f. 1972; Hunke, H., Germanische Freiheit im Verständnis der deutschen Rechtes- und Verfassungsgeschichtsschreibung, Diss. jur. Göttingen 1972; Immink, P., La liberté et la peine, 1973; Klippel, D., Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, 1976; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981; Pleister, W., Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Iherings, 1982; Chaimowicz, T., Freiheit und Gleichheit im Denken Montesquieus und Burkes, 1985; Schott, C., Freiheit und libertas, ZRG GA 104 (1987), 84; Battisti, S., Freiheit und Bindung, 1987; Grund- und Freiheitsrechte, hg. v. Birtsch, G., 1987; Lübtow, U. v., Die Freiheit, 1988; Die abendländische Freiheit, hg. v. Fried, J., 1991; Fairén-Guillen, V., Die rechtlichen Mittel gegen Angriffe und Eingriffe in die persönliche Freiheit, ZRG GA 109 (1992), 335; Maier, H., Das Freiheitsproblem in der deutschen Geschichte, 1992; Birtsch, G. u. a., Grundfreiheiten, Menschen­rechte 1500-1850, Bd. 1ff. 1991f.; Klementowski, M., Studia nad kszałtowaniem się gwarancji ochrony wolności osobistej w państwie niemieckim (10-14 wiek) (Studien zur Entstehung der Freiheitsgarantien für die Person im deutschen Staat (10.-14. Jahrhundert), 1994; Roche, J., Libertés publiques, 12. A. 1997; Gesellschaftliche Freiheit und vertragliche Bindung, hg. v. Kervégan, J. u. a., 1998; Cafagna, E., La libertà, 1998; Kukk, A., Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, 2000; Hofer, S., Freiheit ohne Grenzen? 2001; Schneider, R., Appetitus libertatis – Mittelalterliches Freiheitsstreben ZRG 119 (2002), 27; Blickle, P., Von der Leibeigenschaft zu den Menschenrechten, 2003; Altes Reich und Neues Recht, hg. v. Schmidt-von Rhein, G., 2006; Rückert, J., Frei und sozial als Rechtsprinzp, 2006; Binkelmann, C., Theorie der praktischen Freiheit, 2007; Wirsching, A., Der Preis der Freiheit, 2012

Freiheit der Meere ist die Freiheit der Nutzung der Meere. Sie wird am Beginn der Neuzeit zur Rechtsfrage zwischen den europäischen Großmächten. Dabei nimmt die rechtswissenschaftliche Literatur teils für Holland (Hugo Grotius 1609), teils für Portugal oder für England Partei. Seit dem frühen 18. Jh. entstehen Grundsätze über die Rechte der Uferstaaten, während in der Gegenwart das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. 12. 1982 (1994 in Kraft) entscheidend ist.

Lit.: Davenport, G., European Treaties, 1917; García Arias, L., De la libertad de los mares, 1946; Fahl, G., Der Grundsatz der Freiheit der Meere, 1969; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007

Freiheitsrechte ist die Gesamtheit der Rechte des Menschen auf Freiheit in der Entfaltung seiner Persönlichkeit in bestimmter Hinsicht. Die F. werden auf Grund der gegen den Absolutismus gerichteten Aufklärung seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.s als Schutzrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat verstärkt an­erkannt. Seit etwa 1780 werden Freiheits­kataloge erstellt. Sie betreffen beispielsweise die Meinung, die Presse, die Lehre, das Gewissen, die Religion oder die Versamm­lung.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Neumann, F., Freiheitsrechte in Deutschland, 1957; Klippel, D., Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, 1976; Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981; Weitzel, J., Das Reichskammer­gericht und der Schutz von Freiheitsrechten, (in) Die politische Funktion des Reichskammergerichts, 1993, 157; Krug, G., Die Entwicklung ökonomischer Freiheitsrechte, 1995

Freiheitsstrafe ist die im Entzug der körperlichen Bewegungsfreiheit durch Zuwei­sung von Zwangsaufenthalt in Haftanstalten bestehende Strafe. Sie ist im römischen Altertum nur als Begleitfolge anderer Strafen bedeutsam (D. 48. 19. 8. 9) und begegnet auch im Frühmittelalter kaum. Erst im 14. Jh. gewinnt sie (wohl nicht zuletzt auf Grund des Zuwachses wirtschaftlicher Mittel für öffentliche Bauwerke) in den Städten (Brünn bereits 1243) vielleicht in Anlehnung an Kloster und Spital an Bedeutung. In der Constitutio Criminalis Carolina (1532) wird sie ersatzweise bei kleinem Diebstahl angedroht (Art. 101) und als sichernde Maßnahme vorgesehen (Art. 176, 195). Seit dem 16. Jh. werden in England (Schloss Bridewell bei London 1555) und dann in den Niederlanden (Amsterdam 1595) aus reli­giöser Fürsorge Häuser errichtet, in denen zunächst Bettler und Arbeitsflüchtlinge und später auch Straftäter durch Zwangs­erziehung zur Arbeit angehalten werden können (Bremen 1609, Lübeck 1613, Hamburg 1622, Danzig 1629). Im ausgehenden 17. Jh. wird die das Zuchthaus allgemein als sinnvoll anerkannt. Im 18. Jh. (1721) werden in Preußen dort auch Straftäter untergebracht. 1776 wird in Philadelphia die nächtliche Trennung der Gefangenen angestrebt. 1777 veröffentlicht John Howard eine Aufsehen erregende Studie über den (sehr schlechten) Zustand der Gefängnisse in Europa. Am Ende des 18. Jh.s werden Arbeitshaus (für Bettler und Müßiggänger) und Zuchthaus (für Verurteilte) getrennt. Vielleicht erst im ersten Drittel des 19. Jh.s wird die Freiheits­entziehung voll als eigenständige Stra­fen­gruppe dem Strafensys­tem eingeord­net. In England wird 1842 das erste Zellengefängnis errichtet. Danach wird die F. (unter Zu­rück­treten der Todesstrafe und Leibesstrafe) bis in das 20. Jh. zur vorherrschenden Strafe.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 119, 158, 205, 236, 265; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Schmidt, E., Entwicklung und Vollzug der Freiheitsstrafe in Brandenburg-Preußen, 1915; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Doleich von Dolsberg, F., Die Entstehung der Freiheitsstrafe, 1928, Neudruck 1970; Hippel, R. v., Die Entstehung der modernen Freiheitsstrafe, 1932; Krebs, A., Freiheitsentzug, hg. v. Müller-Dietz, H., 1978; Kröner, W., Freiheitsstrafe und Strafvollzug, 1988; Kleinheyer, G., Freiheitsstrafen, ZRG GA 107 (1990), 102; Stapenhorst, H., Die Entwicklung des Verhältnisses von Geldstrafe zu Freiheitsstrafe seit 1882, 1993; Krause, T., Geschichte des Strafvollzugs, 1999; Schidorowitz, M., H. B. Wagnitz und die Reform des Vollzugs, 2000; Bretschneider, F., Gefangene Gesellschaft, 2008

Freiherr (1359 Ulmisches UB.) ist der unter dem Grafen stehende niedere Adelige (z. B. Reichsritter), dem seit dem späten 17. Jh. Baron entspricht.

Lit.: Roth von Schreckenstein, K. Frhr. v., Der Freiherrenttitel, 1888; Hechberger, W., Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter, 2005

Freijahr z. B. von Abgaben freies Jahr (seit dem 12. Jh., antike Vorbilder im alten Testament der Bibel)

Freilassung (lat. [F.] manumissio) ist in der ständischen Gesellschaft das Rechtsgeschäft, durch das der Unfreie aus der Unfreiheit entlassen wird, daneben auch die Beendigung eines Freiheitsentzugs. Das römische wie das mittelalterliche Recht kennen verschiedene Formen der F. (→mancipatio, Schatzwurf, Speergedinge, Freilassungsbrief). Der Freige­lassene steht dem Freigeborenen nicht in jeder Hinsicht gleich.

Lit.: Kaser § 16 I; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 21, 57, 71, 88; Fournier, M., Essai sur les formes et les effets de l’affranchissement, 1885; Goldmann, E., Beiträge zur Geschichte der germanischen Freilassung durch Wehrhaftmachung, 1904; Fabbrini, F., La manumissio in ecclesia, 1965; Nitschke, A., Die Freilassung, ZRG GA 99 (1982), 220; Herrmann-Otto, E., Sklaverei und Freilassung in der griechisch-römischen Welt, 2009

Freimarkt, freier Markt

Lit.: Lautenschläger, K., Der Freimarkt, Diss. jur. Frankfurt am Main 1958

Freimaurer

Lit.: Aufklärung und Geheimgesellschaften, hg. v. Reinalter, H., 1989; Dosch, R., Deutsches Freimaurerlexikon, 1999, 2. A. 2011; Schuster, J., Freimaurer und Justiz in Norddeutschland unter dem Nationalsozialismus, 2007 Freirechtsbewegung →freie Rechtsschule

Freischöffe ist der Schöffe am Freigericht. →Feme

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Freising ist der Sitz eines um 738 von Bonifatius in Bayern eingerichteten Bistums, das als Hochstift 1220 reichsunmittelbar wird. Nach F. benannt ist das zum eigenen Gebrauch des in einer Münchener Urkunde vom 14. 8. 1319 erwähnten Fürsprech Rup­precht (von Freising) 1328 geschaffene, in 13 (bzw. noch 10) Handschriften überlieferte, (zu etwa einem Drittel) auf Schwaben­spiegel (um 1275), daneben auf Augsburger Stadtrecht (1276/1281) und bayerischem Landfrieden von 1300 auf­bauende (Freisinger) →Rechts­buch, das in 278 Artikeln vorwiegend Strafrecht und Pflichten des Fürsprechers behandelt. Es wird bald (vor 1359) vom oberbayerischen Land­recht (1335/1346) ver­drängt.

Lit.: Knapp, H., Das Rechtsbuch Ruprechts von Freising, 1916; Freisinger Rechtsbuch, bearb. v. Claußen, H., 1941; Stahleder, H., Hochstift Freising, 1974; Mass, J., Das Bistum Freising, 1986; Festschrift aus Anlass der Einweihung des Ämtergebäudes für das Amtsgericht und das Vermessungsamt am Domberg in Freising am 21. 7. 1989, zusammengestellt v. Gössl, H., 1989; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 58; http://www.bayerische-landesbibliothek-online.de/­hsta-freisingertraditionen/

Freistaat ist eine Lehnschöpfung für lat. (F.) res publica (engl. 1646 free state). 1731 bezeichnet J. Moser die Schweiz als F.Als F. in Deutschland benennen sich (1848 Lübeck und seit 1918 u. a.) Bayern und Sachsen sowie Thüringen.

Lit.: Dornheim, A., Entwicklung und Bedeutung des Be­griffes Freistaat, 2001

Freistatt (F.) freie Stätte z. B. von Straf­verfolgung freier Asylort

Freistuhl (1279) Freigericht

Lit.: Fricke, E., Die westfälische Veme, 2002

Freiteil (Seelteil) ist der seit dem Altertum von der christlichen Kirche (z. B. Augustinus 354-430) vielleicht aus heidnischen Kult­bräuchen und philosophischen Gerechtigkeits­vorstellungen allmählich als Kindesteil oder fester Bruchteil (z. B. 1/5, 1/3) geforderte Anteil an jedem Erbe. Er wird im Frühmittelalter (außer bei Sachsen und Thü­rin­gern) übernommen (lat. donatio [F.] reservato usufructu, donatio post obitum) und bil­det unter allmählicher Erweiterung auf sons­tige Begünstigte und Entfall mancher Ein­schränkungen einen wichtigen Ansatz­punkt für die Zu­rückdrängung des Anrechts der nächsten Ver­wandten auf das Erbe. Am Ende des Mittelalters besteht allgemeine und grundsätzliche, vielfach aber nicht verwendete Testierfreiheit.

Lit.: Köbler, DRG 89; Gál, A., Totenteil und Seelteil nach süddeutschen Rechten, ZRG GA 29 (1908), 225; Schultze, A., Der Einfluss der Kirche auf die Entwicklung des germanischen Erbrechts, ZRG GA 35 (1914), 75; Schultze, A., Augustin und der Seelteil des germanischen Erbrechts, ZRG GA 50 (1930), 1928; Bruck, E., Kirchenväter und soziales Erbrecht, 1956

Freiwillige Gerichtsbarkeit ist (als Teil der →Gerichtsbarkeit) eine staatliche Orga­ni­sation und ein staatliches Verfahren zur amt­lichen Hilfe in privatrechtlichen Angelegen­heiten. Die f. G. schließt an den Ausdruck (lat. iurisdictio [F.] voluntaria) der jus­tinianischen Digesten (D. 1, 16, 2 principium) an. Sie erwächst aus dem Gedanken herr­schaftlicher Fürsorge seit dem Hochmit­tel­alter vor allem in Nach­lasssachen, Vor­mund­schaftssachen, Beur­kundungs­sach­en, Liegen­schafts­rechtsüber­tragungen und Auf­geboten. Zuständig werden in Anlehnung an streitige Verfahren die Gerichtsbarkeit, ver­schiedene Verwaltungsbe­hörden und die Notare. All­gemeine Vorschriften bringen nach Reichs­po­lizeiordnungen von 1548 und 1577 die Hypothekenordnung Preußens von 1783, die preußische All­gemeine Gerichtsordnung (1793), das ös­ter­reichische Gesetz über das Verfahren in Außerstreitsachen von 1854 (geändert 2003/2005) und das deutsche Reichsgesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Ge­richts­­barkeit (17. 5. 1898).

Lit.: Köbler, DRG 184, 292; Claproth, J., Primae lineae jurisprudentiae extrajudicialis, 1759; Oesterley, F., Versuche aus dem Gebiete der sog. freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1830; Puchta, W., Handbuch des gerichtlichen Verfahrens in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 2. A. 1831f.; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 2 1879; Ott, E., Geschichte und Grundlehren des österreichischen Rechtsfürsorge­verfahrens, 1906; Hofmann, K., Die freiwillige Gerichtsbarkeit (jurisdictio voluntaria) im kanonischen Recht, 1929; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 173; Jansen, P., Wandlungen im Verfahren der freiwilligen Gerichts­bar­keit, 1964; Brehm, N., Freiwillige Gerichtsbarkeit, 2. A. 1993; Außerstreitverfahren, 1996; Außerstreit­verfahren zwischen 1854 und 2005, hg. v. Rechberger, W., 2006; Wanke, H., Zwischen geistlichem Gericht und Stadtrat, 2007

Freizügigkeit ist das Recht der freien Ortsveränderung (Abzugsfreiheit, Zuzugs­frei­heit, Aufenthaltsfreiheit). F. besteht nicht für Unfreie und bei fehlendem Zu­zugsrecht. Der →Augsburger Religions­friede von 1555 gewährt Abzugsfreiheit (für Andersgläubige) gegen Zahlung von Abzugsabgaben, das preußische Allge­meine Landrecht (1794) das Recht zu freier Auswanderung, die Deutsche Bundesakte (1815) F. innerhalb des Bundes­gebiets, die Verfassung von 1849 (Art. 133) Niederlassungsfreiheit innerhalb des Reichs­gebiets und Auswande­rungsfreiheit (1867 Gesetz über die Freizü­gigkeit). In den Europäischen Gemeinschaften bzw. in der Europäischen Union gilt die vom Europäischen Gerichtshof bejahte und im Vertrag von Maastricht vom 7. 2. 1992 politisch geregelte F. der Ar­beit­neh­mer bzw. die Niederlassungsfreiheit für die Angehörigen der Mitgliedstaaten.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Möhlenbruch, R., Freier Zug, 1977; Scheuner, U., Die Auswanderungsfreiheit, FS R. Thoma 1950, 199; Freedom of movement in the middle ages, hg. v. Horden, P., 2007; Stewen, S., Die Entwicklung des allgemeinen Freizügigkeitsrechts der Unionsbürger, 2011

Fremdbesitz ist der das Eigentum eines anderen an einer Sache anerkennende Besitz (z. B. des Mieters, nicht des Diebes). Fremd­besitzer ist, wer eine Sache als nicht ihm gehörig besitzt. Gegensatz des Fremdbesitzes ist der Eigenbesitz (z. B. des Eigentümers oder des Diebes). Im römischen Recht ist an F. keine Rechtserwerbswirkung und kein Be­sitzschutz des Prätors geknüpft (z. B. für Mieter, Entleiher, Verwahrer, Ausnahmen Erbpächter, Prekarist, Faustpfandgläubiger, Sequester).

Fremder im Verhältnis zu einer Gemeinschaft von Menschen ist der Mensch, der nicht der Gemeinschaft angehört. Er ist rechtlos (Feind), kann aber als Gast in das Recht aufgenommen werden. In Rom entwickelt sich für die freien Nichtbürger (lat. [M.] peregrinus) das besondere (lat.) →ius (N.) gentium (Fremdenrecht). Im Frühmit­telalter verbietet Karl der Große 802, dem Fremden das Gastrecht vorzuenthalten. Die territoriale Rechtspartiku­larisierung des Hochmittelalters ist dem Fremden nicht günstig. Dagegen verlangt das frühneu­zeitliche Naturrecht die völlige Gleichstellung des Fremden mit dem Einheimischen und erfasst den Fremden grundsätzlich (Brunne­mann, J./Movius, F., De iure peregrinorum [Über das Recht der Fremden], Frankfurt an der Oder 1662, Dissertation). Es entsteht das Meldewesen. Der Nationalstaat des 19. Jh.s lehnt Fremde grundsätzlich ab. 1871 werden alle Deutschen im Deutschen Reich zu Inländern. Wegen des starken Zustroms von Fremden infolge ökonomisch motivierter internationaler Mobi­lisie­rung in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden detaillierte Ausländergesetze nötig.

Lit.: Söllner §§ 6, 7, 8, 9; Hübner 83, 460; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 88, 120; Köbler, WAS; Bar, L. v., Das Fremdenrecht und seine volkswirtschaftliche Bedeutung, 1892; Frisch, H. v., Das Fremdenrecht, 1910; Isay, E., Das deutsche Fremdenrecht, 1923; Weizsäcker, W., Die Fremden im böhmischen Landrechte, ZRG GA 45 (1925), 206; L’Étranger, 1958; Scholla, P., Untersuchungen zur Rechtsstellung der Fremden in der Schweiz des 19. Jahrhunderts, Diss. jur. Freiburg i. Ü. 1987; Die Begegnung mit dem Fremden, hg. v. Schuster, M., 1996; Seiring, C., Fremde in der Stadt (1300-1800), 1999; Keechang, K., Aliens in Medieval Law, 2000; Fahrmeir, A., Citizens and Aliens, 2000; Lübke, C., Fremde im östlichen Europa, 2001; Cavallar, G., The rights of strangers, 2002; Gosewinkel, D., Einbürgern und Ausschließen, 2003; Der Fremde, hg. v. Dummer, J. u. a., 2004; Rici, C., Orbis in urbe, 2005; Schwanke, I., Fremde in Offenburg, 2005; Strangers and Poor People, hg. v. Gestrich, A. u. a., 2009; Gammerl, B., Untertanen, Staatsbürger und andere, 2010; Fremde in der Stadt, hg. v. Bell, P. u. a., 2010; Raphael, L., Zwischen Duldung, Einbürgerung und Privileg, ZRG GA 129 (2012), 183; The Foreigner and the Law, hg. v. Achenbach, R. u. a., 2012

Freund ist der nahestehende Mensch, viel­fach auch der Verwandte (Blutsfreund). Er ist gesellschaftlich von größerer Bedeutung als rechtlich.

Lit.: Reinhard, W., Freunde und Kreaturen, 1979; McGuire, B., Friendship and Community, 1988; Althoff, G., Verwandte, Freunde und Getreue, 1990; Nötzold-Linden, U., Freundschaft, 1994; Garnier, C., Amicus amicis, inimicus inimicis, 2000; Seidel, K., Freunde und Verwandte, 2009

Frevel ist im mittelalterlichen Recht die Waghalsigkeit, die eine Untat bedeuten kann und die sich daraus ergebende Rechtsfolge (Geldstrafe).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, WAS; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 48, Neudruck 1964; Ruoff, W., Die Züricher Räte als Strafgericht, Diss. jur. Zürich 1941; Kretschmer, B., Der Grab- und Leichenfrevel, 2000

Friedberg in Hessen wird nach keltischer, römischer und germanischer Besiedelung 1216 als Burg (staufische Reichsburg) und 1218 oder 1219 als Stadt (1257 als Reichsstadt bestätigt) genannt. Das Recht der Stadt stimmt mit dem Recht Frankfurts am Main weitgehend überein. 1802 fällt die Stadt, 1806 die Burg an Hessen. Seit 1834 bilden Stadt und Burg eine Gemeinde.

Lit.: Fertsch, W., Der Rat der Reichsstadet Friedberg, 1913, Schartl, R., Das Privatrecht der Reichsstadt Friedberg im Mittelalter, Diss. jur. Gießen 1987, Friedberg in Hessen, hg. v. Keller, M. 1997ff.; Hoos, H., Kehillah Kedoschah - Spurensuche, 2. A. 2009

Friedberg, Emil (Konitz 22. 12. 1837-Leip­zig 7. 9. 1910), Sohn eines 1824 zur evan­ge­lischen Kirche übergetretenen Richters, wirkt nach Promotion (1861 Emil Ludwig Richter) und Habilitation (1862) als außerordentlicher Professor für Kirchenrecht, Staatsrecht und Handelsrecht in Halle (1865), Freiburg im Breisgau (1868) und als ordentlicher Professor in Leipzig (1869). Politisch tritt er für die Trennung von Staat und Kirche und die Aufsicht des Staates über die Kirche ein (Die Grenzen zwischen Staat und Kirche 1872). Bedeutsam sind seine kirchenrechts­geschichtlichen Editionen (→Corpus iuris canonici, 1879ff., Neudruck 1955, Quinque compilationes antiquae, 1882, Neudruck 1956, Canonessammlungen zwischen Gratian und Bernhard von Pavia, 1897, Neudruck 1958) und sein Lehrbuch des katholischen und evangelischen Kirchenrechts (6. A. 1909). Er ist Anhänger der historischen Rechts­schule.

Lit.: Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 283

Friedberg-Scheer →Thurn und Taxis

Friede ist der Zustand ungestörter Ordnung, in dem sich niemand der Gewalt bedient, um seine besonderen Interessen zu verwirklichen. Ob er unter Menschen außer als Ziel auch als Wirklichkeit jemals herrscht, ist fraglich. Der F. innerhalb des Volkes lässt sich zunächst als Aufgabe aller Einzelnen vorstellen. Erst im Laufe des Mittelalters drängt der Staat mit Unter­stützung der Kirche (→Gottesfriede) die →Fehde durch die Durchsetzung des Ge­waltmonopols (→Strafrecht, →Polizeirecht) zurück. Außerhalb des Volkes bildet der →Krieg zweier oder mehrerer Völker den Gegensatz zum Frieden. Zur Beendigung des Krieges bedarf es grundsätzlich eines (völkerrechtlichen) Frie­densvertrags (z. B. Friede von Münster und Osnabrück 1648, mehr als 2000 Friedensverträge in Europa zwischen 1450 und 1789). Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s ist der Angriffskrieg zu Gunsten des Weltfriedens völkerrechtlich verboten, doch ist das Verbot gegenüber dem Mächtigen bisher nicht wirklich durchsetzbar.

Lit.: Köbler, DRG 84; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 543; Köbler, WAS; Osenbrüggen, E., Der Hausfrieden, 1863, Neudruck 1968; Rosenstock, E., Herzogsgewalt und Friedensschutz, 1910; Wilke, K., Das Friedegebot, 1911; His, R., Gelobter und gebotener Friede im deutschen Mittelalter, ZRG GA 33 (1912), 139; Schneider, B., Friedewirkung und Grundbesitz, 1913; Prutz, H., Die Friedensidee im Mittelalter, SB. d. Akad. d. Wiss. München, 1920; Nestle, W., Der Friedensgedanke in der antiken Welt, 1938; Wiesenthal, F., Die Wandlung des Friedensbegriffs, Diss. phil. München 1949; Raumer, K., Ewiger Friede, 1953; Achter, V., Über den Ursprung des Gottesfriedens, 1955; Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und Landfrieden für die Gesetzgebung in Deutschland, Diss. jur. Marburg, 1958; La Paix, 1961 (Recueils de la Société Jean Bodin 15); Dickmann, F., Der Westfälische Frieden und die Reichsverfassung, 1965; Weimann, K., Der Friede im Altenglischen, 1966; Åqvist, G., Frieden und Eidschwur, 1968; Justus, W., Die frühe Entwicklung des säkularen Friedensbegriffs, 1975; Rabe, H., Der Augsburger Religionsfriede 1550-1600, 1976; Körner, T., Iuramentum und frühe Friedensbewegung, 1977; Duchhardt, H., Studien zur Friedensvermittlung in der frühen Neuzeit, 1979; Fisch, J., Krieg und Frieden im Friedensvertrag, 1979; Renna, T., The Idea of Peace, Journal of Medieval History 6 (1980) 143; Hattenhauer, H., Pax et iustitia, 1983; Ermacora, F., Der unbewältigte Friede. St. Germain und die Folgen, 1989; Schildt, B., Der Friedensgedanke im frühneuzeitlichen Dorfrecht – Das Beispiel Thüringen, ZRG GA 107 (1990), 188; Hartmann, W., Der Friede im früheren Mittelalter, 1992; Ziegler, K., Völkerrechts­geschichte, 1994, 2. A. 2007; Erkens, M., Die französische Friedensgerichtsbarkeit, 1994; Träger und Instrumentarien des Friedens, hg. v. Fried, J., 1996; Tuck, R., The rights of war and peace, 1999; Suche nach Frieden, hg. v. Brieskorn, N. u. a., Bd. 1ff. 2000ff.; Howard, M., Die Erfindung des Friedens, 2001; Kamp, H., Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, 2001; Koppe, K., Der vergessene Friede, 2001; Schmidt, K., Friede durch Vertrag, 2002; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in deutschen Städten vor 1300, 2003; Irenik und Antikonfessionalismus im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Klueting, H., 2003; Frieden stiften, hg. v. Althoff, G., 2010; Raaflaub, K., Friedenskonzepte, HZ 290 (2010), 593; Pax perpetua, hg. v. Schmidt-Voges, I. u. a., 2010; http://www.friedensver­trae­ge.de; Duchhardt, H., Frieden im Europa der Vormoderne, 2011; Frieden schaffen und sich verteidigen im Spätmittelalter, hg. v. Naegle, G., 2012

Friedebann ist der besonders auf den Frieden abstellende Königsbann.

Friedelehe ist (nach umstrittener Ansicht Herbert Meyers) die durch bloße Verein­barung der Brautleute (und Aufnahme einer auf Dauer angelegten Lebensgemein­schaft) geschlossene Ehe (des mittelalterlichen Rechtes), bei welcher der Mann im Gegensatz zur Eheschließung unter Mitwirkung des Vaters der Braut keine Personengewalt (munt) über seine Friedel (Geliebte) gewinnt. Ihre tatsächliche Bedeu­tung ist ganz unsicher. Von der Kirche wird sie abgelehnt. Möglicher­weise geht die morganatische Ehe des Adels auf eine ähnliche Vorstellung zurück.

Lit.: Hübner 642; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht, ZRG GA 47 (1927), 198; Haff, K., Das „Werven der echtinge“ des Friedelkindes, ZRG GA 53 (1933), 316; Köstler, R., Raub-, Kauf- und Friedelehe bei den Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht, ZRG GA 47 (1927), 198; Ebel, E., Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen, 1993; Esmyol, A., Geliebte oder Ehefrau?, 2002

Friedensgeld →fredus

Friedensgericht

Lit.: Erkens, M., Die französische Friedens­gerichtsbarkeit 1789-1814 unter besonderer Berücksichtigung der vier rheinischen Departements, 1994

Friedensgesetzgebung →Landfriede

Friedensrichter s. Friedensgericht, Richter

Friedensvertrag ist der den Kriegszustand zwischen mehreren Staaten beendende, vor allem seit Beginn der Neuzeit formalisierte völkerrechtliche Vertrag am Ausgang eines Krieges (z. B. F. zwischen Ägyptern und Hethitern 1270 v. Chr., F. zwischen Rom und Karthago 201 v. Chr., F. von Troyes 1420, F. von Münster und Osnabrück 1648, F. von Nimwegen 1678/9, F. von Rijswijk 1697, F. von Lunéville 1801, F. von Versailles 1919, F. von St. Germain 1919).

Lit.: Fisch, J., Krieg und Frieden im Friedensvertrag, 1979; Zwischenstaatliche Freidenswahrung, hg. v. Duchhardt, H., 1991; Ziegler, K., Völkerrechts­ge­schich­te, 1994, 2. A. 2007; Peace treaties and international law, hg. v. Lesaffer, R., 2004

Friedhof ist der Ort, an dem die Toten be­stattet werden. Die Totenbestattung ge­schieht anfangs nach unterschiedlichem Brauchtum (Hügel­gräber, Reihengräber­felder). Mit der Christianisierung entwickelt sich in Erwar­tung von Auferstehung der F. um die Kirche, auf dem Ver­brechern, Selbst­mördern, Ketzern oder Fremden die Be­stattung verweigert wird. Mit der neu­zeitlichen Bevölkerungszunahme wird der (mehr und mehr gemeindlich verwaltete) F. an den jeweiligen Ortsrand verlegt. Nach dem Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) ist eine Beerdigung nur auf dem öffentlichen F. zulässig. Es werden besondere Satzungen oder Ordnungen zur rechtlichen Regelung des Friedhofs­wesens geschaffen.

Lit.: Cohen, G., Der jüdische Friedhof, 1930; Derwein, H., Geschichte des christlichen Friedhofs, 1931; Gaedke, J., Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 1954, 6. A. 1992, 10. A. 2010; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957; Fischer, N., Vom Gottesacker zum Krematorium, 1996

Friedlosigkeit ist im mittelalterlichen Recht vermutlich der Zustand des Ausgestoßenseins aus der Rechtsgemeinschaft. Wer friedlos ist, darf bußlos getötet werden. Das tatsächliche Vorkommen der F. ist nicht gut bezeugt, so dass die F. als Einrichtung zweifelhaft ist. →Acht, →Gottesfriede, →Landfriede

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 87; Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842; Brunner, H., Abspaltungen der Friedlosigkeit, ZRG GA 11 (1890), 62; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 2. A. 1906ff.; Haff, K., Zur Friedlosigkeit nach holsteinischem Recht, ZRG GA 62 (1942), 375; Kaufmann, E., Zur Lehre von der Friedlosigkeit im germanischen Recht, Gedächtnisschrift H. Conrad 1980, 32

Friedrich I. →Friedrich I. Barbarossa

Friedrich II. (Iesi bei Ancona 26. 12. 1194-Castel Fiorentino bei Lucera 13. 12. 1250), Sohn des Staufers Heinrich VI. und Konstanzes von Sizilien sowie Enkel →Friedrich Barbarossas, wird 1198 König von Sizilien und (1196/)1211/1212 deutscher König (am 27. 7. 1214 Sieg über den Welfen Otto IV. in der Schlacht von Bouvines, 22. 11. 1220 Kaiserkrönung). Er errichtet in Sizi­lien mit Hilfe rechtlicher Regelungen ([20] Assisen von Capua 1220, Konsti­tutionen von Melfi September? 1231) eine fortschrittliche Verwaltung. Im eher vernachlässigten Reich ver­brieft er vielleicht mit ähnlicher Ziel­setzung die von den Fürsten errungenen Rechte (→Confoederatio cum principibus ecclesiasticis, 1220, →Statutum in favorem principum, 1231) und erreicht 1235 einen Land­frieden (Mainzer Reichs­landfriede). Seine Mitwelt versetzt er als (lat.) stupor (M.) mundi in vieler Hinsicht in Erstaunen. Bald nach seinem Tode enden die Staufer und beginnt das Interregnum.

Lit.: Köbler, DRG 94, 101, 106, 108; Historia diplomatica Friderici secundi, hg. v. Huillard-Bréholles, J., 1852ff.; Blondel, G., Étude sur la politique de l’empereur Frédéric II, 1892; Kantorowicz, E., Kaiser Friedrich II. 1927 (Materialband 1931), 6. unv. A. 1985 (Ergänzungsband 2. A. 1980); Schrader, E., Ursprünge und Wirkungen der Reichsgesetze Friedrichs II. von 1220, 1231/32 und 1235, ZRG GA 68 (1951), 354; Zinsmaier, P., Zur Diplomatik der Reichsgesetze Friedrichs II. (1216, 1220, 1231/(12)32, 1235, ZRG GA 80 (1963), 82; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 1966, 2. A. 1982; Kaiser Friedrich II. in Briefen und Berichten seiner Zeit, hg. v. Heinisch, J., 1968, 6. A. 1978; Die Konstitutionen Friedrichs II. von Hohenstaufen für sein Königreich Sizilien, hg. v. Conrad, H. u. a., 1973; Probleme um Friedrich II., hg. v. Fleckenstein, J., 1974; Ipser, K., Kaiser Friedrich der Zweite, 1977; Federico II, 1980; Wolf, G., Kaiser Friedrich II. und das Recht, ZRG RA 102 (1985), 327; Zinsmaier, P., Beiträge zur Diplomatik der Urkunden Friedrichs II., DA 41 (1985), 101; Bibliographie zur Geschichte Kaiser Friedrichs II. und der letzten Staufer, 1986 (212 Quellentitel, 2014 Monographien und Aufsätze); Martino, F., Federico II, 1988; Lammers, W., Friedrich II. (1212-1250), (in) Kaisergestalten des Mittelalters, hg. v. Beumann, H., 3. A. 1991, 199; Stürner, W., Friedrich II., 1992, 2. A. 2003, 3. A. 2010; Federico II., hg. v. Toubert, P., 1994; Rösch, E./Rösch, G., Kaiser Friedrich II., 1995; Friedrich II., hg. v. Esch, A. u. a., 1996; Die Konstitutionen Friedrichs II. für das Königreich Sizilien, hg. v. Stürner, W., 1996; Sommerlechner, A., Stupor mundi?, 1999; Kaiser Friedrich II., hg. v. Eickels, K. van u. a., 2000; Rotter, E., Friedrich II. von Hohenstaufen, 2000; Die Urkunden Friedrichs II. 1198-1212, bearb. v. Koch, W., Teil 1 2002, Teil 2 2007; Fumagalli, M., Federico II., 2004; Thomsen, M., Ein feuriger Herr des Anfangs, 2005; Federico II., hg. v. Zecchino, O. u. a., 2005; Gleixner, S., Sprachrohr kaiserlichen Willens, 2006; Houben, H., Kaiser Friedrich II., 2008; Kaiser Friedrich II. (1198-1250), 2008; Federico II nel Regno di Sicilia, hg. v. Houben, H. u. a., 2008; Kaiser Friedrichs Welt, hg. v. Fansa, M. u. a., 2008; Von der Kunst mit Vögeln zu jagen, hg. v. Fansa, M., 2008; Rader, O., Friedrich II., 2010; Stürner, W., Staufisches Mittelalter, 2012

Friedrich I. Barbarossa (Rotbart) (nach 1122-Fluss Saleph/Kleinasien 10. 6. 1190) aus der Familie der →Staufer ist der zwischen 1152 und 1190 im deutschen Reich herrschende König (1155 Kaiser). Er führt 1156 im sog. (lat.) →privilegium minus einen Ausgleich zwischen Staufern und →Welfen herbei, indem er den Welfen das 1138 vom König entzogene Herzogtum →Bayern, vermindert um das verselb­ständigte Herzog­tum →Österreich, zurück­gibt. 1158 lässt er auf dem Reichstag von Roncaglia die →Regalien durch Juristen feststellen. Durch Landfriedensgesetze geht er gegen Rechts­bruch vor. Eine konstante römisch-rechtliche, Rechtsdenken oder Rechts­praxis prägende Komponente lassen seine Urkunden noch nicht erkennen. Unter ihm beginnt die Zerschlagung der dem König zu mächtigen Herzogtümer (1156 Bayern, 1180 Sachsen, vgl. auch 1168 Herzogtum Würzburg, 1184 Markgrafschaft Hennegau) in die das Reich letztlich auflösenden →Länder. (Mit seiner ersten Frau – Adela von Vohburg - scheint er im siebten Grad verwandt gewesen zu sein, so dass die Ehe aufgelöst werden musste.)

Lit.: Köbler, DRG 94, 101, 106; Rassow, P., Honor imperii, 1940; Heimpel, H., Kaiser Friedrich Barbarossa, 1942; Hess-Gotthold, J., Hausmacht und Politik Friedrich Barbarossas im Raume des heutigen Pfälzer Waldes, 1962; Die Urkunden Friedrichs I., hg. v. Appelt, H., Bd. 1ff 1975ff.; Friedrich Barbarossa, hg. v. Wolf, G., 1975; Opll, F., Das Itinerar Kaiser Friedrich Barbarossas, 1978; Georgi, W., Friedrich Barbarossa und die auswärtigen Mächte, 1990; Friedrich Barbarossa, hg. v. Haverkamp, A., 1992; Kaiser Friedrich Barbarossa, hg. v. Engel, E./Töpfer, B., 1994; Petrus de Ebulo, Liber ad honorem Augusti, 1994; Opll, F., Friedrich Barbarossa, 3. A. 1998, 4. A. 2010; Plassmann, A. Die Struktur des Hofes, 1998; Richter, K., Friedrich Barbarossa hält Gericht, 1999; Görich, K., Die Ehre Friedrich Barbarossas, 2001; Dick, S., Die Königserhebung Friedrich Barbarossas, ZRG GA 121 (2004), 200; Laudage, J., Friedrich Barbarossa, hg. v. Hageneier, L. u. a., 2009; Friedrich Barbarossa und sein Hof, red. v. Ruess, K., 2009; Görich, K., Friedrich Barbarossa, 2011 (unversöhnlich, rangbewusst, dünkelhaft); Pohl, M., Rationales Handeln im Zeitalter Friedrich Barbarossas, 2013

Friedrich II. der Große (Berlin 24. 1. 1712-Potsdam 17. 8. 1786) ist der bedeutendste König in Preußen (1740-1786). Seine mili­tärischen Erfolge (Eroberung Schlesiens von Österreich) begründen Preußens Stellung als Großmacht in Europa. Der Samuel von Cocceji übertragene Plan eines deutschen allgemeinen, sich nur auf die Vernunft und die Landesverfassung gründen­den Landrechts ([Prozessordnung] Codex Fridericianus Mar­chi­­cus 1747 verwirklicht, Projekt des Corpo­ris juris Fridericiani 1749-1754, ge­schei­tert) und die nach dem Müller-Arnold-Prozess (1779) gelungene Schaffung des preußischen Allgemeinen Landrechts (1794) gehen maßgeblich auf den dem aufgeklärten Absolutismus (1740/1754 Abschaffung der Folter, planvolle Kriminalpolitik, Bauern­schutz, Toleranz) verpflichteten Monarchen zurück.

Lit.: Heymann, E., Über die Bedeutung der Philosophie Friedrichs des Großen für seine Rechtspolitik, 1934 (SB Berlin); Ritter, G., Friedrich der Große, 1936; Jacobs, H., Friedrich der Große und die Idee der Vaterlandsliebe, 1939; Jessen, H., Friedrich der Große und Maria Theresia, 1965; Merten, D., Der Katte-Prozess, 1980; Hubatsch, W., Friedrich der Große und die preußische Verwaltung, 2. A. 1982; Schieder, T., Friedrich der Große, 1983; Dießelhorst, M., Die Prozesse des Müllers Arnold und das Eingreifen Friedrichs des Großen, 1984; Aretin, K. Frhr. v., Friedrich der Große, 1985; Panorama der fridericianischen Zeit, hg. v. Ziechmann, J., 1985; Ausstellung des geheimen Staatsarchivs, 2. A. 1986; Analecta Fridericiana, hg. v. Kunisch, J., 1987; Friedrich der Große und seine Zeit, hg. v. Hauser, O., 1987; Fridericianische Miniaturen 2, hg. v. Ziechmann, J., 1991; Kunisch, J., Friedrich der Große und die preußische Königskrönung von 1701, 2002; Duffy, C., Friedrich der Große, 1994; Tagebuch oder Geschichtskalender aus Friedrichs des Großen Regentenleben, Bd. 1ff. 2003ff.; Kunisch, J., Friedrich der Große, 2004, 5. A. 2005; Wehinger, B., Geist und Macht, 2004; Hahn, P., Friedrich der Große und die deutsche Nation, 2007; Heinrich, G., Friedrich II. von Preußen, 2009; Friedrich der Große als Leser, hg. v. Lottes, G. u. a., 2010; Burgdorf, W., Friedrich der Große, 2011; Friedrich der Große in Europa, hg. v. Sösemann, B. u. a., 2012, 2. unv. A. 2013; Hahn, P., Friedrich der Große, 2012; Deutsches Historisches Museum, Friedrich der Große, 2012; Macke, P., Suum cuique - Jedem das Seine, 2012; Friedrich der Große in Europa - gefeiert und umstritten, hg. v. Sösemann, B., 2012; Friedrich der Große in Europa, hg. v. Sösemann, B. u. a., 2012, 2. A. 2013

Friedrich III. (Innsbruck 21. 9. 1415-Linz 19. 8. 1495), Habsburger, (1424 bzw.) 1435 Erzherzog von Steyr, Kärnten und Krain, 2. 2. 1440 (nach seinem Vetter Albrecht II.) König des Heiligen römischen Reiches, 19. 3. 1452 Kai­ser, anerkennt 1453 das gefälschte privile­gi­um maius

Lit.: Heinig, P., Kaiser Friedrichs III. Hof, 1997; Koller, H., Kaiser Friedrich III. 2005

Friedrich III., der Weise (Torgau 17. 1. 1463-Lochau [Annaburg] 5. 5. 1525), 1486 Kurfürst von Sachsen (Ernestiner), Beschüt­zer Martin Luthers, unverheiratet

Lit.: Ludolphy, I., Friedrich der Weise, 1984, Neudruck 2006

Friedrich August I. (Dresden 12. 5. 1670-Warschau 1. 2. 1733, August der Starke), 1694 Kurfürst von Sachsen, 1697 mit Hilfe von Bestechungsgeldern (unter Übertritt zum Katholizismus) König von Polen, 1724 Codex Augusteus (hg. v. Lünig, J.), Förderer der Porzellanherstellung in Meißen

Lit.: Czok, K., August der Starke und Kursachsen, 1987; Czok, K., August der Starke und seine Zeit, 4. A. 2004; Groß, W., Die Wettiner, 2007

Friedrich Wilhelm (Cölln an der Spree 16. 02. 1620-Potsdam 09. 05. 1688) stärkt als Kurfürst von Brandenburg (der große Kur­fürst) und Herzog in Preußen in Kriegen die monarchische Gewalt (geheimer Rat 4. 12. 1651 neu geordnet, Übergang zu Realunion, stehendes Heer) unter Schwächung der Stände und privilegiert im Edikt von Potsdam (29. 10. 1685) die aus Frankreich vertriebenen Hugenotten in Preußen.

Lit.: Opgenorth, E., Friedrich Wilhelm, 1971ff.; Oestreich, G., Friedrich Wilhelm, 1971; Neugebauer, W., Die Hohenzollern, 1996

Friese ist der Angehörige des an der (südlichen) Nordsee siedelnden, im 1. Jh. n. Chr. durch Plinius erwähnten, friesisch sprechenden germani­schen Volkes. 734/785 werden die Friesen von den →Franken unterworfen. Um 802 wird in der →Lex Frisionum ihr Recht aufgezeichnet. Dem folgen im Hochmit­telalter zahlreiche weitere Quellen des →friesischen Rechtes. 1464 wird Ostfries­land zu einer Reichsgrafschaft erhoben. Im ausgehenden 20. Jh. sprechen noch rund 300000 Menschen in Deutschland und den Niederlanden die friesische Sprache.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 76; Köbler, Historisches Lexikon; Heck, F., Die altfriesische Gerichtsverfassung, 1894; Jaekel, H., Abba, Âsega und Redjêva, ZRG GA 27 (1906), 114; Jaekel, H., Êtheling, Frîmon, Frîling und Szêremon, ZRG GA 27 (1906), 275; His, R., Friesisches, ZRG GA 28 (1907), 439; Jaekel, H., Die münzmetrologischen Anhaltspunkte für die Erkenntnis der altfriesischen Ständeverfassung, ZRG GA 30 (1909), 49; Jaekel, H., Chumas und twalepti, ZRG GA 30 (1909), 251; Mayer, E., Friesische Ständeverhältnisse, FS Hugo von Burkard, 1910; Die Friesen, hg. v. Borchling, C. u. a., 1931; Siebs, B., Grundlagen und Aufbau der altfriesischen Verfassung, 1933; Gosses, J., De friesche hoofdeling, 1933; Buijtenen, M., Het friese dorp, 1961; Schmidt, H., Politische Geschichte Ostfrieslands, 1975; Handbuch des Friesischen, hg. v. Munske, H., 2001; Die friesische Freiheit des Mittelalters, hg. v. Lengen, H. van, 2003; Van der Velden, B., Waar gaan wij heen met het Fries?, 2004; http://www.koeblergerhard.de/a­frieswbhinw.html; Bremmer, R./Vries, O./Laker, S., Advances in Old Frisian Philology, 2007; Hofmann, D. u. a., Altfriesisches Handwörterbuch, 2008.

Friesisches Recht ist das Recht der Friesen. Es begegnet zuerst in der →Lex Frisionum (um 802). Vielleicht seit dem 11. Jh. entwickeln die Friesen 17 Küren, 24 Landrechte, 7 Überküren und die Wundtaxen, die in 16 nach 1276 einsetzenden Handschriften und einem Druck von 1485 (?) teils amtlich, teils nichtamtlich in meist friesischer Sprache für das gemein­friesische Gebiet aufgezeichnet werden. Da­neben stehen für einzelne Landschaften etwa die Westerlauwerschen Schulzenrechte (West­friesland 12. Jh.), die Hunsigoer Küren (Hunsigo, nördlich von Groningen, 1252), das Rüstringer Recht (Rüstringen, westlich der Wesermündung 12./13. Jh.), das Brokmer Recht (Brokmerbrief, um Aurich 1300-1345), das Emsiger Pfennigschuldbuch (1300) und verschiedene Beliebungen (→Siebenhar­denbeliebung 1426) (altostfriesisch Rüstringer Recht, Brokmer Recht, Emsinger Recht). In der ersten Hälfte des 13. Jh.s verfasst ein Geistlicher ein auf Rudolf von Schwaben bezogenes Rechtsbuch (Rudolfsbuch). Im 14. und 15. Jh. entstehen unter Einfluss der gelehrten Rechte Processus iudicii, Jurisprudentia Frisica und die Excerpta Legum. Ergänzt werden die allgemeinen Bestimmungen durch rund 1300 Urkunden der Jahre 1329 bis 1573. Seit dem 16. Jahrhundert wird das friesische Recht allmählich zurückgedrängt und 1744/1794 durch Preußen in Ostfriesland beseitigt.

Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840, Neudruck 1960; Telting, A., Het oud-friesche Stadrecht, 1882; De friesche Stadrechten, hg. v. Telting, A., 1883; His, R., Die Überlieferung der friesischen Küren und Landrechte, ZRG GA 20 (1899), 39; His, R., Das Strafrecht der Friesen im Mittelalter, 1901; Jaekel, H., Hêmêthoga, Liudamon, Ked, Koninges-orkene und Tolevabôth, ZRG GA 28 (1907), 164; Jaekel, H., Foged, Skelta, Frâna und Bon, ZRG GA 28 (1907), 205; Die niederdeutschen Rechtsquellen Ostfrieslands, hg. v. Borchling, C., Bd. 1 1908; Steller, W., Das altwestfriesische Schulzenrecht, 1926; His, R., Untersuchungen zu den älteren Rechtsquellen Ostfrieslands, ZRG GA 57 (1937), 58; Tägert, H., Familienerbe in Friesland, 1937; Oosten, M. van, De ambtshalve vervolging naar oudfriesch recht, 1938; Fairbanks, S., The old west Frisian skeltana riucht, 1939; Oudfriese Taal- en Rechtsbronnen, hg. v. Sipma, P. u. a., Bd. 1ff. 1943ff.; Krogmann, W., Zu den Emsgauer Bußen, ZRG GA 69 (1952), 345; Krogmann, W., Eine lateinische Vorstufe ostfriesischer Bußregister, ZRG GA 75 (1958), 352; Gerbenzon, P., Excerpta Legum, 1956; Snitser Recesboken 1490-1517, hg. v. Osterhout, M., 1960; Ebel, W., Das Ende des friesischen Rechts in Ostfriesland, 1961; Das Rüstringer Recht, hg. v. Buma, W./Ebel, W., 1963; Das Brokmer Recht, hg. v. Buma, W./Ebel, W., 1965; Ostfriesische Bauerrechte, hg. v. Ebel, Wilhelm 1964; Krogmann, W., Volksetymologische Umdeutungen einer friesischen Bußtaxe, ZRG GA 82 (1965), 298; Krogmann, W., Die friesische Sage von der Findung des Rechts, ZRG GA 84 (1967), 72; Krogmann, W., Die friesische Vorstufe des „Vetus Ius Frisicum“ (17 Küren, 24 Landrechte, allgemeine Bußtaxen), ZRG GA 89 (1972), 33, 90 (1973) 31; Meijering, H., De Willekeuren van de Opstallsbom (1323), 1974; Westerlauwerssches Recht 1 Jus municipale Frisonum, hg. v. Buma, W. u. a., 1977; Köbler, G., Verzeichnis der Übersetzungsgleichungen früher friesischer Quellen, 1974; Gerbenzon, P., Apparaat voor de Studie van oudfries Recht, 1981; Köbler, G., Altfriesisch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-altfriesisches Wörterbuch, 1983; Codex Aysma, hg. und übersetzt v. Buma, W. u. a., 1993; Lokin, J. u. a., Het Rooms-Friese recht, 1999; Algra, N., Oudfries recht 800-1256, 2000; Lokin, J. u. a., Roman-Frisian Law of the 17th and 18th Century, 2003; http://www.koebler­gerhard.de/afrieswbhinw.html; Hempenius-van Dijk, B., Hof van Friesland, 2004; Nijdam, H., Lichaam, eer en recht in middeleeuws Friesland, 2008; Vries, O., Asega, is hetgingzijd?, 2010

Friesland ist das (kontinentale) Siedlungs­gebiet der Friesen an der südlichen Nordsee.

Lit.: Iterson, W. van, Feudalisierungsversuche im westerlauwerschen Friesland, ZRG GA 97 (1962), 72; Agena, G., Eine Studie über die verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Verhältnisse des Norderlandes, 1962; Le Bailly, M., Hof van Holland, Zeeland en West-Friesland, 2008

Frist (Wort bereits für das Germanische zu erschließen) ist der bestimmte oder bestimmbare Zeitraum. Die F. spielt in jeder Gesellschaft, in der die Zeit berechnet werden kann, eine Rolle. Für die Germanen wird in diesem Zusammenhang davon berichtet, dass sie nach Nächten zählen und den Zeitpunkt der Versammlung nach Vollmond und Neumond bestimmen. Mit der Verrechtlichung aller Lebensverhältnisse gewinnt die genaue Be­stimmung von Fristen (z. B. für Leistungen, Prozesshandlungen, Verjährung  u. s. w.) auf römischrechtlicher Grundlage in der Pandek­tistik des 19. Jh.s ein immer größeres Ge­wicht (gesetzliche, richterliche oder gewillkürte F.).

Lit.: Köbler, DRG 235; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 505; Grotefend, H., Taschenbuch der Zeit­rechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, 13. A. 1991; Landes, D., Revolution in Time, 1983; Ziegeltrum, A., Grundfälle zur Berechnung von Fris­ten, JuS 1986, 705; Kirste, S., Die Zeitlichkeit des positiven Rechts und die Geschichtlichkeit des Rechts­be­wusst­seins, 1998; Schmitz, M., Die Fristberechnung nach römischem Recht, 2002; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Fristenlösung →Abtreibung

Fritzlar

Lit.: Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Fritzlar, hg. v. Demandt, K., 1939; Fritzlar im Mittelalter, 1974

Frölich, Karl (Oker/Harz 14. 4. 1877-Gießen 29. 4. 1953), 1924-1945 Rechtshistoriker in Gießen, Rechtsarchäologe

Lit.: Köbler, G., Gießener Gelehrte, 1982, 242

Fron ist (als Ableitung zu ahd. fro [M.] Herr) im mittelalterlichen deutschen Recht der (Dienst in) Bezug auf einen Herren. →Fronbote, Frondienst, Fronhof

Fronbote ist im mittelalterlichen deutschen Recht der Gehilfe eines Richters für tat­säch­liche Aufgaben (Botendienste, Ladungen, Wach­dienste, Vollstreckungen). Nach dem Sachsenspiegel (1221-1224) steht er nach Wahl durch den Richter auf Lebenszeit im Dienst des Königs und ist durch doppelte Buße geschützt. Ihm entsprechen andernorts Büttel, Scherge oder Weibel.

Lit.: Eggert, C., Der Fronbote im Mittelalter, 1897; Peters, W., Bezeichnungen und Funktionen des Fronboten, 1991

Frondienst ist im Mittelalter und in der frühen Neuzeit vor allem der einem Grundherrn oder Gerichtsherrn zu erbringende Dienst (z. B. Pflügen, Säen, Eggen, Ernten, Mahlen, Backen, Brauen, Spinnen, Weben, Fahren, Reiten, Bauen  u. s. w.). Der sog. gemessene F. umfasst selten mehr als die Hälfte der jährlichen Arbeitszeit. Seit dem Frühmittelalter geht der tatsächlich geleistete F. auch wegen des Aufkommens der Geldwirtschaft zurück und wird bis zur Mitte des 19. Jh.s durch die Bauernbefreiung besei­tigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Siebeck, O., Der Frondienst als Arbeitssystem, 1904; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer in der deutschen Kaiserzeit, 1939, 46ff.; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1962, 93ff., 126ff.; Kuchenbuch, L., Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherrschaft, 1978, 124; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 3. A. 1987, 25ff.

Fronhof ist der Haupthof (Salhof) des Grund­herrn in der mittelalterlichen →Grundherr­schaft. Er wird vom Grundherrn selbst oder durch Verwalter bewirtschaftet. Zu ihm gehört das umgebende Salland (Herrenland). Seit dem Hochmittelalter verliert der F. mit dem Übergang zur →Rentengrundherrschaft ei­nerseits und zur →Gutsherrschaft anderer­seits seine Bedeutung und verschwindet mit der Beseitigung der Grundherrschaft im 19. Jh. gänzlich.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 77, 96; Maurer, G. v., Geschichte der Fronhöfe, Bd. 1ff. 1862f., Neudruck 1961; Kötzschke, R., Salhof und Siedelhof, 1953

Fronung ist im mittelalterlichen deutschen Recht die öffentliche →Beschlagnahme von Gegenständen (Grundstücken) im Zuge der Zwangsvoll­streckung (zugunsten des Königs). In der (lat. [F.]) Capitulatio de partibus Saxoniae (782/785) wird die F. angeordnet, falls ein Verurteilter ein Urteilserfüllungs­ge­löbnis mangels eines Bürgen nicht ablegen kann, in einem weiteren Kapitular (803), falls der Beklagte auf vier­malige Ladung nicht vor Gericht erscheint. Im Hochmittelalter ist die F. nur in Ostfalen (Sachsenspiegel, Stadt­rech­te) ge­bräuchlich. Sie soll den Schuldner zur Leis­tung veranlassen. Im 16. Jh. ist sie allgemein geschwunden.

Lit.: Planitz, H., Die Fronung, ZRG GA 78 (1961), 39ff.; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004

Frostathingslög ist das in 16 Teile ge­glie­derte Rechtsbuch des um den Drontheimfjord gelegenen norwegischen Gebiets, dessen erhaltener Text durch eine zwischen 1260 und 1269 entstandene, 1728 verbrannte Handschrift überliefert ist (Frostothingsbok). Der F. geht die →Gragas voraus. Ihrerseits ist sie Vorbild für →Jarnsida und für das Reichsrecht König Magnus Hakonarsons (1274).

Lit.: Meissner, R., Germanenrechte, 1939; Sveaas Andersen, P., Samlingen av Norge, 1977

Frucht (Wort 830, lat. [M.] fructus) ist das Erzeugnis (z. B. Kalb, Apfel) einer Sache (z. B. Kuh, Baum) und die sonstige ihrer Bestimmung gemäß aus ihr gewonnene Ausbeute (z. B. Sand) sowie der seiner Bestimmung gemäß aus einem Recht gewonnene Ertrag (z. B. Dividende). Im klassisch-römischen Recht wird die F., zu der nicht das folglich dem Eigentümer der Mutter gehörende Kind der Sklavin und auch nicht der Zins für ein Kapital zählen, (erst) mit der Trennung von der Muttersache rechtlich selbständig. Sie wird Eigentum des Eigen­tümers der Mutter­sache (Substantialprinzip), sofern diesem nicht ein anderer Berechtigter (z. B. Erbpächter) vorgeht. Im mittelalterlichen deutschen Recht fällt die natürliche F. grundsätzlich dem zu, der die zu ihrer Ge­winnung erforderlichen Aufwendun­gen erbracht hat (Wer sät, der mäht, Produk­tionsprinzip). Mit der Aufnahme des römi­schen Rechtes seit dem Spätmittelalter drin­gen die romanistischen Regeln ein. Das Allgemeine Landrecht Preußens (1794) gibt dem Fruchtziehungsberechtigten Eigentum bereits an der hervortretenden F. Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Österreichs (1811/­1812) und Bürgerliches Gesetzbuch (1896/­1900) folgen dem römisch-gemeinen Recht.

Lit.: Kaser § 18 III; Hübner 463; Köbler, DRG 39; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 55; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deut­schen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Fernan­des Fortunato, S., Früchte und Nutzungen, 2012

fructus (lat. [M.]) →Frucht

Frühkapitalismus ist die Anfangsstufe des →Kapitalismus am Beginn der frühen Neuzeit (z. B. Fugger, Welser).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 134; Baltl/Kocher 109, 145; Strieder, J., Zur Genesis des modernen Kapitalismus, 1904; Sombart, W., Der moderne Kapitalismus, Bd. 2 1916; Trusen, H., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961

Frühkonstitutionalismus ist die eine Ver­fassung (Konstitution) erstrebende bzw. modernisierend-kontrolliert gewährende (ok­tro­yierende) poli­ti­sche Bewegung des beginnenden 19. Jh.s (nach französischem Vorbild der Charte Constitutionelle vom 4. 6. 1814 Nassau 1./2. 9. 1814, 1816 Schwarz­burg-Rudolstadt, Schaum­burg-Lippe, Wal­deck, Sachsen-Wei­mar, 1818/1819 Sachsen-Hildburghausen, Bayern 26. 5. 1818, Baden 22. 8. 1818, Württemberg 25. 9. 1819, Hannover 1819, Braunschweig 1820, Hessen-Darmstadt 1820, Sachsen-Coburg 1821, Sach­sen-Meiningen 1824). Der F. hält an der Vorherrschaft des Monarchen fest, gewährt aber den Ständen begrenzte Mitwirkungs­rechte unter Einführung des Repäsentations­prinzips im Landtag (konstitutionelle Monar­chie). Im Gegensatz zur vorangehenden landständischen Verfassung ist der Reprä­sentant nicht an die Anweisung oder Inte­ressen seines Standes gebunden, sondern soll seine Entscheidung unter Berück­sich­ti­gungdges Wohles des gesamten Landes tref­fen. (Praktisch wenig bedeutsame) Staats­bürgerrechte zur Sicherung einer dem unmittelbaren staatlichen Einfluss entzogenen gesellschaftlichen Sphäre sind anerkannt, obwohl der Vorrang der Verfassung noch fehlt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Brandt, H., Der deutsche Frühkonstitutionalismus, (in) Hessen, 1997, 39; Schulze, C., Frühkonstitutionalismus in Deutschland, 2002; Hilker, J., Grundrechte im deutschen Frühkon­stitu­tionalismus, 2005

Frühmittelalter ist der etwa zwischen dem Untergang des weströmischen Reiches (476 n. Chr.) und dem (Aussterben der ostfränkischen Karolinger [911] bzw. dem) →Investiturstreit (1076) liegende Abschnitt des Mittelalters.

Lit.: Köbler, DRG 75; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter, 1972; Bund, K., Thronsturz und Herrscherabsetzung im Frühmittelalter, 1979; Prinz, F., Von Konstantin zu Karl dem Großen, 2000; Buc, P., The Dangers of Ritual, 2001; The Early Middle Ages, hg. v. McKitterick, R., 2001; Grant, M., Die Welt des frühen Mittelalters, 2003; Goetz, H., Europa im frühen Mittelalter, 2003; Wickham, C., Framing the Early Middle Ages, 2005; Von der Spätantike zum frühen Mittelalter, hg. v. Kölzer, T. u. a., 2009

Frühneuhochdeutsch ist die (von Germanisten des 20. Jh.s ausgesonderte,) zwischen 1350 (Mittelhochdeutsch) und 1650 (Neuhoch­deutsch) gesprochene, frühe Stufe der neuhochdeutschen Sprache (zeitliche Abgren­zung zum Mittelhochdeutschen streitig).

Lit.: Götze, A., Frühneuhochdeutsches Glossar, 7. A. 1967; Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, hg. v. Anderson, R. u. a., Bd. 1ff. 1986ff.; Baufeld, C., Kleines frühneuhochdeutsches Wörterbuch, 1996

Frührezeption (des römischen Rechtes) ist der erste zeitliche Abschnitt der Aufnahme (→Rezeption) des römischen Rechtes in mittelalterliche Rechtsordnungen. Angesichts der Übernahme römischrechtlicher Vorstel­lungen bereits in frühmittelalterliche Volksrechte lässt sich von F. schon für das Frühmittelalter sprechen. In einem engeren Sinn schließt F. aber erst an die Wiederaufnahme der Beschäftigung mit dem justinianischen Rechtstexten seit dem ausgehenden 11. Jh. an.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hageneder, O., Zur Frührezeption des römisch-kanonischen Prozess­verfahrens im Lande ob der Enns, FS K. Pivec, 1966, 131; Köbler, G., Zur Frührezeption der consuetudo, Hist. Jb. 89 (1969), 337

Frühsozialismus ist der erste zeitliche Abschnitt des Sozialismus. Er lässt sich in seinem Beginn in die Mitte des 16. Jh.s setzen. Er endet um 1848. Seine Zielsetzungen sind zumindest anfangs noch sehr allgemein und unterschiedlich.

Lit.: Der Frühsozialismus, hg. v. Ramm, T., 2. A. 1968; Heis, R., Das Recht im frühen Sozialismus, Diss. jur. Innsbruck 1995

Fuchs, Ernst (Weingarten 15. 10. 1859-Karlsruhe 10. 4. 1929), Rechtsanwalt, ent­schiedener Vertreter der freien Rechts­schule

Lit.: Fuchs, E., Die Gemeinschädlichkeit der konstruk­tiven Jurisprudenz, 1909

Fuero (zu lat. [N.] forum, Markt, Gericht) bzw. foro oder (katalanisch) fur ist in →Spanien (bzw. Portugal) das teilweise bis in das 20. Jh. geltende landschaftliche Recht des Hochmittelalters (im engeren Sinn das aufgezeichnete Stadtrecht oder Gebietsrecht). Vor allem in Aragón und Valencia steht der besondere F. im Gegensatz zum allgemeinen Recht. Der Name F. erwächst erst allmählich. Die ersten überlieferten Fueros sind nicht umfangreich (Vorläufer cartas de población wie z. B. für Valpuesta 804, dann F. von Castrojeriz 974, Sepúlveda 1076, bekannt F. juzgo 13. Jh., F. de Aragón 1247, Llibre de les Costumes de Tortosa, Ende 13. Jh.). Von besonderer Bedeutung ist die Bewahrung von aus dem westgotischen Volksrecht (→Lex Visigothorum) rührendem germa­nistischem Rechtsgut. Unterscheiden lassen sich vor allem Privilegien, Urkunden über Abgaben und Stadtrechte.

Lit.: Wohlhaupter, E., Die localen Fueros Aragons und ihre Verbreitung, FS E. Heymann, 1940, 108; Hierneis, O., Das besondere Erbrecht der sog. Foralrechtsgebiete Spaniens, 1966; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 681; Barrero García, A./Alonso Martín, M., Textos de derecho local español en la Edad Media, 1989; Suárez Bilbao, F., El fuero judiego en la Espana cristiana, 2000

Fuero de Aragón ist die Sammlung von Gesetzen oder Verordnungen, die besonders Aragón betreffen. Den Auftrag hierzu erteilt König Jakob I. an den Bischof von Huesca und ehemaligen Bologneser Scholasten Vidal de Canellas. Von dessen zwei Kompilationen billigen die Cortes von Huesca 1247 die kleinere, weniger romanistische. 1283 wird sie in das vom Adel König Peter III. abgerungene (span.) Privilegio general (allgemeine Privileg) aufgenommen. Im 14. und frühen 15. Jh. wird sie um je ein Buch der vier in dieser Zeit herrschenden Könige erweitert.

Lit.: Tilander, G., Los fueros de Aragón, 1937; Wohlhaupter, E., Die localen Fueros Aragóns, FS E. Heymann, 1940, 108; Wohlhaupter, E., Das Privatrecht der fueros de Aragón, TRG GA 62 (1942), 89, 63 (1943), 214, 64 (1944), 173; Lalinde Abadía, J., Los Fueros de Aragón, 1976, 4. A. 1985

Fuero de Burgos ist ein die Hauptstadt der Grafschaft →Kastilien betreffender Text des spanischen Rechtes.

Lit.: Martínez Díez, G., Fueros en el territorio de la provincia de Burgos, 1982

Fuero de Castiella ist das älteste Rechtsbuch Kastiliens, in dem durch einen unbekannten Verfasser in Burgos nicht lange nach 1248 das kastilische Recht des 13. Jahrhunderts aufgezeichnet wird.

Lit.: Libro de los Fueros de Castiella, hg. v. Sanchesz, S., 1924

Fuero de Cuenca ist der ziemlich ausführliche, in 43 Kapitel gegliederte Fuero des spanischen Rechtes im Königreich Leon und Navarra, den König Alfons VIII. (1189/1190 bzw. zwischen November 1189 und März 1193 oder in der ersten Hälfte des 13. Jh.s) der 1177 zurückeroberten Stadt Cuenca gewährt.

Lit.: The Code of Cuenca, übers. v. Powers, J., 2000

Fuero de Francos ist der 1095 von König Alfons VI. von Kastilien dem Dorf Logroño bei der Erhebung zur Stadt verliehene Fuero des spanischen Rechtes, der später auch anderen Städten gewährt wird (Miranda 1099, Toledo).

Fuero de Jaca ist das 1063 von Sancho Ramírez bei der Erhebung des Ortes von einer villa zu einer Stadt verliehene Recht von →Jaca.

Lit.: Ramos y Loscertales, J., Fuero de Jaca, 1927; Molho, M., El Fuero de Jaca, 1964

Fuero de la Novenera ist die Sammlung des aragonesisch-navarrischen Gewohnheits­rechts, in die auch bäuerliches Gewohnheitsrecht Eingang findet.

Fuero de León ist ein von 1017(-1020) stammender, sich selbst als (lat. [N.]) Decretum bezeichnender Text des spanischen Rechtes aus dem Königreich →Leon. Er geht auf Alfons V. zurück. Seine ersten 20 Artikel betreffen das ganze Land, die übrigen 28 nur einzelne Orte.

Lit.: García-Gallo, A., El fuero de Léon, AHDE 39 (1969), 5

Fuero del trabajo ist das 1938 erlassene, 1967 abgeänderte Arbeitsgesetzbuch →Spaniens.

Fuero de Madrid ist das Recht von →Madrid.

Lit.: Sánchez, G., El Fuero de Madrid, (in) El Fuero de Madrid, 2. A. 1963

Fuero de Sepulveda ist der in einem Privileg König Alfons VI. von Kastilien (1072-1109) enthaltene Fuero des spanischen Rechtes der südlichen Grenzgebiete des Königreichs Kastilien (1076), den die Könige Alfons I. und Alfons II. von Aragón auch in Teilen Aragoniens einführen.

Fuero de Soria ist das Recht von Soria in Kastilien.

Lit.: Sánchez, G., Historia del Fuero de Soria, (in) Fueros castellanos de Soria de Léon y Castilla, 1919, 227

Fuero de Teruel ist der ausführliche Fuero des spanischen Rechtes der 1171 von Alfons II. von Aragón zurückeroberten Stadt Teruel.

Fuero de Toledo ist der die städtischen Privilegien Toledos zusammenfassende Fuero des spanischen Rechtes, die allen Bewohnern gemeinsam sind. Er folgt dem nach der Eroberung 1085 gewährten Fuero de Juzgo (der [westgotischen] Mozaraber) bzw. Fuero der Kastilier bzw. Fuero de Francos nach.

Lit.: García-Gallo, G., Los Fueros de Toledo, AHDE 45 (1975), 341

Fuero de Zaragoza ist der Fuero des spanischen Rechtes, der die Interessen der sog. Infanzones (ritterlichen Adligen) stärker berücksichtigt als die der Bürger.

fuero ecclesiastico (span.) kirchliche Gerichts­barkeit in Spanien

Fuero general ist die umfassende private Sammlung des spanischen Gewohnheitsrechts des Adels und seiner Bauern in Aragón und Navarra aus dem 13. Jh.

Fuero Juzgo ist die in verschiedenen Fassungen in das Kastilische übertragene (lat.) →Lex (F.) Visigothorum, die auch nach der Zerstörung des Westgotenreiches in Spanien durch die Araber für die unterworfenen Westgoten (Mozaraber) gilt. Der F. J. ist auch das von der königlichen Rechtsprechung des vereinigten Königreiches von Leon und Navarra in Leon - nicht in Kastilien - angewendete Recht. Nach 1240 verleiht König Ferdinand III. den zwölfteiligen F. J. an eroberte Städte in Andalusien und Levante (Córdoba, Sevilla, Jaén, Murcia, Alicante, Jerez). 1263 wird der F. J. von König Alfons X. in den →Fuero real (bzw. den Libro de las Leyes) modernisiert.

fuero militar (span.) Militärgerichtsbarkeit in Spanien

fuero municipal (span.) Stadtrecht in Spanien

Fuero real (bzw. Libro de las Leyes) ist der 1255 oder 1263 von König Alfons X. dem Weisen von Leon und Navarra aus dem →Fuero Juzgo modernisierte →Fuero des spanischen Rechtes. Er passt den aus der frühmittelalterlichen (lat.) Lex (F.) Visigothorum entwickelten Fuero Juzgo den hochmittelalterlichen Bedürfnissen an und nimmt verschiedene römischrechtliche und kirchenrechtliche Sätze auf. Er ist in vier Bücher gegliedert (Verfassung, Verfahren, Familie, Erbe und Schulden sowie Strafe). Er wird bestimmten Städten in Leon und Kastilien (Valladolid 1255, Madrid 1262) sowie Burgos und Soria verliehen, doch muss der König 1272 die Fortgeltung der alten städtischen Fueros anerkennen. Von ihnen werden viele bis 1340 neu aufgezeichnet.

Lit.: Martínez Díez, G., Leyes de Alfonso X.: Fuero Real, 1988

Fuero viejo de Castilla ist die umfassende private Zusammenstellung des kastilischen Gewohnheitsrechts. Eine um 1248 entstandene Fassung ist unsystematisch. Der F. v. d. C. erhält seine endgültige systematische und in fünf Bücher gegliederte Gestalt um 1356. Seine wichtigste Quelle ist der Libro de los Fueros.

Lit.: García González, F., El fuero viejo assistemático, AHDE 41 (1971), 767

Fugger ist der Angehörige einer 1367 in Augsburg als Weber genannten Familie, die in der Linie von der Lilie durch die Fuggersche Handelsgesellschaft, das Kupfermonopol und den Ablasshandel Weltgeltung erreicht. Als Bankiers der Päpste und der Habsburger erlangen sie 1504 den Adel und 1511 den Grafenrang und finanzieren die Wahl Karls V. zum Kaiser des Heiligen römischen Reiches . Sie bilden ein anschau­liches Beispiel des →Frühkapitalismus.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pölnitz, G. Frhr. v., Jakob Fugger, Bd. 1f. 1949ff.; Pölnitz, G. Frhr. v., Fugger und Hanse, 1953; Simnacher, G., Die Fuggertestamente, 1960; Pölnitz, G. Frhr. v., Die Fugger, 6. A. 1999; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Nebinger, G./Rieber, A., Genealogie des Hauses Fugger, 1978; Tietz-Strödel, M., Die Fuggerei, 1982; Mandrou, R., Die Fugger, 1997; Häberlein, M., Die Fugger, 2006; Die Welt des Hans Fugger, hg. v. Burkhardt, J. u. a., 2007; Dauser, R., Informationskultur und Beziehungswissen, 2008; Die Fugger im Bild, hg. v. Bayerische Staatsbibliothek, 2010; Düvel, T., Die Gütererwerbungen Jacob Fuggers des Reichen (1494-1525), 2013

Führer ist (der von Adolf →Hitler im Nationalsozialismus beanspruchte) anfüh­ren­de Rang innerhalb einer Gemeinschaft. Der F. (Adolf Hitler) steht außerhalb der Verfassung. Er vereinigt nacheinander unterschiedliche Verfassungsstellungen in sich (Reichskanzler, Reichsprä­sident). Sein Wille wird als Gesetz angesehen. Nach dem Prinzip des Führers wird das →„Dritte Reich“ organisiert.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 222, 226, 229; Das deutsche Führerlexikon, 1934; Fauser, M., Das Gesetz im Führerstaat, Arch. f. öff. Recht 1965, 129; Majer, D., Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems, 1987; „Führer—Erlasse – 1939-1945“, hg. v. Moll, M., 1997; Radtke, H.. u. a., Straffreiheit durch Führerbefehl?. ZRG GA 129 (2012), 214

Führerschein ist die Urkunde über die Berechtigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Führerscheine werden kurz nach Erfindung der Kraftfahrzeuge (1876 N. A. Otto stationärer Viertaktverbrennungsmo­tor, 1885 C. F. Benz verkehrsfähiges Kraftfahr­zeug, 1886 G. Daimler) eingeführt. Die vorläufigen und regional unterschied­lichen Berechtigungen löst 1910 auf Grund des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (3. 5. 1909) der F. in Preußen ab (1910 in Deutschland 36077 Führerscheine, 1924 121431 neue Führerscheine, 1957 rund 1081000, 1991 2122706). Seit 1. 1. 1999 ist der F. in der Europäischen Union vereinheitlicht.

Führungsschicht ist die politische oder geistig führende Gruppe von Menschen einer bestimmten Gesellschaft. Im Mittelalter stellt der Adel die F. In der Aufklärung tritt der Bürger hinzu. In der Gegenwart wird die allgemeine Meinung in erheblichem Maß durch die Medien Zeitung, Radio, Fernsehen und Internet bestimmt, deren Träger die Führung mitge­stalten.

Lit.: Preradovich, N. v., Die Führungsschichten in Österreich und Preußen 1804-1918, 1955; Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit, hg. v. Hofmann, H. u. a., 1980; Wildenmann, R. u. a., Führungsschicht in der Bundesrepublik Deutschland, 1981, 1982; Rösch, G., Der venezianische Adel, 1989

Führungszeugnis

Lit.: Burchardi, K., Strafregister und polizeiliches Führungszeugnis, 2. A. 1944

Fulgosius, Raphael ist der in Piacenza 1367 geborene, in Bologna und Pavia ausgebildete, ab 1388 in Pavia, Siena und Padua lehrende, am 12. 9. 1427 verstorbene Jurist (commentarium in Digestum vetus, commentarium zum Codex, Gutachten).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 802

Fulda ist die am 12. 3. 744 von dem Schüler Sturmi des Bonifatius in Hessen gegründete, 765 reichsunmittelbar (Reichsabtei) werdende Abtei mit sehr großer Grundherrschaft und bedeutender Schriftkultur (aber im zweiten Drittel des 12. Jh.s auch Fälschungen durch den Mönch Eberhard). Die dort 1723/1734 gegründete Universität wird nach der Säkularisation (1802, Fürst von Oranien-Nassau, dann Königreich Westphalen, danach Hessen) aufgehoben.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Roller, O., Eberhard von Fulda, Diss. phil. Marburg 1901; Urkundenbuch des Klosters Fulda, Bd. 1 1913; Werner-Hasselbach, T., Die älteren Güterverzeichnisse der Reichsabtei Fulda, 1942; Lübeck, K., Die Hofämter der Fuldaer Äbte im frühen Mittelalter, ZRG GA 65 (1947), 177; Lübeck, K., Die Fuldaer Bürgeraufstände, ZRG GA 68 (1951), 410; Mauersberg, H., Die Wirtschaft und Gesellschaft Fuldas, 1969; Jäger, B., Das geistliche Fürstentum Fulda in der frühen Neuzeit, 1986; Rathsack, M., Die Fuldaer Fälschungen, 1989; Heinemeyer, W. u. a./Fulda in seiner Geschichte, 1995; Meyer zu Ermgassen, H., Der Codex Eberhardi des Klosters Fulda, 1995f., (1995, 1996, Index 2007, Bd. 4 Der Buchschmuck, 2009); Theisen, F., Mittel­alterliches Stiftungsrecht, 2002; Codex Diplomaticus Fuldensis, Index and Introduction, hg. v. Hofmann, J., 2010

Fund (9. Jh.) ist das Entdecken und Ansichnehmen einer verlorenen (besitzlosen, aber nicht eigentümerlosen) beweglichen Sache eines anderen. Der Finder muss den F. kundtun. Der Eigentümer muss dem Finder nach einzelnen mittelalterlichen Rechtsquel­len einen Lohn zahlen. Meldet sich der Eigentümer innerhalb einer Frist (nach Aufgebot) nicht, so fällt die Sache teils an den Finder, teils an den König, Kirche, Gemeinde oder Grundherrn, seit der Neuzeit an den Finder. Erst das Allgemeine Landrecht Preußens (1794) und das Bürgerliche Gesetz­buch des Deutschen Reiches (1896/1900) schaffen einheitliche Regeln für ihr Geltungs­gebiet.

Lit.: Hübner 457; Delbrück, B., Vom Finden verlorener Sachen, Jh. Jb. 3 (1859), 1ff.; Hopmann, G., Der Eigentumserwerb an der gefundenen Sache nach deutschen Rechtsquellen, 1905; Vobach, G., Die Lehre vom Funde, 1910; Hübner, J., Der Fund, 1914; Lins, S., Das Fundrecht des BGB, 1994; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Fünfkirchen (Pécs) ist bereits in römischer Zeit ein wichtiger Ort (Sopianae, später Quinque ecclesiae) und seit 1367 Sitz einer Universität, von 1833 bis 1923 Sitz eines Rechtsgymnasiums.

Lit.: Roth, H. u. a., Fünfkirchen, 2010; Pécsi jogászprofesszorok emlékezete (1923-2008). Antológia [Das Gedächtnis der Juraprofessoren zu Fünfkirchen. Eine Anthologie], hg. v. Kajtár, I. 2008; A Pécsi Püspöki Joglyceum emlékezete 1833-1923, hg. v. Kajtár, I. u. 1.-, 2009; Roth, H., Geschichte einer europäischen Kulturhauptstadt, 2010

Fur (lat. [M.]) ist im römischen Recht der →Dieb. Der auf frischer Tat ertappte (und damit handhafte) freie Dieb (lat. [M.] f. manifestus) darf im altrömischen Recht getötet werden und wird später als Sklave zugesprochen, der unfreie f. manifestus darf vom tarpeischen Felsen gestürzt werden. Jeder andere f. hat das Doppelte des Wertes zu leisten und wird infam.

Lit.: Kaser §§ 32 II, 51 I

Furiosus (lat. [M.]) ist im römischen Recht der →Geisteskranke, der ohne weiteres geschäftsunfähig und deliktsunfähig ist und einen (lat. [M.]) curator (Pfleger) hat.

Lit.: Kaser § 14 IV; Boari, M., Qui venit contra iura. Il furiosus, 1983

Fürkauf ist im 13. bis 16. bzw. 19. Jh. der Vorkauf (unter Umgehung des Marktes und in großen Mengen zwecks künstlicher Verknap­pung und Ver­teu­erung). Er wird zeitweise verboten. Der Liberalismus beseitigt die der Bekämpfung des Wuchers dienenden Ein­schrän­kungen grundsätzlich.

Lit.: Crebert, H., Künstliche Preissteigerung, 1916; Blaich, F., Die Reichsmonopolgesetzgebung im Zeitalter Karls V., 1967; Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983

Furs de Valencia sind die nach 1240 abgefassten →Fueros (Gesetze bzw. Verord­nungen) des ­Königreichs von Valencia des spanischen Rechtes, die in einer 1330 entstandenen, völlig romanisierten Fassung Alfons’ IV. bekannt sind. 1482 wird eine erweiterte, chronologisch geordnete Samm­lung von Gabriel de Riucech unter dem Titel Furs e ordinacions de València ver­öffentlicht, 1707 wird der F. d. V. von König Philipp V. abgeschafft. 1708 werden die Fueros alfonsinos in Valencia für weitergeltend er­klärt.

Lit.: Barrero, A., El Derecho romano en los Furs de Valencia de Jaime I, AHDE 41 (1971), 639

fur (M.) manifestus (lat.) →handhafter →Dieb, →Diebstahl

Fur semper in mora (lat.). Der Dieb ist immer in Verzug (und muss deshalb bei Untergang der entwendeten Sache durch Zufall ohne Verschulden Schadensersatz leisten).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Tryphonius um 160-um 220, Digesten 13, 1, 20)

Fürsorge ist zunächst allgemein die Sorge für das Wohl eines Lebewesens, danach insbe­sondere die Unterstützung Einzelner aus allgemeinen Mitteln in Notlagen. F. tätigt anfangs die Familie, dann die Kirche und die Grundherrschaft, seit der frühen Neu­zeit auch der Wohlfahrtsstaat (Ar­menpflege für Wai­sen, Bettler, Witwen, Alte, Kranke, Straftäter, Verwahrloste, Wohl­fahrtspolitik, Sozialpo­litik). In Preu­ßen (ALR II, 19 § 1) wird hierfür das Gesetz über die Verpflichtung zur Armenpflege vom 31. 12. 1842 (Unter­stützungswohnsitz) erlassen, im Deut­schen Reich das Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz vom 6. 6. 1870 (preußisches Ausführungsgesetz vom 8. 3. 1871)(, die Sozialversicherungsgesetzge­bung) und die Verordnung über die Fürsor­gepflicht vom 13. 2. 1924, ergänzt durch die Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge vom 4. 12. 1924 (kein Rechtsanspruch, Träger Ortsar­menverbände bzw. Gemeinden, in Städten 5,6-8 % Unter­stützungsempfänger, auf dem Land 0,5-0,8 %) (gehobene F.) (1. 4. 1924 Reichsjugendwohlfahrtsgesetz mit wegen der Inflation verringertem Leistungs­umfang). In Deutschland, in dessen östlichem Teil 1956 die überkommene F. in der Verordnung über die allgemeines Sozialfürsorge des Jahres 1956 zusammengefasst und als Übergangs­erscheinung auf dem Weg zum Sozialismus angesehen wird, wird in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s aus der F. die seit einer Ent­scheidung des Bundesver­waltungs­gerichts vom 24. 6. 1954 Ansprüche anerkennende →Sozialhilfe (Hilfe, Förde­rung, Bundessozial­hilfegesetz zum 1. 6. 1962, zum 1. 1. 2005 Sozialgesetzbuch XII, für Jugendliche Jugendschutzgesetz vom 4. 12. 1951, Ju­gend­wohfahrtsgesetz vom 11. 8. 1961, Kinder- und Jugendhilfesgesetz zum 1. 1. 1991).

Lit.: Moeller, E. v., Die Elendenbrüderschaften, 1906; Dilger, A., Die Grundlagen des Fürsorgerechts, Diss. jur. Tübingen 1945 masch.schr.; Scherpner, H., Geschichte der Jugendfürsorge, 2. A. 1979; Sachße, C./Tennstedt, F., Geschichte der Armenfürsorge, Bd. 1ff. 1980ff.; Jut­te, R., Obrigkeitliche Armenfürsorge, 1984; Hauser, S., Geschichte der Fürsorge­gesetzgebung in Bayern, Diss. jur. München 1986; Peukert, D., Grenzen der Sozial­disziplinierung, 1986; Breitenhorn, A., Rand­gruppen im ALR, 1994; Boldorf, M., Sozialfürsorge in der SBT/DDR 1945-1953, 1998; Armengesetzgebung und Freizügigkeit (1867-1881), hg. v. Sachße, C. u. a., 2000; Stolleis, M., Geschichte des Sozialrechts in Deutsch­land, 2003; Willing, M., Das Bewahrungs­gesetz (1918-1967), 2003; Föcking, F., Fürsorge im Wirtschaftsboom, 2007; Medizin und Sozialwesen in Mitteldeutschland zur Reformations­zeit, hg. v. Oeh­mig, S., 2007; Marx-Jaskulski, K., Armut und Fürsorge auf dem Land, 2008; Bulling, S., Die zivilrechtliche Erwachsenenfürsorge des 19. Jahrhunderts, 2013; Foege, L., Wessenbergs Herzenskind, 2014

Fürsprech, Fürsprecher, Vorsprecher, ist im hoch- und spätmittelalterlichen deutschen Recht der Vertreter eines Menschen im Wort vor Gericht (ahd. [einmal] furisprehho um 790 für lat. orator, M., Redner). Er wird vielleicht entwickelt, um die möglicherweise allmählich in bestimmten Verfahrenslagen entstehende Gefahr zu vermeiden, durch einen bloßen Fehler im Wort (z. B. Husten, Räuspern, Versprechen) einen Rechtsstreit zu verlieren. Seine Rede kann die im Wort vertretene Partei billigen oder verwerfen und selbst richtig ausführen. Der F. ist erst im 12. Jh. in deutschen, französischen und engli­schen Quellen belegt und könnte eine Antwort auf das Eindringen gelehrter Genauigkeit in das Verfahren sein. Ein Zwang, einen F. zu nehmen, erscheint erst im 15. Jh. Im Übrigen kann die Partei einen F. wählen oder nach dem Sachsenspiegel (1221-1224) den Richter um einen F. bitten. Wirkung hat der Vortrag des Fürsprech(er)s nur nach Billigung durch die Partei. 1255 gibt es in Lübeck bereits 5 berufsmäßige Für­spreche® (Vorspraken). Seit dem 15. Jh. wird der F. zum frei handelnden Beistand, seit dem 16. Jh. verschmilzt er mit dem Anwalt zum Vertreter in der Sache. In der Schweiz ist der Fürsprecher in manchen Kantonen der Rechts­anwalt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Siegel, H., Die Erholung und Wandelung, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 42 1853; Laß, L., Die Anwaltschaft im Zeitalter der Volksrechte und Kapitularien, 1891; Bauhofer, A., Fürsprechertum und Advokatur im Kanton Zürich, Zürcher Taschenbuch 1926; Bader, K., Vorsprecher und Anwalt in den fürstenbergischen Gerichtsordnungen, 1931; Schudel, H., Fürsprecher und Anwälte im schaffhauserischen Recht, Diss. jur. Zürich 1940; Müller, L., Die Freiheit der Advokatur, 1972; Failenschmid, H., Anwalt und Fürsprech nach altwürttembergischen und benachbarten Rechtsquellen, 1981; Meyer, T., Gefahr vor Gericht, 2009

Fürsprecher →Fürsprech

Fürst ist im mittelalterlichen und neu­zeitlichen deutschen Recht der Adlige, dessen Stellung (die des Königs oder) ursprünglich durch die unmittelbare Belehnung durch den König gekennzeichnet ist. Er ist also Erster oder bei mehreren Ersten einer von diesen. Dazu zählen im Frühmittelalter die Großen des Reiches und des Königs (Herzöge, Grafen, Pfalzgrafen, Markgrafen, Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Äbtissinnen). Kenn­zeichen sind Teilhabe am Reich und Herrschaft über einen Teil (z. B. eine Grafschaft), doch ist die Abgrenzung nach unten nicht eindeutig (im 13. Jh. etwa 110-120 Reichsfürsten, davon etwa 90 geistlich, davon etwa 45 Äbte und Äbtissinnen). Der F. kann unter besonderen Umständen abgesetzt werden (zwischen 768 und 1056 in 177 Fällen erfolgreich, immerhin durchschnittlich alle zwei Jahre einmal). Das wichtigste Recht der Fürsten ist die Wahl des Königs, die sich aber im 13. Jh. auf die →Kurfürsten beschränkt. Etwa gleichzeitig wird die Stellung als Reichsfürst genauer festgelegt auf die meisten Herzöge, einen Teil der Markgrafen, Pfalzgrafen und Landgrafen und einzelne Grafen (herzogsgleiche Landes­herrschaft und reichsunmittelbares Lehen) sowie die geistlichen Reichsfürsten (Erz­bischöfe, viele Bischöfe, viele Äbte und Äbtissinnen, einzelne Pröpste). 1184/1188 wird der Graf von Hennegau bzw. Namur als erster förmlich zum Reichsfürsten erhoben (Braunschweig-Lüneburg 1235). Demgegen­über wird in Frankreich die Zahl der Fürsten verringert und in England auf den Prinzen von Wales beschränkt. Als Landesherr gerät der F. im Laufe der Zeit in einen Interessen­gegensatz zum König. Im Reichstag des Heiligen römischen Reiches gibt es 1582 53 Virilstimmen weltlicher und 46 Virilstimmen geistlicher Fürsten, 1792 64 Virilstimmen weltlicher Fürsten und 38 geistlicher Fürsten. Seit 14. 8. 1919 darf der Titel F. in Deutschland nicht mehr verliehen werden und gilt der überkommene Titel F. als Teil des Namens.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 98, 111, 130, 149, 154, 167, 195; Köbler, WAS; Seckendorff, V. v., Teutscher Fürstenstaat, 1656, Neudruck 1976; Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt in den deutschen Fürstenhäusern, 1851; Boerger, R., DIe Belehnungen der deutschen geistlichen Fürsten, 1901; Fehr, H., Fürst und Graf im Sachsenspiegel, SB. d. sächs. Ges. d. Wiss. 58, 1906; Schulte, A., Fürstentum und Einheitsstaat in der deutschen Geschichte, 1921; Schröder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44 (1924), 1; Kraemer, H., Der deutsche Kleinstaat des 17. Jahrhunderts im Spiegel von Seckendorffs Fürstenstaat, 1922, Neudruck 1974; Schroeder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44 (1924), 1; Kienast, W., Die deutschen Fürsten im Dienste der Westmächte, Bd. 1f. 1924ff.; Mayer, T., Fürsten und Staat, 1950; Petersohn, J., Fürstenmacht und Ständetum in Preußen, 1963; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1977; Lanzinner, M., Fürst, Räte und Landstände, 1980; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und Städte zu Nürnberg 1355/56, 1983; Klein, T., Die Erhebungen in den deutschen Fürstenstand 1550-1806, Bll. f. dt. LG. 122 (1986), 137; Krah, A., Absetzungsverfahren als Spiegelbild von Königsmacht, 1987; Ay, K., Land und Fürst im alten Bayern, 1988; Der Fürst, hg. v. Weber, W., 1998; Schlinker, S., Fürstenamt und Rezeption, 1999; Schlick, J., König, Fürsten und Reich 1056-1159, 2001; Principes, hg. v. Nolte, C., 2002; Fürstin und Fürst, hg. v. Rogge, J., 2004; Gottwald, D., Fürs­ten­recht und Staatsrecht im 19. Jahrhundert, 2009; Hammes, B., Ritterlicher Fürst und Ritterschaft, 2010

Fürstenberg

Lit.: Barth, F., Die Verwaltungsorganisation der gräflich fürstenbergischen Territorien, Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar 16 (1926), 48; Link, R., Verwaltung und Rechtspflege im Fürstentum Fürstenberg, 1944; Bieberstein-Krasicki, D. Graf v., Das Prozessrecht der Gerichts- und Landesordnungen der fürstenbergischen Territorien, 1948; Bader, K./Platen, A. v., Das große Palatinat des Hauses Fürstenberg, 1954; Eltz, E., Die Modernisierung einer Standesherrschaft, 1980; Asch, R., Verwaltung und Beamtentum, 1986

Fürstenberg

Fürstenbergische Geschichte, Bd. 1ff. bearb. v. Klocke, F. v. 1971; Die Tagebücher Kaspars von Fürstenberg, hg. v. Bruns, A., 1985, 2. A. 1987

Fürstenspiegel ist die literarische Darstellung der Pflichten eines Fürsten. Die älteren Quel­len des Fürstenspiegels sind hauptsächlich Xe­no­phons (430-354 v. Chr.) Beschreibung der Erziehung des Kyros, die aus Plutarch (46-125) erstellte (lat.) Institutio (F.) Traiani, die Selbstbetrachtungen Marc Aurels (121-180) und Augustinus’ Bild vom glücklichen Herrscher im Gottesstaat (413-426). Zunächst christlich, später humanistisch betont bauen auf ihnen F. vom 9. Jh. bis in die Neuzeit (Fürstenlehre) auf (z. B. Jonas von Orléans, Sedulius Scotus, Hinkmar von Reims, Gottfried und Johannes von Viterbo, Johann von Salisbury, Polycratius, 1159, Gilbert von Tournais, Vincenz von Beauvais, Thomas von Aquin, De regimine principum, 1265/1266, Fortescue J., De laudibus legum Angliae, um 1470, Machiavelli, N., Il principe, 1532, Fénelon, Les aventures de Télémaque, 1699), wobei seit der frühen Neuzeit der Landesherr an die Stelle des Königs tritt. Zu Beginn des 19. Jh.s werden die konservativen Regierungshandbücher entbehrlich.

Lit.: Kleineke, W., Englische Fürstenspiegel, 1937; Berges, W., Die Fürstenspiegel des hohen und späten Mittelalters, 1938; Anton, H., Fürstenspiegel und Herrscherethos in der Karolingerzeit, 1968; Singer, B., Die Fürstenspiegel, 1981; Politische Tugendlehre und Regierungskunst, hg. v. Mühleisen, H. u. a., 1990; Fürstenspiegel der frühen Neuzeit, hg. v. Mühleisen, H. u. a., 1996; Graßnick, U., Ratgeber des Königs, 2004; Ahl, I., Humanistische Politik zwischen Reformation und Gegenreformation, 2004; Fürstenspiegel des frühen und hohen Mittelalters, hg. v. Anton, H., 2006; Historische Exempla in Fürswtenspiegeln und Fürstenlehren, hg. v. Reinle, C. u. a., 2011

Fürstentum ist das Herrschaftsgebiet und die Stellung eines →Fürsten.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schotte, W., Fürstentum und Stände in der Mark Brandenburg, 1911; Dunkhase, H., Das Fürstentum Krautheim, 1968; Werner, K., Die Entstehung des Fürstentums, Bd. 1f. 1970; Thomas, H., Zwischen regnum und imperium, 1973; Geistliche Staaten in Oberdeutschland, hg. v. Wüst, W., 2002

Fürstprimas ist der in der Rheinbundakte von 1806 für den bisherigen Reichserzkanzler Karl Theodor von Dalberg (1744-1817) ver­gebene geist­lich-weltliche Titel. Das Fürs­tentum des F. (Regensburg mit Aschaffenburg und Wetz­lar) wird durch Napoleon (1808) in ein weltliches Großherzogtum umgewandelt, das 1813 endet.

Lit.: Färber, K., Der Übergang des dalbergischen Fürstentums Regensburg an das Königreich Bayern, 1985

Fürth

Lit.: Hofmann, M., Die mittelalterliche Entwicklung der Gerichtsverhältnisse im alten Amt Fürth, 1932; Mauersberg, H., Wirtschaft und Gesellschaft Fürths, 1974; Windsheimer, B., Geschichte der Stadt Fürth, 2007

Furtum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Sachentziehung bzw. der Diebstahl ([lat.] contrectatio rei fraudulosa lucri faciendi gratia, tückische Ergreifung einer Sache zwecks Gewinnerzielung). →fur

Lit.: Kaser § 51 I; Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 48; Köbler, LAW

Fusion (F.), Gießung, Verbindung

Fusionsvertrag ist der eine Fusion an­strebende oder bewirkende Vertrag (z. B. 8. 4. 1965 Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemein­schaften mit Wirkung vom 1. 7. 1967).

Fuß als der unterste Teil des stehenden menschlichen Körpers wird bis in die Gegenwart als Maßeinheit (zwischen 250 und 429 mm) verwendet (z. B. engl. foot 304,8 mm).

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 141, 196, 213

Füssen

Lit.: Das Füssener Bürgerbuch, hg. v. Weitnauer, S., 1940; Das Füssener hochstiftische Urbar von 1398, bearb. v. Dertsch, R., 1940; Rump, H., Füssen, 1977

Futhark ist die der herkömmlichen Zeichenfolge (f, u, th, a, r, k  u. s. w.) ent­sprechende Benennung der germanischen Runenschrift.

Lit.: Krause, W., Die Runeninschriften im älteren Futhark, 1966

 

G

Gabe ist der Vorgang und der Gegenstand der gewollten Übergabe einer Sache oder eines Menschen von einem Menschen oder einer Person an einen anderen Menschen oder an eine andere Person. Nach einem jüngeren Rechtssprichwort soll in der älteren Zeit gegolten haben: G. schielt nach Entgelt. Demgegenüber kennt das römische Recht die unentgeltliche G. (→Schenkung). Sie wird allgemein anerkannt, ohne dass sie größere wirtschaftliche Bedeutung erlangt.

Lit.: Kaser; Hübner 575; Köbler, DRG 74; Heusler, A., Institutionen, Bd. 2 1885f., 370ff.; Mauss, M., Essai sur le don, 1923 (= Die Gabe, 1968); Pappenheim, M., Über die Rechtsnatur der altgermanischen Schenkung, ZRG GA 53 (1933), 35; Hyland, R., Gifts, 2009

gabella (mlat. [F.]) Abgabe, Steuer (F.)

Gabella (F.) emigrationis (mlat.) ist die im 11./12. Jh. erscheinende, vor allem in der frühen Neuzeit verbreitete Auswan­derungsabgabe (Abfahrtsgeld, vgl. ALR II 17 §§ 141ff.) in Höhe von meist rund 10% des inländischen Vermögens.

Gabella (F.) hereditaria (mlat.) ist im Mittelalter die Erbschaftsabgabe beim Erbfall Fremder an König, Landesherrn oder Stadt. Ein Gesetz Kaiser Friedrichs II. von 1220 hebt sie auf, wird aber nicht beachtet.

Lit.: Meynal, E., Études sur la gabelle, TRG 3 (1922), 119

gafol (ae.) Abgabe, Zins

Gage (F.) Entlohnung (1. H. 17. Jh.s aus dem Französischen) zunächst in Heer und Marine, danach am Theater

Gagern, Wilhelm August Heinrich Freiherr von (Bayreuth 20. 8. 1799-Darmstadt 22. 5. 1888) wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg und Jena (Burschenschaft) 1821 Regierungsrat in Hessen, am 5. 3. 1848 Leiter des Staats­ministeriums Hessen-Darmstadts, und am 19. 5. 1848 Präsident der deutschen Nationalversammlung.

Lit.: Buchner, K., Heinrich von Gagern, 1848; Schücking, L., Heinrich von Gagern, 1849; Wentzcke, P., Heinrich von Gagerns, 1957; Möller, H., Heinrich von Gagern, 2004

Gagnér, Sten (Uppsala 3. 3. 1921-München 24. 5. 1900) wird nach dem Studium von Recht, Philosophie, Geschichte und Philo­logie in Uppsala und praktischer Tätigkeit bei Polizei und Justiz 1964 Professor für Rechts­geschichte in München.

Lit.: Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Rückert, J., Sten Gag­nér zum Gedächtnis, ZRG GA 119 (2000), 1094ff.

Gaill, Andreas (Köln 12. 11. 1526-Köln 11. 12. 1587), Patrizierssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Köln, Orléans, Löwen und Bologna (Promotion 1555) Anwalt in Köln, 1558 Beisitzer am Reichskammergericht in Speyer, 1569 Reichshofrat in Wien (1573 von Gaill) und 1584 Kanzler im Erzstift Köln. In seinen (lat.) Practicarum obser­vationum libri (M.Pl.) duo (Zwei Bücher praktischer Beob­achtungen) (1578) bemüht er sich wie schon zu­vor →Mynsinger (Singularium obser­vationum …) um eine systematische Dar­stellung der Entscheidun­gen des →Reichs­kam­mergerichts und gewährt dabei auch einheimischen Statuten und Gewohnheits­rechts­sätzen Raum.

Lit.: Köbler, DRG 143; Burckhard, H., Andreas Gaill, 1887; Kempis, K. v., Andreas Gaill, 1988

Gairethinx (N.) Speergedinge →Launegild

Lit.: Schröder, R., Gairethinx, ZRG GA 7 (1886), 53

Gaius ist der in der Mitte des 2. Jh.s n. Chr. lebende, hauptsächlich in der Provinz tätige, nicht mit dem (lat.) ius (N.) respondendi (Antwortrecht) begabte Verfasser (eines Kommentars zu dem in den Provinzen üblichen Rechtsschutz­register des Privat­rechts und) des in vier Bücher (lat. [M. Pl.] commentarii) über personae (Personen), res (Sachen, 2 Bücher, Sachenrecht, Erbrecht, Schuldrecht) und actiones (Klagansprüche, Zivilprozess) gegliederten Lehrbuchs →Institutionen (159?, 161?). Er gehört der Rechtsschule der Sabinianer (→Julian) an. Sein auf (lat.) →ius (N.) civile (römisches Recht) und (lat.) →ius (N.) gentium (Fremdenrecht) als Rechtsquellen beschränk­tes, in einer späteren Fassung vor allem durch eine wohl dem 5. Jh. entstammende, 1816 in Verona von Barthold Georg Niebuhr aufgefundene Palimpsesthand­schrift und zwei in Ägypten entdeckte Handschriftenbruch­stücke unmit­tel­bar überliefertes System der Einrichtungen des Rechtes (lat. institutiones) wird im Kern von dem oströmischen Kaiser Justinian in dessen Institutionen (533) übernommen. In den Digesten sind 542 Fragmente aus Werken des Gaius verwertet.

Lit.: Kaser § 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 34; Söllner §§ 5, 7, 16, 19, 20, 22, 23; Köbler, DRG 30, 52, 54; Honoré, A., Gaius, 1962; Nelson, H./David, M., Überlieferung, Aufbau und Stil von Gai Institutiones, 1981; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 131; Nelson, H./Manthe, U., Gai Institutiones III 1-87, 1992; Vano, C., Il nostro autentico Gaio, 2000; Gaius, Institutiones. Lateinisch und deutsch, hg. v. Manthe, U., 2004, 2. unv. A. 2010; Vano, C. Der Gaius der historischen Rechtsschule, 2008

Gaius von Autun (lat. Gaius [M.] Augustodunensis) ist der in größeren Fragmenten einer Palimpsesthandschrift aus Autun erhaltene klassizistisch-spätnach­klassische Kommentar wohl des 5. Jh.s zu →Gaius.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2; Köbler, DRG 52

Galater →Kelte

Galeere (F.) mit Rammsporn, Rudern und Segeln ausgestattetes Kriegsschiff

Galeerenstrafe ist die seit dem 15. Jh. im Mittelmeerraum (Rom 1471, Spanien 1502, Kirchenstaat 1511, Frankreich 1516) verhäng­te Strafe, auf einer Galeere angekettet zu rudern. In den österreichischen Erblanden und Böhmen wird die G. von 1556 bis 1768 verwendet. In Frankreich endet sie sachlich mit der Aufgabe der Galeeren (1749), wird aber rechtlich erst am 27. 3. 1852 abgeschafft. In der Türkei wird sie bis zum 20. Jh. gebraucht.

Lit.: Frauenstädt, P., Zur Geschichte der Galeerenstrafe in Deutschland, Z. f. ges. StrafRWiss. 16 (1896), 518; Carlen, L., Die Galeerenstrafe im Militärstrafrecht, ZRG GA 92 (1975), 210; Carlen, L., Die Galeerenstrafe in der Schweiz, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 88 (1976), 557; Schlosser, H., Die Strafe der Galeere, ZNR 10 (1988), 19; Tournier, G., Les galères de France, 2005

Galgen ist die meist aus zwei Pfosten (oder Astgabeln) und einem Querholz bestehende künstliche Vorrichtung (lat. patibulum, bargus, furca) zur Tötung von Menschen durch Aufhängen an einem Strick. Bereits die Germanen hängen den Volksverräter. Seit wann dazu der G. verwendet wird, ist unklar. Im Hochmittelalter. in dem der Sachsen­spiegel Diebstahl mit Hängen bedroht, ist Erhängen am G. eine ehrenmindernde Strafe. Seit 1871 ist die →Todesstrafe in Deutsch­land durch Enthaupten zu vollziehen. Die Alliierten bestrafen die nationalsozialistischen Kriegsverbrecher 1946 durch Erhängen (ähnlich im Irak 2006). Überreste ehemaliger G. sind in Beerfelden, Hopfmannsfeld, Klein­schierstedt, Münzenberg, Pfungstadt, Rixfeld, Seeburg und Wörth am Main vorhanden.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 257f.; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Frölich, K., Stätten mittelalterlicher Rechtspflege, 1940; Wohlhaupter, E., Haargalgen, Müllergalgen, ZRG GA 63 (1943), 324; Frank, H., Im Angesicht des Galgens, 1953; Martschukat. J., Inszeniertes Töten, 2000; Over galg en rad, hg. v. Luning, H. u. a., 2010

Galicien ist die im Nordwesten der iberischen Halbinsel gelegene Landschaft, die zunächst von Kelten besiedelt ist. Nach dem Ende der römischen Herrschaft dringen im 5. und 6. Jh. Sweben (Sueben) und Westgoten, 711/718 Araber ein. Mit der Lösung von den Arabern fällt G. meist an →Leon und mit diesem an →Kastilien. 1979 erhält G. in Spanien Autonomie.

Lit.: Tranoy, A., La Galice Romaine, 1981; García Oro, J., Galicia, 1987; Galicia, hg. v. Hann, C. u. a., 2005

Galizien (Halic-Volhynien, →Wolhynien) ist die nördlich der Karpaten gelegene Hü­gellandschaft, die nach dem Abzug der Germanen im 6. Jh. von Slawen (Polen im Westen, Ukrainer im Osten) besetzt wird. Im 11. bzw. 12. Jh. entsteht ein Fürstentum G. (Galitsch). G. gelangt im Spätmittelalter (1349/1387) an →Polen. 1772 wird das östliche G. dem österreichischen Königreich G. und Lodomerien zugeteilt, 1795 kommen weitere Gebiete hinzu (→Westgalizien, für das 1797 ein Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch erlassen wird). Hauptstadt von Galizien-Lodomerien ist Lemberg. 1846 wird das seit 1815 selbständige Krakau annektiert und mit Galizien-Lodomerien vereinigt, welches das größte Kronland Zisleithaniens ist. 1918 annektiert das wiedergebildete Polen G. Ostgalizien wird 1939 von der Sowjetunion in Besitz genommen.

Lit.: Köbler, DRG 131; Köbler, Historisches Lexikon; Baltl/Kocher; Stupnicki, H., Das Königreich Galizien und Lodomerien, 1853; Pohl, D., Nationalsozialistische Judenverfolgung in Ostgalizien, 1996; Röskau-Reidel, I., Galizien, Bukowina, Moldau, 1999; Bachmann, K., Ein Herd der Feindschaft gegen Russland, 2001; Fellerer, J., Mehrsprachigkeit im galizischen Verwal­tungs­wesen, 2004; Struve, K., Bauern und Nation in Galizien, 2005; Maner, H., Galizien, 2007; ; Wolff, L., The Idea of Galicia, 2010; Kuzmany, B., Brody, 2011

Gallicus →mos Gallicus

Gallien (lat. [F.] Gallia) ist das Gebiet zwischen Apennin und Alpen (Gallia citerior) und seit Caesar (58-51 v. Chr.) das Land der Gallier zwischen Rhein, Alpen, Mittelmeer, Pyrenäen und Atlantik (Gallia ulterior). Nach der Eroberung Galliens durch die Römer (225-51 v. Chr.) wird G. romanisiert. Um 500 ist es fast vollständig im Besitz der rasch romanisierten →Franken. →Frankreich

Lit.: Stroheker, K., Der senatorische Adel im spätantiken Gallien, 1948 (5 bzw. 8 Namen von insgesamt 411 Personen); Lugge, M., Gallia und Francia, 1960; Lerat, L., La Gaule romaine, 1977; Gallien in der Spätantike, hg. v. Römisch-germanischen Zentralmuseum, 1980; Wightman, E., Gallia Belgica, 1985; King, A., Roman Gaul, 1990; Recht im frühmittelalterlichen Gallien, hg. v. Siems, H. u. a., 1995; Woolf, G., Becoming Roman, 1998; Freyberger, B., Südgallien, 1999; Wierschowski, L., Fremde in Gallien, 2001; Botermann, H., Wie aus Galliern Römer wurden, 2005; Mériaux, C., Gallia irradiata, 2006; Reddé, M., L’architecture de la Gaule romaine, 2006

Galway an einer irischen Atlantikbucht erscheint 1124 erstmals. Im 14. Jh. wird es Stadt. 1845 erlangt es eine Universität.

Gandinus (de Gandino), Albertus (Crema/Lombardei um 1245-nach [?] 1311) wird nach dem Rechtsstudium in Padua (1265-1275, Schüler Guido da Suzzaras) Richter in Lucca (1281), Bologna (1284), Perugia (1286/1287), Florenz (1288), Bologna (1289, 1294/1295), Siena (1299) und Perugia (1300), 1305 Herr (Podestà) in Fermo und 1310 Höchstrichter in Florenz. Eine universitäre Tätigkeit übt er nicht aus. 1286/1287 veröffentlicht er eine in erster Fassung in Perugia verfasste Sammlung berühmter Rechtsfragen (lat. libellus de male­ficiis, vor allem des Odofredus und des Guido da Suzzara), die erweitert und erstmals systematisiert (5 Verfahrensarten [lat. accusatio, denunciatio, inquisitio, exceptio, notorium], gemeinsame Fragen dieser Verfahrensarten [Ladung, Stellver­tretung, Bann  u. s. w.], Strafrecht) 1299 in Siena und 1300 in Perugia erscheint, als (lat.) Tractatus (M.) de maleficiis (Abhandlung von Verbrechen) bekannt ist und in Deutschland im 15. Jh. (→Klagspiegel, →Constitutio Criminalis Bambergensis 1507) aufgenom­men wird. Daneben stellt er (lat.) Quaestiones (F.Pl.) statutorum (Fragen der Statuten) zusammen (Bologna 1289).

Lit.: Albertus Gandinus, Quaestiones, hg. v. Solmi, A, (in) Bibliotheca Iuridica medii aevi 3, 1901, 155ff.; Kantorowicz, H., Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik, 1907ff. (in Bd. 2 Ausgabe des Tractatus); Kantorowicz, H., Geschichte des Gandinus-Textes, ZRG RA 42 (1921), 1, 43 (1922), 1; Kantorowicz, H., Leben und Schriften des Albertus Gandinus, ZRG RA 44 (1924), 224; Vallerani, M., La giustizia pubblica medievale, 2005; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 468

Ganerbe ist der Angehörige einer rechtlich ungeteilten Erbengemeinschaft, insbeson­dere in der Ritterschaft. Eine Ganerbschaft kann auch durch Vertrag begründet werden. Ziel ist dabei die Erhaltung des Familienguts, weswegen eine Teilung oft nur hinsichtlich der Nutzung erfolgt. Der Erhaltung dient auch die Begründung eines →Fami­lien­fidei­kommisses. Trotz dessen Vordrin­gens beste­hen ritterliche Ganerbschaften bis zum 19. Jh.

Lit.: Hübner 157f., 251, 429; Köbler, WAS; Wippermann, E., Über Ganerbschaften 1873; Zimmermann, J., Ritterschaftliche Ganerbschaften in Rheinhessen, Diss. phil. Mainz, 1957; Alsdorf, F., Untersuchungen zur Rechtsgestalt und Teilung der Ganerbenburgen, 1980

Gans, Eduard (Berlin 23. 3. 1797-5. 5. 1839), aus alter norddeutscher jüdischer Hof­faktoren­familie, wird nach dem Studium von Rechtswissenschaft, Philosophie und Ge­schichte in Berlin, Göttingen und Heidel­berg (Promotion), Ablehnung der Zulassung zu Lehrtätigkeit in Berlin (1822, Savigny) und nach der Taufe (1825) 1826 in Berlin außerordentlicher, 1828 ordentlicher Profes­sor für römisches und bürgerliches Recht in Berlin (mit großem Zulauf). Im Streit mit →Savigny (u. a. über Besitz) tritt er gegen die Erforschung geschichtlicher Einzelheiten und für der Aufklärung ver­pflich­tete philo­so­phisch-universalge­schicht­liche Studien (Scho­lien zum Gajus 1819, Das Erbrecht in weltge­schicht­licher Entwicklung, Bd. 1ff. 1824ff., Neu­druck 1963) ein. Er betreibt Rechts­vergleichung und vertritt Georg Will­helm Friedrich Hegels Philosophie. Einer seiner Schüler ist Karl Marx.

Lit.: Reissner, H., Eduard Gans, 1965; Braun, J., Die „Lex Gans“ – ein Kapitel aus der Geschichte der Judenemanzipation in Preußen, ZRG GA 102 (1985), 60; Eduard Gans, hg. v. Waszek, N., 1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 45; Braun, J., Judentum, 1997; Eduard Gans 1797-1839, hg. v. Blänkner, R. u. a., 2002; Gans, E., Naturrecht und Universalrechtsgeschichte, hg. v. Braun, J., 2005; Nielsen, E., Ehe, väterliche Gewalt und Testierfreiheit in „weltgeschichtlicher Betrach­tung“, 2006; Gans, E., Briefe und Dokumente, hg. v. Brun, J., 2011

Ganshof, François-Louis (Brügge 14. 3. 1895-Brüssel 26. 6. 1980), Schüler Henri Pirennes, Professor für mittelalterliche Ge­schichte in Gent (Was waren die Kapitularien?, Was ist das Lehnswesen? 1961, 6. A. 1983)

Gant (F., zu lat. [in] quantum, [zu] wieviel) ist im mittelalterlichen deutschen Recht die Versteigerung eines (verpfändeten) Gegen­stands im Wege der Zwangs­vollstreckung. Sie entsteht in der (oberdeutschen) Stadt (Zürich 1372, Leutkirch 1382, Bremgarten 1417, Augsburg 1447, Nürnberg 1479, Freiburg im Breisgau 1520, Württemberg 1555, Bayern 1611). Sie will die Selbsthilfe eindämmen und den Schuldner vor übermäßigem Wertverlust sichern. Zu diesem Zweck werden besondere Gant­ordnungen (z. B. Augsburg 1447) erlassen. Danach muss das vom Büttel oder Fronboten verwahrte (bewegliche) Pfand öffentlich zum Kauf angeboten und an den Meistbietenden gegen Barzahlung ausge­hän­digt werden. Im 19. Jh. unterliegt die G. dem Konkurs.

Lit.: Köbler, DRG 116; Planitz, H., Die Vermögens­vollstreckung, Bd. 1 1912, 680; Leisner, L., Das bayerische Gantrecht, 1971; Bornhorst, R., Das bayerische Insolvenzrecht im 19. Jahrhundert, 2002; Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004

Garantie ist die einem anderen gegenüber abgegebene Beteuerung der Richtigkeit einer Erklärung. Sachlich wirkt sich der Gedanke der G. bereits in der (lat. [F.]) custodia des römischen Rechtes aus. Als eigener Vertrag erscheint der Garantievertrag wohl erst im 20. Jh.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mager, U., Einrichtungs­garantien, 2003

Garantismus ist eine Form des Wohlfahrts­staats, bei der ein Grundeinkommen garantiert wird.

Lit.: Opielka, M., Sozialpolitik, 2004

García Goyena, Florencio (1783-1835) wird nach dem Rechtsstudium in Madrid und Salamanca Verwaltungsbeamter, Richter und Justizminister (1847). 1851 legt er einen an Frankreich, Preußen und Österreich orientierten, das partikulare Recht Spaniens missachtenden Entwurf eines (span.) Codigo civil (Zivilgesetzbuchs) vor. Erst 1888/9 gelingt ein spanisches Zivilgesetzbuch.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,1,497

Gareis, Karl (Bamberg 24. 4. 1844-München 15. 1. 1923) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Bern, Gießen, Königsberg und München (Das deutsche Handelsrecht, 9. A. 1909, Enzyklopädie und Methodologie der Rechtswissenschaft, 5. A. 1920).

Lit.: Schwab, D., Geschichtliches Recht und moderne Zeiten, FS H. Hübner, 1984, 215; Rehbinder, M., Karl Gareis und Felix Dahn zur Theorie des Urheberrechts (in) Gedächtnissschrift Herbert Hofmeister, 1996, 621

Garsten ist die im Siedlungsgebiet der Bayern 985 urkundlich erwähnte spätere Marktgemeinde Oberösterreichs, in der 1107 ein 1787 aufgelöstes Benediktinerkloster errichtet wird, aus dem zwei Traditionsbücher des späteren 12. Jh.s bekannt sind.

Lit.: Haider, S., Studien zu den Traditionsbüchern des Klosters Garsten, 2008

Garten ist das durch Hecke oder Zaun abgegrenzte, intensiv durch Pflanzenanbau bewirtschaftete Grundstück. Da der G. die Allgemeinheit von der Mitbenutzung aus­schließt, bedarf seine Einrichtung zeitweise der Zustimmung der Grundherrschaft oder Gemeinde.

Lit.: Bader, K., Gartenrecht, ZRG GA 75 (1958), 252; Weymuth, H., Erscheinungsformen und Bedeutungen der extramuralen Rechtsbereiche nordosts­chweizeri­scher Städte, Diss. jur. Zürich 1967

Gas ist der Zustand eines Körpers und der Körper, in dem sich alle Moleküle vollkommen frei bewegen und der Körper jeden verfügbaren Raum vollständig und gleichmäßig ausfüllt.

Lit.: L’industrie du gaz en Europe, hg. v. Paquier, S. u. a., 2005; Auf der Suche nach Eden, hg. v. Stolberg, E., 2008

Gascogne im Südwesten des Frankenreichs ist ein nach den mit den Basken verwandten Wasconen benanntes, seit 768 selbständiges Herzogtum, das 1052 an Aquitanien fällt.

Lit.: Histoire de la Gascogne, hg. v. Bordes, M., 1978

Gasparri, Pietro (Ussita 5. 5. 1852-Rom 18. 11. 1934) wird nach der Ausbildung in Rom Doktor der Philosophie, Theologie und Kanonistik, 1880 Professor für kanonisches Recht und 1901 Sekretär einer Kurienkongregation. Auf seine Anregung, ein neues kirchliches Gesetzbuch zu schaffen, ernennt ihn Papst Pius X. 1904 zum Sekretär der für die Gesetzgebung eingerichteten Kardinalskommission. 1917 wird der von ihr erarbeitete →Codex iuris canonici veröf­fentlicht.

Lit.: Stickler, A., Historia iuris canonici latini, Bd. 1 1950, 376; Müller, A./Elsener, F./Huizing, P., Vom Kirchenrecht zur Kirchenordnung?, 1968, 29

Gast ist der in den Schutz eines Gastgebers aufgenommene Mensch, insbesondere der Fremde. Für ihn entwickeln sich schon früh einige besondere Rechtssätze.

Lit.: Kaser § 13 I 2b; Köbler, DRG 15; Rudorff, H., Zur Rechtsstellung der Gäste im mittelalterlichen städtischen Prozess, 1907; Schultze, A., Über Gästerecht und Gastgerichte, HZ 101 (1908), 473; Hellmuth, L., Gastfreundschaft und Gastrecht bei den Germanen, 1984; Peyer, H., Von der Gastfreundschaft zum Gasthaus, 1987; Hartmann, J., Staatszeremoniell, 1988, 4. A. 2007; Berger, J., Die Geschichte der Gastfreundschaft im hochmittelalterlichem Mönchtum 1999; Stein-Hölkeskamp, E., Das römische Gastmahl, 2005

Gastalde (zu lang. *gastald Erwerb, Ge­winn?) ist im frühmittelalterlichen Italien der vielleicht um 590 (584?) geschaffene langobardische Amtsträger teils des Königs, teils der Herzöge. Er bleibt in Oberitalien trotz der teilweisen Umwandlung in den Grafen bis in das Hochmittelalter bedeutsam.

Lit.: Schneider, F., Die Reichsverwaltung der Toscana, 1914; Mor, C., Lo stato longobardo nel VII secolo, Sett. di Spoleto V 1969, Bd. 1, 271; Conti, P., Il ducato di Spoleto, 1982; Priester, K., Geschichte der Langobarden, 2004

Gaster

Lit.: Gmür, E., Rechtsgeschichte der Landschaft Gaster, 1905

Gastung ist die einem →Gast meist auf Grund einer Verpflichtung zu erbringende Leistung.

Lit.: Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, Bd. 1f. 1968

Gastwirt ist der geschäftsmäßig andere Menschen beherbergende und mit Speisen und Getränken bedienende Unternehmer. Für ihn gilt bereits im römischen Recht das wohl aus Vertragsgewohnheit entstandene beson­dere (lat. [N.]) receptum nautarum cauponum et stabulariorum, das der Gefähr­dung der vielfach fremden Gäste durch den boden­ständigen G. Rechnung trägt. Der geschädigte Gast hat die (lat.) actio de recepto. Den nach Aufnahme des römischen Rechtes entwickelten gemeinrechtlichen Lehren folgend wird am Ende des 19. Jh.s noch eine vertragliche Haf­tung angenommen, später die Haftung als gesetzlich angesehen.

Lit.: Immenhauser, M., Das Dogma von Vertrag und Delikt, 2006; Zimmermann, R., Geschichte der Gastwirtshaftung in Deutschland, (in) Usus modernus pandectarum, 2007, 271ff.; Hellwege, P., Der formularmäßige Ausschluss der Haftung der Gastwirte, ZNR 2007, 240ff.; Girtler, R., Herrschaften wünschen zahlen, 2008

Gatterzins ist in Mittelalter und früher Neu­zeit der vom Zinsberechtigten am Zaun (Gat­ter) des Zinspflichtigen (Freien) abzu­ho­lende Zins.

Gattungskauf ist der →Kauf einer nur der Gattung nach bestimmten Sache. Er ist dem römischen Recht erst in der Form des Kaufes einer zu einem Vorrat gehörigen Sache bekannt.

Lit.: Kaser § 41 II 2; Ernst, W., Gattungskauf und Lieferungskauf, ZRG RA 114 (1997), 272; Ernst, W., Kurze Rechtsgeschichte des Gattungskaufs, ZEuP 1999

Gattungsschuld ist die bereits dem römischen Recht bekannte, auf die Leistung eines nur der Gattung (lat. [N.] genus) nach bestimmten Gegenstands gerichtete →Schuld. Bei ihr trägt die Gefahr des zufälligen Untergangs der Schuldner, der so lange leisten muss, wie die Gattung nicht erschöpft ist ([lat.] genus non perit bzw. →genus perire non censetur, Gattung geht nicht unter).

Lit.: Kaser § 34 III 2

Gau ist die als besondere Einheit angesehene kleinere (, wasserreiche, siedlungsgünstige) Landschaft (lat. [M.] pagus, z. B. Aargau, Breisgau, Pongau, Rheingau, Thurgau, in den Quellen bis zum 12. Jh. etwa 150 von insgesamt 500 Landschaftsnamen). Sie hat insbesondere im Frühmittelalter Bedeutung, in dem der G. nach umstrittener Ansicht den örtlichen Tätig­keitsbereich eines →Grafen (lat. comes, →comitatus) bezeichnet, ohne dass auch in nur einem einzigen Fall die Deckungsgleichheit der Gauangaben der Quellen und der jeweils gegebenen Bezirke der Grafen erwiesen und ohne dass von einem lückenlosen unver­änderlichen Netz von Gauen ausgegangen werden kann. Es lassen sich mehrere Grafschaften innerhalb eines pagus und verschiedene pagi innerhalb einer Grafschaft nachweisen. Im Dritten Reich wird - vorbereitet durch die Romantik des 19. Jh.s - vor allem ab 1928 der G. unter einem Gauleiter künstlich wiederbelebt (Baden, bay­erische Ost­mark, Berlin, Düsseldorf, Es­sen, Franken, Halle-Merseburg, Hamburg, Hes­­sen­-Nassau, Kob­lenz-Trier/Moselland, Köln-Aachen, Kur­hes­sen, Kurmark, Magde­burg-Anhalt, Main­franken, Mecklen­burg, Mün­chen-Oberbayern, Ost-Hannover, Ost­preu­ßen, Pom­mern, Saar­pfalz/Westmark, Sach­­sen, Schle­sien, Schles­wig-Holstein, Schwa­­ben, Süd-­Hannover-Braun­schweig, Thü­­ringen, We­­ser-Ems, West­falen-Nord, Westfalen-Süd, Würt­temberg-Ho­henzollern, (1939) Kärnten, Nie­derdonau, Oberdonau, Salzburg, Stei­ermark, Tirol-Vorarlberg, Wien, Sudeten­land, Danzig-Westpreußen, Wartheland).

Lit.: Köbler, WAS; Baumann, F., Die Gaugrafschaften im Wirtembergischen Schwaben, 1879; Curs, O., Deutschlands Gaue im 10. Jahrhundert, Diss. phil. Göttingen 1908; Werneburg, R., Gau, Grafschaft und Herrschaft in Sachsen, 1910; Bauer, A., Gau und Grafschaft in Schwaben, 1927; Prinz, J., Pagus und comitatus in den Urkunden der Karolinger, AUF 17 (1941), 329; Bohnenberger, K., Frühalemannische Land­strichsnamen, Z. f. württ. Landesgesch. 7 (1943), 99; Bohnenberger, K., Landstrichs- und Gebietsbe­zeichnungen in den südwestdeutschen Urkunden des 8.-10. Jahrhunderts, ZGO N. F. 56 (1943), 1; Hamm, E., Herzogs- und Königsgut, Gau und Grafschaft im frühmittelalterlichen Bayern, Diss. phil. München 1949 (masch.schr.); Krüger, S., Studien zur sächsischen Grafschaftsverfassung im 9. Jahrhundert, 1950; Metz, W., Bemerkungen über Provinz und Gau, ZRG GA 73 (1956), 361; Diepolder, G., Die Orts- und in-pago-Nennungen im bayrischen Stammesherzogtum, Z. f. bay. LG. 20 (1957), 364; Hessler, W., Mitteldeutsche Gaue, 1957; Polenz, P. v., Landschafts- und Bezirksnamen im frühmittelalter­lichen Deutschland, 1961; Wagner, G., Die Verwaltungsgliederung im karolingischen Reich, 1963; Niemeyer, W., Der pagus des frühen Mittelalters in Hessen, 1968; Hüttenberger, P., Die Gauleiter, 1969; Nonn, U., Pagus und comitatus in Niederlothringen, 1983; Borgolte, M., Geschichte der Grafschaften Alemanniens, 1984; Puhl, R., Die Gaue und Grafschaften des frühen Mittelalters im Saar-Mosel-Raum, 1999; Bauer, T., DIe mittelalterlichen Gaue, 2000; Rumschöttel, H./Ziegler, W., Staat und Gaue in der NS-Zeit in Bayern, 2003; Springer, M., Die Sachsen, 2004; Die NS-Gaue, hg. v. John, J. u. a., 2007

Gaudenzi →Fragmenta Gaudenziana

Gauner ist die vielleicht auf Ionier (Griechen) anspielende, aus dem Westjiddischen kommende Bezeichnung (16. Jh., lat. Liber vagatorum 1510) für Spieler oder Straftäter, die zeitweise eine aus unterschiedlichen Gegebenheiten erwachsen­de Schicht von nichtsesshaften Rechts­brechern bilden, die im 18. und 19. Jh. eine gewisse Dichte erreicht.

Lit.: Ave-Lallemant, F., Das deutsche Gaunertum, Bd. 1ff. 1858ff.; Frauenstädt, P., Das Gaunertum des deutschen Mittelalters, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 18 (1898), 331; Günther, L., Die deutsche Gaunersprache, 1919; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951, 291; Küther, C., Räuber und Gauner in Deutschland, 1976; Schubert, E., Arme Leute, Bettler und Gauner, 1983; Jütte, R., Abbild und soziale Wirklichkeit, 1988; Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001; Danker, U., Die Geschichte der Räuber und Gauner, 2001; Härter, K., Policey und Strafjustiz in Kurmainz, 2005

Gebärde ist die eine innerliche Einstellung ausdrückende äußerliche Haltung eines Men­schen, insbesondere des Gesichts und der Hände. Bestimmte Gebärden können in bestimmter Umgebung eine rechtliche Bedeutung haben (z. B. Erheben der Schwur­hand bei einem Eid). Der schwierigen Untersuchung rechtsgeschicht­licher Gebärden widmet sich die Rechtsarchäologie.

Lit.: Sittl, C., Die Gebärden, 1890; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899ff., Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1905; Panzer, M., Tanz und Recht, 1938; Künß­berg, E. Frhr. v., Schwurgebärde und Schwurfinger­deutung, 1941; Schwerin, C. Frhr. v., Einführung in die Rechtsarchäologie, 1943; Garnier, F., Le langage de l’image, 1981; Schmidt-Wiegand, R., Gebärdensprache im mittelalterlichen Recht, Frühmittelalterl. Studien 16 (1982), 363; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Schmidt, J., Die Logik der Gesten, 1992; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Kresse, D./Feldmann, G., Handbuch der Gesten, 1999

Gebäude ist das von Menschen geschaffene Bauwerk. Es ist im älteren deutschen Recht Fahrnis und kann daher einen anderen Eigentümer haben als das Grundstück, auf dem es errichtet ist. Mit der Aufnahme des römischen, auch besondere Gebäudeservituten kennenden Rechtes seit dem Spätmittelalter wird es mehr und mehr als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks angesehen. Seit dem 17. Jh. wirkt sich das →Baurecht immer stärker auf die Errichtung von Gebäuden aus.

Lit.: Hübner 188f.

Gebietsgemeinde ist die auf ein (größeres) Gebiet bezogene Gemeinde (z. B. öster­reichisches provisorisches Gemeindegesetz vom 17. 3. 1849, später wieder aufge­geben).

Geblütsrecht ist das auf Grund der Ver­wandtschaft bestehende Recht oder Anrecht auf einen Gegenstand. In Bezug auf das deutsche Königtum kann sich ein G. gegenüber dem Wahlgrundsatz nicht entscheidend durchsetzen. Dagegen steigert sich in den Ländern das G. sogar zum Erbrecht (Erbmonarchie).

Lit.: Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938, 2. unv. A. 1944, Neudruck 1965, 1981, 28; Rörig, F., Geblütsrecht und freie Wahl, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin, 1948

Gebot ist die hoheitliche Anordnung eines bestimmten Verhaltens (, im Zivilver­fahrensrecht im Rahmen der Zwangsvoll­streckung das Angebot zu einem öffentlichrechtlichen Vertrag). Das G. findet sich, wo immer Hoheitsgewalt besteht. Seine besondere Bedeutung zeigt sich bei der Entstehung des →Staates.

Lit.: Köbler, DRG 139; Willoweit, D., Gebot und Verbot im Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94; Simon, T., Grundherrschaft und Vogtei, 1995; Schildt, B., Bauer, Gemeinde, Nachbarschaft, 1996

Gebotenes Ding ist das durch einzelnes →Gebot besonders festgesetzte →Ding.

Gebotsgewalt ist die Gewalt zum Erlass von Geboten.

Gebrauch (lat.) usus (M.)

Gebrauchsmuster ist die Gestaltung einer Arbeitsgerätschaft oder eines Gebrauchsgegenstands oder eines Teiles davon, die dem Arbeitszweck oder Gebrauchszweck durch eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vor­richtung dienen soll. In Deutschland wird 1876 bzw. 1891 das erste Gebrauchs­mus­tergesetz erlassen.

Lit.: Müller, E., Die Entwicklung des Erfindungsschutzes, 1898

Gebühr ist die Geldleistung, die als Gegen­leistung für eine besondere, vom Einzelnen veranlasste Inanspruchnahme der Verwaltung verlangt wird (Otto Mayer 1895). Eine solche Gegenleistung ist als (lat. [F.]) sportula bereits dem römischen Recht bekannt. Im Mittelalter entwickeln die Landesherren, auf welche die Regalien übergehen, und die Grundherren vielfältige Einnahmequellen. Auch die Kirche verlangt für bestimmte Handlungen Gegen­leistungen, selbst für den besonderen Sündenerlass. Eine eindeutige Trennung zwischen G. und Steuer vollzieht erst das späte 19. Jh. (Preußen Landgemeinde­ordnung vom 3. 7. 1891, Kommunalabgabengesetz vom 14. 7. 1893). In gewisser Weise spiegelt die G. die Geschichte des Staates, seiner Finanzierung und Verrechtlichung wider.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 36 II 4; Moll, W., Über Gebühren, 1916; Domschke, M., Der Gebührenbegriff, 1928; Waitz, H., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am Main 1939; Hansmeyer, K./Fürst, D., Die Gebühr, 1968; Sackofsky, U., Umweltschutz durch nichtsteuerliche Abgaben, 2000; Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, hg. v. Sackofsky, U. u. 1., 2000

Gebundener Tag ist (im Mittelalter) ein bestimmte rechtlich bedeutsame Handlungen ausschließender Tag (z. B. Sonntag), vgl. Sachsenspiegel Land­recht II 66,2).

Geburt (Wort bereits für das Germanische zu erschließen) ist der Vorgang, durch den die Leibesfrucht des Menschen (oder eines höheren Tieres) aus dem mütterlichen Körper an die Außenwelt gelangt. Nach dem römischen Recht wird zwar das noch ungeborene Kind (lat. →nasciturus) für die Erbfolge nach seinem Vater als bereits geboren fingiert, doch beginnt im Übrigen erst mit der G. die →Rechtsfähigkeit. Nach (germanischem? und) mittelalterlichem Recht muss das Kind nach der G. vom Vater bzw. der Familie besonders aufge­nommen werden. Verschiedentlich wird auch eine gewisse Lebenskraft als Voraus­setzung für einen Rechtserwerb verlangt. Für die christliche Kirche wird der Mensch erst durch die Taufe zur Person. Seit etwa 1800 wird die G. (auf bestimmtem Gebiet oder von bestimmten El­tern) für den Erwerb der Staatsan­gehörigkeit wichtig. In Deutschland führt das Reichs­personenstands­gesetz vom 6. Februar 1875 die öffentliche Beurkundung jeder G. durch den Standesbeamten ein. Nach § 1 BGB (1896/1900) beginnt mit Vollendung der Geburt die Rechtsfähigkeit.

Lit.: Kaser § 13 II; Hübner § 6; Köbler, DRG 75, 120, 129; Brunner, H., Die Geburt eines lebenden Kindes und das eheliche Vermögensrecht, ZRG GA 16 (1895), 63; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 248, 253; Peters, R., Der Schutz des neugeborenen, insbeondere des missgebildeten Kindes, 1988; Labouvie, E., Andere Umstände, 1998, 2. A. 2000; Uebe, A., Die rechtliche Situation der Hebammen in der Geburtshilfe, 2000; Schumann, E., Unrechtsausgleich im Frühmittelalter, ungedr. Habilitationsschrift Leipzig 2003; Drescher, T., Beginn des Menschseins, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Schlumbohm, J., Lebendige Phantome - Ein Entbindungshospital, 2012 (Göttingen 1751)

Geburtenregister ist das durch das Konzil von Trient (1545-63) in der Kirche vorgesehene, die →Geburten festhaltende Verzeichnis. Es geht am Ende des 19. Jh.s auf den Staat über (→Personenstandsgesetz).

Geburtsstand ist im römischen und mittelalterlichen Recht der durch die →Geburt erworbene Stand (z. B. Adliger, Freier, Unfreier, Sklave).

Gedächtniszeuge ist der bewusst beigezogene Zeuge im Gegensatz zum zufälligen Zeugen.

Gedanken sind frei.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 123 (Franck 1541)

Gedinge ist im mittelalterlichen Recht die Vereinbarung oder auch die Verhandlung. In Frankreich und England wird im 12. Jh. der Vereinbarung der Vorrang vor dem allgemeinen Recht gewährt (G. bricht Landrecht), in Deutschland anscheinend im 14. Jh.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Stölzel, A., Geding, Appellation, Hof, Hofgericht und Räte, Abschied und Urteil, 1912; Hagemann, H., Gedinge bricht Landrecht, ZRG 87 (1970), 114

Gefahr (Wort um 1275 im Schwabenspiegel) ist die Wahrscheinlich→keit des Eintritts eines Schadens. Grundsätzlich muss jeder Mensch sich selbst vor Schäden schützen, weshalb im römischen Recht der Grundsatz gilt (lat.) casum sentit dominus (den Fall spürt der Herr). Vor der G. des Verfahrensverlustes durch Verfahrensfehler soll im hochmittelalterlichen Recht der →Fürsprech schützen. Beim Kauf teilt das römische Recht die G. (lat. [N.] periculum) des zufälligen Untergangs der Kaufsache zwischen Kaufvertragsabschluss und Ver­trags­erfüllung grundsätzlich dem Käufer zu, der den Kaufpreis zahlen muss, obwohl er wegen Freiwerdens des Schuldners von der Leistungspflicht die Kaufsache nicht erhält (periculum est emp­toris, Preisgefahr).

Lit.: Kaser §§ 34, 41, 42, 62; Siegel, H., Die Gefahr vor Gericht und im Rechtsgang, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 51, 1866; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzugs beim Kaufvertrag, 1913; Ernst, W., Das klassische römische Recht der Gefahrtragung, Diss. jur. Bonn 1981; Bauer, M., Periculum emptoris, 1998; Pennitz, M., Das periculum rei venditae, 2000; Müller, C., Gefahrtragung bei der locatio conductio, 2002; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Gefährdung (1794) ist die Schaffung der Möglichkeit eines Schadenseintritts.

Lit. Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Gefährdungshaftung (Rümelin 1896) ist das einseitig verpflichtende gesetzliche Schuldverhältnis, in dessen Rahmen der Schaden zu ersetzen ist, der durch eine erlaubte, abstrakt gefährliche Betätigung oder Anlage entsteht. Die G. ist eine Art der Erfolgshaftung. Einzelne Fälle von E. kennt bereits das ältere Recht. Die Erfolgshaftung entsteht als G. in der Zeit, in der sich auf der Grundlage des Liberalismus der Ver­schuldensgrundsatz des Schadensersatz­rechts durchsetzt. Beispielhaft verwirklicht wird die G. durch den von Friedrich Carl von Savigny mittels eines schriftlichen Votums fördernd beeinflussten § 25 des preußischen Eisen­bahn­gesetzes vom 3. 11. 1838. Mit der sozialversicherungsrechtlichen Lösung der Haftung bei Arbeitsunfall durch pauschale Versicherungsbeiträge des Arbeitgebers schwindet das Bedürfnis nach einer allgemeinen Regelung der G. Diese wird Einzelgesetzen überlassen (1871 Reichshaft­pflichtgesetz, 1900 Wildscha­den, Tierhaltung [im BGB, 30. 5. 1908 gemildert], 1909 Automobilgesetz/­Kraftverkehrsgesetz, 1. 8. 1922 Luft­fahrzeuge, 29. 4. 1940 Sachschäden durch Eisenbahn und Straßenbahn, 15. 8. 1943 Energieanlagen, 1957 Wasserhaus­haltsgesetz, 1959 Atomge­setz, 1961 Arznei­mit­telgesetz 1961, 1980 Bundesberggesetz, 1989/1990 Produkthaf­tungs­­gesetz, 1990 Bun­desdatenschutzgesetz, 1990 Gentechnik­ge­setz, 1991 Umwelthaf­tungsgesetz, 2007 Um­weltscha­dens­gesetz). In der Regel ist der Umfang der Haftung summenmäßig beschränkt. Ausge­schlossen ist die G. meist bei höherer Gewalt oder Verschulden des Geschädigten.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 216, 242; Ogorek, R., Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975; Baums, T., Die Einführung der Gefährdungshaftung durch F. C. von Savigny, ZRG GA 104 (1987), 277; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 2 1989, 524ff.; Gadow, O. v., Die Zähmung des Automobils, 2002; Jansen, N., Die Struktur des Haftungsrechts, 2003; Bürge, A., Die Entstehung und Begründung der Gefährdungshaftung im 19. Jahrhundert, FS Canaris 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Gefahrenabwehr →Gefahr, →Polizei

Gefahrgeneigte Tätigkeit ist im 20. Jh. in Deutschland die Tätigkeit eines Arbeit­nehmers, die mit einer gewissen Wahr­schein­lich­keit zu einem Schaden des Arbeitnehmers, Arbeitge­bers oder eines Dritten führt, für die der Schädigende aus sozialen Gründen nicht nach den allgemeinen Haftungsgrundsätzen ein­stehen soll, so dass der Arbeitgeber ohne Verschulden einstehen muss. 1995 dehnt das Bundesarbeitsgericht diese Risikoverteilung auf alle Arbeits­verhältnisse aus, so dass die g. T. als solche überflüssig wird.

Lit.: Köbler, G., Mittlere Fahrlässigkeit und dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 1969, 404; Ehrenberg, S., Die rechtshistorischen Wurzeln des Begriffs der gefahrgeneigten Arbeit, Diss. jur. Frankfurt am Main 1998; Brandt, P., Geschichtliche Entwicklung, 1998

Gefahrtragung (Tragung der Leistungsge­fahr bzw. Preisgefahr) →Gefahr

Lit.: Heuer, P., Der Annahmeverzug, 1911; Thielmann, G., Traditio und Gefahrübergang, ZRG RA 106 (1989), 292; Bauer, M., Periculum emptoris, 1998

Gefahrübergang ist der Übergang der Gefahr der Tragung eines Verlusts von einer Person auf eine andere Person (z. B. bei einem Kauf).

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Gefälle sind im mittelalterlichen deutschen Recht Abgaben auf der Seite des Leistenden und Einkünfte auf der Seite des Empfängers.

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Gefangenenbefreiung

Lit.: Hofmann, H., Die Gefangenenbefreiung, 1903

Gefangener ist der gegen seinen Willen von anderen von der Bewegungsfreiheit ausge­schlossene Mensch (z. B. Kriegsgefangener, Strafgefangener).

Gefängnis (13. Jh. „Gefangennahme, Gefan­gen­schaft“) ist das für einen meist hoheitlich angeordneten Freiheitsentzug eines Menschen verwendete Gebäude und der für den Betroffenen dort entstehende Zustand. Im Gegensatz zu dem deutlich älteren Freiheitsentzug durch Kriegsge­fangenschaft oder zur Untersuchung wird der auch in Rom unbekannte Freiheits­entzug als Strafe (in vergitterten Gebäuden) erst zwischen 1250 und dem 15. Jh. bedeutsamer (z. B. Venedig, Florenz, Bologna, Siena). Das seit etwa 1400 verbreitete G. dieser Zeit ist einfach und zumindest teilweise unmenschlich, wogegen sich erst­mals John Howard ([engl.] State of prisons in England and Wales, 1777, Der Zustand der Gefängnisse in England und Wales) wendet. Mit dem Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) wird die Freiheitsstrafe wichtigste Strafe. Am 7. 6. 1923 vereinbaren die Länder des Deutschen Reiches Grundsätze für den Vollzug von Freiheitsstrafen. Einzelne An­sätze zu einer beschränkten Gefan­genen­mitverantwor­tung verdichten sich nur allmäh­lich. 1969 wird das G. verbal beseitigt (Justizvollzugsanstalt).

Lit.: Köbler, DRG 205; Quanter, R., Deutsches Zuchthaus- und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Bohne, G., Die Freiheitsstrafe, Bd. 1f. 1922ff.; Hippel, R. v., Deutsches Strafrecht, Bd. 1 1925; Appenzeller, G., Strafvollzug und Gefängniswesen im Kanton Solothurn, 1957; Blesken, H., Ältere deutsche Gefängnisnamen, ZRG GA 80 (1963), 357; Foucault, M., Überwachen und Strafen, 1976; Lawn, E., Gefangenschaft, 1977; Zwicky, J., Das Gefängnis­wesen zur Zeit der Helvetik, Diss. jur. Zürich 1982; The Oxford History of the Prison, ed. by Morris, N., 1996; Schildt, B., Tumult und Aufruhr in Bernburg, (in) Rechtsgeschichte in Halle, hg. v. Lieberwirth, R., 1998, 53; Krause, J., Gefängnisse im römischen Reich, 1996; Krause, T., Geschichte des deutschen Strafvollzugs, 1999; Sidorowitz, M., H. B. Wagenitz und die Reform des Vollzuges der Freiheitsstrafe an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, 2000; Nutz, T., Strafanstalt als Besserungsmaschine, 2001; Dunbabin, J., Captivity and Imprisonment in Medieval Europe 1000-1300, 2002; Gefängnis und Gesellschaft, hg. v. Ammerer, G., 2003; Breßler, S., Schuld­knechtschaft und Schuldturm, 2004; Schäfer, J., Nicht-monetäre Entlohnung von Gefangenenarbeit, 2006; Ohlemann, K., Historische Entwicklung der Gefangenenmitverantwortung in den deutschen Gefängnissen, 2007; Bretschneider, F., Gefangene Gesellschaft, 2008; Rosenblum, W., Beyond the Prison Gates, 2008; Geltner, G., The Medieval Prison, 2008; Maes, E., Van gevangenisstraf naar vrijheidsstraf, 2009

Geffcken, Heinrich Otto Wilhelm (Berlin 27. 6. 1865-Köln 5. 2. 1916) wird nach dem Stu­dium von Geschichte und Rechtswis­senschaft in Freiburg im Breisgau, Leipzig (Friedberg, Sohm) und Berlin, der Promotion (1890, 1892) und der Habilitation (1894) 1898 Pro­fessor in Rostock, 1903 der Handels­hoch­schule Köln.

Gefolgschaft (19. Jh.) ist im germanischen Recht möglicherweise die Gruppe (lat. [M.] comitatus, Begleitung) um einen Adligen gescharter junger Krieger (Tacitus, Germania c. 13, 14). Die Verbindung zu jüngeren Erscheinungen (z. B. Vasallität) ist ungesichert. Weiterreichende Vorstellungen (Georg Waitz 1844, Otto von Gierke 1868, Heinrich Brunner 1906, Richard Schröder 1932) sind fragwürdig.

Lit.: Brunner, H., Zur Geschichte des fränkischen Gefolgswesens, ZRG GA 9 (1888), 210; Seeck, O., Das deutsche Gefolgswesen auf römischem Boden, ZRG GA 17 (1896), 97; Kienle, R. v., Germanische Gemeinschaftsformen, 1939; Naumann, H., Germa­nisches Gefolgschaftswesen, 1939; Rehfeldt, B., König, Gefolgschaft und Volk im germanischen Alter­tum, 1942; Bretschneider, G., Die altnordische Gefolgschaft, Diss. jur. Bonn 1950; Schlesinger, W., Herrschaft und Gefolgschaft in der deutschen Verfassungsgeschichte, HZ 176 (1953), 225; Kuhn, H., Die Grenzen der germanischen Gefolgschaft, ZRG GA 77 (1960), 1; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft im frühen deutschen Recht, 1968; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Kristensen, A., Tacitus’ germanische Gefolgschaft, 1983; Kroeschell, K., Studien zum frühen und mittelalterlichen deutschen Recht, 1995, 183

Gegen den Lügner gibt es keine Redlichkeit. →Lüge

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 231 (Graf/Dietherr 1864)

Gegenkönig ist der nach Abschwächung des frühmittelalterlichen Geblütsrechts und vor Verfestigung des spätmittelalterlichen Wahl­rechts gegenüber einem gewählten König gewählte zweite König des 11. bis 14. Jh.s (Rudolf von Rheinfelden 1077, Hermann von Salm 1081, Konrad von Franken 1127, Friedrich II. 1212, Heinrich Raspe 1246, Wilhelm von Holland 1248, Alfons von Kastilien 1257, Karl IV. 1346, Günther von Schwarzburg 1349).

Lit.: Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938, 2. unv. A. 1944; Muylkens, M., Reges geminati - Die Gegenkönige in der Zeit Heinrichs IV., 2012

Gegenpapst ist der gegenüber einem ge­wählten Papst gewählte zweite Papst (lat. antipapa 1127, etwa 25-40).

Lit.: Anastasio, L., Istoria degli Antipapi, 1754

Gegenreformation (Johann Stephan Pütter, Leopold von Ranke) ist die mit Hilfe staatlicher Gewalt (Religionsbann, lat. ius reformandi) ausgeführte Gegen­be­wegung der katholischen Kirche gegen die kirchliche Reformation Martin →Luthers (1517) zwischen 1555 und 1648 bzw. die gewaltsame Rekatholisierung protestan­tisch gewordener Gebiete hauptsächlich durch Jesuiten (im sog. Zeitalter der Konfessi­onalisierung). Sie beruht gedanklich auf dem im Augsburger Religionsfrieden gesicherten Grund­satz (lat.) →cuius regio, eius religio. Sie wirkt sich deutlich in Bayern, Fulda, Würzburg, Österreich (Böhmen, Oberösterreich, Niederösterreich), Oberpfalz und Kurpfalz aus, bis der Friede von Münster und Osnabrück 1648 den Untertanen den Be­kenntnisstand des Jahres 1624 gewährt. In Spanien, Italien und Frankreich, Ungarn, Polen und dem Baltikum ist die dem Ab­solutismus verbundene G. ebenfalls erfolg­reich, in England, den Niederlanden und Skandinavien scheitert sie. Die von der Kirche in der G. in Anspruch genommene Hilfe des Staates bewirkt das Staatskir­chen­tum des Absolutismus.

Lit.: Köbler, DRG 130; Elkan, A., Entstehung und Entwicklung des Begriffs Gegenreformation, HZ 112 (1914), 473; Brandi, K., Gegenreformation und Religionskriege, 1930, 2. A. 1941; Zeeden, E., Das Zeitalter der Gegenreformation, 1967; Die Territorien des Reiches im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung 1500-1650, hg. v. Schindling, A. u. a., 1989ff.; Lutz, H., Reformation und Gegenreformation, 1991, 4. A. 1997, 5. A. 2002; Herzig, A., Der Zwang zum rechten Glauben, 2000; Pörtner, R., The Counter-Reformation in Central Europe, 2001; Lotterer, J., Gegenreformation als Kampf um die Landesherrschaft, 2003; Deventer, J., Gegenreformation in Schlesien, 2003; Weiß, D., Katholische Reform und Gegenreformation, 2005; Staatsmacht und Seelenheil, hg. v. Leeb, R. u. a., 2007

Gegenstand (1579) ist die vom Menschen behandelte Gegebenheit. Der G. kann körperlich oder unjörperlich sein.

Lit. Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Gegenzeichnung ist die Unterschrift eines zweiten Menschen nach der Unterschrift eines zu einer Handlung in erster Linie zuständigen Menschen. Sie wird seit dem 19. Jh. als G. eines Ministers (Preußen 1808) zur Einschränkung der Rechte des Monarchen verwendet.

Lit.: Köbler, DRG 193, 194; Schulz, A., Die Gegenzeichnung, 1978; Weber, C., Das Gegenzeich­nungsrecht, 1997

Gehalt ist die alimentierende Vergütung des →Beamten und Angestellten (Westfalen 1571, Zuordnung zu Tätigkeitsgruppen seit 19. Jh.), die seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s verstärkt in das allgemeine Entgelt eingeordnet wird.

Lit.: Schulz, G., Die Angestellten seit dem 19. Jahrhundert, 2000

geheim, Adj., nicht öffentlich

Lit.: Deutsche Geheimgesellschaften, hg. v. Hermand, J. u. a., 2013

gehegtes Ding →Hegung, Ding

Geheimdienst ist die staatliche Einrichtung zur geheimen Ermittlung gegen dem Staat drohende Gefahren.

Lit.: Krieger, W., Geschichte der Geheimdienste - von den Pharaonen bis zur CIA, 2009

Geheimer Rat ist die Gesamtheit der den Fürsten nichtöffentlich beratenden Personen. Der geheime Rat entsteht zu Beginn der frühen Neuzeit aus dem Hofrat in Österreich (1527), Bayern (vor 1550, 1579), Kursachsen (1547/1574), Brandenburg (1604), Württem­berg (1629), Baden (1655), Frankreich und Burgund (1604). Er berät oder entscheidet in den wichtigsten Angelegenheiten (mit anderen Behörden). Er wird seit dem späten 17. Jh. durch das Kabinett (Konferenz, Staats­rat) und im 19. Jh. durch das Ministerium verdrängt. Der Titel Geheimer Rat wird 1919 beseitigt.

Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992, §§ 35, 41; Hess, U., Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, 1962; Matthias, E., Zwischen Räten und Geheimräten, 1970; Die Rolle des Juristen bei der Entstehung des modernen Staates, hg. v. Schnur, R., 1986; Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Paravicini, W. u. a., 2005

geheimer Vorbehalt →Mentalreservation

geheime Staatspolizei →Gestapo

Lit.: Heuer, H., Geheime Staatspolizei, 1995

Geheimschrift ist die bereits früh ent­wickelte, der Abwehr der Kenntnis unbe­fug­ter Dritter von einem Inhalt einer verkörperten Erklärung dienende Schrift.

Lit.: Meister, A., die Anfänge der modernen diplomatischen Geheimschrift, 1902; Dröscher, E., Die Methoden der Geheimschrift, 1921; Beutelspacher, A., Kryptologie, 1987, 7. A. 2005; Singh, S., Geheime Botschaften, 2002

Gehilfe (um 1000) ist der einem anderen Menschen helfende, eher nachgeordnete Mensch.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Gehilfenhaftung ist die Haftung eines Herrn für einen Gehilfen. Sie findet sich schon im römischen Recht ([lat.] →noxae datio [F.]). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird zwischen →Erfüllungsgehilfen des rechtsgeschäft­lichen Bereiches und →Verrichtungsgehilfen des außer­rechts­geschäft­lichen Bereiches unterschieden.

Lit.: Köbler, DRG 27, 214; Seiler, Die deliktische Gehilfenhaftung, JZ 1967, 525; Bodenhausen, E. Frhr. v., Haftung des Geschäftsherrn für Verrichtungsge­hilfen, 2000

Geisel ist der in Gewahrsam genommene Mensch, der mit Freiheit oder Leben für die Erfüllung bestimmter Pflichten (oder das Erreichen eines sonstigen Zieles) haftet. Das vereinbarte Stellen und das einseitige Nehmen einer G. sind sehr alt. Sie finden sich sowohl unter Völkern wie auch unter Einzelnen. Der bzw. die G. darf anfangs bei Nichterfüllung getötet oder verknechtet werden. Im Privat­recht endet das Tötungsrecht bereits früh und wird das Stellen oder Nehmen von Geiseln schon im frühen Mittelalter durch andere Sicherungs­mittel ersetzt. Im Völkerrecht schließt das Genfer Abkommen zum Schutz der Kriegsopfer von 1949 die Geiselnahme aus. Das gewaltsame Nehmen einer Geisel durch Straftäter findet sich bis zur Gegenwart.

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 74, 128; Köbler, WAS; Lechner, A., Das Obstagium oder die Geiselschaft nach schweizerischen Quellen, 1906; Gierke, O., Schuld und Haftung im älteren deutschen Recht, 1910, 50, 127; Lutteroth, A., Der Geisel im Rechtsleben, 1922; Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140; Allen, J., Hostages and Hostage-Taking in the Roman Empire, 2006

Geisteskranker (geisteskrank 1807, Geisteskrankheit 1846) ist der an einer erheblichen Störung der Geistestätigkeit leidende Mensch. Er ist als (lat. [M.]) →furiosus im römischen Recht ohne weiteres geschäftsunfähig und deliktsunfähig und erhält einen (lat.) curator (M., Pfleger). Auch das mittelalterliche deutsche Recht schließt den Geisteskranken vom Handeln im Rechtsverkehr aus. Am Ende des Spätmittelalters wird das römische Recht aufgenommen. Der Geisteskranke kann durch →Entmündigung unter Vormundschaft gestellt werden. Zum 1. 1. 1992 wird in Deutschland die Entmündigung durch die →Betreuung ersetzt.

Lit.: Kaser § 14 IV; Hübner; Köbler, DRG 36; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. III 6; Selesnick, S., Geschichte der Psychiatrie, 1969; Jetter, D., Grundzüge der Geschichte des Irrenhauses, 1981; Kuban, S., Das Recht der Verwahrung und Unter­bringung, 1997; Platen-Hallermund, A., Die Tötung Geisteskranker, 3. unv. A. 1998; Dettling, A., Von Irren und Blödsinnigen, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Griebl, L., Die Behandlung von Verschwendern und Geisteskranken, 2010; Madness in Medieval Lawand Custom, hg. v. Turner, W., 2010

Geisteswissenschaft ist die auf den Geist des Menschen im Gegensatz zur Natur (Natur­wissenschaft) bezogene Wissen­schaft (z. B. Sprachwissenschaft, Reli­gionswissen­schaft, Sozialwissen­schaft).

Lit.: Eckel, J., Geist der Zeit, 2008

geistiges Eigentum (seit Ende des 18. Jh.s in Naturrecht und Rechtsphilosophie ver­tre­tene Auffassung des eigentumsgleichen Erfinder­rechts, intellectual property, Jo­hann Gottlob Fichte 1793) →Urheberrecht

Lit.: Lamprecht, G., Versuch eines vollständigen Sys­tems der Staatslehre, 1784; Fichte, J., Sämtliche Wer­ke, Bd. 8 19846, 223; Klostermann, R., Das geistige Eigentum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen, 1867ff.; Kohler, J., Das Autorrecht, 1880; Wadle, E., Das geistige Eigentum in der Reichsverfassung, (in) Verfassungsrecht und Völkerrecht, 1989, 929; Wadle, E., Geistiges Eigentum, Bd. 1f. 1996ff.; Löhnig, M., Der Schutz des geistigen Eigentums von Autoren im preußischen Landrecht von 1794, ZNR 2007, 197ff.; Grundlagen und Grund­fragen des geistigen Eigentums, hg. v. Pahlow, L. u. a., 2008; Ahrens, H. u. a., Modellgesetz für geistiges Eigentum, 2011; Von Goethe zu Google, hg. v. Götz von Olenhusen, I. u. a., 2011; Richardson, M./Thomas, J., Fashioning Intellectual Property, 2012; Ahrens, H. u. a., Modellgesetz für geistiges Eigentum. Normtext und Begründung. 2012

geistlich (Adj.) den Geist betreffend, kirch­lich

Geistliche Bank ist die Gesamtheit der geist­lichen Fürsten eines Verfassungs­gre­miums (insbesondere des Reichstags des Heiligen römischen Reiches [deutscher Nation]). 1521 enthält die Reichsmatrikel 50 geist­liche Fürsten und 83 Reichsprälaten. 1792 umfasst die g. B. dort 35 Virilstimmen und 2 Kuriat­stimmen der schwäbischen und rheinischen Prälatenbank mit zusammen zuletzt etwa 40 Mitgliedern und Vorsitz Österreichs bzw. Salz­burgs.

Lit.: Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat von 1495-1654, 1882; Conrad, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2 1966, 97

Geistliche Gerichtsbarkeit ist vor allem die Gerichtsbarkeit der christlichen Kirche. Sie geht auf den Apostel Paulus (1. Kor. 5, 12-13, 6, 1-8, 2. Kor. 13, 10) und Kirchenväter (z. B. Tertullian, Cyprian) zurück. In den ersten drei Jahrhunderten n. Chr. entsteht die (lat. [F.]) episcopalis audientia (bischöfliche Anhö­rung). 318 verleiht Kaiser Konstantin den Bischöfen Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Sachen (auch über Nichtchristen) (CT 1, 27, 1). 323 stellt Kaiser Konstantin in einem Reskript (Const. Sirmond. 1) das Urteil des Bischofs dem Urteil des Präfekten gleich und sieht Vollstreckung durch weltliche Amts­träger vor. Gegen die Entscheidung des Bischofs ist Berufung an die Provinzialsynode möglich. Vielleicht seit dem 4./5. Jh. über­nimmt der Bischof außer dem Schutz der Geistlichen auch den Schutz der Armen, Wit­wen, Waisen und Fremden. Diese römisch­rechtlich geprägte g. G. dauert unter Auf­nahme einheimischer Ge­geben­heiten (z. B. Reinigungseid, Gottes­ur­teil) im Mittelalter fort. Hinzukommen grund­herrliche Gerichts­bar­keit und aus dem bi­schöf­lichen Visitati­onsrecht hervorgehende Sendgerichtsbarkeit (Sendhandbuch Abt Re­gi­nos von Prüm um 906). Seit Papst Innozenz II. (1130-1143) ist die Berufung an den Papst möglich, der unabhängig von der Gerichts­barkeit der Bi­schöfe, die ihrerseits einen Teil ihrer Ge­richts­barkeit an Archidiakone abge­ben, wegen der Vielzahl der Fälle delegierte Richter (in der Nähe der Parteien) einsetzt. In Frankreich im ausgehenden 12. Jh., im Heiligen römi­schen Reich seit dem 13. Jh. wird der Offizial als Einzelrichter Stell­ver­treter des Bischofs in der Gerichts­barkeit. Die geistlichen Gerichte wenden das im 12. Jh. ausgebildete römisch-kanonische Verfahren (mit Schriftlichkeit) an, beachten die Ver­hand­lungsmaxime und si­chern die Voll­streck­barkeit. Sie entwickeln ein von Papst Clemens (1305-1314) festge­schriebenens, summari­sches und deswegen schnelleres Verfahren (Clem. 2. 1. 2), ein besonderes Verfahren in Ehesachen und ein Schiedsgerichtsverfahren. Seit Papst Innozenz III. (1198-1216) ent­wickelt sich ein Offi­zial­maxime und In­struk­tionsmaxime verbinden­des Inquisitions­ver­fahren, das seit dem 15. Jh. das Ak­ku­sa­tions­verfahren verdrängt. Papst Gregor IX. ordnet 1231 die Ketzerverfolgung durch Inquisitoren (Dominikaner, Franzis­kaner) an, Papst Innozenz IV. lässt 1252 unter Berufung auf die Rechtssetzung Kaiser Friedrichs II. die Folter durch weltliche Amtsträger zu.

Lit.: Jacobi, E., Der Prozess im Decretum Gratiani, ZRG KA 3 (1913), 223ff.; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962; Hageneder, O., Die geistliche Gerichtsbarkeit in Ober- und Niederösterreich, 1967; Schwab, C., Das Augsburger Offizialatsregister (1348-1352), 2001; Kéry, L., Gottesfurcht und irdische Strafe, 2006; Nörr, K., Über die mittelalterliche Rota Romana, ZRG KA 93 (2007), 220ff.

Geistlicher (Kleriker) ist der Inhaber eines höheren kirchlichen Amtes der anerkannten öffent­lichrechtlichen Religionsgemeinschaften (z. B. Priester). Er wird schon im Altertum vom Laien durch besonderes Recht geschieden. Infolge seiner Schriftkundigkeit ist er seinen Mitmenschen auch im Mittelalter überlegen. Zahlreiche Rechtsvorschriften gewähren ihm besonderen Schutz.

Lit.: Köbler, DRG 99; Prochnow, F., Das Spolienrecht und die Testierfreiheit der Geistlichen, 1919, Neudruck 1965; Reinhard, U., Untersuchungen zur Stellung der Geistlichkeit bei den Königswahlen, 1975; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Geistlicher Fürst ist der Landesherr (→Fürst) des Heiligen römischen Reiches , dem seine Lan­des­herrschaft auf Grund seines geistlichen Amtes zusteht (z. B. Erzbischof von Mainz). Am Beginn des 19. Jh.s umfassen die weltlichen Herrschaftsgebiete der (66) geistlichen Fürsten des Heiligen römischen Reichs rund 95000 Quadratkilo­meter mit mehr als drei Millionen Einwohnern.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Geistliche Staaten in Oberdeutschland im Rahmen der Reichsverfassung, hg. v. Wüst, W., 2003

Geistlicher Vorbehalt (lat. reservatum [N.] ecclesiasticum) ist der für den Fall eines Übertritts eines Inhabers eines geistlichen Amtes (z. B. Fürstbischofs, Fürstabts) vom katholischen Glauben zum protestantischen Glauben im Augsburger Religionsfrieden (1555, § 18) durch einseitige, von den protestantischen Reichsständen nur geduldete Anordnung des Kaisers festgelegte Vor­behalt gegenüber dem Grundsatz (lat.) cuius regio, eius religio (ius reformandi), dass der Inhaber des geistlichen Amtes zwar seine persönliche Rechtsstellung behält, aber sein geistliches Amt und die damit verbundenen (weltlichen Herrschafts-)Rechte aufgeben muss und das für die Besetzung der Stelle zuständige Gremium einen katholischen Nachfolger wählen kann. Damit werden auch die Mehrheitsverhältnisse im Fürstenrat und im Kurfürstenrat des Reichstags zu Gunsten der katholischen Mehrheit gefestigt und wird die Wahl eines protestantischen Königs bzw. Kaisers eigentlich ausgeschlossen. 1648 wird eine Garantie des Besitzstands vom 1. 1. 1624 vereinbart.

Lit.: Brandi, K., Reformation und Gegenreformation, 1927; Gotthard, A., Der Augsburger Religionsfriede, 2004; Als Frieden möglich war, hg. v. Hoffmann, C. u. a., 2005

Geistliches Recht (lat. ius [N.] canonicum) ist das die christliche(n) Kirche(n) betreffende, im Gegensatz zum weltlichen Recht (lat. ius [N.] civile) stehende Recht. →Kirchenrecht

Lit.: Köbler, DRG 106; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Geld (Wort in einfacherem Sinn bereits germanisch belegt, Geldrente 1507) ist das (von einem Staat oder einer durch ihn ermächtigten Stelle beglaubigte,) zum Umlauf in der Öffentlichkeit bestimmte Zahlungs­mittel. Seine Zwecke (Tauschmittel, Wert­aufbewahrungsmittel, Recheneinheit), Stof­fe (Nichtmetall, Metall, Papier, elek­trischer Strom) und seine Übertragungs­formen (Übereignung, Abtretung) ändern sich im Laufe der Geschichte. Die Geschichte der Metallmünzen beginnt wohl bei den Lydern um 700 v. Chr. Im altrömischen Recht ist Tauschmittel anfangs das Vieh (lat. [N.] pecus →lat. pecunia [F.] G.). Dann wird Rohkupfer zuerst gewichtsmäßig gehandelt und im 4. Jh. v. Chr. nach kleinasiatischem Vorbild (7. Jh., Griechenland 6. Jh. v. Chr.) in feste Größen mit zugehörigen Gewichtsan­gaben gebracht. Um 300 v. Chr. werden Münzen von 330 g (lat. libra [F.] Pfund) geschaffen, denen später Silbermünzen (187 v. Chr. Silberdenar mit 10 As von 4,55 g Gewicht), seit Caesar († 44 v. Chr.) Goldmünzen (lat. [M.Pl.] aurei) folgen. Die Germanen kennen zwar römische Münzen, verwenden sie aber nicht als G. Im Frühmittelalter sind Pfennig, Schilling und Pfund hauptsächlich Rechnungseinheiten, wenn auch in karolingischer Zeit ein königlicher Silberdenar geprägt wird. Als Grabbeigaben aufgefundene Feinwaagen deuten darauf hin, dass auch bei Münzen das Gewicht des Metalls noch entscheidend ist. Im Hochmittelalter bewirkt das als einfachstes Tauschmittel anerkannte und damit als Zahlungsmittel wieder vorherrschende G. die Umwandlung der Naturalwirtschaft in die Geldwirtschaft. Etwa seit dem 12. Jh. reichen dabei die gewonnenen Edelmetallbestände (z. B. Silber in Freiberg, Friesach, Iglau oder Kuttenberg) für den Geldverkehr breiterer Bevölkerungs­schichten aus (Venedig 1194 grosso mit 2,19 Gramm, Frankreich 1266 gros turnois, um 1300 Prager Groschen, 1242 Goldprägung in Genua und Florenz [fiorino, Gulden, seit etwa 1340 auch im Rheinland], Venedig 1284 Dukaten bzw. Zechinen). Seit der frühen Neuzeit, in der im 16. Jh. in Mit­teleuropa der Silberbergbau wiederbelebt wird (Schwaz, Schneeberg, Annaberg, Buch­holz, Joachimstal, große Silbermünze Taler) und große Silbermengen zwischen 1550 und 1650 aus Amerika eingeführt werden, tritt nach vielen Münzkrisen vor allem als Folge zahlreicher Kriege im 18. Jh. zum Metallgeld (Münze) das Papiergeld hinzu (Österreich, Frankreich, Preußen, England, gesetzliches Zahlungsmittel England 1833, Frankreich 1870), seit der Mitte des 19. Jh.s zum Hartgeld (im Deutschen Bund im Norden Taler, im Süden Gulden, im Deutschen Reich 1873 Goldwährung mit Mark) und Zeichengeld das durch Guthaben bei einer Kontostelle gebildete unkörperliche Buchgeld (Giralgeld), seit dem Ende des 20. Jh.s das elektronisch ge­speicherte Guthaben (Plastik­geld, Netz­geld). Im Juli 1944 einigen sich die Vertreter von 44 Staaten in Bretton Woods auf eine neue Weltwährungsordnung fester Wechselkurse, die bis 1959 im Wesentlichen umgesetzt wird, aber 1971 zusammenbricht. Im März 1979 verabschieden acht Staaten der europäischen Gemeinschaften ein europä­ischen Waährungssystem, aus dem zum 1. 1. 1999 eine europäische Wäh­rungsunion her­vorgeht (Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Nie­der­lande, Österreich, Portugal, Spanien, 2001 Griechenland, 2004 Slowenien), die zum 1. 1. 2002 Euro und Cent in Münzen und Banknoten einführt. Für Münzen und Geldscheine gilt im Wesentlichen das Recht der Sachen. Ungelöst ist die Problematik der Geldentwertung (Inflation), die aus dem Ungleichgewicht zwischen Geldmenge und Gütermenge erwächst bzw. von daran Interessierten angestrebt wird.

Lit.: Kaser §§ 26 III, 32 II; Hübner; Köbler, DRG 96, 97, 119; Köbler, WAS; Taeuber, W., Geld und Kredit im Mittelalter, 1933; Mickwitz, G., Die Systeme des römischen Silbergeldes im 4. Jahrhundert nach Christus, 1933; Laurent, H., La loi de Gresham au moyen âge, 1933; Gaettens, R., Das Geld- und Münzwesen der Abtei Fulda, 1957; Völlmy, H., Zur Geschichte des schweizerischen Papiergeldes, Diss. staatswiss. Basel 1966; Nau, E., Epochen der Geldgeschichte, 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; Kiefner, H., Geld und Geldschuld in der Privatrechtsdogmatik des 19. Jahrhunderts, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 5 1980, 27; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986; La repubblica internazionale del denaro tra 15 e 16 secolo, hg. v. Maddalena, A. de u. a., 1986; Spufford, P., Money, 1988, 2. A. 1989, 3. unv. A. 1993; North, M., Das Geld, 1994; Duncan-Jones, R., Money and Government, 1994; Howgego, C., Geld in der antiken Welt, 2000, 2. A. 2009; Sprenger, B., Das Geld der Deutschen, 3. A. 2001; Ott, K., Geld und Geldwerttheorien, 1998; Weatherford, J., Eine kurze Geschichte des Geldes, 1999; Geldgeschichte vs. Numismatik, hg. v. Kaenel, H. u. a., 2004; Geld im Mittelalter, hg. v. Grubmüller, K. u. a., 2005; Steinbach, S., Das Geld der Nonnen und Mönche, 2007; Gray, R., Money Matters, 2008; The Monetary Systems of the Greeks and the Romans, hg. v. Harris, W., 2008; Brodbeck, K., Die Herrschaft des Geldes, 2009, 2. A. 2011; Giesecke & Devrient - Banknotendruck 1854-1943, 2009; Grabowski, H., Kleiner deutscher Papiergeldkatalog von 1871 bis heute, 2010; Schnaas, D., Kleine Kulturgeschichte des Geldes, 2010, 2. A. 2012; Gerber, J. u. a., Gedenkbanknoten der Welt 2011; Le Goff, J., Le Moyen Age et l’argent, 2010 bzw. Geld im MIttelalter, 2011; Devrient, L. u. a. Giesecke & Devrient - Banknotendruck 1955-2002, 2014

Geldbuße ist im 20. Jh. die für eine Ordnungswidrigkeit (§ 1 Ordnungswidrig­kei­ten­gesetz von 1952) an den Staat zu entrichtende Geldleistung (Verwaltungs­sanktion für rechtswidrige Handlungen mit geringerem Unrechtsgehalt ohne sozial­ethisches Unwerturteil über die Tat und die Person des Täters). Die inhaltliche Abgrenzung zur Geldstrafe ist schwierig.

Lit.: Goldschmidt, J., Das Verwaltungsstrafrecht, 1902, Schmidt, E., Das neue westdeutsche Wirtschafts­straf­recht, 1950; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Geldern

Lit.: Jappe Alberts, W., De Staten van Gelre en Zutphen, 1950; Geldersche Wyssenissen van het Hoofdgerecht te Roermond, hg. v. Janssen de Limpens, K., 1953; Reichsarchiv der Provinz Gelderland in Arnheim, bearb. v. Vollmer, B., 1957; Nikolay, W., Die Ausbildung der ständischen Verfassung in Geldern und Brabant während des 13. und 14. Jahrhunderts, 1985; Lieven, J., Adel, Herrschaft und Memoria, 2008; ; Berkvens, A., Plakkaten, Ordonnanties en Circulaires voor Pruisisch Gelre 1713-1798, 2012

Geldkondemnation (lat. condemnatio [F.] pecuniaria) ist im klassischen römischen Recht die (notwendige) Verurteilung des Schuldners auf den Schätzwert (lat. quanti ea res erit, was die Sache wert ist) einer streitigen bestimmten Sache im →Formularverfahren. Sie soll es auch einem Dritten gestatten, den Beklagten auszulösen. Sie tritt im →Kognitionsverfahren zurück.

Lit.: Kaser § 35 I 2; Söllner § 9; Köbler, DRG 33, 34, 42

Geldschuld ist die in Geld zu erfüllende Schuld. Die G. wird schon im römischen Recht als Gattungsschuld angesehen. Mit Ausweitung der Geldwirtschaft wird sie immer häufiger.

Lit.: Kiefner, H., Geld und Geldschuld in der Privatrechtsdogmatik des 19. Jahrhunderts, (in) Wissen­schaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H., Bd. 2 1977, 74ff.; Ahrens, M., Der mittellose Geldschuldner, 1994

Geldstrafe ist die auf Geldleistung an den Staat lautende →Strafe, wird teilweise aber auch als jede als Sanktion für ein Unrecht vom Täter an die öffentliche Gewalt oder das Opfer (Privatstrafe) zu zahlende, nicht nur Schaden ausgleichende Geldsumme ver­standen. Vielleicht aus dem plebejischen Bereich stammend, ist sie bereits dem späteren altrömischen Recht bekannt. Im Frühmittelalter herrscht die davon zu unterscheidende, in Geld nur berechnete Buße des →Kompositionen­systems vor, von der nur ein Teil (lat. [M.]→fredus) an die Allgemeinheit fällt, doch wird z. B. in einem Neungeld, Achtgeld oder Gewette auch eine besondere Einwirkung auf den Täter gesehen. Die hochmittelalterlichen und spätmittel­alter­li­chen peinlichen Strafen sind in Geld nur ablösbar. In der frühen Neuzeit schließt zwar die Constitutio Criminalis Carolina (1532) die G. aus, doch sehen die Reichspo­lizeiordnung von 1530, Landes­ordnungen und Stadtrechte in vielen Fällen G. vor. Das preußische Allgemeine Landrecht (1794) droht G. bei Münzdelikten, Bestechung, Wucher, Fälschung und Betrügerei an. Das preußische Straf­gesetz­buch (1851) und das Reichsstrafgesetzbuch (1871) dehnen die G. aus, sind aber noch durch die Freiheitsstrafe gekennzeichnet. Die Straf­rechts­reformen (21. 12. 1921/1. 1. 1922, 9. 4. 1923, 1969, 1975) des 20. Jh.s verstärken vor allem auch wegen der un­günstigen Auswirkungen kurzer Frei­heits­strafen (43 Prozent aller Verurteilungen) auf die Täter diese Entwicklung (um 1980 mehr als 80 Prozent aller Strafurteile). Dabei wird aus relativen Gleichheits­vor­stellungen nach skan­di­na­­vischem Vorbild die Höhe der G. von den wirtschaftlichen Ver­hältnissen (Einkünften) des Täters abhängig (sog. Tagessätze, 1975). Eine besondere Art der G. ist die Vermögensstrafe (anteiliger oder vollständiger Einzug des Vermögens des Täters, z. B. § 43a StGB zwischen 1992 und 2002).

Lit.: Köbler, DRG 20, 119, 158, 205, 236; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Neumaier, R., Die geschichtliche Entwicklung der Geldstrafe, Diss. jur. Tübingen 1947; Gudian, G., Geldstrafrecht und peinliche Strafe im späten Mittelalter, FS A. Erler 1977, 273; Die Geldstrafe im deutschen und ausländischen Recht, hg. v. Jescheck, H. u. a., 1978; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Stapenhorst, H., Die Entwicklung des Verhältnisses von Geldstrafe zu Freiheitsstrafe seit 1882, 1993; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004; Malolepszy, M., Geldstrafe und bedingte Freiheitsstrafe nach deutschem und polnischem Recht, 2007

Geldwäsche ist der Umtausch des aus rechtswidrigem Verhalten erlangten Geldes ist nicht erkennbar rechtswidrig erlangtes Geld (in Deutschland seit 1992 strafbar).

Lit.: Remmers, B., Die Entwicklung der Gesetzgebung zur Geldwäsche, 1998

Geldwirtschaft ist die auf den Gebrauch von →Geld als Zahlungsmittel aufbauende Wirtschaft (z. B. seit dem Hochmittelalter). Die G. verdrängt die Naturalwirtschaft.

Lit.: Köbler, DRG 29, 96, 97; Dopsch, A., Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft, 1930

Gelegenheit macht Diebe.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprich­wörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 71 (Pistorius 1716)

Gelehrter Richter ist der durch universitäre Ausbildung gekennzeichnete Richter. Der gelehrte Richter erscheint im 13. Jh. im kirchlichen Gericht (als →Offizial). Im könig­lichen Kammergericht des Reiches begegnen Doktoren der Rechte seit dem Beginn des 15. Jh.s. Im Reichskammergericht muss 1495 die Hälfte der Beisitzer gelehrt sein. Erst später wird es üblich, dass (auch) der Richter als der Vorsitzende gelehrt ist. Im Übrigen sind die Mitglieder der Gerichte (Urteiler, Schöffen) bis in das 18. Jh. vielfach Laien. Im 18. Jh. werden die Assessorstellen der Obergerichte mit nach besonderen Vorschriften geprüften Juristen besetzt.

Lit.: Stölzel, A., Die Entwicklung des gelehrten Richtertums in deutschen Territorien, Bd. 1f. 1872; Lenel, P., Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 53; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Gelehrte im Reich, hg. v. Schwinges, R., 1996; Verger, J., Le gens de savoir, 1997

Gelehrtes Recht ist das an der Universität durch Lehre vermittelte Recht. G. R. ist demnach das römische (weltliche) Recht und das kirchliche (geistliche) Recht. Dem gelehrten Recht steht das einheimische Recht der einzelnen Rechtsgebiete gegenüber. In den Rechtsquellen der Neuzeit werden g. R. und einheimisches Recht in vielfältiger Weise zu neuen Einheiten verknüpft (→Reforma­tion, →Kodifikation).

Lit.: Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, 1962; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962; Wieacker, F., Privatrechtsge­schichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess in der Praxis geistlicher Gerichte, 1974; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Nörr, K., Zum institutionellen Rahmen der gelehrten Rechte im 12. Jahrhundert, FS H. Coing 1982, 233; Gouron, A., Zu den Ursprüngen des gelehrten Strafrechts, FS H. Thieme 1986, 43; Trusen, W., Gelehrtes Recht, 1997 Geleit ist die Begleitung und meist auch sichere Führung eines Reisenden (oder einer Sache durch Bewaffnete gegen Entgelt, lat. [M.] conductus). Das G. zu gewähren ist im Mittelalter ein be­deutsames, Einkünfte und Gewalt vermit­telndes Recht, das vom König auf den Landesherrn übergeht (Regal, Westfalen 1180). Im Einzelnen werden viele Arten von G. unterschieden. Im 19. Jh. schwindet das G. (Reichsdeputations­hauptschluss für Frankfurt, Deutscher Zollverein 1833/1834, Schweiz 1848). Freies G. ist das Recht auf unge­hin­derte Hinreise und Rückreise (z. B. im Rahmen eines Prozesses).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 113; Kalisch, H., Über das Verhältnis des Geleitsregals zum Zollregal, Diss. jur. Berlin 1901; Fiesel, L., Zum früh- und hochmittelalterlichen Geleitsrecht, ZRG GA 41 (1920), 1; Wilhelm, R., Das Zollgeleit in der Grafschaft und im Herzogtum Württemberg, Diss. jur. Tübingen 1957; Wiederkehr, G., Das freie Geleit, 1977; Müller, U., Das Geleit, 1991

Gelnhausen ist der 1133 erstmals bezeugte Ort (der Reginbodonen, 1158 Erzbischof von Mainz, 1160 Kaiser Friedrich Barbarossa, 1170 Stadtrecht) im unteren Kinzigtal, in dessen Pfalz 1180 das Verfahren gegen Herzog →Heinrich den Löwen stattfindet, in dem er nach Landrecht in Acht getan und nach Lehnrecht seiner Herzog­tümer →Sachsen und →Bayern verlustig erklärt wird, so dass die Herzogtümer in →Länder aufgeteilt werden können. Die Reichsstadt G. wird mehrfach verpfändet und verliert 1803 die Reichsunmittelbarkeit. →Konrad von G.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Junghans, F., Versuch einer Geschichte der freien Reichsstadt Geln­hausen, 1886; Güterbock, F., Die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen, 1920; Schmerbach, K., Der Oberhof Gelnhausen, Geschichts­bll. f. Gelnhausen 1966, 13ff.; Der Reichstag von Gelnhausen, hg. v. Patze, H., 1981; Zunft- und Handwerksurkunden der freien Reichsstadt Gelnhausen, hg. v. Weyrauch, T., 1996; Zieg, M., Gelnhäuser Regesten, 2008

Gelöbnis ist die Erklärung, mit der jemand zustimmt (z. B. →Erbenlaub) oder ver­spricht. Das G., dem im römischen Bereich die (lat.) sponsio (F.) entspricht, erscheint be­reits im Früh­mittelalter (z. B. Urteils­erfüllungsge­löbnis) und kann von Gebärden begleitet sein. Die Folgen des Bruches des Ge­löbnisses hängen von verschiedenen Um­ständen ab und reichen von der Leistungs­kla­ge über die Schadensersatzklage, die Buße und die Geldstrafe bis zur →Strafe an Leib und Le­ben. In der Neuzeit wird das. G. durch die Bezeichnung Versprechen zurückgedrängt, doch werden noch immer (feierliche) Gelöbnisse abgegeben.

Lit.: Hübner 521, 632, 677; Köbler, DRG 15; Puntschart, P., Schuldvertrag und Treugelöbnis, 1896; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910; Reincke, H., Die Bedeutung der Gelöbnisgebärde, ZRG GA 40 (1919), 280; His, R., Schlichtes Gelöbnis und Gelöbnis auf Treue, ZRG GA 41 (1920), 386; Strätz, H., Treu und Glauben, 1974; Nanz, K., Die Entstehung des all­gemeinen Vertragsbegriffs im 16. und 18. Jh., 1985

Geltung ist die Anwendbarkeit und die Anwendung. Ein Rechtssatz gilt rechts­dogmatisch, wenn eine entsprechende Sol­lens­­anforderung besteht. Er gilt rechtsso­zio­logisch, wenn er tatsächlich angewendet wird.

Lit.: Vienken, T., Die Geltungsdauer rechtlicher Dokumente im früh- und hochmittelalterlichen Reich, 1942; Luig, K., Der Geltungsgrund des römischen Rechtes im 18. Jahrhundert, (in) Formazione storica, Bd. 2 1977, 819; Nehlsen, H., Aktualität und Effektivität der ältesten germanischen Rechtsaufzeichnungen, (in) Vorträge und Forschungen 23 1977, 449; Wagner, W., Geltungsbereiche ausländischer Kodifikationen im Deutschen Reich, Ius commune 14 (1987), 203; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern, 1989

Gemara (F.) →Mischna

Gemeinde ist die einfache unmittelbare kommunale(, dem Staat eingegliederte) Ge­bietskörperschaft mit (vom Staat abgeleiteter) Gebietshoheit zur Selbst­verwaltung universal überlassener örtlicher (eigener) Aufgaben und zur Fremdverwaltung zugewiesener (staat­licher) Aufgaben. Als solche Gemein­den sind im Altertum außer Rom (und anderen Stadtstaaten) die Provinzstädte anzusehen, für welche die Kaiser Gemeindeordnungen erlas­sen (z. B. Salpensa, Malaca, Irni[um]). Im Mittelalter findet sich die G. wohl zuerst in Italien (Mailand 11. Jh.). Im Heiligen römischen Reich erscheint die G. (Stadt, Dorf) seit dem Hochmittelalter (12./13. Jh.). Sie hat eigene Organe. Befugnisse und Mittel (z. B. Allmende). In der frühen Neuzeit verliert sie ihre älteren Rechte durch (vereinheitlichende) Maßnahmen des absolu­ten Staates (und der Grundherrschaft). Insbesondere unter Napoleon werden in den von ihm beherrschten Gebieten (1797-1813) die Gemeinden zu untersten Behörden des Staates. Im 19. Jh. erhält die G. (wieder) →Selbstverwaltung (Preu­ßen 19. 11. 1808 Städteordnung, 17. 3. 1831 revidiert, Bayern 1818/1839, Württem­berg 1822, Baden 1831 Gemeindegesetz, Sachsen 1832, Kurhessen 1834, Braun­schweig 1834, Hannover 1851, Westfalen 1841 Landgemein­deordnung, Rhein­provinz 1845 Gemein­deordnung, Preußen 30. 9. 1853 Städte­ordnung, Bayern 1869 Gemeindeord­nung, Preußen 1872 Kreisord­nung, 1875 Provin­zialordnung, 3. 7. 1891 Landgemeinde­ord­nung [, Österreich 4. 3. 1849 proviso­ri­sches Gemeindegesetz, 5. 3. 1862 Reichsge­meinde­gesetz], Neuregelung Art. 115-120 B-VG 12. 7. 1962). Vor­übergehend be­seitigen das Dritte Reich, in dem sich anscheinend die Gemeinden den Zielen des National­sozia­lismus zumindest teilweise öffnen, und die Deutsche Demokratische Republik die in Art. 127, 17 II WRV (und 28 GG) verfas­sungsmäßig garantierte Selbst­ver­waltung. Insgesamt bleibt die G. aber in durch Ver­waltungsreformen vergrößertem Umfang bestehen.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32 I 4; Köbler, DRG 197; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 726; Köbler, WAS; Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, 1868ff.; Bilinski, L. v., Die Gemeindebesteuerung und deren Reform, 1878, Neudruck 2013; Ryffel, H., Die schweizerischen Landsgemeinden, 1904; Schrötter, R., Die rechtliche Natur der sogenannten Gemeindenutzungen in Bayern, 1934; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Heider, J., Von der Gemain zur politischen Gemeinde, Schwäbische Blätter für Heimatkunde 9 (1958), 70; Siegrist, J., Die Gemeinde Unterkulm, 1957; Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., Bd. 1f. 1964; Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 1969; Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, hg. v. Volkert, W., 1983; Ogris, W., Die Entwicklung des österreichischen Gemeinderechts im 19. Jahrhundert, (in) Die Städte Mitteleuropas, hg. v. Rausch, W., 1983, 83; Blickle, P., Gemeindereformation, 1985; Steiner, P., Die Gemeinden, Räte und Gerichte im Nidwalden des 18. Jahrhunderts, Diss. jur. Basel 1986; Weiß, J., Die Integration der Gemeinden in den modernen bayerischen Staat, 1986; Wunder, H., Die bäuerliche Gemeinde in Deutschland, 1986; Ennen, E., Die europäische Stadt des Mittelalters, 4. A. 1987; Goetz, H., Gottesfriede und Gemeindebildung, ZRG GA 105 (1988), 122; Landgemeinde und Stadtgemeinde, hg. v. Blickle, P., 1991; Nolte, P., Gemeindebürgertum und Liberalismus in Baden 1800-1850, 1994; Schachner-Blazizek, A., Gemeinderecht und Gemeindever­waltung, 1995, Gemeinde und Staat im alten Europa, hg. v. Blickle, P., 1998; Information, Kommunikation und Selbstdarstellung in mittelalterlichen Gemeinden, hg. v. Haverkamp, A., 1998; Gemeindeleben, hg. v. Rudert, T. u. a. 2001; Gotto, B., Nationalsozialistische Kommu­nalpolitik, 2006; Die Gemeinde - FS Heiko Faber, hg. v. Frank, F. u. a., 2007; Land, Dorf und Kirche - Gemeindebildung vom Mittelalter bis zur Neuzeit in Nordwestdeutschland, hg. v. Vogtherr, T. u. a., 2009; Lutterbeck, K., Politische Ideengeschichte als Geschichte administrativer Praxis, 2011

Gemeinderecht ist die Gesamtheit der die →Gemeinde betreffenden Rechtssätze. Im römischen Altertum erhalten die einzelnen Gemeinden in Italien zunächst eine ziem­lich verschiedene Stellung als (lat.) oppidum (N.), colonia (F.) oder municipium (N.) mit teils eigener, teils römischer Verwaltung, bis vermutlich unter Caesar eine in Magistrate, Senat (lat. ordo [M.] decurionum, Gemein­derat) und Volksversammlung ge­gliederte, einheitli­che Kommunalver­fassung eingerich­tet wird ([lat.] lex [F.] Iulia munici­palis, julisches Stadtgesetz). Im deutschen Reich ist das G. unterschiedlich. Umfassende staatliche Regelungen werden erst im 19. Jh. ge­schaffen. 1935 wird eine einheitliche Deutsche Gemeindeordnung erlassen. Nach 1945 ist das G. wieder Landesrecht, so dass es sich von Land zu Land unterscheidet.

Lit.: Köbler, DRG 197, 198, 234, 259; Haase, C., Die oldenburgische Gemeindeordnung von 1855, Oldenburger Jahrbuch 55 (1955), 1; Oberndorfer, P., Gemeinderecht und Gemeindewirklichkeit, 1971; Engeli, C./Haus, W., Quellen zum modernen Gemeindever­fassungsrecht in Deutschland, 1975; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Low, P., Kommu­nalgesetzgebung im NS-Staat, 1992; Die bayerischen Gemeinde­ordnungen, hg. v. Knemeyer, F., 1994

Gemeinderschaft ist die aus der (von Brü­dern gebildeten) Erbengemeinschaft der bäuerlichen Miterben entwickelte gesamthän­derische Personenvereinigung des deutschen mittelalterlichen und frühneu­zeitlichen Rechtes (z. B. Ganerbschaft). Sie wird später weit­ge­hend durch den Teilungsgrundsatz einerseits und durch das Anerbenrecht ande­rerseits verdrängt. Gemeinderschaftliche Vorstel­lun­gen leben in der offenen Handelsgesell­schaft und in der Kommanditgesellschaft bzw. der Gesamthand fort.

Lit.: Hübner 154ff.; Huber, M., Die Gemeinderschaft der Schweiz, 1897

Gemeindeverfassung ist die Verfassung der →Gemeinde.

Gemeindezeuge ist der als Nachbar oder Ge­nosse über ihm bekannte Verhältnisse in der Gemeinde aussagende Zeuge (Heinrich Brun­ner), dessen Bedeutung seit dem Spätmit­telalter schwindet.

Lit.: Ruth, H. Zeugen und Eideshelfer, 1922; Korn­blum. U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhois. Diss. jur. Frankfurt 1960

Gemeiner Pfennig ist die am 7. 8. 1495 im Heiligen römischen Reich  (im Rückstand gegenüber der weiter fort­ge­schrittenen Steuergesetzgebung der Nach­bar­länder, besonders Frankreichs) für vier Jahre eingeführte Abgabe (versuchte Kopf­steuer für die gesamte Bevölkerung). Der gemeine Pfennig ist je nach Vermögen auf 1/24 Gulden, ½ Gulden und 1 Gulden festgesetzt. Er wird nur teilweise einge­sammelt und nur teilweise an die sieben dazu bestimmten Schatzmeister abgeliefert (43254 Gulden statt 2 Millionen erwarteter Gulden). Ähnliche Versuche der Jahre 1512, 1542 (700000 Gulden) und 1544 400000 Gulden) scheitern gleichfalls weit­gehend.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Gothein, E., Der gemeine Pfennig auf dem Reichstage von Worms, 1877; Lanzinner, M., Friedenssicherung, 1993; Schmidt, P., Der gemeine Pfennig von 1495, 1989; Rauscher, P., Zwischen Ständen und Gläubigern, 2004; Das Steuerregister des gemeinen Pfennigs für das Bistum Worms, hg. v. Lohmann, E., 2005

Gemeines deutsches Privatrecht ist das dem gemeinen (römischen Privat-)Recht seit dem 17. Jh. (Conring, Thomasius, Beyer) gegenü­ber­gestellte Privatrecht deutschrechtlicher Her­kunft (→deutsches Privatrecht). Mit der Schaffung des deutschen Bürgerlichen Gesetbuchs (1896/1900) verliert es seine un­mittelbare Geltung.

Lit.: Köbler, DRG 186, 205; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Borrmann, K., Gemeines deutsches Privatrecht bei Carl Joseph Anton Mittermaier, 2009

Gemeines Recht ist das allgemeine Recht im Gegensatz zu einem besonderen Recht. Schon (in der Philosophie des Aristoteles, 384-322 v. Chr. und) im römischen Recht (z. B. Institutionen des Gaius [um 160 n. Chr.] 1, 1, Institutionen Justinians [534 n. Chr.] 1, 2, 1) ist eine derartige Gegenüberstellung eines (lat.) ius (N.) commune und mehrerer besonderer Rechte etwa der römischen Bürger oder eines räumlich bzw. ständisch bzw. personal abgegrenzten Bereichs bekannt, wobei meist dem besonderen Recht der Vorrang eingeräumt wird. Sie findet sich vereinzelt auch im frühen Mittelalter, häufiger seit dem Hochmittelalter. Als g. R. kann dabei das römische Recht, das kirchliche Recht, das römische und (mit abnehmendem Gewicht das) kirchliche Recht oder auch ein sonstiges allgemeines Recht im Gegensatz zu einem besonderen Recht (einschließlich eines Privilegs) bezeichnet werden. Im Verhältnis beider entwickeln die Juristen der ober­italienischen Städte im Hochmittelalter den grundsätzlichen Vorrang des eigenen beson­deren Stadtrechts (Statutes) vor dem gemei­nen Recht (römisch-kanonischem Recht). Dem folgt § 3 der Reichskam­merge­richtsordnung von 1495, der wohl die redlichen ehrbaren und leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewohn­heiten der Fürstentümer, Herrschaf­ten und Gerichte dem gemeinen Recht vorgehen lässt. Allerdings müssen sie redlich, ehrbar und leidlich sein und besonders vorgebracht, d. h. nachge­wiesen werden. Weil die Anforderungen an diese Voraussetzungen verschärft werden, hat im 17. Jh. das gemeine Recht in der Form des römischen Rechtes die Vermutung der Anwendbarkeit für sich. Zusätzlich wird vor allem für bestimmte Sachgebiete ein gemeines deutsches Privatrecht erarbeitet (z. B. Johann Stephan Pütter 1725-1809, Justus Fried­rich Runde 1741-1807), dessen Anwend­barkeit im Verhältnis zum gemeinen Recht im Einzelfall geklärt wird. Im 18. Jh. werden das gemeine Recht und das gemeine deutsche Privatrecht durch die inhaltlich von ihnen mitgeprägten Kodifikationen (ALR, ABGB) zurückge­drängt. Mit dem Inkrafttreten des →deutschen Bürgerlichen Gesetbuchs (1. 1. 1900) endet für 16,5 Millionen Menschen in Hessen, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Olden­burg, Mecklenburg, Neuvorpommern, Rügen, Schleswig-Holstein  u. s. w. (insgesamt in 93 verschiedenen Gebieten) die unmittel­bare Geltung des gemeinen Rechtes in Deutschland. →Allgemeines deutsches Recht, →common law

Lit.: Söllner §§ 2, 3, 25; Köbler, DRG 107, 137, 184; Linck, H., De dubia ac difficili iuris communis definitione, 1680; Wieacker, F., Privatrechtsge­schichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wiegand, W., Zur Herkunft und Ausbreitung der Formel habere fundatam intentionem, FS Hermann Krause 1975, 126ff.; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977; Bellomo, M., L’Europa del diritto comune, 1988; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern in der Neuzeit, 1989; Gemeines Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, hg. v. Müller-Graf, 1993; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 9. A. 2001, 10. A. 2005; Nève, P., (Europäisches) ius commune und (nationales) gemeines Recht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, 1997ff.; Watson, A., Legal history and a common law for Europe, 2001; Schröder, J., Recht als Wissenschaft, 2001, 2. A. 2012; Oestmann, P., Rechtsvielfalt vor Gericht, 2002; Daniel, A., Gemeines Recht, 2003; Bellomo, M., Europäische Rechtseinheit, 2005

Gemeines Sachsenrecht ist das auf der Grundlage des →Sachsenspiegels (1221-1224), der Glosse zum Sachsenspiegel und der sog. Richtsteige (sowie des sächsischen Weichbildrechts Magdeburgs [str.]) ent­wickelte, in Sachsen mehr oder weniger allgemein an­erkannte Recht, dessen Durchsetzung vor allem die Schöffenstühle von Magdeburg, Leipzig, Dohna, Halle und (1529) Wittenberg, die juristischen Fakultäten in Leipzig, (1502) Wittenberg und Jena sowie die verschiedenen Hofgerichte (Leipzig, Wittenberg, Jena) fördern. Die Gesetze einzelner Länder engen zwar den Geltungsbereich des gemeinen Sachsenrechts ein, entwickeln dieses aber auch durch ihre Grundgedanken fort (z. B. Kursächsische Konstitutionen). Die Geltung des gemeinen Sachsenrechts betrifft das Kurfürstentum Sachsen (bis 1863/1865), Schlesien, Brandenburg, die sachsen-ernes­tinischen Teilfürstentümer (z. B. Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg: „Thü­rin­gen“ bis 1900), Schwarzburg, Reuß, Anhalt (bis 1900), Hannover, Lüneburg, Lauenburg, Holstein, Braunschweig (bis 16. Jh.) und dazwischenliegende kleinere Länder. Gegen 1700 wird das gemeine Sachsenrecht auch bescheidener Lehrgegenstand an den Univer­sitäten Sachsens. Die Rechtsakte Kursachsens werden 1724 von Johann Christian Lünig in einer amtlichen Sammlung (Codex Augus­teus, Teil 1) veröffentlicht. Mit dem sächsi­schen Bürgerlichen Ge­setzbuch (1863/1865) und dem deutschen Bür­gerlichen Gesetzbuch (1. 1. 1900) wird die Geltung des gemeinen Sachsenrechts (zuerst in Sachsen und dann auch in Thüringen und Anhalt) beendet.

Lit.: Weiske, J., Die Quellen des gemeinen sächsischen Rechts, 1846; Haubold, C., Lehrbuch des königlich-sächsischen Privatrechts, 3. A. 1847; Heimbach, C., Lehrbuch des partikulären Privatrechts, 1848; Emminghaus, G., Pandekten des gemeinen sächsischen Rechts, 1848; Schultze von Lasaulx, H., Die Krise des gemeinen Sachsenrechts, FS J. Hedemann, 1938, 51; Günther, G., Römisches Recht in Thüringen, Diss. jur. Jena 1957 (Druck 2008).; Sachsen im Spiegel des Rechts, hg. v. Schmidt-Recla, A. u. a., 2001; Kroeschell, K., recht und unrecht der sassen, 2005; Grundlagen für ein neues Europa, hg. v. Lück, H. u. a. 2009

Gemeines Strafrecht ist das auf der Grundlage der →Constitutio Criminalis Carolina (1532), die den örtlichen Ge­wohnheiten und Satzungen nachgehen will, gebildete deutsche Strafrecht des 16. bis 18. Jh.s.

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Gemeinfreier ist (seit dem späten 18. Jh.) der allgemeine →Freie der germanischen Zeit und des frühen Mittelalters. Im Gegensatz zur klassischen Lehre der deutschen Rechtsgeschichte ist es in der Gegenwart streitig geworden, ob es in der fraglichen Zeit eine breite, „den Staat tragende“ Schicht freier Leute unter einem Adel mit schwach ausgeprägten Vorrechten gegeben hat. In jedem Fall nimmt die Zahl der Freien im Frühmittelalter infolge der Ausbreitung der →Grundherrschaft ab.

Lit.: Köbler, DRG 71; Brunner, H., Nobiles und Gemeinfreie, ZRG GA 19 (1898), 76; Heck, P., Die Gemeinfeien der karolingischen Volksrechte, 1900; Mayer, T., Königtum und Gemeinfreiheit im frühen Mittelalter, DA 6 (1943), 239; Das Problem der Freiheit, hg. v. Mayer, T., 4. unv. A. 1981

Gemeingebrauch (um 1830) ist der aus mehreren Wurzeln (z. B. Allmende, römi­sches Recht) erwachsene, grundsätzlich je­dermann gebührenfrei offen stehende be­stim­mungs­­ge­mäße Gebrauch einer der All­ge­meinheit gehörenden oder gewidmeten Sa­che (z. B. Fluss, Straße, Wald?). Gegensatz hierzu ist die gebührenpflichtige Sondernutzung öffentlicher Sachen.

Lit.: Ubbelohde, A., Die Interdikte zum Schutz des Gemeingebrauchs, 1893; Lewy, R., Zur Geschichte und heutigen Berechtiguing des Begriffs öffentliche Sa­chen im Gemeingebrauch, Diss. jur. Greifswald 1910; Knapp, M., Gemeingebrauch und Staatseigen­tum, 2003

Gemeinschaft (Wort 765, gemeinschaftlich 1691, gemeinschaftliches Testament 1766) ist die durch eine Gemein­samkeit verbundene Mehrheit von Personen, insbesondere im Schuldrecht die gemeinschaftliche Inhaberschaft eines einzel­nen Rechtes durch mehrere. G. ist im klassischen römischen Recht die vielleicht in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten aus wirtschaftlichen Gründen entwickelte (lat.) →communio (F.) pro indiviso, bei der über die ganze Sache alle Gemeinschafter zusammen verfügen können und jeder Gemeinschafter unabhängig von den anderen über seinen (rechnerischen) Anteil. Aufgelöst wird diese G. mit Hilfe der jederzeit möglichen allgemeinen Teilungsklage (lat. actio [F.] communi dividundo). Seit dem Spätmittelalter wird die römischrechtliche, dem Gesamt­handsgrundsatz widersprechende G. in Deutschland übernommen.

Lit.: Kaser § 23 IV; Köbler, DRG 25; Schultze, A., Zur Rechtsgeschichte der germanischen Brüderge­mein­schaft, ZRG GA 56 (1936), 264; Conrad, H., Individuum und Gemeinschaft in der Privatrechts­ordnung des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, 1956; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 293, 549; Person und Gemeinschaft im Mittelalter, hg. v. Althoff, G. u. a., 1988; Schnorr, R., Die Gemeinschaft nach Bruchteilen, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Gemeinschaftsrecht →Europäische Ge­mein­­schaft

Lit.: Emmerich, W., Gemeinschaftsrecht und nationale Rechte, 1971; Nicolaysen, G., Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1979

Gemeinwerk ist die vielleicht aus der mittelalterlichen Grundherrschaft entwickelte Pflicht der Mitglieder einer örtlichen Gemeinschaft zur tatsächlichen Leistung persönlicher Dienste zu Gunsten der Gemeinschaft und das daraus entstehende Werk (z. B. Mauer, Deich, Straße, Brücke). Das G. ist vor allem im mittelalterlichen Dorf bedeutsam. Seit dem 18. Jh. wird als Ergebnis der Geldwirtschaft das G. weitgehend durch Abgaben bzw. Steuern ersetzt.

Lit.: Gremler, F., Die Naturaldienste im preußischen Gemeinderecht, Diss. jur. Bonn 1912; Durgiai, E., Das Gemeinwerk, Diss. jur. Bern 1943; Bader, K., Dorfgenossenschaft und Dorfgemeinde, 1962.

Gemeinwohl (lat. salus [F.] publica, bonum (N.) commune) ist das allgemeine Wohl einer Gesellschaft. Das G. ist viel­fach Ziel eines Staates (Wohlfahrtsstaat). Es kann dabei zur Unterdrückung miss­braucht werden. Im Liberalismus soll es sich durch eigen­nütziges Handeln aller von selbst einstellen.

Lit.: Merk, W., Der Gedanke des gemeinen Besten, FS Alfred Schultze 1940, 2. A. 1968; Stolleis, M., Gemeinwohlformeln im national­sozialistischen Recht, 1974; Honsell, T., Gemeinwohl und öffentliches Interesse, ZRG RA 95 (1978), 93; Hibst, P., Utilitas publica, 1991; Gemeinwohl, Freiheit, Vernunft, Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F., 1995; Gemeinwohl und Gemeinsinn. Historische Semantiken politischer Leitbegriffe, hg. v. Münkler, H. u. a., 2001; Gemeinsinn und Gemeinwohl in der römischen Antike, hg. v. Jehne, M. u. a., 2013

Gemischtes Bezirksamt ist in Österreich von 1852 bis 1868 die staatliche, durch Zu­sammenlegung von Bezirkshaupt­mann­schaft und Bezirksgericht entstehende Verwaltungs- und Gerichtsbehörde erster Instanz.

Genannter

Lit.: Schall, K., Die Genannten in Nürnberg, 1971

Genealogie (F.) Familienkunde

Lit.: Köbler, DRG 2; Forst de Battaglia, O., Wissenschaftliche Genealogie, 1948; Melville, G., Vor­fahren und Vorgänger, (in) Die Familie als sozialer und historischer Verband, 1987, 203; Europäische Stammtafeln, hg. v. Schwennicke, D., 1998, 2. A. 2005, N. F. Bd. 26 2008; Hlawitschka, E., Die Ahnen der hochmittelalterlichen deutschen Könige, Kaiser und ihrer Gemahlinnen 1 (911-1137), 2007

Genehmigung (1747) ist die Erklärung des Einverständnisses mit dem Verhalten eines anderen. Sie ist bereits dem römischen Recht bekannt. Sie entwickelt sich im Verwal­tungsrecht zu einer Erlaubnis oder zu einer nachträglichen Billigung, im Privatrecht zur nachträglichen Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft.

Lit.: Kaser §§ 11 IV, 49 II, 53 I; Kroeschell, DRG 2; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Generalauditeur ist im 17. Jh. nach spa­nisch-niederländischem (1587) und schwedi­schem (1621) Vorbild im Heiligen römischen Reich  der Leiter der Rechtspflege des Heeres (1638/1651 Brandenburg, vor 1649 Reich). 1898 wird der G. durch die Militärstrafgerichtsordnung beseitigt.

Lit.: Meyer, O., Die Stellung des preußischen Generalauditeurs, Arch. Mil.R. 3 (1911/2), 138, 4 (1912/3), 349; Hülle, W., Das Auditoriat in Bran­denburg-Preußen, 1971; Modéer, K., Gerichtsbar­keit der schwedischen Krone, 1975

Generaldirektorium (Generaloberfinanz­kriegs- und -domänendirektorium) ist die aus einer zentralen Fachbehörde der Domänen­verwaltung und aus dem Generalkriegs­kommissariat erwachsene oberste Behörde in →Preußen im 18. Jh. (1722/1723-1806/1807), die 1749 Österreich als Vorbild dient.

Lit.: Hartung, F., Die Entwicklung des General­direk­toriums in Preußen 1723-1876, FuF 18 (1942), 110; Neugebauer, W., Residenz, Verwaltung, Repräsen­tation, 1999

Generalgouvernement ist die im frühen 19. Jh. und von 1939 bis 1945 verwendete Be­zeichung für eine umfassende Verwal­tungs­einrichtung.

Lit.: Napoleon, hg. v. Veltzke, V., 2007

Generalhypothek ist die im römischen Recht mögliche →Hypothek am ganzen Vermögen eines Pfandschuldners. Sie wird teilweise in der Neuzeit in Deutschland aufgenommen. Sie verunsichert durch fehlende Offenkun­digkeit das Kreditwesen, weshalb sie später beseitigt wird.

Lit.: Kaser § 31; Köbler, DRG 41; Wagner, H., Voraussetzungen, Vorstufen und Anfänge der römischen Generalverpfändung, 1967; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Generalklausel (1896?) ist der nur einen allgemeinen Grundsatz aufstellende, die konkrete Be­stimmung im Einzelfall den Gerichten über­lassende Rechtssatz (z. B. §§ 138, 157, 242, 826 BGB, lat. generalis clausula, D. 4. 6. 26. 1 und 4. 6. 33 pr.). Die G. hat (wie Billigkeit oder Naturrecht) den Vorzug der Offenheit für nichtvorhersehbare Umstände zu Gunsten inhaltlicher Gerech­tigkeit für sich und den Nachteil der Rechtsunsicherheit gegen sich. Im 20. Jh. wird dem Gesetzgeber die Flucht in die Generalklauseln vorgehalten.

Lit.: Köbler, DRG 229; Hedemann, J., Die Flucht in die Generalklauseln, 1933; Börner, F., Die Bedeutung der Generalklauseln, 1989; Nowak, C., Die praktische Bedeutung der Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffe in den großen Kodifikationen der DDR, Diss. jur. Köln 1993; Die Generalkluasel im europäischen Privatrecht, hg. v. Baldus, C. u. a., 2006

Generalkriegskommissar (z. B. Branden­burg-Preußen 1609-1722)

Generalpfand ist das im römischen Recht mögliche Pfand am gesamten gegenwärtigen Vermögen eines Pfandschuldners. →Gene­ralhypothek

Generalprävention ist der →Strafzweck, der auf allgemeine Vorbeugung gegenüber Straftaten durch Abschreckung auch unbe­kannter Dritter gerichtet ist (Feuerbach 1813).

Lit.: Köbler, DRG 204; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007

Generalstaatsanwalt ist der oberste Leiter einer gesamten Staatsanwaltschaft (z. B. DDR).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Generalstände (M.Pl.) allgemeine →Stände, états généraux

Lit.: Soule, C., Les États généraux de France (1302-1798), 1968; Bulst, L., Die französischen Generalstände, 1992

Genf am Ausfluss der Rhone aus dem Genfer See wird unter den 121 v. Chr. den Kelten folgenden Römern um 400 Sitz eines Bischofs und gelangt 1033 mit Burgund an das deutsche Reich. Seit 1536 wirkt in G. Calvin refor­matorisch. 1559 erhält es eine Akademie für Theologie und humanistische Fächer. 1815 wird G. Mitglied der Eid­genossenschaft der →Schweiz. Im frühen 19. Jh. werden Privatrecht und Prozessrecht (1819) gesetzlich geregelt (→Bellot). 1873 erlangt G. durch Aufnahme der Medizin eine Universität.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Cramer, J., Précis de l’histoire du droit genevois, 1761; Borgeaud, C. u. a., Histoire de l’Université, Bd. 1ff. 1900ff.; Rivoire, É. u. a., Les sources du droit du canton du Genève, Bd. 1f. 1927ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,450, 3,2,1866; Histoire de Genève, hg. v. Guichonnet, P., 1974, 3. A. 1986

Genfer Konvention ist die (seit dem 22. 8. 1864) in Genf abgeschlossene völker­recht­liche Vereinbarung (z. B. zur Humanisierung des Kriegsrechts).

Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007

Genosse →Genossenschaft

Genossenschaft ist die Personenver­einigung zur Erfüllung der von ihren Mitgliedern (Genossen, Mitnutzern) ange­strebten Zwecke, insbe­sondere der Förde­rung des Erwerbs oder der Wirtschaft mittels gemeinschaftlichen Ge­schäftsbe­triebs. Sie ist im Gegensatz zur Herrschaft durch Gleichheit gekennzeichnet. Ihre ältesten Formen betreffen die vielleicht von Verwandtschaften ausge­hende ge­mein­­same Nutzung von Land. Bedeutsam ist die mög­licherweise noch ins Frühmittelalter zurückrei­chende →Mark­ge­­nos­­sen­schaft. Be­son­dere Erwähnung verdient auch die durch eidlich be­stärkte Vereinbarung entstehende →Eidge­nossen­schaft. Eine stärkere Verfes­tigung zeigt die im 12. Jh. sichtbare (als G. erklärbare) Stadtgemeinde. Genos­sen­schaft­lich organi­siert sind im Hoch­mittel­alter auch →Gemeinderschaft, →Zunft, Bruder­schaft, →Universität, berg­rechtliche →Gewerk­schaft, Waldge­nossen­schaft und Deichgenos­senschaft. In der frühen Neu­zeit drängt der Einfluss der gelehrten Rechte die G. zugunsten der römisch­rechtlichen (lat. [F.]) →societas bzw. (lat. [F.]) →universitas zurück. Die G. neigt zur Verselbständigung und zur Ersetzung der Einstimmigkeit durch die Mehrheit. Die hierauf gegründete Theorie des 19. Jh.s, dass die →juristische Person eine Fiktion sei, wird von Georg von →Beseler (1809-1888, 1843) und Otto von →Gierke (1841-1821) (Theorie der realen Verbands­persönlichkeit 1868ff.) bekämpft. In Preußen bzw. dem Norddeutschen Bund wird 1867/1868, in Österreich am 9. 4. 1873 ein Gesetz betreffend die G. (Gesellschaft mit offener Mitgliederzahl, bei Eintragung in das Genossenschafts­register juristische Person) geschaffen (Konsumgenossenschaft, Raiffei­senge­nos­senschaft, Wohnungsbaugenossen­schaft).

Lit.: Hübner 123ff.; Köbler, DRG 96, 121, 174, 177, 207, 218; Köbler, WAS; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Gierke, O. v. Die Genossenschaftstheorie, 1887; Solmi, A., Le associazioni in Italia, 1898; Haff, K., Zur Rechtsge­schichte der mittelalterlichen Transportgenos­senschaften, ZRG GA 31 (1910), 253; Weimann, K., Die Mark- und Walderbengenossenschaften des Niederrheins, 1911; Bader, K., Das mittelalterliche Dorf, Bd. 1ff. 1957ff.; Schlosser, M., Genos­senschaften in der Grafschaft Ysenburg, 1956; Faust, H., Geschichte der Genossenschaftsbewegung, 1965; Bludau, K., Nationalsozialismus und Genossen­schaften, 1968; Laufs, A., Genossenschaftsdoktrin und Genossen­schaftsgesetz­gebung vor 100 Jahren, JuS 1968, 311; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur Betriebsgemeinschaft, 1982; Schröder, J., Zur älteren Genossenschaftstheorie, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 399; Weitzel, J., Dinggenos­senschaft und Recht, 1985; Gericht, Genossenschaft und Policey, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986; Schubert, W., Zur Entstehung der Genossenschaftsgesetze Preußens und des Norddeutschen Bundes (1863-1868), ZRG GA 105 (1988), 97; Hundert Jahre Genossenschaftsgesetz, hg. v. Institut für Genossenschaftswesen u. a., 1989; Akademie für deutsches Recht 1933-1945, Protokolle der Ausschüsse 4, Ausschuss für Genossenschaftsrecht, hg. v. Schubert, W., 1989; Hettrich, E./Pöhlmann, P., Genossenschaftsgesetz, 1995; Hardtwig, W., Genos­senschaft, Sekte, Verein, 1997; Helin, I., Vom Brodverein zur co op, 1998; Zinke, J., Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Genossenschaften in der Weimarer Republik, 1999; Kattinger, D., Die gotländische Genossenschaft, 1999; Wilcken, C., Die Reformbestrebungen zum Genossenschaftsgesetz in der Frühzeit der Bundesrepublik, 2000; Peters, M., Die Genossenschaftstheorie Otto von Gierkes, 2002; Schnei­der, R., Altrechtliche Personenzu­sammen­schlüsse, 2003; Janssen, A., Die bleibende Bedeutung des Genossenschaftsrechts Otto von Gierkes, ZRG GA 122 (2005), 352; Schlütz, F., Ländlicher Kredit, 2013

Genossenschaftsgesetz →Genossenschaft

Genozid (N., M.,) →Völkermord

Lit.: Grenke, A., Der Genozid in der Weltgeschichte, 2001; Genesis des Genozids, hg. v. Mallmann, K. u. a., 2004; Barth, B., Genozid, 2006; Kallis, A., Genocide and Fascism, 2009; The Genocide Convention, hg. v. Wilt, H. van der u. a., 2012

gens (lat. {[F.]) Sippenverband, Volk

Gent an der Leie (kelt. ganda Zusammenfluss, 7./8. Jh. [lat.] pagus [M.] Gandao) erscheint im 10. Jh. als Handelsort. Nach Paris ist es zweitgrößte Stadt nördlich der Alpen. Im 12. Jh. erlangen die Kaufleute wichtige Rechte. Über Flandern, Burgund (1384) gelangt G. an Habsburg (1477)/­Spanien (M. 16. Jh.s) (1568 Freiheitskampf der Niederlande). Von den Niederlanden löst sich 1830 Belgien (mit G.). 1879 wird G. Sitz einer Universität.

Lit.: Oppermann, O., Die älteren Urkunden des Klosters Blandinium und die Anfänge der Stadt Gent, 1928; Werveke, H. van, Kritische studiën betreffende de oudste geschiedenis van de stad Gent, 1933; Werveke, H. van, De gentsche stadsfinanciën, 1934; Verhulst, A., De Sint-Baafsabdij te Genbt en haar grondbezit, 1958; Koch, A., Gentse keuren van vóór 1240, 1960; Verhulst, A., Die Frühgeschichte der Stadt Gent, FS Edith Ennen, 1972, 108; Gent, red. Decavele, J., 1989

Gentechnologie ist die auf die Gene der Lebewesen bezogene, in Deutschland seit 20. 6. 1990 gesetzlich geregelte Technologie.

Lit.: Salem, S., Die öffentliche Wahrnehmung der Gentechnik in der Bundesrepublik Deutschland seit den 60er Jahren, 2013

Gentile ist der Angehörige eines Sippenver­bands (lat. [F.] gens) im römischen Recht. Er ist nachrangig Erbe.

Lit.: Kaser § 12 I 1; Söllner §§ 4, 8; Köbler, DRG 21

Gentili, Alberico (1552-1608) wird nach dem Rechtsstudium in Perugia Richter in Ascoli. Auf der Flucht der Familie vor der Inquisition gelangt er 1581 nach Oxford (1587 Professor für civil law) und veröffentlicht vor allem bedeutende völkerrechtliche (kriegsrechtliche) Werke (De iure belli commentationes [F.Pl.] tres, 1588f., Drei Abhandlungen zum Kriegsrecht). Nach 1590 wird er als Anwalt tätig.

Lit.: Hugo Grotius and International Relations, hg. v. Bull, H. u. a., 1990, 133

gentry (engl.) Landadel (seit 15. bzw. 16. Jh.)

Lit.: Gentry, hg. v. Jones, M., 1986

Genua am südlichen Steilabfall der Alpen zum Mittelmeer kommt über Römer, Ost­go­ten, Byzantiner und Langobarden an die Franken. Seit dem 10. Jh. erlangt es eine eigene Verwaltung. Vielfach unter fremder Herrschaft, wird es 1815 mit dem Königreich Sardinien-Piemont (1861 Italien) vereinigt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Chiaudano, M., Contratti commerciali Genovesi, 1925; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,162; Airaldi, G., Genova, 1986; Schweppenstette, F., Die Politik der Erinnerung, 2003

genus (lat. [N.]) Geschlecht, Gattung

Genus perire non censetur (lat.). Von einer Gattung wird nicht angenommen, dass sie untergeht. →Gattungsschuld

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Genuss

Lit.: Menninger, A., Genuss im kulturellen Wandel, 2. A. 2008

Gény, François (1861-1959) kommt über Algier (1887) und Dijon (1892) nach Nancy (1901, 1905 ordentlicher Professor für bürgerliches Recht) und verfasst bedeutsame Studien über Natur und Methode des Privatrechts (Méthode d’interprétation et sources en droit privé positif, 1899, Science et technique en droit privé positif, 1913ff.).

Lit.: Dabin, J. u. a., Le centenaire du doyen François Geny, 1963

geometricus →mos geometricus

Georgenberger Handfeste ist die umfangreichere (von mehreren) Urkunde(n) über den am 17. 8. 1186 auf dem im Bereich der Stadt Enns liegenden St. Georgsberg (Georgenberg) (mündlich) abgeschlossenen Erbvertrag zwischen dem kinderlosen, kran­ken Herzog Otakar IV. von →Steiermark und Herzog Leopold V. von →Österreich, auf Grund dessen mit dem Tod Otakars IV. 1192 die Steiermark an Österreich fällt.

Lit.: Köbler, DRG 94; Baltl/Kocher; Spreitzhofer, K., Die Georgenberger Handfeste, 1986

Gerade ist vielleicht schon im germanischen Recht die Ausstattung der Braut für die Verheiratung (vgl. rhedo in der [lat.] Lex [F.] Thuringorum [802, 35] und mahalareda in der [lat.] Lex [F.] Burgundionum [um 500, 86]). Im Hochmittelalter umfasst sie im Verbrei­tungs­gebiet des Sachsenspiegels (Ssp LdR I 5, 24, 27, 28, III 38) Schmuck, Klei­der, Gefäße und Hausrat (Bett, Kiste, Gebetbuch, vielleicht Gänse, Enten, Schafe). Beim Tod des Hausvaters fällt sie (vor allem in der Stadt) als Voraus an die Ehefrau, beim Tod der Frau (vor allem auf dem Land) an eine bestimmte nichtverheiratete weibliche (nächste) Verwandte (oder einen Geistlichen). Seit dem Spätmittelalter (Lübeck 1275) tritt die G. zurück (Beaunschweig-Lüneburg 1618, Sachsen 1814). Letzte Spuren finden sich noch im Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863/1865) und des Deutschen Reiches (1896/1900, Hausrat).

Lit.: Hübner 664, 739; Köbler, DRG 89, 123, 162; Hradil, P., Zur Theorie der Gerade, ZRG GA 31 (1910), 67; Heukamp, B., Die Gerade, 1912; Schmitt, A., Das Fortleben der Gerade, 1913; Frommhold, E., Das Recht der Gerade, Diss. jur. Leipzig 1934; Bungenstock, W., Heergewäte und Gerade, Diss. jur. Göttingen 1966; Ottenjohann, H., Das Sondervermögen „Gerade“, (in) Aus dem Leben gegriffen, 1995, 379; Gottschalk, K., Streit um Frauenbesitz, ZRG GA 114 (1997), 182; Gottschalk, K., Eigentum, 2003

Gerber, Karl Friedrich Wilhelm (Ebeleben 11. 4. 1823-Dresden 23. 9. 1891), Gymnasialdirektorssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Heidelberg (Mittermaier, Vangerov, Puchta, Hänel, Albrecht), der Promtion in Heidelberg (2. 2. 1843), einer praktischen Tätigkeit in Sondershausen und der Habilitation in Jena (1844) 1846 außerordent­licher Professor in Jena, 1847 ordentlicher Professor in Erlangen, 1851 Tübingen, 1862 Jena und 1863 Leipzig. 1871 wird er Kultusminister Sachsens. 1846 legt er eine von Puchta beeinflusste Unter­suchung über das wissenschaftliche Prinzip des →gemeinen deutschen Privat­rechts vor, in der er das deutsche Recht statt als Rechtsquelle als bloßes System von Rechts­gedanken (Geist des deutschen Rechtes) auf der Grundlage des freien Willens versteht. Hierauf gründet er sein erfolgreiches romanistisch beeinflusstes Lehrbuch System des deutschen Privatrechts (1848/9, 17. A. 1898), in dem er den Geist des deutschen Rechtes in konkrete juristische Sätze fasst. 1852 lässt er die auf den Wil­lensäußerungen der Einzelnen als Glieder der Volksver­bindung beruhende Unter­suchung über öffentliche Rechte folgen, die 1865 zu Grundzügen eines Systems des deutschen Staatsrechts (mit den vier Abteilungen Staatsgewalt [Willensmacht des Staates], Organe des Staates, [Formen der] Willens­äußerungen des Staates, Rechtsschutz) werden, die den →Staat als →juristische Person verstehen und in Ersetzung der staatswissenschaftlichen Betrachtung durch konsequent juristisches Denken die moderne deutsche Staatsrechtswissenschaft begründen (3. A. 1880).

Lit.: Köbler, DRG 205; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen Spätkon­stitutionalismus, 1993; Pöggeler, W., Einleitung zu Gerber, C., Das wissenschaftliche Pinzip des gemeinen deutschen Privatrechts, Neudruck 1998; Lewinski, K. v., Deutschrechtliche Systembildung im 19. Jahrhundert, 2001; Briefe deutscher und Schweizer Germanisten an Karl Josef Anton Mittermaier, hg. v. Jeowik, L., 2001; Schmidt-Radefeldt, S., Carl Friedrich von Gerber (1823-1891), 2003; Bürger, J., Carl Friedrich Wilhelm von Gerber als sächsischer Kultusminister, 2007; Kremer, C., Die Willensmacht des Staates - Die gemeindeutsche Staatsrechtslehre des Carl Friedrich von Gerber, 2008

Gerechter Krieg (lat. bellum [N.] iustum) ist der gerechtfertigte Fall einer gewaltsamen Auseinandersetzung von Völkern oder Staaten. Nach Cicero (106-43 v. Chr., De re publica 3, 23) begründen Rache und Vertreibung von Feinden allein den gerechten Krieg. In gleicher Weise anerkennt das Christentum (Augustinus 354-430) Verteidigung und Strafe als Grund eines gerechten Krieges, zu dem noch die rechte Gesinnung des Kriegführenden hinzukommen muss. Thomas von Aquin (um 1270) fordert die (lat. [F.]) auctoritas des Herrschers, den gerechten Grund und die rechte Einstellung (Summa Theologiae 2, 2, q. 40 a. 1). Fehde und Krieg lassen sich allerdings kaum trennen. Bei Bartolus (Tractatus repre­saliarum, 1354) steht das Recht der Kriegführung auch selbständigen Fürsten und Stadtstaaten zu. Francisco de Vitoria († 1546) begründet mit Hinweis auf den in einem unüberwindlichen Irrtum Befangenen die Lehre vom beiderseits gerechten Krieg. Nach Alberico Gentili (1588) schränkt Grotius (1583-1643) demgegenüber dahin ein, dass zwar nur einer der Kriegsführenden im Recht sein könne, beide aber in gutem Glauben streiten könnten. Im 18. Jh. wird auf eine Untersuchung von ungerechten Kriegen und gerechten Kriegen verzichtet. Im 19. Jh. herrscht die Lehre vom freien Kriegsführungsrecht der souveränen Staaten. Dagegen erfolgt nach dem ersten Weltkrieg (1914-1918) eine Rückkehr zur Lehre vom gerechten Krieg (Satzung des Völkerbunds, Briand-Kellogg-Pakt 1928, Satzung der Ver­ein­ten Nationen), so dass der Angriffskrieg verboten wird.

Lit.: La Paix, 1961, Recueils de la Société Jean Bodin 15; Tooke, J., The Just War in Aquinas and Grotius, 1965; Russel, F., The Just War, 1975; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Stumpf, C., Vom heiligen Krieg zum gerechten Krieg, ZRG KA 118 (2001), 1; Loreto, L., Il bellum iustum e i suoi eqivoci, 2001; Guerra giusta?, hg. v. Calore, A., 2003; From Just War to Modern Peace Ethics, hg. v. Justenhoven, H. u. a., 2012

gerechter Preis →Preis, (lat.) iustum pretium (N.)

Gerechtigkeit ist das zeitlos gültige Maß richtigen Verhaltens. Bereits Aristoteles (384-322 v. Chr.) unterscheidet die ausgleichende G. (lat. iustitia [F.] commutativa) zwischen den Einzelnen und die austeilende G. (lat. iustitia [F.] distributiva) zwischen Allgemeinheit und Einzelnen. Ulpian (170-223) erklärt die G. (lat. [F.] iustitia) als den ständigen Willen, jedem sein Recht dadurch zu gewähren, dass man ehrbar lebt, den anderen nicht verletzt und jedem das Seine gibt. Das Christentum bestimmt die G. durch die in der Natur sich zeigende göttliche Ordnung. Seit der Neuzeit versucht der Mensch die G. mit Hilfe der (der Natur des Menschen entsprechenden) Vernunft zu ermitteln. Die G. vollkommen zu verwirk­lichen, muss dabei wohl als wünschenswertes Ideal angesehen werden, das tatsächlich nicht oft genug erreicht wird. Wie vieles andere Unsichtbare versucht der Mensch auch, die G. in Bildern (Gerechtigkeitsbildern) hilfsweise sichtbar zu machen.

Lit.: Köbler, DRG 2, 254; Frommhold, G., Die Idee der Gerechtigkeit in der bildenden Kunst, 1925; Simon, K., Abendländische Gerechtigkeitsbilder, 1948; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 231; Welzel, H., Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 1951, 4. A. 1962; Kissel, O., Die Justitia, 1984, 2. A. 1997; Schimmler, B., Recht ohne Gerechtigkeit, 1984; Dickhuth-Harrach, H. v., Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986; Recht und Gerechtigkeit im Spiegel der europäischen Kunst, hg. v. Pleister, W. u. a., 1988; Sellert, W., Recht und Gerechtigkeit in der Kunst, 1993; Schild, W., Bilder von Recht und Gerechtigkeit, 1995; Manthe, U., Beiträge zur Entwicklung des antiken Gerechtigkeitsbegriffes, ZRG RA 114 (1997), 1; Gerechtigkeit, hg. v. Assmann, J. u. a., 1998; Justiz und Gerechtigkeit, hg. v. Griesebner, A., 2002; Prodi, P., Eine Geschichte der Gerechtigkeit, 2003; Hayek, F. v., Recht, Gesetz und Freiheit, 2003; Brüschweiler, A., Gerechtigkeit durch Ironisierung, 2003; Duvanel, L., La justice contractuelle, 2004; Schröder, J., Verzichtet unser Rechtssystem auf Gerechtigkeit?, 2005; Petersen, J., Nietzsches Genialität der Gerechtigkeit, 2008; Schlotmann, K., Recht und Gerechtigkeit im Werk Heinrich Bölls, 2008; Rüthers, B., Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, 3. A. 2009; Sutter, C., Flämische Gerechtigkeitsbilder, 2009; Sen, A., Die Idee der Gerechtigkeit, 2010; Gerechtigkeit im gesellschaftlichen Diskurs des späteren Mittelalters, hg. v. Schulte, P. u. a., 2012; Justice in Warteime and Revolutions. Europe 1795-1950, hg. v. De Koster, M. u. a., 2012

Gerhabe ist an manchen Orten eine mittel­alterliche Bezeichnung für den →Vormund.

Lit.: Haff, K., Gerhaben-Stellen aus unveröffentlichten Urkunden des Allgäus, ZRG GA 51 (1931), 512

Gericht ist die (staatliche) Einrichtung, welche die Entscheidung in Streitigkeiten durch Rechtsanwendung auf die Wirklichkeit ausüben soll. Das altrömische Recht unterscheidet dabei (im Zivilverfahren) zwischen dem G. (lat. [N.] ius) und dem Richter (lat. [M.] iudex). Das G. findet auf dem Markt (lat. [N.] forum) vor dem zuständigen Magistrat (seit 367 v. Chr. lat. [M.] praetor) statt, der darüber entscheidet, ob die Rechtsordnung für das Begehren des Verfolgers einen Schutz (lat. [F.] actio) enthält und danach gegebenfalls unter Auswahl oder Auslosung seitens der Parteien den Richter ermittelt. Seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) tritt an die Stelle von Magistrat und Richter der einheitliche öffentliche Amtsträger des →Kognitions­verfahrens, der untersucht und entscheidet. Bei den Germanen finden demge­genüber die Entscheidungen in Streitigkeiten anfangs vermutlich in der vom König oder mehreren Großen geleiteten →Volksver­sammlung un­ter freiem Himmel statt, wobei ein Entscheidungsvorschlag aus dem →Umstand vorgebracht wird. Im Frühmittelalter leitet zunächst der König oder der (fränkische) (lat.-ad. [M.]) →thunginus (Dingmann) die Versammlung auf dem →Malberg, und →Rachinburgen schlagen ein Urteil vor. Später verdrängt der →Graf den thunginus. Zwischen 770 und 780 ersetzt Karl der Große die Rachinburgen durch →Schöffen als Urteiler. Im geistlichen Gericht (Lüs. aus lat. [F.] correctio?) des fränkischen Reiches entsprechen dem Grafen und den Schöffen der Bischof bzw. Archidiakon bzw. Archi­presbyter und die Sendschöffen, bis seit dem späten 12. Jh. (Reims, Mainz), allgemeiner seit 1246 der gelehrte →Offizial des Bischofs als ständiger, ordentlicher (be­rufs­mäßiger) Einzelrichter, der selbst ent­scheidet, erscheint. Noch im Reichs­kammergericht (1495) ist der Richter grund­sätzlich nur Verhandlungsleiter und ist die Hälfte der Beisitzer (Assessoren) nur adlig und (zunächst) nicht rechtsgelehrt. Im Laufe der frühen Neuzeit wird das mehr und mehr in festen Gebäuden tagende, bei anderen Einrichtungen (z. B. rechtswissen­schaftlichen Fakultäten) unter Aktenver­sendung Rat erbitten kön­nende G. aber zu Lasten der Laien zunehmend mit rechtsgelehrten Berufs­juristen besetzt und entscheidet (auch) der Richter (zumindest mit). Dem­gegenüber belebt der Libe­ralismus des 19. Jh.s das Laienelement wieder (→Schwur­gericht). Zugleich ordnet er die Gerichte durch Gesetz (Gerichtsver­fassungsgesetz, Gerichtsorganisa­tions­gesetz) und verdrängt die nichtstaatliche Streit­entscheidung. In der Gegenwart ist in Deutschland die →Gerichtsbarkeit in unterschiedliche Zweige von Gerichten (or­dentliches Gericht, Arbeitsgericht, Finanz­ge­richt, Sozialgericht, Verfassungsgericht, Verwaltungsgericht) gegliedert. Diese sind in mehrere Instanzen gestuft (z. B. Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Bayerisches Oberstes Landesgericht [bis 2004], Bundesge­richts­hof). Die meisten der sehr vie­len Rechtsstrei­tig­keiten werden durch Berufs­richter entschieden. Neben der Entschei­dung von Rechtsstreitigkeiten über­nimmt das G. bereits im Mittelalter auch Verwal­tungsaufgaben (Registerge­richt, frei­wil­lige Gerichtsbarkeit).

Lit.: Kaser §§ 80ff.; Köbler, DRG 111, 116, 150; Köbler, WAS; Luschin von Ebengreuth, A., Geschichte des älteren Gerichtswesens in Österreich, 1879; Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 1 1889, Neudruck 1968, 1984; Das älteste Gerichtsbuch der Stadt Wiesbaden, hg. v. Otto, F., 1900; Funk, M., Die lübischen Gerichte, ZRG GA 26 (1905), 53; Lenel, P., Die Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Brünneck, W. v., Zur Geschichte der Gerichtsverfassung der Stadt Frauenburg (im Ermlande), ZRG GA 37 (1916), 313; Jecklin, C., Das Chorherrengericht zu Schiers, Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft Graubündens 49 (1919); Pöhlmann, C., Gerichtssäule, ZRG GA 41 (1920), 387; Hillmann, H., Das Gericht als Ausdruck deutscher Kulturentwicklung im Mittelalter, 1930; Frölich, K., Stätten mittelalterlicher Rechtspflege auf südwestdeutschem Boden, 1938; Grosse, W., Land- und Godingstätten in den Schwaben­gau­graf­schaften, Festschrift für Walter Möllenberg, 1939, 53; Grosse, W., Die mittelalterlichen Gerichte und Dingstätten im Harzgau, Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde 72 (1939), 1; Braun, E., Die Entwicklung der Gerichtsstätten in Deutschland, Diss. jur. Erlangen 1944; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Eberhard, H., Die Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen im Mittelalter, ZRG 75 (1958), 108; Köbler, G., Richten, Richter, Gericht, ZRG GA 87 (1970), 57; Müller-Volbehr, J., Die geistlichen Gerichte in den Braunschweig-Wolfenbüttelschen Landen, 1972; Krause, H., Mittelalterliche Anschauungen vom Gericht, 1974 (SB München); Köbler, G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen (1815-1945), FS G. Schmelzeisen, 1980, 166; Schubert, W., Die deutsche Gerichtsverfassung 1869-1877, 1981; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Keller, O., Die Gerichts­organisation des Raumes Marburg im 19. und 20. Jahrhundert, 1982; Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte, hg. v. Volkert, W., 1983; Schumacher, U., Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Turner, R., The English Justiciary, 1985; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Dülmen, R. van, Theater des Schreckens, 1985; Recht, Gericht, Genossenschaft und Policey, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Prozessflut?, hg. v. Blankenburg, E., 1989; Franz, E./Hofmann, H./Schaab, M., Gerichtsorganisation in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen im 19. und 20. Jahrhundert, 1989; Das Oberste Gericht der DDR, 1989; Ackermann, R., Mittelalterliche Kirchen als Gerichtsorte, ZRG GA 110 (1993), 530; Rose, M., Das Gerichtswesen des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken im 18. Jahrhundert, 1994; Klemmer, K./Wassermann, R./Wessel, T., Deutsche Gerichtsgebäude, 1993; Justizgebäude in Sach­sen, 1995; Ishikawa, T. Das Gericht im Sachsenspiegel, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Lück, H., Die kursächsische Gerichtsverfassung, 1997; Richter, K., Friedrich Barbarossa hält Gericht, 1999; Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht, 2000; Zehetmayer, R., Kloster und Gericht, 2001; Lenzing, A., Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland, 2005; Höchstgerichte in Europa, hg. v. Auer, L. u. a., 2007; Gerichtskultur im Ostseeraum, hg. v. Knothe, H. u. a., 2007; Deutsche Justizinstitutionen in Geschichtswerken und Festschrif­ten, hg. v. Vormbaum, T., 2007 (Bibliographie); Strauch, D., Rheinische Gerichte in zwei Jahrhun­derten, 2007; Loroch, S., Zeitungs­rubrik Gerichtssaal, 2009; Waldstätten, A., Staatliche Gerichte in Wien seit Maria Theresia, 2012; Oestmann, P., Geistliche und weltliche Gerichte im Alten Reich, 2012; Gerichtsstätten in Hessen, bearb. v. Eckhardt, W., 2012 http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/­index/­sn/­gsr; European Supreme Courts, hg. v. Van Rhee, R., 2013; Diestelkamp, B., Vom einstufigen Gericht zur obersten Rechtsmittelinstanz, 2013

Gerichtliche Medizin (oder Gerichtsmedizin) ist die rechtlich bzw. verfahrensrechtlich bedeutsame Medizin. Im Mittelalter werden allmählich ärztliche Sachverständige in das Verfahren vor Gericht eingeführt. Die erste bekannte richterliche Leichenöffnung findet in Bologna 1302 statt. Die Constitutio Criminalis Carolina (1532) behandelt die Bedeutung verständiger Frauen und verständiger Ärzte für das Strafverfahren allgemein. Im 18. Jh. erscheint die (lat.) medicina (F.) forensis als Vorlesung an den Universitäten. Eigene Lehrstühle folgen etwas später nach (Wien 1804, Prag 1807), ein eigenes Fach 1835. 1901 wird im Deutschen Reich g. M. für einige Zeit Pflichtfach des Studiums.

Lit.: Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 1970; Bader, K., Ärztliche Sachverständige im Mittelalter, 1976

Gerichtsakte ist die (unter Einschränkung der Mündlichkeit) seit dem 14. Jh. einsetzende) →Akte eines Gerichts.

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Gerichtsbarkeit ist die auf Verwirklichung der bestehenden Rechtsordnung gerichtete Tätigkeit (des Staates bzw. der Allgemeinheit) (Judikative). →Gericht

Lit.: Kaser §§ 80, 87; Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit über Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881), 83, 3 (1882), 102; Goldhardt, O., Die Gerichtsbarkeit in den Dörfern des mittelalterlichen Hennegaues, 1909; Brand, E., Eidgenössische Gerichtsbarkeit, Bd. 1ff. 1952ff.; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 1922, 2. A. 1958; Lieberich, H., Zur Feudalisierung der Gerichtsbarkeit in Baiern, ZRG GA 71 (1954), 242; Tomaschek, J., Die höchste Gerichtsbarkeit des deutschen Königs und Reiches im 15. Jahrhundert, 1965; Hageneder, O., Die geistliche Gerichtsbarkeit in Ober- und Niederösterreich, 1967; Laufs, A., Die Anfänge einheitlicher höchster Gerichts­barkeit in Deutschland, JuS 1969, 256; Nordhoff-Behne, H., Gerichtsbarkeit und Strafrechtspflege in der Reichsstadt Schwäbisch-Hall, 1971; Modéer, K., Gerichtsbarkeiten der schwedischen Krone im deutschen Reichsterritorium, Bd. 1 1975; Müller-Kinet, H., Die höchste Gerichtsbarkeit im deutschen Staatenbund 1806-1866, 1975; Rödel, U., Königliche Gerichtsbarkeit, 1979; Globig, G., Gerichtsbarkeit als Mittel sozialer Befriedung, 1985; Schild, W., Alte Gerichtsbarkeit, 2. A. 1987; Deter, G., Handwerksgerichtsbarkeit zwischen Absolutismus und Liberalismus, 1987; Schild, W., Geschichte der Gerichtsbarkeit, 1995; Oberste Gerichtsbarkeit und zentrale Gewalt im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Diestelkamp, B., 1996; Harendil, H., Gesellschaftliche Gerichtsbarkeit, 1997; Royer, J., Histoire de la justice en France, 1997; Albert, D., Der gemeine Mann vor dem geistlichen Richter, 1998; Drecktrah, V., Die Gerichtsbarkeit in den Herzogtümern Bremen und Verden, 2002; Shirley, K., The Secular Jurisdiction of Monasteries, 2004; Praxis der Gerichtsbarkeit in europäischen Städten des Spätmittelalters, hg. v. Arlinghaus, F., 2006; Murauer, R., Die geistliche Gerichtsbarkeit im Salzburger Eigenbistum Gurk im 12. und 13. Jahrhundert, 2009; Die Höchstgerichtsbarkeit im Zeitalter Karls V., hg. v. Czeguhn, I. u. a., 2011

Gerichtsbote ist in Mittelalter und Früh­neuzeit der Entscheidungen (z. B. Ladungen) des Gerichts übermittelnde Gerichtsbe­dien­stete (z. B. Fronbote, Büttel, Waibel).

Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953

Gerichtsbuch ist das bei einem →Gericht (vielleicht seit dem 13. Jh.) geführte Buch über gerichtliche Handlungen der streitigen oder freiwilligen Tätigkeit (z. B. Urteile, Rügen, Klagen, Protokolle, Vergleiche, Rechts­geschäfte). Gerichtsbücher sind (mit unterschiedlichen Bezeichnungen) bei­spiels­weise überliefert aus den Städten Worms, Bamberg, Bingen, Stralsund, Luckau und aus vielen Dörfern (z. B. Niederingelheim, Eppelsheim, Hamm, Er­polz­heim, vor allem in Bayern, Pfalz, Schlesien und Brandenburg).

Lit.: Rehme, P., Über Stadtbücher als Geschichtsquelle, 1913; Frommhold, G., Das Gerichtsbuch von Pfalzfeld, ZRG GA 47 (1927), 664; Schultheiß, W., Über spätmittelalterliche Gerichtsbücher aus Bayern und Franken, FS H. Liermann, 1964, 264; Das Kulmer Gerichtsbuch (1330-1430), hg. v. Lückerath, C. u. a., 1999

Gerichtsgebäude ist das (seit etwa 1730 [Kammergericht] bzw. 1830 [Köln vor 1834]) der räumlichen Unterbringung (nur) des Gerichts dienende Gebäu­de.

Lit.: Klemmer, K., Deutsche Gerichtsgebäude, 1993; Justizgebäude in Sachsen, hg. v. sächs. Staats­minis­teium der Justiz, 1995; Kähne, V., Stätten der Justiz in Berlin, 2007; Der Wiener Justizpalast, hg. v. Bundesministerium der Justiz, 2007; Müller, S., Das Reichsgericht in Leipzig, 2008

Gerichtsgebrauch ist (seit dem 16./17. Jh.) die an einem oder mehreren Gerichten geübte besondere Art der Rechtsan­wendung.

Lit.: Schumacher, D., Das rheinische Recht, 1970; Sellert, W., Prozessgrundsätze und stilus curiae am Reichshofrat, 1973; Schröder, J., Wissenschafts­theorie und Lehre der praktischen Jurisprudenz, 1979

Gerichtsgefälle sind die an ein →Gericht zu erbringenden vermögenswerten Leistungen (Gefälle, Wort ver­ein­zelt seit 13. Jh.). Sie dienen der Unterhaltung der mit der Gerichtsbarkeit betrauten Menschen. Zu ihnen gehört z. B. das Friedensgeld. Seit dem Mittelalter begegnen Geldleistungen für einzelne Gerichts­handlungen, wie beispielsweise auch für die Tätigkeit des →Gerichtsschreibers. Hieraus entwickeln sich bis zum Beginn der Neuzeit an vielen Stellen besondere Ordnungen für im voraus zu erhebende →Gebühren (Kosten), die der im Verfahren Unter­liegende zu erstatten hat. Später finden die G. über den allgemeinen Staatshaushalt Verwen­dung zur Besoldung des Gerichtsper­sonals mit festen Gehältern.

Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 75ff.; Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968

Gerichtsherr ist der Herr des Gerichts, der Herrschaft über das Gericht hat (z. B. König, Landesherr, Stadt, Grundherr).

Gerichtshof ist das mit mehreren Richtern besetzte (obere) Gericht bzw. ein Hof, an dem Gericht gehalten wird. Seit 2009 bezeichnet sich der 1951 geschaffene Europäische Gerichtshof als G., während das Gesamtsystem der Gerichtsbarkeit der Europäischen Union G. der Europäischen Union genannt wird.

Lit.: Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die britische Zone (1948-1950), ZNR 3 (1981), 158; Constitutionalising the EU Judicial System, hg. v. Cardonnel, P. u. a., 2012

Gerichtslaube ist der als Laube gestaltete Ort der Abhaltung eines Gerichts. Bereits 809 sieht ein Kapitular Kaiser Karls des Großen Dächer für Gerichtsversammlungen als Schutz gegen schlechtes Wetter vor. Seit dem 13. Jh. tagt in Städten das Gericht (auch) in nach drei Seiten offenen steineren Lauben an Rathäusern (z. B. Freiburg im Breisgau 1280).

Lit.: Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Klemmer, K. u. a., Deutsche Gerichtsgebäude, 1993

Gerichtsmagistrat ist in Rom der für die Gerichtsbarkeit und damit für die Einsetzung von entscheidenden Gerichten zuständige Magistrat (Prätor, kurulischer Ädil, Statthalter u. a.).

Gerichtsmedizin (oder gerichtliche Medizin)ist die für gerichtliche Zwecke notwendige medizinische Betrach­tung (z. B. Leichenschau, Lehrstuhl Heidelberg 1766, seit 1835 als Fach eingerichtet, Institut Berlin 1887, 1968 Rechtsmedizin).

Lit.: Handbuch der gerichtlichen Medizin, hg. v. Masch­ka, J., 1881; Geschichte der gerichtlichen Medi­zin, hg. v. Mallach, H., 1996; Lorenz, M., Kriminelle Körper – Gestörte Gemüter, 1999; Herber, F., Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz, 2002; 100 Jahre Deutsche Gesellschaft für gerichtliche Medizin, hg. v. Madea, B., 2004

Gerichtsordnung ist die Gesamtheit der für ein →Gericht unmittelbar geltenden Rechts­sätze. Sie entwickelt sich aus dem von der Kirche geförderten Gedanken, dass ein rechtliches Verfahren in klarer Weise geordnet sein soll (lat. ordo [M.] iudiciarius). In der Neuzeit wird hieraus die →Prozessordnung.

Lit.: Fischel, A., Die Olmützer Gerichtsordnung, 1903; Meier, A., Die Geltung der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. im Gebiete der heutigen Schweiz, 1910; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der Solmser Gerichtsordnung von 1571, Diss. jur. Göttingen 1972; Kleinheyer, G., Die Regensburger peinliche Gerichtsordnung, FS H. Krause 1975, 110; Dank, E., Die Appellationsvorschriften der bayerischen Gerichtsordnung von 1520, 1977; Loschelder, M., Die österreichische Allgemeine Gerichtsordnung von 1781, 1978; Bader, K., Landes- und Gerichtsordnungen im Gebiet des Fürstentums Fürstenberg, FS G. Schmelzeisen, 1980, 9

Gerichtsschreiber ist der wohl seit dem 14. Jh. an einzelnen →Gerichten zur Aufzeich­nung von Rechtshandlungen bestellte beson­dere →Schreiber. Seine Rechtskenntnisse sind vielfach denen des ungelehrten Richters und der ungelehrten Schöffen überlegen. 1923/1927 wird im Deutschen Reich die Amtsbezeichnung G. durch Urkundsbeamter ersetzt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Battenberg, F., Gerichts­schreiberamt und Kanzlei des Reichshofgerichts 1235-1491, 1974; Dumke, D., Vom Gerichtsschreiber zum Rechtspfleger, 1993

Gerichtsstab →Richterstab

Lit.: Rintelen, M., Der Gerichtsstab in den österreichischen Weistümern, FS H. Brunner, 1910, 631; Kocher, G., Richter und Stabübergabe, 1971

Gerichtsstand ist die örtliche, teilweise auch sachliche Zuständigkeit eines Gerichts. Nach dem G. entscheidet sich, ob eine an einem Gericht erhobene Klage zulässig ist. Der G. ist spätestens seit dem Hochmittelalter sehr bedeutsam.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Battenberg, F., Die Gerichtsstandsprivilegien der deutschen Kaiser und Könige, 1983; Hubig, S., Die historische Entwicklung des § 23 ZPO, 2002; Quick, E., Forum contractus. Eine Untersuchung zur Gerichtsstandslehre im usus modernus, 2011

Gerichtsstätte ist die Stätte, an der Gericht stattfindet. Sie befindet sich anfangs unter freiem Himmel (bei den Franken auf dem Malberg, [lat.] mallobergus). 809 empfiehlt Karl der Große Lauben. Seit dem 13. Jh. erscheinen in den Städten steinerene Gerichtslauben und danach Gerichtshäuser (z. B. Justizpaläste im 19. Jh.).

Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879; Frölich, K., Stätten mittelalterlicher Rechtspflege, 1938; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Braun, E., Die Entwicklung der Gerichtsstätten in Deutschland, Diss. jur. Erlangen 1944; Klemmer, K. u. a., Deutsche Gerichtsgebäude, 1993; Dolch, M., Öffentliche Gerichtsstätten in mittelrheinischern Urkunden des Hoch- und Spätmittelalters (in) Archiv für hess. Gesch. N. F. 68 (2010), 1 (360 Angaben)

Gerichtsverfahren ist das vor und von →Gerichten durchgeführte Verfahren. Dabei wird bereits im altrömischen Recht zwischen Zivilverfahren und Strafverfahren und zwischen Erkenntnisverfahren und Voll­streckungsverfahren unterschieden. Aller­dings setzt sich das G. nur langsam gegenüber der →Selbsthilfe des Verletzten durch. Mit der Entwicklung Roms zum Weltreich wird dabei die gerichtliche Tätigkeit des Staates immer umfassender. Umgekehrt ist auch in den germanischen Anfängen das G. gegenüber der →Selbsthilfe (→Fehde) selten. König und Kirche fördern das G. seit dem Frühmittelalter. Auf die Klage des Verletzten und die Klagantwort des Beklagten entscheiden die unter der Leitung des →Richters versammelten →Schöffen den Streit durch ein meist zweizüngiges →Urteil. Entlastet sich der Beklagte nicht (durch Eid), so siegt der Kläger. Die Vollstreckung führt der Kläger selbst durch. Eine Überprüfung des Urteils steht nur dem König zu. Wohl erst im Hochmittelalter (str.) treten Zivilverfahren und Strafverfahren auseinander. Im Straf­verfahren gewinnt die amtliche Untersuchung an Bedeutung. Das Zivil­verfahren wandelt sich unter ober­italienisch-kanonistischem Einfluss (Schrift­lichkeit). Die Berufung (Appel­lation) an ein Obergericht wird möglich. In England ändert sich das G. am stärksten zwischen 1154 und 1272. In der Neuzeit erlangt eine Sonderstellung auch das Gebiet des sächsischen Rechtes. Im 19. Jh. beeinflusst das freiere Verfahren der französischen Gesetze Zivil­prozess und Strafprozess in den deutschen Staaten.

Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses, 1861, 3. unv. A. 1978; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Bartmann, J., Das Gerichtsverfahren vor und nach der Münsterischen Landgerichtsordnung von 1571, 1908; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den badischen Markgrafschaften, 1961; Wesener, G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966; Markov, J., Das landrechtliche Gerichtsverfahren in Böhmen und Mähren bis zum 17. Jahrhundert, ZRG GA 83 (1966), 145; Bomsdorf, F., Prozessmaximen und Rechtswirklichkeit, 1971; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der Solmser Gerichtsordnung von 1571, Diss. jur. Göttingen 1972; Caenegem, R. van, History of European Civil Procedure, 1973; Nörr, K., Zur Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Fowler-Magerl, I., Ordo iudiciorum vel ordo iudicicarius, 1984; Green, F., Verdict According to Conscience, 1985

Gerichtsverfassung ist die grundsätzliche organisatorische Gestaltung der Rechts­pflege im Sinne einer allgemeinen Verfasstheit. Sie ist anfangs ziemlich einfach, entwickelt sich aber seit dem hohen Mittelalter mit dem Übergang wesentlicher Teile der Gerichtsbarkeit vom König auf die Landesherren zu großer Vielfalt. 1877/1879 wird im Deutschen Reich die partikuläre G. durch das Gerichts­verfassungsgesetz vereinheitlicht (im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit Amtsge­richt, Landgericht, Oberlandes­ge­richt, Reichs­gericht, in Österreich Jurisdik­tionsnorm von 1895 mit Bezirksgerichten, Landesgerichten (bzw. Kreisgerichten), Oberlan­desgerichten und Oberstem Gerichtshof [in Wien]). Veränderungen seit 1933 werden 1945 wieder beseitigt (Gesetz Nr. 4 des Alliierten Kontrollrats vom 30. 10. 1945). 1950 folgt dem untergegangenen Reichsgericht der Bundesgerichtshof. Neben den ordentlichen Gerichten stehen Verfassungsgerichte, Ver­waltungsgerichte, Arbeitsgerichte, Sozialge­richte und Finanzgerichte. Die Sonderent­wicklungen in der sowjetischen Besatzungs­zone bzw. der Deutschen Demokratischen Republik (1949, Gesetz über die gesellschaftlichen Gerichte vom 11. 6. 1968, Gesetz vom 27. 9. 1974) werden 1990 rückgängig gemacht. Beeinflusst wird die nationale G. seit 1951/1952 auch zunehmend durch euro­päische Gerichte. →Gericht

Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 9, 17; Köbler, DRG 183, 200; Kühns, F., Geschichte der Gerichts­verfassung und des Prozesses der Mark Brandenburg, Bd. 1f. 1865ff., Neudruck 1969; Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871; Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels, ZRG GA 5 (1884), 1; Probst, K., Die Entwicklung der Gerichtsverfassung und des Zivilprozesses in Kurhessen, 1911; Meister, E., Ostfälische Gerichtsverfassung im Mittelalter, 1912; Lenel, P., Die Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Knapp, H., Alt-Regensburgs Gerichts­verfassung, Strafverfahren und Strafrecht, 1914, Neudruck 1978; Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht in der mittelalterlichen Gerichtsver­fassung Bayerns, 1929; Blankenhorn, R., Die Gerichtsverfassung der Carolina, Diss. jur. Tübingen 1939; Baltl, H., Die ländliche Gerichts­verfassung Steiermarks, Archiv f. österreich. Gesch. 118 (1951); Schlesinger, W., Zur Gerichtsverfassung des Markengebietes östlich der Saale, Jb. f. d. Gesch. Mittel- und Ostdeutschlands 2 (1953); Beiträge zur Geschichte des Gerichtswesens im Lande Braunschweig, 1954; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Lohmann, U., Gerichtsverfassung und Rechtsschutz in der DDR, 1966; Weinkauff, H./Wagner, A., Die Umgestaltung der Gerichtsverfassung und des Verfahrens- und Richterrechts im nationalsozialistischen Staat, 1968; Weiss, U., Die Gerichtsverfassung in Oberhessen, 1978; Schubert, W., Die deutsche Gerichtsverfassung (1869-1877), 1981; Holthöfer, E., Ein deutscher Weg zu moderner und rechtsstaatlicher Gerichtsverfassung, 1997; Lück, H., Die kursächsische Gerichtsverfassung, 1997; Grilli, A., Die französische Justizorganisation am lin­ken Rheinufer, 1998; Forster, M., Die Gerichts­verfassung und Zivilgerichtsbarkeit in Straubing, Diss. jur. Regensburg 1999; Schartl, R., Gerichtsverfassung und Zivilprozess in Frankfurt am Main im Spätmittelalter, ZRG GA 123 (2006), 136

Gerichtsverfassungsgesetz →Gerichtsver­fas­sung

Gerichtsvollzieher ist seit dem 19. Jh. der mit den Zustellungen, Ladungen und Voll­streckungen zu betrauende Beamte (schon 1793/195 AGO Preußens Exekutoren). Zuvor werden seine Aufgaben vom Büttel, Fronboten oder Gerichtsdiener wahrgenom­men. Vorbild des Gerichtsvollziehers ist der huissier des Code de procédure civile Frankreichs von 1806 (in Kraft 1807), der in Berg 1813 und in den Generalgouvernements Mittelrhein und Niederrhein 1814 in G. umbenannt wird (Baden 1851). 1877/1879 werden die territorial unter­schiedlichen Ge­stal­tungen grundsätzlich, 1964 entspre­chend der früheren preußischen Regelung stärker vereinheit­licht.

Lit.: Köbler, DRG 202; Schneider, E., Die rechtliche Stellung des Gerichtsvollziehers 1910; Schneider, J., Das Gerichtsvollzieherwesen in den deutschen Län­dern, 1934; Ziegler, H., Die Stellung des Gerichts­vollziehers in der Zwangs­vollstreckung nach dem Ent­wurf einer ZPO von 1931, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1936; Kern, E., Geschichte des Gerichts­verfassungsrechts, 1954; Deutsch, A., 200 Jahre modernes Gerichtsvollzieherwesen, DGVZ 2007, 1

Gerichtszeugnis ist vor allem die Aussage des →Gerichts (Richter und Schöffen) über Handlungen und Ereignisse vor Gericht. Das G. wird im Hochmittelalter häufig. Es erbringt vollständigen Beweis einer Behauptung und kann nicht gescholten werden. Sachlich kann ein G. auch in einer Gerichtsurkunde enthalten sein. Mit zuneh­mender Verschriftlichung des mensch­lichen Lebens einschließlich des Rechtes verliert das G. an Bedeutung. Nach § 291 ZPO bedürfen gerichts­bekannte Tatsachen keines Beweises.

Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 2 1897, 157; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, 1985; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite, 1986

Germane ist der Angehörige der Völker, die sich von den Indogermanen abgespaltet haben und die besondere gemeinsame Sprache Germanisch sprechen. Die Germanen werden vielleicht (in der ersten Hälfte des 2. Jt.s v. Chr. oder) in der Mitte des 1. Jt.s v. Chr. in Norddeutschland (und Südskan­dinavien) sichtbar. Sie lassen sich in mehrere Großgruppen (z. B. Nordgermanen, Ostger­manen, Westgermanen, im Einzelnen str.) und viele (bei Ptolemäus 68) kleinere, seit 325 v. Chr. im griechisch-römischen Schrifttum genannte Völker gliedern(, für die sich 54 Fälle von Bündnissen oder Feindschaften ermitteln lassen). Sie siedeln meist in Dörfern mit bis zu 20 Höfen mit bis zu 30 Metern langen Wohnstallhäusern. Ihr nicht sicher deutbarer Name ist um 90 v. Chr. bei dem antiken Schriftsteller Poseidonios erstmals bezeugt. Seit dem 1. Jh. v. Chr. dringen einzelne Gruppen nach Süden (Teutonen 102 v. Chr. bei Aix, Kimbern 101 v. Chr. bei Vercellae von den Römern geschlagen). Auf etwa 235 n. Chr. ist ein 2008 entdeckter römisch-germanischer Kampfplatz bei Northeim am Westrand des Harzes zu datieren. Im 4. Jh. überwinden sdie Germanen den ab 84 n. Chr. von den Römern gegen sie errichteten Grenzwall (lat. [M.] →limes) und brechen unter dem Druck der Hunnen ab 375 in der →Völkerwan­derung in das weströmische Reich ein. 476 setzt der Söldnerführer →Odowakar den weströmischen Kaiser Romulus Augus­tulus ab. Es entstehen im Zuge einer Umgestaltung der römischen Welt verschiedene Reiche einzelner, aus den G. hervorgegangener Stäm­me (Franken, Goten, Burgunder, Alemannen, Langobarden, Van­dalen, Angelsachsen). Das Wissen über die G. entstammt im Wesent­lichen den römischen Schriftstellern (Caesar, Tacitus) und archäologischen Funden.

Lit.: Köbler, DRG 66; Dahn, F., Die Könige der Germanen, Bd. 1ff. 1861ff.; Ross, D., The early history of landholding among the Germans, 1883; Rhamm, K., Die Großhufen der Nordgermanen, 1905; Grönbech, W., Kultur und Religion der Germanen, Bd. 1f. 1909ff. 1937ff., 13. A. 2002; Kossinna, G., Die Herkunft der Germanen, 1911; Reallexikon der germanischen Altertumskunde, hg. v. Hoops, J., 1911-1919, 2. A. 1973-2007 (35 Bände, 22358 Seiten, 5124 Artikel, 3376 Abbildungen, 952 Tafeln, 2 Registerbände, 1443 Autoren, zahlreiche Ergänzungs­bände); Roessingh, D., Het gebruik en bezit van den grond, 1915; Mayer, E., Germanische Geschlechtsverbände und das Problem der Feldgemeinschaft, ZRG GA 44 (1924), 30; Frahm, F., Cäsar und Tacitus als Quellen für die altgermanische Verfassung, Historische Vierteljahrs­schrift 24 (1928), 145; Koehne, C., Die Streitfragen über den Agrarkommunismus der germanischen Urzeit, 1928; Voltelini, H. v., Nordgermanische Grabfunde, ZRG GA 51 (1931), 111; Neckel, G., Liebe und Ehe, 1932; Schmidt, L., Geschichte der deutschen Stämme. Die Ostgermanen, 2. A. 1934; Höfler, O., Kultische Geheimbünde der Germanen, 1934; Gædeken, P., Retsbrudet, 1934; Wührer, K., Beiträge zur ältesten Agrargeschichte des germanischen Nordens, 1935; Eckhardt, K., Irdische Unsterblichkeit, 1937; Schultz, W., Altgermanische Kultur, 4. A. 1937; Germanische Altertumskunde, hg. v. Schneider, H., 1938; Schulz, W., Indogermanen und Germanen, 2. A. 1938; Meyer, H., Das Wesen des Führertums in der germanischen Verfassungsgeschichte, 1938; Schmidt, L., Geschichte der deutschen Stämme. Die Westger­manen, 1938; Eckhardt, K., Ingwi und die Ingweonen, ZRG GA 59 (1939), 1; Haller, J., Der Eintritt der Geermanen in die Geschichte, 1939; Paulsen, P., Axt und Kreuz bei den Nordgermanen, 1939; Kienle, R., Germanische Gemeinschaftsformen, 1939; Thaerigen, G., Die Nordharzgruppe der Elbgermanen, 1939; Eckhardt, K., Ingwi und die Ingweonen, 2. A. 1940; Kramer, K., Die Dingbeseelung in der germanischen Überlieferung, 1940; Rehfeldt, B., Recht, Religion und Moral bei den frühen Germanen, ZRG GA 71 (1954), 1; Scovazzi, M., Le origini del diritto germanico, 1957; Germanen, hg. v. Krüger, P., 5. A. 1988; Mildenberger, G., Sozial- und Kulturgeschichte der Germanen, 2. A. 1977; Uslar, R. v., Die Germanen, 1980; Steuer, H., Frühgeschichtliche Sozialstrukturen in Mitteleuropa, 1982; Germanen­probleme aus heutiger Sicht, hg. v. Beck, H., 1986; Jacoby, M., Germanisches Recht und Rechtssprache zwischen Mittelalter und Neuzeit, 1986; Picard, E., Germanisches Sakralkönigtum?, 1991; Price, A., The Germanic Warrior Clubs, 2. A. 1996; Wolfram, H., Die Germanen, 1995, 7. A. 2002, 8. A. 2005; Günnewig, B., Das Bild der Germanen und Britannier, 1998; Todd, M., Die Germanen, 2000; Pohl, W., Die Germanen, 2000; Ernst, P./Fischer, G., Die germanischen Sprachen, 2001; Krause, A., Die Geschichte der Germanen, 2002; Hermand, J./Niedermeier, M., Revolutio germanica. Die Sehnsucht nach der alten Freiheit der Germanen 1750-1820, 2002; Bemmann, K., Arminius und die Deutschen, 2002; Maier, B., Die Religion der Germanen, 2003; Simek, R., Religion und Mythologie der Germanen, 2003; Arminius und die Varusschlacht, hg. v. Wiegels, R. u. a., 3. A. 2003; Simek, R., Götter und Kulte der Germanen, 2004; Maier, G., Ämter und Aufträge in der Romania Gothica, 2004; Kakoschke, A., Germanen in der Fremde, 2004 (174 Fälle); Busch, J., Das Germanenbild der deutschen Rechtsgeschichte, 2004; Fruscione, D., Zur Frage eines germanischen Rechtswortschatzes, ZRG GA 122 (2005), 1; Rothenhöfer, P., Die Wirtschaftsstrukturen im südlichen Niedergermanien, 2005; Wiwjorra, I., Der Germanenmythos, 2006; Die Germanen in der Völkerwanderung, hg. v. Goetz, H. u. a., 2006; Timpe, D., Römisch-germanische Begegnung in der späten Republik und frühen Kaiserzeit, 2006 (Aufsätze); Simek, R., Die Germanen, 2006; Ausbüttel, F., Germanische Herrscher, 2007; Wells, P., Die Germanen sprechen 2007; Feindliche Nachbarn - Rom und die Germanen, 2008; Bleckmann, B., Die Germanen, 2009; Tausend, K., Im Inneren Germaniens, 2009; Mohr, A., Eheleute, Männerbünde, Kulttrans­vestiten, 2009; Ausbüttel, F., Die Germanen, 2009; Euler, W./Badenheuer, K., Sprache und Herkunft der Germanen, 2009; Kleineberg, A., Germania und die Insel Thule, 4. A. 2010, 2. unv. A. 2011 (!); Timpe, D., Die Varusschlacht HZ 294 (2012). 593

Germania (bzw. De origine et situ Germaniae) ist ein 98 n. Chr. (?) verfasstes Werk des römischen Schriftstellers Publius Cornelius Tacitus (um 55-nach 115, 97 Konsul) über die Germanen und das von ihnen bewohnte Gebiet (lat.) G. (zwischen Rhein, Donau, Weichsel und Ostsee), wobei die Römer zwischen ihren Provinzen (lat.) Germania superior und Germania inferior bzw. Germania I und Germania II sowie der nichtrömischen Germania im Nordosten trennen und der Name G. bezeugt ist bei Caesar, Cicero, Velleius Paterculus, Plinius maior, Pomponius Mela, Frontin, Tacitus, Plinius minor, Sueton, Ptolemaeus, Junianus Justinus, Ammianus Marcellinus, Historia Augusta u. s. w. sowie in den Digesten. Die G. schildert das Naturvolk der Germanen als ein gegen den Sittenverfall in Rom nachzuahmendes Vorbild. Deshalb be­dürfen die Aussagen dieser für die germanische Zeit wichtigsten Geschichts­quelle sorgfältiger Prüfung. Überliefert ist die G. durch eine Hersfelder bzw. Fuldaer, 1455 nach Italien gebrachte und dort in ihrem die G. betreffenden Teil verschollene Sammel­hand­schrift des 9. oder 10. Jh.s.

Lit.: Müllenhoff, K., Die Germania des Tacitus, 1900, neuer Abdruck 1920; Norden, E., Die germanische Urgeschichte in Tacitus’ Germania, 1920, 6. A.. 1974; Lintzel, M., Germanische Monarchien und Republiken in der Germania des Tacitus, ZRG GA 54 (1934), 227; Die Germania des Tacitus, hg. v. Much, R. u. a., 1937, 3. A. 1967; Melander, K., Tacitus Germania als Quelle der deutschen Frühgeschichte, 1940; Krapf, L., Germanenmythos und Rechtsideologie, 1979; Beiträge zum Verständnis der Germania des Tacitus, Teil 1f., hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1989ff.; Gall, L., Die Germania als Symbol nationaler Identität, 1993; Altes Germanien, hg. v. Goetz, H. u. a., 1995; Germania, hg. v. Fuhrmann, M., 2000; Germania inferior, hg. v. Grünewald, T., 2001; Däumer, J., Aufstände in Germanien und Britannien, 2005; Krebs, C., Negotiatio Germaniae, 2005; Riemer, U., Die römische Germa­nienpolitik, 2006; Römische Präsenz und Herrschaft in Germanien, hg. v. Lehmann, G u. a., 2007; Schulz, M., Caesar zu Pferde, 2008; Roms vergessener Feldzug, hg. v. Pöppelmann, H. u. a., 2013

Germanische Sprache ist die aus späterer Überlieferung germanischer bzw. germa­nistischer Sprachen (Gotisch, Burgundisch, Wandalisch, Altnordisch, Alt­englisch, Alt­frie­sisch, Altniederfränkisch, Altsächsisch, Alt­hochdeutsch, Langobar­disch bzw. Mittel­eng­lisch, Mittelniederdeutsch, Mittel­mit­tel­deutsch, Mittelhochdeutsch bzw. Schwe­disch, Dänisch, Norwegisch, Islän­disch, Färöisch, Eng­lisch, Deutsch, Nie­der­ländisch, Friesisch, Afrikaans, Jiddisch und Amerikanisch) rücker­schlos­sene gemeinsame Sprache der germanischen Völker (oder Germanen). Sie ist wie Altindisch, Altiranisch, Griechisch, Lateinisch, Keltisch oder Slawisch eine aus dem Indoger­manischen entstandene Sprache. Besondere Kennzeichen sind Festlegung des ursprüng­lich freien Akzents auf die Stamm­silbe und dadurch bedingte Kürzung der End­silben, erste (germanische) Lautver­schiebung, gram­matischer Wechsel, Be­schrän­kung auf die Zeiten Gegenwart und Vergangenheit, Bil­dung schwacher Verb(form)en mittels eines Dentalsuffixes (ed) und schwache Formen bei Adjektiven nach dem Muster der Substantive. Der Vorgang des sprachlichen Umbaus vom Indogermanischen zum (Ur-)Germanischen wird auf Mitteleuropa bezogen (z. B. Aller, Elz, Ohm) und mit der Sesshaftwerdung (und der Schnurbandkeramik) verbunden. Das Germanische ist von anderen Sprachen be­einflusst (z. B. Latein, Keltisch, Baltisch, Griechisch) und hat andere Sprachen beeinflusst (z. B. Finnisch). Gegliedert wird es beispielsweise in Nordgermanisch, West­germanisch, Südgermanisch und Ostger­manisch.i

Lit.: Krahe, H., Sprache und Vorzeit, 1954; Son­deregger, S., Grundzüge deutscher Sprach­geschichte, 1979; Köbler, G., Germanisches Wörter­buch, 2. A. 1982; Germanische Rest- und Trümmer­sprachen, hg. v. Beck, H., 1986; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Scardigli, P., Der Weg der deutschen Sprache, 1994; Pohl, W., Die Germanen, 2000; Euler, W./Badenheuer, K., Sprache und Herkunft der Germanen. Abriss des Protogermanischen vor der ersten Lautverschiebung, 2009; Euler, W., Das Westgermanische, 2014

Germanisches Recht ist die Gesamtheit der bei den verschiedenen Stämmen der →Ger­manen geltenden Rechtssätze, deren Bestand aus unterschiedlichen Überlegungen verschie­dentlich angezweifelt wird. Das germa­nische Recht ist infolge der bescheidenen Über­lieferung nur teilweise (z. B. durch Caesar und Tacitus) bekannt oder (aus jüngeren Texten mit erheblicher Ungewissheit) erschließbar. Es ist vermutlich größtenteils als Gewohnheitsrecht entstanden, wenngleich auch einzelne Rechtssetzungsakte wahr­schein­lich sind. Ein mythischer Gesetzgeber ist ebenso­wenig anzunehmen wie ein germanischer Rechtsgott. Die einzelne, in Raum und Zeit individuelle germanische Völkerschaft behandelt ihre allgemeinen An­gelegenheiten in der von einem König oder mehre­ren Vornehmen geleiteten →Volks­versammlung. Dort entstehen auch (Meinungen, Entscheidungen oder) Urtei­le in Streitigkeiten. Eine allgemeine Ver­fol­gung findet nur bei wenigen Verhaltensweisen (Volksverrat, Unzucht) statt. In der Familie steht der Haus­vater an der Spitze. Die Ehe ist grundsätzlich Einehe und wird vom Gewalthaber (Vater, Vormund) über die Frau mit dem Mann abgeschlossen. Sie kann durch Einverständnis der Eheleute oder durch Erklärung des Mannes aufgelöst werden. Beim Tod fallen die Güter an die Kinder oder weiteren Verwandten. Ein Testament gibt es nicht. Streitig ist, ob neben Haus und Hof auch Acker und Wiese einzeln zugeordnet sind und der Berechtigte über sie verfügen kann. Die wohl seltenen Tauschgeschäfte und Verga­bungen erfolgen als Handgeschäfte. Unrechts­erfolge ziehen die →Fehde nach sich, doch ist ein Ausgleich durch Leistungen, die teils an den Verletzten, teils an die Allgemeinheit gehen, möglich.

Lit.: Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842, Neudruck 1960; Grundriss der germanischen Philologie, hg. v. Paul, H., 1890 (Recht v. Amira, K. v.); Brunner, H., Deutsche Rechts­geschichte, Bd. 1 2. A. 1906, Neudruck 1958; Schreuer, H., Altgermanisches Sakralrecht, ZRG GA 34 (1913), 313; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Amira, K., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Sonderegger, S., Die ältesten Schichten einer germanischen Rechtssprache, FS K. S: Bader 1965, 419; Wiebrock, I., Die Sippe bei den Germanen der Frühzeit, 1979; Murray, Germanic Kinship Structure, 1983; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984; Kroeschell, K., Germanisches Recht als Forschungsproblem, FS H. Thieme, 1986; Landau, P., Prinzipien germanischen Rechts als Grundlage nationalistischer und völkischer Ideologie, (in) Zur Geschichte und Problematik der Nationalphilologien in Europa, hg. v. Fürbeth, F., 1999; Fruscione, D., Zur Frage eines germanischen Rechtswortschatzes, ZRG GA 122 (2005), 1

Germanist ist der sich mit den (Germanen und) Deutschen befassende Rechtswis­senschaftler oder Sprachwissenschaftler (oder auch Historiker). Er steht in Gegensatz zum Romanisten. Die Unterscheidung entwickelt sich seit dem (17. Jh. [Conring, H.], De origine iuris Germanici, 1643, Hauschild 1741, Cg. [!] 1780 bzw.) 19. Jh. (Eichhorn, Grimm, Brunner). 1846 in Frankfurt am Main und 1847 in Lübeck treffen sich Germanisten der Staaten des Deutschen Bundes zu (auch politisch geprägten) Tagungen. Die für Nürnberg und das Jahr 1848 geplante Fortsetzung entfällt wegen der revolutionären Unruhen. Danach verliert die Gegenüberstellung von juris­tischen Germa­nisten und juristischen Romanisten allmählich mit der Positivierung, Kodifizierung und auch Internationalisierung des Rechtes an Bedeutung. Ab 1860 wird ein deutscher Juristentag veranstaltet, ab 1927 ein deutscher Rechtshistorikertag.

Lit.: Gierke, O. v., Die historische Rechtsschule und die Germanisten, 1903; Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung aus der Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Röthewr, K., Die Germanistenverbände, 1980; Dilcher, G./Kern, B., Die juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 101 (1984), 1; Zur Geschichte und Problematik der Nationalphilologien in Europa, hg. v. Fürbeth, F. u. a., 1999; Internationales Germanistenlexikon 1800 bis 1950, hg. v. König, C., 2003; Netzer, K., Wissenschaft aus nationaler Sehnsucht – Verhandlungen der Germanisten 1846 und 1847, 2006; Schäfer, F., Juristische Germanistik, 2008

Germanistik ist die (Germanen und) Deutsche betreffende Wissenschaft in Recht, (Sprache und Geschichte) in Gegensatz etwa zu Recht fremder Herkunft oder zu fremden Sprachen. Als Wissenschaft des ein­heimischen deutschen Rechtes wird sie 1699 von Christian Thomasius in seinem Summarischen Entwurf derer Grundlehren gefasst. Dem folgen bis etwa 1750 die protestantischen Universitäten (z. B. Halle, Göttingen, Erlangen), danach auch die katholischen. 1741 wird anscheinend erstmals von G. geschrieben. Wichtigste Inhalte sind deutsches Privatrecht (bis etwa 1970), partikulares einheimisches Recht (bis etwa 1918) und Handelsrecht und Wechselrecht (1847 bzw. 1861 durch gesetzliche Regelungen verselbständigt). Germanistische Juristen sind (nach Conring und Thomasius) etwa Beyer, Kestner, Senckenberg, Heineccius, Pütter, Selchow, Grimm, Eich­horn. Heise, Reyscher, Beseler, Mittermaier, Schmidt, Sohm, Gerber, Eugen Huber oder Gierke. Seit etwa 1900 betrifft G. hauptsächlich die Sprachwissenschaft

Lit.: Gierke, O., Die historische Rechtsschule, 1903; Germanistik und deutsche Nation, hg. v. Müller, J., 1974, Neudruck 2000; Dilcher, G./Kern, B., Die juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 100 (1984), 1; Schäfer, F., Juristische Germanistik, 2008; Schäfer, F., Zwischen BGB und Schützengräben, ZNR 2009, 52; Schäfer, F., Aufbruch in die Moderne, ZRG GA 129 (2011), 212

Gerüfte (Gerüft) ist im mittelalterlichen deutschen Recht die durch Rufen bzw. Geschrei erfolgende Verlautbarung eines (rechtswi­drigen) Geschehens (z. B. einer Vergewal­tigung) oder einer drohenden Gefahr. Dem G. ist zwecks Hilfestellung von vielen Folge zu leisten. Es befreit den Rufenden von dem Verdacht der Verheimlichung einer Tat (z. B. Vorwurf des Mordes bei Tötung [in Notwehr]).

Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 70; Köbler, WAS; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 190, 517; Meyer, H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37 (1916), 382; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1ff. 1920ff., Neudruck 1964

Gesamtgläubigerschaft ist die Gläubiger­schaft, bei der jeder Gläubiger die gesamte Schuld verlangen kann, der Schuldner aber nur einmal zu leisten verpflichtet ist.

Lit.: Riedler, A. Gesamt- und Teilgläubigerschaft, 1998

Gesamthand (1864, gesamte Hand um 1275 Deutschenspiegel) ist die Mehrheit von Menschen, denen ein Sondervermögen in besonderer Art und Weise (gesamthänderisch) zusteht. Vielleicht fällt in einfachen Gesellschaften der Nachlass eines Menschen an mehrere Erben allgemein in der Art und Weise an, dass der einzelne Beteiligte über seinen Anteil (am Nachlass und einzelnen Nachlassgegen­ständen) nicht (allein) verfügen kann. Jedenfalls deuten die mittelalterlichen Rechtsquellen auf eine derartige Gestaltung (zu gesamter Hand) in Deutschland (→Gan­erbschaft, →Gemeinderschaft, →Handels­gesellschaft). In der frühen Neuzeit behandelt die Rechtswissenschaft diese Verbindungen meist als (lat. [F.]) →societas oder →communio. Daneben entwickelte sich seit dem Ende des 17. Jh.s für eheliche Gütergemeinschaft, Gesamtbelehnung, Gan­erb­schaft und Markgenossenschaft auch eine Vorstellung eines (lat.) dominium (N.) plurium in solidum (Eigentum mehrerer als Einheit). Im 19. Jh. versteht Georg →Beseler (1809-1888, Lehre von den Erbverträgen 1835, [lat.] dominium plurium in solidum, Juristenrecht und Volksrecht 1843, System des gemeinen deutschen Privatrechts, 1847) unter der G. eine Gemeinschaft, die für bestimmte Beziehungen die Grenzen der Persönlichkeit ihrer Glieder aufhebt und dieselbe gleichmäßig über die den Gliedern gemeinsam gewordene Rechtssphäre erwei­tert, ohne dass jedoch ein neues selb­ständiges Rechtssubjekt in der Vereinigung begründet wird. In der Schweiz anerkennt Johann Caspar Bluntschli für das Privatgesetzbuch Zürichs (1854/1856) neben dem Miteigentum ein Gesamteigentum (vgl. Art. 652ff. ZGB 1907/1911). Nach dem Protest Otto von →Gierkes (1888/1889), dass ein Bürgerliches Gesetzbuch, das deutsch sein wolle, den deutschen, sozialen Gemein­schaftsgedanken nicht aus dem Recht weisen dürfe, wird auf Grund von Vorschlägen des Stettiner Rechtsanwalts Emil von Boyens die G. als Prinzip, als dessen Kennzeichen die ge­meinsame Verfügung der mehreren Betei­ligten über den Gegenstand und die An­wachsung der Berechtigung beim Wegfall eines Beteiligten (an die Be­rechtigungen der Verbleibenden) angese­hen werden, an einzelnen Stellen noch in die in Kraft gesetzte Fassung des deutschen →Bürgerlichen Gesetbuchs (1. 1. 1900) aufgenommen (Gesell­schaft, eheliche Güter­gemeinschaft, Erbenge­meinschaft). Die G. ist nicht juristische Person. Ihre rechtliche Gestaltung ist lange streitig. 2001 spricht der Bundes­gerichtshof Deutschlands der nach außen im Rechtsverkehr auftretenden Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes als Gesamthand Rechts­fähigkeit zu, womit die G. von ihren geschichtlichen Wurzeln gelöst wird.

Lit.: Hübner 154, 250, 570, 680; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 122, 207; Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2 1873, 923; Frommhold, G., Zur Geschichte der gesamten Hand, ZRG GA 37 (1916), 504; Breitbach, H., Gesamthand und Unternehmen, Diss. jur. 1929; Steinbach, R., Die deutschen Rechtsgemeinschaften zur gesamten Hand, Diss. jur. 1936; Buchda, G., Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandlehre, 1936; Schulze-Osterloh, J., Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, 1972; Seif, U., Die Gesamthand als Konstruktion der Germanistik, ZRG GA 118 (2001), 302; Wächter, T., Die Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürgerliche Gesetzbuch, 2002; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzes­sion) ist die Nachfolge in einen Inbegriff oder eine Gesamtheit von Vermögensgegenständen ohne einzelne Übertragungsakte. Sie ist schon dem römi­schen Recht bei der →Erbfolge bekannt. An tatsächlicher Bedeutung wird sie aber von der im Übrigen vorgesehenen Einzelrechts­nachfolge (z. B. durch Über­eignung) übertroffen.

Lit.: Kaser § 65 II; Köbler, DRG 37, 59, 210; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004

Gesamtschuld (Gesamtschuldner 1807) ist die Schuld, die mehrere in der Weise schulden, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung insgesamt nur einmal zu fordern berechtigt ist. Sie ist bereits im klassischen römischen Recht (lat. [N.] [debitum] in solidum) zumindest in den Wurzeln angelegt (Celsus D. 31, 16 frühes 2. Jh., Papinian E. 2. Jh.) und in der Kompilation Justinians (527-534) von der Stipulation aus verallgemeinert. Wegen ihrer Brauchbarkeit für den Gläubiger mehrerer Schuldner hat sie sich bis zur Gegenwart behauptet.

Lit.: Kaser § 56 II 1; Köbler, DRG 44; Ehmann, H., Die Gesamtschuld, 1972; Winter, H., Teilschuld, Gesamtschuld und unechte Gesamtschuld, 1985; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, 51 (Solidarität); Schmieder, P., Duo rei. Gesamtobligationen im römischen Recht, 2007; Meier, S., Gesamtschulden, 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Gesandter ist der diplomatische Vertreter eines Staates bei einem anderen Staat oder einer internationalen Organisation. Bereits im römischen Recht ist der fremde Gesandte wegen der Wichtigkeit auswärtiger Bezie­hungen unverletzlich. Im 15. Jh. wird in Italien der stän­dige Gesandte geschaffen. Seit dem 19. Jh. wird das Völkerrecht bezüglich des Gesandten bzw. der Gesandtschaft (z. B. Unbetretbarkeit des Gebäudes) genauer ausgestaltet (Wiener Reglement vom 19. 3. 1815, Aachener Protokoll vom 21. 11. 1818, danach Wiener Übereinkommen vom 18. 4. 1961).

Lit.: Krauske, O., Zur Entwicklung der ständigen Diplomatie, 1885; Menzel, V., Deutsches Gesandtschaftswesen im Mittelalter, 1892; Borgolte, M., Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden, 1976; Cuttino, G., English Medieval Diplomacy, 1985; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa, hg. v. Schwinges, R. u. a., 2003; Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie, hg. v. Zey, C. u. a., 2008

Geschäft (um 765 belegt)

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Geschäftsfähigkeit (1779, geschäftsfähig 1573) ist die Fähigkeit, mit rechtlicher Wirkung durch eigene Handlung Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Sie wird bereits vom römischen Recht dem Kind (lat. [M.] infans) (unter 7) (und dem Geisteskranken sowie dem Verschwender) abgesprochen. Der etwas ältere Unmündige (lat. [M.] impubes infantia maior) kann rechtlich unvorteilhafte Geschäfte nur mit Einverständnis des Vormunds vornehmen. Um 200 v. Chr. sieht eine (lat.) lex (F.) Laetoria vor, dass die noch nicht 25jährigen (lat. minores) geschützt werden, woraus die Möglichkeit entwickelt wird, durch Wiederherstellung des früheren Zustands (lat. in integrum restitutio [F.]) die Leistungen und sonstigen benachteiligenden Maßnahmen wieder rückgängig zu machen. Im germa­nischen Recht steht das Kind bis zu seiner Verselbständigung unter der Hausgewalt des Hausvaters oder bis zur Wehrhaftmachung bzw. Geschlechtsreife unter der Hausgewalt des Vormunds. Zwar sind die Geschäfte von Unmündigen wohl an sich wirksam, aber die Unmündigen können die von ihnen oder vom Inhaber der Personalgewalt getätigten Ge­schäfte nach Erreichen der Mündigkeit widerrufen und umgekehrt Geschäfte, durch die sie verpflichtet werden, nicht erfüllen, solange ihr Vermögen von einem Gewalt­haber verwaltet wird. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter werden dessen Regeln (abgeändert) übernommen. Geschäfte der Geschäfts­un­fähigen sind nichtig (Kinder unter 7, Entmündigte, Geisteskranke), Geschäfte der beschränkt Geschäftsfähigen bedürfen der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters, soweit sie nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sind. Der Ausdruck G. wird am 12. 7. 1875 in Preußen verwendet. Die unbeschränkte G. tritt nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1. 1. 1900) mit 21 Jahren ein, in der Deutschen Demokratischen Republik (1950) mit 18 Jahren und in der Bundesrepublik Deutschland 1975 auch mit 18 Jahren(, vgl. auch § 105a BGB von 2002).

Lit.: Kaser § 14 I; Hübner 55; Köbler, DRG 160, 207; Knothe, H., Die Geschäftsfähigkeit der Minder­jährigen, 1983; Wolter, U., Termingeschäftsfähigkeit kraft Information, 1991; Benöhr, H., Über Udo Wolters Buch zu Termingeschäftsfähigkeit kraft Information, ZRG GA 112 (1995), 413; Minzenmay, S., Die Wurzeln des Instituts der Geschäftsfähigkeit im Naturrecht des 17. Jahrhunderts, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Geschäftsführung ohne Auftrag (Geschäftsführung 1691, Geschäftsführung ohne Auftrag 1811, Geschäftsführer 1807, Geschäftsherr 1351) ist das gesetzliche, unvollkommen zweiseitige Schuldverhält­nis, das dadurch entsteht, dass ein Geschäftsführer (ohne Auftrag) für einen anderen (Geschäftsherrn) ein Geschäft besorgt, obwohl zwischen ihnen noch kein Rechtsverhältnis (Auftrag) besteht. Die G. o. A. (lat. negotia [N.Pl.] gesta, geführte Geschäfte) ist im römischen Recht entsprechend ihrer Stellung im Edikt des Prätors vermutlich von der Vertretung (eines abwesenden Freundes) im Rechtsstreit ausgegangen. Die Verpflich­tungen aus der Tätigkeit (Herausgabe des vom Geschäfts­führer Erlang­ten, Ersatz der Aufwendungen des Geschäftsführers) werden wie beim Auftrag auf die Treue (lat. [F.] fides) begründet. Justinian ordnet die G. o. A. als Quasikontrakt ein. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes wird die G. o. A. als gesetzliches Schuldverhältnis in Deutschland übernommen.

Lit.: Kaser § 44 II; Söllner § 9; Köbler, DRG 47; Wollschläger, C., Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 98; Sippel, H., Geschäftsführung ohne Auftrag, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Geschäftsgrundlage ist die Gesamtheit der wesentlichen, nicht (besonders vereinbarten) Vertragsbestandteil ge­wor­denen Voraus­setzungen eines Vertrags­schlusses. Oertmann gibt der Lehre vom Wegfall der G. eine sich im 20. Jh. durchsetzende Gestalt. 2002 erfolgt eine allgemeine Aufnahme in das Bürgerliche Gesetzbuch Deutschlands. →clausula rebus sic stantibus

Lit.: Zirker, M., Vertrag und Geschäftsgrundlage, 1996; Reiter, C., Vertrag und Geschäftsgrundlage im deutschen und italienischen Recht, 2002; Huang, Z., Zur Lehre von der Geschäftsgrundlage nach altem und neuem Recht, 2009

Geschäftsordnung ist die einer Geschäfts­führung einer Gruppe von Menschen zugrun­degelegte Ordnung. Sie entsteht anfangs nur inhaltlich, wird aber im politischen Bereich in England seit dem 16. Jh. in Fallsammlungen abgebildet. In Frankreich gibt sich 1814 die Abgeordnetenkammer eine formelle G. die zum Vorbild für viele weitere Geschäftsord­nungen wird.

Lit.: Hatsell, J., Precedents of proceedings in the House of Commons, 1781; Die Geschäftsordnungen deutscher Parlamente seit 1848, hg. v. Deutschen Bundestag, 1986; Hayungs, C., Die Geschäftsordnung des hannover­schen Landtages, 1999; Mertens, B., Gesetzgebungskunst im Zeitalter der Kodifikationen, 2004

Geschäftsunfähigkeit →Geschäftsfähig­keit

Geschäftszeuge ist der zu einem Geschäft als →Zeuge zugezogene Mensch. Er findet sich bereits im frühen römischen und wohl auch im germanischen Recht. Mit Vordringen der Schriftlichkeit verliert er gegenüber der dauerhafteren Urkunde seit dem Hochmittel­alter grundsätzlich an Bedeutung.

Lit.: Ruth, R., Zeugen und Eideshelfer, 1922; Lepsius, S., Von Zweifeln zur Überzeugung, 2003

Geschichte ist das in der Dimension Zeit Geschehene und die (im Rahemen der Rhetorik) damit befasste Wissenschaft (Anfänge bei [Eunapios, ]Herodot und Thukydides in der griechischen Antike). Besondere Gebiete der G. sind beispielsweise das Recht, die Gesellschaft oder die Wirtschaft. Methode der G. ist das Verstehen des Vergangenen durch den gegenwärtigen Betrachter. Grundfiguren der Geschichtsschreibung sind nach Ale­xan­der Demandt Dekadenz­gedanke, Fort­schrittsbe­wusst­sein samt Fortschritts­kritik, Kreislauf­theorien, Epo­chen­bewusst­sein, Auf­klärung, histori­scher Idealismus, uni­versaler Indivi­dualismus, Historismus, his­to­rischer Mate­rialismus, pa­ra­digmatisches Geschichts­kon­zept, Mor­pho­logie der Welt­ge­schichte, Ge­schichts­biologismus und posthistorische Apoka­lyptik. Im 19. Jh. wird die G. zu einer eigenständigen Wissenschaft (Leopold von Ranke, Johann Gustav Droysen)

Lit.: Wattenbach, W., Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter, 1858; Below, G. v., Die deutsche Geschichtsschreibung, 1916; Rothenbücher, K., Über das Wesen des Geschichtlichen, 1926; Wattenbach, W., Deutschlands Geschichtsquellen, Bd. 1ff. 1938ff.; Brandenburg, E., Der Begriff der Entwicklung, 1941 (SB Leipzig); Weis, E., Geschichtsschreibung und Staatsauffassung in der französischen Enzyklopädie, 1956; Dahlmann/Waitz, Quellenkunde der deutschen Geschichte, 10. A. Bd. 1f. 1969ff.; Fuchs, K./Raab, H., Wörterbuch Geschichte, 11. A. 1998; Baumgart, W., Bücherverzeichnis zur deutschen Geschichte, 15. A. 2003, 17. A. 2010; Brandt, A., Werkzeug des Historikers, 1958, 17. A. 2007; Postel, R., Johann Martin Lappenberg, 1972;Henze, D., Enzyklo­pädie der Entdecker und Erforscher der Erde, Bd. 1ff. 1978ff. (Sonderausgabe 2011); Meister, K., Die griechische Geschichtsschreibung, 1990; Simon, C., Historiographie, 1996; Demandt, A., Geschichte der Geschichte, 1997; Burkardt, J., Die historischen Hilfswissenschaften in Marburg, 1997; Iggers, G., Deutsche Geschichtswissenschaft, 4. A. 1997; Hauptwerke der Geschicht­schreibung, hg. v. Reinhardt, V., 1997; Flach, D., Römische Geschichtsschreibung, 3. A. 1998; Das europäische Geschichtsbuch, 1998; Kirste, S., Die Zeitlichkeit des positiven Rechts, 1998; Goetz, H., Geschichts­schreibung und Geschichtsbewusstsein, 1999; Das Jahrtausend im Spiegel der Jahrhunderte, hg. v. Gall, L., 1999; Chun, J., Das Bild der Moderne in der Nachkriegszeit, 2000; Geschichtskultur, hg. v. Müt­ter, B. u. a., 2000; Mehl, A., Römische Ge­schichtsschreibung, 2001; Kompass der Geschichts­wissenschaft, hg. v. Lottes, G. u. a., 2001; Internet-Handbuch Geschichte, hg. v. Jenks, S. u. a., 2001; Wolfrum, E., Geschichte als Waffe, 2001; Die Nation schreiben, hg. v. Conrad, C. u. a., 2002; Geschichts­wissenschaft um 1950, hg. v. Duchhardt, H., 2002; Lexikon Geschichtswissenschaft, hg. v. Jordan, S., 2002; Geschichte(n) der Wirklichkeit, hg. v. Land­wehr, A., 2002; Kompass der Geschichtswissenschaft, hg. v. Eibach, J. u. a., 2002; Fellner, F., Geschichtsschreibung und nationale Identität, 2002; Formen römischer Geschichts­schreibung von den Anfängen bis Livius, hg. v. Eigler, U., 2003; Howell, M./Prevenier, W., Werkstatt des Historikers, 2004; Freytag, N./Piereth, W., Kursbuch Geschichte, 2004; Griff nach der Deutungsmacht, hg. v. Winkler, A., 2004; Geschichtspolitik, hg. v. Fröhlich, C. u. a., 2004; Wozu Geschichte(n)?, hg. v. Sommer, A. u. a., 2004; Fried, J., Der Schleier der Erinnerung, 2004; Herbst, L., Komplexität und Chaos, 2004; Schramm, G., Fünf Wegscheiden der Weltgeschichte, 2004; Fasolt, C., The Limits of History, 2004; Henning, E., Auxilia historica, 2. A. 2004; Clemens, G., Sanctus amor patriae, 2004; Zwenger, T., Einführung in die Geschichtsphilosophie, 2005; Tschopp, S., Das Unsichtbare begreifen, HZ 280 (2005), 39; Geschichtsdarstellung, hg. v. Borsò, V. u. a., 2005; Baberowski, J., Der Sinn der Geschichte, 2005; Nolte, H., Weltgeschichte, 2005; Geschichte für Leser, hg. v. Hardtwig, W. u. a., 2005; Völkel, M., Geschichtsschreibung, 2005; Historische Hilfswis­senschaften, hg. v. Diederich, T. u. a., 2005; Nagel, A., Im Schatten des Dritten Reichs, 2005 (Mayer, Aubin, Baethgen, Heimpel, Grundmann, Tellenbach, Schlesinger, Bosl, Beumann); Fellner, F. u. a., Öster­rei­chische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, 2006; Christ, K., Klios Wandlungen. Die deutsche Althistorie, 2006; Hasberg, W., Didaktik der Geschichte, 2006; Pape, J., Der Spiegel der Vergangenheit, 2006; Völkel, M., Geschichtsschrei­bung, 2006; Große, J., Kritik der Geschichte, 2006; Timpe, D., Antike Geschichtsschreibung, 2007; Langewiesche, D., Zeitwende. Geschichts­denken heute, hg. v. Plaert, U. u. a., 2008; Öster­reichische Historiker 1900-1945, hg. v. Hruza, K., Bd. 1f. 2008ff.; Geschichte, hg. v. Budde, G. u. a., 2008; Die Rückkehr der deutschen Gesxhichtswissenschaft, hg. v. Pfeil, U., 2008; Goetz, H., Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im hohen Mittelalter, 2. A. 2009; Henning, E., 175 Fragen & Antworten rund um die historischen Hilfswissenschaften, 2009; WBG Weltgeschichte, hg. v. Demel, W. u. a., Bd. 1ff. 2009ff.; Nolte, H., Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, 2009; Daniels, M., Geschichts­wissenschaft im 20. Jahrhundert, 2009; Geschichte schreiben, hg. v. Rau, S. u. a., 2009; 150 Jahre Geschichtsforschung, 2009; Historiographie an europäischen Höfen, hg. v. Völkerl, M. u. a., 2009; Nolte, H., Weltgeschichte des 20. Jahrhundewrts, 2009; Näf, B., Antike Geschichtsschreibung, 2010; Fritz, H. u. a., Fachwissenschaft Geschichte, 2010; Mégier, E., Christliche Weltgeschichte im 12. Jahrhundert, 2010; Paravicini, W., Die Wahrheit der Historiker, 2010; Geschichtswissenschaft in der Demokratie, hg. v. Cornelißen, C., 2010; Vademekum der Geschichts­wissenschaften, 9. A. 2010, 10. A. 2012; Dunkhase, J., Werner Conze, 2010; Kamp, A., Vom Palöolithikum zur Postmoderne - Die Genese unseres Epochen-Systems, Bd. 1 2010; Greiert, A., Viele sind berufen, aber wenige auserwählt, HZ 292 (2011), 398; Demandt, A., Philosophie der Geschichte, 2011; Haber, P., Digital Past, 2011; The Oxford History of Historical Writing, hg. v. Woolf, D., Bd. 1ff. 2011ff.; Geschichtsvorstellungen, hg. v. Patzold, S. u. a., 2012; Gierl, M., Geschichte als präzisierte Wissenschaft - Johann Christoph Gatterer, 2012; Geschichtsschreibung als herrschaftskritische Aufgabe, hg. v.  Kuretsidis-Haider, C. u. a., 2013; Iggers, G. u. a., Geschichtskulturen, 2014; Rösener, W., Das Max-Planck-Institut für Geschichte (1956-2006) - Fünfzig Jahre Geschichtsforschung, 2014

Geschlecht ist der (agnatische) Familien­ver­band und die natürliche Verschieden­heit von Lebewesen hinsichtlich der Fortpflan­zungs­funktion (Geschlechterforschung).

Lit.: Stoob, H., Die dithmarsischen Geschlechterver­bände, 1951; Frauen in der Geschichte des Rechts, hg. v. Gerhard, U., 1997; Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2003; Gottschalk, K., Eigentum, Geschlecht, Gerechtigkeit, 2003; Fried, J., Konradiner und kein Ende, ZRG GA 123 (2006), 1; Geschlechterbeziehungen in Ostmit­tel­europa nach dem zweiten Weltkrieg, hg. v. Kraft, C., 2008; Gender Difference in European Legal Cultures, hg. v. Gottschalk, K., 2013

Geschlechtsvormundschaft →Vormund­schaft, Frau

Lit.: Signori, G., Geschlechtsvormundschaft und Gesell­schaft, ZRG GA 116 (1999), 119

Geschmacksmuster ist das ästhetisch wirkende gewerbliche Muster oder Modell, das durch Gesetz zugunsten des Urhebers besonders geschützt ist. Seine Anfänge gehen auf Zunftordnungen in Florenz (1418), Genf (1432), Flandern und Burgund zurück. Staatliche Regelungen werden im 18. Jh. in Frankreich (1711, 1744) und England (1787) erlassen. Eine Unterscheidung zwischen Kunstwerk und G. findet Frankreich (1787, 1806). In Deutschland wird am 11. 1. 1876 das Geschmacksmustergesetz geschaffen.

Lit.: Schmid, P., Die Entwicklung des Geschmacks­musterschutzes, 1896; Werner, H., Die Geschichte des deutschen Geschmacksmusterrechtes, Diss. jur. Erlangen 1954

Geschworener (lat. [M.] iuratus) ist der Mensch, der einen Schwur (→Eid) abgelegt hat (, eine Handlung rechtmäßig auszu­führen). Geschworene treten im römischen Recht und auch im Frühmittelalter im deutschen Recht auf. Insbesondere Inhaber eines Amtes müssen einen Eid leisten, ihr Amt rechtmäßig auszuüben (z. B. Richter, Schöffe, Bürger­meister, Ratmann). Im 19. Jh. wird das →Schwurgericht mit besonderen Geschwo­renen besetzt.

Lit.: Söllner §§ 8, 9, 11; Köbler, DRG 263; Biener, F., Beitrag zur Geschichte des Inquisitionsprozesses und der Geschworenengerichte, 1827, Neudruck 1965; Gneist, R. v., Die Bildung der Geschworenengerichte in Deutschland, 1849, Neudruck 1967; Mayer, E., Geschworenengericht und Inquisitionsprozess, 1916; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Behrends, O., Die römische Geschwo­renenverfassung, 1970; Kleinz, A., Individuum und Gemeinschaft in der juristischen Germanistik, 2001

Geschworenengericht ist in Österreich bis 1993 das Gericht, in dem seit 18. 5. 1848 Laien (Ge­schworene, zunächst nur in Pressedelikten, in sonstigen Delikten 17. 1. 1850, 1852 abgeschafft, wiedereingeführt für Pressedelikte mit Gesetz vom 9. 3. 1869, allgemein ab 23. 5. 1873) allein über die Schuld­frage zu entscheiden haben (aufge­hoben vom 19. 6. 1934-22. 11. 1950).

Lit.: Olechowski, T., Die Entwicklung des Preßrechts in Österreich bis 1918, 2004

Geselle ist ursprünglich der Mensch, der (mit einem anderen Menschen) im selben Raum lebt. Im 18. Jh. wird G. (in Ablösung von Knecht) zur Bezeichnung des Handwerkers, der nach einer Lehrzeit eine Prüfung bestanden hat und noch nicht Meister ist.

Lit.: Köbler, WAS; Schanz, G., Zur Geschichte der deutschen Gesellenverbände, 1877; Wissel, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, Bd. 1ff. 2. A. 1981; Reininghaus, W., Die Entstehung der Gesellengilden im Spätmittelalter, 1981; Historische und rechtshistorische Beiträge und Untersuchungen zur Frühgeschichte der Gilde, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1981; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985; Wesoly, K., Lehrlinge und Handwerksgesellen am Mittelrhein, 1985; Reith, R., Arbeits- und Lebensweise im städtischen Handwerk, 1988; Bräuer, H., Gesellen im sächsischen Zunfthandwerk 1989; Wadauer, S., Die Tour der Gesellen, 2005

Gesellschaft (Wort 830 Tatian, Gesellschaftsvermögen 1742) ist die Ge­samtheit von Men­schen, insbesondere im Privatrecht die Vereinigung mehrerer Menschen (aus­nahmsweise nach neuerer Entwicklung auch die Tätigkeit eines einzigen Menschen) durch Rechtsgeschäft zur Erreichung eines (gemeinsamen) Zweckes. Im altrömischen Recht schließt sich die G. an die Haus­erbengemeinschaft (lat. [N.] →consortium, ohne persönliche Haftung der Gesellschafter) an. Daneben entwickelt sich in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten ein formfreier Zusammenschluss zu gemein­schaftlichen Handelsunternehmungen. Aus beiden entsteht die G. (lat. [F.] →societas). Wohl auch im Anschluss an die Miterbengemeinschaft bilden sich im Hoch­mittelalter vertragliche Zusammen­schlüsse zu Handelszwecken unterschied­licher Ausge­staltung (stille G., offene G., beschränkte Haftung, unbe­schränkte Haftung, Mitarbeit, Kapitaleinsatz, wahrscheinlich persönliche Haftung des Gesellschafters, erstmals jedenfalls ange­ordnet in Stadtrechts­re­formationen). Hieraus werden allmählich die offene Handels­gesellschaft, die Komman­ditgesell­schaft und die stille G. Nach Entdeckung der neuen Welt bewirken hoher Kapitalbedarf und großes Risiko (der Seefahrt) die Ausbildung der →Aktien­gesellschaft (An­fang 17. Jh.). In den Kodifikationen zwischen 1794 und 1811 wird das Gesell­schafts­vermögen zum eigenen Haftungsvermögen. Im 19. Jh. wird das Recht der G. genauer geregelt (Code de commerce, ADHGB 1861). 1892 wird im Deutswchen Reich durch Gesetz eine besondere →G. mit beschränkter Haftung geschaffen. Die Grundform der nicht­rechtsfähigen G. wird im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) als →Gesamthand ausgestaltet. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird zunächst bei der G. mit beschränkter Haftung die →Einmann­gesellschaft zugelassen und 2001 die Teilrechts­fähigkeit und damit auch die Parteifähigkeit einer bürgerlichrechtlichen Außengesellschaft anerkannt.

Lit.: Kaser § 43; Hübner § 41; Köbler, DRG 14, 17, 29, 45, 46, 51, 64, 67, 98, 121, 135, 146, 167, 176, 207, 225, 252; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 801; Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Han­delsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Lehmann, K., Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts, 1895, Neudruck 1968; Weber, M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften, 1898; Silberschmidt, W., Beteiligung und Teilhaberschaft, 1915; Lévy-Bruhl, H., Histoire juridique des Sociétés de Commerce en France, 1938; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Servos, R., Die Personenhandelsgesellschaften und die stille Gesellschaft, Diss. jur. Köln 1984; Weißen-Micus, M., Tatbestandsmerkmale des Gesell­schaftsvertrags im 19. Jahrhundert, 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 107; Blickle, P., Unruhen in der ständischen Gesellschaft, 1988, 2. A: 2010, 3. A: 2012; Misera, K., Klagen manente societate, FS R. Nirk, 1992, 697; Reiter, H., Die Handelsgesellschaft Villeroy & Boch, 1992; Cordes, A., Stuben und Stubengesellschaften, 1993; Gall, L., Von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft, 1993, 2. A. 2012; Friedeburg, R. v., Ländliche Gesellschaft und Obrigkeit, 1997; Cordes, A., Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel im Hanseraum, 1998; Hartung, W., Geschichte und Rechtsstellung der Compagnie in Europa, Diss. jur. Bonn 2000; Hofmeister, J., Die Entwicklung des Gesellschafterwechsels, 2002; Thomas, F., Die persönliche Haftung von Personenge­sellschaftern, 2003; Meissel, F., Societas, 2004; Weiss, M., Rechts­fähigkeit, Parteifähigkeit und Haftungsordnung der BGB-Gesellschaft, 2005; Politische Vereine, Gesellschaften und Parteien in Zentraleuropa 1815-1848/49, hg. v. Rei­nalter, H., 2005; Jahntz, K., Privilegierte Handelscompagnien in Brandenburg und Preußen, 2006; Hasselmann, N., Die Lehre Ulmers zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts, 2007; Oechsler, J., Die Geschichte der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, NJW 2008, 2471; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wort­schatzes, 2010; Stamm, V., Soziale Zwischengruppen in der mittelalterlichen Agrargesellschaft, HZ 291 (2010), 1; Riedel, M., Bürgerliche Gesellschaft, 2011; Cassels, N., Social Legislation of the East India Company, 2013

Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist die im Vergleich zur älteren Aktienge­sellschaft einfacher gestaltete, rechts­fähige Kapi­talgesellschaft, die unter Aufnahme ein­zelner Züge der englischen limited company (act von 1882) (am 20. 4.) 1892 im Deut­schen Reich (Österreich 6. 3. 1906, Schweiz 1937) durch besonderes Gesetz geschaffen wird und die im 20. Jh. beachtliche Verbreitung erfährt. Zulässig wird die Einpersonengesellschaft. Im Wettbewerb mit der Limited des englischen Rechtes werden am Beginn des 21. Jh.s die formalen Voraussetzungen herabgesetzt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 218, 272; Schubert, W., Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 589; Entwurf des Reichsjustizministeriums zu einem Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung von 1939, hg. v. Schubert, W., 1985; Akademie für deutsches Recht 1933-1945. Ausschuss für GmbH-Recht, 1986; Stroth, R., Das Recht der GmbH, Diss. jur. Tübingen 1991; Koberg, P., Die Entstehung der GmbH in Deutschland und Frankreich, 1992; Stupp, M., GmbH-Recht im Nationalsozialismus, 2002; Kalss, S./Eckert, G., Zentrale Fragen des GmbH-Rechts, 2005; Rechtstransfer in der Geschichte, hg. v. Duss, V. u. a., 2006, 446ff.; Bezler, E., Die Bedeutung des Stammkapitals für die GmbH, 2009; Spiegel, S., Einführung der Gesell­schaft mit beschränkter Haftung, 2009; Kautzsch, M., Die GmbH, 2010; Georg, D., Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz, 2011; Quellen zur GmbH-Reform von 1958 bis zum GmbH-Änderungsgesetz von 1980, hg. v. Schubert, W., 2011; Geißler, M., Geschichte und juristische Gegenwart gesellschaftsinterner Nutzungsüberlassung, 2010; Communicating Sustainability, hg. v. Mantl, J. u. a., 2012

Gesellschafter (Wort Nürnberg 1484) ist das Mitglied einer (wirtschaftlichen) Gesellschaft.

Lit. Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Gesellschaftsrecht (1615) ist die Gesamtheit der (handelsrechtliche) →Gesellschaften betref­fenden Rechtssätze. Das G. verselbständigt sich als besonderes Rechtsgebiet seit dem 19. Jh.

Lit.: Adler, K., Zur Entwicklungslehre und Dogmatik des Gesellschaftsrechts, 1895; Löber, B., Das spanische Gesellschaftsrecht im 16. Jahrhundert, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2969; Neuere Tendenzen im Gesell­schaftsrecht, hg. v. Crone, H. v. d., 2003; VOC 1602-2002 400 Years of Company Law, hg. v. Gepken-Jager, E. u. a., 2005; Wörner, B., Adelbert Düringers Einfluss als Richter am Reichsgericht, 2007; Hein, J. v., Die Rezeption US-amerikanischen Gesell­schaftsrechts in Deutschland, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Meincke, J., Das Gesellschaftsrecht in den Institutionen Iustinians FS Georg Maier-Reimer, 2010, 443

Gesellschaftsvertrag (1793 Fichte) ist nach älteren Vorläufern (u. a. Plato, Cicero, Althusius, Hobbes] politisch der von den Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft zur Beseitigung des Kampfes aller gegen alle (idealtypisch) geschlossene Vertrag (Jean Jacques →Rousseau [1712-1778], [frz.] contrat [M.] social 1762), durch den sich jeder Einzelne verpflichtet, sich dem allgemeinen, auf das allgemeine Wohl ausgerichteten Willen zu unterwerfen (kritisch dazu Kant, Hegel, Bentham, Marx und Engels), privatrechtlich der zwischen den Gesell­schaf­tern einer (Handel treibenden) →Gesellschaft abge­schlossene Vertrag.

Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 191; Crezelius, G., Neu­zeitliche Gesellschaftsverträge, 1987; The Social Contract from Hobbes to Rawls, hg. v. Boucher, D. u. a., 1994; The Social Contract Theorists, hg. v. Morris, C., 1999; Pezzillo, L., Rousseau et le Contrat social, 2000; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Gesetz ist die abstrakte und allgemeine, in einem festgelegten Verfahren durch Fest­setzung geschaffene rechtliche Regelung. Sein Kern ist die bewusste Festsetzung eines Inhalts durch besondere Handlung der dazu Berechtigten oder sich dazu berechtigt Fühlenden. Als G. erscheint - (nach dem Codex Urnammu des Königs Urnammu von Lagusch [Ur, um 2100 v. Chr.] und dem Codex des babylonischen Königs →Hammurapi [1728-1686 v. Chr. ],) nach den Festsetzungen →Lykurgs, →Solons und →Drakons in griechischen Stadtstaaten sowie nach sagenhaften römischen Königs­gesetzen - in Rom 451/450 v. Chr. in das →Zwölftafelgesetz (lat. lex [F.] duodecim tabularum). In der Folge gibt es zahlreiche römische, jeweils nach ihrem Urheber benannte Einzelgesetze (→lex). Seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) greift der Herrscher (Prinzeps, Kaiser) vielfach zur Festsetzung (lat. [F.] constitutio), um das Recht zu gestalten. Dabei werden am Ende des Altertums umfassende, älteres Recht aber nur kompilierende Gesetzbücher (lat. [M.Pl.] codices) in Kraft gesetzt (→Codex Theodosianus, →Codex). Demgegenüber ist bei den Germanen wegen ihrer einfachen gesellschaftlichen Verhältnisse die Setzung von Recht wohl selten. Die fränkischen Herrscher schließen deshalb in einzelnen Konstitutionen und zusammenfassenden Kapitularien eher an römische Vorbilder an. Im 11. und 12. Jh. tritt der Setzungsgedanke wieder hervor (→Land­friede, str., a. M. Thomas Simon im Anschluss an Fritz Kern). Er bleibt im Heiligen römischen Reich aber wegen der Schwäche des Königs bzw. Kaisers und der damit verbundenen Schwerfälligkeit des Gesetzge­bungsverfahrens eher Ausnahme. Dagegen wird der absolutistische Landesherr vielfach gesetzgeberisch tätig. Die gewich­tigsten Zeugnisse dieses Wirkens sind die →Polizeiordnungen, →Reformationen und vor allem die naturrechtlichen Gesetzbücher (→Kodifikationen) der Wende vom 18. zum 19. Jh. ([Bayern 1751-1756], preußisches Allge­meines Landrecht 1794, französischer Code civil 1804, öster­reichisches Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch 1811/­1812), doch ist bis dahin eine durchgehende Trennung von Gesetz und untergesetzlicher Normsetzung unbekannt, zumal Gesetzgebung und Gesetzesausführung noch nicht getrennt sind. Mit dem 19. Jh. beginnt eine noch immer steigende, vom Rechtsstaatsge­danken und der beachtlichen Vergütung der gesetzgebe­rischen Tätigkeit der Abgeordneten und ihrer Gehilfen nicht unwesentlich beeinflusste Gesetzesflut. Paul Laband trennt das formelle G. vom materiellen Gesetz (Rechtsver­ord­nung).

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 4, 6, 31, 50, 52, 78, 101, 138, 181, 189, 199, 254; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 863; Schubert, A., Augustins Lex-aeterna-Lehre, 1924; Wengler, L., Die Quellen des römischen Rechtes, 1953; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1958; Kopp, H., Inhalt und Form der Gesetze, 1958; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Kirschenmann, D., „Gesetz“ im Staatsrecht und in der Staatsrechtslehre des Nationalsozialismus, 1970; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Schott, C., Rechtsgrundsätze und Gesetzeskorrektur, 1975; Genicot, L., La Loi, 1977; Willoweit, D., Gesetzes­publikationen und verwaltungsinterne Gesetzge­bung, (in) Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 601; Berman, H., Law and Revolution, 1983; Lübbe-Wolff, G., Das wohlerworbene Recht als Grenze der Gesetzgebung im neunzehnten Jahrhundert, ZRG GA 103 (1986), 104; Zum römischen und neuzeitlichen Gesetzesbegriff, hg. v. Behrends, O. u. a., 1987; Karpen, U., Entwicklung des Gesetzesbegriffes in Deutschland, Gedächtnis­schrift W. Martens, 1987; Hattenhauer, H., Richter und Gesetz (1919-79), ZRG GA 106 (1989), 46; Das Gesetz in Spätantike und Frühmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1992; Flach, D., Die Gesetze der frühen römischen Republik, 1994; Nomos und Gesetz, hg. v. Behrends, O. u. a., 1995; Klemmer, M., Gesetzesbindung und Richterfreiheit, 1996; Schilling, L., Gesetzgebung im Frankreichs Ludwigs XIII., Ius commune 24 (1997), 91; Simon, T., Krise oder Wachstum?, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Gesetz und Gesetzgebung im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1998; Weber, R., Das Gesetz bei Philon von Alexandria und Flavius Josephus, 2001; Igwecks, T., Die drei Lesungen von Gesetzen im deutschen Bundestag, 2002; Elster, M., Die Gesetze der mittleren römischen Republik, 2003; Holzborn, T., Die Geschichte der Gesetzespublikation, 2003; Caroni, P., Gesetz und Gesetzbuch, 2003; Stolleis, M., Das Auge des Gesetzes, 2004, 3. A: 2014; Schröder, J., Gesetz und Naturgesetz in der frühen Neuzeit, 2004; Gesetz und Vertrag, hg. v. Behrends, O. u. a., 2004ff.; Schilling, L., Normsetzung in der Krise, 2005; Alexandrino Fernandes, J., Die Theorie der Interpretation des Gesetzes, 2005 Albrecht, M., Die Methode der preußischen Richter, 2005; Vec, M., Recht und Normierung in der industriellen Revolution, 2006; Der biblische Gesetzesbegriff, hg. v. Behrends, O., 2006; Schennach, M., Zuschreiben von Bedeutung, ZRG GA 125 (2008), 133; Transformation des Gesetzesbegriffs im Übergang zur Moderne? hg. v. Walther, M. u. a., 2008; Kullmann, W., Naturgesetz in der Vorstellung der Antike, 2010; Landau, P., Kritische Anmerkungen zu Thomas Simons Bestreitung der gesetzespositivistischen Umwälzung des hohen Mittelalters (in FS Jan Schröder, 2013, 81; Schmidt-Gabain, F., Die Seelen der Gesetze, 2014

Gesetzblatt ist das amtliche Druckwerk, in dem Gesetze (und Rechtsverordnungen) zu veröffentlichen sind (nach älteren lokalen vermischten und oft nur teilweise abdruckenden Intelligenzblättern z. B. Frankreich 4. 12. 1793 Bulletin des lois de la république, 1795 bzw. 1803 feste Zeitpunkte für das Inkrafttreten, Bayern 1799 bzw. 1800/1802 Kurbayrisches Regierungs- und Intelligenzblatt, Baden 1803 Kurfürstliches Regierungsblatt, Württemberg 1807 König­lich württembergisches Staats- und Regie­rungsblatt, Westphalen 1807, Großher­zogtum Hessen 1808 Großherzoglich Hessische Zeitung, Preußen 1810 Gesetzessammlung, Mecklenburg-Schwe­rin 1812, Oldenburg 1814, Hannover 1818, Sachsen 1818, Österreich 1. 10. 1849 Allgemeines Reichs-Ge­setz­- und Regierungsblatt für das Kai­sertum Ö., Schleswig-Holstein 1849, Verfassung des Deutschen Reiches von 1871, Frist von 14 Tagen). Um etwa 1860 ist die formelle Gesetzespublikation durchgesetzt, die inhaltliche Kenntnisnahme der Öffentlichkeit zweitrangig.

Lit.: Lukas, J., Über die Gesetzespublikation in Öster­reich und dem Deutschen Reiche, 1903; Silvestri, G., Die deutschsprachigen Gesetzblätter Österreichs, 1967; Wil­lo­weit, D., Gesetzespubli­kationen und ver­waltungsinterne Gesetzgebung in Preußen vor der Kodifikation, Gedächtnis­schrift H. Conrad 1979, 601; Ruppert, S., Die Entstehung der Gesetzblätter (in) Juristische Zeitschriften, hg. v. Stolleis, M., 1999, 67ff.; Holzborn, T., Die Geschichte der Gesetzespublikation, 2003; Mertens, B., Gesetzge­bungs­kunst, 2004

Gesetzbuch (1410?) ist das umfassende Gesetz. Es findet sich (als Kompilation) bereits im Altertum (Codex Theodosianus, Codex Justinianus). Danach erscheint es (als Kodifikation) wieder in der frühen Neuzeit (z. B. ALR, Code civil, ABGB  u. s. w.).

Lit.: Caroni, P., Gesetz und Gesetzbuch, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deut­schen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; ; Strauch, D., Rechtsbücher und Gesetzbücher im Norden, ZRG GA 130 (2013), 37

Gesetzesauslegung →Auslegung, →Interpretation, →Gesetz

Lit.: Wesel, U., Rhetorische Statuslehre und Gesetzesauslegung der römischen Juristen, 1967; Pauly, S., Organisation, Geschichte und Praxis der Gesetzesauslegung des königlich preußischen Oberverwaltungsgerichts 1875-1933, 1987

Gesetzesinitiative ist die Initiative zur Schaffung eines Gesetzes. Sie steht zunächst dem Monarchen zu (Baden 1818, Bayern 1818, Sachsen 1831), wird aber bald auch den Volksvertretungen zu­gesprochen (Kurhessen 1831, Preußen 1850). Im Deutschen Reich von 1871 hat sie der Bundesrat und der Reichstag sowie nach streitiger Ansicht der Kaiser, 1919 die Reichsregierung und die Mitglieder des Reichstags (daneben Volks­entscheid), in der Bundesrepublik Deutsch­land (1949) die Bundesregierung, der Bundestag und der Bundesrat, in Österreich (1920 die Mitglieder des Nationalrats, der Bundesrat bzw. ein Drittel seiner Mitglieder und die Bundesregierung (seit 1991 auch Volksbegehren), in der Schweiz (1919) jedes Mitglied der Bundesver­sammlung, jede politische Kommission, jeder Kanton und der Bundesrat (Regierung, daneben u. U. das Staatsvolk).

Gesetzespositivismus ist die Form des Positivismus im Recht, die im letzten Drittel des 19. Jh.s das Recht allein auf das den Volkswillen verkörpernde →Gesetz gründet. Der G. geht davon aus, dass das ordnungs­mäßige Zustandekommen des Gesetzes Willkür ausschließt und Gerechtigkeit gewährleistet. Deshalb bindet er den Richter fest an das Gesetz.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 189

Gesetzessammlung, Gesetzsammlung, ist die Zusammenstellung von einzelnen Gesetzen zwecks Vermehrung der Rechtssicherheit. Sie erfolgt im Altertum zunächst privat (→Codex Gregorianus 294, →Codex Hermogenianus) und danach im besonderen Gesetzbuch (→Codex Theodosianus, →Codex). Auch in der Neuzeit erweisen sich teils amtliche, teils private Gesetzes­sammlungen als notwendig oder sinnvoll.

Lit.: Köbler, DRG 181; Codex Austriacus, 1704, 1748, 1752, 1777; Justizgesetzsammlung (Öster­reichs), 1780-1848; Politische Gesetzsammlung (Österreichs) 1793-1848; Quellensammlung zum deutschen Reichs­staatsrecht, hg. v. Triepel, H., 5. A. 1931

Gesetzessprecher ist der für Island (930-1262/1271) gesicherte bzw. abgeändert auch vielleicht für Norwegen (um 1100) und Schweden wahrscheinliche, auf Zeit oder Lebenszeit gewählte Rechtskundige, der in der Volksversammlung (→Ding) das Recht mündlich vorträgt. Die Herkunft des Gesetzessprechers ist unbekannt. In Island verschwindet der G. im 13. Jh. wieder (1263 Anschluss an Norwegen).

Lit.: Köbler, DRG 70; Maurer, K., Das Alter des Gesetzessprecheramtes in Norwegen, FG L. Arndt, 1875, 1; Schröder, R., Gesetzsprecheramt und Priestertum bei den Germanen, ZRG GA 4 (1883), 215; Lehmann, K., Zur Frage nach dem Ursprunge des Gesetzsprecheramtes, ZRG GA 6 (1885), 193; Haff, K., Der germanische Rechtssprecher als Träger der Kontinuität, ZRG GA 66 (1948), 364; Rehfeldt, B., Saga und Lagsaga, ZRG GA 72 (1955), 34; See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964, 44, 82, 107, 195

Gesetzesumgehung →Umgehungsge­schäft

Lit.: Schröder, J., Gesetzesauslegung und Gesetzesum­gehung, 1985; Benecke, M., Gesetzesumgehung im Zivilrecht, 2004

Gesetzesvorbehalt ist die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung für Eingriffe (der Verwaltung) in Rechte der Bürger. Nach älteren Ansätzen der Polizeirechtswis­senschaft des 18. Jh.s wird der G. 1878 von Paul Laband gefordert. Das Wort wird 1895 von Otto Mayer geprägt.

Lit.: Jesch, D., Gesetz und Verwaltung, 2. A. 1968; Engert, M., Die historische Entwicklung des Rechtsinstituts Verwaltungsakt, 2002

Gesetzgeber ist der Urheber eines →Gesetzes. In monarchisch geprägten Zeiten ist dies der →Monarch (z. B. Augustus, Diokletian, Justinian), in demokratisch strukturierten Gesellschaften das →Parlament als die Vertretung des Volkes.

Lit.: Kleeberger, W., Die Aufgaben der bayerischen Gesetzgebung in der Vorstellungswelt des 18. Jahrhunderts, Diss. jur. München 1958; Lieberich, H., Kaiser Ludwig der Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76 (1959), 173; Archi, G., Giustiniano legislatore, 1970; Hesse, H., Gesetzgeber und Gesetzgebung in Bayern 1848-1870, 1984; Kipper, E., Johann Paul Anselm Feuerbach, 2. A. 1989; Kummerer, C., Der Fürst als Gesetzgeber in den lateinischen Übersetzungen von Averroes, 1989; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter, Gesetzgeber und Gesetzgebung im antiken Griechenland, 1999; Miersch, M., Der sogenannte réferé législatif. Eine Untersuchung zum Verhältnis Gesetzgeber, Gesetz und Richteramt, 2000

Gesetzgebung ist die Schaffung eines (for­mellen) →Gesetzes. Sie ist im Altertum in erheblichem Umfang üblich. Im Frühmit­telalter ist sie möglich, aber wohl selten. Im Hoch­mittelalter wird sie verstärkt aufge­griffen. Dabei entsteht im Umkreis der oberitalienischen Städte auf der Grundlage der von der Scholastik aufgenommenen Po­litik des Aristoteles die erste Gesetz­gebungslehre, welche die Gesetz­ge­bung in die Mitte der Regierungstätigkeit des Fürsten stellt, aber nördlich der Alpen erst am Aus­gang des Mittelalters wirksam wird. Die größte Bedeutung erlangt die G. seit dem Absolutismus (Kodifikationen) und der Auf­tei­lung der Gewalten sowie der Anerkennung des Rechtsstaats. Ab 1888 entwickelt sich in Deutschland eine eigenständige Methodenbe­wegung legislative Rechtswissenschaft (Ru­dolf Stammler), seit etwa 1970 eine Gesetzgebungslehre. Ange­sichts der Profes­sio­na­li­sierung der Gesetzgebung nimmt die Zahl der Gesetzge­bungsakte auf vordem un­be­kannte Größe zu (Gesetzgebungsflut des seine Daseinsberechtigung nachweisen wol­lenden Parlaments).

Lit.: Köbler, DRG 191; Niese, H., Die Gesetzgebung der normannischen Dynastie im regnum Siciliae, 1910; Hartz, W., Die Gesetzgebung des Reichs und der weltlichen Territorien in der Zeit von 1495-1555, Diss. phil. Marburg, 1931; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und Landfrieden, Diss. jur. Marburg 1958; Gagnér, S., Studien zur Geschichte der Gesetzgebung, 1960; Mühl, M., Untersuchungen zur altorientalischen und althellenischen Gesetzgebung, 1963; Wolf, A., Typen der Gesetzgebung im Mittelalter, Ius commune 1 (1967); Vanderlinden, J., Le concept de code en Europe occidentale, 1967; Birtsch, G., Gesetzgebung und Repräsentation im späten Absolutismus, HZ 208 (1969), 265; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975; Ziller, G., 30 Jahre Bundesgesetz­gebung, (in) Bulletin der Bundesregierung 11. September 1979, Nr. 103, 960; Kussmaul, P., Pragmaticum und lex, 1981; Schulze, R., Geschichte der neueren vorkonstitutionellen Gesetzgebung, ZRG GA 98 (1981), 157; Kocher, G., Zur Funktion der Gesetzgebung im 18. Jahrhundert, (in) Das achtzehnte Jahrhundert, Bd. 1 1983, 44; Jakobs, H., Wissenschaft und Gesetzgebung im bürgerlichen Recht, 1983; Stolleis, M., Condere leges et interpretari. Gesetzgebungsmacht und Staatsbildung im 17. Jahrhundert, ZRG GA 101 (1984), 89; Gesetzgebung als Faktor der Staatsentwicklung, 1984; Biesemann, J., Das Ermächtigungsgesetz als Grundlage der Gesetzgebung im nationalsozialistischen Staat, 1985; Renaissance du pouvoir législatif et génèse de l´État, hg. v. Gouron, A. u. a., 1988; Gesetzgebung und Dogmatik, hg. v. Behrends, O. u. a., 1989; Wolf, A., Gesetzgebung in Europa 1100-1500, 2. A. 1996; Ullrich, N., Gesetz­gebungsverfahren und Reichstag, 1996; Simon, T., Krise oder Wachstum? FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Gesetz und Gesetzgebung in der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1998; Legislation und Justice, hg. v. Padoa Schioppa, A. u. a., 1995; Fuhrmann, J., Theorie und Praxis in der Gesetzgebung des Spätmittelalters in Deutschland, 2001; Prudentia legislatoria, hg. v. Maier, H. u. a., 2003; Mester, G., Die Volksinitiative in Sachsen, 2003; Mertens, B., Gesetzgebungskunst im Zeitalter der Kodifikationen, 2004; Schöler, C., Die deutsche Rechtseinheit, 2004; Schwieger, C., Volksgesetzgebung in Deutschland, 2005; Emmen­egger, S., Gesetzgebungskunst, 2006; Mohnhaupt, H., Grundlinien in der Geschichte der Gesetzgebung auf dem europäischen Kontinent vom 16. bis 18. Jahrhundert, ZNR 28 (2006), 124ff.; Gesetzgebung in antiken Gesellschaften - Israel, Griechenland, Rom, hg. v. Burckhardt, L. u. a., 2007; Meyer, A., Dominus noster vult - Anmerkungen zur päpstlichen Gesetz­ge­bung im Spätmittelalter, HZ 289 (2009), 607; Schennach, M., Gesetz und Herrschaft, 2010

gesetzlich (Adj.) auf Gesetz beruhend, Gesetz betreffend

Gesetzlicher Richter ist der vom Gesetz durch allgemeine Regeln für den einzelnen Fall vorweg festgelegte zuständige Richter. Mit dieser Einrichtung soll im Rechtsstaat unlauterer persönlicher Einfluss­nahme vorgebeugt werden. Nach älteren, bis ins Mittelalter (Kirchenrecht C. 2. q. 1. c. 7) zurückreichenden Ansätzen (z. B. auch Petition of right 1628, Bill of rights 1701, Act of settlement 1701, Art. 171 der Verfassung Frankreichs von 1791) wird sie (unabhängig vom modernen Rechtsstaats­begriff) im Deutschen Bund in den Verfassungen des 19. Jh.s verwirklicht (Baden 1818 ordentlicher Richter, Hessen 1820 g. R., Verfassung des Deutschen Reiches 1848, Gerichtsverfas­sungs­­gesetz von 1877/1879, Einschränkungen im Nationalsozialismus und in der Deutschen Demokratischen Republik, Sicherung in Art. 6 I EMRK).

Lit.: Köbler, DRG 200; Pfeiffer, W., Die Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Richteramtes, 1851; Menzel, W., Ausnahmegericht und gesetzlicher Richter, Diss. jur. 1925; Kern, E., Der gesetzliche Richter, 1927; Scupin, H., Der gesetzliche Richter im Bonner Grundgesetz, Diss. jur. Tübingen 1963; 2003; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003; Müßig, U., Der gesetzliche Richter ohne Rechtsstaat?, 2007

Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist die Bindung der Tätigkeit der staatlichen Verwaltungsbehörden an rechtliche Vor­schriften. Die G. d. V. wird erstmals 1810 von W. J. Behr zur Verhinderung übermäßiger Einschränkungen der menschlichen Hand­lungs­­freiheit eingefordert (System der allgemeinen angewandten Staatslehre).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 199

Gesinde (Wort bereits für das Germanische zu erschließen) ist die Gesamtheit der in einem Hauswesen beschäftigten und der Personalgewalt des Hausvaters unterste­henden Dienstboten (um 1800 10% der Bevölkerung). Zu unterscheiden ist dabei zwischen unfreiem und freiem G. Für das unfreie G. gelten zunächst die allgemeinen Regeln der →Grundherrschaft. Für das freie G. entwickeln sich in den Städten im Spätmittelalter besondere Gesindevor­schriften (z. B. Freiberg um 1300). Im 18. Jh. werden im Heiligen römischen Reich zahlreiche Ge­sindeordnungen erlassen und werden (nach einem Landrechtsentwuf Friedrich Esaias Philipp von Pufendorfs in den Jahren 1770-1772) dann auch in Kodifikationen allgemeine Regeln festgelegt.

Lit.: Köbler, DRG 127; Köbler, WAS; Dorn, J., Versuch einer ausführlichen Abhandlung des Gesin­derechts, 1794; Hertz, G., Die Rechtsverhältnisse des freien Gesindes, 1881, 2. A. 1935; Wuttke, R., Gesindeordnungen und Gesindezwangsdienst in Sachsen, 1893; Kähler, W., Gesindewesen und Gesinderecht in Deutschland, 1896; Fuld, L., Das bürgerliche Recht und das Gesinderecht, 1899; Lennhoff, E., Das ländliche Gesindewesen in der Kurmark Brandenburg, 1906; Könnecke, O., Rechtsgeschichte des Gesindes in West- und Süddeutschland, 1912, Neudruck 1970; Götsch, S., Beiträge zum Gesindewesen in Schleswig-Holstein zwischen 1740 und 1840, 1978; Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht im 19. Jahrhundert, 1981; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Schröder, R., Zur Arbeitsverfassung des Spätmittelalters, 1984; Schröder, R., Das Gesinde war immer frech und unverschämt, 1992; Dürr, R., Gesinde in der Stadt, 1995; Gesinde im 18. Jahrhundert, 1995; Arbeiten im Mittelalter, hg. v. Postel, V., 2006; Dienstbotinnen, hg. v. Barth-Scalmani, G. u. a., 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Sagemann, M., Krankenfürsorge für das Gesinde, 2012

Gesta (N.Pl.) municipalia (lat.) sind im ausgehenden Altertum gemeindliche Verzeichnisse oder öffentliche Akten.

Lit.: Hirschfeld, B., Die gesta municipalia, Diss. Marburg 1904; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977

Gestaltungsrecht ist das Recht auf Gestaltung bzw. Änderung einer Rechtslage in einem fremden Rechtsbereich durch eigene Handlung (z. B. einseitiges Rechtsgeschäft). Es geht in seiner Entwicklung auf Savigny (anfechtbares Rechtsgeschäft), Windscheid (1856), Brinz und Zitelmann zurück. Den Begriff Gestaltungsrecht prägt Emil Seckel (1903).

Lit.: Steiner, R., Das Gestaltungsrecht, 1984; Hat­tenhauer, C., Einseitige private Rechtsgestaltung, 2011

Geständnis (lat. [F.] confessio) ist das Eingestehen der Wahrheit einer von einem anderen behaupteten Tatsache durch einen Verfahrensbeteiligten. Das G. gehört, weil es weiteren Streit entbehrlich macht, schon in die Anfänge des Verfahrensrechts. Dort wird es später als Königin der Beweismittel angesehen. Seiner Erzielung dient vor allem vom 13. Jh. bis zum 18. Jh. die →Folter. In der Gegenwart dienen fast drei Viertel der strafverfahrsnrechtlichen Ermittlung der Erlangung eines Geständnisses und beruht rund die Hälfte der Verurteilungen auf einem G., wobei über das G. eine Absprache möglich ist.

Lit.: Kaser § 84 I 2; Köbler, DRG 117; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, 1879; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1914, 400; Kleinheyer, G., Zur Rolle des Geständnisses im Strafverfahren, (in) Gedächtnisschrift H. Conrad, 1980, 367ff.; Hauser, J., Geständnis und Absprache, 2007

Gestapo (geheime Staatspolizei) ist die aus meist fähigen und harten, dem Staat aus Überzeugung dienenden, selbst vor brutalsten Maßnahmen nicht zurückschreckenden Poli­zis­ten zusammengesetzte politische Polizei (z. B. im nationalsozialistischen Deutschen Reich). Etwa einem Drittel der Gestapochefs des Jahres 1938 gelingt die Erreichung einer ihrer Ausbildung entsprechenden beruflichen Stellung in der Bundesrepublik Deutschland.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Weyrauch, W., Gestapo V-Leute, 1989; Gellately, R., Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft, 2. A. 1994; Heuer, H., Geheime Staats­polizei, 1995; Die Gestapo, hg. v. Paul, G. u. a., 1995; Johnson, E., Nazi Terror, 1999; Stolle, M., Die Geheime Staatspolizei in Baden, 2001; Schmidt, S., Gestapo, Strafjustiz und „Kanzelmissbrauch“ in Südbayern 1933 bis 1939, 2002; Bornschein, J., Gestapochef Heinrich Müller, 2004; Dams, C. u. a., Die Gestapo, 2008; Die Gestapo nach 1945, hg. v. Mallmann, K. u. a., 2009; Wallbaum, K., Der Überläufer - Rudolf Diels (1900-1957, 2010; Thalhofer, E., Entgrenzung der Gewalt, 2010

gestio (lat. [F.]) Betragen, Führung

Gesundes Volksempfinden ist im Dritten Reich (1933-45) die der Ideologie entsprechende allgemeine Anschauung, die als Korrektiv eines formaljuristisch gefundenen, dem →Nationalsozialismus unannehmbar erschei­nenden richterlichen Ergebnisses verwendet wird.

Lit.: Rückert, J., Das „gesunde Volksempfinden“ - eine Erbschaft Savignys, ZRG GA 103 (1986), 199

Gesundheit ist der Zustand vollkommenen Wohlbefindes eines Lebewesens. 1876 wird im Deutschen Reich als oberste Reichsbe­hörde für das Medizinalwesen ein Kaiser­liches Gesundheitsamt gegründet (1918 Reichs­gesund­heitsamt, 1952 Bundesge­sund­heits­amt, 1994 aufgelöst zu Gunsten des Bundesinstituts für Infektionskrankheiten, des Bundesinstituts für Verbraucherschutz und Veterinärmedizin und des Bundesinstituts für Arzneimittel und medizinische Produkte).

Lit.: Möller, C., Medizinalpolizei, 2005; Grumbach, T., Kurmainzer Medicinalpolicey, 2006 (von 1650 bis 1803 etwa 240 landesherrliche „Gesetzte“); Hüntelmann, A., Hygiene im Namen des Staates, 2008; Briesen, D., Das gesunde Leben, 2010; Hierholzer, V., Nahrung nach Norm, 2010; Schlich, T., The Origins of Organ Transplantation Surgery and Laboratory Sciende, 1880-1930, 2010; Kerscher, W., Der preußische Weg zum Impfzwang, 2011; Oliver, L., The Body Legal in Barbaqrian Law, 2011 Die Behandlung der Sozial- und Gesundheitspolitik in den thüringischen Landtagen, hg. v. Thüringer Landtag, 2012;

Geteiltes Eigentum ist das (seit dem Hochmittelalter in Anlehnung an die im römischen Recht dem Erbpächter eröffnete [lat.] rei vindicatio [F.] utilis anerkannte,) an mindestens zwei in unterschiedlicher Stärke berechtigte Beteiligte aufgeteilte „Eigentum“ (z. B. Obereigentum mit Anrecht auf Substanz, Untereigentum [neben Recht auf die Substanz vor allem Nutzung]). Es wird von Naturrecht, Liberalismus, Kant und vor allem von →Thibaut (1801) abgelehnt und zwar noch nicht vom Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) und dem Allgemeinen Gesetzbuch Österreichs (1811/1812, § 357 ABGB, ver­altet spätestens mit der Grund­entlastung 1848), aber doch bereits vom Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) und vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ausge­schlossen. Es soll in veränderter Form im Vorbehaltseigentum, im Sicherungs­eigentum oder in der Wohnraum­miete fort­leben (str.).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pichler, J., Das geteilte Eigentum im ABGB, ZNR 1986, 23; Krauss, F., Das geteilte Eigentum im 19. und 20. Jahrhundert, 1999; Lehmann, J., Sachherrschaft, 2004

Geverde (F.) Gefahr, Gefährdung

Lit.: Gudian, G., Zur rechtlichen Bedeutung der Formel „ane geverde“ im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 333

Gewähr (Sachsen 1390)

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Gewährleistung (Hannover 1706) ist das Einstehen für die Mangelfreiheit (Freiheit von Sachmangel und Rechtsmangel) einer Sache oder eines Werkes. Sie findet sich bereits im römischen Kaufrecht (→Wandelung, →Minderung, Entwerung). Entsprechend muss auch der Vermieter einstehen. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes wird sie (den einheimischen Grundsatz „Augen auf, Kauf ist Kauf“ zurückdrängend) übernommen.

Lit.: Kaser § 41; Hübner; Köbler, DRG 46, 214; Lautner, J., Grundsätze des Gewährleistungsrechts, 1937; Jakab, E:, Praedicere und cavere beim Marktkauf, 1997; Ernst, W., Neues zur Sachmängelgewährleistung, ZRG GA 116 (1999), 208; Wenzel, A., Das Gewährleistungsrecht in der Spruchpraxis des preußischen Kammergerichts von 1794-1810, 2006; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Wiegard, G., Vom tempus utile zum bref délai, 2014

Gewährschaft ist das Einstehen des Veräußerers einer Sache für den Fall, dass ein Dritter von dem Erwerber die Sache herausverlangt. Im römischen Recht erhält der Erwerber aus der (lat. [F.]) mancipatio das Recht, in einem solchen Fall den Veräußerer als seinen (lat. [M.]) auctor zu prozessualer Beistandschaft zu veranlassen, um die Sache gegen den (angreifenden) Dritten zu verteidigen. Verweigert der Veräußerer die Unterstützung oder erteilt er sie erfolglos, so dass der Dritte die Sache erhält, so haftet der Veräußerer dem Erwerber auf den doppelten Kaufpreis. Außerhalb der (lat. [F.]) mancipatio wird dieses Ergebnis durch eine vertragliche Abrede auf Leistung des doppelten Kaufpreises erreicht. Im deutschen Recht entwickelt sich im Frühmittel­alter (str.) eine Gewährschaftsbürg­schaft und daraus eine allgemeine G.

Lit.: Kaser § 41 V; Hübner 577f.; Rabel, E., Die Haftung des Verkäufers wegen Mangels im Recht, 1902; Gillis, F., Gewährschaftszug und laudatio auctoris, 1911; Ullrich, G., Eine Urkunde über Ge­währschaft nach fränkischem Recht, ZRG GA 59 (1939), 269; Eckhardt, K., Gewährschaft und Übereignung, Beiträge zur Geschichte der Werralandschaft 4, 1937; Partsch, G., Zur Entwicklung der Rechtsmangelhaftung des Veräußerers, ZRG GA (1960), 87

Gewalt (Wort 790 belegt) ist der Einsatz von Kraft zur Erreichung eines Zieles sowie die Möglichkeit hierzu. Der moderne Staat strebt das Gewaltmonopol an. Deswegen versucht er die G. des Einzelnen möglichst auszuschließen. →väterliche Gewalt

Lit.: Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 817; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. A. 1981; Buisson, L., Potestas und caritas, 2. A. 1982; Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982; Richardi, H., Schule der Gewalt, 1983; Willoweit, D., Die Herausbildung des staatlichen Gewaltmonopols, (in) Konsens und Konflikt, hg. v. Randelzhofer, A. u. a., 1986, 313; Roth, A., Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989; Die Gewalt in der Geschichte, hg. v. Sieferle, R., 1998; Lacour, E., Schlägereien und Unglücksfälle, 2000; Violence in Medieval Society, hg. v. Kaeuper, R., 2000; Ruff, J., Violence in early modern Europe 1500-1800, 2001; Töngi, C., Geschlechterbeziehungen und Gewalt, 2002; Gewalt, hg. v. Bulst, N. u. a., 2004; Töngi, C., Um Leib und Leben, 2004; Hahn, J., Gewalt und religiöser Konflikt, 2004; A Great Effusion of Blood?, hg. v. Meyerson, M. u. a., 2004; Gewalt im Mittelalter, hg. v. Braun, M. u. a., 2005; Gewalt in der frühen Neuzeit, hg. v. Ulbrich, C. u. a., 2005; Angenendt, A., Toleranz und Gewalt, 2006; Boari, M., La coercizione privata nella Magna Glossa, 2007; Extreme Formen von Gewalt in Bild und Text des Altertums, hg. v. Zimmermann, M., 2009; Metz, K., Geschichte der Gewalt, 2010¸ Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; North, D. u. a., Gewalt und Gesellschaftsordnungen, 2011; Schimrosczyk, C., Zivilrechtliche Schutzmöglichkeiten gegen Gewalt in der Ehe, 2012; Kollektive Gewalt in der Stadt - Europa 1890-1939, hg. v. Lenger, F., 2013

Gewaltenteilung (Gewaltentrennung) ist die Aufteilung der staatlichen Hoheitsgewalt in mehrere grundsätzlich autonome und als gleichwertig geltende, sich gegenseitig kontrollierende und beschrän­kende, von unterschiedlichen Menschen innegehabte Gewalten. Die Vorstellung von der Notwendig­keit der G. entsteht unabhängig von älteren Gedankengängen (z. B. Herodot, Plato [427-347 v. Chr.], Aristoteles [384-322 v. Chr., dreigliederige Funktionszu­schreibung von gesetzgebender, ausführender und richterlicher Staatskompetenz], Polybios [2. Jh. v. Chr.], Cicero [106-43 v. Chr.]) und Wirklich­keitsansätzen (römische Republik) in der frühen Neuzeit (Florenz 16. Jh., Henning Arnisaeus, Johannes Limnaeus) als Folge der gegen den →Absolutismus eines Monarchen gerichteten Aufklärung. Vielleicht schon (vor) 1690 entwickelt John →Locke (1632-1704) in England zur Sicherung der Freiheit des Einzelnen die Trennung von ausführender Gewalt (executive power) und gesetzgebender Gewalt (legislative power) (1690 Two Treatises of Government, Zwei Abhand­lungen über die Regierung). 1730/1731 greift dort Henry St. John Viscount Bolingbroke (1678-1751) in seinen Remarks on the History of England die dreigliederige G. des Aristoteles theoretisch wieder auf. 1748 setzt sich in Frankreich Charles de Secondat Baron de la Brède et de →Montesquieu (1689-1755) unter Ausschluss rechtsfreier Handlungsspiel­räume etwa des Königs sehr wirkungsvoll für die Dreiteilung Exekutive, Legislative und Judikative ein (De l’ésprit des lois, Vom Geist der Gesetze). Als staatlicher Grundsatz werden diese Gedanken erstmals 1776 in Nordamerika in den Bill of Rights von 1776 und 1780 und in der Philadelphia Convention umgesetzt. In Frankreich greifen dies 1789 die Déclaration des droits de l’homme et du citoyen (Erklärung der Menschenrechte und Bürgerrechte, Art. 16), am 16. 8. 1790 ein besonderes Gesetz und 1791 (III, Art. 3-5), 1795 und 1848 die Verfassungen auf. Im deutschen Bereich behält die Vorstellung von der Einheit des Staates und der Macht der Fürsten Gewicht, steht die Staatswissenschaft der Gewal­tenteilungslehre mehrheitlich kritisch gegen­über und übernehmen die meisten, entweder dem Vorbild Frankreichs von 1814 oder dem Vorbild Belgiens von 1831 folgenden Ver­fassungen der deutschen Einzel­staaten in ihren Text (nur) die Bestimmung, dass alle Gesetze der Zustimmung des Landtags bedürftig seien, welche die Freiheit oder das Eigentum der Staatsangehörigen betreffen. Später wird das Gewaltenteilungsschema leitendes Ordnungs­prinzip. In der Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 ist die G. zwischen Exekutive und Legislativew im Nebeneinander von Reichstag und Reichsrat einerseits und monarchischem Präsidium andererseits erkennbar. Durch die Verfassung von Weinmar (1919) wird das dreigliederige Gewaltenteilungsprin­zip im Deutschen Reich eingeführt. In der Demokratie, in der alle Gewalt vom Volk ausgeht, wird die G. ver­schiedentlich in Frage gestellt (z. B. Volks­demokratie), hat aber auch hier als Schutz vor Missbrauch tatsächliche Vorzüge. Vom 24. 3. 1933/30. 1. 1934 bis 1945 wird die Gewal­tenteilung im Deutschen Reich zumindest tatsächlich aufgehoben. Art. 20 II GG kehrt zur G. zurück. In England werden die Gewalten 2003 entflochten.

Lit.: Köbler, DRG 190, 197, 200; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 923; Klimowski, E., Die englische Gewaltenteilungslehre bis zu Montesquieu, 1927; Kägi, O., Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des Gewaltenteilungsprinzips, 1937; Imboden, M., Montesquieu und die Lehre von der Gewaltentrennung, 1959; Korioth, S., Monarchisches Prinzip und Gewaltenteilung unvereinbar? (in) Der Staat 37(1998), 27ff.; Gewaltentrennung im Rechtsstaat, hg. v. Merten, D., 1989; Executive and Legislative Powers in the Constitutions of 1848-1849, hg. v. Dippel, H., 1999; Pahlow, L., Justiz und Verwaltung, 2000; Pahlow, L., Zur Theorie der Gewaltenteilung im 18. Jahrhundert (in) Aufklärung 15 (2003), 275; Máthé, G., Die Problematik der Gewaltentrennung, 2004; Racky, M., Die Diskussion über Gewaltenteilung und Gewaltentrennung im Vormärz, 2005; Höchli, D., Der Florentiner Republikanismus, 2005; Maier, C., Gewaltenteilung bei Aristoteles, 2006; Riklin, A., Machtteilung, 2006

Gewaltverhältnis ist das von Gewalt bestimmte Verhältnis (z. B. zwischen Allge­meinheit und Einzelnem).

Lit.: Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982

Gewann ist die vielleicht in der Grund­herrschaft im Hochmittelalter und im Spätmittelalter ausgebildete Unterteilung der Ackerflur des mittelalterlichen Dorfes in Gruppen gleichförmiger und einheitlich zu bewirtschaftender Streifen, wobei jeder Hofstätte eines Dorfes in jedem Gewann ein Flurstück zugeteilt wird. Die Gewanne wer­den wegen ihrer verhältnismäßigen Unwirt­schaftlichkeit in der maschinenbestimmten Landwirtschaftdurch die Flurberei­nigung beseitigt.

Lit.: Haff, K., Gewann – Aas, ZRG GA 42 (1921), 465; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 42; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 1985; Rösener, W., Agrarwirtschaft, 1992

Gewedde s. Gewette

Lit.: Ebel, F., Der Traktat „Von gewedde, ZRG GA 99 (1982), 276

Gewerbe ist die erlaubte, auf Dauer und Gewinnerzielung (str.) gerichtete selbständige Tätigkeit. In Rom finden sich neben der Plan­tagenwirtschaft von Großgrundherren auch mit Hilfe von Sklaven betriebene Manu­fakturen für Textilien, Metallwaren und Keramik, die noch keinen Maschineneinsatz kennen. In den Wirren des 3. Jh.s n. Chr. verfällt die ge­werb­liche Produktion. Sie beginnt neu in der frühmittelalterlichen Grundherrschaft (z. B. Schmied, Töpfer, Weber), gelangt aber erst in der hoch­mittelalterlichen Stadt zu größerer Bedeutung. Dort wird das G. in der →Zunft organisiert und reglementiert. Im 19. Jh. löst der Liberalismus die Zwangsordnung auf, nimmt den Zünften den Zunftzwang und schafft die →Gewerbefreiheit, aber auch die staatliche Gewerbeaufsicht.

Lit.: Köbler, DRG 67, 78, 97, 134, 175, 225, 250; Eberstadt, R., Das französische Gewerberecht, 1899; Schulte, E., Das Gewerberecht der deutschen Weistümer, 1909; Peterka, O., Das Gewerberecht Böhmens im 14. Jahrhundert, 1909; Schulte, E., Das Gewerberecht der deutschen Weistümer, 1909; Fecht, O., Die Gewerbe der Stadt Zürich, 1909; Koehne, C., Gewerberechtliches in deutschen Rechtssprichwörtern, 1915; Heimpel, H., Das Gewerbe der Stadt Regensburg, 1926; Mannert, L., Die öffentliche Förderung der gewerblichen Produktionsmethoden, 1930; Huber, H., Die Arbeitsverfassung im Süderländer und Siegener Eisengewerbe, Diss. jur. Göttingen 1956; Kreutzberger, E., Das Gewerberecht der Reichsstadt Goslar, 1959; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973f.; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1982; Weyrauch, T., Städtische Amts- und Gewerbeordnungen, 1987; Reininghaus, W., Gewerbe in der frühen Neuzeit, 1990; Ziekow, J., Freiheit und Bindung des Gewerbes, 1992; Karl, M., Fabrikinspektoren in Preußen, 1993; Kraushaar, M., Die Gewerbegerichte, (in) Arbeit und Recht, 1995, 313; Rohde, J., Das Recht der genehmigungs­bedürftigen Anlagen im Gewerbe- und Immissionsschutzrecht von 1810 bis in die Gegenwart, 2000; Vorindustrielles Gewerbe, hg. v. Häberlein, M. u. a., 2004; Sack, R., Das Recht am Gewerbebetrieb, 2007

Gewerbefreiheit ist die Freiheit der gewerblichen Betätigung (Frankreich 1791, Preußen 1807/1810/1811/1845, England 1814, Dänemark 1849/1857, Österreich 1859). Sie ist im Einzelnen im Deutschen Reich durch die →Gewerbeordnung (ursprünglich des Norddeutschen Bundes) von 1869 näher ausgestaltet. Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft/Europäischen Union sind alle nicht aus zwingenden Gründen des Allgemeininiteresses notwen­digen Beschränkungen grenzüber­schrei­tender gewerblicher Betätigung rechtswidrig bzw. verboten.

Lit.: Köbler, DRG 175, 176; Rohrscheidt, K. v., Vom Zunftzwange zur Gewerbefreiheit, 1898; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3527; Vogel, B., Allgemeine Gewerbefrei­heit, 1983; Baryli, A., Konzessionssystem contra Gewerbefreiheit, 1984; Quante, C., Die geistesge­schichtlichen Grundlagen und die Entwicklung der Gewerbefreiheit in Deutschland, 1984; Schnattinger, A., Die Rückwirkung des Europarechts auf das deutsche Gewerberecht, 2005

Gewerbegericht ist das für Gewerbe­rechtsstreitigkeiten (Arbeitsrechts­streitig­keit­en) zuständige Gericht. Nach mittelalterlichen Vorläufern innerhalb der Zünfte entstehen zu Beginn des 19. Jh.s auf deutschem Boden besondere gewerbliche Fachgerichte, die aber von geringer Bedeutung bleiben. In Frank­reich gründet Napoleon für Lyon am 18. 3. 1806 einen Conseil de Prud’hommes als Ausnahme von der ordentlichen Gerichtsbar­keit, was von 1809 an verallgemeinert wird und über das Rheinland und Elsass-Lo­thringen auch Eingang im deutschspra­chi­gen Raum findet. Die Gewerbeordnung Preußens von 1845 sieht für Streitigkeiten die Anrufung des Gemeindevorstehers vor, was die Gewer­be­ordnung des Norddeutschen Bundes 1869 übernimmt. Am 29. 7. 1890 wird ein Reichs­gesetz betreffend Gewerbege­richte geschaf­fen. Die danach eingerichteten Gewerbege­richte (Bayern etwa 80) erweisen sich nur als bedingt erfolgreich und werden 1927 durch die Arbeitsgerichte (23. 12. 1926/1. 7. 1927) abgelöst.

Lit.: Zimmermann, U., Die Entwicklung der Gewerbegerichtsbarkeit in Deutschland, 2005

Gewerbeordnung ist die rechtliche Regelung des Rechtes der →Gewerbe (z. B. Gesetz über die polizeilichen Verhältnisse der Gewerbe, 1811 [Preußen], Braunschweig 1821, Bayern 1825, 1868, Württemberg 1828, Hohenzo­llern-­Hechingen 1842, Allgemeine preußische Gewerbeordnung vom 17. 1. 1845, Hannover 1847, Entwürfe im Deutschen Bund 1848, 1849, Österreich 1859, Nassau 1860, Sachsen 1861, Oldenburg 1861, Baden 1862, Sachsen-Meiningen 1862, Waldeck 1862, Gotha 1863, Reuß jüngere Linie 1863, Coburg 1863, Hamburg 1864, Schwarzburg-Rudolstadt 1864, Schwarzburg-Sondershausen 1865, Lübeck 1866, Reuß ältere Linie 1868), insbesondere im Norddeutschen Bund das am 21. 6. 1869 geschaffene, später etwa durch die Handwerksordnung oder das Gaststätten­gesetz sachlich eingeschränkte Gesetz.

Lit.: Miritz, T., Geschichte des Gewerberechts von 1869 bis zur Gegenwart, 1983; Ziekow, J., Freiheit und Bindung des Gewerbes, 1992; Rohde, J., Das Recht der genehmigungs­bedürftigen Anlagen im Gewerbe- und Immissions­schutzrecht von 1810 bis in die Gegenwart, 2000

Gewerbesteuer ist die vom Gewerbeertrag zu leistende Steuer.

Lit.: Köbler, DRG 55; Heni, G., Historische Analyse und Entwicklungen der Gewerbesteuer, 1991; Schnädter, H., Die Geschichte des Gewerbe­steuerrechts, Diss. jur. Köln 1993

Gewerblicher Rechtsschutz (um 1900) ist der gewerbliche Rechte betreffende Schutz durch die Rechtsordnung. Er umfasst das Recht der Patente (Venedig 1474, England 1623/1624, Frankreich 1791), der Gebrauchs­muster (Deutschland 1871), der Geschmacks­muster (Frankreich 1711, Deutschland 1876), der Zei­chen (Deutschland 30. 11. 1874, 12. 5. 1894, 5. 5. 1936) und des unlauteren Wett­bewerbs (Deutschland 12. 5. 1894, 7. 6. 1909).

Lit.: Tolksdorf, B., Der gewerbliche Rechtsschutz in Deutschland, 1908; Zimmermann, P., Frühe Beispiele aus der Welt der gewerblichen Eigentumsrechte, GRUR 69 (1969), 173; Handbuch der Quellen und Li­te­ratur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,4205; Simon, J., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und sei­ne gewerblichen Erscheinungsformen, 1981; Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, hg. v. Beier, F. u. a., Bd. 1f. 1991; Wadle, E., Geistiges Ei­gen­tum, Bd. 1f. 1996f.; Ausschüsse für den gewerblichen Rechtsschutz, hg. v. Schubert, W., 1999; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008

Gewere ist im mittelalterlichen deutschen Recht (der sachenrechtliche Vorgang [Ein­kleidung eines Menschen mit einer Sache oder einem Amt, lat. investitura] und) das (aus diesem Vorgang erwachsende) Verhält­nis eines Menschen zu einer Sache oder einem Amt, kraft dessen der Träger vor allem rechtswidrige Zugriffe auf den Gegenstand (defensiv) abwehren und den Gegenstand nach Weg­nahme (offensiv) herausverlangen sowie außerdem (translativ) übertragen darf. Die G. gilt der herrschenden Meinung als urtümliche Grundfigur des germanischen Sachenrechts. Wahrscheinlich wird sie aber im spätantiken Kirchenrecht zur Sicherung gegenüber sich wandelnden Sa­chen­rechts­verhältnissen ent­wickelt. Sie wird formelhaft als Kleid (d. h. äußere Erschei­nungsform) des (als rein gedanklichen Gebildes unsichtbaren) Sachen­rechts (z. B. Eigentum an einem Grundstück) beschrieben. Sie zeigt sich augenscheinlich beispielsweise im Innehaben und Benutzen des Gegenstands. Der Aufteilung des Sachenrechts auf mehrere Berechtigte (z. B. Obereigentümer, Unter­eigentümer) entspricht die Aufteilung in eine ideelle (unkörperliche) und eine leibliche (körperliche) G. Der G. werden eine Offensiv­funktion, eine Defensivfunktion und eine Trans­lativfunktion zugeschrieben. Durch Aus­übung einer ursprünglich fehlerhaft be­gründeten, auf Schein beruhenden G. während einer bestimmten Zeit ohne gerichtliche Inan­spruchnahme seitens des Berechtigten kann rechte G. entstehen. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem späten Mittelalter wird das Wort G. durch das zu (lat. [F.]) possessio gebildete Wort Besitz abgelöst, innerhalb dessen zwischen mittelbarem und unmittelbarem Besitz unterschieden wird.

Lit.: Hübner 198, 430; Köbler, DRG 74, 90, 123, 162; Köbler, WAS; Albrecht, W., Die Gewere, 1828; Heusler, A., Die Gewere, 1872; Huber, E., Die Bedeutung der Gewere im deutschen Sachenrecht, 1894; Meyer, H., Entwerung und Eigentum im deutschen Fahrnisrecht, 1902; Kiesel, K., Die Bedeutung der Gewere des Man­nes am Frauengute für das Ehegüterrecht des Sachsenspiegels, 1906; Bückling, G., Die Wechselwirkung gewererechtlicher und fronungs­rechtlicher Elemente im Liegenschaftsrecht des deutschen Mittelalters, 1911; Iterson, W. van, Der Ausdruck „mit allerschlachter Nut“ und sein Zusammenhang mit der Gewere, ZRG GA 84 (1967), 310; Levy, E., The Law of Property, 1975; Köbler, G., Die Herkunft der Gewere, TRG 43 (1975), 195; Laske, W., Die Bedeutung des „Gewereanschreibens“ gemäß dem Tractatus de iuribus incorporalibus von 1679, ZRG GA 93 (1976), 344; Ishikawa, T., Die Gewere im Sachsenspiegel, FS H. Thieme, 1986, 59

Gewerkschaft ist der Zusammenschluss von Menschen zu einem gewerblichen Zweck, insbesondere im Arbeitsbereich der frei­willige Zusammenschluss von Arbeitnehmern zur Si­cherung und Verbesserung der wirt­schaftlichen und sozialen Bedingungen. Im Bergrecht ist die G. eine wohl im 13. Jh. (Iglau 1249) aus älteren Arbeitsge­nos­senschaften gebildete Gesell­schaftsform ohne festes Grundkapital. Die vor dem Allge­meinen Berggesetz für die preußischen Staaten vom 24. 6. 1865 gebildete ältere bergrechtliche G. ist →Gesamthand (mit herkömmlich 128 Wertanteilen [Kuxen] am Gesellschaftsver­mögen), die G. neueren Rechtes (Preußen 1865) ist juristische Person mit zwischen 100 und 10000 Kuxen. Beide werden in Deutschland im Gefolge des Bundesberggesetzes vom 13. 8. 1980 aufgehoben und in andere Gesellschaftsformen umgewandelt. Im Ar­beits­recht bildet sich aus älteren Gesellenvereinen die G. (engl. trade union) zuerst in England, wo sie durch Gesetz (Combination Laws von 1799 bzw. 1800) bis 1824 verboten wird. In Deutschland entwickelt sich die G. nach unbedeutenden Anfängen in der Mitte des 19. Jh.s als arbeitsrechtliche G. nach der Aufhebung gesetzlicher Ver­einigungsverbote (Sachsen 1861, Preußen [Verbot 1845] 1867, Norddeutscher Bund 21. 6. 1869 [§ 152 I Gewerbeordnung]). Sie ist regelmäßig nicht­rechtsfähiger →Verein. 1868 entsteht ein all­gemeiner deutscher Arbeiterschafts­verband (von 12 sog. freien Gewerkschaften), 1869 ein Verband der deutschen Gewerkenvereine. 1890 gründen die freien Gewerkschaften die Ge­neralkom­mission der Gewerkschaften Deutsch­l­ands (1919 Allgemeiner Deutscher Gewerkschafts­bund). 1894 entwickeln sich christliche Gewerk­schaften. Am 23. 12. 1918 wird vom Rat der Volksbeauftragten eine Tarifvertrags­ordnung erlassen, welche die Betä­tigungsfreiheit der Gewerkschaften si­chert. 1919 gewährt Art. 159 WRV die Verei­nigungsfreiheit zur Ver­besse­rung der Arbeits- und Wirtschafts­bedingungen. Am 30. 10. 1923 wird eine Schlichtungsord­nung erlassen. Nach Auflösung der freien Gewerkschaften und Einbeziehung der übrigen Gewerkschaften in die Deutsche Arbeitsfront von 1933 bis 1945 wird 1949 in der Bundesrepublik der Deutsche Gewerkschaftsbund mit (16) Einzelge­werk­­schaften gegründet, dem die Deutsche Angestelltengewerkschaft und der Deut­sche Beamtenbund zur Seite stehen. Seit dem ausgehenden 20. Jh. verlieren die (zumindest mittelbar Herstellungskosten steigernden und damit Arbeitslosigkeit verur­sachenden) Gewerkschaf­ten Mitglie­der und Einfluss.

Lit.: Hübner 312; Köbler, DRG 167, 177, 218, 24; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1 1868, Neudruck 1954, 971; Deutsch, J., Geschichte der österreichischen Gewerkschaftsbewegung, Bd. 1f. 1908ff.; Weber, A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 6. A. 1954; Jühe, R./Niedenhoff, H./Pege, W., Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland, 2. A. 1982; Hägermann, D./Ludwig, K., Europäisches Montanwesen, 1986; Schulte Beerbrühl, M., Vom Gesellenverein zur Gewerkschaft, 1991; Schneider, M., Kleine Geschichte der Gewerkschaften, 2. A. 2000; Stadtland, H., Herrschaft nach Plan und Macht der Gewohnheit, 2001; Zwickel, K., Geben und Nehmen, 2005; Hildebrandt, J., Gewerkschaften im geteilten Deutschland, 2010; Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund, hg. v. Mielke, S. u. a., 2011

Gewette (Gewedde) ist (bei ungeklärter Herkunft) in Ostfalen (Sachsenspiegel) im Hochmittelalter die vom Täter an den Richter zu erbringende Leistung (Strafgeld für schuldhafte Handlungen gegen Recht und Gericht?), die neben der Leistung an den verletzten Kläger steht. →fredus, Bann

Lit.: Sperling, H., Zur Geschichte von Buße und Gewette im Mittelalter, Diss. jur. Straßburg 1874; Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898, 196; Ebel, F., Der Traktat „Von Gewette“, ZRG GA 99 (1982), 276

Gewicht →Maß

Lit.: Mulsow, H., Maß und Gewicht der Stadt Basel, 1910

Gewissen ist der das Handeln des Menschen an Hand sittlicher Gründe leitende Teil des Bewusstseins. Wer seinem G. folgt, hat ein gutes oder reines Gewissen, wer ihm zuwiderhandelt ein schlechtes Gewissen. Gepägt ist das G. von allgemeinen Einstellungen der umgebenden Gesellschaft und von eigenen Erfahrungen.

Gewissensfreiheit ist die Freiheit der Gewissensbildung wie der Gewissensbe­tätigung. Sie wird nach Anfängen im Altertum als Teil der Glaubensfreiheit (in Frankreich) um 1600 erkannt. Sie wird über die Virginia Bill of Rights (1776) und das Allgemeine Landrecht Preußens (II 11 § 2) fester Bestandteil der →Grundrechte (§ 144 S. 1 Verfassung des Deutschen Reiches von 1848, Art. 135 Verfassung von 1919, Art. 4 I GG).

Lit.: Borowski, M., Die Glaubens- und Gewissens­freiheit des Grundgesetzes, 2006; Kaupisch, J., Das Grund­recht der Religionsfreiheit, 2008

Gewohnheit

Lit.: Buchda, G., „Gewohnheiten“ in der Pößnecker Schöffenspruchsammlung, ZRG GA 78 (1961), 64; Gewohnheit, Gebot, Gesetz, hg. v. Jansen, N., 2011

Gewohnheitsrecht ist das durch langdauernde Übung in der Überzeugung, damit recht zu handeln, von dem Beteiligten geschaffene Recht. Vermutlich erwachsen die ersten Rechtssätze auf Grund der einfachen gesellschaftlichen Verhältnisse allgemein aus Ge­wohnheiten und entsteht erst zusätzlich hierzu die bewusste Setzung von Recht durch →Gesetz. In Rom wird in der Spätantike neben der kaiserlichen Konstitution auch die von Kaiser Konstantin (319) noch bekämpfte Gewohnheit (lat. [M.] mos, [F.] consuetudo) als Quelle neuen Rechtes anerkannt. Im Mittelalter wird das partikuläre G. zusammen mit einzelnen Gesetzen (Konstitutionen) in →den den Volksrechten und Rechtsbüchern (→Land­rechten) aufge­zeichnet. In der Neuzeit ist das G. als ausschließliches Erzeugnis des Volkes dem Gesetz zunächst noch gleichwertig, wird aber ab etwa 1650 dem Gesetzgeber unterstellt, so dass zu seiner Entstehung die (vermutetete) Zustimmung des Gesetzgebers erforderlich ist. Im 18. Jh. verlegt man zwar den Ent­stehungsgrund des Gewohnheitsrechts wieder allein in das Volk zurück, indem man den gesetzlichen Vorschriften ein allgemeines Einverständnis des Gesetzgebers entnimmt, doch wendet sich der absolute Staat mit seiner Gesetzgebung (Kodifikation) gegen das G. (vgl. Einl. § 60 zum ALR, § 10 ABGB). Auch der liberale Rechtsstaat des 19. Jh.s bevorzugt trotz der abweichenden Einschätzung durch die (eigentlich auf das wissenschaftliche Recht zielende) →historische Rechtsschule das Gesetz. Dennoch gibt es noch in der Gegenwart gewohnheitsrechtliche Rechts­bildung (z. B. auch Völkergewohnheitsrecht).

Lit.: Köbler, DRG 4, 52, 101, 142, 185, 227, 254; Puchta, G., Das Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff.; Brie, S., Die Lehre vom Gewohnheitsrecht, 1899; Kaser, M., Mores maiorum und Gewohnheitsrecht, ZRG RA 59 (1939), 52; Smidt, J. de, Rechts­gewoonten, 1954; Schmiedel, B., Consuetudo im klassischen und nachklassischen römischen Recht, 1966; Köbler, G., Zur Frührezeption der consuetudo in Deutschland, Hist. Jb. 89 (1969), 337; Fürst, C., Zur Rechtslehre Gratians, ZRG KA 57 (1971), 276; Bühler, T., Gewohnheitsrecht, Enquête, Kodifikation, 1977; Diestelkamp, B., Das Verhältnis vom Gesetz und Gewohnheitsrecht im 16. Jahrhundert, FS H. Thieme, 1977, 1; Gilissen, J., La coutume, 1982; Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohn­heiten im Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1992; Overdijk, D., De gewoonte, 1999; Geyer, P., Das Verhältnis von Gesetzes- und Gewohnheitsrecht in den privatrechtlichen Kodifikationen, Diss. jur. Göttingen 1998; Garré, R., Consuetudo, 2005; Maisel, S., Das Gewohnheitsrecht der Beduinen, 2006; Meder. S., Ius non scriptum, 2008, 2. A. 2009

Gewohnheitsverbrechergesetz

Lit.: Müller, C., Das Gewohnheitsverbrechergesetz, 1997

Gibraltar ist die an der Südspitze Spaniens gelegene Kronkolonie Großbritanniens (6,5 Quadratkilometer, 27100 Einwohner). G. hat seinen Namen (Felsen des Tarik) von dem 711 n. Chr. hier eine Befestigung anlegenden arabischen Feldherrn Tarik. 1462 wird G. von Spanien zurückerobert und 1704 von England besetzt. Dementsprechend ist sein Recht nacheinander islamisch, spanisch und englisch beeinflusst.

Gierke, Otto von (Stettin 11. 1. 1841-Berlin 10. 10. 1921), Sohn des Stadtsyndikus von Stettin, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg und Berlin und nach der Promotion (1860, Homeyer) und Habilitation in Berlin (1867, Beseler) Professor in Breslau (1871), Heidelberg (1884) und Berlin (1887). In seiner mehrbändigen, unvollendeten Unter­suchung Das deutsche Genossenschaftsrecht (Bd. 1ff. 1868ff.) unternimmt er den Versuch der Ermittlung der großen Entwicklungslinien der Geschichte der menschlichen Verbände, in seinem unvollständigen deutschen Privatrecht (Bd. 1ff. 1895ff.) den Versuch der umfassenden Dar­stellung der deutschen Privatrechtsent­wicklung aus deutschrecht­licher Sicht. Rechtspolitisch beeinflusst er die Gestaltung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900) und des deutschen Rechtes in sozialrechtlicher Richtung (Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs und das deutsche Recht, 1888/1889 (Neudruck 2013), →Gesamt­hand, Kauf bricht nicht Miete). 1911 wird er geadelt.

Lit.: Köbler, DRG 207; Festschrift Otto Gierke, 1911; Stutz, U., Zur Erinnerung an Otto von Gierke, ZRG GA 43 (1922), VII (mit Schriftenverzeichnis); Mogi, S., Otto von Gierke, 1932; Wieacker, F., Privat­rechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 543; Jobs, F., Otto von Gierke und das moderne Arbeitsrecht, Diss. jur. Frankfurt am Main, 1968; Janssen, A., Otto von Gierkes Methode der geschichtlichen Rechtswissenschaft, 1974; Mundt, H., Sozialpolitische Wertungen als methodischer Ansatz in Gierkes privatrechtlichen Schriften, 1976; Otto Gierke, Associations and Law, hg. v. Heiman, G., 1977; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur Betriebsgemeinschaft, 1982; Pfeiffer-Munz, S., Soziales Recht ist deutsches Recht, 1979; Haack, T., Otto von Gierkes Kritik, 1997; Pfennig, C., Die Kritik Otto von Gierkes, 1997; Repgen, T., Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 2001; Peters, M., Die Genossenschaftstheorie Otto von Gierkes, 2002; Janssen, A., Die bleibende Bedeutung des Genos­senschaftsrechts Otto von Gierkes, ZRG GA 122 (2005), 353

Gießen an der Lahn, 1197 als Wasserburg der Grafen von Gleiberg erstmals genannt, gelangt 1265 an Hessen und ist seit 1607 Sitz einer (lutherischen) Universität mit einer juristischen Fakultät (1945-1965 geschlos­sen).

Lit.: Hall, A., Die juristische Fakultät der Universität Gießen im 17. Jahrhundert, Ludwigs-Universität, 1957, 1-16; Köbler, G., Gießener juristische Vorlesungen 1607-1982, 1982, 2. A. 2007 im Internet; Köbler, G., Zur Herkunft der Gießener Rechtslehrer des 19. Jahrhunderts, FS W. Mallmann, 1978, 117; Baumgarten, M., Vom Gelehrten zum Wissenschaftler, 1988; Chroust, P., Gießener Universität und Faschismus, 1994; 800 Jahre Gießener Geschichte, hg. v. Brake, L., 1997; Panorama 400 Jahre Universität Gießen, hg. v. Carl, H. u. a., 2007; Rechtswissenschaft im Wandel, hg. v. Gropp, W., 2007; Kirschbaum, J., Die Etablierung der historischen Rechtsschule an der Ludoviciana (1814-1824), 2011

Gilde ist die Vereinigung mehrerer Menschen zu wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zwecken im mittelalterlichen nördlichen Europa. Eine G. wird erstmals 688-726 in England als Empfänger von →Wergeld erwähnt. 779 begegnet eine G. im Kapitular von Herstal. In Skandinavien erscheint die G. im 12. Jh. Im Hochmittelalter bilden die Gewerbetreibenden Gilden. In der Neuzeit verliert die G. an Bedeutung und beschränkt sich seit der Gewerbefreiheit des 19. Jh.s auf die Brauchtumspflege (z. B. Schützengilde). →Zunft

Lit.: Köbler, DRG 121; Köbler, WAS; Wilda, W., Das Gildenwesen im Mittelalter, 1831, Neudruck 1964; Pappenheim, M., Die altdänischen Schutzgilden, 1885; Nitzsch, K., Die niederdeutsche Kaufgilde, ZRG GA 13 (1892), 1; Nitzsch, K., Die niederdeutschen Verkehrsein­richtungen neben der alten Kaufgilde, ZRG GA 15 (1894), 1; Joachim, H., Gilde und Stadtgemeinde in Freiburg im Breisgau, FG Anton Hagedorn, 1906, 25; Silberschmidt, W., Die Bedeutung der Gilde, ZRG GA 51 (1931), 132; Weider, M., Das Recht der deutschen Kaufmannsgilden im Mittelalter, 1931; Engemann, H., Die Gilden der Stadt Goslar, 1957; Reininghaus, W., Die Entstehung der Gesellengilden im Spätmittelalter, 1981; Black, A., Guilds, 1984; Gilden und Korporationen, hg. v. Friedland, K., 1984; Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985; Anz, C., Gilden im mittelalterlichen Skandinavien, 1998; Cordes, A., Stuben und Stubengesellschaften, 1993; Maniatis, G., The Guild System in Byzantium and Medieval Western Europe, Byzantion 76 (2006), 463

Giphanius (van Giffen), Hubert (Buren 1533/4-Prag 1604) wird nach dem Studium in (Löwen,) Orléans, Bourges, Paris und Orléans teils gefeierter, teils umstrittener Professor in Straßburg (1570), Altdorf (1583) und Ingol­stadt (1590) und 1599 Reichshofrat.

Lit.: Wolff, H., Geschichte der Ingolstädter Juristenfakultät, 1973, 134

Gladbach

Lit.: Gödde, K., Landesherrschaft und Stadtrechte in Gladbach bis 1609, Diss. jur. Bonn 1959

Gladiator (M.) Berufskämpfer in Rom

Lit.: Meijer, F., Gladiatoren, 2004

Glanvill, Ranulf de (Suffolk um 1140?-Akkon 1190), aus normannischer (?), begüterter Familie, wird 1163 als Sheriff von Yorkshire (bis 1170) und 1173 als Sheriff von Lancashire genannt und 1180 zum ersten Rechtsberater (lat. [M.] capitalis iustitiarius) König Heinrichs II. von England erhoben. Seit dem 13. Jh. wird ihm der durch mehr als 30 Handschriften überlieferte (lat.) Tractatus (M.) de legibus et consue­tudinibus regni Angliae (Treatise on the Laws and Customs of England, Abhandlung von den Gesetzen und Gewohnheiten Englands) zugeschrieben, eine kurze, klare, in einfachem Latein vielleicht zwischen 1187 und 1189 verfasste Darstellung des englischen, von den Gerichten geformten Rechtes (Buch 1-13 Zivilklagen mit 76 Formularen eines königlichen writ [Buch 7 Erbrecht], Buch 14 Strafklagen), in dem die römischrechtlichen und kirchenrechtlichen Einflüsse den Kern des einheimischen Rechtes nicht berühren. Der Tractatus ist das älteste book of authority descommon law. Es wird von Henry de →Bracton benutzt.

Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 2 4. A. 1936, 188; Peter, H., Actio und writ, 1957, 20, 105; The Treatise on the Laws, hg. v. Hall, G., 1965; Caenegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 1973, 2. A. 1988

Glarus ist das seit 1352 zur Eidgenossenschaft der Schweiz gehörige, 1803 als Kanton anerkannte Gebiet an der Linth, das sich am 22. 5. 1887 eine Verfassung gibt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stucki, F., Beiträge zur Geschichte des Landes Glarus, 1936; Liebeskind, W., Stab und Stabgelübd im Glarner Landrecht, 1936; Zweifel, E., Johann Jakob Blumer und das glarnerische bürgerliche Gesetzbuch (Diss. jur. Zürich 1965), 1966; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Die Rechtsquellen des Kantons Glarus, hg. v. Stucki, F., Bd. 1ff. 1983ff.; Schießer, F., Entstehung und Inhalt der Verfassung des Kantons Glarus, Jb. d. hist. Ver. d. Kantons Glarus 71 (1986)

Glaser, Julius (bzw. Josua) (Postelberg 19. 3. 1831-Wien 26. 12. 1885), Kaufmannssohn, wird 1856/60 Strafrechtsprofessor in Wien und erarbeitet als liberaler Justizminister (1871-1879) die österreichische Strafprozess­ordnung des Jahres 1873.

Lit.: Unger, J., Julius Glaser, 1885; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, (1938) 1953, 127; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 184

Glasgow in Schottland erhält um 548 eine erste Kirche. 1136 wird es Sitz eines Bischofs. Sein Marktrecht von 1189 wird 1689 in Stadtrecht umgewandelt. 1451 bzw. 1796 entstehen zwei Universitäten.

Lit.: Durkan, J./Kirk, J., The University of Glasgow, 1977

Glatz

Lit.: Schubert, F., Das älteste Glatzer Stadtbuch (1316-1412), ZRG GA 45 (1925), 250

Glaube ist die menschliche Grundhaltung des (nicht sicher wissenden) Vertrauens (z. B. an einen Gott).

Lit.: Glaubensflüchtlinge, hg. v. Bahlcke, J., 2008

Glaubensfreiheit ist die Freiheit, einen eigenen religiösen Glauben zu bilden und dafür zu werben. Dabei treten mit der Reformation des Jahres 1517 mehrere Arten von Glauben nebeneinander. 1848 will die Verfassung des Deutschen Reiches Glaubens- und Gewissensfreiheit, Kultus­freiheit und religiöse Vereinigungs­freiheit sichern. Die G. ist weiter z. B. durch Art. 14 I des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (1867 in Österreich, Art. 63 II Friedensvertrag von Saint Germain öffentliche Religions­ausübung, 1949 Europä­ische Menschen­rechts­konvention Schutz für nichtreligiöse Weltanschauungen) und Art. 135 der Weimarer Reichsverfassung ge­schützt. →Re­li­gions­freiheit

Lit.: Borowski, M., Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, 2006

Gläubiger (1350, lat. [M.] →creditor, Gläubigerverzug 1895) ist der aus einem Schuldverhältnis zu einer Leistung Berech­tigte. Er ist bereits dem römischen Recht allgemein bekannt. Wird er benachteiligt, so gewährt der Prätor während des Voll­streckungsverfahrens die Wiederher­stellung des vorherigen Zustands (lat. →in integrum restitutio [F.]) und nach dem Voll­streckungsverfahren ein wiederher­stellendes Edikt, woraus sich bei Justinian die (lat.) →actio (F.) Pauliana (Gläubigeranfech­tungs­recht) entwickelt, die in Deutschland seit dem Spätmittelalter aufgenommen und mit ähnlichen Gestaltungen des mittelalterlichen Stadtrechts verbunden wird.

Lit.: Kaser § 32 I; Hübner; Oertel, R., Entwicklung und Bedeutung des Grundsatzes anteiliger Gläubigerbe­friedigung im älteren deutschen Recht, 1901; Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbe­schränkungen des Schuldners, ZRG GA 41 (1920), 210; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Gläubigeranfechtung s. Gläubiger, Anfech­tung, Gläubigerbenachteiligung

Lit.: Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach deutschem Stadtrecht des Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210

Gläubigerbenachteiligung ist die bereits dem römischen Recht bekannte, durch Verschiebung von Vermögensteilen des von Zwangsvollstreckung und Konkurs bedrohten Schuldners erfolgende Benachteiligung von Gläubigern ([lat.] alienatio [F.] in fraudem creditorum) Der römische Prätor schützt den Gläubiger durch die (lat.) restitutio (F.) in integrum, das (lat.) interdictum (N.) fraudatorium und die (lat.) denegatio (F.) actionis. Justinian fasst alles zur (lat.) actio (F.) Pauliana (paulianischer Klaganspruch) zusammen. In der Neuzeit sollen der G. besondere gesetzliche Regeln (Anfechtungs­gesetz) entgegenwirken.

Lit.: Kaser § 9 III

Gläubigerverzug (lat. mora creditoris) ist die bereits dem römischen Recht bekannte Verzögerung der Erfüllung durch Fehlen eines zum Eintritt der Erfüllung notwendigen Verhaltens (z. B. Annahme) des Gläubigers. Durch G. wird der Schuldner nicht von der Leistungspflicht befreit, doch muss er für den Untergang des Leistungsgegenstands nur noch für Vorsatz (lat. dolus) einstehen.

Lit.: Kaser § 37 III; Köbler, DRG 44; Heuer, P., Der Annahmeverzug im älteren deutschen Privatrecht, 1911; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Harke, J., Mora debitoris und mora creditoris im klassischen römischen Recht, 2005

glebae adscriptus (lat. [M.]) Schol­len­gebundener (Kolone bzw. Bauer)

Gleichberechtigung ist die Gleichstellung bezüglich der Rechte (für Frauen und Männer). Der Grundsatz der G. wird in Abkehr von der älteren patriarchalischen Familienstruktur im Gefolge der Aufklärung seit der Mitte des 19. Jh.s (1848) verlangt, nachdem zuvor die Ausnahme von der Gleichheit als angesichts der Schwachheit der Frau und ihrer mangelnden Begabung zu vernünftiger Er­kenntnis notwendige Schutz­maßnahme erklärt worden war. Danach werden 1869 in Preußen wichtige Einschränkungen der Handlungs­fähigkeit der Frau aufgehoben und wird 1877 die Prozessunfähigkeit der Ehefrau beseitigt. Nach 1900 wird die Frau zum Uni­versitätsstudium zugelassen, 1908 wird ihr ein politisches Wirken eröffnet, 1919 erhält sie durch die Verfassung das aktive und passive Wahlrecht, seit 1922 kann sie die Befähigung zum Richteramt erwerben. Durch Art. 3 II GG wird die G. von Männern und Frauen un­mittelbar geltendes Bundesrecht. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsge­richts Deutschlands tritt zum 31. 3. 1953 alles dem Gleichberech­tigungs­grundsatz des Grundge­setzes entge­gen­stehende Recht außer Kraft. Das Gleichberechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 bringt eine Neuregelung. Am 29. 7. 1959 entscheidet das deutsche Bundes­ver­fassungs­gericht gegen den Vorrang des Mannes bei der gesetzlichen Vertretung der Kinder (Gleichberech­tigungsgesetz). Mit Gesetz vom 14. 6. 1976 wird die G. im Eherecht verwirklicht. Das Kindschaftsrechts­re­formgesetz vom 16. 12. 1997 ermöglicht die gemeinsame elterliche Sorge nicht mit­einander verheirateter Eltern durch beider­seitige Erklärung.

Lit.: Hübner 71, 656; Köbler, DRG 238; Hippel, T. v., Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber, 1792, Neudruck 1981; Wollstonecraft, M., Vindication of the rights of Women, 1793; Boehmer, G., Die Teilreform des Familienrechts durch das Gleichberechtigungs­ge­setz, 1962; Ramm, T., Gleichberechtigung und Hausfrauenehe, JZ 23 (1968), 41, 90; Dann, O., Gleichheit und Gleichberechtigung, 1980; Müller-List, G., Gleichberechtigung als Verfassungsauftrag, 1996; Leicht-Scholten, C., Die Gleichberechtigung im Grundgesetz, 2000; Wendrich, J., Die Entwicklung der familienrechtlichen Entscheidungsbefugnisse der Ehefrau, 2002; Franzius, C., Bonner Grundgesetz und Familienrecht, 2005; Riedel, T., Gleiches Recht für Mann und Frau, 2008; Der Kampf ums gleiche Recht, hg. v. schweizerischen Verband für Frauenrechte, 2009Gleichheit ist die Übereinstimmung bezüglich eines Umstandes. Sie entwickelt sich seit der Aufklärung (nach 1770) zu einem Grundrecht, das sich die Revolution in Frankreich von 1789 zum Ziel setzt. Es wird 1919 in Art. 109 der Verfassung aufgenommen.→Gleichberechti­gung, →Gleichheits­grund­satz

Lit.: Dann, O., Gleichheit und Gleichberechtigung, 1980; Frenz, B., Gleichheitsdenken in deutschen Städten des 12. bis 15. Jahrhunderts, 2000; Damm, S., Menschenwürde, Freiheit, komplexe Gleichheit, 2005

Gleichheitsgrundsatz ist der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Die Gleichheit der Menschen bejahen theoretisch schon die antiken Philosophen (Stoa, Cicero) und das Christentum. Dennoch sind antike und mittelalterliche Gesellschaft durch die Un­gleichheit oder die nur stufenförmige Gleichheit gekennzeichnet. Erst in der Aufklärung des 18. Jh.s wird die Beseitigung der ständischen Ungleichheit zur politischen Forderung (→Montesquieu, →Voltaire, →Rousseau). Seit 1776 nehmen die Verfassungen den G. auf (Frankreich [égalité] 1791, Bayern 1818, Österreich 1848, Preußen 1850, Weimarer Reichsverfassung 1919). Eine Unterscheidung zwischen Staatsbürgern bzw. Unionsbürgern und Ausländern ist bei den Bürgerrechten möglich. Unterschei­dun­gen sind nur bei objektiven Gesichtspunkten rechtmäßig.

Lit.: Köbler, DRG 206, 252; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 997; Adams, W., Das Gleichheitspostulat in der amerikanischen Revolution, HZ 212 (1977), 59; Erler, A., Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, 1967; Dann, O., Gleichheit und Gleichberechtigung, 1980; Von der ständischen Gesellschaft zur bürgerlichen Gleichheit, 1980; Kleinheyer, G., Aspekte der Gleichheit, Der Staat Beiheft 4, 1980, 7; Chaimowicz, T., Freiheit und Gleichheit im Denken Montesquieus und Burkes, 1985; Böttger, B., Das Recht auf Gleichheit und Differenz, 1990; Maldeghem, C. v., Die Evolution des Gleichheitssatzes, 1997; Frenz, B., Gleichheitsdenken in deutschen Städten, 2000; Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2003; Rabe, C., Gleichwertigkeit von Mann und Frau, 2006

Gleve (F.) Einheit im Ritterheer

Lit.: Schulze, W., Die Gleve, 1940

Globig, Hans Ernst von (Grauwinkel bei Wittenberg 2. 11. 1755-Dresden 21. 11. 1826, Sekretär des Kurfürsten von Sachsen, Assessor am Appellationsgericht in Dresden (1779-1789), Assessor am Reichskammer­gericht (1789-1799), Reichstagsgesandter in Regensburg, 1806 Geheimrat, tritt 1777 gegen Folter und Todesstrafe ein

Lit.: Abhandlung von der Criminal-Gesetzgebung, 1785; Schmidt, S., Die Abhandlung von der Crimi­nalgesetzgebung, 1990; Röthlin, N., Die Verbesserung des Strafrechts, ZRG GA 121 (2004), 238

Glocke ist das aus einem metallenen Hohlkörper und einer metallenen Stange (Klöppel) bestehende, wohl im 8. Jh. von Irland auf das europäische Festland gelangte Gerät zur Erzeugung von Tönen, die auch Rechtshandlungen anzeigen oder Rechtswir­kungen auslösen können.

Lit.: Lippert, E., Glockenläuten als Rechtsbrauch, 1939; Carlen, L., Orte, Gegenstände und Symbole kirchlichen Rechtslebens, 1999; Beyer, F., Geheiligte Räume, 2008

Glogau

Lit.: Goerlitz, T., Die Gubener Handschrift des Glogauer Rechtsbuchs, ZRG GA 64 (1944), 319

Glorious Revolution ist die Bezeichnung für den 1688 durch Eingreifen des Parlaments unblutigen Wechsel vom 1672 katholisch gewordenen König Jakob II. aus dem Hause Stuart zu Maria II. Stuart und ihrem protestantischen Ehemann Wilhelm III. von Oranien. Obwohl die G. R. keine wirkliche Revolution ist, sondern die aristokratische Ordnung vordergründig eher festigt, legt die in der →Bill of Rights (1689) errungene Sicherung der Rechte des →Parlaments die Grundlage für die weitere verfassungsmäßige Entwicklung zum Parlamentarismus.

Lit.: Kroeschell, DRG 2

glossa →Glosse

Glossa (F.) ordinaria (lat., ordentliche Glosse) ist die Zusammenfassung aller einzelnen →Glossen zum römischen Recht bzw. zum kirchlichen Recht zu einer kettenförmig um den Text gelegten Einheit durch Accursius (1182/1185-1260/1263, 96940 Einzelglossen, 22365 zum Digestum vetus, 17969 zum Digestum infortiatum, 22243 zum Digestum novum, 17814 zum Codex [1-9], 4737 zu den Institutionen, 7013 zum Authenticum, 680 zu den Libri feudorum in insgesamt 5 Bänden, durch etwa 1200 Handschriften belegt) bzw. Johannes Teutonicus (1216). Die bereits 1258 in Florenz, wenig später in Frankreich (Toulouse 1275-1300), Spanien und Portugal sowie gegen Ende des 13. Jh.s in Deutschland (Johannes von Erfurt 1285, Brügge 1291) verwendete g. o. des Accursius enthält u. a. etwa 10400 als von früheren Verfassern (z. B. Irnerius 330, Martinus 590, Bulgarus 315) stammend gekennzeichnete Glossen. Im Heiligen römischen Reich wird im 14. Jh. der Sachsenspiegel glossiert (Johann von Buch vielleicht bereits vor 1325 nach dem Vorbild des Accursius, zwei Rezensionen, weiter Nikolaus Wurm, Brandt von Tzerstede Lüneburg 1442, Dietrich von Bocksdorff, Petrus de Posena, Stendaler Glosse, insgesamt 204 Handschriften und Fragmente, 82 noch vollständig vorhandene Handschriften)

Lit.: Accursii Glossa, 1487ff., Neudruck 1968ff.; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Die althochdeutsche und altsächsische Glossographie, hg. v. Bergmann, R. u. a., 2009 (1878 S.)

Glossator ist der Verfasser einer oder mehrerer Glossen. zum gelehrten Recht in Oberitalien im Hochmittelalter (z. B. Pepo, Irnerius, Bulgarus, Martinuis, Jacobus, Hugo, Bassianus, Azo, Accursius ) →Glosse

Lit.: Kantorowicz, H., Studies in the Glossators of the Roman Law, 1938, Neudruck 1969; Schrage, E., Utrumque ius, 1992, e-book 2013; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter Band 1 Die Glossatoren, 1997

Glosse (griech. Zunge, Sprache, Wort, Erklärung, zu idg. *glægh‑, *glýgh‑, Sb., Stachel, Spitze) ist das ungewöhnliche und deshalb erklärungsbe­dürftige Wort, dessen Erklärung und die Gesamtheit aller Erklärungen erklärungsbe­dürftiger Wörter eines Textes (z. B. der Bibel). Die manchmal in Rechtstexten nur in der Nennung verwandter Stellen (Alle­gationen) bestehende Erklärung wird meist an den Rand (Marginalglosse) oder zwischen die Zeilen (Interlinearglosse) des zu erklärenden Textes gesetzt (z. B. zwischen dem 8. und 15. Jh. in mehr als 1250 Handschriften rund 250000 Einzelglossenbelege zu rund 27000 alt­deutschen Ansätzen). Im Recht beginnt die Glos­sierung mit dem Ziel der analysierenden Aufschließung des Textes, dann der Erleichterung des Verständnisses und schließlich der syn­thetizierenden Entwicklung einer wider­spruchsfreien Einheit der justinianischen Texte wohl mit (Pepo von Bologna,) Irnerius (1060?-1125?) in Bologna. Ihm folgen vor allem die vier Doktoren Bulgarus, Hugo, Jacobus und Martinus. Seit etwa 1160 werden die Glossen durch Na­menssiglen gekennzeichnet. Weitere bekannte Glossatoren sind Rogerius, Albericus, Ald­ricus, Wilhelmus de Cabriano, Placentinus, Henricus de Baila, Johannes Bassianus, Pillius, Cyprianus, Otto Paiensis, Lotharius, Burgundio von Pisa, Vacarius, Azo, Hu­golinus, Jacobus de Ardizone, Jacobus Columbi, Jacobus Balduini, Tancredus, Baga­rottus, Damasus, Bernardus Dorna, Pontius de Ilerda, Karolus de Tocco, Symon Vicentius, Roffredus und Odofredus sowie Accursius. Nach 1215 wird die Tätigkeit der Glossatoren durch Begutachtung (Konsilien der Konsiliatoren) und Kommentierung (Kom­mentare der Kommentatoren) ersetzt. →Malbergische Glosse, Sachsenspiegelglosse

Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 106, 107; Köbler, LAW; Savigny, C., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, Bd. 3ff. 2. A. 1834ff.; Schulte, J. v., Die Glosse zum Dekret Gratians, 1872; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938; Calasso, F., I glossatori e la teoria della sovranità, 2. A. 1951; Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, 1960; Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG RA 77 (1960), 182; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Villata di Renzo, G., La tutela, 1975; Glosse preaccursiane alle Istituzioni, hg. v. Caprioli, S. u. a., Bd. 1f. 1984ff.; Dolezalek, G., Repertorium manu­scriptorum veterum Codicis Iustiniani, 1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Otte, G., Logische Einteilungstechniken bei den Glossatoren, (in) Dialektik und Rhetorik, hg. v. Fried, J., 1997, 157; Mittelalterliche volkssprachige Glossen, hg. v. Bergmann, R. u. a., 2001; Glossen zum Sachsenspiegel Landrecht, hg. v. Kaufmann, F., 2002; Maceratini, R., La glossa ordinaria al Decreto di Graziano e la Glossa di Accursio al Codice di Giustiniano, 2003; Althochdeutscher und altsächsischer Glossen­wortschatz, hg. v. Schützeichel, R., Bd. 1ff. 2004; Glossen zum Sachsenspiegel Lehnrecht Teil 1, hg. v. Kaufmann, F., 2006; Wallinga, T., The Casus Codicis of Wilhelmus de Cabriano, 2005; Jakobs, H., Magna Glossa, 2006; Die althochdeutsche und altsächsische Glossographie, hg. v. Bergmann, R./Stricker, S., 2009; Glossen zum Sachsenspiegel-Lehnrecht. Die ältere Glosse, hg. v. Kaufmann, F., 2012

Glück ist der als (erhoffte) Erfüllung einer Vorstellung durch eigenes Streben oder Zufall eintretende, als vorteilhaft empfundene menschliche Zustand.

Glück, Christian Friedrich von; geb. Halle 01. 07. 1755; gest. 20. 01. 1831, 1770 Studium Rechtswissenschaft Universität Halle, 1776 Referendar Magdeburg, 1777 Promotion Universität Halle, 1784 Professor Universität Erlangen, 1820 geheimer Hofrat, 1827 No­bilitierung, ist der Verfasser der (unvollendeten) ausführlichen Erläuterung der Pandekten in 34 Bänden (1790ff.).

Lit.: Wendehorst, A., Geschichte der Universität Erlangen-Nürnberg 1743-1993, 1993; Hirata, A., Die Vollendung des usus modernus pandectarum, ZRG RA 123 (2006), 330

Glücksspiel ist das im Ergebnis wesentlich vom Zufall abhängige Spiel um Vermögen. Bereits das römische Recht unterscheidet zwi­schen erlaubten, dem Gewinner eine Kla­ge­möglichkeit gewährenden Spielen und uner­laubten, dem Verlierer eine Heraus­gabe­kla­ge­möglichkeit einräumen­den Spielen. Nach dem Sachsenspiegel (1221-1224) muss der Erbe Spielschulden des Erblassers aus Doppelspiel (Würfelspiel) nicht bezahlen. In der Neuzeit werden im Heiligen römischen Reich die römischen Bestimmungen aufge­nommen. Das Allgemeine Landrecht Preu­ßens (1794) sieht Strafen für die Beteiligten vor (II 20 §§ 1298ff.), die über das Straf­gesetzbuch Preu­ßens von 1851 in das Reichsstrafgesetzbuch (1871) übergehen und am 23. 12. 1919 verschärft werden, doch be­stehen zwecks Erzielung staatlicher Einnah­men Ausnahmen für Spielbanken ([lat.] pecunia non olet, Geld stinkt nicht).

Lit.: Seelig, E., Das Glücksspielstrafrecht, 1923

GmbH →Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Gnade (Wohlwollen, Gunst) →Begnadigung

Lit.: Beyerle, K., Von der Gnade im deutschen Recht, 1910; Butz, H., Gnadengewalt und Gnadensachen, 1975; Laske, W., Die rechtliche Unzulässigkeit der Mönchung als Gnadenakt im fränkischen Hofgericht, ZRG GA 95 (1978), 239; Mickisch, C., Die Gnade im Rechtsstaat, 1996; Vrolijk, M., Recht door gratie, 2004; Ludwig, U., Das Herz der Justitia, 2008

Gnadenjahr

Lit.: Brünneck, W., v. Die gesetzliche Leibzucht und das Gnadenjahr, ZRG GA 27 (1906), 1

Gneist, Heinrich Rudolf Hermann Friedrich von (Berlin 13. 8. 1816-Berlin 22. 7. 1895), Justizkommissarssohn, wird nach dem Rechts­studium in Berlin (Savigny), der Promotion (1838) und der Habilitation (1839) 1845 (Abgeordneter der Berliner Stadt­verordnetenversammlung und) außeror­dentlicher Professor(, Richter am Obertri­bunal Preußens bis 1850, drei Reisen nach England 1846, 1848, 1850) und 1858 ordentlicher Professor (1857/1860 Das heu­tige englische Verfassungs- und Verwal­tungsrecht). Er wirkt als Politiker (1859-1893 Mitglied des Abgeordnetenhauses Preußens, 1867-1884 Mitglied des Reichstags) zunächst gegen Bismarck und später Bismarck unterstützend gegen Sozialisten und Klerikale und fördert maßgeblich das Zustandekommen der Reichsjustizgesetze (1877/1879) und die Einführung des richterlichen Prüfungsrechts, der freien Rechtsanwaltschaft und der gerichtlichen Überprüfung der unteren Verwaltungs­tätigkeit. Zwischen 1868 und 1893 steht er 12 Juristentagen vor. 1888 wird er geadelt.

Lit.: Schiffer, E., Rudolf von Gneist, 1929; Weber, D., Die Lehre vom Rechtsstaat, Diss. jur. Köln 1968; Luig, K., Soziale Monarchie oder soziale Demokratie, ZRG GA 111 (1994), 464; Hahn, E., Rudolf von Gneist, 1995; Eßer, D., Gneist als Zivilrechtslehrer, 2004

Go ist der hochmittelalterliche Dorfschafts­verband (Landgemeinde) in Sachsen zwischen Eider, Elbe, Rhein und Ems (mit vielleicht 20 bis 40 Dörfern). Meist zweimal jährlich findet eine Versammlung der Gobewohner statt (Goding). Das Alter des G. ist ebenso streitig wie die Herkunft. Im 16./17. Jh. beseitigt der Landesherr den G. zugunsten des Amtes.

Lit.: Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien, 1905, 118, 137; Kroeschell, K., Zur Entstehung der sächsischen Gogerichte, FS K. Hugelmann, Bd. 1 1960, 295; Schmeken, E., Die sächsische Gogerichts­barkeit, Diss. phil. Münster 1961; Landwehr, G., Gogericht und Rügegericht, ZRG GA 83 (1966), 127; Bemmann, K, Neue Aspekte zur Entstehung der sächsischen Gogerichte, ZRG GA 109 (1992), 95; Laur, W., Goding und Gogericht in Holstein und Niedersachsen, ZRG GA 111 (1994), 536; Hachenberg, W., Die Gogerichtsbarkeit, Diss. jur. Münster 1997; Lück, H., Die kursächsische Gerichtsverfassung 1423-1550, 1997; Schubert, E., Geschichte Niedersachsens, 2, 1, 1997; Kroeschell, K., recht unde unrecht der sassen, 2005

Go (M.) Gau, Gebiet, Dorf

Gobler, Justin (Sankt Goar [um] 1503-Frankfurt am Main 21. 4. 1567) wird nach dem Rechtsstudium (u. a. Mainz, Erfurt, Bourges [Alciat], Orléans 1535 licentia in legibus) und der Heirat (1527) der Witwe des Trierer Rates Ulrich Fabricius Schreiber in Koblenz, Professor in Trier, um 1539 Rat in Hannoversch-Münden (Braunschweig-Calen­berg), 1544 nach Promotion Hofrichter in Hannoversch-Münden, 1546 Kanzler des Bischofs von Münster, 1549 Rat in Nassau-Dillenburg und (vor allem verstärkt nach einem Unfall 1559 in Frankfurt am Main) Publizist. Er übersetzt (und kommentiert) als erster (vor 1543) die →Constitutio Criminalis Carolina Karls V. von 1532 ins Lateinische. Durch sein umfang­reiches, vielfach angefeindetes Gesamt­werk (Gerichtlicher Process 1536, Rechten-Spiegel 1550, Statutenbuch 1553, Übersetzung der Institutionen Justinians 1551, der Novellen 1564, des Hexabiblos 1564, Editionen, Gutachtensammlung 1565) fördert er sowohl die Aufnahme des rö­mischen Rechtes in Deutschland wie auch die Kenntnis deutschen Rechtes im europäischen Umfeld.

Lit.: Stintzing, R., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 582; Kantorowicz, H., Goblers Karolinenkommentar, 1904; Deutsch, A., Der Klagspiegel und sein Autor, 2004

Goch

Lit.: Liesegang, E., Einige Rechtsaufzeichnungen aus dem Privilegienbuch der Stadt Goch, ZRG GA 33 (1912), 224

Gode (M.) altisländischer Priester(häuptling) unbekannter Herkunft (zwischen 930 und 1264, jeweils 36-48 goda, mit Einführung der Járnsida 1271 beseitigt)

Lit.: See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964, 107; Karlsson, G., Godar og baendur, 1972; Sigurdsson, J., Chieftains and Power in the Icelandic Commonwealth, 1999

Godefroy (Gothofredus), Denis (Dionysius) (Paris 17. 10. 1549-Straßburg 7. 9. 1622), adliger Parlamentsratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Paris (Baudoin), Löwen, Köln, Heidelberg und Orléans (1579) als hugenottischer Glaubensflüchtling Professor in Genf, Straßburg (1591), Heidelberg (1600), Straßburg (1601) und Heidelberg (1604-1621). Er veröffentlicht 1583 eine huma­nistisch gebesserte kritische Ausgabe der justinianischen Gesetzbücher (lat. [N.] →cor­pus iuris civilis), die bis 1776 die allgemein anerkannte Edition bleibt.

Lit.: Söllner §§ 22, 23; Köbler, DRG 143; Godefroy-Ménilglaise, D., Les savants Godefroys, 1873, Neudruck 1971; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967

Godefroy (Gothofredus), Jacques (Jacobus) (Genf 1587-1652), Sohn des Denis Godefroy (Dionysius Gothofredus [1549-1622]), wird nach dem Rechtsstudium in Bourges (1611) und weiteren Studien in Paris 1619 Professor des Rechtes in Genf, Ratsmitglied, Syndikus und Diplomat. Er veröffentlicht 1665 eine kommentierte, kritische Ausgabe des →Codex Theodosianus in sechs Bänden, die bis zur Gegenwart nicht ersetzt ist. Neben kleineren Quelleneditionen verfasst er ein sehr erfolgreiches Handbuch der (römischen) Rechtsgeschichte (lat. Manuale [N.] iuris, 1632).

Lit.: Jacques Godefroy (1587-1652), hg. v. Schmidlin, B. u. a., 1991

Goding →Gogericht

Lit.: Laur, W., Goding und Gogericht in Holstein und Niedersachsen, ZRG GA 111 (1994), 536

Goethe, Johann Wolfgang (Frankfurt am Main 28. 8. 1749-Weimar 22. 3. 1832), Sohn des promovierten Juristen, kaiserlichen Rates und Privatmanns Johann Kaspar Goethe und einer Stadtschult­heißentochter, wird nach Privatunterricht und dem Rechtsstudium in Leipzig (1765-1768, krankheitsbedingter Un­ter­brechung) und Straßburg (1770, Lizentiat, wegen Ablehnung der verlorenen Dissertation De legationibus nicht zum Doktor promo­viert) am 3. 9. 1771 Advokat in Frankfurt am Main (28 Prozesse) und 1772 Praktikant am Reichskammergericht in Wetzlar und (7. 11.) 1775 mit 26 Jahren Rat des (18jährigen) Herzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach (zwei räumlich getrennte, 1900 Quadratkilometer und rund 100000 Einwohner umfassende Fürstentümer), für den er vor allem in den ersten zehn Jahren für mehr als 20000 Verwaltungs­ange­legenheiten vielleicht ein Drittel seiner Zeit aufwendet (1786-1788 Aufenthalt in Italien). In sein berühmtes dich­terisches Werk (u. a. Götz von Berlichingen, 1774 die Leiden des jungen Werther, Faust, Wilhelm Meisters Wander­jahre, Weimarer Ausgabe mit 146 Bänden) fließen auch seine rechtlichen Erfahrungen ein. Goethes Wortschatz umfasst etwa verschiedene 90000 Wörter.

Lit.: Meisner, J., Goethe als Jurist, 1885; Wieruszowski, A., Goethe als Rechtsanwalt, 1909; Fuchs, J., Advokat Goethe, 1932; Fischler, M., Der Ordnungsgedanke in Goethes Rechtsdenken, (um 1940); Schubart-Fikentscher, G., Goethes Straßburger Thesen vom 6. 8. 1771, 1949; Goethes amtliche Schriften, Goethes Tätigkeit im geheimen Consilium, Bd. 1ff. 1950ff.; Schubart-Fikentscher, G., Goethes amtliche Schriften, 1977; Goethe-Wörterbuch, hg. v. Schadewaldt, W. u. a., Bd. 1ff. 1978ff., 2010 Bd. 5 inhaftieren-liedern); Goethe-Zitate für Juristen, hg. v. Pausch, A. u. a., 4. A. 2000; Pausch, A./Pausch, J., Goethes Juristenlaufbahn, 1996; Unwandelbar G., hg. v. Schünemann, P., 1998; Boyle, N., Goethe, Bd. 1ff. 1999ff.; Heinze, M., Der Advokat Goethe, NJW 1999, 1897; Goethes Amtliche Schriften, Band 5 Kalendarium über Goethes amtliche Tätigkeit 1776-1819, hg. v. Wahl, V., 2000; Wadle, E., Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes, ZRG GA 122 (2005), 301; Müller, M., Goethes merkwürdige Wörter, 2010 (rund 1000 Wörter); Ogris, W., Dichterfürst und Fürstendiener, EXTRA Lexikon der Wiener Zeitung vom 28./29. August 2010

Gogericht (Goding) ist das Gericht des Gografen über die Gogemeinde in Sachsen im Mittelalter. Seine Zuständigkeit ist im Sachsenspiegel (1221-1224) hauptsächlich auf Fälle niederer Strafgerichte eingeschränkt, umfasst aber nach den Zeugnissen der Wirklichkeit weitere Bereiche. Alter und Herkunft des Gogerichts sind streitig.

Lit.: Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels, ZRG GA (1884), 1; Sauer, H., Die ravensbergischen Gogerichte, Diss. phil. Münster 1909; Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft, Gografschaft, 1949; Kroeschell, K., Zur Entstehung der sächsischen Gogerichte, FS K. Hugelmann, Bd. 1 1960, 295; Schmeken, E., Die sächsische Goge­richtsbarkeit, Diss. phil. Münster, 1961; Landwehr, G., Gogericht und Rügegericht, ZRG GA 83 (1966), 127; Bemmann, K., Neue Aspekte zur Entstehung der sächsischen Gogerichte, ZRG GA 109 (1992), 95; Laur, W., Goding und Gogericht in Holstein und Niedersachsen, ZRG GA 111 (1994), 536; Hachenberg, W., Die Gogerichte, Diss. jur. Münster 1997; Weinreich, O., Der Zivilprozess nach der münsterischen Landgerichtsordnung von 1571 sowie der vechtischen Gerichtsordnung von 1578, 2004

Gografschaft

Lit.: Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft, Gografschaft, 1949

Gold

Lit.: Striedinger, I., Der Goldsucher Marco Bragdino, 1928; Hardt, M., Gold und Herrschaft, 2004; Häßler, H., Frühes Gold. Ur- und Frühgeschichtliche Goldfunde aus Niedersachsen, 2004; Gold & Silber, hg. v. H. Gietl Verlag, 2012

Goldast von Haiminsfeld, Melchior (Espen [in] Bischofszell/Thurgau 6. 1. 1578-Gießen 11. 8. 1635) wird nach dem Schulbesuch in Memmingen und dem Studium der Phil­osophie und Rechtswissenschaft in Altdorf (Magister artium) sowie einem nach eigenen Angaben 1604 von der Stadt Genf ver­liehenen, aber nicht angenommenen Dok­tortitel Erzieher und (nicht unum­strittener) Herausgeber ein­heimischer Quellen (z. B. Imperatorum ... statuta, 1607, als Voraus­setzung für die Entwicklung des Staatsrechts als eigen­ständigen Wissen­schafts­fachs) und Rat (Weimar 1613, Bückeburg 1615, Kaiser 1627). Seine in der Gegenwart 4151 Bände umfassende Bücher­sammlung wird 1647 vom Rat Bremens erworben.

Lit.: Schecker, H., Melchior Goldast von Haiminsfeld, 1930; Hertenstein, B., Joachim von Watt (Vadianus), Bartholomäus Schobinger, Melchior Goldast, 1975; Friedrich, F., Geschichte der deutschen Staatsrechts­wissenschaft, 1997; Caspary, G., Späthumanismus und Reichspatriotismus, 2006

Goldene Bulle (lat. bulla aurea) ist das vor allem die Rechte der →Kurfürsten regelnde, seit 1400 nach dem seinen sieben erhaltenen, vielfache Wortlautvarianten zeigenden Aus­fer­tigungen (5 für Kurfürsten von Böhmen, Mainz, Trier, Köln und die Pfalz, nachträglich je eine für Frankfurt am Main und Nürnberg, keine vollständige Ausfertigung für Branden­burg und Sachsen) anhängenden, nach byzantinischem Vorbild im 9. Jh. im Westen eingeführten, von Karl IV. häufig verwen­deten goldenen Siegel benannte, lateinisch gefasste, vielleicht weitgehend vom Hof­kanzler Johann von Neumarkt formulierte Reichsgesetz (lateinisch lex, constitutio, edictum) Kaiser Karls IV. (1346-1378) vom 10. 1. 1356 (Kapitel 1-23) bzw. 25. 12. 1356 (Kapitel 24-31, Name erstmals 1400 bezeugt, Erstdruck 1474). Obwohl die G. B. sich als Privileg darstellt, fasst sie eigentlich nur bereits weitgehend anerkannte Sätze zusammen. Dabei festigt sie das Wahlrecht der sieben Kurfürsten (Mehrheitsgrundsatz) für den (lat.) rex (M.) Romanorum in imperatorem promovendus (den zum Kaiser zu erhebenden König der Römer), erkennt zu Lasten des Reiches die unbeschränkte Gerichtshoheit, das Bergregal, Judenregal und Zollregal, das Münzrecht und die Landerwerbsberechtigung der Kurfürsten an und regelt das kurfürstliche Erbfolgerecht (Kapitel 7 Primogeniturerb­folge im unteil­baren Fürstentum). Andere goldene Bullen sind die G. B. von Rimini Kaiser Friedrichs II. vom 26. 3. 1226 (überlieferte Fassung wohl um 1235 erneuert), mit der er dem Deutschen Orden die Herrschaft über das zu erobernde Kulmer Land östlich der unteren Weichsel bestätigt, die bestätigende G. B. von Rieti des Papstes Gregor IX. von 1234 mit gleichem Inhalt, Urkunden der Könige Andreas II. (1224 für Siedler in Siebenbürgen) und Béla IV. von Ungarn oder die Goldbulle von Eger vom 12. 7. 1213, in der König Friedrich II. den Bischöfen in Deutschland die freie Bi­schofswahl zuerkennt und auf das Spolien­recht und das Regalienrecht verzichtet.

Lit.: Köbler, DRG 95, 101; Neue Sammlung der Reichsabschiede, 1747, 1, 45ff.; Ludewig, J. v., Vollständige Erläuterung der Güldenen Bulle, 2. A. 1752, Neudruck hg. v. Hattenhauer, H. 2005; Olenschlager, J., Neue Erläuterung der Guldenen Bulle Kayser Carls IV., 1766, Neudruck hg. v. Buschmann, A., 2008; Lindner, T., Die Goldene Bulle und ihre Originalausfertigungen, MIÖG 5 (1884), 96; Altmann, W., Die alte Frankfurter deutsche Übersetzung, ZRG GA 18 (1897), 107; Zeumer, K., Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV., 1908, Neudruck 1972; Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Reichsverfassung, hg. v. Zeumer, K., 2. A. 1913, 192ff.; Werminghoff, A., Zum fünften Kapitel der Goldenen Bulle von 1356, ZRG GA 36 (1915), 275; Stutz, U., Die Abstimmungsordnung der Goldenen Bulle, ZRG GA 43 (1922), 217; Petersen, E., Studien zur Goldenen Bulle von 1356, DA 22 (1966), 227; Die güldin bulle, hg. v. Wolf, A., 1968; Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86 (1969), 75; Die Goldene Bulle, König Wenzels Handschrift, hg. v. Wolf, A., 1977; Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. von 1356. Faksimile der Ausfertigung für den Kurfürsten von Köln, 1982; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und Städte zu Nürnberg 1355/6, 1983; Die Goldene Bulle vom 10. Januar und 25. Dezember 1356, bearb. v. Fritz, W., 1988 (MGH, Constitutiones 11, 537-641); Die Goldene Bulle. König Wenzels Handschrift, Kommentar von Wolf, A., 2002; Laufs, A., Das Reichsgrundgesetz von 1356, NJW 2006, 3189; Die Kaisermacher. Frankfurt am Main und die Goldene Bulle 1356-1806, hg. v. Brockhoff, E. u. a., 2006; Die Goldene Bulle. Politik - Wahrnehmung - Re­zeption, hg. v. Hohensee, U. u. a., 2008

Goldene Regel ist vielleicht seit 1724 der Name für die schon dem Alten Testament bekannte, lateinisch quod ab alio odis fieri tibi, vide ne alteri tu aliquando facias und deutsch was du nicht willst, dass man dir tu, das füg´ auch keinem andern zu lautende Erfahrungsregel oder Lebensweisheit.

Lit.: Mayer-Maly, T., Der Weg der goldenen Regel, FS A. Söllner, 2000

Goldenes Vlies (Orden vom Goldenen Vlies) ist der (Name des) von Herzog Philipp dem Guten von Burgund am 10. 1. 1430 gestiftete(n) Orden(s) mit 24 bzw. 30 Mitgliedern.

Lit.: Terlinden, C. de, Der Orden vom Goldenen Vlies, 1970; Das Haus Österrreich und der Orden vom Goldenen Vlies, hg. v. d. Ordenskanzlei, 2007

Goldmann, Emil (Karlsbad 3. 11. 1872-Cambridge 6. 5. 1942), österreichischer, 1938 nach England emigrierter Rechtshistoriker und Volkskundler (Nachruf ZRG GA 67 [1950], 532 Lentze, Hans)

Goldschmidt, Levin (Danzig 30. 5. 1829-Bad Wilhelmshöhe (oder Berlin) 16. 7. 1897), Großkaufmannssohn, wird nach dem Studium von Medizin (1847) bzw. Recht (1848) in Berlin, Bonn, Heidelberg und Berlin (Dissertation De societate en commandite, Halle 1851) 1855 in Hei­delberg habilitiert, 1860 außeror­dent­licher Professor in Heidelberg, 1866 ordentlicher Professor, 1869 Rat um Bundesober­handelsgericht in Leipzig sowie 1875 in Berlin Inhaber der ersten deutschen Handelsrechtsprofessur. In se­inen handels­rechtlichen und handelsrechts­ge­schicht­lichen Arbeiten (1858 Gründung der Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht, Handbuch des Handels­rechts, 1864ff., Universalge­schichte des Handels­rechts, [Bd. 1 3. A.] 1891, Neudruck 1957) bemüht er sich auch um die Verbindung von römisch­rechtlichen und nichtrömisch­recht­lichen Sätzen, um Einbeziehung wirtschafts­wissenschaft­licher Erkenntnisse und um Berücksich­tigung der praktischen Rechts­anwendung mit dem Ziel einer möglichst vielseitigen Sehweise. 1874 ist er Mitglied einer Kommission zur Vorbereitung des Bürgerlichen Gesetz­buchs. 1892 erleidet er ein Schlaganfall, nach dem er nicht mehr lehren kann. Er ist beeinflusst von Karl Joseph Anton Mitter­maier und beeinflusst seinerseits Max Pap­penheim, Philipp Heck, Max Weber, Paul Rehme und andere. Seine Privatbibliothek umfasst mehr als 6000 Bände.

Lit.: Goldschmidt, Levin. Ein Lebensbild in Briefen, 1898; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1938, 2. A. 1952; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993; Weyhe, L., Levin Goldschmidt, 1996

Göllnitz (Gelnica) ist ein 1264 von König Bela IV. mit Stadtrecht begabter Bergbauort in der Unterzips, der um 1500 etwa 5000 Einwohner zählt und aus dem ein früh­neuhochdeutsches Stadtbuch überliefert ist.

Lit.: Protze, H., Das älteste Stadtbuch der königlich freien Bergstadt Göllnitz/Gelnica in der Unterzips und seine Sprache, 2002

Gönner, Nikolaus Thaddäus von (Bamberg 18. 12. 1764-München 18. 4. 1827) wird zunächst in Bamberg, seit 1799 in Ingolstadt bzw. 1800 in Landshut Professor und wechselt 1811 in den Justizdienst Bayerns (1813 geadelt). Vom Reichsstaats­recht (Teutsches Staats­recht, 1804) kommend wendet er sich der politischen Entwicklung folgend der ein­zel­staatlichen Gesetzgebung zu (Hypo­thekengesetz 1822). Bedeutsam sind auch seine öffentlichrechtliche Erfassung der Rechtsgrundlagen des Berufsbeamtentums (Der Staatsdienst, 1808) und sein auf die Natur der Sache ausgerichtetes Handbuch des deutschen gemeinen Prozesses (Bd. 1ff. 1801ff.).

Lit.: Koch, J., Nikolaus Thaddäus von Gönners Staatslehre, 1902; Schaffner, L., Nikolaus Thaddäus von Gönner, Diss. jur. Würzburg 1955 (masch.schr.); Stolleis, M., Das Bayerische Hypothekenbankgesetz von 1822, (in) Wissenschaft und Kodifikation im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976

Görlitz an der Neiße wird 1071 erstmals erwähnt und hat um 1500 rund 10000 Einwohner. Das Görlitzer Rechtsbuch ist ein in einer in der ersten Hälfte des 14. Jh.s (um 1300?) geschriebenen Abschrift (101 Blätter) erhaltenes, vermutlich in Görlitz entstandenes Stadtrechtsbuch eines unbekannten Verfassers für G., das eine wortgetreue ungereimte Übersetzung des (lat.) →Auctor (M.) vetus de beneficiis ins Mittel­(mittel)deutsche (Artikel 1-30 von insgesamt 47 gezählten, bzw. 46 tatsächlichen Artikeln) mit Auszügen aus dem Landrecht des Sachsenspiegels, dem Weichbildrecht, ver­mut­lich auch dem sächsischen Landfrieden (1221) und der Magdeburg-Görlitzer Rechts­weisung (1304) verbindet und dabei in seinem zweiten Teil vielleicht auf dem (verlorenen) lateinischen Auctor vetus (Sachsenspiegel Landrecht) beruht.

Lit.: Köbler, DRG 103; Des Sachsenspiegels … Teil 2, 2, hg. v. Homeyer, C., 1844; Buhr, J., Das Görlitzer Rechtsbuch, Diss. jur. Bonn 1941 (verloren); Auctor vetus, hg. v. Eckhardt, K., 1966; Lemper, E., Görlitz, 4. A. 1980; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 30; Anders, I./Wolfrum, P., Görlitz, 1996; Behrisch, L., Städtische Obrigkeit und soziale Kontrolle, 2005

Görres, Josef (1776-1848)

Lit.: Raab, H., Josef Görres, 1978; Görres, hg. v. Raab, H., 1985

Görz (Grafschaft nahe der Adria), Güter zwischen 1335 und 1500 an Habsburg, 1754 gefürstete Grafschaft Görz und Gradisca, 1816 Küstenland, 1919 Italien

Goslar am Harz (urkundlich Siedlung erstmals 1005 erwähnt) ist Ort einer bedeutenden, an die Stelle der älteren Pfalz Werla tretenden Königspfalz (mit einem 1050 geweihten, 1556 evangelischen Reichsstift), neben der eine Stadt (1131 lateinisch civitas) entsteht, welcher der Staufer Friedrich II. am 13. 7. 1219 einen großen Freiheitsbrief gibt. Wirtschaftliche Bedeutung erlangt sie infolge des seit dem späten 10. Jh. betriebenen Silberbergbaus im nahegelegenen Ram­melsberg. Zu Beginn des 14. Jh.s erringt sie die Reichsunmittelbarkeit und zeichnet vermutlich um 1330 oder zwischen 1348 und 1360 ihr Recht in den Goslarischen Statuten (860 bzw. 892 Artikel, 5 bzw. sieben Handschriften zweier Redaktionen) auf (1271 Bergordnung Herzog Albrechts, Verlust bürgerlicher Berech­tigungen an den Landesherrn durch Rie­chenberger Vertrag vom 13. 6. 1552).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Frölich, K., Die Gerichtsverfassung von Goslar im Mittelalter, 1910; Feine, H., Der goslarische Rat, 1913; Frölich, K., Verfassung und Verwaltung der Stadt Goslar im späteren Mittelalter, 1921; Völker, A., Die Forsten der Stadt Goslar bis 1552, 1922; Wiederhold, W., Goslar als Königsstadt und Bergstadt, 1922; Brinkmann, H., Das Brauwesen der kaiserlich freien Reichsstadt Goslar, 1925; Frölich, K., Die Verfassungsentwicklung von Goslar im Mittelalter, ZRG GA 47 (1927), 287; Meier, P., Die Stadt Goslar, 1926; Flachsbarth, O., Geschichte der Goslarer Wasserwirtschaft, 1928; Steinberg, S., Die Goslarer Stadtschreiber, 1933; Cordes, G., Schriftwesen und Schriftsprache in Goslar, 1934; Frölich, K., Die Goslarer Straßennamen, 1949; Frölich, K., Das Stadtbild von Goslar im Mittelalter, 1949; Frölich, K., Das älteste Archivregister der Stadt Goslar, 1951; Engemann, H., Die Gilden der Stadt Goslar, 1957; Ebel, W., Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts, 1961; Kreutzberger, E., Das Gewerberecht der Reichsstadt Goslar im 18. Jahrhundert, 1959; Ebel, W., Das Stadtrecht von Goslar, 1968; Goslar im Mittelalter, hg. v. Engelke, H., 2003; Kelichhaus, S., Goslar um 1600, 2003; Kroeschell, K., recht unde unrecht der sassen, 2005; Der Goslarer Ratskodex - Das Stadtrecht um 1350 - Edition, Übersetzung und begleitende Beiträge, hg. v. Lehmberg, M. 2013

Gote ist der Angehörige eines in der Völkerwanderungszeit von der Ostsee (Gotland) über den Südosten (Krim) unter dem Druck der Hunnen 375 n. Chr. in das römische Reich eindringenden germanischen Volkes, das sich in →Ostgoten (Italien) und →Westgoten (Gallien, Spanien) aufteilt und zwischen dem 6. und dem 12. Jahrhundert in Italienern und Spaniern aufgeht. Zwischen 25 und 50% der als Goten bezeichneten Menschen dürften nach ihrer volksmäßigen Herkunft Goten gewesen sein. Ihr Ursprung in Skandinavien wird bezweifelt.

Lit.: I Goti in occidente, 1956 (Spoleto); Burn, T., A History of the Ostrogoths, 1984; Teillet, S., Des Goths à la nation gothique, 1984; Köbler, G., Gotisches Wörterbuch, 1989; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001; Heather, P., Goths and Romans, 1991; Köbler, G., Neuhochdeutsch-gotisches Wörterbuch, 1993; Heather, P., The Goths, 1996; Sonderegger, S., Tradition und Erneuerung der germanischen Rechtssprache aus der Sicht des Gotischen, FS K. Kroeschell, 1997; Mussot-Goulard, R., Les Goths, 1999; Petit, C., Iustitia Gothica, 2001; Christensen, A., Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths, 2002; Giese, W., Die Goten, 2004; Wolfram, H., Gotische Studien, 2005; Bronisch, A., Die Judengesetzgebung im katholischen Westgotenreich von Toledo, 2005; Maier, G., Amtsträger und Herrscher in der Romania Gothica, 2005; Wiemer, H., Die Goten in Italien, HZ 296 (2013), 593

Göteborg am Kattegat wird 1619 angelegt und 1621 mit Stadtrecht begabt. 1891 erhält es eine Universität.

Gothofredus →Godefroy

Gotland →Gutalagh

Lit.: Kattinger, D., Die gotländische Genossenschaft, 1999; Lerbom, J., Mellan två riken, 2003

Gott ist nach jüdischer und christlicher Lehre der Schöpfer des Himmels und der Erde. Er ist der Herr über das Recht, das er als Gebot und Verbot den Menschen gegeben hat (→Dekalog). Im jüngsten Gericht zieht er den Menschen zur Rechenschaft und urteilt über dessen (irdisches) Leben.

Lit.: Köbler, DRG 108; Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht, 1915; Bibel und Recht, hg. v. Eckert, J. u. a., 1994; Lang, B., Jahwe der biblische Gott, 2002; Eckart, O., Gottes Recht als Menschenrecht, 2002; Leisner, W., Gott und Volk, 2008; Leuenberger, M., Gott in Bewegung, 2011; Römische Götterbilder der mittleren und späten Kaiserzeit, hg. v. Buschung, D. u. a., 2014

Gottesfriede (lat. [F.] pax Dei) ist das in Südfrankreich im späten Frühmittelalter ([Le Puy in der Auvergne um 975, placitum publicum,] Charroux 1. 6. 989, Narbonne um 990, Limoges 994, Le Puy 994, Poitiers 1000, Beauvais 1023, Ivois/Meuse 1023, Amiens 1033/1036) von der Kirche in Wiederholung merowingischer und karolingischer Kapitula­rien, Konzilienbeschlüsse (Orléans 511-548, Tours 567, Mâcon 585, Paris 614, Quierzy 857, Ver-sur-Launette 884, Metz 893) und Bußbücher ausgehende, Gewalt zurückdrän­gen­de Friedensgebot, dessen Verletzung kirch­liche Folgen nach sich zieht. Der G. erreicht von Südfrankreich aus Katalonien, Kastilien, Italien und gegen Ende des 11. Jh.s das deutsche Reich (Lüttich 1082, Köln 1083, Bamberg 1085). Inhaltlich sehen beschworene Beschlüsse geistlicher und welt­licher Herren Exkommunikation, Verflu­chung, Bußen für Mord, Diebstahl, Raub  u. s. w. vor. Besonders geschützt werden Mönche, Kauf­leute, Bauern, Frauen, Kirchen oder Vieh. Besondere Zeiten des Friedens sind die hohen Feste und die Tage von Donnerstag bis Sonntag. Seit dem ausgehenden 11. Jh. weicht der G. dem →Landfrieden. Die Verfolgung von Rechts­ver­letzungen wird nunmehr Aufgabe der (weltlichen) All­gemein­heit.

Lit.: Köbler, DRG 118; Wasserschleben, H., Zur Geschichte der Gottesfrieden, ZRG GA 12 (1891), 112; Huberti, L., Der Gottesfriede in der Kaiserchronik, ZRG GA 13 (1892), 133; Huberti, L., Studien rzu Rechtsgeschichte der Gottes- und Landfrieden, 1892; Winterfeld, L. v., Nochmals Gottesfrieden und deutsche Stadtverfassung, ZRG GA 54 (1934), 238; Wohlhaupter, E., Studien zur Rechtsgeschichte der Gottes- und Landfrieden in Spanien, 1933; Conrad, H., Gottesfrieden und Heeresverfassung, ZRG GA 61 (1941), 71; Achter, V., Über den Ursprung der Gottesfrieden, 1955 (29 S.); Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und Landfrieden, Diss. jur. Marburg 1958; Hoffmann, H., Gottesfriede und Treuga Dei, 1964, Neudruck 1986; Körner, T., Iuramentum und frühe Friedensbewegung, 1977; Goetz, H., Gottesfriede und Gemeindebildung, ZRG GA 105 (1988), 122; Wadle, E., Gottesfrieden und Landfrieden, (in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 63; Barthélemy, D., L’an mil et la paix de Dieu, 1999; Gergen, T., Pratique juridique de la paix et trêve de Dieu, 2004; Goetz, H., Gott und die Welt, 2011

Gottesgnadentum ist die Begründung welt­licher Herrschaft mit göttlicher Gnade. Nach Vorbildern in der Herrschervergottung des Altertums wird das G. im Frühmittelalter bei den Karolingern (751 n. Chr.) sichtbar. Im Investiturstreit (1075-1122) wird diese Vorstellung zurückgedrängt. Das G. hält sich aber letztlich bis zum Ende der Monarchie in der Neuzeit.

Lit.: Legitimation des Herrschers, hg. v. Weber, H., 1992; Körntgen, L., Königsherrschaft und Gottes Gna­de, 2001; Erkens, F., Herrschersakralität im Mittel­alter, 2006

Gotteslästerung (vgl. Leviticus 24,11-16) ist die im römischen Recht (Todesstrafe in Novelle 77 Justinians) und seit dem Spätmit­telalter (1495) strafbare, besonders verletzende öffentliche Kundgabe der Miss­achtung des christlichen Gottes, die seit dem 18. Jh. problematisiert wird (von 1813 bis 1827 in Bayern straflos) und 1969 in Deutschland straflos wird.

Lit.: Köbler, DRG 19; Ettinger, J., Zur Lehre von den Religionsvergehen, 1919, 29; Forrer, D., Der Einfluss von Naturrecht und Aufklärung auf die Bestrafung der Gotteslästerung, 1973; Leutenbauer, S., Das Delikt der Gotteslästerung, 1984; Pahud de Mortanges, R., Die Archetypik der Gotteslästerung, 1987

Gottespfennig ist seit der zweiten Hälfte des 13. Jh.s eine Bezeichnung für das Angeld (arrha, Weinkauf, die seit der Neuzeit an Bedeutung verliert und in einem Gutachten des Reichsfinanzhofs des Deutschen Reiches vom 11. 7. 1936 als nicht mehr zeitgemäß eingestuft wird.

Lit.: Beyerle, F., Weinkauf und Gottespfennig, FS A Schultze, 1934, 251

Gottesstaat ist die Vorstellung von der Herrschaft des christlichen Gottes auf der Erde. Sie wird maßgeblich von Augustinus (354-430) geprägt, der in seinem Werk (lat.) De civitate Dei (413-426) einen Gegensatz von (lat.) civitas (F.) Dei (Staat Gottes) und (lat.) civitas (F.) terrena (irdischer Staat) bildet.

Lit.: Köbler, DRG 82; Loewenich, W. v., Augustin, 1965

Gottesurteil ist das Urteil (eines?) Gottes in einer umstrittenen menschlichen Angelegenheit. Im mittelalter­lichen, wohl insofern von der christlichen Kirche beeinflussten Recht ist das G. die bei Fehlen anderer Beweismittel mögliche Entscheidung über die Schuld oder die Unschuld eines Beschuldigten durch ein nach allgemeiner Wahrscheinlichkeit nicht zu erwartendes und deshalb auf (das Eingreifen des christlichen) →Gott(es) zurückgeführtes äußeres Zeichen (z. B. [folgenloses] Tragen eines glühenden Eisens, [folgenloses] Schreiten über glühende Pflugscharen, [folgenloses] Eintauchen des Armes in siedendes Wasser, [folgenloses] Treten vor die Leichenbahre eines Toten  u. s. w.). In den fränkischen Gerichtsurkunden des Frühmittelalters findet es sich (nur) in 0,3 Prozent aller beurkundeten Fälle, in späteren Zeiten eher noch seltener. Streitig ist, ob Zweikampf und Los Gottesurteile sind. Die Stellung der Kirche zum G. ist lange Zeit uneinheitlich. 1215/1219/1222 wendet sie sich deutlicher gegen das G., das Kaiser Friedrich II. 1231 für Sizilien als vernunftwidrig verbietet. Dennoch erhält sich das G. bis in das 17. Jh., bis es vielleicht durch die Verwendung der Folter zur Erzielung eines Geständnisses, die Aufnahme des römischen Rechtes oder die zunehmende Vernünftigkeit des Menschen verschwindet.

Lit.: Köbler, DRG 86; Karasconyi, J. u. a., Registrum Varadinense examinum ferri candentis, 1903; Pappenheim, M., Über die Anfänge des germanischen Gottesurteils, ZRG GA 48 (1928), 136; Schwerin, C. Frhr. v., Rituale für Gottesurteile, 1933 (SB Heidelberg); De ordaliis, collegit Browe, P., 1932/1933; Schwerin, C. Frhr. v., Das Gottesurteil des Poppo, ZRG GA 58 (1938), 69; Erler, A., Der Ursprung der Gottesurteile, Paideuma 2, 1941, 44; Nottarp, H., Gottesurteile, 1949; Thoma, H., Ein Gottesgericht an Tieren, ZRG GA 70 (1953), 325; Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956; Hexeter, R., Equivocal Oaths and Ordeals, 1975; Bürge, A., Realität und Rationalität der Feuerprobe, ZRG GA 100 (1983) 257; Bartlett, R., Trial by fire and water, 1986; Köbler, G., Welchen Gottes Urteil ist das Gottesurteil des Mittelalters?, FS W. Trusen, hg. v. Brieskorn, N., 1994, 89; Nehlsen-von Stryk, K., Reinigungseid und Geständniszwang (in) Grundlagen des Rechts, hg. v. Helmholtz, R. u. a., 2000, 621; Kéry, L., Gottesfurcht und irdische Strafe, 2006; Dinzelbacher, P., Das fremde Mittelalter, 2006; Schmoeckel, M., Die Überzeugungskraft der Ordale in merowingischer Zeit (in) Von den leges barbarorum, 2008, 198ff.

Gottfried von Straßburg (um 1210) ist der Verfasser des unvollendeten Versromans von Tristan und Isolde mit guten Kenntnisses des Rechtes seiner Zeit.

Lit.: Huber, C., Gottfrieds Tristan, 2. A. 2001; Wolg, J., Buch und Text, 2008

Göttingen an der Leine (953 Gutingi nahe der Pfalz Grone) wird um 1200 Stadt und im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg (1235) bzw. Hannover (1736/)1737 unter Kurfürst Georg August (König Georg II. von England) Sitz einer nach dem Vorbild Halles aufgeklärten, im 18. Jh. in Deutschland führenden Universität (1751 Societät der Wissenschaften, Göttingische gelehrte Anzeigen, →Pütter, →Hugo), von deren 172000 Studenten der ersten 225 Jahre rund 70000 Rechtswissenschaft studieren. Am 18. 11. 1837 protestieren (nach dem Ende der Personalunion Hannovers mit Großbritannien) sieben (von insgesamt 32 bzw. 48) Göttinger Professoren (Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Friedrich Christoph Dahlmann, Georg Gottfried Gervinus, Wilhelm Eduard Al­brecht [Jurist], Wilhelm Eduard Weber, Heinrich Ewald) gegen die am 1. 1. 1837 erfolgte Aufhebung der am 26. 9. 1833 von König Wilhelm IV. von England gewährten Verfassung seitens des Nachfolgers Ernst August von Hannover, an die sich selbst wei­ter gebunden fühlen, und verlieren in uneindeutiger Rechtslage ohne Anhörung dadurch am 14. 12. 1837 ihr Amt und ihr Gehalt. Am 1. 9. 1945 eröffnet G. als erste deutsche Universität nach dem zweiten Weltkrieg wieder den Lehrbetrieb (unter Entlassung Ebels, Erlers und Siegerts). In die juristische Fakultät kommen nacheinander vor allem Professoren aus Leipzig und Straßburg (z. B. Schaffstein, Huber, Michaelis, Weber, Wieacker).

Lit.: Köbler, DRG 136, 170; Pütter, J., Versuch einer academischen Gelehrtengeschichte von der Georg-August-Universität in Göttingen, Bd. 1ff. 1765ff., Neudruck 2005; Dahlmann, F., Gutachten, 1839; Grimm, J., Über meine Entlassung, 1838, Neudruck 1985; Cornberg, H. v., Beiträge vornehmlich zum Privatrecht der Stadt Göttingen, 1910; Arnim, M., Corpus academicum Gottingense 1737-1928, 1930; Kück, H., Die Göttinger Sieben, 1934, Neudruck 1987; Selle, G. v., Die Georg-August-Universität zu Göttingen, 1937; Smend, R., Die Göttinger Sieben, 1951; Klugkist, E., Die Göttinger Juristenfakultät als Spruchkollegium, 1952; Gundelach, E., Die Verfassung der Göttinger Universität, 1955; Ebel, W., Zur Geschichte der Juristenfakultät und des Rechtsstudiums an der Universität Göttingen, 1961; Catalogus professorum Gottingensium 1734-1962, hg. v. Ebel, W., 1962; Die Privilegien und ältesten Statuten der Georg-August-Universität zu Göttingen, hg. v. Ebel, W., 1961; Mohnhaupt, H., Die Göttinger Ratsverfassung vom 16. bis 19. Jahrhundert, 1965; Wittram, G., Die Gerichtsverfassung der Stadt Göttingen, 1966; Tütken, H., Geschichte des Dorfes und Patrimonialgerichtes Geismar, 1967; Eysel, H., Die Steuerverfassung Göttingens, Diss. jur. Göttingen 1968; Ebel, W., Memorabilia Gottingensia, 1969; Kallmann, R., Das bürgerliche Recht, 1972; Boockmann, A., Urfehde und ewige Gefangenschaft, 1980; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987; Göttingen, hg. v. Denecke, D., 1987ff.; Die Universität Göttingen unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Becker, H. u. a., 1987, 2. A. 1998; Dilcher, G., Der Protest der Göttinger Sieben, 1988; Zur geistigen Situation der Zeit der Göttinger Universitätsgründung 1737, hg. v. Stackelberg, J. v., 1988; 250 Jahre Georgia Augusta, 1988; Neitzert, D., Die Stadt Göttingen führt eine Fehde, 1992; Die Geschichte der Verfassung und der Fachbereiche der Georg-August-Universität, hg. v. Schlotter, H., 1994 (Aufsätze); See, K. v., Die Göttinger Sieben, 1997, 3. A. 2000; Boockmann, H., Göttingen, 1997; Jeske, R., Bürgertum in der Universitätsstadt Göttingen, 1999; Szabó, A., Vertreibung, Rückkehr, Wiedergutmachung, 2000; Göttinger Gelehrte, hg. v. Arndt, K. u. a., 2001; Göttingen, hg. v. Böhme, E. u. a., Bd. 2 2002; Streidl, P., Naturrecht, 2003; Die Ortsnamen des Landkreises Göttingen, 2004; Saage-Maaß, M., Die Göttinger Sieben, 2007; Über die Pflicht zum Ungehorsam gegenüber dem Staat, hg. v. Albach, H., 2007; Kontinuitäten und Zäsuren, hg. v. Schumann, E., 2008; Butt, A., Die Stadt Göttingen und ihre Rechte im ländlichen Raum, 2012; Die Geschichte der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Bd. 1 hg. v. Starck, C. u. a., 2013

Göttliches Recht ist das auf Gott als Schöpfer zurückgeführte Recht. G. R. nehmen nach römischen und stoischen Vorläufern die lateinischen Kirchenväter (z. B. Augustinus 354-430) an. Über Isidor von Sevilla findet die Vorstellung Eingang in das Decretum Gratians (um 1140). Eine eindeutige und klare Abgrenzung zum Naturrecht gelingt nicht.

Lit.: Wolf, U., Ius divinum, 1970; Ratzinger, J./Maier, H., Demokratie in der Kirche, 2001

Goudelin →Gudelinus

Grab ist der Ort der Beerdigung eines toten Menschen. Vermutlich wird der Tote anfangs nur von den Überlebenden zurückgelassen. Danach entwickeln sich Sitten für den Umgang mit Toten (z. B. Hügelgrab, Brand­grab, Körpergrab, Pyramide, Mauso­le­um, Katakombe u. s. w.). Im römischen Zwölf­tafelgesetz (451/450 v. Chr. sind Beerdi­gungen und Verbrennungen in Rom verboten. Auf dieser Grundlage entwickeln sich mit zunehmender Verdichtung immer mehr Rechtssätze bezüglich des Grabes (u. a. Friedhofszwang mit Friedhofsordnung).

Lit.: Paret, O., Die frühschwäbischen Gräberfelder von Groß-Stuttgart, 1937Sterben und Totenbestattung, hg. v. Cox, H. u. a., 2002; Schrumpf, S., Bestattung und Bestattungswesen im römischen Reich, DIss. Bonn 2006

Grad (zu lat. [M.] gradus) ist allgemein der Schritt oder die Stufe. Akademischer G. ist die wissenschaftliche Qualifizierung auf Grund einer Prüfung. Der akademische G. geht auf Bezeichnungen in der römischen Verwaltung zurück (z. B. lat. [M.) magister equitum, Heermeister, doctor gladiatorum, Fechtlehrer, seit dem 3. Jh. n. Chr. magister auch Ehrenbezeichnung für christliche Große). Missstände im hochmittelalterlichen Lehrbetrieb des 13. Jh.s bewirken Regelungen (z. B. Paris 1215 Bedingungen für den [lat.] magister [M.) artium und magister theologiae, 1233 Lehrerlaubnis für jeden in Toulouse geprüften [lat.] magister). Als Grade entwickeln sich (lat. [M.]) baccalaureus, magister und doctor, wobei im Heiligen römischen Reich das Bakkalaureat seit dem 16. Jh. schwindet und mit der Wandlung der artistischen Fakultät zur philosophischen Fakultät der (lat. [M.]) magister artium zum doctor philosophiae wird. 1402 wird im Heiligen römischen Reich erstmals für Juristen der Grad doctor iuris utriusque (Leh­rer beider Rechte, d. h. geistliches Recht, weltliches Recht) verliehen. Mit dem G. werden sonstige Vorteile verbunden (teil­weise Adelsgleich­heit). Wegen der Vielzahl der meist mit schriftlichen Arbeiten verbundenen Promo­tionen zum Doktor wird seit dem 18. Jh. zunehmend die Lehrerlaubnis (lat. venia [F.] legendi des Uni­versitäts­lehrers) mit der Habilitation in einem Einzelfach oder mehreren Einzelfächern verknüpft, zumal teilweise in Abwesenheit zum Doktor promoviert (Jena 1841 Karl Marx, erst ab etwa 1882 allmählich abgeschafft) oder der G. auch durch eine bloße mündliche Prüfung erworben werden kann (Heidelberg bis 1908, Österreich drei Rigorosen bis um 1990). Seit etwa 1820 erscheint der ehrenhalber erteilte G. (Dr. h. c.). 1899 erhalten im deutschen Reich auch die neuen technischen Hoch­schulen das Recht zur Verleihung von Graden. Seit dem Ende des 20. Jh.s werden in der Europäischen Union die akademischen Grade zunehmend vereinheitlicht (Bologna-Modell mit drei­jährigem Bachelor-Studium, anschließendem Magisterstudium und an­schließendem Dokto­rats­studium), während die Habilitation in Deutschland rechtlich als Voraussetzung der Professur aufgegeben ist.

Lit.: Oberbreyer, M., Die Reform der Doktorpro­motion, 3. A. 1878; Wretschko, A. v., Die akademi­schen Grade, 1910; Roß, G., Das Aufkommen der ju­ristischen Ehrenpromotion, Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1967; Bleek, W., Von der Kameral­aus­bildung zum Juristenprivileg, 1972; Prahl, H., Gesellschaftliche Funktionen von akademischen Ab­schluss­prüfungen und Graden, 1974; Zimmerling, W., Akademische Grade und Titel, 2. A. 1995; Mierau, J., Die juristischen Abschluss- und Diplomprüfungen in der SBZ/DDR, 2001; Wollgast, S., Zur Geschichte des Promotionswesens in Deutschland, 2001

Graecus (lat. [M.]) Grieche z. B. Graeca non leguntur (Griechische Stücke etwa in den Novellen Justinians werden im lateinischen Westen bis zum Humanismus des 16. Jh.s nicht gelesen, bzw. nicht beachtet).

Lit.: Barta, H., Graeca non leguntur?, Bd. 1ff. 2011ff.

Graf (lat. [M.] comes) ist im Frankenreich im Mittelalter der ursprünglich königliche Amtsträger. Der Titel (lat. [M.]) comes (Gefährte, Be­gleiter) findet sich im römischen Altertum seit Kaiser Diokletian (284-313/316) für hohe Höflinge und danach für örtliche Amts­träger (u. a. auch [lat.] comes civitatis z. B. in Trier, Autun und Marseille zwischen 460 und 470). Fast die Hälfte der bekannten (lat.) comites des 6. Jh.s trägt einen romanischen Namen. Der frühmittel­alterliche fränkische comes soll den Frieden wahren, Übeltäter verfolgen und Schutzbedürftige sichern. Daneben kennt die fränkische (lat. [F.]) Lex Salica einen vielleicht zu got. gagrefts, Befehl, zu stellenden afrk. grafio, der auf Verlangen eines Rechtsu­chenden Sachen wegnehmen oder unerwünschte Sied­ler vertreiben soll und der möglicherweise ein örtlicher königlicher Befehlshaber ist. Spätes­tens in der Mitte des 8. Jh.s verschmilzt dieser grafio anscheinend mit lat. comes, dessen Aufgaben in karolingischer Zeit in der Erhaltung des Königsguts, der Auf­bietung der Heerfolge­pflichtigen, der Erhebung von Zöllen, der Einziehung von verfallenem Gut und der Leitung des Rechtsstreits um Freiheit und Grund bestehen. Zwar ist der G. grundsätzlich absetzbar, doch wird seine Stellung in vor­nehmen Familien bald tatsächlich erblich. Die richterlichen Aufgaben treten in den Vor­dergrund. Seit dem 11. Jh. gerät die gräfliche Gewalt unter den Einfluss nichtköniglicher Mächte. Der Grafentitel wird zu einer Standesbezeichnung. Ein Teil der Grafen wird mittelbarer land­sässiger Adel, die reichs­ständischen Grafen treten im Reichs­fürstenrat zusammen (schwä­bische, wetter­auische [1524], fränkische [1640] und west­fälisch-nieder­sächsische [1653/1654] Grafenkurie). Das Gericht des Grafen wird vielfach Land­gericht. In der Reichsmatrikel von 1521 finden sich 143 Grafen und Herren, von denen am Ende des 18. Jh.s (infolge von Erhebungen in den Fürstenstand, Mittel­bar­machungen und Aussterbens) nur zwei Drittel noch verzeichnet sind. Mit dem Ende des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation, 1806) verliert auch der reichs­unmittelbare G. seine selbständige Bedeu­tung. G. wird zum (verliehenen) höheren Adelstitel.

Lit.: Köbler, DRG 84, 86; Köbler, WAS; Ficker, F., Vom Reichsfürstenstand, Bd. 1 1861, 72, 95; Fehr, H., Fürst und Graf im Sachsenspiegel, 1906; Hausgeschichte und Diplomatarium des Reichs-Semperfreien und Grafen Schaffgotsch, hg. v. Kaufmann, J., 2, 2, 1925; Schlesinger, W., Die Entstehung der Landesherrschaft, 1941, Neudruck 1964; Krüger, S., Studien zur sächsischen Grafschafts­verfassung im 9. Jahrhundert, 1950; Guttenberg, E. v., Iudex hoc est comes aut grafio, FS E. Stengel 1952, 93; Sprandel, R., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Schöllkopf, R., Die sächsischen Grafen, 1957; Mitterauer, M., Die Grafenfamilien der bayrischen Marken in der Karolingerzeit, Diss. phil. Wien 1960 (masch.schr.); Bosl, K., Franken um 800, 2. A. 1980; Forwick, F., Die staatsrechtliche Stellung der ehemaligen Grafen von Schwalenberg, 1963; Schulze, H., Grundprobleme der Grafschafts­verfassung, Z. f. württemberg. LG. 44 (1985), 265; Borgolte, M., Die Grafen Alemanniens, 1986; Zotz, T., Grafschaftsverfassung und Personengeschichte, ZGO 136 (1988), 1; Schmidt, G., Der Wetterauer Grafenverein, 1989; Hechberger, W., Adel im fränkisch-deutschen Reich, 2005; Grafen und Herren in Südwestdeutschland, hg. v. Andermann, K. u. a., 2006; Deutinger, R., Königsherrschaft im ostfränkischen Reich, 2006

Grafenbann ist der vom König im Frühmittelalter dem →Grafen verliehene →Bann von 15 Schillingen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1

grafio →Graf

Grafschaft ist der Amtsbezirk des →Grafen (lat. comes, →lat. comitatus). Im Gegensatz zu älteren Forschungen werden trotz etwa der erheblichen Anstrengungen von Herrschern wie Pippin des Jüngeren oder Ludwig des Frommen in der Gegenwart die Vorstellung einer Deckungsgleichheit von Gauangaben der Quellen und jeweils gegebenen Bezirken von Grafen und die Vor­stellung eines lückenlosen Systems von Grafschaften für das Frühmittelalter abgelehnt (Amtsgrafschaften neben auf verstreuten Königsgut gegründeten Streugrafschaften). Zu einer stärkeren Geschlossenheit von Amtsbezirken scheint es mit der Festigung der Landesherrschaft zu kommen.

Lit.: Köbler, WAS; Hömberg, A., Grafschaft, 1949; Krüger, S., Studien zur sächsischen Grafschafts­verfassung im 9. Jahrhundert, 1950; Metz, W., Studien zur Grafschaftsverfassung Althessens, ZRG GA 71 (1954), 167; Schulze, H., Die Grafschaftsverfassung der Karolingerzeit in den Gebieten östlich des Rheins, 1973; Borgolte, M., Geschichte der Grafschaften Alemanniens, 1984; Schulze, H., Grundprobleme der Grafschafts­verfassung, Z. f. württemberg. LG. 44 (1985), 265; Hoffmann, H., Grafschaften in Bischofshand, DA 46 (1990), 375; Holzfurtner, L., Die Grafschaft der Andechser, 1994; Puhl, R., Die Gaue und Grafschaften des frühen Mittelalters im Saar-Mosel-Raum, 1999

Gragas (Graugans) ist die auf einem Irrtum beruhende, 1548 nachweisbare, seit dem 17. Jh. übliche Bezeichnung für das aus Gesetzen, Gutachten, privaten Aufzeichnungen und Formelsammlungen zusammengesetzte, nach älteren Aufzeichnungen (z. B. Christenrecht zwischen 1122 und 1133) zwi­schen 1258 und 1271 aufgezeichnete und vor allem durch das später in der königlichen Bibliothek in Kopenhagen verwahrte Königsbuch (Konungsbok, [lat.] Codex [M.] regius) und das im 16. Jh. auf einem Hof in Westisland entdeckte Stadarholsbuch (Sta­darholsbok, [lat.] Codex [M.] Arna­magnaeanus) der zweiten Hälfte des 13. Jh.s (insgesamt durch 130 Handschriften, Fragmente und Abschriften) überlieferte, altisländische Recht ([930 bzw. 1030-1264] Christenrecht, Strafrecht, Eherecht, Erbrecht, Grundgüterrecht und Vertragsrecht). Die Geltung der G. auf Island wird nach der Unterwerfung →Islands unter Norwegen (1262/4) 1271/81 durch das Gesetzbuch König Magnus Hakonarsons (→Jarnsida, →Jonsbok) aufgehoben.

Lit.: Gragas Konungsbok, hg. v. Finsen, V., 1852, Neudruck 1974; Gragas Stadarholsbok, hg. v. Finsen, V., 1879, Neudruck 1974; Gragas Skalholsbok, hg. v. Finsen, F, 1883, Neudruck 1974; Bechert, R., Eine dunkle Stelle der Graugans, ZRG GA 48 (1928), 442; Isländisches Recht. Die Graugans, hg. v. Heusler, A., 1937; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 120; Foote, P., Some Lines in Logréttutháttr, FS P. Foote, 1984, 155; Byock, Medieval Iceland Society, sagas and power, 1988; Beck, H., Wortschatz der altisländischen Grágás, 1993 (Konungsbok)

Granada an der Sierra Nevada geht auf eine keltische Gründung zurück. Im Mittelalter ist es Mittelpunkt eines maurischen Königreichs (1030-1050, 1238-1492). 1526/1531 erhält es eine Universität.

Lit.: Ladero Quesada, M., Granada, 1988

Grande ordonnance de réformation du royaume ist das französische Gesetz von 1302, durch das der König den Schutz der Kirche auch in den Gebieten der Landesherren (Herzöge, Grafen, Barone) übernimmt.

Grangie (12. Jh., Scheune) ist der hoch­mittelalterliche klös­ter­liche Wirtschafts­hof vor allem der Zisterzienser (mit einer Größe bis zu 400 Hektar), deren Ideale sich allerdings nicht dauerhaft durchhalten lassen.

Lit.: Wiswe, H., Grangien niedersächsischer Zisterzienserklöster, Braunschweig. Jb. 34 (1953), 5; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittel­alterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 175f.; Villa, curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983; Lohrmann, D., Kirchengut im nördlichen Frankreich, 1983; Schneider, R., Vom Klosterhaushalt zum Stadt- und Staats­haushalt, 1994; Kuczera, A., Grangie und Grund­herrschaft, 2003; Untermann, M., Ausgrabungen und Bauuntersuchungen in Klöstern, 2003

Grass, Nikolaus (Volderwald bei Ampass bei Innsbruck 28. 7. 1913-Innsbruck 5. 10. 1999) ist der nach dem Studium in Innsbruck in Geschichte, Recht und Wirtschaft pro­movierte, 1946 für Geschichte habilitierte, 1948 in die rechtswissenschaftliche Fakultät übergetretene, 1949 zum außerordentlichen und 1959 zum ordentlichen Professor ernannte, 1983 emeritierte Rechts­historiker, der eine eigene Schule Tiro­ler Rechtsge­schichte der Alpwirtschaft gründet.

Lit.: Carlen, L., Nachruf ZRG GA 118 (2001), 896; Oberkofler, G., Einige wissenschaftshistorische Miniaturen aus Briefen und seine Korrespondenz mit dem Prager Juden Guido Kisch, 2008

Gratian (Carraria um 1100-Bologna? nach 1143 [um 1145 oder um 1150?]), (Mönch und) Magister der Theologie in Bologna (sowie vielleicht später Bischof von Chiusi?), verfasst zwischen 1125 und 1140 das Rechtsbuch →concordia discordantium canonum (→Decretum Gratiani). Er begründet mit diesem in der endgültigen Fassung 3945 Kapitel ([lat.] capitula) kirchenrechtlicher Quellen in einer schwer verständlichen Systematik zusammen­fas­senden, die Wider­sprüche kommentierend auflösenden Werk die kirchenrechtliche Wissen­schaft. Als erster Teil des um 1500 nichtamtlich, 1582 amtlich so genannten Corpus iuris canonici bleibt es bis 1918 in Geltung.

Lit.: Köbler, DRG 102, 105; Plöchl, W., Das Eherecht des Magisters Gratianus, 1935; Kuttner, S., Graziano, 1953, 20; Weigand, R., Die Naturrechtslehre der Legisten und Dekretisten, 1967, 132; Kuttner, S., Research on Gratian, (in) Seventh International Congress of medieval Canon Law, 1984; Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997, 1331; Winroth, A., The Making of Gratian’s Decretum, 2000

Graubünden ist der aus antihabsburgischen Bündnissen (1367 Gotteshausbund, 1395 Oberer oder Grauer Bund) entstandene, seit 1497ff. zur →Eidgenossenschaft in Beziehung tretende Kanton (1803/1815) der →Schweiz.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Jecklin, F., Materialien zur Standes- und Landesgeschichte gemeiner III Bünde, Teil 1f. 1907ff.; Caliezi, B., Der Übergang der Herrschaft Räzüns an den Kanton Graubünden, 1920; Pieth, F., Die Umbildung des Freistaates der drei Bünde in den Kanton Graubünden, Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 57 (1928); Liver, P., Vom Feudalismus zur Demokratie, Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 1930; Lalive-Acatos, K., Das gesetzliche Erbrecht Graubündens, 1931; Gillardon, P., Geschichte des Zehngerichtenbundes, 1936; Zur Fünfjahrhundertfeier des Zehngerichtenbundes, 1936; Müller, I., Die Entstehung des grauen Bundes 1367-1424, Zs. f. schweiz. Gesch. 21 (1941), 137; Maron, C., Das Zivilgericht nach den bündnerischen Statutarrechten, 1942; Bündner Urkundenbuch, Bd. 1ff. bearb. v. Meyer-Marthaler, E. u. a., 1947ff.; Die lex Romana Curiensis, hg. v. Meyer-Marthaler, E., 1959; Staats­archiv Graubünden, Einbürgerungen 1801-1960, hg. v. Jenny, R., 1965; Padrutt, C., Staat und Krieg im alten Bünden, 1965; Caroni. P., Einflüsse des deutschen Rechtes Graubündens südlich der Alpen, 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,451; Der Gotteshausbund, hg. v. Schorta, A., Bd. 1f. 1980f.; Bundi, M., Zur Besiedlungs- und Wirtschaftsgeschichte Graubündens, 1982; Geschichte und Kultur Churrätiens, 1986; Cavigelli, M., Entstehung und Bedeutung des Bündner Zivilgesetzbuches von 1861, 1994; Rathgeb, C., Die Verfassungsentwicklung Graubündens im 19. Jahrhundert, 2003; Der Zehngerichtenbund, bearb. v. Meyer-Marthaler, E., 2008

gravamen (lat. [N.]) Last, Beschwerde (im Gegensatz zu Vorteil, Gewinn)

Gravina, Gian Vincenzo (1664-1718), nach dem Studium in Scaela (Caloprese) und Neapel (Biscardi) seit 1689 in Rom, wird Professor zunächst für Zivilrecht, 1703 für kirchliches Recht. Sein Hauptwerk sind die 1701 veröffentlichten (lat.) Origines (F.Pl.) iuris civilis (Ursprünge des weltlichen Rechtes).

Lit.: Ghisalberti, C., Gian Vincenzo Gravina, 1962

Graz (zu slaw. gradec, Bürglein) an der Mur wird 1164 als Markt neben einer Burg genannt (Bestätigung der Freiheiten 27. 2. 1281 durch Rudolf von Habsburg). Seit 1379 ist es Residenz. (1584/)1586 erhält es zum Zweck der Gegenreformation eine (Jesuiten-)Universität, neben der und an der auch juristischer Unterricht stattfindet. 1778 wird nach Aufhebung des Jesuitenordens eine juristische Fakultät eingerichtet.

Lit.: Popelka, F., Geschichte der Stadt Graz, 1928; Popelka, F., Die Bürgerschaft der Stadt Graz, 1941; Die Handschriften der Universitätsbibliothek Graz, bearb. v. Kern, A., 1942; Ebert, K., Die Grazer Ju­ristenfakultät im Vormärz, 1969; Ebert, K., Die Pflege der Rechtsgeschichte an der Universität Graz, ZRG GA 87 (1970), 239; Wesener, G., Römisches Recht und Naturrecht, 1978; 850 Jahre Graz, hg. v. Steinböck, W., 1978; Reformen des Rechts. Festschrift zur 200-Jahr-Feier der rechtswissenschaft­lichen Fakultät der Universität Graz, hg. v. Sutter, N., 1979; Gebhardt, H., Die Grazer Polizei 1786-1850, 1992; Wesener, G., Österreichisches Privatrecht an der Universität Graz, 2002; Geschichte der Stadt Graz, hg. v. Brunner, W., 2003; Professoren erinnern sich, hg. v. Wünsch, H., 2008; Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften aus Graz, hg. v. Acham, K., 2010

Gregor VII. („Hildebrand“ Sovana/Toskana um 1020/1025-Salerno (Exil) 25. 5. 1085) wird um 1045 vielleicht (lat.) cappellanus Papst Gregors VII., nach Rückkehr aus einem Exil (in Köln) Kardinalsubdiakon, 1058/1059 Archi­diakon und am 22. 4. 1073 mit etwa 50 Jahren durch Ak­klamation Papst. Im Investiturstreit bekämpft er den weltlichen Einfluss auf die Besetzung kirchlicher Ämter. Unter ihm erhalten kirchliche Rechtstexte größere Bedeutung.

Lit.: Berman, H., Recht und Revolution, 1991; Cowdrey, H., Pope Gregory VII., 1998; Blumenthal, U., Gregor VII., 2001; Schieffer, R., Papst Gregor VII., 2010

Gregorius ist der Verfasser des →Codex Gregorianus.

Gregor von Tours (Clermont 30. 11. 538/539-Tours 17. 11. 594), aus gallo­rö­mi­scher adeliger Bildungsschicht, seit 573 bzw. 576 Bischof von Tours, überliefert in seinen zehn Büchern Geschichte (lat. Decem libri [M.Pl.] historiarum) glaubhaft. aber aus­legungsbedürftig wichtige Gegeben­heiten der frühmerowingischen Franken­zeit.

Lit.: Gregorii episcopi Turonensis historiarum libri X, hg. v. Krusch, B., 1884, 2. A. 1937ff.; Ringel, W., Das Strafrecht des Gregor von Tours, Diss. jur. Leipzig 1912; Weidemann, M., Kulturgeschichte der Merowingerzeit, 1982; Goffart, W., The Narrators of Barbarian History, 1988; Heinzelmann, M., Gregor von Tours, 1994; Scheibelreiter, G., Mentalitätsgeschichte der europäischen Achsenzeit, 1999; The World of Gregory of Tours, hg. v. Mitchell, K. u. a., 2002

Greife ist der Angehörige eines vor 1124 christianisierten Herzogsgeschlechts der Po­mo­ranen (Pommern), das seit 1215 einen Greifen im Wappen führt und 1631 ausstirbt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wehrmann, M., Genealogie des pommerschen Herzogshauses, 1937

Greifswald nahe der Ostsee am Fluss Ryck (um 1241 Marktsiedlung des Klosters Eldena, 1248 oppidum Gripheswald) mit →lübischem Stadtrecht (1250) erhält 1456 eine Universität (1456-1524 3317 Immatri­kulationen, Matrikel von 1456 bis 1700 von Ernst Friedländer 1893f. veröffentlicht, Spruchfakultät 1561-1891, 1631-1815 unter der Herrschaft Schwedens, Professoren wirken auch am Konsistorium, am Hofgericht und am Oberappellationsgericht), die 1945 von der Sowjetunion in ihrer Besatzungszone geschlossen, 1991 aber im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern der Bundesre­publik Deutschland wieder eröffnet wird.

Lit.: Molitor, E., Die Greifswalder Juristenfakultät, FS zur 500-Jahrfeier der Universität Greifswald, Bd. 2 1956; Seth, I., Die Universität Greifswald und ihre Stellung in der schwedischen Kulturpolitik 1637-1815, 1956; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; Feltkamp, K./Biederstedt, R., Greifswald, 1983; Vorholz, I., Die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät, 2000; Das älteste Greifswalder Stadtbuch (1291-1332), bearb. v. Poeck, D., 2000; Matthiesen, H., Greifswald in Vorpommern, 2000; Link, A., Auf dem Weg zur Landesuniversität, 2000; Greifswald, hg. v. Wernicke, H., 2000; Fietz, J., Nordische Studenten an der Universität Greifswald, 2004; Die Matrikel der Universität Greifswald, hg. v. Schmidt, R. u. a., Teil 1ff. 2004ff.; Die Universität Greifswald und die deutsche Hochschullandschaft im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Buchholz, W., 2004; Justitia in Pommern, hg. v. Alvermann, D. u. a., 2004; Universität und Gesellschaft, hg. v. Alvermann, D. u. a., 2006; Die pommerschen Hofgerichte, hg. v. Jörn, N., 2007; Bausteine zur Greifswalder Universitätsgeschichte, hg. v. Alvermann, D. u. a., 2008; Das Dekanatsbuch der philosophischen Fakultät der Universität Greifswald 1456-1662, übers. v. Thümmel, H., 2008; Greifswald - Spiegel der deutscher Rechtswissenschaft 1815 bis 1945, hg. v. Lege, J., 2009; Ott, S., Die Recht­sprechung des Greifwalder Oberappellationsge­richts in Strafsachen (1815-1849), 2009; Thümmel, H., Greifswald, 2010; Igel, K., Zwischen Bürgerhaus und Frauenhaus, 2010; Quellen zur Verfassungsgeschichte der Universität Greifswald, hg. v. Alvermann, D. u. a., Bd. 1f. 2011f.

Grenze (mhd. granizze 1262, aus slaw. hranice, lat. granica älter, aus slaw. hranice, vorhergehende ahd. Bezeichnung marka) ist die Trennungslinie zwischen zwei Bereichen, insbesondere zwei Staaten oder zwei Grund­stücken. Ursprünglich nur wenig genau bestimmt, wird die G. mit wachsender Be­völkerungsdichte und zunehmender Territori­alisierung immer eindeutiger gekennzeichnet und gesichert (z. B. Grenzsteine, 14. Jh. Schlagbäume). Für die Grenzfestlegung entwickeln sich besondere technische Ver­fahren, deren Einhaltung strafrechtlich bewehrt wird. Im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit findet vielfach ein der Herkunft nach unbekannter, der Verge­wisserung dienender ge­meinsamer jährlicher Grenz­um­gang von Dorffluren und anderen Bereichen statt. Die Dialekte in Grenzorten gleichen sich seit der Neuzeit infolge der Medien meist der Standardsprache der übergeordneten politischen Einheit an.

Lit.: Hübner; Grimm, J., Deutsche Rechtsalter­tü­mer, 1828, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 69; Erben, W., Deutsche Grenzaltertümer aus den Ostalpen, ZRG GA 43 (1922), 1; Bader, K., Der schwä­bische Untergang, 1933; Grenzrecht und Grenzzeichen (, hg. v. Bader, K.), 1940; Karp, H., Grenzen in Ostmitteleuropa, 1972; Nicklis, H., Von der grenitze zur Grenze, Bll. f. d. Landesg. 128 (1992), 1; Deutschlands Grenzen in der Geschichte, hg. v. Demandt, A., 3. A. 1993; Schildt, B., Bauer - Gemeinde - Nachbarschaft, 1996; Simmerding, F., Grenzzeichen, 1997; Menschen und Grenzen in der frühen Neuzeit, hg. v. Schmale, W. u. a., 1998; Grenze und Differenz im frühen Mittelalter, hg. v. Pohl, W. u. a., 2000; Grenzen in Ostmitteleuropa, hg. v. Lemberg, H., 2000; Grenzen weltweit, hg. v. Becker, J. u. a., 2. A. 2006; Die Grenze als Raum, hg. v. François, J. u. a., 2007; Grenzen in Europa, hg. v. Gehler, M. u. a., 2009; Philippi, N., Grenzsteine in Deutschland, 2009; Grenzziehungen, hg. v. Schwark, T. u. a., 2011; Grenzen im Raum - Grenzen in der Literatur, hg. v. Geulen, E. u. a. 2011

Greyerz (Gruyères)

Lit.: Vevey, B. de, Le droit de Gruyères, 1939,;Rennefahrt, H., Der Geltstag des letzten Grafen von Greyerz, Zs. f. schweiz. Gesch. 22 (1942), 321

Grieche ist der Angehörige des die griechische Sprache sprechenden, von den Indogermanen abstammenden Volkes, das im 2. Jt. v. Chr. in den Südosten Europas eindringt. Nach dunklen, erst mit den 27803 Versen (Homers) von Ilias und Odysee sich lichtenden Jahrhunderten (1200-800 v. Chr.) bilden die Griechen in der Mitte des 1. Jt.s v. Chr. den Stadtstaat (griech. [F.] polis) aus (Sparta, Athen und viele andere). Sie führen die Wissenschaften auf einen hohen Stand (Thales, Anaximander, Anaximenes, Xenophanes, Hera­klit, Demo­krit, Pythagoras, Sokrates, Plato, Aristoteles, Geschichtsschreiber Herodot, Thukydides, Polybios). Ihr Recht ist durch schon im 8. oder 7. Jh. v. Chr. einsetzende Gesetzgebung (Lykurg, Solon, Drakon, weiter Zaleukos, Charondas, Philo­laos, Pheidon) und die rechtsphilosophische Unter­scheidung von natürlichem Recht (→Naturrecht) und von Menschen gesetztem Recht gekenn­zeichnet. Eine besondere Rechtswis­sen­schaft ist nicht näher bekannt. Aus dem 5. und 4. Jh. v. Chr. sind Gerichtsreden und Inschriften (u. a. Recht von Gortyn auf Kreta um 450 v. Chr.) überliefert, seit dem 3. Jh. v. Chr. Papyri (in Ägypten). Insgesamt ist die erhaltene griechische Literatur der Antike (Homer, Hesiod, Herodot, Pindar. Thukydides, Spohokles, Eurypides, Lysias, Aristophanes) sehr viel umfangreicher als die lateinische. Europa verdankt den Griechen vor allem die Vorstellung politischer und persönlicher Freiheit sowie Grundlagen von Literatur, Philosophie und Wissenschaft.

Lit.: Köbler, DRG 15, 16, 29; Zachariae von Lingenthal, K., Geschichte des griechisch-römischen Rechtes, 1877, 3. A. 1892, Neudruck 1955; Mühl, M., Untersuchungen zur altorientalischen und althellenischen Gesetzgebung, 1963; Mummenthey, H., Zur Einführung: Griechisches Recht, JuS 1969, 307; Wolff, H., Das Recht der griechischen Papyri Ägyptens, 1978; Biscardi, A., Diritto greco antico, 1982; Triantaphyllopoulos, J., Das Rechtsdenken der Griechen, 1985; Lendle, O., Einführung in die griechische Geschichtsschreibung, 1992; Greek Law, hg. v. Foxhall, L. u. a., 1996; Burkert, W., Die Griechen und der Orient, 2003; Cerchiai, L. u. a., Die Griechen in Süditalien, 2004; Köbler, G., Rechtsgriechisch, 2004, 2. A. 2011; Greek Colonization, hg. v. Tsetskhladze, G., 2006ff.; Karvounis, C., Aussprache und Phonologie im Altgriechischen, 2007, 2. A. 2009; Köbler, G., Altgriechisches Abkunfts- und Wirkungswörterbuch, 2007 (im Internet); Szlezák, T., Was Europa den Griechen verdankt, 2010; Handbuch der griechischen Literatur der Antike, hg. v. Zimmermann, B., Bd. 1 2011; A new Working Bibliography of Ancient Greek Law, hg. v. Sundahl, M. u. a., 2011; Robinson, E., Democracy beyond Athens, 2011

Griechenland ist der südosteuropäische, zwischen Italien und der Türkei gelegene, seit 1. 1. 1981 der →Europäischen Gemeinschaft (1993 →Europäischen Union) angehörende Staat. Sein anfangs durch viele Stadtstaaten (z. B. →Athen) gekennzeichnetes Gebiet wird seit 336 v. Chr. unter Makedonien vereinigt, gelangt 146 v. Chr. unter die Herrschaft der Römer, wird 330 n. Chr. Ostrom bzw. →Byzanz zugeteilt und fällt 1453 an die Osmanen (Türken). Seit dem 4. 3. 1821 erheben sich die Griechen gegen die osmanische Herrschaft. Nach Erringung der Unabhängigkeit wird 1828 bzw. mit Gesetz vom 23. 2. 1835 der →Hexabiblos (von 1345 n. Chr.) als vorläufiges Zivil­gesetzbuch bestimmt. Am 3. 2. 1830 wird G. als unabhängige Erb­monarchie anerkannt, zu dessen König 1832 der bayerische Prinz Otto von Wittelsbach bestimmt wird. Der Code de commerce (Handelsgesetzbuch) Frankreichs wird übernommen. Das danach geschaffene Recht ist vom deutschen Recht der Pandektistik geprägt (1832-1834 bzw. 1833-1835 Georg Ludwig von Maurer Strafgesetz, Strafprozessordnung, Ge­richts- und Notariats­ordnung, Zivilpro­zessordnung, Vorbe­reitung eines Zivilge­setz­buchs, daneben Ionisches Zivilgesetz­buch 1841, Zivilgesetzbuch von Samos 1899, Kretisches Zivilgesetzbuch 1903). Das Verwaltungsrecht steht unter dem Einfluss Frankreichs. 1940 wird das vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, aber auch von Frankreich und der Schweiz beein­flusste Zivilgesetzbuch geschaffen, dessen Inkrafttreten am 23. 2. 1946 die Geltung des gemeinen Rechtes (→Hexabiblos) beendet. Am 21. 4. 1967 putscht die Armee gegen den König, am 1. 6. 1973 wird die Republik ausgerufen. 1981 tritt Griechenland den europäischen Gemeinschaften bei, so dass das griechische Recht seitdem unter den Einfluss des europäischen Rechtes der Europäischen Gemeinschaft(en) bzw. der Europäischen Union gerät. Um 2010 gerät G. wegen seines überhöhten Staatshaus­halt­defizits ain eine wirtschaftlich sehr schwierige Lage.

Lit.: Ius Graeco-Romanum, hg. v. Zachariae von Lingenthal, K., Bd. 1ff. 1856ff.; Lipsius, J., Das attische Recht, Bd. 1ff. 1905ff., Neudruck 1984; Ius Graeco-Romanum, hg. v. Zepoes, J. u. a., 1931, Neudruck 1962; Jones, J., The Law and Legal Theory of the Greeks, 1956; Mantzoufas, G., Über griechisches Prvatrecht, 1955; Sontis, J., Das griechische Zivilge­setzbuch, ZRG RA 78 (1961), 355; Plagianokos, G., Die Entstehung des griechischen Zivilgesetzbuchs, 1963; Woodhouse, C., The story of modern Greece, 1968; Wolff, H., Zur griechischen Rechtsgeschichte, 1968; Larsen, J., Greek Federal States, 1968; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privat­rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,473; Lexikon des frühgriechischen Epos, hg. v. Thesaurus linguae Graecae, begr. v. Snell, B., Bd. 1-5 1979 ff.; Gschnitzer, F., Griechische Sozialgeschichte, 1981, 2. A. hg. v. Chaniotis, A. u. a. 2013; Triantafyllopoulos, J., Das Rechtsdenken der Griechen, 1985; Bengtson, H., Griechische Geschichte, 8. A. 1994; Schuller, W., Griechische Geschichte, 4. A. 1995, 6. A. 2008; Bauman, R., Political Trials in Ancient Greece, 1990, Neudruck 2013; Inschriftliche Gesetzestexte der frühen griechischen Polis, hg. v. Hallof, K., 1993; Selb, W., Antike Rechte im Mittelmeerraum, 1993; Passow, F., Handwörterbuch der griechischen Sprache, 5. A. 1993; Inschriftliche Gesetzestexte, hg. v. Hallof, K., 1993; Troianos, S. u. a., Istoria dikaiou, 1993, 3. A. 2002; Argyriades, C., Staatsbilder und Rechtspraktiken, 1994; Christ, C., Griechische Geschichte, 1996; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Osborne, R., Greece in the Making (100-479 BC), 1996, 2. A. 2009; Rhodes, P./Lewis, D., The Decrees of the Greek States, 1997; Einleitung in die griechische Philologie, hg. v. Nesselrath, H., 1997; Große Gestalten der griechischen Antike, hg. v. Brodersen, K., 1999; Price, S., Religions of the Ancient Greeks, 1999; Thomas, C./Conant, C., Citadel to City-State, 1999; Botsiou, K., Griechenlands Weg nach Europa, 1999; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter, Gesetzgeber und Gesetzgebung im antiken Griechenland, 1999; Rosen, K., Griechische Geschichte erzählt, 2000; Riemer, P./Weißenberger, M./Zimmermann, B., Einführung in das Studium der Gräzistik, 2000; Verfassungsgeschichte und Staatsrechtslehre. Griechisch-deutsche Wechsel­wirkungen, hg. v. Kassimatis, G. u. a., 2000; Encyclopedia of Greece and the Hellenic Tradition, hg. v. Speake; G., 2000; Welwei, K., Die griechische Frühzeit, 2002; Lotze, D., Griechische Geschichte, 5. A. 2003; Rose, H., Griechische Mythologie, (10. A.) 2003; Buckler, J., Aegean Greece in the Fourth Century BC, 2003; Stahl, M., Gesellschaft und Staat bei den Griechen, 2003; Barceló, P., Kleine griechische Geschichte, 2004; Köbler, G., Rechtsgriechisch, 2004; Barta, H., Zur juristischen Professionalisierung im alten Griechenland, FS Rudolf Welser, 2004, 27; Osborne, R., Greek History, 2004; Sünderhauf, E., Griechensehnsucht und Kulturkritik, 2004; Linke, B., Religion und Herrschaft im archaischen Griechenland, HZ 280 (2005), 1; The Cambridge Companion to Ancient Greek Law, hg. v. Gagarin, M., 2005; A Companion to the Classical Greek World, hg. v. Kinzl, K., 2006; Freitag, K., Ethnogenese, Ethnizität und die Entwicklung der griechischen Staatenwelt in der Antike, HZ 285 (2007), 373; Low, P., Interstate Relations in Classical Greece, 2007; Schmitz, W., Haus und Familie im antiken Griechenland, 2007; Prosopography and Onomasticon of Aegean Thrace, hg. v. Parissaki, M., 2007; Gagarin. M., Writing Greek Law, 2008; Introduction to Greek Law, hg. v. Kerameus-Kouyris, K., 3. A. 2008; Das Bild Griechenlands im Spie­gel der Völker, hg. v. Konstantinou, E., 2008; Schulz, R., Kleine Geschichte des antiken Grie­chenland, 2008; Fischer, J., Griechische Frühge­schichte bis 500 v. Chr., 2009; Zeitler, C., Zwischen Formalismus und Freiheit, Diss. jur. Passau 2009 (Prozess gegen Sokrates); Cartledge, P., Ancient Greece, 2009; A Companion to Archaic Greece, hg. v. Raaflaub, K. u. a., 2009; Bers, V., Genos dikanikon, 2009; Die griechische Welt, hg. v. Stein-Hölkeskamp, E. u. a., 2010; Barta, H., Graeca non leguntur?, 2010ff.; Welwei, K., Griechische Geschichte, 2011; Griechische Heiligtümer als Erinnerungsorte, hg. v. Haaske, M. u. a., 2011; Dreyer, B., Polybios, 2011; Parashu, D., Die Weimarer Reichsverfassung und die Verfassung der 2. hellenischen Republik von 1927, 2012; Farenga, V., Citizen and Self in Ancient Greece, 2012; Lambert, S., Inscribed Athenian Laws and Decrees 352/1-322/1 BC,  2012; Polybios und seine Historien, hg. v. Grieb, V. u. a., 2013; Froehlich, S., Handlungsmotive bei Herodot, 2013

Grimm, Jakob (Jacob Ludwig Carl) (Hanau 4. 1. 1785-Berlin 20. 9. 1863), Amtmanns­sohn, wird nach der Kindheit in Steinau, dem frühen Tod des Vaters und der Mutter und dem Schulbesuch in Kassel (1798), dem Rechtsstudium in Marburg (1802) (Savigny) und der Begleitung Savignys (Januar-September 1805) nach Pa­ris 1806 Sekretäranwärter des Kriegs­kol­legiums in Kassel und nach dem abschlusslosen Abbruch des Rechts­studiums (1807) 1808 Privat­bibliothe­kar des Königs von West­phalen in Kassel, 1816 nach dem Ende Westphalens kurfürstlicher zweiter Bibliothekar in Kassel (1819 philologischer Ehrendoktor Marburgs, 1828 nach Erscheinen der deutschen Rechtsaltertümer juristischer Ehrendoktor der Universitäten Berlin und Breslau sowie später Prag) und 1829/1830 Professor der Germanistik in Göttingen. 1837 wird er als einer der Göttinger Sieben (→Göttingen) des Amtes enthoben, 1838/1840 mit festen Bezügen nach Berlin an die Akademie der Wissenschaft geholt. 1828 erscheinen nach den Kinder- und Hausmärchen (1812ff., zusammen mit Wilhelm Grimm [Hanau 24. 2. 1786-Berlin 16. 12. 1859, 1803 Studium der Rechtswissenschaft in Marburg, 1806 Abschluss, 1819 Ehrendoktor Marburg]), den deutschen Sagen (1816ff.) und der deutschen Grammatik (1819) seine deutschen Rechtsaltertümer, über die er in Berlin auch Vorlesungen hält, seit 1840 seine deutschen Weistümer sowie 1854ff. sein seit 1836 oder 1837 vorbereitetes deutsches Wörterbuch von Luther bis Goethe, durch die Jakob G. den germanistischen Teil der his­torischen Rechtsschule nicht unmaß­geblich beeinflusst.

Lit.: Köbler, DRG 188; Grimm, J., Von der Poesie im Recht, Z. f. gesch. Rechtswissenschaft 2, 1 (1816), 25; Grimm, J./Grimm, W., Deutsches Wörterbuch, Bd. 1ff. 1854ff.; Hübner, R., Jakob Grimm und das deutsche Recht, 1895; Briefe der Brüder Grimm, hg. v. Leitzmann, A., 1923; Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Karl Lachmann, hg. v. Leitzmann, A., 1927; Gerstner, H., Brüder Grimm, 1952, 9. A. 1997; Briefe der Brüder Grimm an Savigny, hg. v. Schoof, W., 1953; Wieacker, F., Gründer und Bewahrer, 1959, 144; Ebel, W., Jakob Grimm und die deutsche Rechtswissenschaft, 1963; Schuler, T., Jacob Grimm und Savigny, ZRG GA 80 (1963), 197; Grimm, J., De desiderio patriae, hg. v. Ebel, W., 1967; Denecke, L., Jakob Grimm und sein Bruder Wilhelm, 1971; Jacob Grimms deutsche Altertumskunde, hg. v. Ebel, E., 1974; Seitz, G., Die Brüder Grimm, 1984; Wyss, U., Jakob Grimms Selbstbiographie, 1984; Dilcher, G., Jakob Grimm als Jurist, JuS 1985, 931; Der Nachlass der Brüder Grimm, bearb. v. Breslau, R., 1997; Hussong, U., Jacob Grimm und der Wiener Kongress, 2002; Kultur und Politik, hg. v. Heidenreich, B. u. a. 2003; Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Gustav Hugo, hg. v. Bialas, S., 2004; Die Brüder Grimm in Berlin, red. v. Kaindl, K. u. a., 2004; Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit den Verlegern des „Deutschen Wörterbuchs“, hg. v. Kirkness, A., 2007; Martus, S., Die Brüder Grimm, 2009; Die Brüder Grimm in Marburg, hg. v. Hedwig, A., 2013

Groenbech, Vilhelm Peter (Allinge/Born­holm 14. 6. 1873-Helsingoer/Nordseeland 21. 4. 1948), 1902 Dissertation zur Laut­ge­schich­te des Türkischen dänischer Religions­historiker in Kopenhagen (1915-1943), der eine Gesamtschau der germanischen Kultu versucht.

Lit.: Vor folkeaet i oldtiden, 1909ff.; Nachruf ZRG GA 66 (1948), 597f. (Erler, Adalbert)

Groicki, Bartolomaeus (Rzesszów 1534?-Krakau 1605), 1559 Schreiber des Oberhofs Krakaus, 1558 erstes juristisches Buch in polnischer Sprache, seine Werke ersetzen in der Gerichtspraxis das fehlende Gesetzbuch des Stadtrechts

Lit.: Kowalski, G., Bartlomiej Groicki, 2005

Grolman, Karl Ludwig Wilhelm von (Gießen 23. 6. 1775-Darmstadt 14. 2. 1829) wird nach dem Rechtsstudium in Gießen und Erlangen Professor in Gießen und 1819 Staatsminister in Hessen-Darmstadt. Er setzt sich für die Auffassung ein, dass es Sinn der Strafe sei, durch Einwirkung auf Straftäter deren künftigen Verbrechen vorzubeugen (→Spezialprävention).

Lit.: Esselborn, K., Grolman, (in) Hessische Biographien, Bd. 3 1934, 157; Röger, M., Karl Ludwig Wilhelm von Grolman, Diss. jur. Gießen 1995; Cattaneo, M., Karl Grolmans strafrechtlicher Humanismus, 1998

Groningen wird im Jahre 1000 erstmals erwähnt. 1559 wird es in den Niederlanden Sitz eines Bischofs. 1614 erhält es eine Universität Jean Barbeyrac, Anton Matthäus).

Lit.: Peters, C., Oud Groningen, 1907; Iterson, W. van, Die Stadt Groningen und ihre Beziehungen zum Reich, ZRG GA 85 (1965), 99; Onderwijs en onderzoek, hg. v. Huussen, A. jr., 2003

Grönland ist die verwaltungsmäßig zu →Dänemark gehörende größte Insel der Erde. G. wird wohl schon 900 von →Wikingern entdeckt. Die ab 982 anschließende Besiedlung geht im Spätmittelalter unter. 1721 beginnt eine Neubesiedlung unter Dänemark. Unter dem dänischen Recht erhält G. 1979 Selbstver­waltung.

Lit.: Dúason, J., Grønlands retsstilling i middelalderen, 1934; Dúason, J., Die koloniale Stellung Grönlands, 1955; Gad, F., The History of Greenland, 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,525; Schmidt, M., Grönland - Wo Nacht und Kälte wohnt, 2011

Großbritannien ist der nordwesteuro­päi­sche, zwischen Irland und Frankreich gelegene, seit 1. 1. 1973 der →Europäi­schen Gemeinschaft bzw. seit 1993 der →Europäischen Union angehörende Staat. Er entsteht 1707 durch die Überführung der 1603 gebildeten Personalunion zwischen England und Schottland in eine →Realunion (Vereinigung des englischen und schottischen Parlaments). Sein amtlicher Name lautet United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland (Selbstverwaltung 1999, zeitweise aufge­hoben). Seit der Thron­besteigung des Hannoveraners Georg I. (1714) wird es durch Handel und Industrie das reichste Land der Welt (ein Viertel der Eroberfläche, ein Viertel der Weltbevölkerung, aber Autonomie seit 1855 für Neufundland, 1867 Kanada, 1901 Australien, 1907 Neuseeland, 1920 Südafrika). Seit dem 20. Jh. geht seine Bedeutung weltweit zurück. Durch das Westminsterstatut vom 11. 12. 1931 wird die Bezeichnung Empire für das britische Weltreich durch die Bezeichnung Com­monwealth ersetzt. Die ungeschrie­bene Verfassung Großbritanniens nähert sich unter dem Einfluss des Europarechts den kontinentaleuropäischen Verfassungen an (1998 Human Rights Act zur Aufnahme der Europäischen Menschenrechts­konvention). →England, →Schottland, →Irland

Lit.: Jennings, I., The British Constitution, 4. A. 1961; Hrebek, R./Keutsch, W., Gesellschaft und Staat in Großbritannien, 1971; Ritter, G., Parlament und Demokratie in Großbritannien, 1972; Wellenreuther, H., Der Aufstieg des ersten britischen Weltreichs, 1987; Metz, K., Industrialisierung und soziale Sicherheit, 1988; British Biographical Index, hg. v. Bank, D., 1990; Speck, W., A Concise History of Britain, 1993; Rubin, G., Private Property, 1994; Händel, H./Gossel, D., Großbritannien, 3. A. 1994; Oxford Dictionary of National Biography, Bd. 1ff. 1992ff.; Hübner, E./Münch, U., Das politische System Großbritanniens, 1998; Brodersen, K., Das römische Britannien, 1998; The Oxford History of the British Empire, hg. v. Marshall, P., Bd. 1f., 1998ff.; Ottow, R., Eine kommentierte Bibliographie zum britischen Verfassungsdenken der frühen Neuzeit, 1999; Todd, M., Romain Britain, 3. A. 1999; Oxford History of the British Empire, Bd. 3 hg. v. Winks, R., 1999; A Handbook of Dates, for Students of British History, ed. by Cheney, C. R., revised by Jones, M., 2000; Tompson, R., Islands of law, 2000; Schnurmann, C., Vom Inselreich zur Weltmacht, 2001; Wende, P., Großbritannien 1500 bis 2000, 2001; Schieren, S., Die stille Revolution – Der Wandel der britischen Demokratie unter dem Einfluss der europäischen Integration, 2001; Moeder, R., Inzidente Gesetzes­prüfung im Vereinigten Königreich, 2002; Fröhlich, M., Geschichte Großbritanniens von 1500 bis heute, 2004; Mergel, T., Großbritannien seit 1945, 2005; Asch, R., Jakob I. (1566-1625), 2005; Webster, A., The Debate on the Rise of the British Empire, 2006; Thompson, A., Britain, Hanover and the Protestant Interest 1688-1756, 2006; The Hanoverian Dimension in British History 1714-1837, hg. v. Simms, B. u. a. 2007: Wende, P., Das britische Empire, 2008; Games, A., The Web of Empire, 2008; The Seventeenth Century, hg. v. Wormald, J., 2008; The Judicial House of Lords 1876-2009, hg. v. Blom-Cooper, L., 2009; Brüggemeier, F., Geschichte Großbritanniens im 20. Jahrhundert, 2010; Wasson, E., A History of Modern Britain, 2010; Rose, A., Zwischen Empire und Kontinent, 2011; Angster, J., Erdbeeren und Piraten - Die Royal Navy und die Ordnung der Welt 1770 bis 1860. 2012, 2. A. 2012; Ibhawoh, B., Imperial Justice. Africans in Empire’s Court, 2013

großdeutsch (Adj.) den deutschen Sprach­raum einschließlich Österreichs umfassend

Großherzog ist der den Fürstentitel Herzog erhöhende Fürstentitel (Toskana 1569, Berg, Hessen-Darmstadt 1806, Luxemburg 1815).

Grotius (de Groot), Hugo (Huig) (Delft 10. 4. 1583-(nach Schiffbruch bei) Rostock 28. 8. 1645), Patrizierssohn, wird nach dem 1594 begonnenen Studium (vor allem der Philologie und Geschichte) in Leiden und der (wohl vor allem ehrenhalber erfolgten) juristischen Promotion in Orléans (1598, 15jährig, 1598-1600 Traktat de republica emendanda) 1599 mit 16 Jahren Anwalt in Den Haag, 1607 Oberstaatsanwalt bei dem Gerichtshof von Holland und 1613 Syndikus Rotterdams 1604/1605 oder 1606-1608 erarbeitet er in und nach Verteidigung von Ansprüchen der Vereinigten Ostindischen Kompagnie (VOC von 1602), deren Aktionär er war, gegen auf Aneignung, Besitz, Papst und Gewohnheit gegründete Ansprüche Portugals das auch auf römisches Recht und antike Ethik gestützte Werk (lat.) De iure praedae commentarius (Vom Recht der Beute, verfasst 1604-1606, 12. Kapitel veröffentlicht 1609 unter dem Titel Mare liberum, Freies Meer), in dem er zu Gunsten der Handelsgesellschaft den Grundsatz der Freiheit der Meere vertritt. 1619 wird er mit 36 Jahren als Remonstrant aus politischen Gründen zu lebenslanger Haft verurteilt, aus der er 1621 in einer Bücherkiste nach Frankreich flieht (1631 Holland, 1632 Hamburg, 1634 Botschafter Schwedens in Frankreich, 1645 Rückreise nach Schweden). In der Gefangenschaft (1619-1621) verfasst er die 1631 veröffentlichte nieder­ländische, der Systematik der Institutionen Justinians folgende Inleydinge tot de Hollandsche Rechts-Geleertheyd, in der Verbannung (1621ff.) auf der Grundlage der spanischen Spätscholastik Vitoria, Soto, Vasquez de Menchaca, Molina) sein das Recht der ganzen Menschheit umfassendes Hauptwerk (lat.) De iure belli ac pacis libri tres (, 1625, Drei Bücher Kriegs- und Friedensrecht [einschließlich etwa von Eigentum, Vertrag, unerlaubter Handlung oder Strafe]). Damit begründet er über die aus der Moraltheologie stammenden Naturrechts­leh­ren das Naturrecht in der Rechts­wis­sen­schaft, dessen Sätze unmittelbar aus der vernünftigen Natur des Menschen folgen und auch gelten würden, wenn es Gott nicht gäbe, und festigt das Völkerrecht.

Lit.: Köbler, DRG 144, 146; Lee, R., The Jurisprudence of Holland by Hugo Grotius, 1926; Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-Geleerdheid, beschreven bij Hugo de Groot, hg. v. Fockema Andreae, S./Apeldoorn, L. van, 1926; Wolf, E., Grotius, Pufendorf, Thomasius, 1927; Ter Meulen, J. u. a., Bibliographie des écrits imprimés de Hugo Grotius, 1950; Wellschmied, K., Zur Entstehung und Bedeutung der Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-Geleerdheid von Hugo Grotius, ZRG GA 69 (1952), 155; Groot, Hugo de, Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-Geleerdheid, hg. v. Dovring, F. u. a., 1952; Wehberg, H., Hugo Grotius, 1956; Dießelhorst, M., Die Lehre des Hugo Grotius vom Versprechen, 1959; ter Meulen, J./Diermanse, P., Bibliographie des écrits sur Hugo Grotius imprimés au 17e siècle, 1961; Hugonis Grotii Instutiones juris Hollandici e Belgico in Latinam sermonem translatae, hg. v. Fischer, H., 1962; De Pauw, F., Grotius and the Law of Sea, 1965; Brandt, R., Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, 1974; Link, C., Hugo Grotius als Staatsdenker, 1983; The World of Hugo Grotius, hg. v. Feenstra, R. u. a., 1984; Hugo Grotius and International Relations, hg. v. Bull, H. u. a., 1990, 133; Das römisch-holländische Recht, hg. v. Feenstra, R. u. a., 1992; Schnepf, R., Naturrecht und Geschichte bei Hugo Grotius, ZNR 1998, 1; Grunert, F., Von der Morgenröte zum hellen Tag, ZNR 2003, 204; Staat bei Hugo Grotius, hg. v. Konegen, N. u. a. 2005; Straumann, B., Hugo Grotius und die Antike, 2007; Nellen, H., Grotius, 2007; Hugo, Grotius. Liberum mare (1609-2009), hg. v. Feenstra, R.,, 2009

Grund (Wort bereits für das Germanische zu erschließen)

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Grundbuch (Wort in einem einfacheren Sinn Wien 1389 belegt, Grundbuchamt Preußen 1872, Grundbuchberichtigung 1872) ist das vom Grundbuchamt geführte, alle die Rechtsverhältnisse an Grundstücken betreffenden Beurkundungen aufnehmende öffentliche Register. Die ältesten Belege des Wortes verstehen unter G. allerdings nur ein Verzeichnis der Grund­stücke und Einkünfte einer Grundherrschaft. Die Ursprünge des Grund­buchs liegen im Mittelalter (→Köln um 1130 →Schreins­karten, Metz [1197], Ander­nach [12. Jh.], Lübeck [1284], österreichische Städte [14. Jh.]). Die Ordnung erfolgt zunächst nach Geschehniszeitpunkten oder nach Personen (Personalfoliensystem), in Anklam (1401) und Hannover (1428) bereits nach einzelnen Grundstücken (Realfoliensys­tem). Die Aufzeichnung dient anfangs der Gedächtnis­­stützung, gewinnt später aber selbständigen (konstitutiven) Rechtswert. Die Aufnahme des römischen Rechtes drängt das G. zurück. Zwecks Verbesserung des Grundstücks­verkehrs ordnet Preußen am 28. 9. 1693 für Berlin ein Erb- und Lagerbuch mit der Folge mangelnder Geltung von Pfandrechten bei Nichteintragung an, erlässt eine Hypothec- und Concursordnung vom 22. 2. 1722 und eine allgemeine Hypothekenordnung vom 20. 12. 1783 (Realfolium). Zunächst nur in Sachsen, seit dem 19. Jh. allgemein (Sachsen Grundbuch- und Hypothekengesetz vom 6. 11. 1843, Österreich [1794 böhmisches Landta­fel­patent, 1812 Allge­meines Bürger­liches Gesetzbuch mit Eintragungs­grundsatz und Vertrauensgrund­satz,] 1871 Grundbuchs­ge­setz [in Tirol und Vorarlberg chronologisch geordnete Verfachbücher bis 1897 bzw. 1900, 1951 Anlegung des Grundbuchs in Vorarlberg vollendet, 1955 Neufassung Allgemeines Grundbuchsgesetz ohne grundlegende Neuerungen], Preußen Gesetz über den Eigentumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke 5. 5. 1872, Deutsches Reich Grundbuchordnung 24. 3. 1897), setzt es sich aus Ver­kehrsbedürfnissen durch (Drei­teilung in a) Eigentümer und Erwerbsgrund, b) Belastungen wie Reallasten, Dienstbarkeiten  u. s. w., c) Grundpfandrechte wie Hypotheken  u. s. w., 1935 Vereinheitlichung der in den Ländern unterschiedlichen Ausführung). 1995 beschließt Griechen­land als (bis­lang) letzter Mitgliedstaat der Europäischen Union, (bis 2009) ein G. einzurichten. Seit etwa 1980 wird das Grundbuch elektronisiert bzw. digitalisiert (vgl. § 126 I 1 GBO).

Lit.: Hübner 235; Köbler, DRG 125, 163, 212; Mascher, H., Das deutsche Grundbuch- und Hypo­thekenwesen, 1869; Randa, A., Die geschichtliche Entwicklung des Institutes der öffentlichen Bücher in Österreich, Z. f. d. Privat- und öffentl. Recht 6 (1879), 81; Aubert, L., Beiträge zur Geschichte der deutschen Grundbücher, ZRG GA 14 (1893), 1; Rehme, P., Geschichte des Münchener Grundbuchs, FS Hermann Fitting, 1903; Das zweite stralsundische Stadtbuch (1310-1342), bearb. v. Ebeling, R., 1903; Rehme, P., Über das älteste bremische Grundbuch (1438-1558), 1908; His, E., Geschichte des Basler Grundbuchs, 1915; Kovats, F., Pressburger Grundbuchführung, ZRG GA 39 (1918), 45; Grundbuch des Kölner Judenviertels 1135-1425, bearb. v. Kober, A., 1920, Neudruck 2000; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, II, 2, 1935; Conrad, H., Liegen­schaftsübertragung und Grundbucheintragung, 1935; Demelius, H., Österreichisches Grundbuchsrecht, 1948; Abendroth, K., Die Klauseleintragungen der hamburgischen Grundbücher, Diss. jur. Hamburg 1950; Wandel, R., Der Beitrag der Steuer- und Güterbücher zur Entwicklung des Grundbuches in Württemberg, Diss. jur Tübingen (um 1958); Hammer, E., Die Geschichte des Grundbuchs in Bayern, 1960; Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hans. Geschichtsbll. N.F. (1971), 1; Brauneder, W., Grundbuch und Miteigentum im „Tractatus de iuribus incorporalibus“, ZRG GA 94 (1977), 218; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Niklaus, J., Die Geschichte des Grundbuchs im Kanton Bern, 1999; Böhringer, W., Historie und Vergleich, Rechtspfleger-Studienhefte 1997, 33; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Grunddienstbarkeit (1721) ist die →Dienstbarkeit (lat. [F.] servitus), bei der ein Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet wird, dass dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf, dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder dass die Ausübung eines Rechtes ausgeschlossen ist. Dem älteren deutschen Recht ist die G. fremd. Mit der Zunahme der Siedlungsdichte ent­wickeln sich Nutzungsrechte an fremden Grundstücken. Mit der Aufnahme des römi­schen Rechtes im ausgehenden Mittelalter dringt die Unterscheidung von bloß be­stimmten Personen zustehenden (persön­lichen) Dienstbarkeiten und den dem jeweiligen Eigentümer eines Grundstücks zustehenden Dienstbarkeiten (Grunddienst­barkeiten) ein.

Lit.: Köbler, DRG 41; Naendrup, H., Zur Geschichte deutscher Grunddienstbarkeiten, 1900; Vleuten, M. van, Die Grunddienstbarkeiten nach altwestnordischem Rechte, 1902; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Grundeigentum ist das →Eigentum an einem →Grundstück. Im Mittelalter ist das Grundstück vielfach lehnsrechtlich oder grundherrschaftlich gebunden. Im 19. Jh. werden diese Bindungen aufgehoben.

Lit.: Judeich, A., Die Grundentlastung in Deutschland, 1863; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Grundeigentums in Ost- und Westpreußen, 1891, 1895, 1896; Hausmann, S., Die Grundentlastung in Bayern, 1892; Loening, O., Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907; Dyckerhoff, E., Die Entstehung des Grundeigentums und die Entwicklung der gerichtlichen Eigentums­übertragung an Grundstücken in der Reichsstadt Dortmund, 1909; Ernst, V., Die Entstehung des deutschen Grundeigentums, 1926; Haff, K., Zur Geschichte des germanischen Grundeigentums, ZRG GA 49 (1929), 433; Schabinger Freiherr von Schowingen, K., Das sankt gallische Freilehen, 1938; Habermann, N., Die preußische Gesetzgebung zur Herstellung eines frei verfügbaren Grundeigentums, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976, 3; Goeke, U., Das Grundeigentum im Luftraum und im Erdreich, 1999; Bertram, K., Die Gesetzgebung zur Neuregelung des Grundbuchs in der ersten Phase der freanzösischen Revolution, 2000

Grundentlastung ist die Aufhebung der Grundherrschaft (und Patrimonialge­richts­barkeit) (z. B. in Österreich durch Grundent­lastungspatent vom 30. 8. 1848 Richstag/7. 9. 1848 Kaiser auf Antrag Hans Kudlichs vom 26. 7. 1848, geldliche Abwicklung durch Entschädigungszahlung der Bauern innerhalb zehner Jahre weitgehend gelungen). →Bauernbefreiung.

Gründerleihe ist die Bodenleihe an Siedlungsgründer (z. B. Gent 941, Holländer an der Unterelbe 1106, Freiburg im Breisgau 1120?) als freie Erbleihe.

Lit.: Arnold, W., Zur Geschichte des Eigentums, 1861; Kroeschell, K., Weichbild, 1960

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutsch­land ist (im losen sprachlichen Anschluss an ältere [lat.] leges fundamentales, grund­legende Gesetze) die Verfassung(sur­kunde) der Bundes­re­publik Deutschland vom 23. 5. 1949 (am 8. 5. 1949 für eine Übergangszeit beschlossen, mit 24. 5. 1949 in Kraft). Das G. entsteht auf Veranlassung der westlichen Besatzungsmächte des Deutschen Reiches. Ein von den 11 Ministerpräsidenten berufener Verfassungskonvent arbeitet vom 10. bis 23. 8. 1948 auf Herrenchiemsee einen Entwurf eines vorläufigen Organisations­statuts aus. Dieser wird von einem →Parlamentarischen Rat in Bonn überarbeitet, von den drei westlichen Militärgouverneuren genehmigt und von den Vertretungen von 10 der 11 damaligen Länder angenommen. Er versteht die Bundesrepublik Deutschland als Bun­desstaat, Rechtsstaat, Sozialstaat, Re­publik und streitbare Demokratie und gliedert sich in einen Grundrechtsteil (mit unmittelbarer Geltung) und einen Orga­nisationsteil (Bun­desstaat, Bundes­tag, Bundesrat, Bundes­prä­sident, Bundes­kanzler, Bundesver­fassungsgericht und [5 weitere] Bundes­gerichte). Es ist inzwischen vielfach geändert, trägt aber noch den ursprünglichen Namen, der informell auch mit Bonn in Beziehung gebracht werden kann (Bonner Grundgesetz). Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts haben unmittelbare Geltung. Im Zuge von Europäisierung und Globalisierung sind geschichtliche Einzelheiten vermutlich zu überdenken.

Lit.: Köbler, DRG 256; Maunz, T./Zippelius, R./Würtenberger, T., Deutsches Staatsrecht, 32. A. 2008; Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Becker, J., 1979; Buchner, P., Der Ver­fassungskonvent auf Herren­chiemsee, 1981; Diestel­kamp, B., Die Verfassungsentwicklung in den Westzonen, NJW 1989, 1312; Das Grundgesetz und die Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Benz, W. u. a., 1989; Robbers, G., Die Änderungen des Grund­gesetzes, NJW 1989, 1125; Das Grundgesetz. Dokumentation seiner Entstehung, hg. v. Schneider, H., Bd. 1ff. 1990ff.; Wehner, G., Die Westalliierten und das Grundgesetz, 1994; Kahl, W., Die Entstehung des Grundgesetzes, JuS 1997, 1083; Bauer, A./Jestedt, M., Das Grundgesetz im Wortlaut, 1997; Niclauß, K., Der Weg zum Grundgesetz, 1998; Wilms, H., Ausländische Einwirkungen auf die Entstehung des Grundgesetzes, 1999; Wilms, H., Die Entstehung des Grundgesetzes, 1999; Schneider, H., 50 Jahre Grundgesetz, NJW 1999, 1497; Die Entstehung des Grundgesetzes, hg., v. Feldkamp, M., 1999; Auf dem Weg zum Grundgesetz, hg. v. Brakelmann, G., 1999; Dokumente zur neuesten deutschen Verfassungsge­schichte, hg. v. Wilms, H., 2001; Spevack, E., Allied Control and German Freedom, 2002; Ausländische Einwirkungen auf die Entstehung des Grundgesetzes – Dokumente -, hg. v. Wilms, H., 2003; Frankenberg, G., Grundgesetz, 2004; Das Grundgesetz zwischen Stabilität und Veränderung, hg. v. Huber, P., 2007; Grundgesetz - Textausgabe mit sämtlichen Ände­rungen, hg. v. Dreier, H. u. a., 2006, 2. A. 2007, 4. A. 2009, 5. A. 2010, 6. A. 2011, 7. A: 2012, 8. A. 2013;: 60 Jahre Grundgesetz, hg. v. Stern, K., 2010; Bauer, J., Der Beitrag der FDP-Fraktion im Parlamentarischen Rat zur Ausarbeitung des Grundgesetzes, 2013

Grundgesetz über die Reichsvertetung →Februarverfassung (1861)

Grundherr →Grundherrschaft

Grundherrschaft (M. 19. Jh.s) ist die von einem (weltlichen oder geistlichen) Grund­herrn (z. B. König, Herzog, Bischof, Abt) beherrschte Gesamtheit von Gütern samt den darauf befindlichen Leuten, die dieser von einem Haupthof (→Fronhof, Salhof) aus mit Hilfe abhängiger Bauern (Grundholden, Hintersassen) be­wirtschaf­tet (so genannte Villikationsver­fassung). Bereits im Altertum finden sich Verbindungen von umfangrei­chem Ei­gentum an Grund­stücken und Herrschafts­rechten über Menschen. Wie weit die Germanen Vor­formen der G. kennen, ist trotz der Hinweise Tacitus’ nicht sicher. Jedenfalls ist bereits im Frühmittelalter die G. (als Herrschaft über Land und Leute mit bis zu 5000 Höfen) im Reich der Franken weit verbreitet. In sie treten Bauern häufig durch Vergebung ihres Hofes an einen Herren ein. Die meist unfreien Hintersassen haben für die Nutzung des ihnen überlassenen Grundstücks →Abga­ben und →Dienste zu leisten. Der Grundherr gewährt (außer Landnutzung) Schutz und Schirm. Die G. ist ein wichtiger Ausgangs­punkt für die Bildung von Landesherrschaft. Der Grundherr erlangt danach vielfach Patrimonial­gerichts­barkeit und Polizeigewalt. Mit dem Eindringen der Geldwirtschaft im Hochmit­tel­alter wird die G. zur →Renten­grund­herrschaft, in der Herr­schaftsrechte allmählich auf den Staat übergehen. Im Nordosten des Reiches entwickelt sich die G. seit dem Spätmittelalter zur →Guts­herrschaft. Wo die Grundherren die Ei­genwirtschaft aufgeben und das betref­fende Land an Bauern ausgeben, entfällt die Verpflichtung zu Frondienst. Bereits im 15. Jh. können unterschiedliche Arten von Herrschaft über Land aus der G. entwickelt sein. Seit dem ausgehenden 18. Jh. wird die G. bis zur Mitte des 19. Jhs. allgemein beseitigt (→Bauern­befreiung, Ablösungsgesetzgebung, Öster­reich Grund­ent­las­tungspatent vom 30. 8. 1848 Reichstag/7. 9. 1848 Kaiser). Grund­sätzlich ist die (bäuerliche) G. vom (adligen) →Lehen streng zu trennen.

Lit.: Köbler, DRG 16, 28, 32, 51, 77, 96, 111, 133, 174; Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwest­deutschland, 1896; Knapp, T., Die Grundherrschaft im südwestlichen Deutschland, ZRG GA 22 (1901), 48; Kötzschke, R., Studien zur Verwaltungsgeschichte der Großgrundherrschaft Werden, 1901; Stengel, E., Grundherrschaft und Immunität, ZRG GA 25 (1904), 286; Fehr, H., Die Grundherrschaft im Sachsenspiegel, ZRG GA 30 (1909), 264; Grosch, G., Mark­genossenschaft und Großgrundherrschaft im früheren Mittelalter, 1911; Hofbauer, S., Die Ausbildung der großen Grundherrschaften im Reiche der Merowinger, 1927; Klein, H., Die bäuerlichen Eigenleute des Erzstifts Salzburg im Mittelalter, Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 73 (1933), 74 (1934); Perrin, C., Recherches sur la seigneurie rurale, 1935; Lütge, F., Die mitteldeutsche Grundherrschaft, 1934, 2. A. 1957; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer in der deutschen Kaiserzeit, 1939; Klebel, E., Die Grundherrschaften um die Stadt Villach, Archiv für vaterländische Geschichte 27 (1942); Adel und Bauern im deutschen Staat des Mittelalters, hg. v. Mayer, T., 1943; Kötzschke, R., Salhof und Siedelhof im älteren deutschen Agrarwresen, 1953; Schreiber, A., Rudolfingen, 1954; Kirchner, G., Probleme der spätmittelalterlichen Klostergrund­herrschaft in Bayern, Z. f. bay. LG. 19 (1956), 1; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Sprandel, R., Das Kloster St. Gallen, 1958; Bergengruen, A., Adel und Grundherrschaft im Merovingerreich, 1958; Lennard, R., Rural England, 1959; Feigl, H., Die niederösterreichische Grundherrschaft, 1964; Kuchen­buch, L., Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherrschaft im 9. Jahrhundert, 1978; Henning, F., Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft in Deutschland, Bd. 1f. 1978f.; Lindkvist, T., Landborna i Norden, 1979; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., 1983; Vassberg, D., Land and Society in Golden Age Castile, 1984; Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v. Rösener, W., 1989; Braasch-Schwersmann, U., Das Deutschordenshaus Marburg, 1989; Grundherrschaft und Stadtentstehung am Niederrhein, hg. v. Fink, K. u. a., 1989; Rösener, W., Grundherrschaft im Wandel, 1991; Kuchenbuch, L., Grundherrschaft, 1991; Rösener, W., Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter, 1992; Troßbach, W., Bauern 1648-1806, 1993; Scherner, K., Ut propriam familiam nutriat - Zur Frage der sozialen Sicherung in der karolingischen Grundherrschaft, ZRG GA 111 (1994), 330; Čechura, J., Die Struktur der Grundherrschaften im mittelalterlichen Böhmen, 1994; Simon, T., Grundherrschaft und Vogtei, 1995; Grundherrschaft und bäuerliche Gesellschaft im Hochmittelalter, hg. v. Rösener, W., 1995; Strutture e trasformazioni della signoria rurale, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1996; Grundherrschaft – Kirche – Stadt zwischen Maas und Rhein während des hohen Mittelalters, hg. v. Haverkamp, A. u. a., 1997; Otto, G., Die Arbeitsverfassung der bayerischen Grundherrschaft, 1998; Kuchenbuch, L., Abschied von der „Grundherrschaft“, ZRG GA 121 (2004), 1; Grüninger, S., Grundherrschaft im frühmittelalterlichen Churrä­tien, 2006 Winkelbauer, T., Gundaker von Liechten­stein als Grundherr, 2008; Heuvel, G. van den, Adlige Herrschaft, bäuerlicher Widerstand und territorialstaatliche Souveränität, 2011; Rösener, W., Die Grundherrschaft als Forschungskonzept, ZRG GA 120 (2012), 41; Stamm, V., Grundbesitz in einer spätmittelalterlichen Marktgemeinde, 2013 (Gries bei Bozen); Freudenberg, S., Trado atque dono, 2013; Kuchenbuch, L., Die Neuwerker Bauern und ihre Nachbarn im 14. Jahrhundert, 2013

Grundholde →Grundherrschaft

Grundlagenvertrag ist der am 21. 12. 1972/6. 6. 1973 zwischen Bundesrepublik Deutschland und Deutscher Demokratischer Republik abgeschlossene Vertrag.

Lit.: Nakath, D., Die Verhandlungen zum deutsch-deutschen Grundlagenvertrag 1972, 1993

Grundpfandrecht ist (als abstrakte wissenschaftliche Gattungsbezeichnung) das in der Verpfändung eines Grundstücks bestehende beschränkte dingliche Recht (besitzloses Pfandrecht des Grundpfand­gläubigers an einem Grund­stück). →Hypothek, →Grund­schuld

Lit.: Köbler, DRG 212; Meibom, V. v., Das deutsche Pfandrecht, 1867; Mutzner, P., Geschichte des Grundpfandrechts in Graubünden, 1909; Weyermann, M., Zur Geschichte des Immobiliarkreditwesens in Preußen, 1910; Planitz, H., Das Grundpfandrecht in den Kölner Schreinskarten, ZRG GA 54 (1934), 1; Hedemann, H., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jh., II 2 1935, Neudruck 1968, 192; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936, Neudruck 1983; Herold, P., Geschichte des Zürcher Grundpfandrechts, 1939; Natzel, N., Die Entwicklung des vertraglichen Grundpfandrechts, Diss. jur. Bochum 1970; Schulin, H., Zur Entwicklung des Grundpfandrechts in der Schweiz, (in) Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976; Buchholz, S., Absstraktionsbegriff und Immobiliar­recht, 1978; Schapp, J., Zum Wesen des Grundpfandrechts (in) Geschichtliche Rechts­wissenschaft, hg. v. Köbler, G. u. a., 1990, 477

Grundrecht ist das dem Einzelnen zu­stehende, verfassungsmäßig verbürgte ele­men­tare Recht gegen den Staat als einheitlichen Herrschaftsträger (subjek­ti­ves öffentliches Recht). Eine lose Vorform des Grundrechts wird in den Rechten sichtbar, die der englische König Johann Ohneland am 15. 6. 1215 den Baronen in der (lat.) →Magna Charta (F.) libertatum (große Urkunde der Freiheiten) als Privileg verbriefen muss (z. B. Steuerbewilligung, Pairsgericht). Zur gleichen Zeit sehen einzelne naturrechtliche Theoretiker (Thomas von Aquin 1225-1274) Leben, Freiheit und Eigentum als dem Zugriff des Staates entzogene allgemeine Rechte des Menschen an. In der Neuzeit betonen die Erklärung vom Dordrecht (15./16. 7. 1572) in den Niederlanden sowie Petition of Rights (1628), Habeas-Corpus-Act (1679) und Declaration of Rights (1689) in England besondere Rechte des Einzelnen. In den Einzelstaaten Nordamerikas finden zu Beginn des Unabhängigkeitskriegs gegen England auch fundamentale Rechte ([engl.] inherent rights, unalienable rights, [franz.] 1770 droits fundamentaux) des Einzelnen in die formellen Verfassungen (12. 6. 1776 Virginia Bill of Rights) Eingang (26. 8. 1789 Déclaration des droits de l’homme et du citoyen 26. 8. 1789 Frankreich). Nach Emanuel Joseph Sieyès (1748-1836, Januar 1789) ist man nicht durch Privilegien frei, sondern durch Rechte, die - entsprechend der französischen Re­volutions­forderung der Gleichheit - allen gehören. 1791 wird die Verfayssung der Vereinigten Staaten von Amerika mit den ersten zehn amendments um die (Federal) Bill of Rights ergänzt. Dem folgen deutsche Verfassungen im 19. und 20. Jh. (schwach ausgeprägt in Bayern und Baden 1818 und Württemberg 1819, Österreich 25. 4. 1848 nur Staatszielbestimmungen, Kremsierer Entwurf, 4. 3. 1849 Grund­rechtspatent für Cislei­thanien, im Silves­terpatent 1851 aufgehoben, sehr modern „Grundrechte“ des geplanten aber gescheiterten Deutschen Reiches 27. 12. 1848 [17. 1. 1849 in Kraft und zwar auch für Österreich, 23. 8. 1851 durch Beschluss des Deutschen Bundes aufgehoben], eher rück­ständig Preußen 1850, nicht die Verfassung von 1871, Österreich 21. 12. 1867), wobei sich viele Grundrechte bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom politischen Programm­satz zum einlösbaren Rechtsan­spruch wandeln. Inhaltlich bilden die verschiedenen Formen der →Freiheit und der →Gleichheit (→Gleichheits­grund­satz) den Kern der in erster Linie gegen den Staat gerichteten Grundrechte, die darüber hinaus selbst Grundlage von Herrschaft und sozialer Sicherung sein sollen. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland stärkt die Bedeutung der politisch-liberalen Freiheits­rechte und Gleichheitsrechte in vielfacher Hinsicht, so dass sie nicht zuletzt durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsge­richts eine kaum zu überschätzende Be­deutung für die Gesamtrechtsordnung ge­winnen. →Menschenrecht, Charta der Grund­rechte der Europäischen Union vom 12. 12. 2007, seit 1. 12. 2009 den Gemein­schafts­verträgen gleichgestellt

Lit.: Köbler, DRG 191, 194, 195, 231, 232, 257; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 1047; Mommsen, T., Die Grundrechte des deutschen Volkes, 1849, Neudruck 1969; Fürstenau, H., Das Grundrecht der Religionsfreiheit, 1891; Eckhardt, E., Die Grundrechte vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart, 1913; Jellinek, G., Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 4. A. 1927 (e-book 2013); Grundrechte und Grund­pflichten der Reichsverfassung, hg. v. Nipperdey, H., Bd. 1ff. 1929ff.; Voigt, A., Geschichte der Grundrechte, 1948; Bohatec, J., England und die Geschichte der Menschen- und Bürgerrechte, 1956; Genzmer, H., Die Grundrechte in der Hamburger Konstituamte, Diss. jur. Hamburg 1957; Schnur, R., Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, 1964; Oestreich, G., Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriss, 1968, 2. A. 1978; Hartung, F., Die Entwicklung der Menschen und Bürgerrechte, 4. A. 1972; Die Grundrechtsdiskussion in der Paulskirche, hg. v. Scholler, H., 1973; Rimscha, W. v., Die Grundrechte im süddeutschen Konstitutionalismus, 1973; Huber, E., Grundrechte im Bismarkschen Reichssystem, FS U. Scheuner, 1973, 163; Oestreich, G., Geschichte der Menschenrechte und Grund­freiheiten, 2. A. 1978; Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981; Grundrechte im 19. Jahrhundert, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1982; Starck, C., Entwicklung der Grundrechte, 1982; Sutter, B., Die Entwicklung der Grundrechte, 1982; Loew, W., Die Grundrechte, 2. A. 1982; Stern, K., Grundideen europäisch-amerikanischer Verfassungsstaatlichkeit, 1984; Köck, H., Der Beitrag der Schule von Salamanca zur Entwicklung der Lehre von den Grundrechten, 1987; Eisenhardt, U., Die gerichtliche Überprüfung, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, 1987, 75; Grund- und Freiheitsrechte von der ständischen zur spätbürgerlichen Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G., 1987; Brauneder, W., Geschichte der Grundrechte in Österreich, 1992; Dreier, H., Dimensionen der Grundrechte, 1993; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Oechsle, K., Die steuerlichen Grundrechte, 1993; Schmale, W., Archäologie der Grund- und Menschenrechte, 1997; Kröger, K., Grundrechtsentwicklung, 1998; Mohnhaupt, H., Von den leges fundamentales, Ius commune 25 (1998), 121; Hufen, E., Entstehung und Entwicklung der Grundrechte, NJW 1999, 1504; Lamprecht, R., Vom Untertan zum Bürger, 1999; Müller, J., Grundrechte in der Schweiz, 1999; Eisenhardt, U., Zur Entwicklung des Grund­rechts­verständnisses, FS A. Söllner, 2000; Die Grundrechte im Spiegel des Plakats, hg. v. Artinger, K., 2000; Austermühle, G., Zur Entstehung und Entwicklung eines persönlichen Geheimsphärenschutzes, 2002; Das Menschenbild der Grundrechte, hg. v. Schünemann, B. u. a., 2002; Schäfer, H., Die ungeschriebenen Freiheits­rechte in der schweizerischen Bundesverfassung, 2002; Quellen zur Entstehung der Grundrechte in Deutschland, hg. v. Fikentscher, W. u. a., 2002; Köster, F., Entstehungsgeschichte der Grundrechtsbe­stim­mun­gen des zweiten Hauptteils der Weimarer Reichsver­fassung, 2003; Handbuch der Grundrechte, hg. v. Merten, D. u. a., Bd. 1ff. 2004ff.; Goller, P./Oberkofler, G., Grundrechtskatalog für Österreich?, 2004; Pauly, W., Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004; Suppé, R., Die Grund- und Menschenrechte in der Staatslehre des 19. Jahrhunderts, 2004; Das Lüth-Urteil, hg. v. Henne, T. u. a., 2005; Hilker, J., Grundrechte im deutschen Frühkonstitutionalismus, 2005; Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Stern, K., Bd. 4 2006f.; Mahlmann, M., Elemente einer ethischen Grundrechtstheorie, 2008; Pannenborg, E., Inhalt und Bedeutung der Grundrechte der Paulskirchenverfassung von 1848/49, 2013

Grundrente ist der Ertrag, den der Grund (Grundstück) ohne Arbeitsaufwand und Kapitalaufwand des Eigentümers abwirft. Die G. ist eine vermögensrechtliche →Reallast ohne persönliche oder dingliche Abhängig­keit. Sie hat sich vermutlich aus der →Erbleihe entwickelt. Später wird die G. vor allem durch →Rentenkauf geschaffen. Seit dem 14. Jh. überwiegt die Geldrente die Rente in Naturalleistungen. In der Neuzeit wird die G. durch das verzinsliche hypothekarisch ge­sicherte →Darlehen ersetzt. Mit der Be­seitigung des kanonischen Zinsverbots wird sie entbehrlich und in ihren Resten bei der Gundentlastung des 19. Jh.s aufgehoben. In einem anderen Sinn ist Grundrente auch eine Mindestrente im Rahmen der Sozialab­sicherung.

Lit.: Hübner 397; Delbanco, G., Entwicklungs­ge­schichte der Grundrentelehre, 1921; Patzig, R., Kri­tische Dogmengeschichte der Grundrente, 1923 (masch. schr.); Winter, H., Der Rentenkauf in der freien Reichsstadt Schweinfurt, 1970

Grundruhr ist die Berührung des Grundes durch ein Schiff (beim Schiffbruch). Die anfängliche Folge der G. ist, dass das Gut (anfangs einschließlich der Besatzung) dem zufällt, der es (auf seinem Grund und Boden) in Besitz nimmt. Seit dem 12. Jh. wird dies von Kirche (1110, 1179) und Kaiser (1177) bekämpft und durch das Strandregal zu ersetzen versucht. Das Völkerrecht der Gegenwart gesteht ein Strandrecht bzw. Bergerecht dem Küstenstaat zu.

Lit.: Kämpffer, J., Jus appulsus, Diss. jur. Jena 1680; Nittemaa, V., Das Strandrecht in Nordeuropa im Mittelalter, 1955

Grundschuld (1807) ist eine Belastung eines Grundstücks in der Weise, dass an den, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist. Die in Mecklenburg ausgebildete G. wird 1900 in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 213; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Grundsteuer ist die von →Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten zu ent­richtende →Steuer. Sie wird bereits von dem römischen Kaiser Diokletian (284-313/316) erhoben. Der frühneuzeitliche Staat greift dies wieder auf. Wegen der bisher eher geringen Höhe ist künftig mit verstärkter Abschöpfung zu rechnen.

Lit.: Köbler, DRG 55, 152; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. unv. A. 1992

Grundstück (1571, nach 1650?) ist der abgegrenzte Teil der Erdoberfläche (, der im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblatts unter einer besonderen Nummer gebucht ist). Im römischen Recht sind die italischen Grund­stücke (lat.) →res (F.Pl.) mancipi (handgreifbare Sachen), die durch (lat.) mancipatio) übertragen werden. Im deutschen Recht wird das G. vielfach anders behandelt als die bewegliche Sache. Dementsprechend wird nach dem deutschen Bürgerlichen Ge­setzbuch (1900) das Eigentum an beweg­lichen Sachen grundsätzlich durch Einigung und Übergabe, das Eigentum an Grund­stücken durch Einigung (Auflassung) und Eintragung in das Grundbuch übertragen. Im 20. Jh. ist der Erwerb landwirt­schaftlich genutzter Grundstücke durch das Erfordernis staatlicher Geneh­migung eingeschränkt (Grund­stücks­ver­kehrs­bekannt­machung vom 15. 3. 1918, Grundstücksverkehrs­gesetz vom 28. 7. 1961, österreichische Grundverkehrs­ord­nung vom 9. 8. 1915, Grundver­kehrs­gesetz 1919).

Lit.: Kaser §§ 18, 28; Hübner 181; Köbler, DRG 90; Böckel, F., Die Grundstücksübereignung in Sachsen-Weimar-Eisenach, 1911; Hallermann, H., Die Erbleihe an Grundstücken in den westfälischen Städten, 1925; Richter, G., Die Grundstücksübertragung im ostfälischen Sachsen, 1934; Merk, W., Die Grundstücksübertragung in Meersburg am Bodensee, ZRG GA 55 (1935), 169, 56 (1936), 1; Richter, G., Die Grundstücksübereignung im ostfälischen Sachsen, 1934; Conrad, H., Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung in Köln während des Mittelalters, 1935; Mayer-Edenhauser, T., Das Recht der Liegenschaftsübereignung in Freiburg, 1937; Voser, P., Die altdeutsche Liegenschaftsübereignung, 1957; Köbler, G., Die rechtliche Regelung des Eigentumserwerbs an Grundstücken in Preußen, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1967, 201; Müller, W., Fertigung und Gelöbnis mit dem Gerichtsstab, 1976; Hofmeister, H., Zur Entwicklung des Eigentumserwerbs an Grundstücken und des Grund­kredits in Österreich unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses der preußischen Gesetzgebung von 1872, Wissenschaft und Kodifikation 3, 1976, 346; Hofmeister, H., Die Grundsätze des Liegenschaftserwerbs in der österreichischen Privatrechtsentwicklung seit dem 18. Jahrhundert, 1977; Joswig, D., Die germanische Grundstücks­übertragung, 1984; Schwenk, A., Die Formbestimmung des § 313 BGB a. F., 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Gründungsstadt ist die durch bewusste Gründungshandlung geschaffene →Stadt (z. B. Freiburg im Breisgau 1120?).

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Grundvertrag →Grundlagenvertrag

Grüne

Lit.: Mende, S., „Nicht rechts, nicht links, sondern vorn“. Eine Geschichte der Gründungsgrünen, 2011

Grupen, Christian Ulrich (1692-1767)

Lit.: Hoppenstedt, D., Christian Ulrich Grupen als Jurist und Rechtshistoriker, Hannoversche Geschichtsblätter, neue Folge 25 (1971)

Gubernium ist die ab 1744 von Maria Theresia auf Betreiben Haugwitz‘ in den einzelnen Ländern unter Ausschluss stän­discher Mitwirkung eingerichtete absolu­tis­tische Zentralstaatsbehörde für politische Verwaltung und Finanzverwaltung (Reprä­sentation und Kammer), von der 1763 die Finanzverwaltung abgetrennt wird, zu der aber die Justiz hinzukommt (in Österreich unter der Enns und in Schlesien Regierung). 1782 wird vom G. das Appellationsgericht verselbständigt. 1849 wird das G. durch die Statthalterei ersetzt.

Lit.: Buchmann, W., Hof - Regierung - Stadt­verwaltung, 2002; Küpper, H., Einführung in die Rechts­geschichte Osteuropas, 2005

Gudelinus (Goudelin), Petrus (Ath 1550-Löwen 1619) wird nach dem Rechtsstudium (1567) in Löwen und einer Tätigkeit als Advokat 1582 Professor in Löwen. In seinen posthum veröffentlichten Werken verbindet er römisches Recht mit den Gewohnheitsrechten der Niederlande und Frankreichs.

Lit.: Leuven. 550 jaar universiteit, 1976, 301

Guilelmus de Cuneo ist ein in Südfrankreich vielleicht um 1270 geborener, promovierter, zeit­weise in Toulouse lehrender Jurist (lecturae, additiones ad glossam, Traktate).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 567

Gulathingsbok ist das in einer in Kopenhagen aufbewahrten Handschrift der Mitte des 13. Jh.s (Codex Rantzovianus um 1250) und in weiteren Fragmenten (um 1180?, um 1200) überlieferte, vielleicht in verschiedenen Redaktionen (Olavstext, Magnustext) des späten 11. bis 13. Jh.s gefasste Recht des Things von Gula (Gulen) nahe dem Sognefjord, das die älteste norwegische Rechtsaufzeichnung darstellt (daneben Frostathingsbok, Eidsivathingsbok, Borgarthingsbok). Es behandelt in zehn Abschnitten etwa Kirche (Christenrecht), Familie, Erbe, Strafe, Landleihe und Handel. 1267 setzt König →Mag­nus Hakonarson eine neue, nur in ihrem Christenrecht erhaltene G. in Kraft (bis 1274). Zahl­reiche Bestimmungen werden 1274 in das norwegische Reichsrecht (Landslag) übernom­men.

Lit.: Maurer, K., DIe Entstehungszeit der älteren Gulathingslög, 1872; Norwegisches Recht. Das Rechtsbuch des Gulathings, hg. v. Meißner, R., 1935; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 112; Sveaas Andersen, P., Samlingen av Norge, 1977, 247

Gülte, Gült (zum Zeitwort gelten), ist eine Bezeichnung für die mittelalterliche →Grundrente.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Adler, S., Das Gültbuch von Nieder- und Oberösterreich, 1898; Maidhof, A., Das Passauer Gültenwesen, Die ostbairischen Grenzmarken 16 (1927), 313, 358

Gundling, Nicolaus Hieronymus (Kirchensit­tenbach 25. 2. 1671-Halle 9. 12. 1729), Pfarrerssohn, wird nach dem Studium der Theologie in Altdorf, Jena, Leipzig und Altdorf 1699 Hofmeister in Halle. Als Schüler Tho­masius’ und wohl Stryks wird er nach der Promotion (12. 7. 1703) 1705 Professor für Beredsamkeit und Naturrecht in Halle (Abriss zu einer rechten Reichshistorie, 1708). Er befasst sich auch mit Fragen des Buchnach­drucks.

Lit.: Hempel, C., Nicolai Hieron. Gundlings umständliches Leben und Schriften, 1736; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 302

Gürtel ist das zum Zusammenhalten oder Hochhalten der Bekleidung in der Leibesmitte dienende Band. Der G. ist auch Gegenstand der Rechtssymbolik.

Lit.: Schopphoff, C. Der Gürtel, 2009

Gutachten ist die Beurteilung einer Frage durch einen Fachmann. Bereits die klassische römische Jurisprudenz ist dadurch gekennzeichnet, dass seit Augustinus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) einzelnen Rechtskundigen (sog. Respondierjuristen) das Recht verliehen wird, auf eine Anfrage im Namen des Staatsoberhaupts (lat. [M.] princeps) eine gutachtliche Antwort (lat. [N.] responsum) zu erteilen, welcher der (lat. [M.] iudex) Richter zu folgen hat. Seit dem 13. Jh. erteilen die oberitalienischen Juristen (→Konsiliatoren, z. B. Johannes Bassianus als Schüler des →Bulgarus, Azo [1150?-1220]) G. Mit der →Aktenversendung beginnt seit dem 14. Jh.eine reiche gutachterliche Tätigkeit der juristischen Fakultäten (bis 1877/1879) und entsteht ein Markt, auf dem rechtswissenschaftliche Dienst­leistungen in großer Zahl angeboten und nachgefragt werden. Die Technik des Gutachtens geht von der aufgeworfenen Frage des Bestellers aus und folgert von Voraussetzungen auf ein Ergebnis hin.

Lit.: Söllner §§ 9, 10, 14, 15, 17; Köbler, DRG 107; Seeger, H., Die strafrechtlichen Consilia Tubingensia, 1877; Kohler, J./Liesegang, E., Das römische Recht am Niederrhein, Bd. 1f. 1896ff.; Klugkist, E., Die Göttinger Juristenfakultät als Spruchkollegium, Diss. jur. Göttingen 1951 masch.schr.; Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger Juristenfakultät, Diss. jur. Erlangen 1952; Mayer, H., Die Bedeutung der Rechtsgutachten in der Rezeptionszeit, Diss. jur. Basel (um 1962); Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Schikora, A., Die Spruchpraxis an der juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Kempter, F., Die Gutachten- und Urteilstätigkeit der Juristenfakultät Ingolstadt-Landshut-München, Diss. jur. Mannheim 1976; Falk, U., Consilia. Studien zur Praxis der Rechtsgutachten in der frühen Neuzeit, 2006; Lange, H., Recht und Macht, 2010

Gutalagh ist das vielleicht um 1220 auf Betreiben Erzbischof Andreas Sunesons oder nach 1285 (str.) in der Volksversammlung nach norwegischem Vorbild entstandene, in zwei Handschriften (um 1350, [1470 bzw.] 1587) überlieferte, bis 1595 gebrauchte, ziemlich selbständige Recht (der Bauern) der Insel Gotland (Schwedens), das um 1400 in die deutsche Sprache und im 16. Jh. in die dänische Sprache übersetzt wird.

Lit.: Wessén, E., Lex Gotlandiae, 1945; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 108; Sjöholm, E., Gesetze als Quellen mittelalterlicher Geschichte, 1976; Pernler. S., Gotlands medeltida kyrkoliv, 1977

Gütergemeinschaft (Wort 1772) ist der (vertragliche) Güterstand, bei dem grundsätzlich das gesamte Vermögen der Ehegatten, das sie bei Eingehung der →Ehe haben oder später erwerben, kraft Gesetzes gemeinschaftliches Vermögen (Gesamtgut) wird. Die G. findet sich bereits im Frühmittelalter bei Franken und Westfalen in der Form der →Errun­genschaftsgemeinschaft. Im Hochmittel­alter dringt sie in örtlich recht verschiedener Form weiter vor, wobei die Verwaltung der Güter grundsätzlich dem Mann zusteht. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) lässt die G. zu (vgl. § 1234 ABGB), erschwert sie aber (bevorzugte G. auf den Todesfall rechtstatsächlich be­deutungslos). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird die für rund 11 Millionen Menschen bestehende allge­meine Gütergemeinschaft zu einem vertraglich festlegbaren Ehegüterstand (Wahlgüterstand), für den der Grundsatz der →Gesamthand gilt.

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 88, 122, 161, 207, 210, 267; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Possel-Dölken, P., Das westfälische eheliche Güterrecht im 19. Jahrhundert, 1978; Schmüser, S., Die Anwendung der Vorschriften des allgemeinen Landrechts, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Jelowik, L., Gütergemeinschaft als Bürgschaftshindernis im Fuldaer Recht um 1890, ZRG GA 129 (20^12), 409

Guter Glaube (1429) ist das Vertrauen auf die Richtigkeit eines Anscheins. Im römischen Recht ist die (lat.) bona fides (gute Treue) Geltungsgrundlage und Beurteilungs­maßstab formloser Konsen­sual­verträge (Treu und Glauben) und gilt (nach D. 50, 17, 54) der Grundsatz (lat.) →nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet (niemand kann mehr Rechte übertragen als er hat), so dass nur der wahre Berechtigte ein Recht übertragen kann, doch schützt bei freiwillig aus der Hand gegebenen Sachen (also nicht bei gestohlenen, verlorenen oder [in klassischer Zeit auch] unterschlagenenen Sachen) ein rechtmäßiger Erwerbsgrund (z. B. Kauf) nach Ablauf der einjährigen Er­sitzungsfrist den Erwerber vor dem He­rausgabeanspruch des Berechtigten. Dem­gegenüber sichern hochmittelalterliche deutsche Quellen (z. B. Sachsenspiegel II, 60, 1) den Erwerber von Sachen, die der Berechtigte freiwillig aus der Hand gegeben hat, ohne dass Unkenntnis des Rechtsmangels vom Dritten verlangt wird. Das lübische Recht führt 1586 im Interesse des Verkehrsschutzes den gutgläubigen Erwerb an beweglichen Sachen (Fahrnis) ein. Der Entwurf gebliebene (lat.) Codex (M.) Theresianus (1766, II, 8 § 4, vgl. § 367 ABGB von 1811) lässt den sofortigen Erwerb durch den gutgläubigen Erwerber in bestimmten Fällen zu. Gedanklich beeinflusst könnte dabei die Formulierung g. G. von der lateinischen bona fides (F.) (guten Treue) sein. Nach Kant entspricht der gutgläubige Erwerb distributiver Gerech­tigkeit. Art. 306 ADHGB (1861) teilt bei nicht gestohlenen oder verlorenen beweglichen Sachen dem redlichen Erwerber in einem Handelsbetrieb das Eigentum zu. Dem folgen das Bürgerliche Gesetzbuch 1900 und das Schweizer Recht (vgl. auch §§ 892f. BGB, Art. 973f. ZGB für Grundtücksrechte, während das Zivil­gesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik (1975-1990) einen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten für nicht erforderlich hält.

Lit.: Hübner 433; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 212; Bruns, C., Das Wesen der bona fides bei der Ersitzung, 1872; Hübner, H., Der Rechtsverlust im Mobiliarsachenrecht, 1955; Kofferath, G., Stand der Forschung über die geschichtlichen Grundlagen des Gutglaubensschutzes (§§ 932ff. BGB), Diss. jur. Bonn 1962; Kaiser, M., Der gute Glaube im Codex iuris canonici, 1965; Söllner, A., Der Erwerb vom Nichtberechtigten in romanistischer Sicht, FS H. Coing, 1982, 389; Ogris, N., Guter Glaube an die Vertretungsmacht, 1987; Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, 1991; Scavo Lombaro, L., La buona fede nel diritto canonico 1995; Imbusch, B., Der gutgläubige rechtsgeschäftliche Erwerb gestohlener Sachen im deutschen Recht, 1999; Good Faith in European Contract Law, ed. by Zimmermann, R. u. a., 2000; Engstfeld, J., Der Erwerb vom Nichtberechtigten, 2002; Kiehnle, A., Der Erwerb kraft öffentlichen Glaubens in der württembergischen Pfandgesetz­gebung, 2004; Cardilli, R., Bona fides tra storia e sistema, 2004; Meyer, R., Bona fides und lex mercatoria in der europäischen Rechtstradition, 2004; Göhlert, T., Der Erwerb unterschlagener bzw. gestohlener Sachen vom Nichtberechtigten, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Güterrecht (1814, Güterrechtsregister 1895) →Ehegüterrecht

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Güterstand ist die Gesamtheit der güterrechtlichen Verhältnisse in einer Ehe. Eine vertragliche Regelung ist in bestimmten Grenzen möglich. Sonst gilt der so genannte gesetzliche G.

Gütertrennung (1846) ist der Ehegüter­stand, bei dem jeder Ehegatte alleiniger Berechtigter der ihm bei der Eheschließung gehörigen Güter bleibt und alleiniger Berechtigter der von ihm in der Ehe erworbenen Güter wird. Bei den Germanen wird, sofern die Frau Gut (Aussteuer, Unterhaltssicherung) in die Ehe einbringt, dieses Gut wohl vom Mann (nur) verwaltet. Dieser Güterstand der grund­sätzlichen Gütertrennung mit Ver­waltungs­einheit auf der Seite des Mannes, besteht anscheinend im Frühmittelalter bei den deutschen Stämmen mit Ausnahme der Franken und Westfalen. Später wird die G. von der →Gütergemeinschaft zurückge­drängt. Die neuzeitlichen Kodifika­tionen behandeln die G. als einen Regelgüterstand. In Österreich sieht § 1237 ABGB (1811/1812) Gütertrennung vor, die aber infolge verschiedener unklarer Vermutungen inhaltlich als „vermutete“ Verwaltungsge­mein­schaft verstanden wird. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist die G. ein Wahlgüterstand. Die mit dem Gleichbe­rechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 als Regelgüterstand festgelegte →Zugewinnge­meinschaft ist inhaltlich G. mit Wertausgleich der Zugewinne beider Ehegatten nach Auflösung der Ehe. Daneben ist die einfache G. zulässig.

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 88, 122, 161, 210, 267; Schröder R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Martitz, F., Das eheliche Güterrecht des Sachsenspiegels, 1867; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Gutes altes Recht ist das Schlagwort für die von Fritz Kern verbreitete Ansicht, dass das germanische Recht deswegen gegolten habe, weil es alt und gut gewesen sei, so dass im Mittelalter Recht nicht geschaffen, sondern nur nach Beseitigung der von den Menschen bewirkten Verdunkelung wiederentdeckt habe werden können. Diese Ansicht widerspricht der germanischen und mittelalterlichen Wirklich­keit, in der sich Recht unablässig entsprechend den menschlichen Bedürfnissen ausformt (z. B. Strafe, Inquisitionsprozess, Königswahl, Lehen, Grundherrschaft, Stadtrecht, Handelsrecht, Gesellschaft, Wechsel). Sie deckt sich unausgesprochen allerdings mit der christlichen Trias von Paradies, Sündenfall und Erlösung, der im Recht der göttliche Dekalog, die menschliche Verirrung (Rechts­verdunkelung) und die (Möglichkeit der) Rückkehr zum von Gott gegebenen (und deswegen notwendigerweise guten, alten) Recht entspricht, wie sie die christliche Kirche auch im Mittelalter verkündet. In der Gegenwart wird die Lehre Kerns als widerlegt angesehen, doch neigen manche Stimmen dazu, auf der Basis anthropologischer Uni­versalien dem Grundgedanken gleichwohl zuzustimmen.

Lit.: Kern, F., Über die mittelalterliche Anschauung vom Recht, HZ 115 (1916), 496; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Rückert, J., Die Rechtswerte der germanistischen Rechtsgeschichte im Wandel der Forschung, ZRG GA 111 (1994), 272; Köbler, G., Recht, Gesetz und Ordnung im Mittelalter, (in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 93; Willoweit, D., Vom guten alten Recht, Jb. d. historischen Kollegs, 1997, 23; Teuscher, S., Erzähltes Recht, 2007

Gute Sitten (lat. →boni mores [M.Pl.], Sg. bonus mos) sind die vom Recht für anerkennenswert gehaltenen Verhaltens­wei­sen. Im römischen Recht werden Geschäfte, die das (gute) Herkommen der Vorfahren (lat. [boni] mores [M.Pl.] maiorum) verletzen, wie bei­spiels­weise die Schenkung einer erwarteten Erbschaft eines noch lebenden Dritten, von den Juristen und den Kaisern als rechtswidrig bekämpft. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter werden die guten Sitten als Bewertungs­maßstab ab dem 16. Jh. in Stadtrechten und Landrechten übernommen (vgl. Art. 1131, 1133 code civil, §§ 79, 90 sächs. BGB, § 138 I BGB). Als unbestimmter Rechtsbegriff sind die g. S. schwer zu fassen.

Lit.: Kaser § 9 II; Köbler, DRG 43; Simitis, K., Gute Sitten und Ordre public, 1960; Schmidt, H., Die Lehre von der Sittenwidrigkeit der Rechtsgeschäfte in historischer Sicht, 1973; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 414; Wanner, J., Die Sittenwidrigkeit der Rechtsgeschäfte im totalitären Staa­te, 1996; Herzog, A., Sittenwidrige Rechtsge­schäfte, 2001; Ruff, H., Sittenwidrige Rechtsgeschäfte, 2007

Güteverfahren ist das auf Güte im Gegensatz zum Streit gegründete Verfahren innerhalb oder außerhalb der Gerichtsbarkeit. Seine Gedanken wirken sich wohl in Ver­handlungen über die Höhe einer Buße oder in Vereinbarungen von Schiedsgerichten bereits früh aus. Anscheinend schon im Ausgang des Mittelalters werden Richter auf die Vorteile eines Vergleichs besonders hingewiesen (Leipzig, Wittenberg). Nach Ansätzen etwa im jüngsten Reichsabschied von 1654 (Art. 110) und in Preußen (1737) gewährt die deutsche Reichszivilprozessordnung (1877/­187) dem Kläger die Befungnis, den Beklagten zu einem Sühneversuch zu laden. Nach wechselvollen Bestrebungen des 20. Jh.s wird in Deutschland aus Kos­tengesichtspunkten 2000 den Ländern die Möglichkeit eingeräumt, für bestimmte Klagen einen vorgeschalteten außergericht­lichen Güteversuch als Zulässigkeitsvoraus­setzung vorzusehen, wovon einige Länder Gebrauch machen. Seit dem 1. 1. 2002 sieht § 278 II ZPO grundsätzlich für die erste Instanz die Durchführung eines obligatorischen Gütetermins vor der mündlichen Verhandlung vor.

Lit.: Koch, C., Der preußische Zivilprozess, 2. A. 1855, Neudruck 1994; Sellert, W., Prozessgrundsätze und stilus curiae am Reichshofrat, 1973; Loschelder, M., Die österreichische allgemeine Gerichtsordnung von 1781, 1978; Ortlieb, E., Im Auftrag des Kaisers, 2001; Peters, B., Der Gütegedanke im deutschen Zivilpro­zess­recht, 2004

Gutglaubensschutz →guter Glaube

Gutgläubiger Erwerb ist der Erwerb einer nicht dem Veräußerer gehörigen Sache zu Lasten des Berechtigten durch einen Erwerber, der →guten Glauben in Bezug auf das Recht des Veräußerers haben, also den in Wirklichkeit nichtberechtigten Veräußerer (fälschlich) für den Eigentümer halten muss (z. B. gutgläubiger Erwerb beweglicher Sachen Codex Theresianus II, 8, § 4, ABGB § 367, ADHGB Art. 306, BGB § 932, gut­gläubiger Erwerb von Grundstücks­eigentum Württemberg 1828, Sachsen 1843, Preußen 1872). Der vom mittelalterlichen deutschen Recht geschützte, vom römischen Recht abgelehnte, von den naturrechtlichen Ge­setzbüchern aber in bestimmten Grenzen anerkannte gutgläubige Erwerb dient dem Verkehrsinteresse.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Anners, E., Hand wahre Hand, 1952; Anners, E., Äganderätt och handelsinteresse, 1960; Dünkel, H., Öffentliche Versteigerung und gutgläubiger Erwerb, 1970; Anners, E., Från lagtolkning till lagstiftning. Högsta domstolen och godtrosförvärven, 1989; Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, 1991; Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, ZEuP 1995, 398; Engstfeld, J., Der Erwerb vom Nichtberechtigten, 2002; Lang, N., Erwerberschutz in Europa, 2004; Kiehnle, A., Der Erwerb kraft öffentlichen Glaubens in der württembergischen Pfandgesetzgebung von 1825/1828 und im Bürgerlichen Gesetzbuch, 2004; Göhlert, T., Der Erwerb unterschlagener bzw. gestohlener Sachen vom Nichtberechtigten, 2007

Gutsgebiet ist in Österreich zwischen 1848 und 1918 das keiner Gemeinde angehörende, dem Eigentümer verwaltungsmäßig (ausge­nommen das Polizeistrafrecht) ohne gewählte Organe unterstehende Gebiet.

Gutsherrschaft ist das geschlossene, in Eigenwirtschaft durch Tagelöhner bewirtschaf­tete Großgrundeigentum (→Grund­herrschaft), in dem der Eigentümer meist auch die unteren hoheitlichen Befugnisse (Gerichtsbarkeit, Polizei) ausübt. Sie entsteht ohne scharfe Abgrenzung als Folge der mittelalterlichen Ostsiedlung, in welcher der oft ritterliche Siedlungs­unternehmer Vorrechte erlangt. Seit dem Spätmittelalter sieht sich der adlige, im Kriegswesen entbehrlich werdende Ritter darauf verwiesen, seine Eigenwirtschaft auszuweiten. Unter Verwendung der ihm vom Landesherrn überlassenen Herrschaftsrechte verdrängt er seit der Mitte des 16. Jh.s (die) Bauern von ihren Höfen (Bauernlegen). Seit dem Ende des 18. Jh.s wird die G. von der Aufklärung bekämpft. Im 19. Jh. werden viele Güter aufgeteilt und bzw. oder gehen an Bürger oder Bauern über, 1945 findet eine sozialistische Enteignung der (ostdeutschen) Gutsherren statt.

Lit.: Köbler, DRG 134; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887; Fuchs, C., Zur Geschichte des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses in der Mark Brandenburg, ZRG GA 12 (1891), 17; Maybaum, H., Die Entstehung der Gutsherrschaft im nordwestlichen Mecklenburg, 1926; Spies, K., Gutsherr und Untertan in der Mittelmark Brandenburg zu Beginn der Bauernbefreiung, 1972; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., 1983; Konflikt und Kontrolle, (in) Kaak, H., Die Gutsherrschaft, 1991; Gutsherrschaftsgesellschaften, hg. v. Peters, J., 1997; Schmidt, C., Leibeigenschaft im Ostseeraum, 1997; North, M., Die Entstehung der Gutswirtschaft im südlichen Ostseeraum, ZHF 26 (1999), 43; Schleinert, D., Die Gutswirtschaft im Herzogtum Pommern-Wolgast, 2001; Maur, E., Gutsherrschaft und zweite Leibeigenschaft in Böhmen, 2001; Wagner, P., Bauern, Junker und Beamte, 2005; Stefanová, D., Erbschaftspraxis, Besitztransfer und Handlungs­spielräume der Untertanen in der Gutsherrschaft, 2008

 

 

H

Haager Landkriegsordnung ist das auf den Friedenskonferenzen in Den Haag (Niederlande) 1899/1907 geschlossene Ab­kommen über die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs.

Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007

Haar ist der aus der äußeren Haut von Säugetieren wachsende, dem Schutz vor Kälte, Hitze, Nässe und Dürre dienende Hornfaden unter­schiedlicher Tönung und Länge. Der Mensch verbindet vor allem mit dem Haupthaar auf dem Kopf zahlreiche unterschiedliche Vorstellungen (z. B. Freiheit, Zugehörigkeit zu einer Gruppe u. s. w.). Eine umfassende Rechtsgeschichte des Haares steht anschei­nend noch aus.

Haarscheren ist eine Form der Körperstrafe oder sonstigen kennzeichnenden Behandlung.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964

Habe (F.) Gut, Vermögen, z. B. Fahrhabe

Habeas-corpus-Akte (du mögest einen Körper haben-Gesetz) ist das der Magna Charta von 1215 folgende 1679 zum Schutz der Freiheit erlassene englische Gesetz, nach dem niemand ohne richterlichen Haftbefehl verhaftet oder ohne richterliche Überprüfung in →Haft gehalten werden darf.

Lit.: Duker, W., A constitutional history of Habeas cor­pus, 1980; Kluxen, K., Englische Verfassungsge­schichte, 1987; Hartlaub, I., Theorie und Praxis der Freiheitsentziehungen, 2000; Federman, C., The body and the state, 2006

Haberfeldtreiben ist ein seit der frühen Neuzeit bis in das 20. Jh. belegter dörflicher Volksbrauch vor allem zwischen Isar und Inn, bei dem die unverheirateten Burschen (Ha­berer) mit geschwärzten Gesichtern einem Betroffenen lärmend (sittliche) Vorhaltungen machen.

Lit.: Zipperer, F., Das Haberfeldtreiben, 1938; Schieder, E., Das Haberfeldtreiben, 1983

Habilitation ist der Nachweis vertiefter wissenschaftlicher Befähigung zu Lehre und Forschung in Deutschland (lat. disputatio pro loco) seit dem frühen 19. Jahrhundert (Berlin 1810/1816 mit öffentlichem Vortrag, um 1870 in Tübingen erst 58 Prozent der ordentlichen Professoren habilitiert).

Lit.: Kundert, W., Katalog der Helmstedter juristischen Disputationen, 1984; Bruch, R. vom, Forschung und Lehre, 2000, 69

Habsburg (Habichtsburg) ist die um 1020 von Bischof Werner von Straßburg an der oberen Aare (in der heutigen Nordostschweiz) errichtete Burg, nach der sich seit 1090 (bzw. 1108) eine alemannische bzw. süd­west­deutsche, bis in das 10. Jh. zurück­zuverfolgende Adelsfamilie benennt, die 1273 den deutschen König (Rudolf von H.) stellt. Sie belehnt sich 1282 in den Söhnen des Königs mit dem 1278 von Ottokar von Böhmen heimgefallenen Reichslehen →Österreich, Steiermark, Krain und Windischer Mark und baut von dort unter Annahme des Namens Haus H. eine Hausmacht auf (1335 Kärnten, 1363 Tirol, 1438-1457 Ungarn und Böhmen, 1477 Burgund, 1504/1516 Spanien (europäische Großmacht, 1522 Linienteilung unter Fortführung des Namens Casa d’Austria), 1526-1918 Ungarn und Böhmen). Vom Spätmittelalter (1273-1308, ab 1438) bis 1740 (bzw. als Haus Habsburg-Lothringen ab 1745 bis) 1806 stammt der König bzw. Kaiser des Heiligen römischen Reichs  (fast durchgehend) aus dieser mehrfach (z. B. 1379-1490, 1564-1665) in unterschiedliche Linen geteilten Familie. Nebenlinien regieren ab 1765 die Toskana und ab 1814 Modena. Von 1806 bis (12. 11.) 1918 herrscht sie im selbständig gewordenen Österreich(-Ungarn) weiter, wird nach Verlusten in Italien am Ende des ersten Weltkriegs aber ausgewiesen (Karl I.) und enteignet (4. 3. 1919 Gesetz betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen, 1935 aufge­hoben, 1945 wieder in Kraft) und nach Rückgabe des Privat­vermögens 1939 nochmals enteignet.

Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 131; Köbler, Historisches Lexikon; Das habsburgische Urbar, hg. v. Maag, R., Bd. 1f. 1894ff.; Schmidlin, J., Ursprung und Entfaltung der habsburgischen Rechte im Oberelsass, 1902; Regesta Habsburgica, Bd. 1ff. 1924ff.; Ammann, H., Die Habsburger und die Schweiz, Argovia 43 (1931); Meyer, B., Das habsburgische Archiv in Baden, Zs. f. schweizerische Geschichte 23 (1943), 169; Feine, H., Die Territorialbildung der Habsburger im deutschen Südwesten, ZRG GA 67 (1950), 176; Wandruszka, A., Das Haus Habsburg, 1956; Die Auflösung des Habsburgerreiches, 1970; Die Habsburgermo­narchie 1848-1918, Bd. 1ff., hg. v. Wandruszka, A. u. a., 1973ff.; Wandruszka, A., Das Haus Habsburg, 1978; Wachter, D., Der Aufstieg der Habsburger, 1982; Kohler, A., Antihabsburgische Politik in der Epoche Karls V., 1982; Rieger, E., Das Urkundenwesen der Grafen von Kiburg und Habsburg, 1986; Die Habsburger, hg. v. Hamann, B., 1988, 4. A. 2002; Kamm, R., Geschichte des Habsburgerreiches, 1990; Baum, W., Kaiser Sigismund, 1993; Kaiser Friedrich III. (1440-1493) in seiner Zeit, hg. v. Heinig, P., 1993; Krieger, K., Die Habsburger im Mittelalter, 1994, 2. A. 2004; Heinig, P., Kaiser Friedrich III. (1440-1493), 1997; Bankl, H., Die kranken Habsburger, 1998; Hansert, A., Der Prinz wird König, 1998; Noflatscher, H., Räte und Herrscher, 1998; Die Habsburger im deutschen Südwesten, hg. v. Quarthal, F./Faix, G., 1999; Erbe, M., Die Habsburger, 2000; Heimann, H., Die Habsburger, 2001; Laubach, E., Ferdinand I. als Kaiser, 2001; Niederstätter, A., Die Herrschaft Österreich, 2001; Nuss, P., Les Habsbourg en Alsace, 2002; Leidinger, H./Moritz, V./Schippler, B., Schwarzbuch der Habsburger, 2003; Sauter, A., Fürstliche Herrschaftsrepräsentation, 2004; Böhmer, P. u. a., Die Erben des Kaisers, 2004; Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.-18. Jh.,), hg. v. Pauser, J. u. a., 2004; Kadgien, M., Das Habsburgergesetz, 2005; Wolf, S., Die Doppelregierung Kaiser Friedrichs III. und König Maximilians (1486-1493), 2005; Koller, H., Friedrich III., 2005; Regesta Habsburgica 5, 1, bearb. v. Lackner, C., 2007; Hengerer, M., Ferdinand III. (1608-1657), 2008; Höbelt, L., Franz Joseph I., 2009; Höbelt, L., Die Habsburger, 2009; Vocelka, K., Die Familien Habsburg und Habsburg-Lothringen, 2010; Strohmeyer, A., Die Habsburger Reiche 1555-1740, 2012

Hader (M.) Streit

Haderbuch ist eine Selbstbezeichnung spätmittelalterlicher Gerichtsbücher (z. B. in Ingelheim, Nürnberg, Landshut).

Lit.: Kallmann, L., Zank im Dorf, 2002; Als die Welt in die Akten kam, hg. v. Lepsius, S. u. a., 2008; Die Ingelheimer Haderbücher, hg. v. Marzi, W., Bd. 1 Das Oberingelheimer Haderbuch 1476-1495, 2011, Bd. 2 2013; Alltag, Herrschaft, Gesellschaft und Gericht, hg. v. Marzi, W. u. a., 2012

Hafen ist der anerkannte Landeplatz und die Liegestelle für Schiffe. Der H. erscheint schon im Altertum. Der besondere Freihafen gewährt allen Schiffen Zutritt und dient nur dem Warenumsatz (1869/1888 im Nord­deutschen Bund bzw. Deutschen Reich Zollausland, in der europäischen Zollunion Freizone).

Lit.: Schröder, R., Das Eigentum am Kieler Hafen, ZRG GA 26 (1905), 34; See- und Flusshäfen vom Hochmittelalter bis zur Industrialisierung, hg. v. Stoob, H., 1986; Rademacher, M., Die Geschichte des Hafen- und Schiffahrstsrechts in Hamburg, Bd. 4 1999 (Selbstverlag)

Haflidaskra ist das 1117/1118 in →Island eingeführte, nicht überlieferte Recht, das in der →Gragas aufgeht.

Lit.: Johannesson, J., Islands Historie, 1969

Haft ist die amtliche Entziehung der Bewegungsfreiheit vor allem zum Zweck der Untersuchung oder Bestrafung und der Erzwingung einer Handlung. Ihre Voraus­setzungen sind zunächst nicht festgelegt. Bereits hoch- und spätmittelalterliche Quellen (mit Schöffenvorbehalten) sowie dann die englische →Habeas-corpus-akte (1679) verlangen aber vielleicht als Folge des Auf­kommens des Inquisitionsprozesses einen richterlichen Haftbefehl bzw. eine richterliche Untersuchung. Im Rechtsstaat des 19. Jh.s wird jeder staatliche Eingriff in die Freiheit von einer gesetzlichen Gestattung abhängig gemacht (Bayern 1818, Baden 1818, Württemberg 1819  u. s. w.).

Lit.: Köbler, DRG 205; Thissen, M., Das Verhaftungsrecht, Diss. jur. Bonn 1961; Hermes, T., Der Haft­grund der Verdunkelungsgefahr, 1992; Ollinger, T., Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhaftungsrecht, 1997

Haftbefehl (1868) ist die schriftliche Anordnung eines Richters, einen Menschen in Haft zu nehmen. Der H. setzt die Verfolgung von Unrechtstaten durch die Allgemeinheit voraus. Vorstufen des Haftbefehls sind sowohl der englische warrant of commitment, der dem Büttel (constable) aufgibt, den Beschuldigten in das Gefängnis zu bringen, wie auch der französische →lettre de cachet, der oft den königlichen Befehl enthält, sich in ein Ge­fängnis zu begeben. Demgegenüber bestimmt nach der englischen →Habeas-corpus-akte (1679) vor allem die französische →Déclaration des droits de l’homme et du citoyen (1789) zur Sicherung der revolutionär geforderten Freiheit, dass kein Mensch in Haft genommen oder gefan­gengehalten werden darf, außer in den durch Gesetz bestimmten Fällen und nach den vom Gesetz vor­geschriebenen Förmlichkeiten. Die franzö­sische Verfassung von 1791 fordert für jede Verhaftung einen polizeilichen oder gerichtlichen H. Nach der Verfassung von 1795 muss der H. den Haftgrund und die Rechtsgrundlage enthalten und dem Verhaf­teten abschriftlich ausgehändigt werden. Die Verfassung von 1799 verlangt einen richter­lichen H. Der 1808 erlassene Code d’in­struction criminelle unterscheidet vier Arten von Haftbefehlen und wirkt in der Folge auf das deutsche Straf­ver­fahrensrecht ein (Bayern 1813, Deutsches Reich 1848, Reichsstrafpro­zessordnung 1877/1879). Unter der nationalsozialistischen Herrschaft (1933-1945) und in der Deutschen Demokratischen Republik (1949-1989) verliert der H. rechtstatsächlich seine Schutzwirkung zu Gunsten des Verdächtigen.

Lit.: Thissen, M., Das Verhaftungsrecht, Diss. jur. Köln 1961; Pugh, R., Imprisonment in medieval England, 1968; Speck, H., Die Geschichte der Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft, Diss. jur. Kiel 1969; Fricke, K., Politik und Recht in der DDR, 1979; Die Rechtsordnung der DDR, hg. v. Heuer, U., 1995

Haftpflichtversicherung ist die für den Fall der gesetzlichen Verpflichtung zu einer →Haftung abzuschließende oder abgeschlossene →Versicherung (z. B. [1939] des Halters eines Kraftfahrzeuges).

Lit.: Peyer, P., Die Haftpflichtversicherung des Motorfahrzeughalters, 1934

Haftung (Wort um 900) ist das Unter­worfensein des Schuldners als Person mit seinem Vermögen unter den Vollstreckungszugriff des Gläubi­gers. Die H. ermöglicht deshalb die Erzwin­gung der Erfüllung, die der Schuld als solcher (vermutlich) fehlt. Dementsprechend gibt es (nur noch einzelne Fälle von) H. ohne Schuld und Schuld ohne H. Im römischen Recht ist nach Ersetzung des ursprünglichen rächenden Zugriffsrechts des Verletzten gegenüber dem unrecht handelnden Täter durch eine Sühne­gabe auch die künstliche Herstellung einer H. durch Geschäft möglich (z. B. lat. [N.] →nexum, [F.] →sponsio - stipulatio). Später tritt neben der H. auch der Gedanke der Schuld hervor. Spätestens in der jüngeren Republik wird in der (lat. [F.]) →obligatio neben der H. die Schuld mitverstanden. Ähnliche Verhält­nisse sind auch für das germanische Recht anzunehmen. Dement­sprechend setzt sich seit dem Frühmittelalter die Auffassung durch, dass jede Schuld auch ohne besondere zusätzliche Vereinbarung eine H. zur Folge habe. Auf dieser Grundlage wird seit dem Spätmittelalter mit der Aufnahme des römischen Rechtes auch die römische Vor­stellung von der (lat. [F.]) obligatio aufge­nommen. Die älteste Form der leiblichen Haftung (z. B. Geiselschaft, Schuldknecht­schaft, Schuldhaft) endet dabei im Jahre 1868 (Wechselarrest). Im Übrigen steht neben der Haftung eines einzelnen bestimmten Gegenstands (Sache, Recht) die allgemeine, grundsätzlich unbe­schränkte persönliche Vermögens­haftung. Vertraglich ist jeweils auch eine Haftungsbeschränkung möglich.

Lit.: Kaser § 32 II; Köbler, DRG 26, 59, 127, 167; Hammer, O., Die Lehre vom Schadensersatze nach dem Sachsenspiegel, 1885; Egger, A., Vermögens­haftung und Hypothek nach fränkischen Recht, 1903; Gierke, O. v., Schuld und Haftung im älterem deutschem Recht, 1910, Neudruck 1969; Kaufmann, H., Rezeption ind usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958; Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 1966), 150; Schneider-Horn, W., Die Haftung des Verkäufers für Rechtsmängel nach lübischem Recht, Diss. jur. Hamburg 1969; Benöhr, H., Zur außervertraglichen Haftung im gemeinen Recht, FS M. Kaser, 1976, 689; Diestelkamp, B., Die Lehre von Schuld und Haftung, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 21; Schubert, W., Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 589; Eska, A., Schuld und Haftung, Diss. jur. Potsdam 1998; Jansen, N., Die Struktur des Haftungsrechts, 2003; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Hagen

Lit.: Linscheidt, P., Das Landgericht Hagen, 2004

Hagenrecht ist das im 11./12. Jh. im Weser­bergland (zuerst in Eschershausen) sichtbar werdende günstige Bo­dennut­zungsrecht der persönlich freien Häger der hochmittel­alter­lichen deutschen Rodungs­sied­lung (in Pommern z. B. Halteshagen 1262). Das Hagenhufendorf ist meist ein lang gestrecktes Straßendorf.

Lit.: Blohm, R., Die Hagendörfer in Schaumburg-Lippe, 1943; Engel, F., Das Rodungsrecht der Hagen­sied­lungen, 1949; Kroeschell, K., Waldrecht und Landsiedelrecht, Hess. Jb. f. LG. 4 (1954), 117; Molitor, E., Verbreitung und Bedeutung des Hägerrechts, (in) Adel und Bauern, 2. A. 1967, 331; Asch, J., Grundherrschaft und Freiheit, Nds. Jb. 1978, 107

Hagestolz ist in Schweizer, Kurpfälzer und westfälischen Quellen des 13. und 14. Jh.s der unverheiratete erwachsene Mensch ohne eigene Hausstatt, der beim Tode vom Grundherrn beerbt wird. Spätestens im 19. Jh. endet das besondere Recht.

Lit.: Brünneck, W. v. Zur Geschichte des Hagestolzenrechts, ZRG GA 22 (1901), 1f.; Stölzel, A., Ein Karolinger Königshof, 1919; Stoll, F., Das Hagestolzenrecht, 1970; Storost, J., Entschieden ist also wol nichts, Beitr. z. Gesch. de. Sprachwiss. 5 (1995), 253

Hagerup, Francis (1853-1921), Beam­tensohn, wird nach dem Rechtsstudium in München, Leipzig und Paris 1887 Professor und 1895 Ministerpräsident in Norwegen. Durch eine Reihe wichtiger Beiträge zu verschie­de­nen Rechtsgebieten (Privatrecht, Methoden­lehre, Strafprozess, Zivilprozess, Strafrecht) wird er zu einem der bedeutendsten Rechts­wissen­schaftler →Norwegens.

Lit.: Kaartvedt, A., Hoyres Historie, Bd. 1 1984, 133

Halberstadt wird als Bistum 814 in Sachsen gegründet. Neben der Bischofsburg lassen sich seit dem 10. Jh. Handwerker und Kaufleute nieder. 1214 werden (lat.) universi civitatis burgenses genannt. Das Stadtrecht ist von Goslar beeinflusst. Die Altstadt wird am 8. 4. 1945 nahezu gänzlich zerstört.

Lit.: Urkundenbuch der Stadt Halberstadt, hg. v. Schmidt, G., Bd. 1f. 1878f.; Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt, bearb. v. Schmidt, G., Bd. 1ff. 1883ff.; Schmidt-Ewald, W., Die Entstehung des weltlichen Territoriums des Bistums Halberstadt, 1916; Bogumil, K., Das Bistum Halberstadt im 12. Jahrhundert, 1972; Militzer, K./Przybilla, P., Stadtentstehung, 1980; Urkundenbuch des Stifts S(ank)t Johann bei Halberstadt 1119/1123-1804, hg. v. Diestelkamp, A. u. a., 1989; Geschichte und Kultur des Bistums Halberstadt 804-1648, hg. v. Siebrecht, A., 2006

Hale, Sir Matthew (1609-1676), früh verwaist, wird nach kurzem Theologie­studium in Cambridge (1626) 1628 Mitglied von Lincoln’s Inn in London, 1636 Anwalt, 1654 Richter und Parlaments­mitglied, nach der Wiederein­setzung des englischen Königs Karl II. 1660 Richter am Court of Exchequer und 1671 Chief Justice of the King’s Bench. In seinen nach seinem Tod teilweise ge­druckten Schriften versucht er eine Ordnung des englischen Strafrechts (Pleas of the Crown), eine methodische Erfassung des Rechtes (Analysis of the Civil Part of the Law), eine Geschichte des Strafrechts (History of the Pleas of the Crown) und eine Geschichte des Common Law (History of the Common Law).

Lit.: Burnet, G., Life and Death of Sir Matthew Hale, 1682; Holdsworth, W., History of English Law, Bd. 6 1937, 574

Halle an der Saale ist der wegen des dortigen Salzvorkommens schon um 1000 v. Chr. besiedelte Ort (Ersterwähnung 806 castellum, 961 an Moritzkoster in Magdeburg), der wohl im 12. Jh. Stadt wird. 1235 teilt der Schöffenstuhl das Recht Halles der Stadt Neumarkt in Schlesien mit (Halle-Neumarkter Recht, nur abschriftlich bezeugt, inhaltliche Nähe zum Sachsenspiegel ohne Nachweis unmittelbarer Benutzung, möglicherweise verbreitet in 500 Städten und Dörfern). 1266 setzt die Überlieferung von Schöffenbüchern ein. Nach dem 1680 erfolgten Übergang vom Erzstift Magdeburg an den Markgrafen von Brandenburg richtet dieser 1694 eine aufgeklärte Modelluniversität in H. ein (→Thomasius, Samuel Stryk, Johann Peter von Ludewig, Nicolaus Hieronymus Gundling, Justus Henning Böhmer, Johann Gottlieb Heineccius, Christian Wolff) (bis 1806). Nach dem Erwerb der Gebiete Sachsens um Wittenberg durch Preußen (1815) wird die 1813 von Napoleon ge­schlossene Universität Witten­berg nach Halle verlegt und am 12. 4. 1817 die Universität Halle-Wittenberg gegründet (am 24. 4. 1945 bei 18 Mitgliedern der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät geschlossen, zum 1. 2. 1946 mit den rechtswissen­schaft­lichen Professoren Wolf­gang Hein, Rudolf Joerges, Wilhelm Herschel und Rudolf Schranil wiedereröffnet. Von 1947 bis 1952 ist H. Hauptstadt des Landes Sachsen-Anhalt, von 1952 bis 1990 Hauptstadt des Bezirks.

Lit.: Köbler, DRG 136; Gaupp, E., Das alte magdeburgische und hallische Recht, 1826; Die hallischen Schöffenbücher (1266-1640), bearb. v. Hertel, G., Teil 1f. 1882ff.; Meinardus, O., Das Neumarkter Rechtsbuch, 1906; Kötzschke, R., Der hallische Schöffenbrief für Neumarkt in Schlesien und das älteste Neumarkter Recht, ZRG GA 31 (1910), 137; Schranil, R., Stadtverfassung nach Magdeburger Recht, ZRG GA 36 (1915), 526; Urkundenbuch der Stadt Halle, bearb. v. Bierbach, A., Bd. 1ff. 1930ff.; Sandow, E., Das Halle-Neumarkter Recht, 1932; Goerlitz, T., Zum Jahr 1181 der hallischen Rechtsmitteilung an Neumarkt, ZRG GA 56 (1936), 378; Buchda, G., Die Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät in ihrem äußeren Verlauf, Teil 1, ZRG GA 62 (1942), 210, Teil 2 ZRG GA 63 (1943), 251, Teil 3 ZRG GA 64 (1944), 223, 68 (1951), 308 (Schluss); 250 Jahre Universität Halle, 1944; Buchda, G., Zur Geschichte des hallischen Schöp­penstuhls, ZRG GA 67 (1950), 416; Körner, H., Stadt- und grundherrliche Rechte in Halle, Diss. jur. Halle 1952; Buchda, G., Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät (Nachtrag), ZRG GA 71 (1954), 367; Winter, E., Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde im 18. Jahrhundert, 1953; Schildt, B., Schubart-Fikentscher, G., Hallesche Spruchpraxis, 1960; Die Spruchtätigkeit der Halleschen Juristenfakultät, Diss. jur. Halle 1980 (Manuskript); Halle, 2. A. 1983; Brümmer, M., Staat kontra Universität, 1991; Jelowik, L., Kuriosa aus der Geschichte der halleschen Juristenfakultät, ZRG GA 109 (1992), 382; 300 Jahre Universität Halle, hg. v. Speler, R., 1994; Maier, H., Aufklärung, Pietismus, Staatswissenschaft, HZ 261 (1995), 769; Hallesche Rechtsgelehrte jüdischer Herkunft, hg. v. Pauly, W., 1996; Hüls, T., Die Juristenausbildung an der Universität Halle, 1997; Rechtsgeschichte in Halle, hg. v. Lieberwirth, R., 1998; Jelowik, L., Tradition und Fortschritt, 1998; Herrmann, V., Die Entwicklung von Halle (Saale) im frühen und hohen Mittelalter, 2001; Eberle, H., Die Martin-Luther-Universität in der Zeit des Nationalsozialismus, 2002; Kannowski, B. u. a., Der hallensische Schöffenbrief für Neumarkt von 1235, ZRG GA 120 (2003), 61; Rüdiger, A., Staatslehre und Staatsbildung, 2005; Lieberwirth, R., Geschichte der juristischen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg nach 1945, 2008, 2. A. 2010; Die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Witten­berg im Nationalsozialismus, hg. v. Lück, H. u. a., 2011; Aktuelle Beiträge zur Rechtswissenschaft und zu ihren geistesge­schichtlichen Grundlagen, 2013

Haldensleben

Lit.: Böcker, H., Die Stadtbücher von Haldensleben (ca. 1255-1486) - Analysen und Register,, 2010

Hallstein, Walter (Mainz 17. 11. 1901-Stuttgart 29. 3. 1982), wird nach dem Studium des Rechtes 1932 Professor für bürgerliches Recht, Handelsrecht und internationales Privatrecht in Rostock und 1941 Professor in Frankfurt am Main (1954 Verzicht, 1969 emeritiert), 1950 Staatsse­kretär im Bundeskanzleramt und 1951 im Außenministerium (Hallstein-Doktrin) sowie nach Mitwirkung bei der Verhandlung der europäischen Ver­träge von 1957 von 1958 bis 1967 erster Präsident der Kommission der Euro­päischen Wirtschaftsgemeinschaft. Er hat sich um die Europäische Gemeinschaft in vielfacher Hinsicht sehr verdient gemacht.

Lit.: Nachruf JZ 1982, 435f. (T. Oppermann); Kilian, M., Hallstein, Jb. d. öff. Rechts N. F. 53 (2005), 369

Halm ist der Stengel des Grases (bzw. Getreides), der im mittelalterlichen Recht vielfach als Symbol der →Investitur mit einem Gut verwendet wird.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 1, 168 u. ö.

Haloander (Meltzer), Gregor (Zwickau 1500-1531) gibt 1528-1531 auf der Grundlage der Vorarbeiten Polizians und Bolognins sowie der Florentiner Handschrift eine (huma­nistische) unglossierte Ausgabe der jus­tinianischen Rechtstexte mit unvollstän­digen griechischen Bestandteilen in Pandek­ten und Codex und griechischen Novellen heraus, in der er die mittelalterliche Gliederung der Pandekten be­seitigt, die In­skrip­tionen beachtet und im Codex die Subskriptionen herstellt.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,645

Hals und Hand ist im deutschen Mittelalter eine Paarformel für die Lebensstrafe bzw. Leibesstrafe.

Lit.: Kocher, G., Der Hals im Recht, Signa iuris 2 (2008), 9

Halseisen ist im deutschen Mittelalter die Vorrichtung, mit deren Hilfe ein Straftäter am →Pranger befestigt werden kann.

Lit.: Preu, A., Pranger und Halseisen, Diss. jur. Erlangen 1949

Halsgericht (13. Jh. [1296]) →Hals und Hand, Halsgerichtsordnung

Halsgerichtsordnung ist die Strafverfahrensordnung am Beginn der frühen Neuzeit ([Nürnberg 1314,] Würzburg 1447, Ellwangen 1466, Nürnberg 1485, (unter Berücksichtigung des Vorverfahrens) Tirol 1499, [Volkach 1504,] Radolfzell 1506, Bamberg 1507 (1516 Ansbach, Bayreuth), Laibach 1514, Krain 1535, Niederösterreich 1514/­1540, Kärnten, Steiermark, Oberösterreich 1559, [Regensburg 1565/1575, Eberstein 1609/1622]). Als H. wird auch die →Constitutio Criminalis Caroli­na Karls V. von 1532 benannt. In den Hasgerichts­ordnungen ist zu erkennen, wie sich das Schwergewicht des Verfahrens in Strafsachen auf das ermittelnde Vorverfahren verlagert.

Lit.: Köbler, DRG 139; Schmidt, E., Die Maximi­lianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Merzbacher, F., Das alte Halsgerichtsbuch des Hochstifts Eichstätt, ZRG GA 73 (1956), 375; Schultheiß, W., Geschichte des Nürnberger Ortsrechts, 1957, 10; Weber, H., Die peinliche Halsgerichtsordnung Karls V., ZRG GA 77 (1960), 288; Schild, W., Die Halsgerichtsordnung der Stadt Volkach, 1997

Halslösung ist die Ablösung der Todesstrafe durch Geldzahlung. Sie erscheint wohl mit der Todesstrafe. Sie verschwindet bis zur Peinlichen Gerichtsordnung Karls V. von 1532.

Lit.: His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928

Hambacher Fest ist das vom 27. bis zum 30. 5. 1832 auf der Burgruine von Hambach (Maxburg, Kästenburg) in der Pfalz auf Einladung (20. 4. 1832) des Schriftstellers Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1785-1849) (und des Journalisten Johann Georg August Wirth) als politische Kundgebung des Liberalismus mit etwa 25000 Teilnehmern durchgeführte Fest. Die geplante Wahl einer provisorischen Nationalregierung zwecks Abschaffung der Monarchie und Bildung eines Bundes von Republiken nach amerikanischem Muster scheitert. Die Hauptverantwortlichen werden auf Drängen Österreichs und Preußens zu Haft verurteilt, doch gilt das H. F. als Geburtsstunde der Demokratie in Deutschland. →Deutscher Bund

Lit.: Wirth, J., Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach, Teil 1f. 1832; Valentin, V., Das Hambacher Nationalfest, 1932; Süß, E., Die Pfälzer im „schwarzen Buch“, 1956; Das Hambacher Fest, hg. v. Baumann, K., 2. A. 1982; Freiheit, Einheit und Europa - das Hambacher Fest von 1832, hg. v. Kermann, J. u. a., 2006; Kreutz, W., Hambach 1832, 2006

Hamburg ist der vielleicht aus einem Königshof Karls des Großen nahe der Mündung der Alster in die Elbe erwachsene Stadtstaat. 831 wird H. Sitz eines Bistums. Zwischen 834 und 845 erhält der Ort Marktprivilegien und Zollprivilegien. 845 wird der Ort von Wikingern zerstört und das Bistum mit Bremen vereinigt. 1189 bestätigt Kaiser Friedrich I. Barbarossa der 1188 gegründeten Neustadt H. umfangreiche Handels-, Zoll- und Schifffahrtsrechte. Um 1270 wird das Recht von dem gelehrten Ratsnotar Jordan von Boizenburg im sog. Ordeelbook aufgezeichnet. 1292 erhält die Stadt vom Stadt­herrn das Recht der eigenen Rechts­setzung. Sie erwirbt umfangreiche Landgebiete. Am Beginn des 15. Jh.s wird die Reichsun­mittelbarkeit wohl anerkannt (1460 Reichsstadt?). 1497 wird das Recht durch den in Bologna ausgebildeten Bürgermeister Hermann Langen­beck neu gefasst (Rats­exemplar als Bilderhandschrift), 1603 nach dem Vorbild Nürnbergs von 1564 in neuhochdeutsher Sprache unter Einbeziehung der Gerichtsordnung von 1560 reformiert (1605 publiziert). 1618 stuft das Reichskam­mergericht des Heiligen römischen Reichs H. als freie Reichsstadt ein (1768 von Dänemark anerkannt). Weitere Rechts­quellen sind Gerichtsordnungen von 1622, 1632 und 1645, eine Banquerotieordnung von 1647, eine Wechselordnung von 1711, eine Fallit­tenordnung von 1753 und eine Vor­mund­schaftsordnung von 1844. Um 1800 hat die Stadt mehr als 100000 Einwohner. 1806 wird H. von Frankreich besetzt, das 1807 den Code civil einführt, 1814 aber wieder abzieht. 1815 wird H. Mitglied des Deutschen Bundes (1820 gemeinsames Oberappellationsgericht mit Bremen, Frankfurt am Main und Lübeck). 1860 erhält es eine Verfassung. 1867 wird es Mitglied des Norddeutschen Bundes und als Großstadt damit 1870/1871 Bundesstaat des Deutschen Reiches. 1920 gibt es sich eine demokratische Verfassung, die nach dem zwischen­zeitlichen Verlust der Eigenstän­digkeit (1933-1945) 1952 erneuert wird.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Der Stadt Hamburg Gerichtsordnung und Statuta, hg. v. Ver. f. hamburg. Gesch., 1842; Hamburgisches Urkundenbuch, hg. v. Lappenberg, H. u. a., Bd. 1ff. 1842ff.; Baumann, H., Das Privatrecht der freien und Hansestadt Hamburg, Bd. 1f. 1856; Die Bilderhandschrift des hamburgischen Stadtrechts von 1497, 1917 (mit einem Wörterverzeichnis); Reincke, H., Hamburg, 1925; Reincke, H., Agneta Willeken, 1928; Schalk, E., Einführung in die Geschichte des Liegenschaftsrechts der freien und Hansestadt Hamburg, 1931; Schubert, K., Die Hamburger ehelichen Güterrechtsverhältnisse, 1934; Bücherkunde zur hamburgischen Geschichte, Bd. 1ff. 1939ff.; Reincke, H., Forschungen und Skizzen zur Geschichte Hamburgs, 1951; Strehlow, G., Die holländischen Einwanderungen, Diss. jur. Hamburg 1951; Ewald, M., Der hamburgische Senatssyndicus, 1954; Reincke, H., Das hamburgische Ordeelbook von 1270 und sein Verfasser, ZRG GA 72 (1955), 82; Kausche, D., Untersuchungen zur älteren Rechtsgeschichte und Topographie Harburgs, Zs. d. Vereins f. hamburg. Geschichte 43 (1956), 105; Genzmer, H., Die Grundrechte in der Hamburger Konstitutante, Diss. jur. Hamburg 1957; Winter, G., Das eheliche Güterrecht im älteren hamburgischen Recht, Diss. jur. Hamburg 1958; Otto, F., Die rechtlichen Verhältnisse des Domstiftes zu Hamburg von 1719 bis 1802, Diss. jur. Göttingen 1958; Hamburgische Burspraken, hg. v. Bolland, J., 1960; Dokumente zur Geschichte der hamburgischen Reichsfreiheit, bearb. v. Reincke, H., 1961; Pitz, E., Die Zolltarife der Stadt Hamburg, 1961; Schultze-von Lasaulx, H., Geschichte des ham­burgischen Notariats, 1961; Die Hamburger Elbkarte aus dem Jahre 1568, gez. v. Lorichs, Melchior, hg. v. Bolland, J., 1964; Ipsen, H., Hamburgs Verfassung und Verwaltung, 1965; Die Bilderhandschrift des Hamburger Stadtrechts 1497, erl. v. Reincke, H., 1968; Hamburger Testamente, bearb. v. Loose, H., 1970; Rückleben, H., Die Niederwerfung der hamburgischen Ratsgewalt, 1970; Ramcke, R., Die Beziehungen zwischen Hamburg und Österreich im 18. Jahrhundert, 1969; Richter, K., Untersuchungen zur Hamburger Wirtschafts- und Sozialgeschichte um 1300, 1971; Gabrielson, P., Struktur und Funktion der Hamburger Rentengeschäfte 1471-1490, 1971; Wenner, H., Handelskonjunkturen und Rentenmarkt, 1972; Hamburg, hg. v. Loose, H., 1982; Augner, G., Die kaiserliche Kommission der Jahre 1708-1712, 1983; Dreyer, T., Die Assekuranz- und Havereyordnung der freien und Hansestadt Hamburg von 1731, 1990; Voß, J. v., Die Verwaltungsge­richtsbarkeit in Hamburg, 1988; Stadtgeschichte Hamburg, red. v. Schöller, A., 1990; Hochschulalltag im Dritten Reich, hg. v. Krause, E. u. a., 1991; Recht und Juristen in Hamburg, hg. v. Albers, J., 1994; Hoppe, C., Die Bürgschaft im Rechtsleben Hamburgs, 1997; Rademacher, R., Die Geschichte des Hafen- und Schifffahrtsrechts in Hamburg, Bd. 3 1997; Hamburgische Biografie, hg. v. Kopitzsch, F. u. a., Bd. 1ff. 2001ff.; Kleßmann, E., Geschichte der Stadt Hamburg, 2002; Martens, H., Hamburgs Weg zur Metropole, 2004; Das Hamburger Ordeelbook von 1270, hg. v. Eichler, F., 2005; Weber, S., Die Stellung Hamburgs in der Verfassung des alten Reiches, 2005; Krieger, M., Geschichte Hamburgs, 2006; Kähler, J., Französisches Zivilrecht und französische Justizverfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815), 2007; Hamburgische Biographie, hg. v. Kopitzsch, F. u. a., Bd. 3 2006; Eichler, F., Das Hamburger Ordeelbook in der Erstfassung von 1270, 2007; Die Langenbeck’sche Glosse zum Hamburger Stadt­recht von 1497, hg. v. Eichler, F., 2008; Schröder, H., Ernst Friedrich Sieveking 2009, Hamburg-Bibliographie online; Riemer, R., Frankfurt und Hamburg vor dem Reichskam­mergericht, 2011

Hamm

Lit.: 700 Jahre Stadt Hamm, hg. v. Magistrat, 1926

Hammer ist ein anfangs aus Stein, später aus Metall (Kopf) und Holz (Stiel) be­stehendes Werkzeug des Menschen zur Be­ar­beitung von Stein(, Holz) und Metall, das auch rechts­symbolisch verwendet wer­den kann (z. B. Hammer und Sichel, Wer­fen, Vorsitz im Gericht, Auktion), rechts­geschichtlich aber noch nicht monogra­phisch erfasst zu sein scheint.

Lit.: Lurker, M., Bibliographie zur Symbolkunde, 1968

Hammurapi (1793-1750 bzw. 1728-1686 v. Chr.), König von Babylon, veranlasst die bekannteste, 1901/1902 in Susa auf einer 2,25 Meter hohen, in der Gegenwart in Paris befindlichen Dioritstele entdeckte, aus rund 30 Tontafelabschriften ergänz­te Rechtssammlung des orientalischen Alter­tums (Codex Hammurapi) mit etwa 8000 Wör­tern in Prolog, 280 bzw. 282 Ab­schnitten über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und über unter­schiedliche Sachverhalte des Privatrechts und Strafrechts (z. B. 192 Wenn ein Mann einem Manne einen Zahn ausge­schlagen hat, wird sein Zahn ausgeschlagen) (80 Prozent des Textes) und Epilog. Noch älter ist der →Codex Ur­nammu.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Codex­Ham­murapi_en.htm; Codex Hammurabi, hg. v. Eilers, W., 5. A. 1932, Neudruck 2009; Fehr, H., Hammurapi und das salische Recht, 1910; Koschaker, P., Rechtsvergleichende Studien zur Gesetzgebung Hammurapis, 1917; Driver, G. u. a., The Babylonian Laws, 1952ff.; Nörr, D., Studien zum Strafrecht im Kodex Hammurapi, 1954; Haase, R., Einführung in das Studium keilschriftlicher Quellen, 1965; Müller, D., Die Gesetze Hammurabis, 1975; Ringer, J., Noch einmal: Was war der „Kodex“ Hammurapi, (in) Rechtskodifikation, hg. v. Gehrke, H., 1994; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Strenge, I., Codex Hammurapi und die Rechtsstellung der Frau, 2006; Der Codex Hammurabi in deutscher Übersetzung, hg. v. Winckler, H., 2010

Hand ist das zum Greifen dienende menschliche Gliedmaß, das im Recht vielfach symbolisch verwendet wird. →Hals und Hand, handhaft

Lit.: Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1905; Jursch, H./Jursch, L., Hände als Symbol und Gestalt, 8. A. 1951; Schmidt-Wiegand, R., Mit Hand und Mund, Frühmittelalterliche Studien 25 (1991), 283; Wirth, H., Die linke Hand, 2010

Hand wahre Hand ist im spätmit­tel­alterlichen deutschen Recht (seit dem 14. Jh. bzw. später) die eingängige Wendung, die zum Ausdruck bringen soll, dass der Eigentümer, der einem anderen eine bewegliche Sache anvertraut, diese nur von ihm, nicht dagegen von einem Dritten, an den die Sache gelangt ist, zurückverlangen kann (Lübeck 1586 3, 2, 1 und 2). Alter und Herkunft der Wendung sind streitig. Der Sache nach enthält zwar bereits der Sachsenspiegel (Landrecht II 60 § 1) einen entsprechenden Satz, doch sind die mit­telalterlichen Lösungen dieses Rechts­pro­blems durchaus unterschiedlich (z. B. Goslar, München nach h. M. abgelehnt vom Ingelheimer Oberhof). Mit der Aufnahme des römischen Heraus­gabeanspruches (Vindika­tion) des Eigen­tümers seit dem Spätmittelalter erweist sich ein erneutes Durchdenken der Frage als erforderlich, als dessen Folgen der (aus den römischrechtlichen Sätzen über die Ersitzung hergeleitete) →gute Glaube des Erwerbers be­deutsam und die Fahrnisver­fol­gung gegenüber Dritten unter Verpflichtung der Aufwand­erstattung (Lösungsrecht) erweitert wird. Der →Codex Theresianus (1766 II, 8 § 4) er­kennt den gutgläubigen Eigen­tumserwerb des Erwerbers an. Streitig ist in der Folge, inwieweit der gutgläubige Erwerb vom Nichtberechtigten auf dem Satz H. w. H. beruht.

Lit.: Hübner 433; Köbler, DRG 125, 163; Planitz, H., Fahrnisverfolgung im deutschen Recht, ZRG GA 34 (1913), 424; Meister, E., Fahrnisverfolgung und Unterschlagung, FS Adolf Wach 1913; Anners, E., Hand wahre Hand, 1952; Korte, A., Anwendung und Verbreitung des Rechtssatzes Hand wahre Hand im mittelalterlichen Privatrecht, 1981; Völkl, A., Das Lösungsrecht von Lübeck und München, 1991; Hurst-Wechsler, M., Herkunft und Bedeutung des Eigentumserwerbs kraft guten Glaubens nach Art. 933 ZGB, 2000; Engstfeld, J., Der Erwerb vom Nichtberechtigten, 2002

Handel (Wort 1267) ist der Ankauf und Verkauf von Waren auf dem Weg vom Hersteller zum Verbraucher. An seinem Anfang steht der →Tausch. Mit der Verwendung von →Geld beginnt der →Kauf den Tausch abzulösen. Bedeutsam ist der H. im Stadtstaat des Altertums und seit dem Hochmittelalter in der Stadt. Mit dem 19. Jh. tritt die Selbst­versorgung allgemein hinter der Versorgung durch Markt und Handel zurück.

Lit.: Köbler, DRG 13, 16, 29, 67, 78, 97, 167, 176, 217, 225, 242, 271; Stein, W., Handels- und Verkehrsge­schichte der deutschen Kaiserzeit, 1922, Neudruck 1967; Rundstedt, H. v., Die Regelung des Getreidehandels in den Städten, 1930; Weider, M., Das Recht der deutschen Kaufmannsgilden im Mittelalter, 1931; Beutin, L., Der deutsche Seehandel, 1933; Koppe, W., Lübeck-Stockholmer Handelsgeschichte, 1933; Müller, K., Welthandelsbräuche 1480-1540, 1934, Neudruck 1962; Laurent, H., Un grand commerce d’exportation, 1935; Köhler, E., Einzelhandel im Mittelalter, 1938; Aubin, G./Kunze, A., Leinenerzeugung und Leinenabsatz im östlichen Mitteldeutschland, 1940; Peyer, H., Zur Getreidepolitik oberitalienischer Städte im 13. Jahrhundert, 1950; Kehn, W., Der Handel im Oderraum im 13. und 14. Jahrhundert, 1968; Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und frühgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa, Bd. 1ff. hg. v. Düwel, K., 1985ff. (Bd. 3 Der Handel im frühen Mittelalter); Siems, H., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992; North, M., Kommunikation, Handel, Geld und Banken, 2000; Gassert, M., Kulturtransfer durch Fernhandels­kaufleute, 2001; Hornbogen, J., Travail national – nationale Arbeit – die handelspolitische Gesetzgebung in Frankreich und Deutschland, 2002; Reyerson, K., The Art of the Deal, 2002; Nagel, J., Abenteuer Fernhandel. Die Ostindienkompagnien, 2007; Hahn, B., Welthandel, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Praktiken des Handels, hg. v.  Häberlein, M. u. a., 2010; Netzwerke im europäischen Handel des Mittelalters, hg. v. Fouquet, G. u. a., 2010

Handelsbrauch ist der im Handel beachtete und im Zweifel zu beachtende Brauch.

Lit.: Müller, K., Welthandelsbräuche 1480-1540, 1934

Handelsbuch ist das seit dem Spätmittelalter vom Händler über seine Geschäfte geführte →Buch, das in der Neuzeit auch rechtlich den Beweis erleichtert (ALR [1794]).

Lit.: Köbler, DRG 167; Schmidt-Busemann, W., Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, Diss. rer. pol. Göttingen 1977; Stockalpner, K. v., Handels- und Rechnungsbücher, hg. v. d. schweizerischen Stiftung für das Stockalper­schloss u. a., Bd. 1ff. 1987ff.; Dunkmann, C., Die Beweiskraft der Handelsbücher, 2007

Handelsgericht ist das für Handelssachen zuständige Gericht.

Lit.: Schön, D., Die Handelsgerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Bonn 1999

Handelsgesellschaft ist die →Handel trei­bende, auf Gewinnerzielung gerichtete →Gesellschaft. Sie erscheint zum einen ohne klare Verbindungen zum römischen Recht des Altertums im Mittelmeerraum (Venedig, Ge­nua, Pisa), wobei die (lat. [F.]) commenda (Seedarlehen, einseitige Kapitalbeteiligung) gegenüber der H. (lat. societas [F.] maris) (Seegesellschaft, beidseitige Kapitalbeteili­gung) zumindest zeitweise den Vorrang hat. Aus der Erben­gemeinschaft entwickelt sich die →offene H. Sie wird in Florenz 1408 durch die Beschränkung der Haftung abgeändert, woraus sich im 16. Jh. als neue Form die →Kommanditgesellschaft ergibt. Im nordischen Bereich finden sich ebenfalls genossenschaft­liche Unternehmungen. Be­deut­­sam sind hierbei die Kommission (→sendeve) und das vielleicht den Rahmen hierfür abgebende Darlehen (wederleg­ginge, einseitige Kapitalführung). In Ober­deutsch­land bilden Familien offene Handelsgesell­schaften (z. B. Fugger). Mit der Entdeckung der neuen Welt seit 1492 werden hohes Kapital und breite Gefahrenstreuung not­wendig. Hieraus ent­wickelt sich die →Aktiengesellschaft (1602 Niederländische ostindische Handelskom­pagnie). Allgemein befasst sich der deutsche Gesetzgeber mit der H. im Allgemeinen Landrecht (Preußens) von 1794 (II, 8, §§ 614ff. ohne Unterscheidung einzelner Formen). Frankreich, das bereits 1673 und 1681 ordonnances zum Handel erlassen hatte, setzt 1808 einen eigenen (franz.) Code de commerce (Handelsge­setzbuch) in Kraft, der die Aktiengesellschaft (franz.) société (F.) anonyme gesetzlich regelt. Im Deutschen Bund behandelt 1861 das als allgemeines deutsche Gesetz der souveränen Bundes­staaten entstandene →Allgemeine Deutsche Handelsgesetz­buch die offene Handelsgesellschaft, die Kommandit­gesellschaft, die Aktiengesellschaft und (außerdem) die stille Gesellschaft. Das Handelsgesetzbuch von 1897 nimmt zusätzlich die Kommandit­gesellschaft auf Aktien auf. Mit dem 20. 4. 1892 wird die →Gesellschaft mit beschränkter Haftung geschaffen, mit dem 30. 1. 1937 die Aktiengesellschaft in einem eigenen Ge­setz verselbständigt. Innerhalb der Euro­päischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union wer­den die Europäische wirt­schaftliche Interes­sen­vereinigung (1985/­1988), die Europäische Gesellschaft (Euro­päische Aktien­gesellschaft, Societas Euro­paea, 2004) und die Societas Cooperativa Europaea neu geschaffen.

Lit.: Köbler, DRG 127; Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Uni­versalgeschichte des Han­delsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Weber, M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften, 1889; Weber, M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2007; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Schulte, A., Geschichte der großen Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 1 1923; Pollack-Parnau, F. v., Eine österreichisch-ostindische Handelskompagnie 1775-1785, 1927; Ammann, H., Die Diesbach-Watt-Gesellschaft, 1928; Fitzler, M., Die Handelsgesellschaft Felix v. Oldenburg & Co. 1753-160, 1931; Condanari-Michler, S., Zur frühvenezianischen collegantia, 1937; Silberschmidt, W., Von collegantia und rogadia zu widerlegung und sendeve, Studi di storia e diritto in onore di Enrico Besta, 1938; Bruhl-Lévy, H., Histoire juridique des Sociétés de Commerce en France, 1938; Lopez, R., The Commercial Revolution of the Middle Ages, 1971; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Hagemann, H., Basler Handelsgesellschaften im Spätmittelalter, FS F. Vischer, 1983, 557; Cordes, A., Spätmittel­alterlicher Gesellschaftshandel im Hanseraum, 1998; Hartung, W., Geschichte und Rechtsstellung der Compagnie in Europa, 2000; Societates, hg. v. Cordes, A. u. a., 2003; Söhnchen, M., Die historische Entwicklung der rechtlichen Gründungsvoraussetzungen, 2005; Mehr, R., Societas und universitas - Römischrechtliche Institute im Unternehmensgesellschaftsrecht vor 1800, 2008; Amend-Traut, A., Brentano, Fugger und Konsor­ten, 2009; Klosa, S., Die Brandenburgische-Africanische Compagnie in Emden, 2011

Handelsgesetzbuch ist das den Handel regelnde besondere Gesetzbuch. Es erscheint 1808 als (franz.) Code (M.) de commerce in Frankreich, wo schon →ordonnances von 1673 und 1681 vorangegangen waren (→Spanien 1829 [Código de comercio], →Portugal 1833, →Niederlande 1838). Im →Deutschen Bund wird nach einem vergeblichen Versuch von 1848 auf bayerischen Antrag und unter Verwendung preußischer und österreichischer Vorlagen 1861 durch Vereinbarung unter den Bundesstaaten ein eher dem objektiven System Levin Goldschmidts als dem subjek­tiven System Johann Heinrich Thöls folgende →Allgemeines Deutsches Handels­ge­setzbuch geschaffen, das die einzelnen Mitgliedstaaten (weitgehend identisch) als eigenes Gesetz in ihrem Staatsgebiet einführen. Es wird im Deutschen Reich 1897 in das Handelsgesetz­buch mit auf den Kaufmann abstellendem subjektivem System umgeformt. Das in Österreich 1938 zum 1. 3. 1939 eingeführte H. des deutschen Reiches wird 2007 durch ein Unter­nehmens­gesetzbuch abgelöst.

Lit.: Köbler, DRG 182, 184, 217; Protokolle der Kommission zur Beratung eines allgemeinen deut­schen Handelsgesetzbuches, hg. v. Lutz, J., Bd. 1ff. 1858, Neudruck 1984; http://www.koeblergerhard.de/­Fontes/Allgemeines­DeutschesHandelsgesetzbuch­1861.htm; Wild, P., Der Einfluss des Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches auf die Privatrechts­dogmatik, Diss. jur. Saarbrücken 1966; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechsel­ordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetz­buchs als Bundesgesetze 1869, ZHR 144 (1980), 484; Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetz­buches für Deutschland (1848/49), hg. v. Baums, T., 1982; Schulz, R., Die Entstehung des Seerechts des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetz­buches, 1987; Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, hg. v. Schubert, W., 1986ff.; 100 Jahre Handelsgesetzbuch, hg. v. Paschke, M. u. a., 1998; Kiehnle, A., Hofackers Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für Württemberg und die Rechtsvergleichung, ZRG GA 130 (2013), 406

Handelskammer ist die im 19. Jh. geschaffene Körperschaft des öffentlichen Rechtes zur Wahrung und Förderung der Interessen der Mitglieder im Bereich des Handels (Frankreich, linksrheinische deutsche Gebiete ab 1801, Preußen 1848, Österreich 1850, Ham­burg 1868, Preußen 1870). In Frankreich entsteht die H. als Unterbau des in Paris 1700 durch Ludwig XIV. eingerichteten Handelsrats zwecks Leitung des Handels und der Gewerbe nach den Grundsätzen des Merkantilismus. Warum in Preußen auch rechtsrheinisch nach 1830 Handelskammern nach französischem Vorbild neben Gilden gegründet werden, ist noch nicht wirklich geklärt.

Lit.: Fischer, W., Unternehmerschaft, Selbst­verwaltung und Staat, 1964; Die Bozner Handelskammer, 1981; Bibliographie zur Geschichte und Organisation der Industrie- und Handelskammern, hg. v. Ernst, S., 1986; Schmaltz, J., Die Entwicklung der Industrie- und Handelskammern, 2010; Faulwetter, S., Von der Zunft zur Handelskammer, 2011

Handelsrecht (1734) ist das Recht des →Handels bzw. subjektiv das Sonder­privatrecht der →Kaufleute. Es entwickelt sich trotz einiger besonderer Einrichtungen für den Handel im Altertum und verschiedener Zeugnisse für Handel und Markt im Frühmittelalter erst seit dem Mittelalter in Oberitalien (Genua 1056, Pisa 1161 Constitutum usus, Mailand 1170) und Spanien (Barcelona, Valencia). Führend sind dabei die genossen­schaftlichen Zusam­men­­schlüsse der Kaufleute. Bemerkenswert sind Einflüsse der Araber. Für das Seerecht gewinnen Rhodos (8. Jh.), Trani (11. Jh.), Oléron (12. Jh.), Pisa (1161), Genua (1350) und Barcelona (1348 →Consolat del Mar) besondere Bedeutung, im nordeuro­päischen Raum die →Hanse. In der frühen Neuzeit findet sich H. hauptsächlich in den städtischen Statuten (Hamburg 1603, 1642 u. ö., Nürnberg 1647, 1654, Leipzig 1682 u. a.), daneben auch in Reichspolizeiordnungen (1523, 1530, 1548, 1577 u. ö.). Etwa zu dieser Zeit setzen auch wissenschaftliche Bemühungen um das H. ein (Pedro de Santarém, Benvenuto Stracca 1553, Juan de Hevia Bolaños 1603, Sigismondo Scaccia 1618, Johann Marquard 1662 Tractatus politico-iuridicus de iure mercatorum et commerciorum singulari, Savary, Jacques, Le Parfait Négociant, 1675 Neudruck 2011). In Frankreich erlässt Ludwig XIV. 1673 die (frz.) →ordonnance du commerce und 1681 die (frz.) →ordonnance de la marine. Im Heiligen römischen Reich  befasst sich Kreittmayr in seinen Anmerkungen mit dem H. Die erste zusammenfassende Regelung ist im preußischen →Allgemeinen Landrecht (1794) als Standesrecht der Kaufleute enthalten. Demgegenüber veröffentlicht Karl Gottlob Rössig (1752-1806) 1796 eine eigene systematische Darstellung des Leipziger Handelsrechts, Georg Friedrich von Martens (1756-1821) 1797 einen besonderen Grundriss des Handelsrechts und fasst der vom Code civil (1804) bewusst getrennte französische →Code de commerce (1808) das H. als sachliches Sonderrecht des Handels auf. Eine eigenständige deutschrechtliche Sonderent­wicklung im deutschen Bereich lässt sich nicht erkennen, obgleich sich die Lehrbücher des ge­meinen deutschen Privatrechts besonders auch des Handels­rechts annehmen. In der Folge erlangt das Handelsrecht wegen des Wandels der Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft und anschließend zur Dienstleistungs­gesellschaft und dem damit verbundenen Übergang von der Hauswirt­schaft zur Marktwirtschaft sowie der nicht vorher gesehenen Entfaltung des Verkehrs­wesen in Richtung globaler Weltwirtschaft zentrale Bedeutung. →Handels­gesetzbuch

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 205; Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Raisch, P., Die Abgrenzung des Handelsrechts vom bürgerlichen Recht als Kodifikations­problem des 19. Jahrhunderts, 1962; Raisch, P., Geschichtliche Voraussetzungen, 1965; Scherner, K., Anfänge einer Handelsrechtswissenschaft im 18. Jahrhundert, ZHR 136 (1972), 465; Handbuch der Quellen und Literatur zur neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,797, 2,2,571, 3,3,2853; Köbler, G., Die Wissenschaft des gemeinen deutschen Handelsrechts, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 277; Gelehrte in Hamburg, hg. v. Loose, H., 1976 (Büsch 1728-1800); Bergfeld, C., Einzelkaufmann und Unternehmer, Person und Organisation im Handelsrecht, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 126; Sonnleithner, G. v., Bearbeitung des Handelsrechts durch Ignaz von Sonnleithner, 1982; Montag, J., Die Lehrdarstellungen des Handelsrechts von Georg Friedrich Martens bis Meno Pöhls, 1986; Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1f. 1986ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., 3,3, 1986; Mohnhaupt, H., „Jura mercatorum durch Privilegien“, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 308; The Courts and the development of commercial law, hg. v. Piergiovanni, V., 1987; Lammel, S., Zur Entstehung von Handelsrecht, 1987; Müller-Boysen, C., Kaufmannsschutz und Handelsrecht im frühmittel­alterlichen Nordeuropa, 1990; Modernisierung des Handelsrechts im 19. Jahrhundert, hg. v. Scherner, K., 1993; Ittenbach, H., Handelsrechts­systeme, 1994; Eisenhardt, U., Zu den deutschrechtlichen Wurzeln des Handelsrechts, FS P. Raisch, 1998, 51; ; From lex mercatoria to commercial law, hg. v. Piergiovanni, V., 2005, Neudruck 2013; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; EIne Grenze in Bewegung, hg. v. Cordes, A. u. a., 2012; Iglesia Ferreirós, A., Liber usaticorum Barchinone I 1, 2012; Eine Grenze in Bewegung - öffentliche und private Justiz im Handels- und Seerecht, hg. v. Cordes, A. u. a., 2012; From lex mercatoria to commercial law, hg. v. Piergiovanni, V., 2005, Neudruck 2013

Handelsregister ist das handelsrechtliche Sachverhalte verzeichnende öffentliche, bei den Amtsgerichten geführte Register. Frühe, von Notaren wahrzunehmende Ansätze wer­den in Frankfurt am Main 1666 (Protocollum) sichtbar. 1829 wird im Codigo de comercio Spaniens der Verwaltung die Führung eines Handelsregisters übertragen, 1839/1840 nach einem Entwurf Württembergs erstmals Ge­richten.

Lit.: Rintelen, M., Das Ragionenbuch der Augsburger Kaufmannschaft, Hist. Zeitschrift für Schwaben und Neuburg 39 (1913), 96; Rintelen, M., Das Wiener Merkantilprotokoll, ZRG GA 34 (1913), 258; Rintelen, M., Untersuchungen über die Entwicklung des Handelsregisters, 1914; Heimann, R., Die Entwicklung der handelsrechtlichen Veröffentlichung vom ALR bis zum ADHGB, 2008; Entwicklungsgeschichte des Handelsrechts. Synoptische Darstellung, bestehend aus ADHGBm HGB, 1897, heutigem deutschem Handelsrecht und österreichischem Unternehmensgesetzbuch, hg. v. Flume, J. u. a., 2009

Handelsvertrag ist der den →Handel zwi­schen mindestens zwei →Staaten betreffende Vertrag. Er findet sich nach Vorläufern des Altertums (z. B. Könige von Ebla und Assur Mitte 3. Jt.s v. Chr., Rom und Karthago 509 v. Chr.?) seit dem 12. Jh., und zwar neben dem Privileg des Herrschers. Seit der frühen Neuzeit setzen die (europäischen) Kolonial­mächte ihre Interessen außer mit Gewalt auch mit ungleichen Handelsverträgen durch. Seit dem aus­gehenden 18. Jh. wird die vor allem von Adam Smith (On the Origin and Causes of the Wealth of Nations 1776) entwickelte Vorstellung des Liberalismus grundlegend bedeutend. 1947 schafft das von 23 Staaten abgeschlossene, am 1. 1. 1948 in Kraft getretene General Agreement on Tariffs and Trade (GATT, völkerrechtlicher Vertrag, Deutschland 1951, Schweiz 1966) einen 1994 erneuerten Rahmen für den weltweiten Handel. 1995 wird von den damals 123 Mitgliedstaaten die Welthandels­orga­nisation (World Trade Organization WTO, Sitz in Genf) gegründet, die als Dachorganisation für weltweite Handelsver­trags­abkommen dient.

Lit.: Treue, W., Die deutsche Landwirtschaft zur Zeit Caprivis, Diss. phil. Berlin 1933; Prüser, J., Die Handelsverträge der Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg, 1962; Krug, G., Amity & Commerce, 1999; Bayer, F., Das System der deutschen Handelsverträge von 1853 und 1914, 2004; Kleinschmidt, H., Das europäische Völkerrecht und die ungleichen Verträge um die Mitte des 19. Jahrhunderts, 2007; Damler, D., Imperium contrahens, 2008; Pahre, H., Politics and Trade Cooperation in the Nineteenth Century, 2008; Kleinschmidt, H., Geschichte des Völkerrechts in Krieg und Frieden. e-book 2013

Handelsvertreter (bis 1953 Handlungs­agent) ist der als Vertreter tätige Gehilfe des →Kaufmanns.

Lit.: Schmidt, D., Die Reform des Rechts der Handelsvertreter, 1995; Bromm, B., Die Entstehungsgeschichte des Berufs der Handelsvertreter, 2000; Schmidt, K., Vom Handelsvertreterrecht zum mo­dernen Vertriebsrecht, JuS 2008, 665

Handfeste ist eine mittelalterliche Bezeich­nung für ein mit der Hand (Unterschrift) gefestigtes Schriftstück (Privileg) (vgl. gr. [N.] cheiró­graphon, Handschrift) (z. B. Georgenberger H. 1186, Kulmer H. 1233, Berner H. 1218?).

Lit.: Die Freiburger Handfeste von 1249, hg. v. Foerster, H. u. a., 2003; Armgart, M., Die Handfesten des preußischen Oberlandes bis 1410 und ihre Aussteller, 1995; Stephan, J., Die Handfesten des Elbinger Komtureibuches, Jb. f. d. Gesch. Ost- und Mitteldeutschlands 54 (2008), 97

Handgemal (Handmahal) (N.) ist im deutschen Mittelalter (Erstbeleg hantmal im Abrogans der Mitte des 8. Jh.s, hantgemal noch verwendet in der Glosse zum sächsischen Weichbildrecht vom Ende des 14. Jh.s) das Hand­zeichen (?) und das vielleicht damit bezeichnete Stammgut (str.).

Lit.: Köbler, WAS; Homeyer, C., Über die Heimat nach altdeutschem Recht, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1852; Keller, S., Handmahal und anthmallus, ZRG GA 30 (1909), 224; Sohm, R., Über das Hantgemal, ZRG GA 30 (1909), 103; Meyer, H., Das Handgemal als Gerichtswahrzeichen des freien Geschlechtes bei den Germanen, 1934; Krogmann, W., Handmahal, ZRG GA 71 (1954), 126; Balon, J., L’Handgemal à l’épreuve du droit, ZRG GA 73 (1956), 141; Krogmann, W., Rechtsgeschichte ohne Philologie?, ZRG GA 74 (1957), 271; Schmidt-Wiegand, hantgemaelde, FS Werner Schröder, 1989, 333ff.

Handhafte Tat ist im Mittelalter die durch Ergreifen des Täters in oder unmittelbar nach der Ausführung gekennzeichnete Tat (vgl. im römischen Recht das [lat.] furtum [N.] mani­festum). Vielleicht darf in ger­manischer Zeit der handhafte Täter sofort getötet werden. Die frühmittelalterlichen Volksrechte gestatten die Tötung zwar nicht (mehr) in allen Fällen, aber doch bei nächtlicher Tat, bei Widerstand oder Flucht. Vor Gericht ist dem Handhafttäter der →Reinigungseid verwehrt. Im Hochmittel­alter darf nur noch der handhafte Ehebrecher sofort getötet werden. In der vom Inqui­sitions­prozess gekennzeich­neten Con­stit­u­­tio Crimi­nalis Carolina (1532) scheint ein beson­deres Verfahren bei handhafter Tat nicht mehr auf, doch ist noch nach § 127 StPO (1877/­1879), wenn jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird und er der Flucht ver­dächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vor­läufig festzunehmen.

Lit.: Kaser §§ 32 II, 21 I; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70, 86; Köbler, WAS; Scherer, M., Die Klage gegen den toten Mann, 1909; Brunner, H., Die Klage mit dem toten Mann und die Klage mit der toten Hand, ZRG GA 31 (1910), 235; Meyer, H., Gerüft, Handhaft­verfahren und Anefang, ZRG GA 37 (1916), 382; Gernhuber, J., Die Landfriedensbewegung, 1952; Ebert, I., Pönale Elemente, 2004

Handlung (Wort um 900) ist das menschliche Verhalten, das als von Willen beherrschbar gedacht ist und daher objektiv zugerechnet werden kann. In den Einzelheiten problematisch wird die H. erst der neuzeitlichen Rechtswissenschaft. Im Strafrecht setzt sich am Ende des 19. Jh.s eine rein kausale Handlungslehre durch (Franz von List, Beling), die in der Mitte des 20. Jh.s von einer finalen Handlungslehre (Hans Welzel) bekämpft wird.

Lit.: Köbler, DRG 204, 208; Bubnoff, E. v., Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungs­begriffes von Feuerbach bis Liszt, 1966; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Handlungsfähigkeit →Geschäftsfähigkeit, De­likts­fähigkeit

Handlungsfreiheit ist die grundsätzlich bestehende Freiheit des Menschen, zu tun und zu lassen, was er will. Sie wird seit dem 18. Jh. in Verfassungsurkunden aufgenommen. Ihre bei dichtem Zusammenleben not­wendigen Schranken finden sich vor allem in Gesetzen.

Lit.: Kukk, A., Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfrei­heit, 2000

Handschenkung ist die am Anfang der Entwicklung der →Schenkung stehende, auch in der Gegenwart bei geringwertigen Gütern übliche, sofort vollzogene Schenkung.

Lit.: Meinig, I., Die Entwicklung der Lehre von der Handschenkung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1972

Handschlag ist das Vertrauen versinnbildlichende gegenseitige Handge­ben zweier Vertragspartner zum Zeichen des Abschlusses des Geschäfts im deutschen Recht, dem bei den Römern lat. manum dare (Hand geben) entspricht.

Lit.: Siegel, H., Handschlag und Eid, 1892

Handschrift ist die mit der Hand ausgeführte Schrift und das dadurch geschaffene umfangreichere Ergebnis. Die H. entsteht mit der Entwicklung der →Schrift und geht seit der Mitte des 15. Jh.s für bedeutsamere Schreiber­gebnisse in das gedruckte →Buch über. Möglicherweise konnte ein Schreiber täglich etwa sieben Seiten schreiben. In Bologna wurden dabei seit 1250 Hand­schriften jeweils in Lagen an Berufsschreiber zur Vervielfäl­tigung abge­geben (Pecien­system). Seit der Mitte des 19. Jh.s werden Schreibmaschinen zur Herstellung einzelner Schriftstücke verwendet, seit dem dritten Drittel des 20. Jh.s damit verknüpfte Rechner und Drucker. Die Zahl der im Mittelalter (im deutschen Sprachraum) erstellten Handschrif­ten wird auf 2 Millionen geschätzt (davon 1,1 Millionen im 15. Jahrhundert), von denen noch rund 120000 vorhanden sind (davon etwa 12000 bzw. 10 Prozent in deutscher Sprache).

Lit.: Mazal, O., Lehrbuch der Handschriftenkunde, 2. A. 1986; Verzeichnisse der deutschen Handschriften österreichischer Bibliotheken, Bd. 2 Salzburg, bearb. v. Jungreithmayr, A., 1988; Le livre au Moyen Age, hg. v. Glenisson, J., 1988; Die datierten Handschriften der bayerischen Staatsbibliothek München, Teil 1ff., bearb. v. Schneider, K. u. a. 1994ff.; Die Handschriften der Universitätsbibliothek München. Mikrofiche-Edition 1994-1995 (99 deutschsprachige mittelalterliche Handschriften, 447 lateinische mittelalterliche Hand­schriften); Katalog der illuminierten Handschriften der württembergischen Landesbibliothek Stuttgart 3, 1, bearb. v. Sauer, C. u. a., 1996; Schriftkultur und Reichsverwaltung unter den Karolingern, hg. v. Schieffer, R., 1996; Bischoff, B., Katalog der festländischen Handschriften des 9. Jahrhunderts, Bd. 1f. 1998ff.; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002; Literaturbericht Handschriftenkataloge, DA 57 (2001), 555; Köbler, G., Altdeutsch - Katalog aller allgemein bekannten altdeutschen Handschriften, 2005; Mentzel-Reuters, A., Literaturbericht Handschriften­kataloge, DA 63 (2007), 135; Orth, P., Über Nutzen und Perspektiven eines gedruckten Initienver­zeichnisses, DA 63 (2007), 125; Murano, G., Opere diffuse per Exemplar e Pecia, 2005; Hoffmann, H., Italienische Handschriften in Deutschland, DA 65 (2009), 29; Manuscripta germanica, hg. v. Breith, A. u. a., 2012

Handschuh ist das Bekleidungsstück der menschlichen Hand, das im (deutschen) Recht in unterschiedlichen Zusammenhän­gen als Symbol Verwendung findet (z. B. Fehdehandschuh).

Lit.: Norton-Kyshe, J., The Law and Customs relating to Gloves, 1901; Schwineköper, B., Der Handschuh im Recht, 1938, Neudruck 1981

Handwerk ist Bearbeitung und Verarbeitung von Stoffen für andere ohne vorrangige Verwendung industrieller Arbeitsformen (z. B. Schreiner, Zimmermann, Maurer, Bäcker, Metzger, Fischer). Im Altertum wird diese Tätigkeit überwiegend für andere von →Sklaven ausgeführt, im Frühmittelalter im Rahmen der →Grundherrschaft. Dagegen bildet sich in der hochmittelalterlichen Stadt das freie H. in vielfältiger Aufgliederung aus und schließt sich zur Sicherung der Einkünfte gegeüber Dritten genossenschaftlich ab (→Zunft, →Gilde, →Innung). Wer in einem H. tätig sein will, muss dieses mit einer mehrjährigen Lehre bei einem Meister erlernen. Danach kann er als Geselle wirken. Vollberechtigt ist er im H. erst, wenn er Meister geworden ist. In manchen Städten (z. B. Straßburg, Zürich) nehmen seit dem 14. Jh. die Angehörigen des Handwerks an der Stadtherrschaft teil. 1731 soll eine Reichshandwerksordnung im Hei­ligen römischen Reich Missbräuche der Gesellen beseitigen. Im Kampf mit der liberalen →Gewerbefreiheit des 19. Jh.s (Preußen 1810) gelingt dem H. die Bewah­rung der durch Prü­fungen nachzuwei­senden Qualifi­kations­merkmale bis in die Gegenwart (Hand­werksordnung). Trotz der Konkurrenz der Industrie vermag das H. sich zu halten, tritt aber um 1900 an Bedeutung hinter Fabriken und Bergwerken zurück.

Lit.: Köbler, DRG 78, 111; Stockbauer, J., Nürnbergisches Handwerksrecht des 16. Jahrhunderts, 1879; Haandværksskik i Danmark, hg. v. Nyrop, C., 1903; Schulte, E., Das Gewerberecht der deutschen Weistümer, 1909; Bock, H., Die Entwicklung des deutschen Schuhmachergewerbes, 1922, Wissell, R., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, hg. v. Hahm, K., Bd. 1f. 1929, 2. A. 1981ff.; Hornschuch, F., Aufbau und Geschichte der internationalen Kesslerkreise in Deutschland, 1930; Weichs, E. Frhr. v., Studien zum Handwerkerrecht des ausgehenden 17. Jahrhunderts, 1939; Zatschek, H., Handwerk und Gewerbe in Wien, 1949; Proesler, H., Das gesamtdeutsche Handwerk im Spiegel der Reichsgesetzgebung, 1954; Fischer, W., Handwerksrecht und Handwerkswirtschaft um 1800, 1955; Schraepler, E., Handwerkerbünde und Arbeitervereine, 1972; Uhl, H., Handwerk und Zünfte in Eferding, 1973;z, C., Die Zürcherische Handwerks­ordnung von 1681, FS J. Bärmann, 1975; Göttmann, F., Handwerk und Bündnispolitik, 1977; Renzsch, W., Handwerker und Lohnarbeiter in der frühen Arbeiterbewegung, Diss. phil. Göttingen 1981; Landolt, K., Das Recht der Handwerkslehrlinge, 1977; Das Handwerk in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., Bd. 1f. 1981ff.; Schichtel, P., Das Recht des zünftigen Handwerks im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, 1986; Deter, G., Rechtsgeschichte des westfälischen Handwerks im 18. und 19. Jahrhundert, 1990; John, P., Handwerk im Spannungsfeld zwischen Zunftordnung und Gewerbefreiheit, 1987; Deter, G., Handwerks­gerichtsbarkeit zwischen Absolutismus und Liberalismus, 1987; Lexikon des alten Handwerks, hg. v. Reith, R., 1990; Brand, J., Zur Rechtsfunktion des Gelages im alten Handwerk, ZRG GA 108 (1991), 297; Schultz, H., Das ehrbare Handwerk, 1993; Spohn, R., Kampf um die Arbeitskraft, 1993; Weyrauch, T., Handwerkerorganisationen, 1996; Wiener Neustädter Handwerksordnungen, hg. v. Scheutz, M. u. a., 1997; Brohm, U. Die Handwerkerpolitik Herzog Augusts des Jüngeren, 1999; Handwerk in Europa, hg. v. Schulz, K., 1999; Handwerk zwischen Zunft und Gewerbefreiheit, hg. v. Bernert, H., 1999; Stadt und Handwerk, hg. v. Kaufhold, H. u. a., 2000; Blume, H., Ein Handwerk – eine Stimme, 2000; Winzen, K., Handwerk – Städte – Reich, 2002; Deter, G., Handwerk vor dem Untergang, 2005; Will, M., Selbst­ver­waltung der Wirtschaft, 2010; Schulz, K., Handwerk, Zünfte und Gewerbe - Mittelalter und Renaissance, 2010

Handwörterbuch zur deutschen Rechtsge­schichte ist das von Wolfgang Stammler, Adalbert Erler und Ekkehard Kaufmann 1964 begründete, nach 34 Jahren in erster Auflage 1998 in 5 Bänden mit mehr als 5000 Stichwörtern abge­schlossene, seit 2004 von Albrecht Cordes, Heiner Lück und Dieter Werkmüller in zweiter Auflage unter philologischer Bera­tung (Ruth Schmidt-Wiegand, Christa Ber­tels­meier-Kierst) in verstärkter Einbeziehung der jüngeren Rechts­geschichte und deutlicherer Betonung des europäischen Kontexts he­raus­ge­gebene, von der Stiftung Rechtsstaat Sachsen-Anhalt e. V. unterstützte, alpha­be­tisch geordnete Nachschlagewerk zur deutschen Rechtsge­schichte.

Lit.: HRGdigital.de

Hänel, Albert (1833-1918) wird nach dem Rechtsstudium und nach der Habilitation in Leipzig als Professor in Königsberg und seit 1863 in Kiel ein bedeutender liberaler Vertreter des Staatsrechts (Deutsches Staatsrecht, 1892).

Lit.: Friedrich, M., Zwischen Positivismus und materi­alem Verfassungsdenken, 1971; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 2 1992, 355

Hängen ist das Töten eines Menschen durch Aufhängen an einem Strick (→Todesstrafe, →Galgen). Das H. ist dem römischen Al­tertum fremd, den Germanen (bei Volks­verrat) bekannt. Seit dem Hochmit­telalter (Sachsenspiegel 1221-1224) wird vor allem der Dieb gehängt. Im 18. Jh. wird in England das H. mittels einer sich unter dem Verurteilten ruckartig öffnenden Falltür eingeführt. Seit 1771 (Schleswig-Holstein) wird das H. im deutschen Sprachraum durch das Ent­haupten ersetzt. Mit dem Verbot der →Todes­strafe verschwindet es im 20. Jh. allgemein. In den Kriegsverbrecher­prozessen in Nürnberg werden 1946 die Todesurteile durch H. vollstreckt, ebenso im Irak 2006 (Saddam Hussein).

Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Evans, R., Rituale der Vergeltung, 2001

Hannover ist das aus Braunschweig-Lüneburg hervorgegangene, nach der Stadt (1163? bzw. 1189, Privileg 1241, Statutenbuch 1303) H. an der Leine (1636 Residenz, 1831 Technische Hochschule) benannte nord­deutsche Fürstentum (1692/­1708 Kurfürstentum, 1714-1837 Per­sonal­union mit England, 1807-1813 Zuord­nung zu Frankreich bzw. dem Königreich West­phalen), das 1814 zum Königreich aufsteigt und 1819 eine oktroyierte Verfassung erhält. Am 1. 1. 1837 hebt der (neue) König (Ernst August) ver­fassungswidrig das Staatsgrundgesetz vom 26. 9. 1833 auf und löst damit einen Ver­fassungskonflikt aus, in dem sieben protes­tierende Göttinger Professoren (u. a. Brüder Grimm) entlassen werden. Am 6. 8. 1840 wird ein neues Landesverfassungsgesetz geschaffen, 1850 eine Bürgerliche Pro­zessordnung). 1866 wird H. von Preußen annektiert und gelangt 1946 unter Zerschlagung Preußens zu Niedersachsen. →Göttingen

Lit.: Köbler, DRG 186; Köbler, Historisches Lexikon; Allgemeine Bürgerliche Prozessordnung für das Königreich Hannover vom 4. 12. 1847, Bürgerliche Prozessordnung für das Königreich Hannover vom 8. 11. 1850, Neudruck 1971; Hassell, W., Geschichte des Königreichs Hannover, 1898ff.; Merkel, J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem einheimischen Rechte, 1904; Florin, W., Der fürstliche Absolutismus, 1952; Ohnsorge, W., Zweihundert Jahre Geschichte der königlichen Bibliothek zu Hannover 1665-1866, 1962; Besecke, K., Das Vogtgericht der Altstadt Hannover, Diss. jur. Göttingen 1964; Landwehr, G., Die althannoverschen Landgerichte, 1964; Pufendorf, F., Entwurf eines hannoverschen Landrechts, hg. v. Ebel, W., 1970; Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hans. Geschichtsbll. N.F. 26 (1971), 1; Der hannoversche Verfassungskonflikt 1837/1838, ausgew. v. Real, W., 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsge­schichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2618, 3,3,2896; Müller, S., Stadt, Kirche und Reformation, 1987; Rechtsquellen aus den hannoverschen Landen 1501 bis 1803, hg. v. Oberschelp, R., 1999; May, J., Vom obrigkeitlichen Stadtregiment zur bürgerlichen Kommunalpolitik, 2000; Roolfs, C., Der hannoversche Hof von 1814 bis 1866, 2005; Kroeschell, K., recht und unrecht der sassen, 2005; Festschrift zum 175-jährigen Bestehen der Universität Hannover, Bd. 1ff., hg. v. Seidel, R. u. a., 2006; Thompson, A., Britain, Hanover and the Protestant Interest 1688-1756, 2006; Kempf, S., Wahlen zur Ständeversammlung im Königreich Hannover 1848-1866, 2007; Harding, N., Hannover and the British Empire 1700-1837, 2007; Lampe, J., „Freyheit und Ordnung“ - Die Januarereignisse von 1831, 2009; Piepenbring-Thomas, C., Recht in der Stadt Hannover, 2011; Mahrenholz, E., Ein Königreich wird Provinz, 2011; Köster, F., Ende des Königreichs Hannover 1865-1866, 2012

Hanse (ahd. hansa, Schar) ist der von hochmittelalterlichen Kaufleuten ausge­hende, ziemlich offene norddeutsche →Städtebund (und Kaufleutebund, in den durch das hansen aufgenommen wird). Seinen Anfang bildet vielleicht die schon im beginnenden 11. Jh. bevorrechtigte Genossenschaft deutscher Kaufleute in England. Bedeutsam wird danach die Gründung deutschbesiedelter Städte von Lübeck (1143) bis Riga (1201), Reval (nach 1219) und Dorpat (um 1230). Seit den Wirren des Interregnums (1254-1273) fassen die einander naheste­henden Städte auf Hansetagen oder im Umlauf gemeinsame Beschlüsse (Wismar 1256, Lübeck 1358 [mnd.] stede von der dudeschen hanse). Außer in London (1281, 1474 Guild Hall, Stalhof bis 1598, 1852 verkauft) bestehen bedeutsame Nieder­lassungen (Kontore) in Nowgorod (1191/um 1200-1494), Brügge (1309) und Bergen (um 1340/1343-1754). Unter der Führung der H., der bis zu 70 Städte mit bis zu 130 weiteren vertretenen Städten zwischen Zaltbommel, Visby, Dorpat, Krakau und Köln angehören (Dinant, Duisburg, Düsseldorf, Emmerich, Grieth, Köln, Neuss, Nimwegen, Roermond, Tiel, Venlo, Wesel, Zaltbommel, Arnhem, Deventer, Doesborg, Elburg, Harderwijk, Hasselt, Hattem, Kampen, Ommen, Staveren, Zutfen, Zwolle, Groningen, Bremen, Stade, Buxtehunde, Hamburg, Ahlen, Allendorf, Altena, Arnsberg, Attendorn, Balve, Beckum, Belecke, Bielefeld, Blankenstein, Bocholt, Bochum, Bödefeld, Borgentreich, Borken, Brakel, Breckerfeld, Brilon, Coesfeld, Dor­sten, Dortmund, Drolshagen, Dülmen, Essen, Eversberg, Freienohl, Fürstenau, Geseke, Grevenstein, Hachen, Hagen, Haltern, Hamm, Hattingen, Herford, Hirschberg, Hörde, Hüsten, Iburg, Iserlohn, Kallenhardt, Kamen, Langenscheid, Lemgo, Lippstadt, Lüden­scheid, Lünen, Melle, Menden, Minden, Münster, Neheim, Neuenrade, Neustadt in Hessen, Nieheim, Oldenzaal in den Nieder­landen, Olpe, Osnabrück, Paderborn, Peckels­heim, Plettenberg, Quakenbrück, Ratingen, Recklinghausen, Rheine, Rüthen, Schwerte, Soest, Solingen, Sundern, Telgte, Unna, Vörden in Westfalen, Vreden, Warburg, Warendorf, Warstein, Wattenscheid, Werl, Werne, Westhofen, Wetter, Wiedenbrück, Alfeld, Aschersleben, Bockenem, Braun­schweig, Einbeck, Gardelegen, Goslar, Gronau, Halberstadt, Hameln, Hannover, Helm­stedt, Hildesheim, Lüneburg, Magde­burg, Osterburg, Quedlinburg, Salzwedel, Seehausen, Stendal, Tangermünde, Uelzen, Werben, Duderstadt, Erfurt, Göttingen, Halle, Merseburg, Mühlhausen in Thüringen, Naum­burg, Nordhausen, Northeim, Osterode, Uslar, Berlin, Brandenburg, Cölln an der Spree, Frankfurt an der Oder, Havelberg, Kyritz, Perleberg, Pritzwalk, Kiel, Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Demin, Anklam, Stettin, Belgard (nicht Belgrad), Gollnow, Greifenberg, Kammin, Kolberg, Köslin, Rügenwalde, Schlawe, Stargard in Pommern, Stolp, Treptow an der Rega, Wollin, Braunsberg, Danzig, Elbing, Königsberg, Kulm, Thorn, Breslau, Krakau, Dorpat, Fellin, Goldingen, Kokenhusen, Lemsal, Pernau, Reval, Riga, Roop, Wenden, Windau, Wolmar, Kalmar, Nyköpjng?, Stockholm, Wisby sowie Geldern und [Hannoversch] Münden), kann im Kampf gegen Dänemark 1368 Kopenhagen erobert werden. Später wenden sich die Landesherren gegen die H. In der frühen Neuzeit treten viele Städte aus der H. aus, so dass nach 1669 nur noch ein Schutzbündnis von Bremen, Hamburg und Lübeck verbleibt.

Lit.: Köbler, DRG 97; Köbler, WAS; Frensdorff, F., Das Reich und die Hansestädte, ZRG GA 20 (1899), 115, 248; Schäfer, D., Die deutsche Hanse, 1914; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe (Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Rundstedt, H. v., Die Hanse und der deutsche Orden in Preu­ßen, 1937; Denucé, J., Die Hanse und die Antwer­pener Handelskompagnien in den Ostseeländern, 1938; Rörig, F., Vom Werden und Wesen der Hanse, 1940, 3. A. 1943; Pagel, K., Die Hanse, 1942, 3. A. 1963; Ebel, W., Hansisches Recht, 1949; Reibstein, E., Das Völkerrecht der deutschen Hanse, Zs. f. ausländ. öff. Recht 17 (1956), 38; Dollinger, P., La Hanse, 1966, 4. A. 1989, 5. A. 1998; Olechnowitz, K., Handel und Seeschifffahrt der späten Hanse, 1965; Bruns, F./Weczerka, H., Hansische Handelsstraßen, Bd. 1f. 1962ff.; Die deutsche Hanse als Mittler zwischen Ost und West, 1963; Sauer, H., Hansestädte und Landesfürsten, 1971; Stark, W., Lübeck und die Hanse, 1973; Spading, K., Holland und die Hanse, 1973; Schildhauer, J., Die Hanse, 6. A. 1985; Die Hanse, 3. A. 1999; Quellen zur Hansegeschichte, hg. v. Sprandel, R., 1982; Fahlbusch, F. u. a., Beiträge zur westfälischen Hansegeschichte, 1988; Der hansische Sonderweg?, hg. v. Jenks, S. u. a., 1993; Stoob, H., Die Hanse, 1995; Ziegler, H., Die Hanse, 1996; Niedergang oder Übergang?, hg. v. Graßmann, A., 1998; Genossenschaftliche Strukturen in der Hanse, hg. v. Jörn, N. u. a., 1999; Hammel-Kiesow, R., Die Hanse, 2000, 4. A. 2008; Pichierri, A., Die Hanse, 2000; Pitz, E., Bürgereinung und Städteeinung, 2001; Daenelle, E., Die Blütezeit der deutschen Hanse, 3. A. 2001; Novgorod, hg. v. Angermann, N. u. a., 2002; Landwehr, G., Das Seerecht der Hanse (1365-1614), 2003; Behrmann, T., Herrscher und Hansestädte, 2004; Hansisches und hansestädtisches Recht, hg. v. Cordes, A., 2007; Burkhardt, M., Der hansische Bergen-Handel im Spätmittelalter, 2009; Die Hanse, hg. v. Kiesow, R. u. a., 2009; Skvajrs, E., Die Hanse in Novgorod, 2009 (auch Squires, C.); Selzer, S., Die Hanse, 2010; Oestmann, P., Prozesse aus Hansestädten vor dem Königs- und Hofgericht in der Zeit vor 1400, ZRG GA 128 (2011), 114; Poeck, D., Die Herren der Hanse, 2010

Hansegraf ist im Mittelalter verschiedentlich die Benennung für einen Amtsträger in der Stadt mit unterschiedlichen Aufgaben (Regensburg 1184, Brügge 1187, Wien 1266, Kassel 1323, Bremen 1405).

Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954, 5. A. 1980, 58, 284

Hansen ist vielleicht die Aufnahme in die Hanse (Köln 1259), aus der sich das Hänseln entwickelt haben soll.

Lit.: Rauers, F., Hänselbuch, 1936

Hardburi

Lit.: Krogmann, W., As. hardburi, ahd. hartpuri, ZRG GA 74 (1957), 233 (Stammesobrigkeit)

Hardehausen

Lit.: Urkunden des Klosters Hardehausen, bearb. v. Müller, H., 2002

Hardenberg, Karl August (Essenrode bei Lehre bei Helmstedt 31. 5. 1750-Genua 26. 11. 1822) wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen (1766, Pütter) und Leipzig (1768) 1770 Verwal­tungsbeamter in Hannover, 1781 in Braun­schweig, danach nach Ehescheidung in Preußen (1791 Staatsminister für Ansbach und Bayreuth nach Inbesitznahme für Preußen), 1803 Außenminister Preußens, 1807 auf Druck Napoleons entlassen (September 1807 Reformdenkschrift), 4. 6./6. 10. 1810-1822 Staatskanzler in Preußen. Mit seinem Namen verbinden sich die Maß­nahmen der Stein-Harden­bergschen Reformen (Bauern­be­freiung, Ge­wer­befreiheit 1810, Regulie­rungsedikte 14. 9. 1811, 1816), doch steht neben dem Modernisie­rungswillen auch deutliche autoritär-bürokratische Tradition.

Lit.: Vaupel, R., Die Reorganisation des preußischen Staates unter Stein und Hardenberg, 1938; Zeeden, E., Hardenberg und der Gedanke einer Volksvertretung in Preußen, 1940; Thielen, P., Karl August von Hardenberg, 1967; Vogel, B., Allgemeine Gewerbefreiheit, 1983; Hardenberg, Karl August von, 1750-1822. Tagebücher, hg. v. Stamm-Kuhlmann, T., 1999; Hermann, I., Hardenberg, 2003

Harderwijk ist eine Stadt der Hanse in den Niederlanden und von 1648 bis 1814 Sitz einer Universität.

Häresie ist die dem kirchlichen Dogma widersprechende Irrlehre (Ketzerei). Sie wird schon im ausgehenden Altertum durch Verbote von Gottesdiensten, Enteignung von Gütern und Androhung der Todesstrafe sowie im Mittelalter seit 1231/1232 durch besondere Inquisitoren (Untersucher) bekämpft.

Lit.: Köbler, DRG 117; Grundmann, H., Religiöse Bewegungen im Mittelalter, 1935; Selge, K., Die ersten Waldenser, Bd. 1f. 1967; Lerner, E., The Heresy, 1972; Merlo, G., Eretici, 1977; Segl, P., Ketzer in Österreich, 1984; Häresie und vorzeitige Reformation, hg. v. Smahel, F., 1998; Lambert, M., Häresie im Mittelalter, 2001; Forrest, I., The Detection of Heresy, 2006; Heresy and Identity in Late Antiquity, hg. v. Iricinschi, E. u. a., 2006; Utz Tremp, K., Von der Häresie zur Hexerei, 2008; Segl, P., Mittelalterliche Häresien, 2010; Sackville, L., Heresy and Heretics in the Thirteenth Century, 2011

Harlem wird 1752 Sitz einer Universität.

Harmenopulos, Konstantinos, verfasst 1345 als Richter von Thessaloniki ein →Hexabiblos genanntes Gesetzeshandbuch des spätbyzan­tinischen Reiches in sechs Büchern, das nach weiter Verbreitung auf dem Balkan während der Osmanenzeit 1828 in Griechenland als vorläufiges Zivilgesetzbuch (bis 1946) Verwendung findet.

Lit.: Söllner §§ 23; Köbler, DRG 107; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995

Harmschar (F.) Qual, Schande als Buße (oder Strafe) im Frühmittelalter

Harpprecht, Johannes Friedrich (Walheim am Neckar 20. 1. 1560?-Tübingen 18. 9. 1639), früh ver­waister Juristensohn, wird nach dem Studium der Philosophie und Rechts­wissenschaft in Straßburg, Tübingen und Marburg 1589 in Tübingen promoviert und nach kurzer Tä­tigkeit am Reichskam­mergericht 1592 Pro­fessor der Institutionen in Tübingen. Sein bekanntestes Werk ist ein vierbändiger Kommentar zu den In­sti­tu­tionen Justinians (Opera [N.Pl.] om­nia multis insignibus quaesti­onibus adaucta, 1627-1630, Gesam­melte, mit vielen berühm­ten Unter­suchungen vermehrte Wer­ke), der auch die Praxis und das heimische Recht berück­sichtigt, aber weder systematische oder naturrechtliche Ansätze aufweist.

Lit.: Schnee, H., Die Professoren Dr. Harpprecht und Dr. Schöpf, FS G. Schreiber, 1963, 272; Scholz, W., Johann Harpprecht, Diss. jur. Tübingen 1980

Hartmann von Aue (Oberrheingebiet 1160/1165-nach 1210?), mittelhochdeut­scher Dichter, der vielleicht von (lat.) legibus (Gesetzen) gelesen hatte und dadurch (mhd.) legiste geworden ist. Seine Werke (Klage, Gregorius, der arme Heinrich Erec, Iwein) erfassen zahlreiche rechtliche Geschehnisse.

Lit.: Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Wapnewski, P., Hartmann von Aue, 3. A. 1967; Pensel, F., Rechtsgeschichtliches und Rechts­sprachliches, 1961; Wolf, J., Einführung in das Werk Hartmanns von der Ause, 2007

Häscher (Martin Luther um 1530) Verfolger

Hasel ist der seit 9000 v. Chr. großflächig verbreitete, Nüsse liefernde Busch, der vielleicht auch rechtliche Verwendung findet.

Lit.: Beuchert, M., Symbolik der Pflanzen, 2004

Hasse, Johann Christian (1779-1830) wird nach dem Rechtsstudium in Kiel (Thibaut) Professor in Jena, Königsberg, Berlin und Bonn. In seinem Buch Die Culpa des römischen Rechtes (1815) teilt er die (lat. [F.]) culpa unter Missachtung der Quellen in die Widerrechtlichkeit (Rechtswidrigkeit) und die Schuld (culpa).

Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E. v., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 1880ff., Neudruck 1957, 1978, III 2, 289

Hassfurt

Lit.: Tittmann, A., Hassfurt, 2002

Hattingen an der Ruhr wird 990 erstmals als Reichshof erwähnt und erwächst bis zur Neuzeit zu einer Kleinstadt. Aus ihr ist ein von 1629 bis 1652 reichendes Rats­protokollbuch erhalten. Es erweist noch ein Vorherrschen mittelalter­licher Strukturen.

Lit.: Piel, H., Die Protokolle des Rates der Stadt Hattingen von 1629 bis 1652, 2008

Hauberggenossenschaft ist die im Siegerland übliche, seit dem 15. Jh. belegte, von 1562 bis 1890 in Ordnungen gere­gelte Genossen­schaft zur landwirtschaftlich-gewerblichen Nutzung des Niederwaldes (Eichen, Birken als Heizmittel und Gerbe­mittel) im Turnus von 16-18 bzw. 15-25 Jahren. Sie entwickelt sich zur Gesamt­handsgemeinschaft bzw. juristischen Person. Wirtschaftlich unterliegt die H. in der Mitte des 20. Jh.s der Steinkohle und besseren Gerbemitteln.

Lit.: Achenbach, H., Die Hauberggenossenschaften des Siegerlandes, 1863; Delius, W., Hauberge und Haubergsgenossenschaften des Siegerlandes, 1910; Lorsbach, J., Hauberge und Hauberggenos­senschaften des Siegerlandes, 1956; Lerner, R., Hauberggenossenschaften im Kreis Altkirchen, 1993

Häuptling (lat. [M.] capitaneus) ist ein Anführer wie z. B. in Friesland seit dem 14. Jh.

Lit.: Boden, F., Die isländischen Häuptlinge, ZRG GA 24 (1903), 148

Hauptstadt ist im neuzeitlichen Staat der amtlich festgelegte Ort des Sitzes der Herrschaftsgewalt.

Lit.: Pagenkopf, O., Die Hauptstadt in der deutschen Rechtsgeschichte, 2004 (Diss. jur. Bonn 2003)

Hauriou, Maurice (1856-1929), Professor für Verwaltungsrecht (1888) und Verfassungs­recht (1920) in Toulouse, begründet, ausgehend vom Verwal­tungs­akt, die Wis­senschaft vom Verwaltungsrecht in Frankreich (Précis de droit administratif et de droit public général, 1892, Grundriss des Verwaltungsrechts und allgemeinen öffent­lichen Rechtes).

Lit.: Sfez, L., Essai sur la contribution du doyen Hauriou au droit administratif français, 1966

Haus ist das zum Benutzen durch Menschen bestimmte größere Gebäude. Seinem Schutz dient der Hausfriede. Die Hausgewalt steht lange Zeit in erster Linie dem Hausvater zu. Die Hausdurchsuchung ist nur unter be­stimmten Voraussetzungen erlaubt. Der Bau eines Hauses unterliegt bei dichterer Besiedlung öffentlichrecht­lichen Vorschriften (Baurecht, hochmittelalterliche Stadt, 19. Jh.). Übertragen ist H. auch das Geschlecht (oder Herrschaftsgebiet des Geschlechts). Die Wendung Haus und Hof ist erstmals in Aarau 1301 bezeugt. Hausbau s. Baurecht

Lit.: Kaser §§ 4, 12; Hübner 127; Köbler, DRG 21, 71, 88, 120, 160; Köbler, WAS; Haus und Siedlung im Wandel der Jahrtausende, 1937; Kramer, K., Haus und Flur im bäuerlichen Recht, 1950; Lhotsky, A., Was heißt „Haus Österreich“?, Anz. d. Akad. d. Wiss. Wien, phil.-hist. Kl. 93 (1956), 155; Dölling, H., Haus und Hof in westgermanischen Volksrechten, 1958; Benedikt, H., Die Monarchie des Hauses Österreich, 1968; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft, 1968; Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hann. Geschichtsbll. N.F. 26 (1971), 1; Köbler, G., Das Recht an Haus und Hof im spätmittelalterlichen Lübeck, (in) Der Ostseeraum, hg. v. Friedland, K., 1980, 31; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Histoire de la vie privée, hg. v. Aries, P. u. a., Bd. 2 1985; Haus und Hof in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Beck, H. u. a., 1997; Haus- und Familienbücher, hg. v. Studt, B., 2007; Binding, G., Methoden und Probleme bei der Datierung von mittelalterlichen Bauwerken, 2009

Haus-, Hof- und Staatskanzlei ist die am 17. 2. 1742 aus der österreichischen Hofkanzlei herausgenommene Behörde zur Besorgung der auswärtigen Geschäfte und der geheimen Haussachen, die 1848 in das Ministerium des kaiserlichen Hauses und des Äußeren umgewandelt wird.

Hausarbeit (Heimarbeit) ist die seit dem 14. Jh. erkennbare handwerksartige Tätig­keit in eigenen Räumen für Zwischenmeister oder Unternehmer. Bedeutsam ist sie vor allem im frühen 19. Jahrhundert. Für die 1882 etwa 480000 Heimarbeiter in Deutschland wird 1911 ein Hausarbeitgesetz geschaffen.

Lit.: Leuthier, O., Entstehung und Entwicklung des Hausarbeitgesetzes, 2006

Hauser, Kaspar ist der Name eines am 26. Mai 1828 in Nürnberg aufgefundenen, der Sprache unkundigen jungen, am 17. Dezember 1833 an den Folgen eines An­schlags vom 14. Dezember 1833 verstorbenen Man­nes, dessen Herkunft insbesondere P. J. Anselm von Feuerbach sehr beschäftigte, ohne dass sie bislang geklärt ist.

Lit.: Küper, W., Das Verbrechen am Seelenleben, 1991; Forker, A., Kaspar Hauser, (in) Die Bedeutung P. J. A. Feuerbachs (1775-1833) für die Gegenwart, 2003, 99

Hauserbe (lat. suus heres [M.]) ist im römischen Recht der Mensch, der durch den Tod des Vaters gewaltfrei (lat. sui iuris) wird, nämlich vor allem der (mündige) Sohn, die (mündige) Tochter, das adoptierte Kind, der adrogierte Sohn sowie die gewaltunter­worfene Ehefrau.

Lit.: Kaser § 66; Söllner § 8; Köbler, DRG 23, 38

Hausfriede ist das Recht, innerhalb der eigenen Wohnung und des umfriedeten Lebensbereichs ungestört zu sein. Bereits im Frühmittelalter sind Tötung und Verletzung innerhalb des Hauses mit höherer Buße bewehrt. Im Hochmittelalter wird der Friede für das Haus allgemein erfasst. Danach schaffen partikulare Rechte (vgl. ALR II 20 §§ 529ff. Privat­verbrechen, Geldstrafe oder Freiheitsstrafe) sowie 1871 das deutsche Reichsstrafgesetzbuch einen beson­deren Tatbestand des Hausfriedensbruches.

Lit.: Osenbrüggen, E., Der Hausfriedensbruch, 1857, Neudruck 1968; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Trabandt, J., Der kriminalrechtliche Schutz des Hausfriedens, Diss. jur. Hamburg 1970

Hausgesetz ist die von einer hochadligen Familie für sich vereinbarte oder gesetzte besondere Rechts­ordnung. Das H. findet sich seit Anfang des 14. Jh.s. Es betrifft vor allem die Erbfolge, die Ehe und die Veräuße­rlichkeit des Familiengutes (z. B. →Dispo­sitio Achillea für die Hohen­zollern 1473, →Pragmatische Sanktion vom 19. 4. 1713 für Österreich, Privatfürstenrecht). Im 19. Jh. wird das H. von der Genehmigung durch den Staat abhängig.

Lit.: Schulze, H., Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser, Bd. 1ff. 1862ff.; Turba, G., Die Grundlagen der pragmatischen Sanktion, 1911; Marxer, W., Das Hausgesetz des Fürstentums Liechtenstein, 2003

Hausgewalt →Haus

Hausgut ist das einem Haus gehörende Gut. Es ist anfangs vor allem Gegenstand des Erbes. Seit dem Hochmittelalter ist in Bezug auf das Reich zumindest gedanklich das H. der Königsfamilie vom Reichsgut zu scheiden. Die Trennung von Privatvermögen und Staatsvermögen ist auch nach Ende der Monarchie im Deutschen Reich (1918) noch nicht in allen Einzelheiten abgeschlossen.

Lit.: Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft unter Lothar III., 1969; Laufs, A., Das Eigentum an Kulturgütern aus badischem Hofbesetu, 2008

Haushalt ist ursprünglich die häusliche Verbrauchsgemeinschaft, seit dem 20. Jh. die Gesamtheit der der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben dienenden Einkünfte und Ausgaben einer →juristischen Person des öffentlichen Rechtes (→Staatshaushalt), die nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika seit dem 19. Jh. (Sachsen-Coburg 1821, vgl. auch Sachsen-Weimar-Eisenach 1816, Kurhessen 1821/1831, Bayern 1818), Verfassung des Deutschen Reiches von 1848/1849 Art. VII, IX, Art. 72 Verfassung von 1871, Art. 8 WRV) vom Parlament durch ein Haushaltsgesetz beschlossen werden müssen.

Lit.: Köbler, DRG 99, 129; Schroeter, O. v., Das Recht der Haushaltführung und Haushaltkontrolle in Preußen, 1938; Friauf, K., Der Staatshaushaltsplan, 1968; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983; Rothenbacher, F., Historische Haushalts- und Familienstatistik, 1987; Haushalten in Geschichte und Gegenwart, hg. v. Richarz, I., 1994; Strube, S., Die Geschichte des Haushaltsrechts, 2002; Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006

Hauskind ist im römischen Recht das unter der väterlichen Gewalt lebende →Kind.

Lit.: Kaser §§ 12 I 2b, 33 III, 49 I, 50 III 4a, 66 VI, 68 III 2

Häusler (Bezeichnung im Mittelalter selten) ist der nur ein Haus und kein Feld besitzende Dorfbewohner (Gärtner, Kossäte, Seldner).

Lit.: Schröder, R./Künßberg, E. v., Lehrbuch der Deutschen Rechtsgeschichte, 7. A. 1932, Neudruck 1966, 457

Hausmarke (Wort 16. Jh.) ist im Mittelalter und in der Neuzeit das bestimmte, dem Wappen des Adels vergleichbare schriftartige Erkennungs­zeichen für einen Menschen oder ein Haus (u. a. Handelsmarke, Notarssignet).

Lit.: Homeyer, C., Haus- und Hofmarken, 1870, Neudruck, 1964; Heyne, M., Fünf Bücher deutscher Hausaltertümer, Bd. 1 1899; Grohne, E., Die Hausmarken und Hauszeichen, 1912; Gmür, M., Schweizerische Bauernmarken und Holzurkunden, 1917, 2. unv. A. 1991; Ruppel, K., Die Hausmarken, ZRG GA 60 (1940), 320; Graphische Symbole in mittelalterlichen Urkunden, hg. v. Rück, P., 1996

Hausmeier (lat. maior [M.] domus) ist der Leiter einer Hausverwaltung im spätrö­mi­schen Italien und im Frühmittelalter (Burgunder, Ostgoten, Franken). Bei den frän­kischen Königsfamilien finden sich (anfangs unfreie) H. seit dem 6. Jh. Im Jahre 751 verdrängt der austrasische H. Pippin der Jüngere aus dem Geschlecht der Arnulfinger oder Pippiniden den König aus dem Ge­schlecht der →Merowinger und begründet die Königsfamilie der →Karolinger, womit zugleich der H. als entbehrlich verschwindet.

Lit.: Köbler, DRG 76; Hermann, E., Das Hausmeieramt, 1880, Neudruck 1970; Heidrich, J., Titulatur und Urkunden der arnulfingischen Hausmeier, Archiv f. Diplomatik 11/12 (1965/6), 71; Haas, K., Studien zur Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des fränkischen maior-domus-Amts, Diss. phil. Heidelberg 1968; Heidrich, J., La maison du palais Neustriens, Francia Beiheft 16/1 1989, 217; Scheibelreiter, G., Die barbarische Gesell­schaft, 1999

Hausname ist der seit dem 13. Jh. bezeugte Name des einzelnen Hauses einer Siedlung (z. B. zur Tanne in Basel, zu der schönen Ecke in Freiburg im Breisgau, ad Gernodum in Worms, zur roten Türe in Köln), der seit dem 19. Jh. von der Hausnummer verdrängt wird.

Lit.: Grohne, E., Die Hausnamen und Hauszeichen, 1912

Hausrat ist die Gesamtheit der zur Haushaltsführung notwendigen Geräte. Als Gerade kann der H. einer besonderen Erbfolge unterliegen. Die Hausrats­ver­ordnung vom 21. 10. 1944 legt die Aufteilung des Hausrats bei Ehescheidung fest (bis 2009).

Lit.: Schmitt, A., Das Fortleben der Gerade, 1913; Vlassopoulos, I., Der eheliche Hausrat, 1983

Haussuchung ist die Durchsuchung eines Hauses. Nach altrömischem Recht kann bei Diebstahlsverdacht eine (lat.) quaestio (F.) lance et licio (Untersuchung mit Schüssel und Schurzfell) erfolgen, bei welcher der Suchende nackt, nur mit einem Schurzfell (lat. [N.] licium) bekleidet und eine Schüssel (lat. [F.] lanx) tragend, das Haus betreten muss und der Täter bei erfolgreicher Suche als handhafter Dieb (lat. fur [M.] manifestus) getötet werden darf. Im Mittelalter ist H. bei Verfolgung einer abhanden gekommenen beweglichen Sache möglich. Vermutlich wird bei erfolgloser H. der Suchende bußpflichtig. Seit dem Hoch­mittelalter bedarf die H. mehr und mehr der vorherigen Erlaubnis des Richters oder Rates. Im 19. Jh. sichern die Verfassungen vor willkürlicher H. (Hessen-Kassel 1831, Reich 1848). Im 20. Jh. ge­währen sie ein Grundrecht auf Freiheit der Wohnung, das nur durch Gesetz einge­schränkt werden kann.

Lit.: Kaser § 51 I 2; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Schwerin, C. Frhr. v., Die Formen der Haussuchung, 1924; Wolff, J., Lanx et licium, (in) Sympotica F. Wieacker 1970, 59

Haustier (Wort im 18. Jh. belegt) ist das vom Menschen seit der Jungsteinzeit im oder am Haus abhängig gemacht gehaltene, vor allem (dem Schutz und) der Versorgung dienende Tier (Hund, Schaf, Ziege, Schwein, Rind, Pferd, Esel, Maultier, Katze, Huhn, Gans, Ente, Taube). Der Berechtigte wird durch allgemeine Regeln über Beschädigung und Wegnahme geschützt. Nach § 833 BGB haftet der Halter für einen von einem in Ausübung seines Berufs, seiner Erwerbstätigkeit oder zu seinem Unterhalt gehaltenen Tier (H.) verursachten Schaden weniger streng als für sonstige Tierschäden.

Lit.: Benecke, N., Archäozoologische Studien zur Entwicklung der Haustierhaltung in Mitteleuropa, 1994; Schmalhorst, R., Die Tierhalterhaftung im BGB, 2002; Meier, F., Mensch und Tier im Mittelalter, 2008; Regnath, J., Das Schwein im Wald, 2009

Haustüre ist die das Haus nach außen abschließende Türe des Hauses.

Haustürgeschäftswiderrufsgesetz ist das deutsche Gesetz vom 16. 1. 1986, das im Interesse des Verbrauchers bestimmt, dass eine auf Abschluss eines Vertrags über eine entgeltliche Leistung gerichtete Willenser­klärung eines Kunden in bestimmten Fällen erst wirksam wird, wenn sie der Kunde nicht binnen einer Frist von einer Woche schriftlich widerruft. Sein Inhalt wird 2002 in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen (§§ 312ff. BGB).

Lit.: Köbler, DRG 266

Hauswirtschaft ist die auf den einzelnen Haushalt beschränkte, alle verwendeten Güter herstellende und verbrauchende Wirtschaft. Sie ist bereits im antiken Rom zugunsten der Marktwirtschaft aufgegeben. Im Frühmittel­alter erweitert sie sich auf die jeweilige Grund­herrschaft und tritt seit dem Hochmittelalter zurück, um seit dem 19. Jh. fast gänzlich ihre Bedeutung zu verlieren.

Lit.: Köbler, DRG 67, 77; Bauer, L./Matis, H., Geburt der Neuzeit, 1988

Haut und Haar ist eine mittelalterliche Bezeichnung für bestimmte Leibesstrafen (Prügeln, Scheren).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Schouwe, U., Mit Haut und Haar, 1994

Haverei (Haverie, Herkunft des Wortes streitig) ist der während einer Schifffahrt an Fahrzeug und Ladung entstehende Schaden. Dazu übernimmt bereits das römische Recht die im hellenistischen (bzw. vielleicht im phönizischen) Bereich entwickelte (lat.) →lex (F.) Rhodia de iactu (rhodisches Gesetz über den Seewurf, Digesten 14, 2), nach welcher der Schiffer, der in Seenot Güter eines Befrachters ins Meer wirft und sein Schiff rettet, dem geschädigten Befrachter zur Er­stat­tung eines anteiligen Ausgleichs entsprechend dem Wert der Ladungen der anderen Befrachter verpflichtet ist, gegen die er seinerseits Rückgriff nehmen darf. Im Hochmittelalter ändern dies die →Rôles d’Oléron in gewisser Weise ab. Auch das Hamburger Stadtrecht bildet Regeln über die H. aus, wobei im 18. Jh. zwischen kleiner, nur das Frachtgut betref­fender, und großer, auch das Schiff erfassender H. unterschieden wird. Über die Ordonnance (française) de la marine (1681), die Havereiordnung Hamburgs (1731), den Code de commerce (1807) und das →Allgemeine Deutsche Handels­gesetzbuch (1861) gehen diese Regeln in das deutsche Handelsgesetzbuch (1897) ein. Daneben gelten international York-Antwerpener Regeln von 1864/1877 für die große H.

Lit.: Kaser § 42 IV 4; Claussen, C., Über die lex Rhodia de iactu, Diss. jur. Kiel 1876; Heck, P., Das Recht der großen Haverei, 1889; Reincke, H., Die ältesten Formen des hamburgischen Schiffsrechts, Hamburg. Geschbll. 63 (1968); Krieger, K., Ursprung und Wurzeln der rôles d’Oléron, 1970; Landwehr, G., Die Haverei in den mittelalterlichen deutschen Seerechtsquellen, 1985; Dreyer, T., Die Assekuranz- und Havereyordnung der freien und Hansestadt Hamburg von 1731, 1990; Landwehr, G., Zur Begriffsgeschichte der Haverei, FS H. Niederländer, 1991, 57; Gaurier, D., Le droit maritime romain, 2004; Lindemann, S., Die Gefahrengemeinschaft bei der Seehandelsfahrt nach den mittelalterlichen Statutar­rechten, 2004

Heberolle ist ein Abgabenverzeichnis.

Lit.: Die Hebereolle des Klosters Freckinhorst, hg. v. Friedländer, E., 1953

hebräisch →Israel, Jude

Heck, Philipp (St. Petersburg 22. 7. 1858-Tübingen 28. 6. 1943) wird nach dem Studium von Mathematik in Leipzig und des Rechtes in Heidelberg und Berlin und der Promotion und Habilitation in Berlin (Levin Goldschmidt 1889) Professor in Greifswald (1891), Halle (1892) und Tübingen (1901). Er begründet in der Nachfolge Rudolf von Iherings die gegen →Begriffsjurisprudenz und →freie Rechts­schule gerichtete →Interes­senjurisprudenz, die Lücken im Recht durch Vergleich gesetzlicher Entschei­dungen von Interessen­gegensätzen (oder bei deren Fehlen durch persönliches Wertempfinden) schließen will. Daneben verfasst er Grundrisse zum Schuldrecht (1929) und Sachenrecht (1930) und zahlreiche rechtsgeschichtliche Arbeiten.

Lit.: Das Problem der Rechtsgewinnung, 1912, 2. A. 1932; Heck, P., Begriffsbildung und Interessen­jurisprudenz, 1932; Kallfass, W., Die Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz, 1972; Wolf, M., Philipp Heck als Zivilrechtsdogmatiker, 1996; Schoppmeyer, H., Juristische Methode als Lebensaufgabe, 2001; Auer, M., Methodenkritik und Interessenjurisprudenz, ZEuP 2008, 517

Hedemann, Justus Wilhelm (Brieg 24. April 1878-Berlin-Frohnau 13. 3. 1963) wird nach dem Studium des Rechtes und der 1903 bei Otto Fischer in Breslau erfolgten Habilitation 1906 Professor in Jena (1919 Institut für Wirtschaftsrecht) und 1936 in Berlin, wo er 1946 wegen seiner Nähe zum National­sozialismus vorzeitig emeritiert wird. Rechtsge­schichtlich bedeut­sam ist sein Werk über Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert(, 1910ff.). Kurzzeitig warnt er 1932 vor der Flucht in Generalklauseln.

Lit.: Wegerich, C., Die Flucht in die Grenzenlosigkeit, 2004

Heer ist der zu Land kämpfende Teil der Streitkräfte. Sowohl in Rom wie auch bei den Germanen ist das H. zunächst allgemeines Volksheer. In Rom beginnt mit Marius (um 100 v. Chr.) die Umwandlung in ein Berufsheer von Söldnern, das nach Bedarf aufgestellt wird. Bereits unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) ist ein stehendes H. von 27-28 Legionen zu 6000 Männern vorhanden (Berufsarmee), zu dem Hilfstruppen in gleicher Stärke kommen. Für die Zeit um 395 n. Chr. wird die Zahl der römischen Soldaten auf rund 500000 (darunter viele Männer barbarischer Herkunft geschätzt Seit dem Früh­mittelalter (9. Jh.-12. Jh.) verschwindet bei den ger­ma­nistischen Nach­fol­ge­völkern das Volks­heer der einfachen Freien und wird (wohl auch wegen der Italienzüge) durch ein ständisches Reiterheer (Ritter) im Umfang von meist nicht mehr als 2000 Gepanzerten ersetzt. In der Mitte des 12. Jh.s sind Söldner im H. Friedrichs I. Barbarossa belegt. An die Stelle des Reiterheers tritt seit dem 14. Jh. der berufsmäßige, zunächst mit Lanze, dann mit Feuerwaffen ausgerüstete Fußsoldat, der nach Bedarf angeworben wird (Lands­knechte, Wort Heerfahrt schwindet). Das Reichsheer besteht aus geringen Kon­tingenten der Reichsstände, wobei sich die mächtigeren Fürsten zunehmend ihren Gestellungsver­pflichtungen entziehen. Die Lücke füllt im eigenen Interesse Habsburg. Seit der Mitte des 17. Jh.s strebt der Landesherr ein stehendes H. an. Dabei ersetzt später die Aushebung die Anwerbung (Preußen 1733). Zu Beginn des 19. Jh.s wird die allgemeine Wehrdienstpflicht eingeführt (Preußen 3. 9. 1814). 1919 wird das deutsche H. auf 100000 Mann beschränkt, doch durchbricht Adolf Hitler bald diese Einschränkung. Im zweiten Weltkrieg werden etwa 5,3 Millionen von rund 15 Millionen deutschen Soldaten getötet. 1945 wird nach dem Waffenstillstand das Heer des Deutschen Reiches aufgelöst. 1956 wird die Bundeswehr der Bundesrepublik Deutschland (und im Gleichlauf die Nationale Volksarmee der ehemaligen Deutschen De­mokratischen Repu­blik) eingerichtet. Ab 2011 wird in Deutschland die Wehrpflicht ausgesetzt und ein Berufsheer aufgebaut.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29 III; Köbler, DRG 112, 150, 152, 198; Köbler, WAS; Stein, L. v., Die Lehre vom Heerwesen, 1872; Bonin, B. v., Grundzüge der Rechtsverfassung in den deutschen Heeren zu Beginn der Neuzeit, 1904; Fehr, H., Vom Lehnsheer zum Söldnerheer, ZRG GA 36 (1915), 455; Grosse, R., Römische Militärgeschichte, 1920; Wohlers, G., Die staatsrechtliche Stellung des Generalstabes in Preußen und dem deutschen Reich, 1921; Niemann, A., Kaiser und Heer, 1923; Frauenholz, E. v., Entwicklungsgeschichte des deutschen Heerwesens, 1935ff.; Huber, E., Heer und Staat in der deutschen Geschichte, 1938; Höhn, R., Verfassungskampf und Heereseid, 1938; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Conrad, H., Gottesfrieden und Heeres­verfassung, ZRG GA 61 (1941), 71; Merzbacher, F., Der Artikelbrief für die Reichsarmee von 1682, ZRG GA 69 (1952), 349; Hencke, U., Die Heeresverfassung des deutschen Bundes, Diss. jur. Tübingen 1955; Bodmer, J., Der Krieger der Merovingerzeit, 1957; Oestreich, G., Zur Heeresverfassung der deutschen Territorien von 1500 bis 1800, FG F. Hartung, 1958, 419; Keen, M., The Laws of War, 1965; Hermann, C., Deutsche Militärgeschichte, 1966; Müller, K., Das Heer und Hitler, 1969; Schweling, O./Schwinge, E., Die deutsche Militärjustiz in der Zeit des Nationalsozialismus, 2. A. 1978; Contamine, P., La guerre au Moyen Age, 3. A. 1992; Messerschmidt, M./Wüllner, F., Die Wehrmachtsjustiz im Dienste des Nationalsozialismus. Zerstörung einer Legende, 1987; Masson, P., Die deutsche Armee, 1996; Die Wehrmacht, hg. v. Müller, R. u. a., 1999, 2. A: 2012; Verbrechen der Wehrmacht, hg. v. Hamburger Institut für Sozialforschung, 2. A., 2002; Gilliver, K., Auf dem Weg zum Imperium, 2003; Walter, D., Preußische Heeresreformen 1807-1870, 2003; Bald, D., Die Bundeswehr, 2005; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtjustiz, 2005; Megargee, G., Hitler und die Generäle, 2006; Die Zeit nach 1945, hg. v. Neugebauer, K., 2008; Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, hg. v. Neugebauer, K., 2008; Grillo, P., Cavalieri e popoli in armi, 2008; Albu-Lisson, D., Von der k. u. k. Armee zur deutschen Wehrmacht, 2011; Stachelbeck, C., Deutschlands Heer und Marine im ersten Weltkrieg, 2013

Heerbann ist im Frühmittelalter (Erstbeleg in einem Immunitätsprivileg für Speyer um 665) der das →Heer betreffende →Bann des Königs, dessen Auf­gebotsrecht mit dem H. bewehrt ist. Vielleicht schon in nach­karolingischer Zeit tritt der H. zurück.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Sousa Costa, A. de, Studien zu volkssprachigen Wörtern in karolingischen Kapitulairen, 1993; Bachrach, B., Warfare and military organization in pre-crusade Europa, 2002

Heeresgericht s. Kriegsgericht

Heerfahrt s. Heer

Heergewäte (Hergewäte, Wort seit 12. Jh. belegt) ist die Heeresbekleidung für den Krieg. Das H. wird wohl schon seit dem Frühmittelalter in einer Sondererbfolge an einen männlichen Verwandten (ältesten Sohn) vererbt. In den Städten seit dem Hoch­mittelalter im Schwinden begriffen, wird es zwischen dem 17. und 19. Jh. (Fehmarn) allgemein abge­schafft.

Lit.: Köbler, DRG 73, 89, 123, 162; Haff, K., Ein Herwedekatalog, ZRG GA 48 (1928), 447; Bungenstock, W., Heergewäte und Gerade, Diss. jur. Göttingen 1966

Heerschild (als Versinnbildlichung der Berechtigung zum Aufgebot zum Heer) ist das Einteilungskriterium der mittelalterlichen Ordnung der lehnsrechtlich gestuften Gesellschaft. Nach dem Sachsen­spiegel (1221-1224) hat der König den ersten H. Die geistlichen Fürsten stehen im zweiten H., die weltlichen Fürsten im dritten. Wie weit die (insgesamt als siebenstufig geschilderte) Heerschildordnung nach unten reicht (Freie, Mannen der Freien, Mannen der Mannen der Freien), ist auch den mittelalterlichen Zeitgenossen nicht völlig klar.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 98; Ficker, J., Vom Heerschilde, 1862, Neudruck 1964; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige, 1979; Spieß, K., Das Lehnswesen in Deutschland, 2. A. 2009

Hegel, Georg Friedrich Wilhelm (Stuttgart 27. 8. 1770-Berlin 14. 11. 1831), Beamten­sohn, wird nach dem Studium von Philosophie und Theologie in Tübingen Hauslehrer in Bern und in Frankfurt am Main und nach der Habilitation (Jena 1801) und Tätigkeiten in Jena (1801-1807, 1805 ao. Professor), Bamberg (1807-1808) und Nürnberg (Gymnasiallehrer 1808-1816) außerordent­licher Professor in Heidelberg (1816) und Berlin (1818). Für H. ist Weltgeschichte der notwendig fortschreitende Prozess, in dem sich der absolute Geist seiner Freiheit im dialek­tischen Dreischritt von These, Antithese und Synthese bewusst wird. In der tatsächlichen Umwelt versteht H. den preußischen Staat als Verwirklichung der Freiheit. Damit wird zu Unrecht der Staat dem Einzelnen stärker übergeordnet als notwendig.

Lit.: Hegel, G., Kritik der Verfassung Deutschlands [um 1803], hg. v. Mollat, G., 1893; Hegel, G., Phänomenologie des Geistes, 1807; Hegel, G., Rechtsphilosophie, 1821; Marcic, R., Hegel und das Rechtsdenken, 1970; Landau, P., Hegels Begründung des Vertragsrechts, ARSP 59 (1973), 117; Flechtheim, O., Hegels Strafrechtstheorie, 2. A. 1975; Materialien zu Hegels Rechtsphilosophie, hg. v. Riedel, M., 1975; Theunissen, M., Sein und Schein, 1980; Gessmann, M., Hegel, 1999; Schnädelbach, H., Hegels praktische Philosophie, 2000; Fulda, F., Georg Wilhelm Friedrich Hegel, 2003; Hegel-Lexikon, hg. v. Cobben, P., 2006; Binkelmann, C., Theorie der praktischen Freiheit, 2007; Senk, N., Junghege­liani­­­sches Rechtsdenken, 2007; Staat und Religion in Hegels Rechtsphilosophie, hg. v. Arndt, A., 2009; Schäfer, R., Hegel, 2010

Hegemonie (F.) Vormachtstellung

Lit.: Triepel, H., Die Hegemonie, 1938; Simpson, G., Great Powers and Outlaw States, 2004; Malettke, K., Hegemonie - multipolares System - Gleichgewicht, 2012

Hegung ist im deutschen Recht die förmliche Eröffnung von gerichtlichen Versammlungen durch künstliche Abgrenzung und Durch­führung eines Frage-Antwort-Ritus. Alter und Herkunft der im 13. Jh. eindeutig sichtbaren Vorgangsweise sind unklar. Bereits seit dem Spätmittelalter wird die H. ziemlich sinnent­stellt durchgeführt (, in Basel wohl noch bis in das ausgehende 19. Jh.).

Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 130; Burchard, K., Die Hegung, 1893; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 437, 483; Buchda, G., Die Hegung und Aufhebung des Vogtgerichts zu Kindleben, ZRG GA 62 (1942), 355

Hehler ist, wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechts­widrige Tat erlangt hat, ankauft, sich oder einem Dritten verschafft, absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern. Der H. ist strafbar (→Der Hehler ist nicht besser als der Stehler). Bereits ein Privileg Heinrichs IV. für die Juden in Speyer und Worms von 1090 bestimmt aber, dass Juden, die gestohlene Sachen gegen Entgelt erworben haben, sie nur gegen Ersatz des Kaufpreises herausgeben müssen (sog. Hehlerprivileg oder Lösungsrecht, vgl. Sachsenspiegel Landrecht III, 7). Mit dem Ausgang des Mittelalters verliert das Lösungsrecht an Bedeutung, ohne ganz zu verschwinden. Die Hehlerei erscheint (nach Württemberg, Hannover und Sachsen) als eigener Straftatbestand mit eigener Strafe 1847 im Entwurf für ein Strafgesetzbuch Preußens, 1851 iin dem ihm folgenden Strafgesetzbuch und 1871 im Reichsstraf­gesetzbuch. →Der Hehler .

Lit.: Hübner 433; Kroeschell, DRG 2; Heimberger, J., Die Teilnahme an Verbrechen, 1896; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, 1925; Meyer, H., Das Hehlerrecht, (in) Forschungen zur Judenfrage, Bd. 1 1937, 92; Feenstra, R., Zum Ursprung des Lösungsrechts, FS G. Kisch, 1955, 237; Kisch, G., Zur Rechtsstellung der Juden im Mittelalter, ZRG GA 81 (1964), 360; Dersch, G., Begünstigung, Hehlerei und unterlassene Verbrechensanzeige, 1980; Wolff, B., Begüns­tigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002

Heidelberg am Neckar unterhalb einer wohl im 11. Jh. erbauten Burg wird seit dem 13. Jh. ein bedeutender Ort (1196 erstmals erwähnt, zu Beginn des 13. Jh.s planmäßig angelegte Stadt) der seit 1214 wittels­bachischen Pfalzgrafen bei Rhein (vor 1225 als Lehen von Worms erlangt, von der Mitte des 14. Jh.s bis 1720 Residenz), an dem 1386 eine Universität (Mitte des 15. Jh.s römisches Recht) errichtet wird, an deren juristischer Fakultät 1932 Eugen Ulmer, Heinrich Mitteis, Max Gutzwiller, Ernst Levy, Gustav Radbruch, Gerhard Anschütz und Walter Jellinek (sowie Herbert Engelhard, Leopold Perels, Eberhard Freiherr von Künßberg und Karl Geiler) lehren.

Lit.: Köbler, DRG 100; Dickel, G., Die Heidelberger juristische Fakultät, 1960 (Diss. masch.schr. und, Ruperto-Carolina, Sonderband Aus der Geschichte der Universität Heidelberg und ihrer Fakultäten 1961); Jammers, A., Die Heidelberger Juristenfakultät im 19. Jahrhundert als Spruchkollegium, 1964; Merkel, G., Wirtschafts­geschichte der Universität Heidelberg im 18. Jahrhundert, 1973; Willoweit, D., Das juristische Studium in Heidelberg, (in) Semper apertus, FS Universität Heidelberg, hg. v. Doerr, W., Bd. 1 1985, 85; Landwehr, G., Heidelberger Juristen in sechs Jahrhunderten, (in) Richterliche Rechtsfortbildung, FS der juristischen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 1986, 653; Heidelberger Strafrechts­lehrer im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Küper, W., 1986; Drüll, D. Heidelberger Gelehrtenlexikon, Bd. 1 ff. (1803-1932, 1652-1802, 1386-1651), 1986ff.; Der Humanismus und die oberen Fakultäten, hg. v. Keil, G. u. a., 1987; Mußgnug, D., Die vertriebenen Heidelberger Dozenten, 1988; Wolf, K., Die Heidelberger Universitätsangehörigen, 1991; Kolb, J., Heidelberg, 1999; Die Rektorbücher der Universität Heidelberg, Bd. 1f. 1999ff.; Remy, S., The Heidelberg Myth, 2002; Fink, O., Kleine Heidelberger Stadtgeschichte, 2005; Die Universität Heidelberg im Nationalsozialismus, hg. v. Weckart, W. u. a., 2006; Cser, A., Kleine Geschichte der Stadt und Universität Heidelberg, 2008; Sti­pendienstiftungen und Stipendiaten vom Ende des 15. Jahrhunderts bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krie­ges, bearb. v. Merkel, G., 2008; Baur, S., Vor vier Höllenrichtern, 2009; Vetter, V., Die ganze Stadt ist abgebrannt, 2009; Vogt, H., Die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg im Aufbruch, 2009; Die im Dritten Reich entrechteten und vertriebenen Mitglieder der Heidelberger Akademie, hg. v. Heidelberger Akademie, 2009; Düll, D., Heidelberger Gelehrtenlexikon 1933-1986, 2009 (975 Professoren und 10 Professorinnen, in allen 4 Bänden 2843 Professoren); Cser, A., Die großen Heidelberger Fässer, 2009; Schroeder, K., Eine Universität für Juristen  und von Juristen, 2010; Leo, P., Wilhelm Groh, 2012

Heil (N.) Wohl

Lit.: Hartmann, H., Heil und heilig im nordischen Altertum, 1943; Schmitz-Berning, C., Vokabular des Nationalsozialismus, 1998; Simek, R., Religion und Mythologie der Germanen, 2003

Heilige Allianz ist das in Paris am 26. 9. 1815 zwischen Franz I. von →Österreich, Friedrich Wilhelm III. von →Preußen und Alexander I. von →Russland abgesprochene religiös-moralische Mani­fest, das neben dem Bekenntnis zur christlichen Religion und zu den Grundsätzen der Legitimität, Legalität und Stabilität auch ein allgemeines Beistands­versprechen enthält. Ihm treten fast alle christlichen Staaten Europas bei (ausgenommen Papst und bis 1856 Sultan). Bereits 1823 außerhalb Europas und 1830 in Europa (Belgien, Griechenland) wird das legitimis­tische Interventionsprinzip auf Grund der sich entwickelnden Interes­sengegensätze der betei­ligten Mächte aufgegeben.

Lit.: Köbler, DRG 170; Näf, W., Zur Geschichte der Heiligen Allianz, 1928

Heiliger (religiös vorbildlicher Mensch) →Reliquie

Lit.: Hattenhauer, H., Das Recht der Heiligen, 1976; Wetzstein, T., Heilige vor Gericht. Das Kanonisations­verfahren im europäischen Spät­mittelalter, 2004; Krafft, O., Papsturkunde und Heiligsprechung, 2005 (64 zwischen 993 und 1523); Angenendt, A., Die Gegenwart von Heiligen und Reliquien, 2010

Heiliger Stuhl →Papst

Heiliges römisches Reich (deutscher Nation) ist die unscharfe, sich im Spätmittelalter ausformende Bezeichnung des (ersten) deutschen Reiches (1474, amtlich 1512, um 1000 regnum Teutonicum, ab 962 [lat.] imperium Romanum, Wipos Gesta Chuonradi 1040-1046, 1122 unter Anknüpfung an das antike römische Reich Romanorum imperator [Kaiser der Römer], ab 1157 phasenweise [lat.] sacrum imperium [N., Heiliges Reich], seit der Spätzeit Friedrich Barbarossas vereinzelt, seit etwa 1230 häufiger sacrum Romanum imperium). Das H. R. R. (ostfränkisch-deutsches Reich, Italien und ab 1033 Burgund) wird getragen von →König bzw. Kaiser und →Reichsständen. Seit dem Spätmittelalter geht Burgund überwiegend an Frankreich verloren und bleiben die Reichs­fürsten Italiens dem Reichstag fern. Vielfach als (lat. [N.]) corpus eingeordnet endet das reformunfähige H. R. R. auf den politischen Druck Napoleons (ultimative Rücktrittsfor­derung an den Kaiser vom 22. 7. 1806) am 6. 8. 1806 mit der Niederlegung der Krone des Deutschen Reiches durch Kaiser Franz II. (aus der Familie der →Habsburger). Die h. M. legt den im 15. Jh. aufkommenden, tatsächlichen Zusatz „Deutscher Nation“ als auf das deutsch­sprachige Gebiet einschrän­kend aus. Die (materielle) →Verfassung des Heiligen römischen Reiches wird durch eine Reihe von einzelne Fragen behandelnden „Grundge­setzen“ bestimmt, die man bereits mit dem Wormser Konkordat von 1122 beginnen lassen kann (vor allem Licet iuris 1338, Goldene Bulle 1356, Wiener Konkordat 1448, Ewiger Landfriede 1495, Reichskam­merge­richtsordnung 1495, Augsburger Reichsab­schied 1555, Westfälischer Friede 1648, Jüngster Reichsabschied 1654, Reichs­hofrats­ordnung 1654, Capitulatio perpetua 1711, Reichsputationshauptschluss 1803). 1795 schließt Preußen mit Frankreich den Frieden von Basel, der das Heilige römische Reich in eine nördliche Friedenszone und eine südliche Kriegszone teilt. 1797 verzichtet der Kaiser des Heiligen römischen Reiches auf alle Reichsrechte in Italien. Im Frieden von Pressburg Ende (1805) erreichen Bayern, Württemberg und Baden Souveränität. Am 1. 8. 1806 erklären die 16 Staaten des Rhein­bunds vor dem Reichstag ihren Austritt aus dem Heiligen römischen Reich, Auf ultimative Aufforderung Napoleons legt Kaiser Franz II. am 6. 8. 1806 durch Lösung des bisher bestehenden Bandes die Krone des Heiligen römischen Reiches nieder.

Lit.: Köbler, DRG 110, 133; Krebs, C., Teutscher Reichsstaat, Teil 1f. 1706f.; Moser, J., Teutsches Staatsrecht, Bd. 1ff. 1737ff., Neudruck 1968; Zeumer, K., Heiliges römisches Reich deutscher Nation, 1910; Feine, H., Zur Verfassungsentwicklung des Heil(igen) Röm(ischen) Reiches, ZRG GA 52 (1932), 65; Diehl, E., Heiliges römisches Reich deutscher Nation, HZ 156 (1937), 457; Wesenberg, G., Die Privatrechts­gesetz­gebung des Heiligen römischen Reiches, Studi P. Koschaker, Bd. 1 1954, 187; Heer, F., Die Tragödie des heiligen Reiches, Bd. 1f. 1952f.; Aretin, K. Frhr. v., Heiliges römisches Reich 1776-1806, 1967; Randelzhofer, A., Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen römischen Reiches nach 1648, 1967; Recht und Verfassung des Reiches in der Zeit Maria Theresias, hg. v. Conrad, H., 1964; Aretin, K., Frhr. v., Heiliges römisches Reich 1776 bis 1806, Bd. 1f. 1967; Das Staatsrecht des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Wenkebach, H., Bestrebungen zur Erhaltung der Einheit des heiligen römischen Reiches, 1970; Koch, G., Auf dem Wege zum sacrum imperium, 1972; Schubert, E., König und Reich, 1979; Bussi, E., Diritto e politica in Germania nel 18. secolo, 1971; Aretin, K. Frhr. v., Das Alte Reich, Bd. 1ff. 1980ff. (Band 4 Register); Walter, G., Der Zusammenbruch des Hei­ligen römischen Reiches, 1980; Nonn, U., Heiliges römisches Reich deutscher Nation, ZHF 9 (1982), 129; Hammerstein, N., Das Römische am Heiligen römischen Reich, ZRG GA 100 (1983), 119; Kohler, A., Das Reich im Kampf um die Hegemonie in Europa, 1990, 2. A. 2010; Heiliges Römisches Reich und moderne Staatlichkeit, hg. v. Brauneder, W., 1993; Aretin, K. v., Das alte Reich 1648-1806, Bd. 1ff. 1993ff.; Luh, J., Unheiliges Römisches Reich, 1995; Schulze, H., Kaiser und Reich, 1998; Essig, M., Das Reich als europäische Vision, 1999; Schmidt, G., Geschichte des alten Reiches, 1999; Marquardt, B., Das römisch-deutsche Reich als segmentäres Verfassungssystem, 1999; Hartmann, P., Kulturgeschichte des heiligen römischen Reiches 1648 bis 1806, 2001; Imperium Romanum – irregulare corpus – Teutscher Reichs-Staat, hg. v. Schnettger, M., 2002; Schwarz, J., Herrscher- und Reichstitel, 2003; Gotthard, A., Das alte Reich 1495-1806, 2003, 4. A. 2012; Prietzel, M., Das heilige römische Reich im Spätmittelalter, 2004, 2. A. 2010; Reichspersonal, hg. v. Baumann, A. u. a., 2004; Herbers, K. u. a., Das Heilige römische Reich, 2005, 2. A. 2006; Mazohl-Wallnig, B./Böschle, A., Zeitenwende 1806, 2005; Hartmann, P., Das Heilige römische Reich in der Neuzeit, 2005; Stollberg-Rilinger, B., Das heilige römische Reich deutscher Nation, 2006; Lesebuch altes Reich, hg. v. Wendehorst, S. u. a., 2006; Kraus, H., Das Ende des alten Deutschland, 2006; Heiliges römisches Reich deutscher Nation 962 bis 1806, hg. v. Puhle, M. u. a., 2006; Externbrink, S., Friedrich der Große, Maria Theresia und das alte Reich, 2006; Weinfurter, S., Das Reich im Mittelalter, 2008; Marquardt, B., Die alte Eidgenossenschaft und das Heilige Römische Reich (1350-1798), 2008; Burgdorf, W., Ein Weltbild verliert seine Welt, 2. A. 2009; Vielhaber, T., Reformper­spektiven zur Reichsver­fas­sung im Jahrhundert nach dem westfälischen Frieden, Diss. Bonn 2008; Müller-Mertens, E., Römisches Reich im Frühmittelalter, HZ 288 (2009), 51; Herbers, K. u. a., Das heilige römische Reich, 2010; Rudolph, H., Das Reich als Ereignis, 2010

Heilung (von Rechtsgeschäften) →Kon­valeszenz

Heim (N.) Wohnung, Siedling

Heimatzufluchtsrecht ist das ursprünlich gewohnheitsrechtlich oder vertraglich, im 19. Jh. auch gesetz­lich begründete Recht eines not­leidenden Ge­schwisters eines Hoferben auf zeitlich be­grenzte Rückkehr in das Eltern­haus.

Lit.: Buchenroth, A., Die Heimatzuflucht nach § 30 Absatz 3 Reichserbhofgesetz, 2004

Heimbürge (Wort seit 9. Jh. belegt) ist seit dem Hochmittelalter der (oft jährlich von der Gemeinde gewählte) Leiter (von Orts­gericht und Verwaltung) einer meist dörflichen Gemeinde zwischen Elsass und Thüringen (Mühlhausen), der endgültig im 19. Jh. ver­schwindet.

Lit.: Wiemann, H., Der Heimbürge, 1962; Schildt, B., Bauer - Gemeinde - Nachbarschaft, 1996

Heimfall ist der Anfall (bzw. Einzug) des Nachlasses erbenlos verstorbener Menschen. Er steht als Recht teils dem Grundherrn, teils dem Lehnsherrn, teils der Gemeinde, teils dem König oder Landesherrn bzw. Staat zu. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist der →Fiskus gesetzlicher Erbe.

Lit.: Hübner 777; Tomaschek, J., Das Heimfallsrecht, 1882; Brünneck, W. v., Das Heimfallsrecht und die Gütervereinigung im älteren böhmisch-mährischen Recht, ZRG GA 20 (1899), 1; Poll, B., Das Heimfallsrecht auf den Grundherrschaften Österreichs, 1925, Neudruck 1978; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 149; Jewell, H., English Local Administration, 1972

Heimtücke (F.) Hinterhältigkeit, (BGH 1953) bewusstes Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers, (Vorentwurf eines StGB der Schweiz 1894, § 211 StGB vom 4. 9. 1941, § 112 StGB-DDR 1968,)

Lit.: Thomas, S., Die Geschichte des Mordparagraphen, 1985; Dörner, B., Heimtücke, 1998; Linka, K., Mord und Totschlag, 2008; David, A., Die Entwicklung des Mordtatbestands im 19. Jahrhundert, 2009

Heineccius (Heinecke), Johann Gottlieb (Eisenberg in Thüringen 11. 9. 1681-Halle 31. 8. 1741) wird nach dem Studium der Theologie in Leipzig (1698-1703) und des Rechtes in Halle (Stryk, Thomasius, Böhmer, Gundling, Ludewig) 1713 Philosophie­pro­fessor und nach der rechtswissenschaftlichen Promotion (1716) 1720 außerordentlicher und 1721 ordentlicher Rechtsprofessor in Halle, Franeker (1723), Frankfurt an der Oder (1727) und (gegen seinen Willen) Halle (1733). Seine dogmatischen Grund­risse (darunter die erste geschlossene Darstellung des deutschen Privatrechts und das erste römischrechtliche Lehrbuch moderner Form) machen ihn zum einflussreichsten deutschen Juristen des 18. Jh.s (Antiquitatum Romanarum syntagma [N.], 1721, Elementa [N.Pl.] iuris civilis secundum ordinem institu­tionum, 1725 [insgesamt 176 Ausgaben], Elementa [N.Pl.] pandectarum, 1727, Juris­prudentia [F.] Romana, 1738ff., Antiquitates [F.Pl.] Germanicae jurispru­dentiam patriam illustrantes, 1772ff., Elementa [N.Pl.] iuris Germanici, 1735f. [erste geschlossene Darstellung des deutschen Privatrechts], Elementa [N.Pl.] iuris naturae et gentium, 1737, deutsch 1994, Grundzüge des Natur- und Völkerrechts).

Lit.: Köbler, DRG 144; Heineccius, J., Opera omnia, Bd. 1ff. 1744ff., Neudruck 2010ff.; Reibstein, E., J. G. Heineccius als Kritiker des grotianischen Systems, Zs. f. ausl öff. Recht und Völkerrecht 24 (1964), 236; Luig, K., Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, Ius commune 1 (1967), 195; Elementa iuris naturae et gentium (deutsch), hg. v. Bergfeld, C., 1994; Wardemann, P., Johann Gottlieb Heineccius (1681-1741). Leben und Werk, 2007

Heingereiden (Haingeraiden) sind (16) seit dem 13. Jh. (1256) nachweisbare dörfliche Marknutzungsverbände (z. B. Wanzenau im Oberelsass) von den Vogesen bis zur Haardt, die seit 1792 von Frankreich beseitigt werden. sowie verschiedene andere Großmarken (z. B. Bieger Mark, Dieburger Mark) überwiegend auf fränkischem Boden.

Lit.: Christmann, E., Name und Entstehung der pfälzischen Heingereiden, ZGO 99 (1951), 407; Ziegler, H., Die Auflösung der Haingeraiden, Pfälzer Heimat 20 (1969), 20

Heinrich der Löwe (1128/1129?, 1133/1135?-Braunschweig 6. 8. 1195), →Welfe, Herzog von Sachsen (1142) und Bayern (1156), gefährdet durch seine beinahe königliche Machtstellung den mit ihm verwandten deutschen Kaiser Friedrich I. Barbarossa (→Staufer), mit dem er infolge der Unterstützung bei der Wahl zunächst lange erfolgreich zusam­menwirkt. Da er nach der Verweigerung der Unterstützung in Italien 1176 mehreren La­dungen in einem von Fürsten wegen Landfriedensbruchs eingelei­teten Verfah­ren vor dem Kaiser nicht Folge leistet, wird er im Juni 1179 (29. Juni?) geächtet und als Folge des Nichter­scheinens in einem daraufhin wegen Nicht­achtung der Majestät begonnenen Verfahren im Januar 1180 für aller Reichslehen verlustig erklärt. Im April 1180 wird das Herzogtum Sachsen in Westfalen (an den Erzbischof von Köln) und (östliches) Sachsen (Bernhard von Askanien) geteilt, im September 1180 das Herzogtum Bayern an Otto von →Wittelsbach gegeben. H. d. L. behält nur die Eigengüter um Braun­schweig und Lüneburg. Mit der Zerschlagung des Stammes­herzog­tums Sachsen wird die Bildung von →Län­dern weiter geför­dert.

Lit.: Güterbock, F., Der Prozess Heinrichs des Löwen, 1909; Haller, J., Der Sturz Heinrichs des Löwen, Archiv für Urkundenforschung 3 (1911), 295; Niese, H., Zum Prozess Heinrichs des Löwen, ZRG GA 34 (1913), 195; Moeller, R., Die Neuordung des Reichs­fürstenstandes, ZRG GA 39 (1918), 1; Schambach, K., Noch einmal die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen, Zs. d. hist. Ver. für Niedersachsen 81 (1916), 1, 83 (1918), 189; Güterbock, F., Die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen, 1920; Hüttebräuker. L., Das Erbe Heinrichs des Löwen, 1927; Haendle, O., Die Dienstmannen Heinrichs des Löwen, 1930; Hasenritter, F., Beiträge zum Urkunden- und Kanzleiwesen Heinrichs des Löwen, 1936; Hildebrand, R., Der sächsische „Staat“ Heinrichs des Löwen, 1937; Läwen, G., Die herzogliche Stellung Heinrichs des Löwen in Sachsen, Diss. phil. Königsberg 1937; Ganahl, K., Neues zum Text der Gelnhäuser Urkunde, MIÖG 53 (1940), 287; Die Urkunden Heinrichs des Löwen, bearb. v. Jordan, K., 1941ff.; Schambach, K., Der genaue Tag des Achtspruches, ZRG GA 69 (1952), 309; Bärmann, J., Die Städtegründungen Heinrichs des Löwen, 1961; Diestelkamp, B., Welfische Städtegründungen und Stadtrechte des 12. Jahr­hunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Jordan, K., Heinrich der Löwe, 1979, 2. A. 1980, 4. A. 1996; Heinrich der Löwe, hg. v. Mohrmann, W., 1980; Engels, O., Stauferstudien, 1988; Heinrich der Löwe, hg. v. Luckhardt, J., 1995; Ehlers, J., Heinrich der Löwe, 1997; Seibert, H., Heinrich der Löwe und die Welfen, HZ 268 (1998), 375; Gaethke, H., Herzog Heinrich der Löwe und die Slawen nordöstlich der unteren Elbe,1999; Heinrich der Löwe, hg. v. Fried, J. u. a., 2003; Ehlers, J., Heinrich der Löwe, 2008

Heinrich I. (um 876-Memleben 2. 7. 936) 919 deutscher König, Begründer des Königsgeschlechts der Ottonen

Lit.: Giese, W., Heinrich I., 2007

Heinrich II. (6. 5. 978 oder 973-Pfalz Grone 13. 7. 1024) Urenkel Heinrichs I., fünfter und letzter König des Königsgeschlechts der Ottonen

Lit.: Weinfurter, S., Heinrich II., 1999, 3. A. 2002

Heinrich III. (28. 10. 1017-Bodfeld 5. 10. 1056) zweiter deutscher König des Königs­geschlechts der Salier, der 1046 das Papst­schisma beendet, aber bereits mit 39 Jahren stirbt.

Lit.: Boshof, E., Die Salier, 1987, 5. A. 2008

Heinrich IV. (Goslar? 11. 11. 1050-Lüttich 6. 8. 1106) dritter deutscher König des Königs­geschlechts der Salier, der mit 6 Jahren die Herrschaft übernimmt und 1076 anlässlich der Besetzung des Erzbistums Mailand mit Papst Gregor VII. in Streit gerät (Investiturstreit), aber sich durch den Gang nach Canossa vom Kirchenbann lösen kann.

Lit. Althoff, G., Heinrich IV., 2006, 3. A. 2012; Heinrich IV., hg. v. Althoff, G., 2009

Heinrich V. (11. 8. 1086?-Utrecht 23. 5. 1125) vierter und letzter deutscher König aus dem Geschlecht der Salier, der 1105 seinen Vater entmachtet und 1122 das Wormser Konkordat mit dem Papst schließt.

Lit.: Boshof, E., Die Salier, 1987, 5. A. 2008; Heinrich V. in seiner Zeit, hg. v. Lubich, G., 2013

Heinrich VI. (Nimwegen 1165-Messina 28. 9. 1197) dritter König aus dem Königs­ge­schlecht der Staufer, der vergeblich versucht, das Erbe seiner Frau Konstanze von Sizilien einzunehmen, und bereits mit 32 Jahren stirbt.

Lit.: Kaiser Heinrich VI., hg. v. d. Gesellschaft für staufische Geschichte e. V: 1998; Jericke, H., Kaiser Heinrich VI., 2008

Heinrich von Segusia →Hostiensis

Heirat (F.) (1050, Heiratsregister 1875) →Eheschließung

Lit.: Mantl, E., Heirat als Privileg, 1997; Liebl, R., Ein Königreich als Mitgift, 1998; Weller, T., Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert, 2004; Kaiser, D., Die elterliche Einwilligung, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Heirat macht mündig.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprich­wörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996 (Hillebrand 1858)

Heiratsabgabensystem ist bei der Gütertren­nung (Ehegüterrecht) die vereinbarte Über­gabe von Heiratsgut (Mitgift, Heimsteuer) durch die Ehefrau (oder ihre Eltern) an den Ehemann und die vereinbarte Gegenleistung des Ehemanns an die Ehefrau (Widerlegung, Morgen­gabe), wobei beide Leistungen durch Liegenschaftspfandrecht gesichert werden. Im 19. Jh. tritt das H. zurück. Den folgenden Kodifikationen des bürgerlichen Rechtes ist es unbekannt.

Lit.: Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff.; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Heiratserlaubnis ist die Erlaubnis der Eheschließung eines Menschen mit einem anderen durch einen Dritten. Im Frühmit­telalter bedarf die nach kirchlicher Ansicht selbst zur Ehes­chließung berechtigte Braut (zumindest noch) der H. des Inhabers der Personalgewalt, die später auf die Fälle fehlender Ehemündigkeit eingeschränkt wird. Daneben benötigt der Unfreie die H. des Grundherrn. Seit dem 16. Jh. begründet der Landes­herr Heiratser­laubnisse für Beamte, Sol­daten, Kranke, Mittellose, Witwen  u. s. w. Die Auf­klärung drängt seit dem ausgehenden 18. Jh. die H. allgemein zurück, doch sieht noch das Ehepatent Josephs II. für Österreich von 1783 die Nichtigerklärung der Ehe­schließung we­gen fehlender Ehebewilli­gung vor, enthält noch das Ehegesetz von 1938 eine H. für Soldaten. und kennt noch das deutsche Gesetz vom 4. 5. 1998 ein begrenztes Vetorecht der Eltern (in § 1303 III BGB).

Lit.: Friedberg, E., Das Recht der Eheschließung, 1865; Thudichum, F., Über unzulässige Be­schränkungen des Rechts der Verehelichung, 1866; Köstler, R., Die väterliche Ehebewilligung, 1908; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 30; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967; Saar, S., Ehe - Scheidung - Wiederheirat, 2002; Frassek, R., Eherecht und Ehegerichtsbarkeit in der Reformationszeit, 2005

Heiratszwang ist der in familärer und obrigkeitlicher Form mögliche Zwang zur Heirat, der in früheren Zeiten besteht, aber unter dem Einfluss der Kirche (bereits im Hochmittelalter) und der Auf­klärung (spätestens im 19. Jahrhundert) ver­schwin­det.

Lit.:Thudichum, F., Über unzulässige Beschränkungen des Rechts der Verehelichung, 1866; Wettlaufer, J., Das Herrenrecht der ersten Nacht, 1999

heischen, V., verlangen, fordern, laden, s. ausheischen

heitstrenging, an., Sb., Festbinden eines Versprechens, Gelübde

Lit.: Näsström, B., Blot, 2002

Heldensage ist die (lange mündlich überlieferte) Sage von Taten hervorragender Menschen (Helden) (und Götter) in Altertum und Mittelalter (z. B. Äneas, Odysseus, Herkules, Romulus, Siegfried, Hildebrand, Wolfdietrich), in die auch rechtlich bedeut­same Geschehnisse eingeflochten sein kön­nen.

Lit.: Schneider, H., Germanische Heldensagen, 2. A. 1962; Haferland, H., Mündlichkeit, Gedächtnis und Me­dialität, 2004; Kropik, C., Reflexionen des Ge­schicht­lichen, 2008

Helgoland

Lit.: Moeller, E, v., Die Rechtsgeschichte der Insel Helgoland, 1904

Heliand („Heiland“) ist die nach der lateinischen Übersetzung (6. Jh.) der Evan­gelienharmonie des Syrers Tatian (2. Jh.) vor 850 (wohl in Fulda oder Werden) verfasste, in 5 Handschriften(fragmenten) überlieferte, 5983 (erhaltene) Zeilen (Verse) umfas­sende altsächsische Stabreimdichtung. Es ist streitig, in welchem Umfang das Werk frühmittel­alterliches Recht wiedergibt (Herrschaft, Stände, Rüge).

Lit.: Vilmar, A., Deutsche Altertümer im Heliand, 1845, 2. A. 1862; Lagenpusch, E., Das germanische Recht im Heliand, 1894; Kuhn, H., Die Grenzen der germanischen Gefolgschaft, ZRG GA 73 (1956), 28; Sowinski, B., Darstellungsstil und Sprachstil im Heliand, 1985; Heliand und Genesis, hg. v. Taeger, B., 10. A. 1996

Hellenismus ist ursprünglich der richtige Gebrauch der griechischen Schriftsprache, später die Ausbreitung griechischer Kultur seit Alexander dem Großen (356-13. 6. 323 v. Chr.).

Lit.: Kaser §§ 1 II 2, 3 III 4; Söllner §§ 18, 19, 22; Kreissig, H., Geschichte des Hellenismus, 1984; Gehrke, H., Geschichte des Hellenismus, 3. A. 2003, 4. A. 2008; Hellenismus, hg. v. Funck, B., 1997; Die Rezeption der Antike, hg. v. Konstantinou, E., 1998; Christ, K., Hellas, 1999; Heinen, H., Geschichte des Hellenismus, 2003; Lexikon des Hellenismus, hg. v. Schmitt, H./Vogt, E., 2005; Meißner, B., Hellenismus, 2007; Kulturgeschichte des Hellenismus, hg. v. Weber, G., 2007; Errington, R. A History of the Hellenistic World 323-30 Bc, 2008

Heller, Hermann Ignatz (Teschen/­Schlesien 17. 7. 1891-Madrid 5. 11. 1933), jüdische Abstammung, Rechtsan­waltssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien, Innsbruck und Graz 1920 in Kiel (Gustav Radbruch) habilitiert, 1921 Dozent in Leipzig und Referent am Institut für ausländisches öffentliches Recht in Berlin sowie 1928 zum außerordentlichen Professor in Berlin und 1932 zum ordentlichen Professor in Frankfurt am Main (bis 7. 4. 1933, Flucht nach Spanien) ernannt. Er versteht in der Staatslehre den Staat als sozialen Rechtsstaat und setzt sich für einen national gesinnten Sozialismus ein.

Lit.: Robbers, G., Hermann Heller, 1983; Der soziale Rechtsstaat, hg. v. Müller, C./Staff, J., 1984; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 767; Fiedler, W., Das Bild Hermann Hellers, 1994; Goller, P., Hermann Heller, 2002; Henkel, M., Hermann Hellers Theorie der Politik und des Staates, 2011

Helmarshausen

Lit.: Hoffmann, H., Bücher und Urkunden aus Helmarshausen und Corvey, 1992

Helmbrecht ist die um 1270 vielleicht im Innviertel von Wernher dem Gartenaere verfasste, in zwei Handschriften überlieferte Geschichte eines sich gegen seinen Stand auflehnenden Bauernsohns, die möglicher­weise auch Rechtswirklich­keit widerspiegelt.

Lit.: Die Märe von Helmbrecht, hg. v. Panzer, F., 9. A. 1974; Menke, P., Recht und Ordo-Gedanke im Helmbrecht, 1993

Helmstedt (Ersterwähnung Helmonstede 952, 1247 Stadt) ist von 1576 bis 1810 Sitz einer vom Herzog von Braunschweig gegründeten Universität (1589 340 Studenten, Hermann Conring).

Lit.: Behse, A., Die juristische Fakultät der Universität Helmstedt im Zeitalter des Naturrechts, 1920; Baumgart, P./Pitz, E., Die Statuten der Universität Helmstedt, 1963; Schikora, A., Die Spruchpraxis an der juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Haase, H., Die Universität Helmstedt 1576-1810, 1976; Die Matrikel, bearb. v. Mundhenke, H., 1979; Kundert, W., Katalog der Helmstedter juristischen Disputationen, 1984 (2774 Titel); Hahn, P., Die Gerichtspraxis der altständischen Gesellschaft im Zeitalter des Absolutismus. Die Gutachtertätigkeit der Helmstedter Juristenfakultät, 1989; Müller, H., Helmstedt, 1998; Alschner, U., Universitätsbesuch in Helmstedt, 1998; Ahrens, S., Die Lehrkräfte der Universität Helmstedt, 2004¸ Maaser, M., Humanismus und Landesherrschaft, 2010; Casemir, K. u. a., Die Ortsnamen des Landkreies Helmstedt und der Stadt Wolfsburg, 2011

Helsinki (Helsingfors) wird 1550 vom König von Schweden gegründet und 1640 verlegt. Am neuen Ort erhält es eine Universität. 1812 wird es Hauptstadt des russischen Großfürstentums →Finnland.

Helvetische Republik ist die nach dem keltischen, von Caesar 58 v. Chr. besiegten Stamm der Helvetier benannte, von Frankreich (Napoleon) beeinflusste Republik in der →Schweiz (1798-1803).

Lit.: Levi, R., Der oberste Gerichtshof der Helvetik, 1945; Zwicky, J., Das Gefängniswesen zur Zeit der Helvetik, Diss. jur. Zürich 1982; Alkaly, M., Das materielle Strafrecht der französischen Revolution, 1984

Helvetisches Bekenntnis ist das die Theologie Jean Calvins (1509-1564) und Ulrich Zwinglis (1504-1575) 1566 zu­sammenfassende Bekenntnis, das im West­fälischen Frieden 1648 reichsrechtlich aner­kannt wird und dessen Anhänger in Österreich seit Toleranzpatenten Josephs II. seit 1781 toleriert werden.

Henker ist der 1276 in Augsburg zuerst bezeugte Vollstrecker des (auf Hängen lautenden) Todesurteils. Der H. gilt (ab etwa 1400) als unehr­lich. Vor der Vollstreckung steht dem Hinzurichtenden (seit dem 15. Jh.?, henckermol 1575) eine Henkers­mahlzeit zu. Der 1924 zum Scharfrichter in Bayern berufene Johann Reichart vollzog die Todesstrafe an rund 3000 und nach 1945 an 156 Menschen (Nationalsozialisten).

Lit.: Mackensen, L., Henkersmahl und Johannisminne, ZRG GA 44 (1924), 318; Angstmann, E., Der Henker in der Volksmeinung, 1928; Heim, W., Das Henkersmahl, 1941; Hentig, H. v., Vom Ursprung der Henkersmahlzeit, 1958; Schuhmann, H., Der Scharfrichter, 1964; Glenzdorf-Treichel, Henker, Schinder und arme Sünder, 1978; Dachs, J., Tod durch das Fallbeil, 1996; Deutsch, A., Das schwere Schicksal der Henker, ZRG GA 118 (2001), 420; Bendlage, A., Henkers Hetzbube, 2003; Schubert, E., Räuber und Henker, 2007; Die Henker von Nürnberg und ihre Opfer, hg. v. Diefenbacher, M., 2010; Rosenstrauch, H., Karl Huß. Der empfindsame Henker, 2012

Henlich ist ursprünglich der Heiratsgesang und im Hochmittelalter und Spätmittelalter insbe­sondere im Recht des Ingelheimer Oberhofs die Verlobung und Eheschließung bzw. der →Ehe­vertrag.

Lit.: Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968, 104

Henneberg

Lit.: Zickgraf, E., Die gefürstete Grafschaft Henneberg-Schleusingen, 1944; Bibliographie zur henne­bergischen Geschichte, bearb. v. Henning, E. u. a., 1976; Regesten des Archivs der Grafen von Henneberg-Römhild, hg. v. Mötsch, J., 2006

Henneberg, Berthold von (1441/2-21. 12. 1504), aus der Familie der Grafen von Henneberg-Römhild, wird nach dem Studium der Theologie in Erfurt (1455) und Italien Domherr in Mainz (1464) und Erzbischof von Mainz (20. 5. 1484). Er bestimmt als Erzkanzler maßgeblich die Reformen des Heiligen römischen Reiches  im Jahre 1495 (→Reichskammer­gericht, →Landfriede, →Gemeiner Pfennig).

Lit.: Weiß, E., Berthold von Henneberg, 1889; Bader, K., Ein Staatsmann vom Mittelrhein, 1955; Schröcker, A., Unio atque concordia, Diss. phil. Würzburg 1970

Hennegau

Lit.: Goldhardt, O., Die Gerichtsbarkeit in den Dörfern des mittelalterlichen Hennegaues, 1909; Verriest, L., Le servage dans le Comté de Hainaut, 1910; Cauchies, J., La législation princière pour le comté de Hainaut, 1982

Henricus de Baila ist ein 1169 und 1170 bezeugter Glossator in Bologna (Glossen, Distinktionen, Disputationen?).

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 214

Henricus de Bracton s. Bracton

Heraklit von Ephesos (um 500 v. Chr.) ist der erste europäische Philosoph, der den Einsatz des Einzelnen für die rechtliche Ordnung als Voraussetzung für den Bestand des Gemeinwesens hervorhebt.

Lit.: Moser, P., Heraklits Kampf ums Recht, 1993

Heraldik (F.) Wappenkunde

Lit.: Köbler, DRG 3; Hildebrandt, A., Handbuch der Heraldik, 19. A. 1998 (1. A. unter anderem Titel 1824); Seyler, G., Geschichte der Heraldik 1890, Neudruck 1970; Berchem, E. Frhr. v., Heraldische Bibliographie, 1937; Galbreath, D., Handbüchlein der Heraldik, 2. A. 1948; Crusius, E., Heraldik in Niedersachsen und Westfalen, 1957; Gumowski, M., Handbuch der polnischen Heraldik, 1969; Neubecker, O., Heraldik, 1977; Zenger, Z., Ceska heraldika, 1978; Bertenyi, I., Kis, magyar eimertan, 1983; Oswald, G., Lexikon der Heraldik, 1984, 3. A. 2011; Henning, E./Jochums, G., Bibliographie zur Heraldik, 1984; Dictionnaire heraldique, 1985; Woodcock, T./Robinson, J., The Oxford Guide to Heraldry, 1988; Filip, V., Einführung in die Heraldik, 2000, 2. A. 2011; Scheibelreiter, G., Heraldik, 2006, 2. A. 2009; Henning, E., Repetitorium heraldicum, 2010

Herausgabe (1739, Herausgabepflicht 1896/1900) ist das Übergeben des Besitzes an einer Sache oder einem Menschen durch eine Person an eine andere Person.

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Herausgabeanspruch ist der Anspruch auf die Herausgabe eines Menschen oder einer Sache. Der bekannteste Fall des Herausgabean­spruches ist die schon dem altrömischen Recht vertraute (lat.) →rei vindicatio (F.). Sie lebt im modernen H. in abgewandelter Form fort.

Lit.: Kaser § 27 I; Köbler, DRG 212

Herberge

Lit.: Kachel, J., Herberge und Gastwirtschaft, 1924; Hermesdorf, B., De herberg in de Nederlanden, 1957; Peyer, H., Von der Gastfreundschaft zum Gasthaus, 1987; Potthoff, O., Kulturgeschichte der deutschen Gaststätte, 1996

Herborn (an der Dill, 1251 Stadtrecht) ist von 1584 bis 1815 Sitz einer Universität (Althusius, als Student Comenius).

Lit.: Menk, G., Die Hohe Schule Herborn, 1981; Hae­ring, H., Die Spätzeit der Hohen Schule zu Herborn, 1994; Schmidt-von Rhein, G., Zur Geschichte der rechts­wissenschaftlichen Fakultät der hohen Schule zu Herborn, ZRG GA 103 (1986), 263

Herd (M.), Boden (9. Jh.), Feuerstätte (10. Jh.), Haus, Wohnung, davon Herdschilling oder Herdzins zu leisten

Lit.: Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992; Mittelalterliche Öfen, hg. v. Röber, R. 2002

Herdecke

Lit.: Schnettler, O., Herdecke an der Ruhr, 1939i, Johann Gottfried (Mohrungen in Ostpreußen 25. 8. 1744-Weimar 18. 12. 1803) wird nach dem Theologiestudium in Königsberg (1762-1764, Kant) Prediger in Riga, in Bückeburg (1771) und In Weimar (1776 Oberhofprediger). Er sieht in der Volkssprache und im Volkslied den Ausdruck des unbewusst schaffenden →Volksgeists, dessen nationale Eigenart geschichtlichen Eigenwert besitzt (Idee der Kulturnation). Damit beeinflusst er →Savignys Verständnis vom Recht als sich organisch entfaltendem Teilbereich der Ge­samtkultur in bedeutsamer Weise.

Lit.: Herder, J., Über die neuere deutsche Literatur, 1766/7; Herder J., Abhandlung über den Ursprung der Sprache, 1772; Würtenberger, T., Johann Gottfried Herder und die Rechtsgeschichte, JZ 12 (1957), 137; Adler, E., Herder und die deutsche Aufklärung, 1968; Kalletat, F., Herder und die Weltliteratur, 1984; Irmscher, H., Johann Gottfried Herder, 1996; Zaremba, M., Johann Gottfried Herder, 2002; Kantzenbach, F., Johann Gottfried Herder, 2007; Herder Handbuch, hg. v. Clairmont, H. u. a., 2010

Heredis institutio (lat. [F.] Erbeinsetzung) ist in klassischer römischer Zeit die schon früh an den Anfang des Testaments zu stellende, lange Zeit unabdingbare Erbeinsetzung (z. B. [lat.] Titius heres esto).

Lit.: Kaser §§ 65 II 1, 67 I 2

Hereditas ([F.] lat.) ist im römischen Recht die vor allem aus Vermögensrechten gebildete Erbschaft (das Erbe). Die h. fällt als Einheit durch Gesamtnachfolge dem Erben an. Sie kann h. iacens (ruhende Erbschaft) sein.

Lit.: Kaser §§ 65f.; Köbler, LAW; Kressin, U., Hereditas, 2011

Hereditas (F.) iacens (lat.) (liegende bzw. ruhende Erbschaft) ist im römischen Recht die einem Außenerben (lat. heres [M.] extraneus) anfallende Erbschaft in der Zeit zwischem dem Tod des Erblassers und der Ergreifung der Vermögensrechte durch den Au­ßen­erben. Ursprünglich gelten die Erb­schafts­gegenstände als (lat.) res (F.) nullius (Sachen niemands). Die Rechte und Pflichten bestehen weiter, haben aber zeitweilig keinen Träger und können deswegen nicht geltend gemacht werden. Die h. i. kann Rechte er­werben. Die h. i. wird mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter an verschiedenen Orten übernommen (z. B. Öster­reich).

Lit.: Kaser § 72 I; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 562, 621, 629

Hereditatis petitio (lat. [F.] Erbschaftsbe­gehren) ist bereits im altrömischen Recht das Herausverlangen der Erbschaft durch eine Per­son, die behauptet Erbe zu sein.

Lit.: Kaser §§ 65 III, 75

Heres (lat. [M.]) ist im römischen Recht der →Erbe (Hauserbe oder Außenerbe).

Lit.: Kaser § 65 III; Köbler, DRG 37; Köbler, LAW

Herford ist eine westfälische, um das 823 gegründete, 1147 reichsunmittelbare Stift erwachsene Stadt, von der die Bilderhand­schrift (2 Miniaturen, Initialen) eines mittel­niederdeutschen, dem Sachsenspiegel nahe­ste­henden Rechtsbuchs von etwa 1375 in 61 Artikeln überliefert ist.

Lit.: Löning, G., Vom Schöffenstuhl zu Herford im 17. Jahrhundert, ZRG GA 64 (1944), 326; Korte, F., Die staatsrechtliche Stellung von Stift und Stadt Herford, Jahresbericht des historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 58 (1955), 1; 1200 Jahre Herford, 1989; Rechtsbuch der Stadt Herford, hg. v. Helmert-Corvey, T., 1989; Hüpper, D., Das Herforder Rechtsbuch und sein Verhältnis zum Sachsenspiegel, Nd. Wort 29 (1989), 47ff.; Terharn, C., Die Herforder Fehden, 1994; Kurtz, T., Das oberste Rückerstattungsgericht in Herford, 2013

Hergewäte →Heergewäte

Herisliz (ahd. [M.] Heerzerstörung) ist der tatbestandliche Vorwurf (des Hochverrats), der 788 (nach den Lorscher Annalen) zur Absetzung Herzog Tassilos III. von Bayern führt.

Lit.: Köbler, WAS; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 53; Sousa Costa, A. de, Studien zu volkssprachigen Wörtern in karolin­gi­schen Kapitularien, 1993

Hermann von Oesfeld (Magdeburg Mitte 14. Jh.), vielleicht aus Oebisfelde an der Aller nördlich Helmstedts, Bürger in Magdeburg, fertigt möglicherweise ein Register zum Landrecht des →Sachsenspiegels sowie die um 1350 entstehenden verfahrensrechtlichen Schriften →Cautela und →Premis an.

Lit.: Homeyer, C., Richtsteig Landrecht nebst Cautela und Premis, 1857, 390; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66

Hermann von Salza (um 1180-Salerno 20. 3. 1239), aus einer Ministerialenfamilie in Thüringen bei Gotha und Langensalza, von 1209 bis 1239 (vierter) Hochmeister des Deutschen Ordens, erlässt die sog. →Kulmer Handfeste, die lübischem und magdebur­gischem Vorbild folgend den nach Kulm und Thorn gezogenen Bürgern freiheitliche Rechte gewährt.

Lit.: Caspar, E., Hermann von Salza und die Gründung des Deutschordensstaates in Preußen, 1924; Kluger, U., Hochmeister Hermann von Salza, 1987; Sarnowsky, J., Der Deutsche Orden, 2007

Hermeneutik (F.) Verstehenslehre

Lit.: Hermeneutik der Quellentexte des römischen Rechtes, hg. v. Avenarius, M., 2008

Hermogenian (um 300) ist vielleicht unter Kaiser Diokletian (284-313/316) Leiter einer kaiserlichen Kanzlei und (lat.) praefectus (M.) praetorio (Prätorianer­präfekt). Er verfasst die private (halbamtliche?) Sammlung von Konstitutionen Diokletians fast nur der Jahre 293 und 294 (→Codex Hermogenianus), von der 104 Fragmente in die →Digesten Justinians aufgenommen werden, und (lat.) Iuris epitomarum libri (M.Pl.) VI (Auszüge aus klassischen Schriften Rechtskundiger).

Lit.: Söllner §§ 19, 22; Liebs, D., Hermogenians Iuris Epitomae, 1964; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987, 36, 137

Herold (M., aus germ. hari-waldaz, Personenname bei Tacitus) Ver­kün­der

Lit.: Wagner, A., Heralds and Heraldry, 2. A. 1956; Römheld, L., Die diplomatischen Funktionen der He­rol­de im späten Mittelalter, Diss. phil. Heidelberg 1964; Scheibelreiter, G., Heraldik, 2006; The Herald in Late Medieval Europe, hg. v. Stevenson, K., 2009

Herold, Basilius Johann (Höchstädt an der Donau 17. 12. 1514-1567), unehelicher Sohn eines Augsburger Bürgers, Übersetzer und Drucker ohne feste Anstellung, veröffentlicht in Basel 1557 eine Sammlung von 12 (10) Volksrechten (Originum ac Germanicarum antiquitatum libri), deren handschriftliche Vorlagen seitdem teilweise (lat. Lex [F.] Frisionum, eine Fassung der lat. Lex [F.] Salica) verschollen sind.

Lit.: Burckardt, A., Johann Basilius Herold, 1967

Herr ist der Gebieter über einen anderen Menschen (oder über einen Gegenstand). Das Wort wird im 8. Jh. als Lehnübersetzung von lat. [M.] senior, Älterer (und damit Höherer), aus dem Komparativ des Adjektivs her, „grau, hehr“ gebildet. Hausherr, Grundherr (Wort 14. Jh.), Lehns­herr und →Landesherr (Wort 15. Jh.) sind wichtige Er­scheinungsfor­men. Erst spät wird H. zu einer allgemeinen Anrede erwachsener Männer. In den ständischen Landtagen von Österreich ob der Enns und Österreich unter der Enns sind die Herren eine eigene Kurie, in der Steiermark, in Kärnten und Krain eine Kurie mit den Rittern.

Lit.: Köbler, WAS; Lünig, J., Thesaurus iuris deren Grafen und Herren des Heiligen römischen Reichs, 1725; Dungern, O. Frhr. v., Der Herrenstand im Mittelalter, 1908; Forst-Battaglia, O., Vom Herrenstande, 1916; Oberschelp, B., Die Edelherren von Büren, 1963; Dopsch, H., Landherren, Herrenbesitz und Herrenstand in der Steiermark 1100-1500, Diss. phil. Wien 1969 (masch.schr.); Kulenkampf, A., Einungen und Reichsstandsschaft fränkischer Grafen und Herren, Diss. jur. Bonn 1971; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und Städte zu Nürnberg 1355/65, 1983; Müller, P., Die Herren von Fleckenstein, 1990; Algazi, G., Herrengewalt, 1996

Herrenchiemseer Verfassungskonvent ist das von den 11 Ministerpräsidenten der westlichen Besatzungszonen des Deutschen Reiches auf Einladung Bayerns vom 10. bis 23. 8. 1948 nach Herrenchiemsee im Chiemsee einberufene, eine →Verfassung (→Grundgesetz) der späteren Bundes­republik →Deutschland vorbereitende Gremium (Carlo Schmid Justizminister Württemberg-Hohenzollerns SPD, Josef Schwalber Staatssekretär im Innenmi­nisterium Bayern CSU, Josef Beyerle Justiz­minister Württemberg-Baden CSVP/CDU, Adolf Süsterhenn, Justizminister Rheinland-Pfalz CDU, Paul Zürcher Oberlan­desgerichtspräsident (Freiburg im Breisgau) Baden CDU, Hermann Louis Brill Leiter der Staatskanzlei Hessen SPD, Theodor Spitta Bürgermeister Bremen BDV/FDP, Fritz Baade Professor der Wirtschaftswissen­schaften Schleswig-Holstein SPD, Justus Danckwerts Ministerialrat Niedersachsen, Theodor Kordt Diplomat und Völkerrechtler Nordrhein-Westfalen, Wilhelm Drexelius Senatssyndikus Hamburg SPD, Otto Suhr Volkswirt und Vorsteher der Stadtver­ordnetenver­sammlung Berlin als Gast SPD).

Lit.: Köbler, DRG 256; Buchner, P., Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee. Der Parlamentarische Rat 1948/49, 1981; 50 Jahre Ver­fassungskonvent Herrenchiemsee, hg. v. März, P. u. a., 1998; Weichenstellung für Deutschland, hg. v. März, P. u. a., 1998

Herrenfall ist der Tod des →Herrn im Lehnsverhältnis.

Herrenhaus ist die Bezeichnung für ein dem englischen House of Lords nachgebildetes Staatsorgan einiger Verfassungen des 19. Jh.s (Preußen 1855-1918, Österreich 1861-1865, 1867-1918, ab 1907 mindestens 150 und höchstens 170 Mitglieder). Ihm gehören hauptsächlich Vertreter des →Adels und vom Herrscher besonders berufene Mitglieder an.

Lit.: Baltl/Kocher; Spenkuch, H., Das preußische Herrenhaus, 1998

Herrenlos ist die Sache, die keinen Eigentümer hat (z. B. früher in Freiheit befindliche wilde Tiere, derelinquierte Sachen, ähnlich freie Luft, fließendes Wasser). Die herrenlose Sache unterliegt der Aneignung. Aneignungsberechtigt ist ursprünglich jeder­mann, nach späterem deutschem Recht der jeweils besondere Träger eines Aneignungs­rechts (z. B. Jagdberechtigter, Fiskus).

Lit.: Hübner 454f.

Herrenreiterurteil ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs Deutschlands vom Fe­bruar 1958 (BGHZ 28, 349), die in Analogie zu § 847 BGB und in Widerspruch zu § 253 BGB) einem ohne Einwilligung zu Werbe­zwecken (Okasa) öffentlich abgebil­deten Reiter eine billige Entschä­digung (Schmer­zensgeld, Ersatz immate­ri­ellen Schadens) ge­währt wird (als ver­fassungsmäß angesehenes Richter­recht).

Herrschaft ist die Macht oder Gewalt eines Menschen (→Herrn) über einen anderen Menschen (oder einen Gegenstand). Sie entsteht vorwiegend durch Eroberung und Überschichtung bzw. durch Unterwerfung und Aneignung. Es ist streitig, ob sich die umfassende Rechtsgemeinschaft in eine Vielzahl von Herrschaften auflösen lässt. Geschichtliche Formen der H. sind jedenfalls Grundherrschaft und Landesherrschaft, Haus­herrschaft und Lehnsherrschaft. Das deutsche Wort herscaf (mhd.) als Herrenstellung (über Gegenstände und Menschen) findet sich erst im 13. Jh. Seit etwa 1750 wird zwischen öffentlich­rechtlicher Herrschaft und privatem Eigentum des Landesherrn unterschieden.

Lit.: Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 1; Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868; Waas, A., Herrschaft und Staat im deutschen Frühmittelalter, 1938; Schlesinger, W., Herrschaft und Gefolgschaft, HZ 176 (1953), 225; Dannenbauer, H., Grundlagen der mittelalterlichen Welt, 1958, 121; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und souveräner Staat, 1962; Schulze, H., Adelsherrschaft und Landesherrschaft, 1963; Henning, F., Herrschaft und Bauern­untertänigkeit, 1964; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft im frühen deutschen Recht, 1968; Pezold, U. v., Die Herrschaft Thurnau, 1968; Dubler, A., Die Klosterherrschaft Hermetschwil, 1968; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in Reichsitalien, Bd. 1 1970; Herrschaftsstruktur und Ständebildung, 1973; Herrschaftsverträge, Wahlkapitulationen, Fundamental­gesetze, hg. v. Vierhaus, R., 1977; Schulze, W., Bäuerlicher Widerstand und feudale Herrschaft in der frühen Neuzeit, 1980; Jäckell, E., Hitlers Herrschaft, 1986; Schneider, O., Rechtsgedanken und Rechtstech­niken totalitärer Herrschaft, 1988; Wolf, G., Mittel der Herrschaftssicherung in den Germanenreichen des 6. und 7. Jahrhunderts, ZRG GA 105 (1988), 214; Sprandel, R., Verfassung und Gesellschaft im Mittelalter, 3. A. 1988; Schubert, E., Fürstliche Herrschaft und Territorium im späten Mittelalter, 1996; Hohkamp, M., Herrschaft in der Herrschaft, 1998; Virtuosen der Macht, hg. v. Nippel, W., 2000; Strukturen und Wandlungen der ländlichen Herrschaftsformen vom 10. zum 13. Jahrhundert, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2000; Holtz, S., Bildung und Herrschaft, 2002; Die Sakralität von Herrschaft, hg. v. Erkens, F., 2002; Herrschaft, hg. v. Kaak, H. u. a., 2003; Rader, O., Grab und Herrschaft, 2003; Hochadelige Herrschaft im mitteldeutschen Raum (1200 bis 1600), hg. v. Rogge, J. u. a., 2003; Hardt, M., Gold und Herrschaft, 2004; Schliesky, U., Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, 2004; Ergebene Diener ihrer Herren?, hg. v. Brakensiek, S. u. a., 2005; Debatten über die Legitimation von Herrschaft, hg. v. Schorn-Schütte, L. u. a., 2006; Urbanczyk, P., Herrschaft und Politik im frühen Mittelalter, 2007; Herrschaftsverdichtung, hg. v. Hochedlinger, M. u. a., 2010

Herrschaftsvertrag ist der bereits im griechischen Altertum (Protagoras, Demokrit, Epikur, Ulpian, Augustinus) ansatzweise sichtbare, für die Vorzeit angenommene Vertrag zur Begründung der Herrschaft Herrschender (Staat) über Beherrschte (Untertanen). Das Mittelalter sieht diesen Vertrag als Un­terwerfungsvertrag an, der die Verfassung des Staats schafft, nicht den Staat selbst (Thomas von Aquin, →Marsilius von Padua). Die Neuzeit versteht ihn mehr und mehr als →Gesell­schafts­ver­trag (→Althusius, →Hobbes, →Locke, →Pufendorf, →Rousseau 1762).

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Näf, W., Herrschafts­verträge und Lehre vom Herrschaftsvertrag, 1949; Der Herrschaftsvertrag, hg. v. Voigt, A., 1965

Herrschaftszeichen ist das sichtbare Zeichen (Verkörperung, Veranschaulichung) der (als solcher unsichtbaren) Herrschaft (z. B. →Ornat, →Krone, →Lanze, →Schwert, →Zepter, Hut, Löwe, Pranger). Seine Ausprägung ist in einfachen Verhältnissen eher bescheiden. Der bedeu­tendste Schatz an H. sind die →Reichsin­signien.

Lit.: Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, Bd. 1ff. 1954ff.; Schramm, P., Kaiser Friedrichs II. Herrschaftszeichen, 1955; Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954; Stollberg-Rilinger, B., Des Kaisers alte Kleider, 2008

Herrschende Lehre ist die vom gewichtigeren Teil der Gelehrten (z. B. angeseheneren Rechtsgelehrten) in einer Frage (z. B. Rechtsfrage) vertretene Ansicht. Förmliche Ansätze hierzu finden sich bereits im römischen Altertum (z. B. Kassiergesetz Konstantins [321], das zunächst →Papinian(us) für maßgeblich erklärt, Zitiergesetz Theodosius’ II. und Valentinians III. [426], das der Meinung von Papinianus, →Paulus, →Ulpian, →Modestin und →Gaius besondere Geltung verleiht und bei Stimmengleichheit die Ansicht Papinians entscheiden lässt). Im Spätmittelalter werden hierfür feste Maßstäbe erarbeitet. Danach kommt der (lat.) glossa (F.) ordinaria zum weltlichen und geistlichen Recht, →Bartolus, →Baldus sowie den Richtern des höchsten kirchlichen Gerichts das regelmäßig ausschlaggebende Gewicht zu. Der Absolutismus ordnet die Rechtswis­senschaft dem Gesetz unter (z. B. ALR Einl. § 6 [1794]). Die historische Rechtsschule (Savigny 1814) stellt die Rechtswissenschaft über (oder zumindest neben) die Gesetz­gebung. Spätestens mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) tritt im Deutschen Reich die Rechts­wissenschaft hitner dem Gesetz zurück.

Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, Bd. 1ff. 2. A. 1834ff., Bd. 6, 14; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938, 204; Schröder, J., Recht als Wissenschaft, 2001, 2. A. 2012

Herrschende Meinung ist die in einer Streitfrage insgesamt vorherrschende Mei­nung.

Lit.: Schnur, R., Der Begriff der herrschenden Meinung in der Rechtsdogmatik (in) Festgabe für Ernst Forst­hoff, hg. v. Doehring, K., 1967, 43ff. Zimmer­mann, R., Die Relevanz einer herrschenden Meinung, 1983; Drosdek, T., Die herrschende Meinung, 1989

Herrscher

Lit.: Europäische Herrscher, hg. v. Vogler, G., 1988; Herrscherchronologien der antiken Welt, hg. v. Eder, W., u. a., 2004; Bussmann, B., Die Historisierung der Herrscherbilder (ca. 1000-1200), 2006; Erkens, F., Herrschersakralität im Mittelalter, 2006

Hersir ist in Norwegen als Bezeichnung der Tätigkeit eines Vorstehers ein Häuptlingstitel vom 9. bis zm 11. Jh.

Lit.: Sandmo, E., Norsk historie 1 (750-1537), 2. A. 2007

Hert (Hertius), Johann Nikolaus (Niederkleen bei Gießen 6. 10. 1651-Gießen 19. 9. 1710), Pfarrerssohn, wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes in Gießen (1664/1667) und des Rechtes in Jena, Leipzig und Wittenberg 1683 außerordentlicher Professor und nach der Promotion (1686) 1690 ordentlicher Professor in Gießen. Er verwendet neben dem römischen Recht auch deutsche Rechts­quellen, befasst sich wegweisend mit dem Kollisions­recht (Dissertatio de collisione legum, 1688) und gibt drei Bücher deutscher Rechtssprich­wörter heraus.

Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E. v., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978, 3, 1, 62; Herrmann, G., Johann Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963; Deutsches internationales Privatrecht im 16. und 17. Jahrhundert, hg. v. Bar, C. v. u. a., Bd. 2 2001

Herzebrock (Kloster)

Lit.: Herzebrock, hg. v. Möller, E., 2010

Herzegowina →Bosnien

Lit.: Lovrenovic, I., Bosnien und Hercegovina, 1998; Gabriel, K., Bosnien-Herzegowina 1878, 2003 Classen, L., Der völkerrechtliche Status von Bosnien-Herzegowina, 2004; Grandits, H., Herrschaft und Loyalität in der spätosmanischen Gesellschaft, 2008

Herzog ist die wohl nach griechischem Vorbild geschaffene germanistische Bezeichnung für den Führer des Heeres (oder Volkes). Bei den Franken führen (lat. [M.Pl.]) duces auch Aufgaben aus, wie sie weströmische duces wahrgenommen hatten. Seit der zweiten Hälfte des 6. Jh.s stammen die Herzöge im Franken­reich aus angesehenen Familien und steigen bei Schwäche der königlichen Gewalt zu nahezu selbständigen Herrschern einzelner Stämme oder Völker (Franken, Bayern, Alemannen, Sachsen, Thüringer, Friesen  u. s. w.) auf ([ältere] Stammesherzöge). Die Karolinger ersetzen die stammesverbundenen H. durch fränkische Adlige (Amtsherzog). In der zweiten Hälfte des 9. Jh.s entsteht erneut ein (zweites) (Stammes-)Herzogtum auf herrschaftlicher Grundlage, das sich dem König aber früh zumindest teilweise wieder beugen muss (Schwaben 926, Bayern 938). Seit dem Ende des 10. Jh.s führen in Deutschland einzelne Familien den Herzogstitel fort, auch wenn sie die Stellung als H. verlieren. Durch Friedrich I. Barbarossa wird 1156/1180 das Gebietsher­zogtum an die Stelle des Amtsherzogtums gesetzt (→Österreich 1156, Westfalen 1180, danach Braunschweig-Lüneburg 1235, Herzogswür­de ohne Herzogsgewalt z. B. für Meranien 1195). 1918 ver­schwindet der H. aus der deutschen Verfassungsgeschichte.

Lit.: Köbler, DRG 69, 94; Köbler, WAS; Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899; Rosenstock, E., Herzogsgewalt und Friedensschutz, 1910; Schröder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44 (1924), 1; Much, R., Herzog, ein altgermanischer Name des dux, ZRG GA 45 (1925), 1, 406; Miller, C., Neuwürttemberg unter Herzog und König Friedrich, 1934; Mayer, T., Der Staat der Herzöge von Zähringen, 1935; Werle, W., Titelherzogtum und Herzogsherrschaft, ZRG GA 73 (1956), 225; Sprandel, R., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Prinz, F., Herzog und Adel im agilolfingischen Bayern, Z. f. bay. LG. 25 (1962), 283; Kienast, W., Der Herzogstitel in Frankreich und Deutschland, 1968; Maurer, H., Der Herzog von Schwaben, 1978; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen bei Rhein und Herzöge von Bayern, 1986; Schneidmüller, B., Völker - Stämme - Herzogtümer?, MIÖG 108 (2000), 31

Herzogemburg

Lit.: 900 Jahre Stift Herzogenburg, hg. v. Katzler, G. u. a., 2012

Herzogtum ist die Würde und der Herrschaftsbereich des →Herzogs. Wichtige Herzogtümer sind zu unterschiedlichen Zeiten Bayern, Schwaben, Franken, Sachsen, Thüringen, Österreich, Steiermark, Kärnten, Würzburg, Westfalen, Braunschweig-Lüne­burg, Burgund, Lothringen, Jülich, Cleve, Berg, Württemberg, Nassau  u. s. w.

Lit.: Köbler, DRG 94

Hessen ist im Jahre 738 der Name eines kleinen, wahrscheinlich auf die germanischen Chatten zurückzuführenden Stammes an der unteren Fulda, dessen Gebiet seit dem 4. Jh. dem Einflussbereich der →Franken zuzurech­nen ist Die Grafschaft H. gelangt 1122 an die Landgrafen (1130) von Thüringen und wird nach Aussterben der Ludowinger (1247) selbständige Landgraf­schaft. Nach dem Übertritt Philipps des Großmütigen zum Lu­thertum (1524) wird H. bei seinem Tode 1567 geteilt (Hessen-Darmstadt, Hessen-Kassel). Hessen-Darmstadt erhält 1820 eine Verfassung, Hessen-Kassel 1831 die liberalste deutsche Verfassung (Einkammersystem, ansatzweise tatsäch­liche Gewaltenteilung, Vorrang und Schutz der Verfassung) vor 1848 (am 13. 4. 1852 durch oktroyierte Verfassung ersetzt). Hessen-Kassel wird wie Nassau 1866 von Preußen annektiert (Provinz Hessen-Nassau). Am 19. 9. 1945 wird der 1918 aus Hessen-Darmstadt entstandene Volksstaat mit den preußischen Provinzen Nassau und Kurhessen zu Großhessen bzw. H. verbunden.

Lit.: Köbler, DRG 186; Köbler, Historisches Lexikon; Schmidt, A., Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen, 1893; Lichtner, A., Landesherr und Städte in Hessen-Cassel, 1913; Klibansky, E., Die topographische Entwicklung der kurmainzischen Ämter in Hessen, 1925; Falk, H., Die Mainzer Behördenorganisation in Hessen und auf dem Eichsfelde, 1930; Bruchmann, K., Der Kreis Eschwege, 1931; Müller, A., Die Entstehung der hessischen Verfassung von 1820, 1931; Sponheimer, M., Landesgeschichte der Niedergrafschaft Katzenelnbogen und der angrenzenden Ämter auf dem Einrich, 1932; Der ökonomische Staat Landgraf Wilhelms IV., bearb. v. Zimmermann, L., Bd. 1f. 1933f.; Blecher, G., Wie und wann entstanden Burg und Stadt Friedberg? Oberhessische Anzeigen (2.–9. September) 1936; Helbig, B., Das Amt Homberg an der Efze, 1938; Kroeschell, K., Hessen und der Kaufungerwald, 1953; Deutsches Städtebuch, Hessen 1957; Gensicke, H., Landesgeschichte des Westerwaldes, 1958; Hessische Ortsbe­schreibungen, hg. v. Eckhardt, W. u. a., Heft 1ff. 1958ff.; Demandt, K., Geschichte des Landes Hessen, 1959, 2. A. 1980; Schunder, F., Der Kreis Fritzlar-Homberg, 1960; Uhlhorn, F., Geschichtlicher Atlas von Hessen, 1960ff.; Kleeberger, E., Territorialgeschichte des hinteren Odenwaldes, 1958; Geschichtlicher Atlas von Hessen, begründet v. Stengel, E., bearb. v. Uhlhorn, F., 1960ff.; Schrifttum zur Geschichte und geschichtlichen Landeskunde von Hessen, bearb. v. Demandt, K., Bd. 1ff. 1965ff; Lachmann, H., Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte des Burgwaldes im Mittelalter, 1967; Heß, W., Hessische Städtegründungen der Landgrafen von Thüringen, 1966; Niemeyer, W., Der pagus des frühen Mittelalters in Hessen, 1968; Schubert, W., Der Code civil und die Personenrechtsentwürfe des Großherzogtums Hessen-Darmstadt von 1842 bis 1847, ZRG GA 88 (1971), 110; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. 3,2,1518, 3,3,3698; Althessen im Frankenreich, hg. v. Schlesinger, W., 1975; Weiss, U., Die Gerichtsverfassung in Oberhessen, 1978; Battenberg, J., Ein hessischer Appellationsprozess des späten 15. Jahrhunderts, ZRG GA 98 (1981), 56; Demandt, K., Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im Mittelalter, 1981; Krüger, K., Finanzstaat Hessen 1500-1567, 1981; Acker, K., Verwaltungskontrolle in Hessen-Darmstadt, 1983; Akten und Dokumente zur kurhessischen Parlaments- und Verfassungsgeschichte 1848-1866, hg. v. Seier, H., 1987; Hessische Landtagsabschiede, Bd. 1ff. 1989ff.; Rudersdorf, M., Ludwig IV. Landgraf von Hessen-Marburg 1537-1604, 1991; Akten und Briefe aus den Anfängen der kurhessischen Verfassungszeit 1830-1837, hg. v. Seier, H., 1992; Grothe, E., Verfassungsgebung und Verfassungs­konflikt, 1996; Die Entstehung der hessischen Verfassung von 1946, 1996; Hessen, hg. v. Heidenreich, B. u. a., 1997; Regierungsakten des Großherzogtums Hessen-Darmstadt 1802-1820, bearb. v. Ziegler, U., 2002; Franz, E., Von Hessengau und terra Hassia zum heutigen Land Hessen, 2003; Landgraf Philipp der Großmütige von Hessen, hg. v. Wunder, H., 2004; Wicke, C., Kodifikationsbestrebun­gen und Wissen­schaft in Hessen-Darmstadt im vorkonstitutionellen Zeitalter, 2005; Franz, E., Das Haus Hessen, 2006; Dippel, H., Die kurhessische Verfassung von 1831 im internationalen Vergleich, HZ 282 (2006), 619; Kroll, F., Geschichte Hessens, 2006; Philippi, H., Die Landgrafschaft Hessen-Kassel 1648-1806, 2007; Ham, R., Ludwig Hassenpflug, 2007; Dieses Haus ist gebaute Demokratie, hg. v. Flemming, J. u. a., 2007; Frotscher, W., Die kurhessische Verfassung von 1831, ZNR 30 (2008), 65; Hessische Abgeordnete 1820-1933, hg. v. Rack, K. u. a., 2008; Die nachrevolutionären Landtage des Großherzogtums Hessen 1849-1856, hg. v. Fleck, P. u. a., 2008; Einheit vor Freiheit?, hg. v. Köhler, M. u. a. 2010; Will, M., Die Entstehung der Verfassung des Landes Hessen von 1946, 2009; Adel in Hessen, hg. v. Conze, E. u. a., 2010; Handbuch der hessischen Geschichte, Bd. 1 hg. v. Speitkamp, W., 2010; Brochhagen, N., Die landesherrliche Visitation in Grebenstein 1668, 2012; Dilich, W., Synopsis descriptionis totius Hassiae, hg. v. Rener, M. u. a., 2012; Das Land Hessen, hg. v. Röming, A. u. a., 2014

Hethiter ist der Angehörige des während der Bronzezeit das Gebiet zwischen Schwarzem Meer, Mittelmeer und persischem Golf be­herrschenden indogermanischen, um 700 v. Chr. untergegangenen Volkes mit dem Hauptort Hattuscha in Anatolien (2. Jt. v. Chr., bis etwa 1200 v. Chr.).

Lit.: Brandau, B./Schickert, H., Hethiter, 2001; Die Hethiter und ihr Reich, 2002; Sperlich, W., Die Hethiter, 2003; Friedrich, J. u. a., Hethitisches Wörterbuch, 2. A. 2000ff.; Taggar-Cohen, A., Hittite Priesthood, 2007; Schachner, A., Hattuscha, 2011; Bryce, T., The World of Neo-Hittite Kingdoms, 2012

Heuer ist der Lohn eines Besatzungsmit­gliedes eines Schiffes. Die H. erscheint seit dem Spätmittelalter, in dem der Dienst auf einem Schiff durch Dienstvertrag vereinbart wird. Sie ist lange nur ein Teil des Entgelts und in ihrer Höhe vom Ertrag der Fahrt abhängig.

Lit.: Geschichte der deutschen Seeschiffahrt, Bd. 1 1915; Abel, W., Die Grundzüge des deutschen Seearbeiter­rechts, Diss. jur. Greifswald 1938

Heusler, Andreas (Basel 30. 9. 1834-2. 11. 1921), Sohn des Rechtsprofessors Andreas Heusler (1802-1868), wird nach dem Rechtsstudium in Basel, Göttingen und Berlin (1856) 1863 Professor, Richter und Politiker in Basel. Sein bedeutendstes Werk sind die Institutionen des Deutschen Privatrechts (Bd. 1f. 1885f.), in denen er auf den Grundbegriff der Gewalt über Menschen (→Munt) und über Sachen (→Gewere) ein umfassendes Rechtssystem des mittelalterlichen deutschen Privatrechts aufzubauen versucht. Auf H. geht auch die Sammlung schweizerischer Rechtsquellen (1894ff.) zurück.

Lit.: Heusler, A., Verfassungsgeschichte der Stadt Basel, 1860; Festgabe der juristischen Fakultät der Universität Basel zum siebzigsten Geburtstag, 1904; Heusler, A., Deutsche Verfassungs­geschichte, 1905; Stutz, U., Andreas Heusler, ZRG GA 43 (1921), LXIV; Heusler, A., Schweizerische Verfassungsgeschichte, 1920, Neudruck 1968; Heusler, A., Der Zivilprozess in der Schweiz, 1923; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler Stadtgerichtsordnung, 1963; Sonderegger, S., Andreas Heusler (1865-1940) und die Sprache, 1967; Landau, P., Die Vormundschaft als Prinzip, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Germanentum im fin de siècle, hg. v. Glauser, J. u. a., 2005

Hexabiblos ist die in Thessaloniki um 1345 durch Konstantin Harmenopoulos erfolgte verkürzende Neubearbeitung der →Basiliken in sechs Büchern. →Griechenland

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 44 I 7; Harmeno­poulos, K., Manuale legum sive Hexabiblos, hg. v. Heimbach, 1851, Neudruck 1969

Hexe (Zaungeist?) ist die zauberkundige Frau mit magisch-schädigenden Kräften, die angeblich durch die Luft fliegen, sich in Tiere verwandeln und giftige Zaubertränke herstellen kann. Sie ist bereits dem Altertum bekannt (lat. [F.] striga). Vielleicht im frühen 15. Jh. in Savoyen beginnen bei der Verfolgung der aus Heterodoxien seit dem 12. Jh. entstandenen, von piemontesischen Inquisitionen des 14. Jh.s beeinflussten, Armut und Frieden fordernden, Eid und Amt verweigernden Waldenser (des Lyoner Kaufmanns Pierre Valdes) Hexenverfolgungen (um 1430, 1431/1432 und 1457/1459 38 Hexenprozesse im Tessin [in der Leventina]), aus denen mit päpstlicher Unterstützung durch die →Hexenbulle (1484) nach 1500 rasch um sich greifende Hexenprozesse werden, die sich unter Mitwirkung bekannter Theologen des Konzils von Basel (1431-1439) aus Inquisitionspro­zessen entwickelt haben dürften und die auch der Herrschaftsausübung dienen können. Möglicher­weise werden vor allem zwischen 1590 und 1630 bis zu (neun Millionen [Gottfried Christian Voigt] bzw. bis zu) einer Million Hexen (oder in Deutschland insgesamt [nur] 30000?, in ganz Europa [nur] 25000 oder 50000 bis 100000?, darunter auch Kinder) verbrannt, ehe der Aufklärung der Sieg über den Hexenglauben gelingt (Johann Georg von Godelmann, De magis, 1584, Friedrich von Spee, Cautio criminalis contra sagas, 1631, Christian Thomasius, 1712). Noch nach der Constitutio Criminalis Theresiana (1768) ist Hexerei strafbar (Art. 58). Der letzte Hexenprozess auf deutschem Boden findet in Kempten 1775 statt und endete mit dem Tod der Angeklagten in langjähriger Haft (Glarus 1782, Posen 1793). 1986 wird in Deutschland die Frage Glauben Sie, dass es Menschen gibt, die ihren Mitmenschen etwas anhexen können, von einem Drittel der Befragten bejaht.

Lit.: Köbler, DRG 157; Köbler, WAS; Rapp, L., Die Hexenprozesse und ihre Gegner in Tirol, 2. A. 1891; Riezler, S., Geschichte der Hexenprozesse in Bayern, 1896, Neudruck 1968; Hansen, J., Zauberwahn, Inquisition und Hexenprozess im Mittelalter, 1900, Neudruck 1964, 1983; Hansen, J., Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung im Mittelalter, 1901; Soldan, G./Heppe, H./Bauer, M., Geschichte der Hexen­prozesse, Bd. 1f. 1912; Eschenröder, Hexenwahn und Hexenprozesse in Frankfurt am Main, Diss. jur. Frankfurt am Main 1932; Bader, G., Die Hexenprozesse in der Schweiz, Diss. jur. Zürich 1935; Croissant, W., Die Berücksichtigung geburts- und berufsständischer und soziologischer Unterschiede im deutschen Hexenprozess, 1953; Zwetsloot, H., Friedrich von Spee und die Hexenprozesse, 1954; Bavoux, F., Hantises et diableries dans la terre abbatiale de Luxeuil, 1956; Krämer, W., Kurtrierische Hexenprozesse, 1959; Merzbacher, F., Die Hexenprozesse in Franken, 1957, 2. A. 1970; Thomasius, C., Über die Hexenprozesse, hg. v. Lieberwirth, R., 1960; Baroja, J., Las brujas y su mundo, 1961; Baroja, J., Die Hexen und ihre Welt, 1967; Stebel, H., Die Osnabrücker Hexenprozesse, 1969; Kunstmann, H., Zauberwahn und Hexenprozesse in der Reichsstadt Nürnberg, 1970; Kunze, M., Zum Kompetenzkonflikt zwischen städtischer und herzoglicher Strafgerichtsbarkeit in Münchner Hexenprozessen, ZRG GA 87 (1970), 305; Leutenbauer, S., Hexerei und Zauberdelikt in der Literatur von 1350 bis 1550, 1972; Kneubühler, Die Überwindung von Hexenwahn und Hexenprozess, Diss. jur. Zürich 1977 (1977); Schormann, G., Hexenprozesse in Nordwestdeutschland, 1977; Schormann, G., Hexenprozesse in Deutschland, 1981; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; Hexenprozesse, hg. v. Degn, C., 1983; Wichert, G., Die Hexenprozesse in den österreichischen Alpenländern, der Schweiz und Bayern, 1984; Baumhauer, J., Johann Kruse und der neuzeitliche Hexenwahn, 1984; Häxornas Europa 1400-1700, hg. v. Ankarloo, B. u. a., 1987; Hexen und Hexenprozesse in Deutschland, hg. v. Behringer, W., 1988, 4. A. 2000, 7. A. 2010; Ginzburg, C., Hexensabbat, 1989; Blauert, A., Frühe Hexenverfolgungen, 1989; Heinemann, E., Hexen und Hexenangst, 1989; Schormann, G., Der Krieg gegen die Hexen, 1991; Hexe oder Hausfrau, hg. v. Niederstätter, A. u. a., 1991; Siefener, M., Hexerei im Spiegel der Rechtstheorie, 1992; Jerouschek, G., Die Hexen und ihr Prozess, 1992; Walz, R., Hexenglaube und magische Kommunikation im Dorf der frühen Neuzeit, 1993; Hexenverfolgung und Regionalge­schichte, hg. v. Wilbertz, G. u. a., 1994; Lam­brecht, K., Hexenverfolgung und Zaubereiprozesse, 1995; Hexenglaube und Hexen­prozesse, hg. v. Franz, G. u. a, 1995; Das Ende der Hexenverfolgung, hg. v. Sönke, L. u. a., 1995; Das Hexenregister des Claudius Musiel, bearb. v. Voltmer, R. u. a., 1996; Oestmann, P., Hexen­prozesse am Reichs­kammergericht, 1997; Schild, W., Die Maleficia der Hexenleut‚, 1997; Behringer, W., Hexenverfolgung in Bayern, 3. A. 1997; Biesel, E., Hexenjustiz, 1997; Tschaikner, M., Magie und Hexerei im südlichen Vorarlberg, 1997; Behringer, W., Hexen, 1998; Briggs, R., Die Hexenmacher, 1998; Gehm, B., Das Ende der Hexenverfolgung, ZRG GA 115 (1998), 566; Dillinger, J. u. a., Zum Feuer verdammt, 1998; Levack, P., Hexenjagd, 1999; Methoden und Konzepte der historischen Hexenforschung, hg. v. Franz, G u. a., 1998; Gehm, B., Die Hexenverfolgung im Hochstift Bamberg und das Eingreifen des Reichshofrates zu ihrer Beendigung, 1999 (2000), 2. A. 2012, Neudruck 2013; Schmidt, J., Glaube und Skepsis, 2000; Schulte, R., Hexenmeister, 2000, 2. A. 2001; Himmlers Hexen­kartothek, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2000; Oestmann, P., Böse Nachbarn – gute Juristen?, ZNR 2001, 254; Kauertz, C., Wissenschaft und Hexenglaube, 2001; Schulte, R., Hexenverfolgung in Schleswig-Holstein, 2001; Hexenprozesse und Gerichtspraxis, hg. v. Eiden, H./Voltmer, R., 2002; Kleinöder-Strobel, S., Die Verfol­gung von Zauberei und Hexerei in den fränkischen Markgraftümern, 2002; Guggenbühl, D., Mit Tieren und Teufeln, 2002; Wilde, M., Die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen, 2003; Levack, B., Hexenjagd, 2003; Decker, R., Die Päpste und die Hexen, 2003; Tschaikner, M., Die Zauberer- und Hexenprozesse in der Stadt S(ank)t Gallen, 2003; Koppenburg, I., Hexen in Detmold, 2003; Zika, C., Exorcising our demons, 2003; Perlhefter, V., Die Gestalt des Hexenjägers, 2003; Schatzmann, N., Verdorrende Bäume und Brote wie Kuhfladen, 2003; Decker, R., Die Päpste und die Hexen – Aus den geheimen Akten der Inquisition, 2003; Decker, R., Hexen. Magie, Mythen und die Wahrheit, 2004; Wider alle Hexerei und Teufelswerk, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2004; Tschaikner, M., Hexenverfolgungen in Hohenems, 2004; Koppenborg, I., Hexen in Detmold, 2004; Behringer, W., Witches and Witch-Hunts, 2004; Hexenverfolgung und Herrschaftspraxis, hg. v. Voltmer, R., 2005; Rau, K., Augsburger Kinderhexenprozesse 1618-1730, 2006; Roper, L., Hexenwahn, 2007; Rummel, W./Voltmer, R., Hexen und Hexenverfolgung in der frühen Neuzeit, 2007; Moeller, K., Das Willkür über Recht ginge, 2007; Zagolla, R., Folter und Hexenprozess, 2007; Hexenprozess und Staatsbildung, hg. v. Dillinger, J. u. a., 2008; Rummel, W. u. a., Hexen und Hexenverfolgung, 2008; Utz Tremp, K., Von der Häresie zur Hexerei, 2008; Pilaszek, M., Procesy o czary w Polsce w wiekach 15-18, 2008 (687 Hexenprozesse zwischen 1501 und 1794); Burkart, M., Hexen und Hexenprozesse in Baden, 2009; Groß, B., Hexerei in Minden, 2009; Sauter, M., Hexenprozess und Folter, 2010; Stokes, L., Demons of Urban Reform, 2011Gerst, C., Hexenverfolgung als juristischer Prozess, 2012; Koch, A., Wider ein Feindsrafrecht, 2012; Dillinger, J., Kinder im Hexenprozess, 2013

Hexenbulle ist die Bulle Papst Innozenz’ VIII. (1484-1492), mit der er die Verfolgung der →Hexen (durch Inquisition) fördert (Sum­­mis desiderantes affectibus vom 5. 12. 1484).

Hexenhammer (lat. malleus [M.] maleficarum) ist die erstmals 1486 bei Peter Drach in Speyer gedruckte, die →Hexenbulle kommentierende Anleitung zum Vorgehen gegen →Hexen von Heinrich Institoris (Kra­mer) (und Jakob Sprenger) (handschriftliche deutsche Fassung 1491 an Nürnberg über­sandt).

Lit.: Schmidt, J., Der Hexenhammer, Bd. 1ff. 1930; Malleus maleficarum 1487 (Hexenhammer), hg. v. Jerouschek, G., 1990; Malleus maleficarum, hg. v. Schnyder, A., 1991; Malleus maleficarum 1487 von Heinrich Kramer (Institoris), Neudruck hg. v. Jerouschek, G., 1992; Nürnberger Hexenhammer 1491, hg. v. Jerouschek, G., 1992; Schnyder, A., Malleus maleficarum von Heinrich Institoris, Kommentar, 1993; Kramer (Institoris), H., Der Hexenhammer - Malleus Maleficarum, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 2000; Henricus Institoris/Jacob Sprenger, Malleus maleficarum, hg. v. Mackay, C., 2006; Mackay, C., The Hammer of Witches, 2009; Decker, R., Hexen, 2010; Beck, R., Mäuselmacher, 2011, 2.( unv.) A. 2012; Koch, A., Wider ein Feindstrafrecht, 2012

Hexenprozess →Hexe

Heymael (N.) (Hegemal) landesherrliches Gericht für Strafsachen

Lit.: Hermesdorf, B., Het Heymael, aantekeningen bij een oude dingrtaal uit het Amorland, 1950

Heymann, Ernst (Berlin 6. 4. 1870-Tübingen 2. 5. 1946) wird nach dem Rechtsstudium in Breslau (Dahn) außerordentlicher Professor in Berlin und ordentlicher Professor in Königs­berg, Marburg und Berlin (1914). Kennzeich­nend für ihn sind die Annäherung der Rechts­geschichte an das geltende Recht und der viel­seitige Weitblick (Die Grundzüge des gesetz­lichen Verwandten­erbrechts, 1896, Überblick über das englische Recht, 1914, Die Rechts­formen der militärischen Kriegswirtschaft als Grundlage des neuen deutschen Industrie­rechts, 1921).

Lit.: Festschrift Ernst Heymann, 1940 (mit Schriftenver­zeichnis); Mitteis, H., Nachruf auf Ernst Heymann, ZRG GA 65 (1947), IX

Hierarchie ist die stufenmäßig aufgebaute, auf Überordnung und Unterordnung beruhende Ordnung. Die H. wird schon im Altertum in der Kirche und im römischen Dominat entwickelt. Ihrer bedient sich der seit dem Spätmittelalter erwachsende Staat zur Gestaltung seiner Verwaltung.

Lit.: Köbler, DRG 55; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 103; Hiérarchie et stratification sociale dans l’Occident médiéval (400-1100), hg. v. Bougard, F. u. a., 2008

Hildebrandslied ist das in einer lateinischen, aus Fulda stammenden Handschrift von zwei Händen des mittleren 9. Jh.s in 68 stab­reimenden Langzeilen aufgezeichnete einzige althochdeutsche Heldenlied.

Lit.: Köbler, G., Sammlung kleinerer althochdeutscher Denkmäler, 1986

Hildesheim

Lit.: Gebauer, J., Geschichte der Stadt Hildesheim, Bd. 1f. 1922ff.; Klewitz, H., Studien zur territorialen Entwicklung des Bistums Hildesheim, 1932; Gebauer, J., Worthzins und Fronzins in der Stadt Hildesheim, ZRG GA 61 (1941), 151; Adamski, H., Der welfische Schutz über die Stadt Hildesheim, 1939; Quellen zur Hildesheimer Landesgeschichte des 14. und 15. Jahrhunderts, 1964; Lücke, J., Die landständische Verfassung im Hochstift Hildesheim, 1968; Illemann, H., Bäuerliche Besitzrechte im Bistum Hildesheim, 1969; Schwarz, B., Der Pfennigstreit in Hildesheim 1343, 1978; Die Hildesheimer Bischöfe von 815-1221, bearb. v. Goetting, H., 1984; Höhl, M., Die Pest in Hildesheim, 2002; Plath, C., Konfessionskampf und fremde Besatzung, 2005; Giese, M., Die Textfassungen der Lebens­beschreibung Bischof Bernwards von Hildesheim, 2006; Die Hildesheimer Bischöfe von 1221 bis 1398, bearb. v. Kruppa, N. u. a., 2006; Giese, M., Hildesheimer Bischofskataloge des 11. bis 16. Jahrhunderts, DA 62 (2007), 569; Schneider, W., Bernward von Hildesheim, 2010

Hilfe s. unterlassene Hilfeleistung

Lit.: Koch, S., Unaufgeforderte Hilfeleistung in Notsituationen, 2012

hinkend (Adj.) unvollkommen wirksam (lat. claudicans) z. B. Rechtsgeschäft eines Minderjährigen

Hinkmar von Reims (um 806-Epernay 21.? 12. 882), aus vornehmem fränkischem Geschlecht, wird nach der Schulung in Saint Denis 854 Erzbischof von →Reims. Neben umfangreichen nichtrechtlichen Schriften und Stellungnahmen in einzelnen Rechtsfragen gibt er eine auf Adalhard von Corbie aufbauende Darstellung des Hofes des fränkischen Königs (lat. De ordine palatii, Von der Ordnung des Palastes).

Lit.: Schrörs, H., Hinkmar, 1884, Neudruck 1967; Hincmarus de ordine palatii, hg. v. Krause, V., 1894; Devisse, J., Hincmar, 1975f.; Hinkmar von Reims, De ordine palatii, hg. v. Gross, T. u. a., 1980; Stratmann, M., Hinkmar von Reims, 1991; Die Streitschriften Hinkmars von Reims und Hinkmars von Laon 869-871, hg. v. Schieffer, R. 2003; Schmitz, G., De presbiteris criminosis, 2004

Hinrichtung ist die Vollstreckung eines Todesurteils. Sie erfolgt im altrömischen Recht durch Enthauptung mit dem Beil, im klassi­schen römischen Recht durch Enthauptung mit dem Schwert. Nach Tacitus hängen die Germanen Volks­verräter auf und versenken Unzüchtige im Moor. Seit dem Hochmittelalter finden sich zahlreiche verschiedene →Todesstrafen (Enthaupten, Hängen, Rädern, Verbrennen, Pfählen, Vierteilen, Lebendig­begraben, Ertränken).

Lit.: Feucht, D., Grube und Pfahl, 1967; Ruoff, W., Die Hauptgrube, ZRG GA 86 (1969), 198; Marschall, D., De laqueo rupto, 1968; Richtstätte und Wasenplatz in Emmenbrücke (16.-19. Jahrhundert), 1992; Martschukat, J., Die öffentliche Hinrichtung, Kriminolog. Journal 1995, 186; Seeger, A., Hinrichtungen, 1998

Hinschius, Paul (Berlin 25. 12. 1835-13. 12. 1898), protestantischer Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (Keller) und Berlin (Richter) Professor in Halle (1863), Berlin (1865), Kiel (1868) und Berlin (1872) und Kirchenpolitiker. Unvollendet ist sein sechsbändiges Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland (1869ff.). Poli­tische Bedeutung hat seine Mitwirkung am →Kulturkampf (Personenstands­gesetz).

Lit.: Stutz, U., Die kirchliche Rechtsgeschichte, 1905

Hinterlegung (Wort 1542, lat. [F.] →depositio) ist die im Rahmen eines Schuldverhältnisses er­folgende Übergabe einer hinterle­gungsfähigen Sache durch den Schuldner an die öffentliche Hinterlegungsstelle. Sie ist dem klassischen römischen Recht bekannt und wird seit dem Spätmittelalter (Köln 1288) mit dem römischen Recht zu Lasten der bloßen Preisgabe aufgenommen, erfolgt allerdings meist bei Ge­richt.

Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 215; Müller, P., Die Hinterlegung, Jh. Jb. 41 (1899), 411; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Hintersasse ist der vom Grundherrn abhängige Mensch in der →Grundherrschaft.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit über Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881), 83, 3 (1882), 102

Hippolithus a Lapide (Bogislaw Philipp [von] Chemnitz) (Stettin 9. 5. 1605-Hallstaad [Gut]/Vestmanland/Schweden 17. 5. 1678), lutherisch, wird nach dem Studium von Recht und Geschichte in Rostock und Jena (Dominicus Arumaeus) Soldat in den Niederlanden und in Schweden (1630-1637), 1644 Hofhistorio­graph Schwedens und veröffentlicht (zwi­schen 1640 und 1647 [um 1640?, um 1643?]) unter diesem Namen die (lat.) Dissertatio (F.) de ratione status in imperio nostro Romano-Germanico (Erörterung über das Wesen des Staates in unserem römisch-deutschen Reich), in der er das Reich als Aristokratie der (souveränen) Stände erklärt und sich für die Stärkung des Reichstags unter Schwächung der Kurfürsten sowie die Ausgliederung Habsburgs aus dem Reich ausspricht.

Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 203

Hirdskra ist die zwischen 1274 und 1277 entstandene, unter König →Magnus Hakonar­son (1263-1281) aufgezeichnete norwegische Gefolgschaftsordnung, der eine vor 1200 entstandene, verlorene Vorgängerin vorausgeht. In 54 Kapiteln behandelt das vielleicht von einem Geistlichen verfasste Werk die Erbfolge und Wahl des Königs, die Eide der Amtsträger, die Hofämter, die Verteidigung, den Frieden  u. s. w.

Lit.: Das norwegische Gefolgschaftsrecht, hg. v. Meißner, R., 1938; Strauch, D., Mittelalterliches nordisches Recht bis 1500, 2011, 148ff.

Hirtenrecht ist das für Hirten in Spät­mittel­alter und Neuzeit geltende besondere Recht.

Lit.: Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Schöller, R., Der gemeine Hirte, 1973

His, Rudolf (Basel 1870-Münster 1938), Medizinprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Genf, Leipzig (Binding, Sohm), Berlin und Basel (Heusler) und der Habilitation in Heidelberg (1896, Schröder) Professor in Münster. Er verfasst in der Nachfolge der Systematik Heinrich Brunners eine grundlegende Strafrechtsgeschichte (Das →Strafrecht des deutschen Mittelalters 1920, 1935, vereinfachend Die Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967).

Lit.: Naendrup, H., Rudolf His, 1941

Historie (F.) Geschichte

Historiker (M.) Geschichtsforscher

Lit.: Historikerlexikon, hg. v. Bruch, R. vom/Müller, R., 2. A. 2002

Historikerstreit ist in Deutschland der von Jürgen Habermas 1985 ausgelöste, 1988 ohne greifbare wissenschaftliche Früchte versiegte Streit deutscher Historiker über die Bedeutung des Nationalsozialismus in Deutsch­land.

Lit.: Kailitz, F., Die politische Deutungskultur im Spiegel des „Historikerstreits“, 2001

Historische Rechtsschule ist die von Friedrich Carl von →Savigny (und Karl Friedrich Eichhorn) begründete Schule der geschichtlichen Rechtswissen­schaft. Für sie greift Savigny in einem objektiven, scheinbar gegen das ungeschicht­liche →Naturrecht (Vernunftrecht) gezielten Idea­lismus rechts­politisch die Freiheitsethik Immanuel →Kants (1724-1804) auf und bezieht Gustav →Hugos (1764-1844) methodische Forderungen nicht nur in seine frühen methodologischen Gedankengänge (1802) ein, sondern verwirklicht sie bereits im „Recht des Besitzes“ (1803) in der Form der philosophischen (begrifflichen, allge­meinen, absoluten, sys­tematisch-theoretischen) Durch­dringung des historischen (tatsächli­chen, positiven, konkre­ten, exegetisch-praktisch behandelten) Stoffes, um in manchmal fast gewaltsamem Umgang mit den Quellen den Besitzwillen als allgemeines, logisches, konstituierendes Ele­ment des Besitzrechts konstruktiv-sys­tematisch zu erarbeiten. In der historischen Rechts­schule sieht er das Recht an seine geschichtlichen Voraussetzungen gebunden und wendet sich gegen die Vorstellung, dass jedes Zeitalter seine Welt willkürlich selbst hervorbringe. Das Recht, das Vernunft und Ordnung in sich selbst birgt und damit auch aus sich selbst heraus ergänzungsfähig ist, ist ihm entsprechend den Vorstellungen →Herders (1744-1803) ein aus dem Innersten der Nation selbst und ihrer Geschichte geborener Teilbereich der Gesamtkultur und muss mit dieser, gespeist von irrationalen Kräften, wachsen. Weil das Historische in der Juris­prudenz nicht mehr als zufällig, sondern als geschichtlich notwendig verstanden wird, hält er eine →Kodifikation wie das →Allgemeine Landrecht (1794), den →Code civil (1804) oder das →Allgemeine Bürgerliche Gesetz­buch 1811/1812 (zumin­dest in ihrem Entstehungszeitpunkt) für entbehrlich, wenn nicht gar schädlich. Allerdings dient die als geschichtlich behauptete Betrachtungsweise Savigny im Ergebnis nur dazu, den insgesamt vor­handenen Rechtsstoff von dem zu reinigen, was nur historische Bedeutung hat und deshalb für die Gegenwart ausgeschieden werden kann. Ziel ist die Erneuerung des geltenden Rechts durch das geschichtliche (römische) Recht mit Hilfe der Rechtswissenschaft. Schon seit seinen Landshuter Vorlesungen der Jahre 1808/1809 vertritt Savigny, ohne dies zu begründen, dabei die Ansicht, dass die Wanderungen und Re­volutionen der germa­nischen Stämme verhindert hätten, dass das ursprüngliche germanische Recht einen festen Bezugspunkt und einzigen Mittelpunkt habe, weshalb die Deutschen gar kein eigenes ursprüngliches Recht besäßen, so dass auch für sie das über­nommene römische Recht das eigentümliche Recht sei (!). Der nach der damit begründeten Zurückweisung des älteren deutschen Rechtes germanischer Herkunft und nach Ausscheiden der mittelalterlichen und neuzeitlichen Ent­stellungen des römischen Rechtes verbleibende Stoff, nämlich das klassisch-römische Recht, ist im eigentlich von einer historischen Rechtsschule nicht zu erwartenden Wieder­aufgreifen natur­recht­li­cher Begriffsbil­dung und naturrechtlicher Sys­tematik für Savigny der Gegenstand konstruktiv-systematischer, die tatsächliche ge­schichtliche Entwicklung bewusst als überflüs­sig abstreifender Durch­dringung (System des heutigen römischen Rechtes, 1840ff.). Die h. R. teilt sich später in Romanisten (→Savigny, →Puchta, →Windscheid) und Germanisten (→Eichhorn, →Grimm, →Gierke). Ihre dogma­tisch-praktische Zielsetzung geht bald in der (unhistorischen) →Begriffs­jurisprudenz auf.

Lit.: Köbler, DRG 187; Gierke, O. v., Die historische Rechtsschule und die Germanisten, 1903; Rexius, G., Studien zur Staatslehre der historischen Schule, HZ 107 (1911), 496; Kantorowicz, H., Volksgeist und historische Rechtsschule, HZ 108 (1912), 295; Conrad, H., Aus der Entstehungszeit der historischen Rechtsschule – Friedrich Carl von Savigny und Jacob Grimm, ZRG GA 65 (1947), 261; Vischer, E., Barthold Georg Niebuhr und die Schweiz, Die Welt als Geschichte 16 (1956), 1; Wieacker, F., Privatrechts­geschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wieacker, F., Wandlungen im Bilde der historischen Rechtsschule, 1967; Böckenförde, E., Die historische Rechtsschule und das Problem der Geschichtlichkeit des Rechtes, FS J. Ritter, 1965, 9; Wieacker, F., Wandlungen im Bilde der historischen Rechtsschule, 1967; Scheuermann, R., Die Einflüsse der historischen Rechtsschule, 1972; Conradi, R., Karl Friedrich Eichhorn als Staatsrechtslehrer, 1987; Klemann, B., Rudolf von Ihering und die historische Rechtsschule, 1989; Reimann, M., Historische Schule und Common Law, 1993; Bürge, A., Ausstrahlungen der historischen Rechtsschule in Frankreich, ZEuP 1997, 643; Gadomski, C., Die Rezeption der historischen Rechtsschule und der Pandektenwissenschaft in der italienischen Wissenschaft, Diss. jur. Frankfurt 2006; Lüderssen, K., Eichendorff und das Recht, 2007; Jouanjan, O., Philosophische Verwicklungen in der Rechtswissenschaft, ZRG GA 125 (2008), 367; Kirschbaum, J., Die Etablierung der historischen Rechtsschule an der Ludoviciana (1814-1824), 2011

Historischer Materialismus ist die von Karl →Marx als geschichtlicher Gesetzmäßigkeit unterliegend erklärte materialistische Ge­schichtsphilosophie.

historische Schule →historische Rechtsschule

Historismus ist (seit etwa 1850, verstärkt seit 1874 [Nietzsche]) die Betrachtung eines Geschehens unter dem Blickpunkt des Einmaligen und Besonderen, womit historische Vorgänge und Strukturen ihre Ver­gleichbarkeit und Wiederholbarkeit einbüßen.

Lit.: Wittkau, A., Historismus, 1992; Jaeger, F./Rüsen, J., Geschichte des Historismus, 1992; Geschichts­diskurs Bd. 3, hg. v. Küttler, W. u. a., 1996, Historismus, hg. v. Oexle, O. u. a., 1996; Historismus am Ende des 20. Jahrhunderts, hg. v. Scholtz, G., 1997; Conte, D., Storicismo e storia universale, 2000; Historismus im 19. Jahrhundert, hg. v. Nordalm, J., 2006

Hitler, Adolf (Braunau 20. 4. 1889-Berlin 30. 4. 1945), Sohn eines unehelich geborenen Zollamtsoberoffizials (Alois Schicklgruber, [1876 wegen einer erwarteten Erbschaft Namensänderung in Hitler, † 1903, Halbwaisenrente für H.] und seiner Cousine zweiten Grades Klara Pölzl † 21. 12. 1907), wird (ohne Schulab­schluss [1905]) nach Aufenthalten in Wien (1907 gescheiterte Aufnahmeprüfung in Kunstakademie, 1908, 1909 zweiter gescheiterter Versuch der Aufnahme in die Kunstakademie, Wohnung in Obdach­losenasyl, 1910 in Männerwohn­heim (Begegnung mit der Lage der unteren Schichten), Maler von Sehenswürdigkeiten Wiens, Verkauf der Bilder durch jüdische Händler) und München (1913, auch zwecks Vermei­dung des Militärdiensts in Österreich, 5. 2. 1914 in Salzburg als waffenunfähig beurteilt) sowie freiwilliger Kriegsteilnahme (16. 8. 1914 16. Reserveinfanterieregiment Bayerns, einge­setzt als Meldegänger an der Westfront, eisernes Kreuz 2. Klasse, Militärverdienst­kreuz 3. Klasse, Regimentsdiplom für hervorragende Tapferkeit, Verwundetenab­zeichen, eisernes Kreuz erster Klasse, Dienstauszeichnung 3. Klasse) mit trotz psy­chiatrischer Heilung von Er­blindung durch Senfgaseinwirkung [13./14. 10. 1918] weiter­wirkender posttrauma­tischer Belas­tungs­stö­rung (1919) (möglicherweise zunächst aus Orien­tie­rungslosigkeit Zu­wen­dung zur Räte­republik Kurt Eisners?, bisher nicht klar gedeutete Erfahrungen in der Räterepublik, Soldatenrat?, von Sommer 1919 [im Herbst 1919 kurzfristig zum Schützenregiment 41 kommandiert] bis zur Entlassung am 31. März 1920) Ver­trauens­mann (aber als Österreicher nie Angehöriger) der Reichswehr (ab Sommer 1919 Propagan­dist zur politischen Aufklärung der zu entlas­senden Soldaten im Sinne der neuen Republik, u. a. beauftragt mit Beobachtung der Deutschen Arbeiterpartei? am 12. 9. 1919, vielleicht „ein in oder von militärischen Stellen gut versorgter Aktivist, welcher der aufstrebenden Deutschen Arbeiterpartei als Leihgabe zur Verfügung gestellt wurde“) und (19. 10. 1919) Mitglied (Nr. 55) der Deutschen Arbeiterpartei (Februar 1920 →Nationalso­zialistische Deutsche Arbeiterpar­tei, Juli 1921 Vorsit­zender). Nach der Niederlage der Münchener Räte­republik (2. Mai 1919) und unter dem Eindruck der gleich­zeitig bekannt ge­wordenen Bedingungen des Friedens­vertrags von Versailles nähert sich H. völkisch-antisemitischen Zieletzungen. Nach einem gescheiterten Putsch (mit Erich Ludendorf 8. 11. 1923/9. 11. 1923) inhaftiert und wegen Hochverrats zu 5 Jahren Festungshaft verurteilt, verfasst er in der Festung Landsberg die (Rudolf Heß diktierte) Programmschrift „Mein Kampf“ (20. 12. 1924 Entlassung). 1925 gibt er die Staats­bürgerschaft Österreichs auf. Seit 1928/1929 gelingen ihm wachsende Wahlerfolge (14. 9. 1930 Steiegerung des Stimmanteils von 2,6 auf 18,3 Prozent). Im Februar 1932 erwirbt er die Staatsbürgerschaft des deutschen Reiches. Am 30. 1. 1933 ernennt ihn der Reichs­präsident als Führer der stärksten Reichstagsfraktion zum Reichskanzler des →Deutschen Reiches. Durch Überredung, Drohung und Gewalt wandelt H. die Republik in den totalitären Einparteienstaat eines diktatorischen Führers (→Drittes Reich). Nach dem 2. 8. 1934 übernimmt er auch das Amt des verstorbenen Reichspräsidenten. Gestützt auf ein Bündnis mit Italien und Japan und einen taktisch motivierten Nicht­angriffspakt mit der Sowjetunion greift er am 1. 9. 1939 Polen an („wird zurückgeschos­sen“) und löst damit den zweiten Weltkrieg (zunächst gegen Polen, Großbritannien und Frankreich) aus, in dessen Verlauf Hitlers Imperium am Jahresende 1941 größer ist als die am Ende des Jahres 1941 in den Krieg eintretenden Vereinigten Staaten von Amerika, an dessen Ende aber nach seiner Selbsttötung (in Berlin am 30. 4. 1945) am 8. 5. 1945 die völlige Kapitulation des Deutschen Reiches steht. Das Recht gebraucht und missbraucht H. in viel­fältiger Weise als Kampfinstrument zur Durchsetzung der Ideologie des →Nationalsozialismus.

Lit.: Köbler, DRG 222; Heuß, T., Hitlers Weg, 8. A. 1932, Neudruck 2008; Hitler, A., Mein Kampf, 17. A. 1933; Braun, O., Von Weimar zu Hitler, 3. A. 1949; Hofmann, H., Der Hitlerputsch, 1961; Domarus, M., Hitlers Reden und Proklamationen, 2. A. 1965; Hoff­mann, P., Widerstand - Staatsstreich - Attentat, 1969; Broszat, M., Der Staat Hitlers, 1969, 15. A. 2000; Franz-Willing, G., Ursprung der Hitlerbewegung 1919-1922, 2. A. 1974; Fest, J., Hitler, 1973; Phillips, L., Adolf Hitler and the Third Reich, 1977; Toland, J., Adolf Hitler, 1976 (deutsch 1977); Hitler, Adolf, Sämtliche Aufzeichnungen (1095-1924), hg. v. Jäckel, E. u. a., 1980; Jäckel, E., Hitlers Herrschaft, 1986; Zitelmann, R., Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs, 2. A. 1998; Lang, J., Die Partei, 1989; Hitler, A., Reden, Schriften, Anordnungen, hg. v. Institut für Zeitgeschichte, Bd. 1ff. 1992ff. (1925-1933);Steinert, M., Hitler, 1994; Goldhagen, D., Hitlers willige Vollstrecker, 1996; Hamann, B., Hitlers Wien, 1996; Turner, H., Hitlers Weg zur Macht, 1996; Lukacs, J., Hitler, 1997; Pätzold, K./Weissbecker, M., Adolf Hitler, 1997; Der Hitler-Prozess, hg. v. Gruchmann, L., Bd. 1ff. 1997ff.; Large, D., Hitlers München, 1998; Kershaw, I., Hitler, Bd. 1ff. 1998ff.; Schmitz, H., Adolf Hitler, 1998; Mommsen, H., Alternative zu Hitler, 2000; NS-Verbrechen und der militärische Widerstand gegen Hitler, hg. v. Ueberschär, G., 2000; Kershaw, I., Hitler 1936-1945, 2000; Zehnpfennig, B., Hitlers „Mein Kampf“, 2000, 3. A. 2006; Krockow, C. Graf v., Hitler und seine Deutschen, 2001; Gellately, R., Backing Hitler, 2001; Gritschneder, O., Der Hitler-Prozess und sein Richter Georg Neithardt, 2001; Rauscher, W., Hitler und Mussolini, 2001; Zürner, B., Adolf Hitler – Feldherr wider Willen?, 2001; Machtan, L., Hitlers Geheimnis, 2001; Fest, J., Der Untergang – Hitler und das Ende des Dritten Reiches, 2002; Der deutsche Widerstand gegen Hitler, hg. v. Überschär, G., 2002; Reuth, R., Hitler, 2003; Koch-Hillebrecht, M., Hitler, 2003; Horstmann, B., Hitler in Pasewalk, 2004; Schwarz, B., Hitlers Museum, 2004; Thonke, C., Hitlers langer Schatten, 2004; Rietzler, R., Mensch Adolf, 2004; Seligmann, R., Die Deutschen und ihr Führer, 2004; Aly, G., Hitlers Volksstaat, 2005; Frank, M., Der Tod im Führerbunker, 2005; Schreckenberg, H., Hitler, 2006; Plöckinger, O., Geschichte eines Buches. Adolf Hitlers Mein Kampf, 2006, 2. A. 2011; Grabner-Haider, A., Hitlers mythische Religion, 2008; Ryback, T., Hitler’s Private Library, 2008; Fritze, L., Legitimer Widerstand?, 2009; Mazower, M., Hitlers Imperium, 2009; Haasis, H., Den Hitler jag ich in die Luft, 2009; Renz, U., Georg Elser, 2009; Schmidt, U., Hitlers Arzt Karl Brandt, 2009; Reuth, R., Hitlers Judenhass, 2009; Bavendamm, D., Der junge Hitler, 2010; Fritz Gerlich, bearb. v. Morsey, R., 2010; Krings, S., Hitlers Pressechef - Otto Dietrich (1897-1952), 2010; Zehnpfennig, B., Adolf Hitler - Mein Kampf, 2011; Weber, T, Hitlers erster Krieg, 2011; Herbst, L., Hitlers Charisma, 2011; Tomberg, F., Das Christentum in Hitlers Weltanschauung, 2012; Plöckinger, O., Unter Soldaten und Agitatoren, 2013; Ullrich, V., Adolf Hitler - Biographie - Die Jahre des Aufstiegs 1889-1939, 2013

Hobbes, Thomas (Westpool 5. 4. 1588-Hardwick Hall 4. 12. 1679) wird nach dem Philosophiestudium in Oxford Hauslehrer bei Baron Cavendish. In seinem Hauptwerk (lat.) Elementa (N.Pl.) philosophiae (Grundlagen der Philosophie) (Teil 3 [lat.] De cive [Vom Bürger], 1649, ähnlich Leviathan, 1651) erklärt er den Ursprung des Staates mit dem vom (bösen) Menschen zur Vermeidung des Kampfes aller gegen alle zugunsten des souveränen Herrschers geschlossenen →Gesellschafts­vertrag, als dessen Folge auf Grund der Autorität des Herrschers die menschlichen Gesetze die Naturgesetze ab­lösen.

Lit.: Tönnies, F., Thomas Hobbes, 3. A. 1925; Schnur, R., Individualismus und Absolutismus, 1962; Mayer-Tasch, P., Thomas Hobbes und das Widerstandsrecht, 1965; Mac­Pherson, C., Die politische Theorie des Besitz­individualismus, 1967; Dießelhorst, M., Ursprünge des modernen Systemdenkens bei Hobbes, 1968; Hobbes-Forschungen, hg. v. Koselleck, R. u. a., 1969; Förster, W., Thomas Hobbes und der Puritanismus, 1969; Schelsky, H., Thomas Hobbes, 1981, Willms, T., Thomas Hobbes, 1987; Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei Hobbes und Kant, 1988; Thomas Hobbes und die englische Revolution, 1991; Ludwig, B., Die Wieder­entdeckung des epikureischen Naturrechts, 1998; Hüning, D., Freiheit und Herrschaft, 1998; Kremkus, A., Die Strafe, 1999; Bredekamp, H., Thomas Hobbes, 2003; Hirsch, A., Recht auf Gewalt?, 2004; Hobbes, T., Leviathan, 2. A. 2008

Hochadel →Adel

Hochgerichtsbarkeit ist seit dem Hochmittelalter die Gerichtsbarkeit über die mit der →Todesstrafe bedrohten Verbrechen (→Totschlag, →Notzucht, →Diebstahl). Sie steht (auf Grund königlicher Verleihung) grundsätzlich dem →Landesherrn zu, der sie seit dem (lat.) →Statutum (N.) in favorem principum (1231/1232, Gesetz zugunsten der Fürsten) als eigenes Recht weiterverleihen kann. Demgegenüber wird die Niedergerichts­barkeit (→Niedergericht) von niederen Gerichten ausgeübt.

Lit.: Fabricius, E., Das Hochgericht Rhaunen, 1901; Rietschel, S., Das Burggrafenamt und die hohe Gerichtsbarkeit, 1905; Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht, 1929; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958; Sagstetter, M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern, 2000

Hochmeister →Deutscher Orden

Lit.: Stengel, E., Hochmeister und Reich, ZRG GA 58 (1938), 178; Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190-1994, hg. v. Arnold, U., 1998

Hochmittelalter ist der mittlere Zeitabschnitt des Mittelalters, der von etwa 911 (bzw. 1000) bzw. 1076 bis (etwa 1250 bzw.) 1254 bzw. 1273 angesetzt werden kann.

Lit.: Köbler, DRG 93; Wegener, W., Böhmen, Mähren und das Reich im Hochmittelalter, 1959; Beiträge zum hochmittelalterlichen Städtewesen, hg. v. Diestelkamp, B., 1982; Goez, W., Gestalten des Hochmittelalters, 1983; Jakobs, H., Kirchenreform und Hochmittel­alter, 1984, 2. A. 1988; Haas, W., Welt im Wandel, 2002; Haverkamp, A., Zwölftes Jahrhundert (1125-1198), 2003

Hochstift ist das weltliche Herrschaftsgebiet eines geistlichen Reichs­fürsten (und bei unscharfem Sprachgebrauch auch das zuge­hörige Bistum) (z. B. Minden, Münster, Osnabrück, Hildesheim, Würzburg, Bamberg, Straßburg, Augsburg, Freising, Passau, Regensburg, Brixen  u. s. w.) vom Hochmit­telalter bis zum Jahre 1803.

Lit.: Werminghoff, A., Verfassungsgeschichte der deutschen Kirche im Mittelalter, 2. A. 1913, 72; Bachmann, S., Die Landstände des Hochstifts Bamberg, 1962; Wolgast, E., Hochstift und Reformation, 1995; Wetter, I., Hochstifte als mittelalterliche Verkehrszen­tren, 2006 (Konstanz, Augsburg)

Hochschule s. Universität

Hochverrat ist seit dem frühen 18. Jh. (1703, möglicherweise kann auch bereits der Bauernaufstand von Untergrombach 1502 als früher Ansatzpunkt angesehen werden) ein neuer Ausdruck für das Majestätsver­brechen (lat. [N.] →crimen laesae maiestatis), das im Hochmittelalter den älteren Treuebruch verdrängt. H. soll im Kampf gegen den Absolutismus die Taten erfassen, die den inneren Bestand des Staates angreifen (im Gegensatz zum →Landesverrat und zum →Majestätsverbrechen). Nach →Feuerbach (1798) ist jeder Angriff auf den Staatsvertrag (bzw. die drei Staatsverträge) H. (z. B. Entziehung eines Gliedstaats, Angriff auf das Leben des Herrschers, Revolution), doch folgt dem die Rechtspraxis nicht. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch von 1871 bietet demgegenüber eine ausführliche Kasuistik.

Lit.: Söllner § 10; Baltzer, C., Die geschichtlichen Grundlagen der privilegierten Behandlung politischer Straftäter, 1966; Reimann, M., Der Hochverratsprozess gegen Gustav Struve und Karl Blind. Der erste Schwurgerichtsfall in Baden, 1985; Staatsschutz, hg. v. Willoweit, D., 1994; Böttger, M., Der Hochverrat, 1998; Widerstand als Hochverrat, bearb. v. Zarusky, J. u. a., 1998; Hochver­rat?, hg. v. Lill, R., 1999; Richter, I., Hochverratspro­zesse als Herrschaftspraxis, 2001; Bundschuh, hg. v. Blickle, P. u. a., 2004

Hochzeit ist eine Bezeichnung für die Feier(lichkeiten) der →Eheschließung (13. Jh.). Hierfür schafft der Landesherr seit dem 15. Jh. besondere Hochzeits­ordnungen. Sie verbieten übermäßigen Luxus (→Luxusverbot).

Lit.: Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und Hochzeit, 1914; Neumann, G., Hochzeitsbrauchtum in Westfalen, Westfalen 33 (1955), 212; Goldmann, E., Hochzeitsbräuche, Seelenreise, 1956; Leisching, P., Et teneat eam, Studia Gratiana 27 (1996), 311; Tisch und Bett, hg. v. Riis, T., 1998

Hof ist der zu einem Haus unmittelbar gehörige Platz, allgemeiner der landwirt­schaftliche Betrieb oder der Lebensbereich eines Adligen. Der landwirtschaftliche H. ist überwiegend Teil der →Grundherr­schaft. Seit dem 19. Jh. wird für ihn teilweise ein besonderes →Hofrecht geschaffen. Für den adeligen H. entstehen schon früh eigene Hofrechte, besondere Hofämter, später auch Hoftage, Hofgerichte, Hofräte und Hof­ordnungen. In Bayern-Landshut besteht das spätmittelalterliche Hofgesinde aus 150 vergüteten Mitgliedern. Im ernestinischen Sachsen umfasst der Hof 1531 etwa 500 Menschen.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 35f.; Kroeschell, DRG 1, 83, 112; Köbler, WAS; Maurer, G. v., Geschichte der Fronhöfe und der Hofverfassung in Deutschland, Bd. 1ff. 1862f., Neudruck 1961; Härle, P., Die zwölf Abteimaierhöfe des Stiftes Buchau, 1937; Hartmann, K., Haus Rhade op de Volme, 1938; Haff, K., Hofübergabe und Ältestenrecht, ZRG GA 62 (1942), 377; Elsener, F., Der Hof Benken, 1953; Ohe, J. v. d., Die Zentral- und Hofverwaltung des Fürstentums Lüneburg, 1955; Herold, E., Hofdienst und Hofschutz, Diss. jur. München 1956; Dölling, H., Haus und Hof in westgermanischen Volksrechten, 1958; Kruedener, J. Frhr. v., Die Rolle des Hofes im Absolutismus, 1973; Hollegger, M., Maximilian und die Entwicklung der Zentralverwaltung am Hof, 1983; Bumke, J., Höfische Kultur, 1986; Moraw, P., Hoftag und Reichstag, (in) Parlamentsrecht und Parlaments­praxis, 1989, 3; Alltag bei Hofe, hg. v. Paravicini, W., 1995; Haus und Hof in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Beck, H. u. a., 1997; Plassmann, A., Die Struktur des Hofes, 1998; Hillen, C., Curia regis, 1999; Höfe und Höfeordnungen 1200-1600, hg. v. Kruse, H. u. a., 1999; Bahl, P., Der Hof des Großen Kurfürsten, 2000; Schütte, B., König Philipp von Schwaben. Itinerar – Urkundenvergabe – Hof, 2002; Hofkultur und aufklärerische Reformen in Thüringen, hg. v. Ventzke, M., 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 2003; Höfe und Resi­denzen im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Paravicini, W., 2003; Hengerer, M., Kaiserhof und Adel, 2004; Weise, W., Der Hof der Kölner Erzbischöfe in der Zeit Kaiser Friedrich Barbarossas, 2004; Nolte, C., Familie, Hof und Herrschaft, 2004; Fürstenhöfe und ihre Außenwelt, hg. v. Zotz, T., 2004; Dvory a rezidence ver středovĕku, 2006; Hofkultur in Frankreich und in Europa im Spätmittelalter, hg. v. Freigang, C. u. a., 2005; Kaiserhof – Papsthof (16. – 18. Jh.), hg. v. Bösel, R. u. a., 2006; Die Hofge­schichtsschreibung im mittelalterlichen Europa, hg. v. Schieffer, R. u. a., 2006; Biersack, I., Die Hofhaltung der reichen Herzöge von Bayern-Landshut, 2006; Der Hof und die Stadt, hg. v. Paravicini, W. u. a., 2006; Höfe und Residenzen im spätmittelalterichen Reich - Hof und Schrift, hg. v. Paravicini, W., 2007; Mittelalterliche Fürstenhöfe und ihre Erinnerungs­kulturen, hg. v. Fey, C. u. a., 2007; Hof und Macht, hg. v. Butz, R. u. a., 2007; Spieß, Karl-Heinz, Fürsten und Höfe im Mittelalter, 2008; Rösener, W., Leben am Hof, 2008; Hofwirtschaft, hg. v. Fouquet, G., 2008; Lutter, C., Zwischen Hof und Kloster, 2010; Zu Diensten Ihrer Majestät. Hofordnungen, hg. v. Wührer, J. u. a., 2011; Streit am Hof im frühen Mittelalter, hg. v. Becher, M. u. a., 2011

Hofamt ist hauptsächlich das Amt der Verwaltung eines herrschaftlichen (fürst­lichen, königlichen) →Hofes. Bereits zum spätrömischen →Kaiser gehört eine na­he­­­zu aus dem Nichts geschaffene um­fangreiche Zentral­verwaltung in Rom mit zahlreichen hierarchisch geprägten Ämtern. Wohl im An­schluss hieran folgt auch dem frühmit­telalterlichen →König ein Hof mit haupt­sächlich Seneschall bzw. Truchsess, Mar­schall, Schenk, Kämmerer und Kanzler als Trägern von Ämtern, die dem hohen Adel zugeteilt, später aber von Dienstleuten tatsächlich ausgeübt werden. Der königliche Hof bildet sich bis zum Ende des Heiligen römischen Reiches  immer vielseitiger aus und gibt das Vorbild für die Hofämter an den einzelnen Fürstenhöfen ab.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29; Kroeschell, DRG 1, 2; Baltl/Kocher; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Lübeck, K., Die Hofämter der Fuldaer Äbte im frühen Mittelalter, ZRG GA 65 (1947), 177; Bosl, K., Die Reichsminis­terialität der Salier und Staufer, Bd. 1f. 1950f.; Klafki, E., Die kurpfälzischen Erbhofämter, 1966; Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main 1970; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989); Hasse, C., Die welfischen Hofämter und die welfische Ministerialität in Sachsen, 1995; Hof und Theorie, hg. v. Butz, R. u. a., 2004; Keller, K., Hofdamen, 2005

Höfeordnung ist das am 24. 4. 1947 für die →britische Zone des Deutschen Reiches erlassene Gesetz, das für landwirtschaftliche Höfe teilweise besondere Rechtsregeln (Sonder­erbfolge) schafft und am 26. 7. 1976 abgeändert wird.

Lit.: Kannewurf, T., Die Höfeordnung vom 24. April 1947, 2004

Hofer, Andreas (Sankt Leonhard 22. 11. 1767-Mantua 20. 2. 1810, Mutter 1767, Vater 1770 gestorben, 1789 Übernahme des väterlichen Hofes), Gastwirt und fortschrittsfeindlicher Tiroler Freiheits­kämpfer gegen die Besetzung →Tirols durch →Bayern und →Frankreich (1809), nach anfänglichen Erfolgen von Franz Raffl verraten, am 28. 0. 1810 auf der Pfanderalm verhaftet und in Mantua am 19. 2. 1810 durch Erschießen hingerichtet

Höferecht ist das seit der Mitte des 19. Jh.s in Anknüpfung an das ältere →Anerbenrecht gesetzlich geschaffene besondere Erbrecht für bestimmte landwirtschaftliche Höfe (preußische Provinz Hannover 1874 und 10 weitere deutsche Bundesstaaten [Reichs­länder] bis 1930, Reicherbhofgesetz 1933, Höfeord­nung der britischen Besatzungszone 1947, Höfeordnung von Rheinland-Pfalz 1953). 1963 erklärt das deut­sche Bundesverfassungs­gericht den Vorzug von Männern vor Frauen im H. für verfassungswidrig. Für die nicht vom be­sonderen H. erfassten Höfe gilt das Grundstückverkehrsgesetz.

Lit.: Gersbach, A., Das Agrar- und Höferecht der Grafschaft Hauenstein, 1948; Bischof, W., Die Geschichte des Anerbenrechts in Hannover, Diss. jur. Göttingen 1966; Dehne, F., Vom Hof zum Betrieb, 1966; Tykwer, F., Hofnachfolge in Westfalen-Lippe, 1997; Fastenmayer, B., Hofübergabe als Altersver­sor­gung, 2009

Hoffahrt ist das Erscheinen am adligen Hof, insbesondere die Teilnahme am Hoftag. Die H. gründet sich im Laufe des Mittelalters mehr und mehr auf das Lehnsrecht. Vielfach wird sie von einer anfänglichen Pflicht zu einem Recht auf Teilnahme am Hoftag.

Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972

Hofgericht ist einerseits das am grundherrschaftlichen Fronhof eingerich­tete Gericht eines →Grundherrn über seine Hinter­sassen und andererseits das am fürstlichen Hof gebildete Gericht des Herrschers, aus dem der Fürst selbst spätestens im 15./16. Jh. ausscheidet. Das königliche H. (Reichshof­gericht) kennt seit 1235 neben dem König einen besonderen Hofrichter, hat als Urteiler neben den Fürsten auch Juristen, überliefert etwa 2000 Urkunden, verliert aber durch die den Landesherren erteilten Nichtevokations­privilegien an Bedeutung (Achtregister 1290, 1346, 1353, Ladungs­register 1396, Hofge­richtsregister 1409) und wird 1451 durch das Kammergericht ersetzt bzw. wird nach der Rückkehr Friedrichs III. von der Kaiserkrönung in Rom 1452 das Hofrichteramt nicht erneut besetzt, weil das H. den neuen Anforderungen (Appellation) nicht mehr gerecht werden kann. Das H. in Rottweil ist ein seit 1273 von den Königen vielfach bevorrechtigtes Landgericht, dessen Vorsitz ein Hofrichter als Stellvertreter des Königs innehat.

Lit.: Köbler, DRG 114, 115; Franklin, O., Das Reichshofgericht im Mittelalter, Bd. 1f. 1867ff.; Kohler, J., Das Verfahren des Hofgerichts Rottweil, 1904; Böker, H., Hofgerichtsbarkeit und Hofgerichte im Vest Recklinghausen, Diss. jur. Bonn 1957; Grube, G., Die Verfassung des Rottweiler Hofgerichts, 1969; Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht, 1970; Wohlgemuth, H., Das Urkundenwesen des deutschen Reichs­hofgerichts 1273-1378, 1973; Battenberg, F., Die Hofgerichtssiegel, 1979; Heitzenröder, W., Ein Prozess gegen Stift und Stadt Fulda, ZRG GA 100 (1983), 267; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, FS A. Erler, 1986, 44; Urkundenregesten der Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451, Bd. 1ff. 1987ff.; Frey, S., Das württembergische Hofgericht (1460-1618), 1989; Wernli, M., Das kaiserliche Hofge­richt in Zürich, 1991; Mentgen, G., Das kaiserliche Hofgericht Rottweil, ZRG GA 112 (1995), 396; Hofgericht, Bd. 8, hg. v. Diestelkamp B., bearb. v. Neumann, R., 1996; Battenberg, F., Die königlichen Hofrichter vom 13. bis 15. Jahrhundert (in) Deutscher Königshof, hg. v. Moraw, P., 2002, 239; Diestelkamp, B., Vom einstufigen Gericht zur obersten Rechtsmittelinstanz, 2013

Hofgerichtsordnung ist die Ordnung der Verfassung und des Verfahrens eines →Hofgerichts. Für das königliche Hofgericht gibt es einen Entwurf einer H. von 1409. Landesherrliche Hofgerichtsordnungen erschei­nen später (z. B. Pfalz 1462, verloren).

Lit.: Otte, A., Die Mainzer Hofgerichts­ordnung von 1516/1521, 1964; Bender, K., Die Hofgerichtsordnung Kurfürst Philipps für die Pfalzgrafschaft bei Rhein, 1967

Hofkammer ist die 1498 für die Finanzverwaltung des Heiligen römischen Reiches und der österreichischen Erbländer geschaffene, 1527 von Ferdinand I. re­organisierte Behörde, die von 1749 bis 1761 mit der inneren Verwaltung im Directorium, von 1782 bis 1791 in der vereinigten Hof­stelle, von 1792 bis 1797 im Directorium und von 1801 bis 1802 in der vereinigten Hofstelle zusammengelegt und (in Österreich) 1848 in das Finanzministerium umgewandelt wird.

Lit.: Körbl, H., Die Hofkammer und ihr ungetreuer Prä­si­dent, 2009

Hofkanzlei ist die Kanzlei des fürstlichen Hofes. Die österreichische H. wird an der Wende vom 16. zum 17. Jh. von der Reichskanzlei getrennt.

Lit.: Köbler, DRG 150; Baltl/Kocher

Hofkapelle

Lit.: Görlitz, S., Beiträge zur Geschichte der königlichen Hofkapelle, 1936; Hausmann, F., Reichskanzlei und Hofkapelle unter Heinrich V. und Konrad III., 1956

Hofmark

Lit.: Kellner, S., Die Hofmarken Jettenbach und Aschau in der frühen Neuzeit. Studien zur Beziehung zwischen Herrschaft und Untertanen in Altbayern am Beispiel eines adeligen Herrschafts­bereiches, 1986

Hofmeister ist seit dem Spätmittelalter (2. H. 13. Jh.) ein führender Verwaltungs­beamter des fürstlichen Hofes, der statt des Fürsten dem Hofrat vorsitzen kann.

Lit.: Seeliger, G., Das deutsche Hofmeisteramt, 1885

Hofnarr ist der nach antiken und orientalischen Vorbildern vom Hochmittel­alter bis ins 17. Jh. (Frankreich) oder 18. Jh. (Heiliges römisches Reich [deutscher Nation]) als Unterhalter an Fürstenhöfen tätige Narr (oft Zwerg oder Krüppel).

Lit.: Amelunxen, C., Rechtsgeschichte der Hofnarren, 1991

Hofpfalzgraf ist der Träger eines in Italien seit dem frühen Hochmittelalter entstandenen Amtes zur Vertretung des Kaisers in bestimmten Angelegenheiten (z. B. Legitima­tion unehelich Geborener, Bestätigung von Vormundschaften, Ernennung von Notaren, Verleihung von Adel). Seit der Mitte des 14. Jh.s nehmen die Zahl der Hofpfalzgrafen und der Umfang ihrer Rechte zu. Im 18. Jh. verfällt das mit dem 6. 8. 1806 ganz erloschene Amt zusehends.

Lit.: Jecklin, F., Die Hofpfalzgrafen in der Schweiz, 1890; Dobler, E., Das kaiserliche Hofpfalzgrafenamt und der Briefadel im alten Deutschen Reich, 1950; Hofpfalzgrafenregister, hg. v. Heroldsausschuss, 1953ff.; Hofpfalzgrafen­register, hg. v. Herold, bearb. v. Arndt, J., Bd. 1 1964

Hofrat ist das zunächst aus dem →Adel gebildete, unscharf umgrenzte, ständige Beratergremium eines Fürsten. Unter Kaiser Friedrich III. (1452-1493) umfasst er 283 weltliche und 150 geistliche Berater, von denen 235 aus den Erblanden und 198 aus dem außererbländischen Binnenreich ein­schließlich Tirols stammen. Der H. wird seit dem Ende des 15. Jh.s zur zentralen kollegialen Behörde der Landesverwaltung. Zunehmend finden gelehrte →Juristen Auf­nahme. Statt des Fürsten sitzt ihm später der Kanzler oder →Hofmeister vor. Vielfach verlegt sich das Schwergewicht der Tätigkeit auf die Rechtsprechung.

Lit.: Köbler, DRG 113, 114; Erdmann, K., Der jülich-bergische Hofrat, Düsseldorfer Jb. 41 (1939), 1; Eisenhardt, U., Aufgabenbereich und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1963; Heydenreuter, R., Der landesherrliche Hofrat unter Herzog und Kurfürst Maximilian I. von Bayern, 1981; Buhlmann, G., Der kurkölnische Hofrat, 1998; Recht und Verfasung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998

Hofrecht ist seit dem Hochmittelalter das besondere Recht eines grundherr­schaftlichen Verbands (Worms 1023/1025, Limburg 1035). Später geht das H. in dem →Dorfrecht auf.

Lit.: Köbler, DRG 101, 105; Lohmeyer, K., Das Hofrecht und Hofgericht des Hofes zu Loen, 1906; Arnold, H., Das Hofrecht und die Hofgerichte (Hobsgerichte) in Mülheim an der Ruhr, Diss. jur. Bonn 1955; Schulte-Beckhausen, K., Hofrecht und Hofgerichtsbarkeit in Gelsenkirchen, Diss. jur. Bonn 1958; Fricke, E., Das Recht und Gericht des Stilkinger Lehnsverbandes, Diss. jur. Bonn 1958; Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht, 1970; Spieß, P., Das Limburger Hofrecht, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 468

Hofrichter ist der Richter des Hofgerichts (zwischen 1235 und 1451 im Heiligen römischen Reich 40 durchweg adelige, ungelehrte H. und 76 Hofgerichtsstatthalter bekannt).

Lit.: Battenberg, F., Die königlichen Hofrichter vom 13. bis 15. Jahrhundert, (in) Deutscher Königshof, hg. v. Moraw, P., 2002, 239

Hoftag ist der vom Herrscher in seinem Reich abgehaltene Tag, welcher der Verwirklichung seiner Herrschaft dient. Im Heiligen römischen Reich ist er (bis 1470/1480?) Vorläufer des Reichstags. →Hof

Lit.: Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 2003; Annas, C., Hoftag – gemeiner Tag – Reichstag, 2004; Politische Versammlungen und ihre Rituale, hg. v. Peltzer, J. u. a., 2009

hohe Gerichtsbarkeit →Hochgerichtsbar­keit

Hoheitsgewalt ist die Befugnis des Staates, einseitig rechtlich verbindliche Anordnungen zu erlassen. Sie entsteht aus der frühmittelalterlichen Banngewalt und zu­nächst vereinzelten Hoheitsrechten des Landesherrn mit der seit dem Spätmittelalter einsetzenden Verdichtung. Seit dem 18. Jh. spricht man von Landeshoheit. Sie wird als ursprünglich und damit nicht vom Reich abgeleitet angesehen.

Lit.: Köbler, DRG 149; Leitges, K., Die Entwicklung des Hoheitsbegriffes, 1998

Hohenberg

Lit.: Quellen zur Verwaltungs- und Wirtschaftsge­schichte der Grafschaft Hohenberg, bearb. v. Müller, K., Bd. 1f. 1953ff.

Hohenlohe

Lit.: Ganzhorn, G., Die Entstehung und die Quellen des hohenlohischen Landrechtes aus dem Jahre 1738, Diss. jur. Tübingen 1955; Ulshöfer, F., Die hohenlohischen Hausverträge, Diss. jur. Tübingen 1960; Steinle, P., Die Vermögensverhältnisse der Landbevölkerung in Hohenlohe im 17. und 18. Jahrhundert, 1971; Weber, H., Die Fürsten von Hohenlohe im Vormärz, 1977; Magen, F., Reichsgräfliche Politik in Franken, 1975; Hohenlohische Dorfordnungen, bearb. v. Schumm, K. u. a., 1985

Hohenstaufen →Staufer

Hohenzollern ist die nach der Burg Zollern bzw. H. in Schwaben (seit 1350) benannte gräfliche Familie, deren Stammgut 1849 an den 1411/1415/1417 als Markgrafen nach Brandenburg gelangten Zweig der zugehörigen Familie (1648 →Preußen) zu­rück­fällt. Das Gebiet geht 1945/1951 im Zuge der Aufteilung Preußens in Baden-Württemberg auf. In Preußen nennt sich die Familie seit 1701 König. Im Deutschen Reich stellt sie von 1871 bis 1918 den Kaiser.

Lit.: Köbler, DRG 131; Köbler, Historisches Lexikon; Hintze, O., Die Hohenzollern und ihr Werk (1415-1915), 1915, Neudruck 1980; Eisele, K., Studien zur Geschichte der Grafschaft Zollern, 1956; Ulshöfer, W., Das Hausrecht der Grafen von Zollern, 1969; Kirchherr, R., Die Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen vom Jahre 1833, 1979; Sauer, P., Napoleons Adler über Württemberg, Baden und Hohenzollern, 1987; Herm, G., Der Aufstieg des Hauses Hohenzollern, 1995; Stamm-Kuhlmann, T., Die Hohenzollern, 1995; Neugebauer, W., Die Hohenzol­lern, Bd. 1f. 1996ff.; Die Protokolle der Regierung von Württemberg-Hohenzollern, Bd. 1 bearb. v. Raberg, F., 2004; Bourée, K., Dienst, Verdienst und Distinktion, 2012; Schönpflug, D., Die Heiraten der Hohenzollern, 2013

Höhere Gewalt ist die vom Menschen nicht abwendbare Gewalt. Diese befreit den Schuldner schon im römischen Recht in bestimmten Fällen vom →Schadensersatz. In spätklassischer Zeit spricht man zusammenfassend von (lat.) →vis (F.) maior (vis cui resisti non potest, Gewalt der nicht widerstanden werden kann). Diese wird im Hochmittelalter im Reich aufgenommen. Sie verbindet sich mit dem Begriff der →echten Not, in der eine Fristversäumnis (mit höherer Gewalt) entschul­digt wird.

Lit.: Kaser § 36 III; Hübner 563, 583; Exner, A., Der Begriff der höheren Gewalt, 1883, Neudruck 2007; Doll, A., Von der vis maior zur höheren Gewalt, 1989

Holdsworth, William Searle (Elmers End 7. 5. 1871-Oxford 2. 1. 1944), Rechtsan­waltssohn, wird nach dem Studium von Geschichte und Recht in Oxford und London 1897 Professor in Oxford. Mit seiner sechsbändigen History of English Law verfasst er ohne eigene Quellenstudien eine umfassende, die Grund­lagen einbeziehende Darstellung des englischen Rechtes von den Anfängen bis zur Gegenwart.

Lit.: Lawson, F., The Oxford Law School 1850-1965, 1968

Holland ist die seit dem 10. Jh. im Gebiet der Maasmündung bezeugte Grafschaft, die über Burgund (1433) und Habsburg (1477) 1579 in die Vereinigte Republik (1815 Königreich) der →Niederlande gelangt. Durch Ver­ordnung vom 13. 8. 1428 wird der Rat von Holland und Seeland als oberste Gerichtsbehörde und Verwaltungsbehörde eingesetzt und später vom Hof von Holland fortgesetzt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; De oudste Rechten der stad Dordrecht, hg. v. Fruin, J., 1882; Memorialen van het Hof (den Raad) van Holland, Zeeland en West-Friesland van den secretaris Jan Rosa, hg. v. Blécourt, A. u. a., 1929; Jansma, T., Raad en Rekenkamer in Holland en Zeeland, 1932; Uit de practijk van het hof van Holland, hg. v. Apeldoorn, L. van, 1938; Oorkondenboek van Holland en Zeeland tot 1299, Bd. 1f. hg. v. Koch, A. u. a., 1970ff.; Lingbeek-Schalekamp, C., Overheid en Muziek in Holland tot 1672, 1984; Das römisch-holländische Recht, hg. v. Feenstra, R. u. a., 1992; Price, L., Holland, 1994; Israel, J., The Dutch Republic, 1995; Moorman van Kappen, O., Zur holländischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1795, ZRG GA 122 (2005), 318; Le Bailly, M. u. a., Hoge raad van Holland, 2006; Le Bailly, M., Hof van Holland, Zeeland en West-Friesland, 2008; Cox, J., Hebbende privilege van stede, 2011

Holmgangr ist der altnordische Zweikampf, der bereits um 1000 in Island (1004?) und Norwegen (um 1012) abgeschafft wird.

Lit.: Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911

Holocaust →Endlösung

Lit.: Benz, W., Der Holocaust, 1995, 5. A. 2003, 7. A. 2008; Finkelstein, N., The Holocaust Industry, 2000; Benz, W., Lexikon des Holocaust, 2002; Die Täter der Shoa, hg. v. Paul, G., 2002; Berg, N., Der Holocaust und die westdeutschen Historiker, 2003; Tent, J., In the Shadow of the Holocaust, 2003; Mayer, E., Verfälschte Vergangenheit, 2003; Browning, C., Die Entfesselung der Endlösung, 2003; Freyhofer, H., The Nuremberg Medical Trial, 2004; Longerich, P., Davon haben wir nichts gewusst, 2006; Tent, J., Im Schatten des Holocaust, 2007; Dörner, B., Die Deutschen und der Holocaust, 2007; Al’tman, I., Opfer des Hasses, 2008; The Oyford Handbook of Holocaust Studies, hg. v. Hayes, P. u. a., 2010; Zayas, A. de, Völkermord als Staatsgeheimnis, 2011; Schneppen, H., Walter Rauff - Organisator der Gaswagenmorde, 2011; The Routledge History of the Holocaust, hg. v. Friedmann, J., 2011

holograph, holographisch (Adj.) ganz eigenhändig geschrieben (z. B. Testament)

Holschuld ist die Schuld, bei welcher der Handlungsort des Schuldners der Ort des Wohnsitzes des Schuldners ist. Im älteren Recht ist die Schuld grundsätzlich H. Im Mittelalter werden viele Schulden zu Bring­schulden. Nach dem preußischen Allge­meinen Landrecht (1794) ist die Schuld im Zweifel Bringschuld, nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) H.

Lit.: Hübner 556; Baltl/Kocher; Leonhard, F., Erfüllungsort und Schuldort, 1907

Holstein ist der um 800 erscheinende Name des nördlichen Stammesgebiets der Sachsen („Holzsassen“). 1110/1111 werden die von Schauenburg Grafen von H. Seit 1375/1386 sind H. und →Schleswig in fester staatsrechtlicher Verbindung, doch gelangt Schleswig erst 1865 unter die Herrschaft des Deutschen Bundes.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das älteste Urteilsbuch des holsteinischen Vierstädtegerichts 1497-1574, hg. v. Gundlach, F., 1925; Kuhn, H., Zur Geschichte der Volksgerichte in Holstein, 1926

Holzding oder Holzgericht ist im Mittelalter in Norddeutschland das besondere Nieder­gericht in Waldnutzungs­angelegenheiten. Es schwindet seit der frühen Neuzeit unter landesherrlichem Einfluss und geht spätestens 1877/1879 gänzlich unter.

Lit.: Timm, A., Die Waldnutzung, 1960

Homagium (lat. [N.]) ist im Mittelalter die förmliche Ergebung des Lehnsmanns in die Gewalt des Lehnsherrn (Handgang). Das h. geht im Spätmittelalter im Lehnseid auf.

Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972, 27; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1970, 259

homagium (N.) pacis (mlat.) →Huldigung (des Lehnsmannes)

Homeyer, Carl Gustav (Wolgast 13. 8. 1795-Berlin 20. 10. 1874) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny, Eichhorn), Göttingen (Hugo) und Heidelberg (Thibaut) 1824 außer­ordentlicher Professor und 1827 ordentlicher Professor in Berlin. Seit 1827 veröffentlicht H. kritisch mittelalterliche Rechtsbücher und stellt die Handschriften über­sichtlich zusammen (Des Sachsenspiegels erster Theil, oder das Sächsische Landrecht, 1827, 2. A. 1835, 3. A. 1861, Des Sachsenspiegels zweiter Theil, Bd. 1 1842, Bd. 2 1844, Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters, 1836).

Lit.: Verzeichnis deutscher Rechtsbücher des Mittelalters und ihrer Handschriften (1836), 1856; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., Bd. 2 1931, 433; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1ff. 1990ff.

Hommel, Karl Ferdinand (Leipzig 6. 1. 1722-16. 5. 1781), Rechtsprofessorensohn, wird 1756 Professor in Leipzig und wirkt, beeinflusst von →Thomasius und →Bec­caria, auf der Grund­lage des Determinismus zugunsten der →Auf­klärung im Strafrecht („Joch, A. v.“, Von Verbrechen und Strafe nach türkischen Gesetzen, 1770, Neudruck 1970).

Lit.: Rosenbauer, A., Carl Ferdinand Hommel, Diss. jur. Berlin 1907; Zahn, K. v., Karl Ferdinand Hommel als Strafrechtsphilosoph und Strafrechtslehrer, 1911; Hommel, K., Über Belohnung und Strafe nach türkischen Gesetzen, 2. A. 1772, Neudruck, hg. v. Holzhauer, H. 1970; Polley, R., Die Lehre vom gerechten Strafmaß, 1972; Hommel, Karl Ferdinand, Principis cura leges, übers. v. Polley, R., 1975

homo (lat. [M.]) Mensch, Sklave

homo (M.) ecclesiae (lat.) (unfreier) Mann der Kirche

Homo (M.) ligius (lat.), Ledigmann, ist im mittelalterlichen Recht (seit dem 10. Jh.?) der eng an den Lehnsherrn gebundene Lehnsmann.

Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972, 434; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 1961, 6. A. 1983

Homosexualität (Bezeichnung Karl Kertbeny 1869) ist die geschlecht­liche Beziehung zu einem Menschen gleichen Ge­schlechts, insbesondere zwischen Män­nern. Sie ist dem griechischen Altertum vertraut. Das Judentum, die Römer und das Christentum lehnen die H. ab. Der Codex Theodosianus (Konstitution von 390) bedroht H. mit der Verbrennung. Nach Tacitus wird bei den Germanen der Unzüchtige im Moor versenkt. Das Mittelalter sieht die H. als Sünde. Die Constitutio Criminalis Carolina (1532) bedroht H. unter beiden Geschlechtern in Überein­stimmung mit dem gemeinen Recht mit dem Feuertod. Dagegen stellt der Code civil (1804) nur bestimmte Gestaltungen unter Strafe. In manchen deutschen Ländern ist H. unter Männern nicht strafbar, bis sie § 175 StGB (1871) mit einer Strafandrohung versieht. In Deutschland wird 1969 (nach rund 140000 Verurteilungen), in Österreich 1971 die homosexuelle Betätigung Erwach­sener straflos. 1973 erfolgt eine weitere Reform, nach der nur noch homosexuelle Handlungen mit männlichen Jugendlichen unter 18 Jahren strafbar sind, während das Schutzalter bei lesbischen und heterose­xuellen Beziehungen bei 14 Jahren liegt. Durch Gesetz vom 31. 5. 1994 wird § 175 StGB auf Grund liberaler Überlegungen zum 11. 6. 1994 aufgehoben.

Lit.: Köbler, DRG 264; Kuster, H., Over Homoseksualiteit, Diss. Utrecht 1977; Sexual Practices, hg. v. Bullough, V. u. a., 1982; Boowell, J., Christianity, Social Tolerance and Homosexuality, 1980; Stümke, H., Homosexuelle in Deutschland, 1989; Jellonek, B., Homosexuelle unterm Hakenkreuz, 1990; Hundert Jahre schwul, hg. v. Kraushaar, E., 1997; Sommer, K., Die Strafbarkeit der Homosexuali­tät, 1998; Hergemöller, B., Mann für Mann, 1998; Lutterbach, H., Gleichgeschlechtliches sexuelles Verhalten, HZ 267 (1998), 282; Hergemöller, B., Einführung in die Historiographie der Homosexualität, 1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse, 1999; Bastian, T., Homo­sexuelle im Dritten Reich, 2000; National­sozialistischer Terror gegen Homosexuelle, hg. v. Jellonek, B. u. a., 2002; Müller, J., Ausgrenzung der Homosexuellen aus der Volksgemeinschaft, 2003; Homosexuelle im Nationalsozialismu, hg. v. Schwartz, M., 2013

honorarium (lat. [N.]) Ehrengabe als (freiwilliges) Entgelt für höhere Dienste im römischen Recht

Höpfner, Ludwig Julius Friedrich (Gießen 3. 11. 1743-29. 12. 1797) wird nach dem Rechtsstudium in Gießen Erzieher und 1767 Professor der Rechte in Kassel, 1771 ordentlicher Professor in Gießen. In seiner Zeit gilt er als der bedeutendste Zivilist. Seine Hauptwerke sind das Naturrecht des einzelnen Menschen, der Gesellschaften und Völker und der Theoretisch-practische Kommentar über die Heineccischen Institutionen. Unter dem Einfluss des Naturrechts fördert H. die Be­griffe der Verbindlichkeit, der Willens­erklärung und des Eigentums, ohne dem Naturrecht den Rang einer das geltende Recht verdrängenden Rechtsquelle einzuräumen.

Lit.: Söllner, A., Ludwig Julius Friedrich Höpfner, FS W. Mallmann 1978, 281; Plohmann, M., Ludwig Julius Friedrich Höpfner, 1992

Horborch, Wilhelm (Hamburg 1320-1381), Ratsherrnsohn, wird nach dem Studium des kirchlichen Rechtes in Avignon (1362) und Bologna (1367) Professor in Prag (1372). Als Richter an der (lat.) →Rota (F.) Romana veröffentlicht er (1376-1381) eine Sammlung von Entscheidungen.

Lit.: Pfaff, I., Zur Geschichte des Kanonisten Wilhelm Horborch, ZRG KA 13 (1924), 513; Dolezalek, G., Die handschriftliche Verbreitung von Rechtsprechungs­sammlungen der Rota, ZRG KA 58 (1972)

Hörensagen ist das Hören der Erzählung eines anderen. Im Hochmittelalter stellt das kirchliche Recht den Grundsatz des Verbotes des Aussagezeugnisses vom bloßen H. auf. Er wird seit dem Spätmittelalter in Deutschland aufge­nommen und behauptet sich bis zur Einführung der Zivilprozessordnung 1877/­1879.

Lit.: Zimmermann, E., Der Glaubenseid, 1863; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960, 59

Höriger ist im mittelalterlichen und neu­zeitlichen deutschen Recht der grund­herrschaftlich abhängige, dem →Grundherrn in gewisser Weise gehörige Mensch. Der Aus­druck erscheint seit dem 14. Jh. in Norddeutschland. Seit dem späten 18. Jh. wird er wissenschaftlich verallgemeinert. →Hinter­sasse

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Kindlinger, N., Geschichte der deutschen Hörigkeit, 1819; Perrin, C., Le servage, 1955; Bloch, M., Slavery and Serfdom, 1975; Banzhaf, M., Unterschichten in bayerischen Rechtsquellen des 8. bis 11. Jahrhunderts, 1991

Horten, Johann Bernhard (1735-1786) →Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch

Hospital →Spital

Hostiensis (Heinrich von Segusia) (Susa vor 1200-Lyon 1270) wird nach dem Rechts­studium in Bologna (Jacobus Balduini) seit 1236/1239 Lehrer des kirchlichen Rechtes in Paris und nach einem Englandaufenthalt 1244 Bischof von Sisteron, 1250 Erzbischof von Embrun sowie 1262 Kardinalerzbischof von Ostia. Seit 1239 erarbeitet er die bedeutsamste Titelsumme zum (lat.) →Liber (M.) extra (Summa super titulos decretalium, Summe über die Titel der Dekretalen, 2. A. um 1253 Summa aurea, Goldene Summe). 1270/1271 gibt er einen Kommentar zum Liber extra zur Veröffentlichung frei ([lat.] Commentum [N.] super decretalibus, Kommentar über die Dekretalen). Infolge der weiten Verbreitung seiner Werke beeinflusst H. die Aufnahme der gelehrten Rechte in vielen Teilen Europas.

Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962, 16; Rivera Damas, A., Pensamiento politico di Hostiensis, 1964

Hotman (Hotomannus), François (Franciscus) (1524-1590) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans Anwalt in Paris, Lateinlehrer in Genf und 1556 Rechtsprofessor in Straßburg, 1563 in Va­lence, 1566 in Bourges, 1572-1578 in Genf. Verschiedenen humanistisch-textkritischen Ar­beiten folgt der 1603 posthum erschienene Antitribonianus, in dem H. die Anwend­barkeit des römischen (lat.) →corpus (N.) iuris civilis verneint und eigenständige Gesetzbücher vorschlägt.

Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Vogel, W., Franz Hotman, 1960; Kelley, D., François Hotman, 1973

House of Commons (Unterhaus) ist im →englischen Recht die im 13. Jh. (unter der Wirkung Simon de Montforts 1265/1297) zur Versammlung der großen Lehnsleute des Königs (→House of Lords) hinzutretende Versammlung von (74, um 1600 92) Rittern und (um 1600 417) Vertretern von Städten (Bürgern) (und der vier Universitäten). Sie entwickelt sich aus bescheidenen Anfängen in Jahrhunderten zum entscheidenden politi­schen Organ →Englands.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; The English Parliament, hg. v. Davies, R. u. a., 1981

House of Lords (Oberhaus) ist im →englischen Recht die im Laufe des 13. Jh.s aus dem Königshof hervorgegangene Versamm­lung der großen Lehnsleute des Königs, zu der 1265/1297 das →House of Com­mons hinzutritt. Es umfasst (1998) 635 Angehörige des Erbadels, 26 anglikanische Bischöfe und 505 auf Lebenszeit ernannte Lords oder Ladies, seit 1999 92 ausgewählte Mitglieder des Erbadels, die wenigen Lordrichter, zwei Erzbischöfe, 24 Bischöfe und im Übrigen auf Lebenszeit ernannte Lords und Ladies.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History,1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Ballinger, C., The House of Lords 1911-2011, 2012; Raina, P., House of Lords Reform, Bd. 1f. 2012f.

Hoyer von Falkenstein, Graf, ist der Herr →Eike von Repgows, der die Übersetzung des →Sachsenspiegels (1221-1224) aus dem Lateinischen in das Mittelnieder­deutsche bewirkt haben soll.

Hube, Romuald von (1803-1890) wird nach dem Rechtsstudium in Warschau (1818-1821) und Berlin Professor in Warschau (1829-1832) und Sankt Petersburg (1841-1845) sowie Verfasser des Strafgesetzbuchs Russlands (1845) und Polens (1847).

Lit.: Vetulani, A., Dzieje historii prawa w Polsce, 1948

Huber, Ernst Rudolf (1903-1990) wird nach dem Rechtsstudium in Bonn (Carl →Schmitt) Professor in Kiel (1933), Leipzig (1937), Straßburg (1941-1944), 1957 Hoch­schule Wilhelmshaven und Göttingen (1962-1968). Sein Verfassungsrecht des großdeutschen Reiches (1937/1939) will den Führerstaat in rechtliche Form bringen, seine spätere achtbändige deutsche →Verfassungs­geschichte seit 1789 (1957ff.) die Geschichte des Staates als der maßgeblichen Ordnungseinheit darlegen.

Lit.: Simon, W. v., Ernst Rudolf Huber, NJW 1991, 893; Walkenhaus, R., Konservatives Staatsdenken, 1997; Jürgens, M., Staat und Reich bei Ernst Rudolf Huber, 2005

Huber, Eugen (Stammheim 13. 7. 1849-Bern 23. 4. 1923) wird nach dem Rechtsstudium in Zürich Redakteur, Richter und 1881 außer­ordentlicher Professor in Basel, 1882 ordentlicher Professor in Basel, Halle (1888) und Bern (1892). Von 1884 an vergleicht er das kantonale Schweizer Privatrecht (System und Geschichte des schweizerischen Pri­vatrechts, 1886ff.), von 1892 an erarbeitet er das schweizerische Zivilgesetzbuch (1907).

Lit.: Köbler, DRG 182; Stutz, U., Eugen Huber, ZRG GA 44 (1924), XI; Wartenweiler, F., Eugen Huber, 1932; Manaï, D., Eugen Huber, 1990

Huber, Ulrik (Ulrich) (Dokkum 1636-Franeker 1694) wird nach dem Artesstudium und dem Rechtsstudium in Franeker, Utrecht, Marburg und Heidelberg Professor der Beredsamkeit in Franeker (1657), danach Professor der Institutionen (1665). Am erfolgreichsten sind seine (lat.) Prae­lectiones (F.Pl.) (Vorlesungen) zu Institutionen (1678) und Digesten (1689), bedeutsam auch seine niederländisch geschrie­bene Darstellung des friesischen Rechtes (Hoedendaegse Rechtsgeleertheyt, soo elders als in Frieslandt gebruikelijk, 1686).

Lit.: Veen, T., Recht en nut, Diss. jur. Groningen 1974; Hewett, M., Ulric Huber, De ratione iuris docendi & discendi diatribe, 2010

Hübner, Rudolf (Berlin 19. 9. 1864-Jena 7. 8. 1945), Professorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, Straßburg (Laband) und Berlin (Brunner, Beseler) 1895 außerordentlicher Professor in Bonn, 1904 ordentlicher Professor in Rostock, 1913 in Gießen, 1918 in Halle und 1921 in Jena. Nach frühen Arbeiten über die (lat.) donationes (F.Pl.) post obitum (1888, Gaben nach dem Tod) und den Immobiliarprozess der fränkischen Zeit (1893), denen eine Samm­lung der Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit (1893) zur Seite steht, ver­fasst H. im Rahmen des Pandektenschemas eine bis an die Gegenwart herangeführte Dogmenge­schichte der Institutionen des deutschen Privatrechts (Grundzüge des deutschen Privatrechts, 5. A. 1930).

Lit.: Schultze-von Lasaulx, H., Rudolf Hübner, ZRG GA 66 (1948), IX

Hude

Lit.: Lappe, J., Die Bauerschaften und Huden der Stadt Salzkotten, 1912

Hufe ist vor allem im Frühmittelalter ein Landmaß unterschiedlicher Größe. Die H. erscheint im 8. Jh. am Rhein und in Thüringen. Sie umfasst anfangs im Durchschnitt etwa 30 Morgen, kann aber vielfach geteilt werden. Später wird sie zur steuerlichen Berechnungs­einheit (z. B. Preußen 1715).

Lit.: Köbler, WAS; Rhamm, K., Die Großhufen der Nordgermanen, 1905; Reichel, J., Die Hufenverfassung zur Zeit der Karolinger, 1907; Ganahl, K., Hufe und Wergeld, ZRG GA 53 (1933), 208; Weidinger, U., Untersuchungen zur Wirtschaftsstruktur des Klosters Fulda, 1990

Hugenotten (entsteht aus „Eidgenossen“?, frühester Nachweis 1551 in einem französischen Manuskript) ist die Bezeichnung für die mit dem Eindringen des Calvinismus (→Calvin) aus der Schweiz nach Frankreich in der Mitte des 16. Jh.s entstehenden französischen Protestanten (helvetischen Bekenntnisses). Die H. werden nachdrücklich verfolgt (u. a. Bar­tholomäusnacht auf den 24. 8. 1572), erhalten aber im Edikt von Nantes (13. 4. 1598) das Recht der freien Religionsausübung. Nach dem Widerruf dieses Edikts durch König Ludwig XIV. (18. 10. 1685) verlassen rund 200000 Hugenotten Frankreich (140000 nach Großbritannien und Irland, in die Niederlande und die Schweiz, 44000 in das Heilige römische Reich, darunter 20000 nach Brandenburg). Erst die Französische Revolution von 1789 sichert ihre Rechte endgültig.

Lit.: Schreiber, H., Auf den Spuren der Hugenotten, 1983; Brandenburg, I./Brandenburg, K., Hugenotten, 1990; Dölemeyer, B., Die Hugenotten, 2006; Hugenotten: Glaubensflüchtlinge auf deutschem Boden, hg. v. Braun, G. u. a., 2007; Niggemann, U., Immigrationspolitik zwischen Konflikt und Konsens, 2008; Schätz, H., Die Aufnahmeprivilegien, 2010; Lachenicht, S., Hugenotten in Europa und Nordamerika, 2010

Hugo (Ugo) ist der von 1144 bis 1166 bezeugte Glossator in Bologna, von dem Glossen, Summulae, Disputationen und Quästionen stammen.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 183

Hugo, Gustav (Lörrach 23. 11. 1764-Göttingen 15. 9. 1844), Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen (→Pütter) und →Halle (Promotion) 1788 außerordentlicher Professor und 1792 ordentlicher Professor in Göttingen. Sein Hauptwerk ist das auf sechs Bände angelegte, siebenbändige Lehrbuch eines civilistischen Cursus (vor allem Enzyklopädie 1792, [als zweiter Band unter Berücksichtigung der Ergebnisse Montesquieus wie Kants] Natur­recht 1798 [, 2. A. 1799, 3. A. 1809, 4. A. 1819], Geschichte des römischen Rechtes 1790, heutiges römisches Recht 1789 Institutionen, 1798 Pandektenrecht), in dem er in der Nachfolge Pütters versucht, streng zwischen historischer, dogmatischer und philosophischer Behandlung des römischen Rechtes zu unterscheiden, bei der römischen Rechtsgeschichte (Lehrbuch der Geschichte des römischen Rechtes 1790, 11. A. 1832) die Geschichte des Systems mit der Geschichte der Quellen zu verbinden und das neuzeitliche römische Recht auf der Grundlage des geschichtlichen römischen Rechtes zu erläutern. Mit dieser sowohl gegen eine rein antiquarische Rechtsbehandlung wie gegen eine unkritische, nur an der Praxis ausge­richtete Rechtswissenschaft sich wendenden ersten geschlossenen systematischen Dar­stellung der gesamten römischrechtlichen Rechtswissenschaft (Jurisprudenz des römi­schen Rechtes als eine geschlossene ge­schichtliche Wissenschaft im Sinne des modernen Wissenschaftsbegriffs) wird er zum Begründer der Rechtswissenschaft des 19. Jh.s und zum Vorläufer der →historischen Rechtsschule.

Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 187, 206; Weber, H., Gustav Hugo, 1935; Eichengrün, F., Die Rechtsphilosophie Gustav Hugos, 1935; Buschmann, A., Ursprung und Grundlagen der geschichtlichen Rechtswissenschaft, Diss. jur. Münster 1963; Ebel, W., Gustav Hugo, 1964; Behrends, O., Gustav Hugo, (in) Gibbon, E., Historische Übersicht des römischen Rechtes, 1996; Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Gustav Hugo, hg. v. Bialas, S., 2004; Buschmann, A., Naturrecht und geschichtliches Recht - Gustav Hugos Rechtsphikosophie und die An­fänge der geschichtlichen Rechtswissenschaft, (in) Ele­menta iuris, hg. v. Behrends, O. u. a., 2009, 17ff

Hugolinus ist der von 1197 bis 1233 bezeugte Schüler des Johannes Bassianus aus Bologna, von dem vor allem Glossen, Erläu­terungen zum Codex, zu den Tres libri Codicis, zu den Institutionen, Summen zu den Digesten, Quaestiones insolubiles, Distinktionen und prozessrechtliche Summen stammen.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 271

Huguccio de Pisa (Pisa? um 1140-Ferrara 30. 4. 1210) wird nach dem Studium von Kirchenrecht und Theologie in Bologna Rechtslehrer (um 1180) und Bischof von Ferrara (1190). Sein Hauptwerk ist die zwischen 1188 und 1190 verfasste ungedruckte (lat.) Summa (F.) super decretum (Summe über das Dekret), die das →Decre­tum Gratians am ausführ­lichsten erläutert.

Lit.: Köbler, DRG 107; Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983; Müller, W., Huguccio, 1994

huissier (franz. [M.]) Türsteher, Gerichtsvoll­zieher

Hulde, Huld, ist die Gunst oder das Wohlwollen eines Menschen, insbesondere im Lehnswesen. Im Mittelalter huldigt der Mann dem Herrn. Der Herr kann dem Mann die H. entziehen. Im römischen Recht entspricht dem die (lat. [F.]) indignatio des Herrschers.

Lit.: Köstler, R., Huldentzug, 1910, Neudruck 1965; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969, 113; Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge, 1977

Huldigung ist das Versprechen des Wohl­wollens, der Treue oder der Ehrerbietung. Bereits im Frühmittelalter sollen die Franken dem Grafen oder dem König Treue schwören. 786 und 802 verlangt Karl der Große eine allgemeine Eidesleistung. An die Stelle dieses allgemeinen Untertaneneides tritt später der Eid der Lehnsmannen, seit dem Hoch­mittelalter auch der Huldigungseid der Reichsun­mittelbaren gegenüber dem König einerseits und ein Erbhuldigungseid der Landesbewohner bzw. der Stände gegenüber dem Landesherrn (in Niederösterreich bis 1835) andererseits.

Lit.: Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899; Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt in Frankreich und England, 1952; Müller, H., Formen und Rechtsgehalt der Huldigung, Diss. jur. Mainz 1954; Holenstein, A., Die Huldigung, 1991

Humanismus (1808) ist allgemein das Bemühen um eine der Menschenwürde entsprechende Gestaltung der Gesellschaft, insbesondere die geistige Bewegung des 14. bis 16. Jh.s, die das Vorbild der Gesellschafts­gestaltung in den klassischen römischen Schriften sieht. Der H. wird zuerst in Italien (Dante, Petrarca, 14. Jh.), im 15. Jh. in Frankreich, Spanien und England und schließlich auch im Heiligen römischen Reich wirksam (Erasmus von Rotterdam u. a., politische Auswirkungen auf Köln, Kleve-Mark und Jülich-Berg-Ravens­berg). Für die Rechtswissenschaft bedeutet der H. den Übergang vom sog. (lat. [M.]) mos Italicus zum (lat. [M.]) →mos Gallicus. Im Kirchenrecht bleiben die Einflüsse des H. vereinzelt.

Lit.: Söllner §§ 3, 22, 25; Köbler, DRG 135; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 1063; Wieacker, F., Einflüsse des Humanismus auf die Rezeption, Z. f. d. ges. Staatswiss. 100 (1940), 423; Schaffstein, F., Die europäische Strafrechts­wissenschaft im Zeitalter des Humanismus, 1954; Kisch, G., Forschungen zur Geschichte des Humanismus in Basel, Archiv für Kulturgeschichte 40, 2 (1958), 194; Kisch, G., Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, 1960; Kisch, G., Claudius Cantiuncula, 1970; Troje, H., Graeca leguntur, 1971; Hübner, H., Jurisprudenz als Wissenschaft im Zeitalter des Humanismus, FS K. Larenz, 1973, 41; Burmeister, K., Das Studium der Rechte, 1974; Humanismus und Naturrecht in Berlin-Brandenburg-Preußen, hg. v. Thieme, H., 1979; Troje, H., Die europäische Rechtsliteratur unter dem Einfluss des Humanismus, Ius commune 3 (1980), 33; Humanismus im Bildungswesen, hg. v. Reinhard, W., 1984; Buck, A., Humanismus, 1988; Geschichte der Universität in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Die Kultur des Humanismus, hg. v. Mout, N., 1998; Landau, P., Methoden des kanonischen Rechtes in der frühen Neuzeit, ZNR 21 (1999), 7; Hartmann, M., Humanismus und Quellenkritik – Matthias Flacius Illyricus, 2001; Augustijn, C., Humanismus, 2003; Humanisme et Église en Italie et en France méridionale, hg. v. Gilli, P., 2004; Kloosterhuis, E., Erasmus­jünger als politische Reformer, 2004; Humanisten am Oberrhein, hg. v. Lembke, S., 2004; Verfasserlexikon Deutscher Humanismus 1480-1520, hg. v. Worstbrock, G., Bd. 1f. 2005ff.; Funktionen des Humanismus, hg. v. Maissen, T. u. a., 2006; Genese und Profil des europäischen Humanismus im 18. Jahrhundert, hg. v. Vöhler, M. u. a., 2009

Humboldt, Wilhelm von (Potsdam 22. 6. 1767-Tegel 8. 4. 1835) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft und der Altertums­wissenschaft in Frankfurt an der Oder und Göttingen und längeren privaten Studien Leiter des Unterrichtswesens in Preußen, als der er das Bildungswesen aus dem Geist des idealistischen →Huma­nismus erneuert (Ele­mentarschule, Gymnasium, Universität). Zur Verwirklichung der wichtigsten Ziele wird 1810 die Universität →Berlin (→Savigny) gegründet, an der Einheit von Forschung und Lehre und Entfaltung von Wissenschaft in Einsamkeit und Freiheit stattfinden sollen.

Lit.: Schaffstein, F., Wilhelm von Humboldt, 1952; Hübner, U., Wilhelm von Humboldt und die Bildungspolitik, 1983; Sauter, C., Wilhelm von Humboldt und die deutsche Aufklärung, 1989; Fröling, S./Reuss, A., Die Humboldts, 1999; Humboldt International, hg. v. Schwinges, R., 2001; Schalenberg, M., Humboldt auf Reisen?, 2002; Humboldt, W. v., Werke in fünf Büchern, hg. v. Flitner, A. u. a., 2002; Spitta, D., Die Staatsidee Wilhelm von Humboldts, 2004; Petersen, J., Wilhelm von Humboldts Rechtsphilosophie, 2. A. 2007; Langewiesche, D., Die Humboldtsche Uni­versi­tät als nationaler Mythos, HZ 290 (2010), 1

Hume, David (Edinburgh 7. 5. 1711-25. 8. 1776) (aus niederem Adel) wird nach dem Studium von Rechtswissenschaft, Philosophie und Literatur (in Edinburgh) Privatgelehrter (A Treatise on Human Nature 1739), Diplomat, Historiker und Philosoph. Nach ihm wirkt der Mensch auf der Grundlage von allgemein anerkannten Regeln (Eigentum, Vertragstreue) zusammen, weil der einzelne Mensch wegen der knappen Güter allein nicht lebensfähig ist. Staatszweck ist der Schutz der Interessen der Bürger. Der Staat, der Eigentum und Freiheit sichert, ist der verhältnismäßig beste. H. beeinflusst Smith, Kant, Bentham und Mill mit seinen Vorstellungen unmittelbar.

Lit.: Jäger, W., Politische Partei und parlamentarische Opposition, 1971; Kulenkampff, J., David Hume, 2. A. 2003; Streminger, G., David Hume, 1994; Vernunft und Leidenschaft, hg. v. Doering, D., 2003; Szczekalla, M., David Hume, 2003

Hundertschaft (lat. [F.] centuria) ist im altrömischen Recht die militärische Einheit, die von den 10 Kurien einer Tribus zu stellen ist. Ob sie auch eine germanische Ver­waltungs­einheit darstellt, erscheint fraglich. Im Mittelalter wird an verschiedenen Stellen ein (ahd.) huntari oder eine hundred erwähnt (Mittelrhein, Niederrhein, Hessen, Franken, obere Donau, Friesland, Schweden, England), deren Herkunft und Zusammen­hang nicht zweifelsfrei erwiesen sind. In der Gegenwart wird H. eine Verwaltungs­einheit der Polizei (Bereitschaftspolizei, Bundesgrenz­polizei) ge­nannt.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 3 III; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 69; Schwerin, C. v., Die altgermanische Hundertschaft, 1907; Rietschel, S., Untersuchungen zur Geschichte der germanischen Hundertschaft, ZRG GA 28 (1907), 342; Schwerin, C. Frhr. v., Zur Hundertschaftsfrage, ZRG GA 29 (1908), 261; Rietschel, S., Zur Hundertschaftsfrage, ZRG GA 30 (1909), 193; Mayer, E., Hundertschaft und Zehntschaft nach niederdeutschen Rechten, 1916; Mayer, E., Die Hundertschaft, insbesondere nach ostniederländischem Recht, ZRG GA 46 (1926), 290; Leiß, L., Der Hundertschaftsrichter in bayerischen Ortsnamen, ZRG GA 53 (1933), 277; Andersson, T., Die schwedischen Bezirksbe­zeichnungen hund und hundare, Frühmittelalterliche Studien 13 (1979), 88; Wirth, G., A Hila, 1998

Hunne ist der Angehörige des aus Asien kommenden, 375 die Völkerwanderung germanischer Stämme in das römische Reich auslösenden, bald danach wieder ver­schwin­denden Volkes.

Lit.: Attila und die Hunnen, 2007; Schmauder, M., Attila und die Hunnen, 2009

Hure ist die käufliche Frau. →Prostitution

Lit.: Von Huren und Rabenmüttern, hg. v. Ulbricht, O., 1995

Hus, Johannes bzw. Jan (um 1370-6. Juli 1415), Magister, in Konstanz als Ketzer verbrannt, Anhänger (Hussiten) haben bis 1436 maßgeblichen Einfluss unter den Landständen Böhmens und Mährens, im 19. Jh. Symbolfi­gur des tschechischen Natio­nalismus

Lit.: Smahel, F., Husitská revoluce, 2. A. 1995f.; Jan Hus, hg. v. Seibt, F., 1997; Hilsch, P., Johannes Hus (um 1370-1415). Prediger Gottes und Ketzer, 1999; Jan Hus, hg. v. Drda, M. u. a., 1999; Smahel, F., Die hussitische Revolution, 2002;Krzenck, T., Johannes Hus, 2011;  Soukup, P., Jan Hus, 2013

Hut (M.) ist im älteren Recht ein Rechtssymbol (z. B. Hut des Landvogts Gessler bei Wilhelm Tell).

Lit.: Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943, 36; Hadwich, R., Die rechtssymbolische Bedeutung von Hut und Krone, 1952

Hygiene

Lit.: Hygiene in preußischen Schulvorschriften, hg. v. Apel, H. u. a., 1986

Hypothek (1563, Hypothekenbrief 1823, Hypothekenbuch 1695) ist die Belastung eines Grundstücks oder eines Miteigen­tumsanteils an einem Grundstück in der Weise, dass an den (Hypo­thekengläubiger), zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt bzw. besteht, (trotz fehlenden Besitzes) eine bestimmte Geldsumme zur Befriedigung wegen einer ihm zustehenden Forderung aus dem Grundstück zu zahlen ist. Im römischen Recht ist bereits in der klassischen Zeit (→Iulianus) unter dem Einfluss östlicher Provinzialpraxis (lat. [F.]) hypotheca („Unterpfand“) ein Name für das besitzlose, beim Schuldner verbleibende →Pfand (z. B. Inventarstücke eines Gutes zur Sicherung einer Forderung), von dem die griechische hypothéke (Unterlage) als ein Verhältnis reiner Sachhaftung zu unterscheiden ist. Dieses Pfandrecht kann an einzelnen Sachen oder Forderungen oder am ganzen Vermögen (General­hypothek) bestellt werden. Mehr­fache Verpfändung ist möglich, wobei der Prioritätsgrundsatz durchbrochen werden kann. Im Gegensatz zum römischen Recht entwickelt sich im deutschen Recht ein besonderes Grundpfand im Unterschied zum allgemeinen Pfand (an beweglichen Sachen). Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter bleibt an vielen Orten das bisherige Grundpfandrecht bestehen. An anderen wird das geltende Recht römisch­rechtlich abgeändert und eine Generalhy­pothek am gesamten Vermögen anerkannt. Verschie­dentlich wird dem öffentlichen Pfand der Vorrang vor formlosen Pfandrechten gewährt. Teils auf Grund von Gesetzen (Legalhypothek), teils auf Grund Ge­wohn­heitsrechts wird ohne Vereinbarung eine (lat.) hypotheca (F.) tacita (z. B. des Fiskus, des Bestandgebers, des Mündels, der Ehefrau) anerkannt. Seit dem ausgehenden 17. Jh. werden aber zur Sicherung des dadurch gefährdeten Kreditverkehrs Hypothe­ken­­bü­cher einge­führt, welche die Öffent­lichkeit gewährleisten und die stillschwei­gende H. ebenso ausschließen wie die General­hypothek. Im 19. Jh. wird das →Hypo­thekenbuch zum →Grundbuch erwei­tert (Preußen 1872, Österreich 1871). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist die H. nur eines von insgesamt drei Grund­pfand­rechten.

Lit.: Kaser § 31 III; Hübner; Köbler, DRG 163, 213, 240; Egger, A., Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischen Recht, 1903; Cohen, A., Die Verschuldung des bäuerlichen Grundbesitzes in Bayern, 1906; Herman, A., Het karakter van ons hypotheekrecht, 1914; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936; Pos, A. van der, Hypotheek op roerend grond, 1970; Stolleis, M., Das bayerische Hypothekengesetz von 1822 (in) Wissenschaft und Kodifikation 3 (1976), 240; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Marzi, L., Das Recht der Pfandbriefe und Hypothekenbanken, 2002; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Hypothekenbuch ist das seit dem ausgehenden 17. Jh. eingerichtete Buch zur Sicherung des Grundpfandverkehrs (Berlin 1693, Preußen 1722, Hypothekenordnung 1783). →Hypothek

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 163; Strippel, K., Die Währschafts- und Hypothekenbücher Kurhessens, 1914

Hypothekenordnung (Preußen 1722, 1783, Bayern 1822, Württemberg 1825, Sachsen 1843)

Lit.: Köbler, DRG 141; Bornhak, C., Preußische Staats- und Rechtsgeschichte, 1903

 

I

Iavolenus Priscus (C. Octavius Tidius Tossianus L. Iavolenus Priscus) (um 100 n. Chr.) ist der als besoldeter Staatsbeamter aufgestiegene römische Rechtskundige der →Sabinianer, von dem drei Bearbeitungen der Werke älterer Rechtskundiger und ein in 14 Bücher gegliedertes Sammelwerk praktischer Rechts­fälle (lat. [F.Pl.] epistulae, Briefe) bekannt sind.

Lit.: Söllner §§ 11, 16; Köbler, DRG 30; Eckardt, B., Iavoleni Epistulae, 1978; Manthe, U., Die libri ex Cassio des Iavolenus Priscus, 1982

Ibn Hazm (994-1064), Sohn eines hohen arabischen Amtsträgers in Cordoba (Spanien), ist der bedeutendste Vertreter der Rechts­schule Zahiriya. Für ihn ist Recht ein religiöses Gebot, das es dem Menschen ermöglicht, Gottes Willen zu erfüllen.

Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 110

Idealismus ist die philosophische Strömung, die alle Dinge auf einen geistigen (ideellen) Ursprung zurückführt. Der I. steht im Gegen­satz zum →Materialismus. Bekanntester Vertreter des I. im Altertum ist Platon (428/427-348/347 v. Chr.), bedeutendste deut­sche Vertreter des I. →Kant (1724-1804), von dem →Savigny beeinflusst wird, und →Hegel (1770-1831).

Lit.: Köbler, DRG 178; Metzger, W., Gesellschaft, Recht und Staat in der Ethik des deutschen Idealismus, 1917, Neudruck 1966; Rückert, J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984; Exemplaris imago - IDeale in Mittelalter und Neuzeit, 2012

Ideengeschichte

Lit.: Ideengeschichte, hg. v. Stollberg-Rilinger, B., 2010

Ideologie ist die Gesamtheit der einer bestimmten Gruppe von Menschen zugeordneten Denkweisen und Wertvor­stellungen. Sie wirkt sich besonders im 20. Jh. auf das Recht aus. Sowohl im →Nationalsozialismus wie auch im →Sozia­lismus (und anderen Ideologien) ist das Recht nur ein Mittel zur Durchsetzung der I.

Lit.: Köbler, DRG 226; Ideologie und Herrschaft in der Antike, 1979; Ideologie und Herrschaft im Mittelalter, hg. v. Kerner, M., 1982; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 131; Rüthers, B., Die Wende-Experten, 2. A. 1995; Choe, H., Ideologie, 1997; Schreckenberg, H., Ideologie und Alltag im Dritten Reich, 2003

Iglau in Südmähren wird nach der Entdeckung von Silber (um 1240) als Stadt um 1245 von deutschen Bergleuten gegründet. Sein →Bergrecht (1249/1280) wird vielfach andernorts übernommen.

Lit.: Tomaschek, J., Der Oberhof Iglau in Mähren und seine Schöffensprüche, 1868; Zycha, A., Das böhmische Bergrecht, 1900; Kresadlo, K., Jihlava, 1986

Ihering (Jhering), Rudolf von (Aurich 22. 8. 1818-Göttingen 17. 9. 1892), aus einer Juristenfamilie (Vater Notar und Abgeord­neter der Ständekammer Hannover, † 1825), wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (1836), Göttingen, München und Berlin (Puchta), der Promotion (Berlin 1842) und der Habilitation in Berlin (1843, Homeyer) Professor in Basel (1845), Rostock (1846), Kiel (1849), Gießen (1852), Wien (1868) und Göttingen (1872). Zunächst folgt er bis 1858/1859 →Puchta und erklärt das (römische) Recht aus seiner inneren Vernünftigkeit. Der Rechtswissen­schaft schreibt er die Aufgabe zu, nach Auflösung (Analyse) der komplexen Rechtsverhältnisse in einfache Elemente durch deren Kombi­nation neue Rechtsbegriffe zu erzeugen (Der Geist des römischen Rechtes auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, Bd. 1f. 1852ff., unvollendet) und damit letzlich das überkommene Recht der agrarischen Welt für die industrielle Welt zu modernisieren. Während der Arbeit an diesen Überlegungen wendet sich I. unter dem Eindruck der naturwissenschaftlichen Fortschritte seiner Zeit der soziologischen Betrachtung des Rechtes zu und befasst sich mit dem Zweck im Recht (1877f., unvollendet). Zu einer zukunft­weisenden brauchbaren Methoden­lehre gelangt er dabei nicht, wenngleich er die →Inter­essenjurisprudenz anregt. Dogmatisch gelingt ihm die Festigung der Unterscheidung von Rechtswidrigkeit und Schuld (1867) sowie die Entdeckung der →culpa in con­trahendo. Be­achtliche Breitenwirkung erlan­gen die Bücher Der Kampf ums Recht (1872, 20. A. 1921, veranlasst durch die Kündigung eines Dienstvertrags seitens einer Köchin) sowie Scherz und Ernst in der Jurisprudenz (1884, 13. A. 1924, Neudruck 1988).

Lit.: Köbler, DRG 189; Ist die Jurisprudenz eine Wissenschaft? (Wiener Antrittsvorlesung vom 16. Oktober 1868), hg. v. Behrends, O., 1998; Der Kampf ums Recht, 1872, 8. A. bearb. v. Hollerbach, A., 2003, http://www.koeblergerhard.de/Fontes/­JheringDer­Kampf­umsRecht.htm; Scherz und Ernst in der Jurisprudenz, 1884, hg. v. Leitner, M., 2009; Lange, H., Die Wandlungen Iherings, 1927; Wieacker, F., Rudolf von Jhering, ZRG RA 86 (1969), 1; Jherings Erbe, hg. v. Wieacker, F. u. a., 1970; Pleister, W., Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Jherings, 1982; Der Briefwechsel zwischen Ihering und Gerber, hg. v. Losano, M., 1984; Choe, B., Culpa in contrahendo bei Rudolf von Jhering, 1988; Iherings Briefe an Windscheid, hg. v. Kroeschell, K., 1988; Klemann, B., Rudolf von Jhering und die historische Rechtsschule, 1989; Rudolf von Ihering, hg. v. Behrends, O., 1992, 2. A. 1993; Privatrecht heute und Jherings evolutionäres Rechtsdenken, hg. v. Behrends, O., 1993; Der Kampf ums Recht, hg. v. Luf, G. u. a., 1995; Iherings Rechtsdenken, hg. v. Behrends, O., 1996; Der Briefwechsel Iherings mit Unger und Glaser, hg. v. Losano, M., 1996; Rudolf von Ihering, Ist die Jurisprudenz eine Wissenschaft?, hg. v. Behrends, O., 1999; Mecke, C., Rudolf von Jhering anonym publi­zierte Frühschriften, 2010; Seinecke, R., Rudolf von Jhering anno 1858, ZRG GA 130 (2013), 238

Illegitimität (F.) →Unehelichkeit

Lit.: Harms-Ziegler, B., Illegitimität und Ehe, 1991

Illyrien ist das nach dem indogermanischen Volk der Illyrer (u. a. Messapier und zahlreiche andere Einzelvölker) benannte Gebiet im Südosten und Nordwesten der Adria. Zwischen dem 5. bzw. 3. und dem 2. Jh. v. Chr. gerät es unter die Herrschafts Roms. Gaius Julius Caesar trennt es von Makedonien als eigene Provinz. Am Anfang des 6. Jh.s lassen sich im Norden Goten und ab etwa 580 Slawen nieder. Von 1767 bis 1777 werden Kroatien, Slawonien und Dalmatien Illyrien genannt. 1809 sind Osttirol, Westkärnten, Krain, Küstenland, Kroatien, Dalmatien und Ragusa bzw. Dubrovnik Teil der illyrischen Provinzen Frankreichs. Von 1814 bis 1849 besteht in Österreich ein ungefähr entsprechendes Königreich Illyrien, das in den Kronländern Kärnten, Krain und Küstenland aufgeht.

Lit.: Napoleon und seine Zeit, hg. v. Fräss-Ehrfeld, C., 2009

Imbreviatur ist die durch Abkürzungen gekennzeichnete Aufzeichnung eines recht­lichen Vorgangs durch einen →Notar (Ur­schrift). Im Gegensatz zum bloßen Entwurf enthält die I. den endgültigen vollständigen Urkunden­text unter Verwendung notarieller Abkürzungen (Imbreviaturen). Bereits im 12. Jh. sammeln Notare in Italien ihre Imbreviaturen in Imbreviaturbüchern (ältestes erhaltenes Fragment Genua 1154). Im 14. Jh. wird dies allgemein üblich.

Lit.: Voltelini, H. v., Die Südtiroler Notariatsimbreviaturen, Teil 1f. 1899ff.; Kern, F., Dorsualkonzept und Imbreviatur, 1906; Dolezalek, G., Das Imbreviaturbuch des erzbischöflichen Gerichtsnotars Hubaldus von Pisa, 1969; Notariado público, 1989

Imbreviaturbuch →Imbreviatur

Immaterialgüterrecht ist das Recht der unkörperlichen, geistigen Rechtsgüter. Es gewinnt erst im Laufe der Neuzeit an Bedeutung. Seine bekannteste Ausprägung ist das →Urheberrecht.

Lit.: Klippel, D., Historische Wurzeln und Funktionen, ZNR 1982, 132

immediat (Adj,) unmittelbar →Mediatisierung

Immerwährender Reichstag ist der seit 1663 als ständiger Gesandtenkongress in Regensburg tagende →Reichstag.

Immission (lat. [F.] immissio) ist die Zuführung unwägbarer Stoffe (auf ein Grundstück). Bereits im römischen Recht muss der Eigentümer eines Grundstücks das Eindringen von Rauch, Wasser und dergleichen auf das Grundstück dulden, wenn es das übliche Maß nicht überschreitet. Andernfalls stehen ihm Abwehransprüche zu. Das Mittelalter kennt nur einzelne entsprechende Sätze. Als Folge der Industrialisierung bilden die Immissionen eine wichtige Abgrenzungs­frage zwischen dem Freiheits­streben der Industrie und dem Schutz der Betroffenen, zu der sich der preußische Gesetzgeber (außer im Allge­meinen Landrecht von 1794 zivilrechtlich) in der Allgemeinen preußischen Gewerbeord­nung von 1845 und das preußische Ober­tribunal durch Beschluss vom 7. 6. 1852 weiterführend äußern. § 906 BGB nimmt das auf dieser Grundlage geschaffene Recht auf (Unwesentlichkeit, Üblichkeit). In der Gegen­wart gilt in Deutschland daneben ein beson­deres Bundesimmissions­schutz­gesetz (vom 15. 3. 1974), das die Genehmigungsbe­dürftigkeit bestimmter Anla­gen vorsieht. Rechtmäßig genehmigte Anlagen sind zu dul­den, doch kann ein Schadensersatzan­spruch in Betracht kommen.

Lit.: Kaser § 23 III 4; Kroeschell, DRG 3; Rohde, J., Das Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen im Gewerbe- und Immissionsschutzrecht von 1810, 2000; Seyed-Mahdavi Ruiz, S., Die rechtlichen Regelungen der Immissionen im römischen Recht und in ausgewählten europäischen Rechtsordnungen, 2000; Lies-Benachib, G., Immissionsschutz im 19. Jahrhundert, 2002; Koch, N., Die Entwicklung des deutschen privaten Immissionsschutzrechts seit Beginn der Industrialisierung, 2004; Staats, C., Die Entstehung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 15. März 1974, 2009

immobil (Adj.) unbeweglich

Immobiliarprozess ist der Prozess um Immo­bilien (unbewegliche Sachen, Grundstücke).

Lit.: Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen Zeit, 1893

Immobiliarrecht ist das besondere Recht der Grundstücke (Liegenschaften), wie es sich im deutschen Recht entwickelt.

Lit.: Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen Zeit, 1893; Meyer, F., Zur Geschichte des Immobiliarrechts der deutschen Schweiz im 13. bis 15. Jahrhundert, 1921; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Buchholz, S., Die Quellen des deutschen Immobiliarrechts im 19. Jahrhundert, Ius commune 7 (1978), 250

Immunität ist die Freiheit von einem Eingriff oder einer Einwirkung. Im Frühmittelalter ist I. die Freiheit einer besonders ausge­nommenen →Grundherrschaft von könig­licher Gewalt. Sie geht auf die spätrömische (lat. [F.]) →emunitas zurück, die Freiheit der kirchlichen, vielleicht auch der kaiserlichen Güter von öffentlichen Lasten bedeutet. Im 6./7. Jh. erweitert sich die I. dahin, dass der (Graf als der) örtliche Gewalthaber (kraft königlichen Privilegs für den Grundherrn) im Immunitätsgebiet ausgeschlos­sen wird und deshalb keine Verhöre durchführen, keine Abgaben einziehen, keine Geiseln wegführen und schließlich das Immunitätsgebiet über­haupt nicht mehr betreten darf. Seine Aufgaben nehmen die weltlichen und geistlichen Großen (Erz­bischöfe, Bischöfe, Äbte) als Immunitäts­berechtigte selbst (oder durch Vögte) wahr. Spätestens Otto I. gleicht diese Art der Beseitigung des Einflusses der weltlichen Gewalt auf die immunitätsbegabte Kirche dadurch aus, dass er selbst durch Einsetzen der Immunitätsberechtigten (Erzbischöfe  u. s. w.) unmittelbare Herrschaft über die zunehmend zu geschlossenen Bezirken werdenden Immunitätsgebiete gewinnt (otto­nisches bzw. ottonisch-salisches →Reichskir­chensystem). Nach dem hierdurch hervor­gerufenen →Investitur­streit (1075-1122) ge­hen die bedeutenden Immunitäten in den Landesherrschaften (geistlichen Fürstentü­mern) auf. In der Gegen­wart genießt der Abgeordnete parlamentarische I. im Sinne eines Schutzes vor bestimmten Maßnahmen, die sich gegen sein Verhalten außerhalb des Parlaments richten (Frankreich 1799, 1814).

Lit.: Köbler, DRG 85; Stengel, E., Grundherrschaft und Immunität, ZRG GA 25 (1904), 286; Dopsch, A., Steuerpflicht und Immunität im Herzogtum Österreich, ZRG GA 26 (1905), 1; Voltelini, H. v., Immunität, grundherrliche und leibherrliche Gerichtsbarkeit in Südtirol, Archiv f. österreichische Geschichte 94 (1907), 311; Kroell, M., L’immunité franque, 1910; Stengel, E., Die Immunität, 1910, Neudruck 1964; Hirsch, H., Die Klosterimmunität seit dem Investiturstreit, 1913, 2. A. 1967; Kühn, G., Die Immunität der Abtei Groß-St. Martin zu Köln, 1913; Zatschek, H., Beiträge zur Diplomatik der mährischen Immunitätsurkunden, 1931; Heidrich, I., Die Verbindung von Schutz und Immunität, ZRG GA 90 (1973), 10; Pfaff, V., Die päpstlichen Klosterexemtionen in Italien, ZRG KA 72 (1986), 76; Frey, L./Frey, M., The History of Diplomatic Immunity, 1999; Immunität und Landesherrschaft, hg. v. Kappelhoff, B. u. a., 2002; Rau, J., Der Fall Friedrich List, 2010; Bachrach, D., Immunities as Tools of Royal Military Policy under dthe Carolingian and Ottonian Kings, ZRG GA 130 (2013), 1

Immunitätsprivileg →Immunität

Impeachment ist vor allem ein seit 1376 angewendetes Strafverfahren im eng­lischen Recht, bei dem das →House of Commons anklagt und das House of Lords entscheidet (z. B. 1386 gegen den englischen Kanzler).

Lit.: Plucknett, T., Studies in English Legal History, 1983

impedimentum (lat. [N.]) Hindernis (z. B. Ehehindernis)

imperator (lat. [M.]) Kaiser

Lit.: Söllner § 14; Köbler, LAW; Mc Fayden, D., The History of the Title I., 1920; Kienast, D., Imperator, ZRG RA 78 (1961), 403

Imperialismus ist die auf Gewinnung eines Imperiums durch Eroberung und Ausdehnung gerichtete Zielsetzung des Staates seit dem 17., insbesondere seit dem 19. Jh.

Lit.: Wehler, H., Bismarck und der Imperialismus, 1969; Imperialismus und Kolonialismus, hg. v. Bade, K., 1983; Schöllgen, G., Das Zeitalter des Imperialismus, 1986, 3. A. 1994, 5. A. 2009; Cain, J./­Hopkins, A., Bri­tish Imperialism, 1993; Fröhlich, M., Imperialismus, 1994; Petersson, N., Imperialismus und Modernisierung, 2000; Berke, A., Imperialismus und nationale Identität, 2003; Pogge von Strandmann, H., Imperialismus vom grünen Tisch, 2009; Imperialkriege von 1500 bis heute, hg. v. Bührer, T. u. a., 2011

Imperium (lat. [N.]) ist im altrömischen Recht die unbeschränkte Amtsgewalt der Konsuln (später auch der Statthalter von Provinzen), zu der auch die Zuchtgewalt zählt, sowie das Gebiet, in dem sie ausgeübt wird. Nach dem (lat.) imperium (N.) Romanum versteht sich auch die weltliche Herrschaft im Mittelalter als ein i. Ihm tritt das (lat. [N.]) sacerdotium des Papstes gegenüber. Mit dem Beginn der Neuzeit nimmt (lat. [F.]) potestas (Gewalt, Hoheitsgewalt) den Platz von i. ein, das seinerseits als Weltreich verstanden wird.

Lit.: Söllner §§ 6, 9, 14, 15; Köbler, DRG 18; Köbler, LAW; Kornemann, E., Doppelprinzipat und Reichstei­lung im imperium Romanum, 1930; Stengel, E., Regnum und imperium, 1930; Heuß, A., Zur Entwicklung des imperiums des römischen Oberbeamten, ZRG RA 64 (1944), 57; Dempf, A., Sacrum imperium, 2. A. 1954; Nörr, D., Imperium und Polis in der hohen Prinzipatszeit, 2. A. 1969; Thomas, H., Zwischen regnum und imperium, 1973; Papst, A., Divisio regni, 1986

Imperium (N.) merum et mixtum (lat.) ist nach einer Unterscheidung des römischen Rechtskundigen Ulpian (170?-223) die oberste Staatsgewalt und die oberste Gewalt der Zivilrechtspflege. Seit dem 12. Jh. erscheint die hierauf gegründete Einteilung der Gerichts­barkeit in die Gerichtsbarkeit über Leben, Freiheit und Bürgerrecht und die übrige Gerichtsbarkeit im deutschen Reich. Seit dem 14. Jh. wird das i. m. e. m. als Grundlage aller Hoheitsrechte verstanden, danach als Landeshoheit.

Lit.: Hirsch, H., Die Klosterimmunität seit dem Investiturstreit, 1913

imperium (N.) Romanum (lat.) Römisches Reich

implantatio (lat. [F.]) Einpflanzung, Ver­bin­dung

Impossibilium nulla est obligatio (lat.). Zu Unmöglichem gibt es keine Verpflichtung (z. B. bewirkt Fehlen eines Kaufgegenstands Nichtigkeit des Kaufvertrags).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Celsus, um 70-um 140 n. Chr., Digesten 50, 17, 185); Wollschläger, C., Die Entstehung der Unmöglich­keitslehre, 1970

Impubes (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Unmündige (Gesclelchtsunreife). Ist er (lat.) infantia maior (älter als 7), kann er, gegebenenfalls mit Zustimmung des Vormunds (lat. [M.] tutor), ein Rechtsgeschäft vornehmen. Mit dem Eintritt der Geschlechtsreife (lat. [F.] pubertas) wird der i. ursprünglich vollständig geschäftsfähig und deliktsfähig. Die Mündigkeit wird bei Knaben (durch die Prokulianer) auf 14, bei Mädchen auf 12 festgelegt. Allerdings besteht (wohl schon seit der Lex Laetoria von etwa 200 v. Chr.) bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs ein besonderer Schutz bei Rechtsgeschäften.

Lit.: Kaser § 14 II, 62 I, 82 II; Köbler, DRG 21

Imputation ist die von →Pufendorf (1632-1694) aus der Theologie in das Strafrecht übernommene Zurechnung einer Handlung und eines Erfolgs zu einem Menschen. Ihre Möglichkeit beruht auf der Freiheit und der Normbezogenheit menschlichen Handelns. Ermittelt werden die Voraussetzungen, die für Bestrafung bestehen. →Feuerbach (1755-1833) unterscheidet demgegenüber die ab­strakte I. des Gesetzgebers bei der Festlegung des strafbaren Verhaltens und der Strafe im Strafbestand und die konkrete I. des Richters bei Bestimmung der Strafe im einzelnen Fall. Wenig später wird die I. auf die Handlung beschränkt. Erhalten geblieben ist der Begriff der Zurechnungsfähigkeit.

Lit.: Berner, A., Grundlinien der criminalistischen Imputationslehre, 1843; Welzel, H., Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958; Genka, T., Zur textlichen Grundlage der Imputationslehre Gratians, BMCL 25 (2002/2003), 40

In bonis (lat. im Vermögen) sein bzw. haben ist im klassischen römischen Recht eine Bezeichnung für den Schutz durch den Prätor gegen einen Dritten. Wer eine handgreifbare Sache (lat. [F.] res mancipi) ohne den Formalakt der →Manzipation erhält und i. b. hat, (erwirbt zwar nicht ziviles Eigentum, das bei dem Veräußerer verbleibt,) erlangt (aber) prätorisches bzw. bonitarisches Eigentum bzw. Schutz durch den Prätor. Im spätantiken römi­schen Recht wird die Unterscheidung zwischen zivilem Eigentum und prätorischem Eigentum beseitigt.

Lit.: Kaser §§ 22ff.; Söllner § 9; Ankum, H. u. a., Die verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks in bonis alicuius esse, ZRG RA 107 (1990), 155

in dorso (lat.) auf dem Rücken, →Indossament

In dubio pro reo ist der bereits im klassischen römischen Recht im Ansatz bekannte Satz, dass ein Angeschuldigter im Zweifel freizusprechen ist. In der Neuzeit formuliert Stübel 1811 in Anschluss an Justinians →Digesten 42, 1, 38 den Satz neu. Demnach gilt der Angeklagte bis zum Nachweis der Schuld als unschuldig, weil im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden ist (vgl. Art. 6 II der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte 1950). In der Verfahrens­wirklichkeit setzt sich der Satz aber erst allmählich durch.

Lit.: Köbler, DRG 35, 203; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Bossius 1562, vgl. Digesten 50, 17, 125 Gaius um 120-um 180, Aristoteles); Moser, K., In dubio pro reo, Diss. jur. München 1933; Wenig, G., In dubio pro reo, Diss. jur. Tübingen 1946; Holtappels, P., Die Entwicklungsgeschichte des Grundsatzes „in dubio pro reo“, 1965

In integrum restitutio (F.) (lat.) ist im römischen Recht in verschiedenen Fällen (z. B. Zwang) die vom Prätor gewährte →Wiedereinsetzung in den früheren Stand, mit der die eingetretenen Wirkungen des Geschäfts durch besondere Klagen wieder beseitigt werden sollen. Eine vom Richter durchgeführte i. i. r. bewirkt die (lat.) →actio (F.) quod metus causa, die den bestraft, der die Wieder­gutmachung verweigert.

Lit.: Kaser § 8 IV

in iure (lat.) vor (dem) Gericht(smagistrat)

In iure cessio (F.) (lat.) ist die im römischen Recht als Umgehung schwerfälliger Formalakte im Wege eines Scheinverfahrens mögliche Übertragung, Abtretung oder Auf­he­bung be­stimmter Rechte auf der Gerichtsstätte.

Lit.: Kaser § 7 II; Söllner §§ 8, 9, 18; Köbler, DRG 21, 25, 40

In ius vocatio (lat. [F.]) ist die Rufung bzw. Ladung des Gegners in das Gericht, welcher der Gegner im altrömischen Recht der Zwölftafeln sofort zu folgen hat.

inaedificatio (lat. [F.]) Einbau

Inama-Sternegg, Karl Theodor von (Augsburg 20. 1. 1843-Innsbruck 28. 11. 1908) wird nach dem Studium von Geschichte, Recht und Staatswissenschaft in München 1868 außer­ordentlicher Professor und 1871 ordentlicher Professor in Innsbruck, 1880 in Prag und 1881 in Wien. Seine Deutsche Wirtschafts­geschichte (1878ff.) ist die erste unmittelbar aus den Quellen erarbeitete Gesamtdarstellung.

Inauguration (F.) Einführung

Lit.: Königshaus, J., Die Inauguration der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 1665, 2002

incapacitas (lat. [F.]) Unfähigkeit

Incertum (lat. [N.] Unbestimmtes) ist im römischen Recht die unbestimmte Leistung. Im spätantiken Recht wird die Unter­scheidung zwischen bestimmter Leistung und unbestimmter Leistung ge­lockert.

Lit.: Kaser §§ 35 I, 37 I, 48 II

incipit (lat.) es fängt an

Indebitum solutum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die nichtgeschuldete Leistung. Sie kann im klassischen römischen Recht wohl wegen der Ähnlichkeit mit dem Darlehen mit der besonderen Begehrensform der →Kon­diktion zurückverlangt werden.

Lit.: Kaser § 48 II 2

Indemnität ist die Befreiung des Abgeordneten von der gerichtlichen oder dienstlichen Verfolgung wegen einer Abstimmung oder Äußerung im Parlament. Die früher auch als →Immunität bezeichnete I. entsteht in England mit der →Bill of Rights (1689). Im →Deutschen Bund erscheint sie seit 1818 (Bayern, Württemberg 1819, Sachsen 1831, Preußen 1848).

Lit.: Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 3 1963, 348; Hilgendorf, E., Die Entwicklungsgeschichte der parlamentarischen Redefreiheit, 1991

Index (M.) librorum prohibitorum (lat.) ist der Anzeiger der (für Christen) verbotenen Bücher (1557/1559/1564-1948/1966/­1967).

Lit.: Becker, G., Deutsche Juristen und ihre Schriften auf den römischen Indices des 16. Jahrhunderts, 1970; Eisenhardt, U., Strafe und Strafzweck bei der Bestrafung von Autoren, Druckern und Händlern verbotener Schriften, FS G. Bemmann, 1997, 36; Inquisition – Index – Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001; Wolf, H., Index, 2008; Römische Inquisition und Indexkongregation, hg. v. Wolf, H., Bd. 1ff. 2009f.

Indien

Lit.: Kulke, H./Rothermund, D., A History of India 1984, 5. A. 2010; Das, I., Staat und Religion in Indien, 2004: Kulke, H., Indische Geschichte bis 1750, 2005; Mann, M., Geschichte Indiens. Vom 18. bis zum 21. Jahrhundert, 2005; Schoettli, U., Indien, 2009; Rothermund, D., Indien, 2008; Lütt, J., Das moderne Indien 1498-2004, 2011; Mukherji, M., India in the Shadows of Empire, 2012; Sinha, C., Debating Patriarchy - The Hindu Code Bill Controversy in India (1941-1956), 2012

Individuum (N.) Unteilbares, Einzel­mensch

Lit.: Conrad, H., Individuum und Gemeinschaft in der Privatrechtsordnung, (1956)

Indiz ist eine Tatsache, aus deren Vorhandensein einleuchtenderweise auf das Vorhandensein einer anderen Tatsache geschlossen werden kann. Das I. ist von besonderer Bedeutung im Strafverfahrens­recht. Hier ist bei Fehlen besserer Beweismöglichkeiten der Beweis mit Hilfe von Indizien (Indizienbeweis) möglich. Nach der frühneuzeitlichen Indizienlehre etwa der →Constitutio Criminalis Caro­lina von 1532 ist die →Folter nur zulässig bei Vorliegen be­stimmter Indizien (z. B. blutbefleckte Kleidung eines einer Bluttat Verdächtigen).

Lit.: Köbler, DRG 138, 156; Kusch, K., Der Indizienbeweis des Vorsatzes, Diss. jur. Hamburg, 1963; Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1976; Pöltl, R., Die Lehre vom Indizienbeweis, 1999; Michels, K., Der Indizienbeweis, Diss. jur. Tübingen 2000

Indogermane ist der Angehörige eines der zur indogermanischen Sprachenfamilie (keltisch, italisch, germanisch, baltisch, slawisch, il­lyrisch, thrakisch, albanisch, griechisch, phrygisch, hethitisch, armenisch, iranisch, in­doarisch, tocharisch, mit einer jeweils ältesten Überlieferung zwischen dem 14. Jh. v. Chr. und dem 16. Jh. n. Chr.) gehörenden Einzelvölker. Wann und wo dieses philologisch rekon­struierte Volk besteht, ist unklar (Mit­teleuropa?, Osteuropa?, um 2000 v. Chr.?, Entstehung in Anatolien vor 7800 bis 9800 Jahren?). Die Zahl seiner philologisch erschließbaren Rechtseinrichtun­gen (Volk, Haus, Zeuge, Gast, Erbe) ist gering. Dem Indogermanischen könnte ein wenig bekanntes Protoindogermanisch nörd­lich des Schwarzen Meeres um 3500 v. Chr. vorangegangen sein.

Lit.: Söllner §§ 2, 4; Köbler, DRG 10, 13; Bopp, F., Vergleichende Grammatik des Sanskrit …, 1833; Schleicher, A., Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen, 1861, 4. A. 1876; Delbrück, B., Die indogermanischen Verwandtschaftsnamen, 1889; Leist, B., Altarisches ius gentium, 1889, Neudruck 1978; Brugmann, K., Grundriss der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen, 1893ff. Brunner, H., Eine bisher unbekannte indogermanische Sprache, ZRG GA 29 (1908), 340 (tocharisch); Schulz, W., Indogermanen und Germanen, 2. A. 1938; Pokorny, O., Indogermanisches etymologisches Wörterbuch, 1959ff.; Schlerath, B., Die Indogermanen, 1972; Seebold, E., Das System der indogermanischen Halbvoklae, 1972; Gamkrelidze, T./Ivanov, V., Indo-European and the Indo-Europeans, 1995; Schmitt-Brandt, J., Einführung in die Indogermanistik, 1998; Köbler, G., Indogermanisch-neuhochdeutsches und neuhoch­deutsch-indogermanisches Wörterbuch, 3. A. 1999 (Internet); Greenberg, J., Indo-European and its closest relatives, 2000; Fortson, B., Indo-European language and culture, 2004; Anthony, D., The Horse, the Wheel and Language, 2007; Stüber, K. u. a., Indogermanische Frauennamen, 2009; Mayerhofer, M., Indogermanistik - über Darstellungen und Einführungen von den Anfängen bis in die Gegenwart, 2009; Fritz, M., Der Dual im Indogermanischen, 2011; Kuryłowicz, J. u. a., Indogermanische Grammatik, Bd. 4, 1 Komposition 2011

Indossament ist eine regelmäßig auf der Rückseite (lat. in dorso, frz. en dos) eines →Wertpapiers angebrachte Erklärung, durch die eine Person (Indossant) die Rechte aus einem →Orderpapier auf eine andere Person (Indossatar) überträgt. Das erstmals in Pisa 1392 bezeugte I. erscheint häufiger zu Beginn des 17. Jh.s in Frankreich (etwa gleichzeitig mit der zur selben Zeit in Süditalien aufge­kommenen, vorderseitig angebrachten girata). Seine Ursprünge sind ungeklärt.

Lit.: Köbler, DRG 167; Schaps, G., Zur Geschichte des Wechselindossaments, 1892; Opitz, P., Der Funktionswandel des Wechselindossaments, Diss. jur. Berlin 1967; Melis, F., Guida alla mostra internazionale della banca, 1972

Industrie ist die gewerbliche Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen. Die I. entsteht (in einem vielfach als industrielle Revolution bezeichneten evolutionären Vorgang) nach Änderungen in Handel, Wissenschaft, Landwirtschaft und Technik sowie wohl auch Mentalität seit dem Ende des 18. Jh.s (1760?) in Großbritannien, wo Kohle und Eisenerz leicht abbaubar und nahe beieinander verwertet werden können. Seit dem frühen 19. Jh. folgen die deutschen Staaten (z. B. Sachsen) (1800-1830 leichtindustriell, 1830-1880 schwerindustriell, Durch­bruchs­­phase 1845-1875, 1880-1914 Elektroindustrie, chemische Industrie, opti­sche Industrie). Die Industrialisierung be­deutet den raschen Übergang von der Landwirtschaft zur arbeitsteiligen gewerb­lichen Wirtschaft. Eine wichtige Folge ist die Entstehung des →Arbeitsvertrags.

Lit.: Köbler, DRG 175, 176; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 237; Quellen zur Geschichte der industriellen Revolution, hg. v. Treue, W. u. a., 1966; Mauersberg, H., Deutsche Industrien im Zeitgeschehen eines Jahrhunderts, 1966; Forsthoff, E., Der Staat in der Industriegesellschaft, 1971; Abel, W., Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Deutschland, 1972; Söllner, A., Der industrielle Arbeitsvertrag, (in) Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 288; Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974; Sozialgeschichtliche Probleme in der Zeit der Hochindustrialisierung, hg. v. Pohl, H., 1979; Schlosser, H., Folgen der Indus­trialisierung, Quaderni Fiorentini 10 (1981), 403; Klassen, K., Mitverwaltung und Mitverantwortung in der frühen Industrie, 1984; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2 6. A. 1984; Ruppert, W., Die Fabrik, 1987; Kiesewetter, H., Industrialisierung und Landwirtschaft, 1988; Kiesewetter, H., Industrielle Revolution, 1989; Studien zur Einwirkung der Industrialisierung auf das Recht, hg. v. Coing, H., 1991; Hudson, P., The Industrial Revolution, 1992; Die Eisen- und Stahlindustrie im Dortmunder Raum, hg. v. Dascher, O. u. a., 1992; Buchheim, C., Industrielle Revolutionen, 1994; Hahn, H., Die industrielle Revolution, 1998, 2. A. 2005, 3. 2011; Gestwa, K., Proto-Industrialisierung in Russland, 1999; Marsch, U., Industrieforschung in Deutschland und Großbritannien, 1999, Bührer, W., Der Bundesverband der Deutschen Industrie, 1999; Marsch, U., Industrieforschung, 1999; Krämer, J., Industrialisierung und Feiertage, 1999; Kiesewetter, H., Region und Industrie in Europa 1815-1995, 2000; Gall, L., Krupp, 2000; Gorißen, S., Vom Handelshaus zum Unternehmen, 2002; Butschek, F., Europa und die industrielle Revolution, 2002; Lenger, F., Industrielle Revolution und Nationalstaatsgründung, 2003; Kiesewetter, H., Industrielle Revolution in Deutschland, 2004; Condrau, F., Die Industrialisierung in Deutschland, 2005; Ziegler, D., Die industrielle Revolution, 2005, 2. A. 2009, 3. A. 2011; Vec, M., Recht und Normierung in der industriellen Revolution, 2006; Butschek, F., Industrialisierung, 2006; Kiesewetter, H., Die Industrialisierung Sachsens, 2006; Risques et prises de risques dans les sociétés industrielles, hg. v. Varaschin, D., 2007; Gehlen, B., Paul Silverberg (1876-1959) 2007; Liedtke, R., Die industrielle Revolution, 2010; James, H., Krupp, 2011; Das Recht der industriellen Revolution, hg. v. Maetschke, M. u. a., 2013

Industriekammer ist die politische Ver­tretung der Interessen der Unternehmen der Industrie. Sie entsteht im 19. Jh. nach dem Vorbild der Handelskammer.

Lit.: Bibliographie zur Geschichte und Organisation der Industrie- und Handelskammern, hg. v. Ernst, S., 1986; Kaltenhäuser, K., Möglichkeiten und Perspektiven einer Organisation der Wirtschafts­verwaltung, 1998; Schmaltz, J., Die Entwicklung der Industrie- und Handelskammern, 2010; Will, M., Selbstverwaltung der Wirtschaft, 2011

infam →Infamie

Infamie (lat. [F.] infamia) ist die mit gewis­sen Handlungen verbundene Rechtsfolge des Verlustes der bürgerlichen →Ehre im älteren Recht. Im römischen Recht ziehen Kuppelei, Lohnkampf mit Tieren, Schauspielerei, Dop­pelehe, Wu­cher, Häresie, Ausstoßung aus dem Heer und bestimmte Verurteilungen die I. (Verlust der bürgerlichen Ehre) nach sich. Die Kirche setzt seit 419 auf die schuldhafte Aufgabe des christlichen Gesetzes und die Missachtung kirchlicher Vorschriften (Sakrileg, Grabfrevel, Zauberei, Giftmi­scherei, Ehebruch, Blutschande, Mein­eid, Diebstahl, Raub, Mord) die I. (Wei­he­hindernis, Zeugnisunfähigkeit  u. s. w.). Im weltlichen Recht schließen einzelne deutsche Reichsgesetze von einzelnen Rechten aus (1512 Ehrlose vom Notariat, 1577 Zöllner, Müller, Bader  u. s. w. von Zünften, 1577 Bankrotteure). Ein Überrest der I. ist die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte im deutschen Reichsstrafge­setzbuch von 1871. Nach Aufhebung der Vorschriften zum 1. 4. 1970 sieht § 45 StGB nur noch eine eingeschränkte Aberkennung von Rechten vor.

Lit.: Kaser §§ 13 III, 36 III, 82 II; Mühlebach, A., Die Infamie in der decretalen Gesetzgebung, 1923; Löbmann, B., Der kanonistische Infamiebegriff, 1956; May, G., Die Anfänge der Infamie im kanonischen Recht, ZRG KA 47 (1961), 77; Landau, P., Die Entstehung des kanonistischen Infamiebegriffs, 1966

Infans (lat. [M.]) ist im römischen Recht das →Kind, das die für rechtliche Folgen bedeut­samen Wörter noch nicht sprechen kann, im spätrömischen Recht das Kind bis zur Vollendung des siebenten Lebensjahrs. Der i. kann kein Rechtsgeschäft tätigen (geschäfts­unfähig) und keine ersatzpflichtige Handlung (Delikt, deliktsunfähig) begehen.

Lit.: Kaser § 14 I 1; Köbler, LAW

Inflation ist die Erhöhung des nominalen Wertes einer Geldeinheit. Eine geringfügige I. ist ein Kennzeichen fast aller Zeiten der Geldwirtschaft. In der I. im →Deutschen Reich nach dem ersten Weltkrieg ist als Folge der Reparationsverpflichtungen Deutschlands im November 1923 ein Dollar 4200000000 Mark wert. Eine derartige I. hat unmittelbare Auswirkung auf alle wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse.

Lit.: Köbler, DRG 224; Redlich, F., Die deutsche Inflation des frühen 17. Jahrhunderts, 1972; Nörr, K., Der Richter zwischen Gesetz und Wirklichkeit, 1996; Kerstingjohänner, H., Die deutsche Inflation 1919-1923, 2004; Geldmenge, Warenmenge, Inflation, hg. v. Borstelmann, A. u. a., 2010

Infortiatum (lat. [N.]) →Digestum infortiatum

Lit.: Wouw, H. van de, Zur Textgeschichte des Infortiatum, Ius commune 11 (1984), 231

Infrastruktur

Lit.: Ambrosius, G. u. a., Integration von Infraswtrukturen in Europa im historischen Vergleich, Bd. 1 2013

Ingelheim am mittleren Rhein ist Sitz eines vielleicht aus einem ehemaligen Reichs­vogteigericht hervorgegangenen, seit 1366 bezeugten →Oberhofs, dessen erhaltene Aufzeichnungen mehr als 3000 Urteile zwischen 1398 und 1464 überliefern (davon etwa 7% Strafrechtsfälle). Seit 1. 4. 1929 ist I. (mit Oberingelheim, Niederingelheim, Freiwein­heim und Sporkenheim) Stadt, zu der seit 1972 Großwinternheim zählt.

Lit.: Loersch, H., Der Ingelheimer Oberhof, 1885; Meyer, H., Über die Wiederauffindung eines verschollenen Protokollbuches, ZRG GA 24 (1903), 390; Tillmann, W., Aus dem Prozess des Ingelheimer Oberhofs, 1935; Erler, A., Ingelheimer Urteile als Quellen F. J. Bodmanns, ZRG GA 69 (1952), 74; Die älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff. 1952ff.; Erler, A., Die Stilllegung des Schöffenstuhls im Recht des Ingelheimer Oberhofes, ZRG GA 76 (1959); Rotthaus, K., Redde und Schult in den Urteilen des Ingelheimer Oberhofes, 1959; Erler, A., Ingelheimer Urteile als Vorlagen F. J. Bodmanns, ZRG GA 77 (1960), 345; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, 1960; Reifenberg, W., Die kurpfälzische Reichspfandschaft Oppenheim Gauodern­heim Ingelheim 1375-1648, (Diss. phil. Mainz 1964) 1968; Gudian, G., Der Oberhof Ingelheim, ZRG GA 81 (1964), 267; Ingelheim am Rhein, hg. v. Autenrieth, J., 1964; Eigen, P., Die Verbotung in den Urteilen des Ingelheimer Oberhofes, 1966; Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Schmitz, H., Pfalz und Fiskus Ingelheim, 1974; Bley, H., Das Erbrecht nach den Urteilen des Ingelheimer und Neustadter Oberhofs, Diss. jur. Frankfurt am Main 1977; Erler, A., Ingelheimer Prozesse nach dem Städtekrieg von 1388, 1981; Zwerenz, R., Der Rechts­wortschatz der Urteile des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Gießen 1988; Fuhrmann, J., Theorie und Praxis in der Gesetzgebung des Spätmittelalters in Deutschland, 2001; Die Ingelheimer Haderbücher, hg. v. Felten, F., 2010; Die Ingelheimer Haderbücher, hg. v. Marzi, W., Bd. 1 Das Oberingelheimer Haderbuch 1476-1495, 2011, Bd. 2 2013; Alltag, Herrschaft, Gesellschaft und Gericht, hg. v. Marzi, W. u. a., 2012

ingenuus (lat. [Adj.]) freigeboren

Ingolstadt an der Donau wird 806 bezeugt (841 Königshof an Niederaltaich). Um 1250 ist es Stadt. 1459/1472 wird es Sitz einer 1800 nach Landshut und 1826 nach München verlegten →Universität.

Lit.: Listl, R., Die Ingolstädter Handwerkerverbände, Diss. jur. München 1956; Dickerhof, H., Land, Reich, Kirche im historischen Lehrbetrieb an der Universität Ingolstadt, 1971; Seifert, A., Statuten- und Verfas­sungsgeschichte der Universität Ingolstadt (1472-1586), 1971; Real, H., Die privaten Stipendienstiftungen, 1972; Wolff, H., Geschichte der Ingolstädter Juristenfakultät 1472-1625, 1973; Kreh, F., Leben und Werk des Reichsfreiherrn Johann Adam von Ickstatt (1702-1776), 1974; Ingolstadt, hg. v. Müller, T. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Freilinger, H., Ingolstadt, 1977; Hofmann, S., Geschichte der Stadt Ingolstadt, 2000

Inhaberpapier ist das →Wertpapier, bei dem das verbriefte Recht grundsätzlich von jedem Inhaber geltend gemacht werden kann. Es fehlt dem Altertum, von bescheidenen Ansätzen abgesehen, ganz, erscheint aber seit dem 9. Jh. vor allem in Gebieten lango­bardischen Rechtes in Italien und ist im Mittelalter als Möglichkeit der Übertragung von Rechten und der Vertretung verbreitet. In Sachsen tritt 1763 die Inhaberschuldver­schreibung auf. Seit dem →Allgemeinen Landrecht (Preußen 1794) finden sich gesetzliche Regelungen.

Lit.: Hübner; Brunner, H., Zur Geschichte des Inhaberpapieres in Deutschland, ZHR 23 (1978), 225; Brunner, H., Das französische Inhaberpapier, 1879; Meppen, D., Das Inhaberpapier, 2014

Iniuria (lat. [F.]) ist im römischen Recht das Unrecht (in der Form der Perso­nen­verletzung, das bei Vorliegen eines Rechtferigungsgrunds ausscheidet). Nach altrömischem Recht soll neben Gliedzerreißen und Beinbrechen jedes sonstige Unrecht (i.) mit der Leistung von 25 Pfund Kupfer ausgeglichen werden. Im klassischen römischen Recht wird die i. zu einem Tatbestand erweitert, der jede bewusste Missachtung der Persönlichkeit in Wort oder Tat (→Körperver­letzung) eines anderen erfasst. Rechtsfolge ist ein durch Schätzung zu ermittelnder Geldausgleich. Im spätantiken römischen Recht ist i. ein Straftatbestand (Ehrverletzung) und eine Deliktsobligation (Persönlichkeitsmissachtung). Im deutschen Sprachraum wird iniuria als Injurie (Realinjurie, Verbalinjurie) aufgenommen (z. B. Bayern 1756, Preußen 1793 bzw. 1794→Beleidigung).

Lit.: Söllner §§ 5, 8, 10; Köbler, DRG 27, 48, 65; Köbler, LAW; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung im frühen römischen Recht, 1984; Hagemann, M., Iniuria, 1998; Lingelbach, G., Injurie und Injuriensachen, (in) Organisation der Kritik, hg. v. Matuschek, S., 2004, 143; Iniuria and the Common Law, hg. v. Descheemaker, E. u. a., 2013

Inka

Lit.: Schmelz, B., Die Inka, 2013

Inkorporation ist die Eingliederung einer kirchlichen →Körperschaft in eine andere. Sie entwickelt sich seit dem Ende des 11. Jh.s (Benediktinerorden) und wird im 13. Jh. voll ausgebildet. Mit der I. gehen die Rechte an der bisherigen kirchlichen Körperschaft (z. B. Kirche) auf eine andere kirchliche Körperschaft (z. B. Kloster) über, ohne dass die Rechts­persönlichkeit der inkorporierten Körperschaft endet. In der Neuzeit wird die I. wegen der mit ihr gegebenen Zerstörung der kirchlichen Ordnung zurückgedrängt (Trient 1545-1563).

Lit.: Hinschius, P., Zur Geschichte der Inkorporation und des Patronatsrechts, 1873; Sanmann-von Bülow, H., Die Inkorporationen Karls IV., 1941; Lindner, D., Die Lehre von der Inkorporation, 1951

Inkunabel (F.) Wiegendruck, Druck vor 1500

Lit.: Langer, G., Von Zusammenhängen zwischen Inkunabelforschung und Rechtsgeschichte, ZRG GA 85 (1968), 217; Catalogogus incunabulorum Hun­gariae, hg. v. Sájo, G. u. a., 1970; Bayerische Staatsbibliothek, Inkunabelkatalog, Bd. 6 2005 (Internetversion vorhanden); Mazal, O., Österreichische Nationalbibliothek Inkunabelkata­log, Bd. 1 2004; Die Inkunabeln, bearb. v. Raffel, E., 2007; Inkunabeldatenbank INKA (in Tübingen) http://www.inka.uni-tuebingen.de

Innehabung (lat. [F.] detentio) ist im römischen Recht eine nur schwach geschützte Beziehung eines Menschen zu einer Sache, die den Innehaber schlechter stellt als den Besitzer beim Besitz (lat. [F.] possessio). Bloße Innehaber sind alle nicht besonders be­günstigten Fremdbesitzer (z. B. Verwahrer, Entleiher, Beauftragter, Geschäftsführer ohne Auftrag, Werkunternehmer, Mieter, Pächter). Ihnen steht kein →Besitzschutz zu. Die I. ist im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) aufgegeben.

Lit.: Kaser § 19 V

Innenministerium ist das für innere Ange­legenheiten zuständige Ministerium eines Staates (z. B. Österreich 1848 aus böhmisch-österrei­chischer Hofkanzlei).

Innerösterreich ist die im Spätmittelalter (1379-1457/1463) und in der frühen Neuzeit (1564-1619) infolge von Erbteilungen des Hauses →Habsburg entstehende Gebiets­einheit (Steier­mark, Kärnten, Krain, Görz, Gradiska, Windische Mark), die auch später noch als eigene Verwaltungseinheit behandelt wird (Regiment in Graz bis 1749).

Lit.: Wolf, A., Die Aufhebung der Klöster in Innerösterreich 1782-1790, 1871, Neudruck 1971; Schulze, W., Landesdefension und Staatsbildung, 1973; Thiel, V., Die innerösterreichische Zentralverwaltung 1564-1749, AÖG 105 (1916), 111

Inn of court ist die von der Universität unabhängige Ausbildungsstätte (Innung) für den englischen Juristen (Anwalt). Sie entsteht daraus, dass im Mittelalter Schreiber (clerk) und Schüler (apprentice at law) gemeinsam in Häusern der westlichen Vororte Londons leben. In der Mitte des 14. Jh.s wird dort ein praktischer Rechtsunterricht sichtbar. Von den etwa 20 bekannten inns (z. B. Clifford’s Inn) setzen sich bis etwa 1420 vier inns of court durch (Inner Temple, Middle Temple der Templer [vor 1388], Gray’s Inn, Lincoln’s Inn [1417?]).

Lit.: Thorne, S., The early History of the Inns of Court with special reference to Gray’s Inn, 1959; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Palmer, R., The Origins of the Legal Profession, 1976; Richardson, W., A History of the Inns of Court, 1978; Ives, E., The Common Lawyers of pre-Reformation England, 1983; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000; Baker, J., Readers and Readings in the Inns of Court and Chancery, 2001; McGlynn, M., The Royal Prerogative and the Learning of the Inns of Court, 2003

Innominatkontrakt ist der im spätantiken römischen Recht entstehende, der (lat.) actio (F.) praescriptis verbis (Klaganspruch der vorgeschriebenen Worte) zugewiesene sog. unbenannte Vertrag, der nicht schon nach (lat.) ius (N.) civile (Zivilrecht) klagbar ist, aber vom Prätor allmählich über das Rückgabeverlangen hinaus klagbar gemacht wird. Bei dem I. erbringt jemand eine Leistung und soll deshalb eine Gegenleistung erhalten, obwohl er an sich die Rückgabe erreichen kann. Die vier Fälle des Innominatkontraktes sind (lat.) do, ut des (ich gebe, damit du gibst), do, ut facias (ich gebe, damit du tust), facio, ut des (ich tue, damit du gibst) und facio, ut facias (ich tue, damit du tust). Hierzu zählen (lat. [F.]) permutatio (Tausch), aestimatum (N., Trödelvertrag), contractus mohatrae und dare ad inspiciendum (Übergabe zwecks Prüfung).

Lit.: Kaser §§ 33 I 2, 38 III 3, 45; Köbler, DRG 64; Bucher, E., Der Trödelvertrag, (in) Innominatverträge, 1988, 95

Innovation (F.) Erneuerung

Lit.: Resch, A. u. a., Osterreichische Innovationsgeschichte seit dem späten 19. Jahrhundert, 2013

Innozenz III. (Lothar von Segni) (Gavignano bei Segni 1160/1-Perugia 16. 7. 1216), Grafensohn, wird 1198 Papst und sichert die Stellung des Papstes durch bedeutsame Dekretalen (z. B. Vene­rabilem).

Lit.: Die Register Innozenz’ III., hg. v. Hageneder, O., Bd. 1ff. 1979ff.; Laufs, M., Politik und Recht bei Innozenz III., 1980; Rainer, J., Innocenz III. und das römische Recht, RHM 25 (1983), 15; Sayers, J., Innocent III., 1994; Papst Innozenz III., hg. v. Frenz, T., 1999; Pope Innocent III and his World, ed. Moore, J., 1999; Innocenzo III, hg. v. Sommerlechner, A., 2003; Moore, J., Pope Innocent III, 2003; Meschini, M., Innocenz III. und der Kreuzzug, DA 16 (2005), 537

Innozenz IV. (Sinibaldo Fieschi) (Genua um 1195-Neapel 7. 12. 1254) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Johannes Teuto­nicus, Azo, Accursius) und kirchlichen Tätigkeiten 1243 im ersten Konklave der Geschichte Papst. Die von ihm erlassenen, in drei Sammlungen zusammengefassten Dekre­talen stehen zwischen (lat.) →Liber (M.) extra (1234) und (lat.) →Liber (M.) sextus (1298). Um 1250 veröffentlicht er einen maßgeblichen Kommentar zum Liber extra (lat. Apparatus [M.] in quinque libros decretalium, Kommentar zu den fünf Büchern der Dekretalen). Mit der Dekretale „Romana ecclesia“ (1245) verbessert er die kirchliche Gerichtsbarkeit. Dogmatisch fördert er die Rechtsfiguren der →juristischen Person (lat. persona [F.] ficta), des →gerechten Krieges (lat. bellum [N.] iustum) und die Fortbildung der Reservatrechte und Dispensrechte des Papstes.

Lit.: Legendre, P., La Pénétration du droit romain dans le droit canonique, Diss. jur. Paris 1964; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 313

Innsbruck (Innbrücke um 1175, urkundliche Ersterwähnung 1187, 1187-1205 Stadtrecht, bestätigt 1239, 1420 Residenz der Grafen von Tirol) am mittleren Inn in →Tirol ist seit 1490 Anfangspunkt der ersten modernen Post­verbindung (nach Mecheln bzw. Brüssel) und wird 1669 (bei etwa 6500 Einwohnern) Sitz einer (letzten) von der Gegenreformation geprägten, mehrfach teilweise aufgehobenen Universität.

Lit.: Probst, J., Geschichte der Universität Innsbruck, 1869; Wretschko, A. v., Die Geschichte der juristischen Fakultät an der Universität Innsbruck 1671-1904, FS für den deutschen Juristentag 1904, 101; Wretschko, A., Die Frage der Landstandschaft der Universität Innsbruck, ZRG GA 41 (1920), 40; Matricula philosophica. Erster Teil 1671 bis 1700, hg. v. Huter, F., 1952; Huter, F., Die Anfänge der Innsbrucker Juristenfakultät (1671-1686), ZRG GA 85 (1968), 223; Oberkofler, G., Josef Oberweis, Inhaber der Lehrkanzel für deutsches Privatrecht und deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte mit italienischem Vortrag, ein Beitrag zur Geschichte der Pflege des deutschen Rechtes und der Habilitationspraxis an der Innsbrucker Juristenfakultät, ZRG GA 88 (1971), 204; Munzel, O., Die Innsbrucker Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Oberkofler, G./Goller, P., Geschichte der Universität Innsbruck (1869-1945), 2. A. 1996; Lichtmannegger, S., Die rechts- und staatswissen­schaftliche Fakultät der Universität Inns­bruck 1945–1955, 1999; Goller, P. u. a., Universität Innsbruck. Entnazifizierung und Rehabilitation von Nazikadern (1945-1950), 2003; Huber, H., Geschichte der medizinischen Fakultät Innsbruck, 2010

Innung ist der freiwillige Zusammen­schluss selbständiger Gewerbe­treibender eines bestimmten Bezirks zur Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen. Das im 13. Jh. erscheinende Wort findet sich vor allem im mittleren Deutschland. Im 19. Jh. wird nach Aufhebung des Zunftzwangs mit der Gewerbe­ordnung vom 21. 6. 1869 auf Drängen der Handwerker die I. wieder eingerichtet.

Lit.: Eberstadt, R., Der Ursprung des Zunftwesens, 1900; Luther, R., Gab es eine Zunftdemokratie?, 1968

Innviertel ist die zwischen Salzach, unterem Inn, Donau und Salzburg gelegene Landschaft. Sie fällt 1779 von Bayern an →Österreich.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon

Inoue, Kowashi (1843-1895) wird nach dem Studium in Tokio Beamter im Justizminis­terium Japans. Nach Aufent­halten in Frank­reich und Deutschland (Berlin) übersetzt er die Verfassung Preußens in das Japanische und setzt sich für eine (aufgeklärte) Verfassung Japans nach dem Muster Preußens bzw. des Deutschen Reiches ein (Meiji-Verfassung vom 11. 2. 1889).

Lit.: Meiji-kokka keisei to Inoue Kowashi, hg. v. Goin-bunko kenkyûkai, 1992

Inquisition ist allgemein die Unter­suchung, besonders das geistliche Gericht zur Verfolgung der Ketzer. Die Ketzer bekämpft die Kirche schon im ausgehenden Altertum durch Verbote der Gottesdienste, Enteignung der Güter und Androhung der Todesstrafe. Seit 1215/1231/1252 (1215 4. Laterankonzil mit Pflichtbeichte mit der Folge der Herausbildung eines inquisitorischen Prozessrechts für die Beichtpraxis) werden besondere Inquisitoren (Untersucher) eingesetzt (z. B. 1227 Konrad von Marburg). Hieraus entwickelt sich wohl der →Inquisitionsprozess, dessen erste Formen in Oberitalien im 13. Jh. sichtbar werden. In ihm hat der Richter im Beisein von mindestens zwei Schöffen die Wahrheit durch I. (Untersuchung, Befragung) zu ermitteln, wozu er den Angeschuldigten in Haft nehmen kann. Zur Erlangung eines Geständnisses darf die →Folter (1252) angewandt werden. In Spanien ist die 1478 von Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragón eingesetzte, die Lehre vom verdorbenen Blut verwendende I. eine staatliche, der Sicherung der Rücker­oberung des Landes von den Muslimen dienende, zutiefst korrupte Einrichtung, die sich später auch gegen Lutheraner und jede Aufklärung richtet. Die I. verschwindet im Heiligen römischen Reich nach der Reformation und endet im Übrigen mit der Aufklärung (Frankreich 1772, Spanien 1808/1834, Portugal 1820, Italien 1808/1859).

Lit.: Köbler, DRG 118, 156; Lea, H., Geschichte der Inquisition im Mittelalter, Neudruck 1997; Hansen, J., Zauberwahn, Inquisition und Hexenwahn im Mittelalter, 1900, Neudruck 1964, 1983; Guiraud, J., Histoire de l’Inquisition au Moyen-Age, 1935; Leiber, R., Die mittelalterliche Inquisition, 1963; Vermaseren, B., Een bibliografie over de inquisitie, TG 77 (1964), 472; Peters, E., Inquisition, 1988; Die Anfänge der Inquisition im Mittelalter, hg. v. Segl, P., 1993; Lemm, R., Die spanische Inquisition, 1996; Seifert, P./Pawlik, M., Das Buch der Inquisition, 1999; Inquisition – Index – Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001; Le Livre des sentences de l’inquisiteur Bernard Gui 1308-1323, 2002; Edwards, J., Die spanische Inquisition, 2003; Schwerhoff, G., Die Inquisition, 2004; Römische Inquisition und Indexkongregation, hg. v. Wolf, H., Bd. 1ff. 2005ff.; Siebenhüner, K., Bigamie und Inquisition, 2006; Rawlings, H., The Spanish Inquisition, 2006; Bethencourt, F., The Inquisition, 2009; Buschbell, C., Die Inquisition im Hochmittelalter, 2010; Sullivan, K., The Inner Lives of Medieval Inquisitors, 2011; Deutschland und die Inquisition in der frühen Neuzeit, hg. v. Burkhardt, A. u. a., 2012

Inquisitionsbeweis ist im Mittelalter der Beweis durch eine Untersuchung. Der I. findet sich in merowingischen und karolingischen Quellen.

Lit.: Brunner, H., Zeugen und Inquisitionsbeweis der karolingischen Zeit, 1865

Inquisitionsprinzip →Untersu­chungsgrund­satz

Lit.: Sellert, W., Die Bedeutung und Bewertung des Inquisitionsprinzips, FS H. Scupin, 1983, 161

Inquisitionsprozess ist der durch die amtliche Verfolgung und Untersuchung gekennzeichnete Strafprozess. Es ist streitig, ob der I. in Deutschland unabhängig von fremden Einflüssen entstanden oder durch kirchlich-oberitalienische Anregungen veran­lasst ist. Jedenfalls zeigen sich schon seit dem 12. Jh. verschiedene Ansätze zur öffentlichen Klage in peinlichen Sachen. So werden etwa bestimmte Menschen verpflichtet, Unrechts­geschehnisse im Gericht zu rügen. →Landschädliche Leute (lat. nocivi [M.Pl.] terrae) sollen öffentlich verfolgt und wie handhafte Täter durch den Eid des Verletzten und sechser Eidhelfer überführt werden. In der Kirche fügt Papst →Innozenz III. in ein kirchliches Disziplinar­verfahren den von Amts wegen zu erhebenden Beweis der Wahrheit ein und werden Ketzer seit 1231/1232 durch besondere Inquisitoren (Untersucher) bekämpft. Überhaupt wird das Verfahren vor allem auch in den Städten allmählich (z. B. in Frankfurt am Main im 14. Jh.) zu einem einseitigen Verfahren des (öffentlichen) Richters gegen den Verdäch­tigen, in dem der →Richter zur Unrechts­verfolgung verpflichtet ist und sich selbst über die erheblichen Tatsachen unterrichten muss. Ziel dieser Verfolgungen ist die unbedingte Sühnung von Unrecht, weshalb es stärker als zuvor auf die Ermittlung der tatsächlichen Wahrheit ankommt. Als ihr sicherster Beweis gilt das Geständnis. Um das →Geständnis zu erreichen, darf der verdächtige Beschuldigte durch den Richter und die Folterknechte sowie gegebenenfalls zwei Schöffen der von der Antike bekannten und von daher auch wohl im Frühmittelalter gegenüber Unfreien verwandten →Folter durch Gefängnis, Schläge, Hunger, Kälte und andere Mittel (Daumenschrauben, Strecken) ausgesetzt werden. Nach dem Geständnis in der Untersuchung beginnt das eigentliche öffentliche Verfahren (sog. →endlicher Rechts­tag), in dem nach der Anklageerhebung der Richter den Beweis der Tat durch das Geständnis oder das Zeugnis zweier Schöffen über das Geständnis führt, am Ende das Urteil verliest und den Stab über den Angeklagten bricht. Sofern die Akten versendet werden, schlägt die angerufene Einrichtung das Urteil vor. Im 19. Jh. wird der etwa in der →Constitutio Criminalis Carolina (1532) und noch der (lat.) Constitutio (F.) Criminalis Theresiana (1768) ausführlich geregelte, nunmehr als rechts­staatswidrig angesehene I. allgemein aufge­geben (Österreich 1873) und nur noch vereinzelt (Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Hanse­städte) bis zur Reichsstrafpro­zessordnung von 1877/1879 fortgeführt.

Lit.: Köbler, DRG 86, 256; Biener, F., Beiträge zur Geschichte des Inquisitionsprozesses, 1827, Neudruck 1965; Allmann, I., Außerordentliche Strafe und Instanzentbindung, Diss. jur. Göttingen 1903; Schmidt, R., Die Herkunft des Inquisitionsprozesses, FS zum 50jährigen Regierungsjubiläum seiner königlichen Hoheit des Großherzogs Friedrich, 1902, 65; Mayer, E., Geschworenengericht und Inquisitionsprozess, 1916; Alfred, K., Die Lehre vom corpus delicti, 1933; Vogt, A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses in Frankfurt am Main, ZRG GA 68 (1951), 234; Schmidt, E., Der Inquisitionsprozess, FS H. v. Weber, 1964, 33; Henschel, F., Die Strafverteidigung im Inquisitions­prozess, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1972; Kunze, M., Der Prozess Pappenheimer, 1981; Trusen, W., Der Inquisitionsprozess, ZRG KA 74 (1988), 168; Die Anfänge der Inquisition, hg. v. Segl, P., 1993; Hirte, M., Papst Innozenz III., das IV. Lateranum und die Strafverfahren gegen Kleriker, 2005; Koch, A., Die ge­scheiterte Reform des reformierten Strafprozesses, ZID 10 (2009), 548; Burret, G., Der Inquisitions­prozess im Laienspiegel des Ulrich Teng­ler, 2010

Inquisitionsverfahren →Inquisition, In­quisitions­prozess

Inschrift ist die Schrift auf nicht hauptsäch­lich der Wiedergabe geschriebener Texte dienenden Gegen­ständen (z. B. Grabsteinen, Kirchentüren, Holzbalken, z. B. zwischen 500 v. Chr. und 650 n. Chr. mehr als 300000 in Stein gemeißelte lateinische Inschriften ).

Lit.: Panzer, F., Die Inschriften, 1938; Frölich, K., Deutsche Rechtsinschriften des Mittelalters, ZRG GA 66 (1948), 500; Müller, W., Urkundeninschriften des deutschen Mittelalters, 1975 (73 bis 1525); Koch, W. u. a., Literaturbericht zur mittelalterlichen und neu­zeitlichen Epigraphik (1998-2002), 2005; Koch, W., Inschriftenpaläographie, 2007; Die Inschriften der Stadt Passau, red. v. Steininger, C., 2006; Die Inschriften des ehemaligen Landkreises Querfurt, bearb. v. Bartusch, I., 2006; Wehking, S., Die Inschriften des Landkreises Göttingen, 2006; Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1 Imst, Landeck und Reutte, 2013; Pro & contra, HZ 296 (2013), 297

Inscriptio (lat. [F.] Inschrift) ist für das spätantike römische Recht die Angabe der Herkunft einer Textstelle (z. B. bei Codex Theo­dosianus [438] und Codex Justinians [534] jeweiliger Kaiser und Empfänger, bei Digesten [533] Verfasser, Werk, Unterglie­de­rung).

Insel ist das von Wasser umgebene Landstück (z. B. Mainau, England, Grönland, nicht mehr Australien, Amerika, Eurasien mit Afrika).

Lit.: Meyer, H., Anwachs und Insel im hochmittelalterlichen Recht der Grafschaft Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333; Lätsch, F., Insularität und Gesellschaft, 2005

Insidia (F.) verborum (lat.) Prozessgefahr (durch Versprechen oder Verlesen)

Insignien (N.Pl.) Zeichen (von Würde oder Macht) →Reichinsignien, Reichskleinodien

Lit.: Richter, G., Die Insignien der Universität Tübingen, 1964

Insinuation (F.) Bekanntgabe, Vorlage, Zustellung

Insolvenz ersetzt mit dem Ziel der Wahrung wirtschaftlicher Werte in Deutschland zum 1. 1. 1999 den Konkurs.

Lit.: Kroppenberg, I., Die Insolvenz im klassischen römischen Recht, 2001; Bauer, P., Der Insolvenzplan, 2009; Madaus, S., Der Insolvenzpklan, 2011

Instanz ist die zuständige Stelle. Im →Inquisitionsprozess gibt es die besondere →Instanzentbindung. Im Verhältnis mehrerer Instanzen zueinander besteht der →Instanzenzug.

Instanzentbindung (absolutio [F.] ab instantia [lat.]) ist die im mittelalterlichen Italien (12. Jh., Johannes Andreae) entwickelte, seit 1648 (Brunnemann, Trac­tatus iuridicus de inquisi­tionis processu, Rechtliche Abhandlung über den Inquisitionsprozess) im deutschen Straf­verfahrensrecht aufgenommene, vorläufige Beendigung eines Verfahrens aus Mangel an Beweisen mit der jederzeitigen Möglichkeit des Neubeginns. Von der Aufklärung bekämpft, wird die I. (seit der französischen Revolution von 1789) auch in Deutschland in der Mitte des 19. Jh.s eingeschränkt (Württemberg 1843) oder aufgegeben (Baden 1845, allgemein 1877/1879). Ihre Aufgabe übernimmt die Einstellung des Verfahrens.

Lit.: Allmann, J., Außerordentliche Strafe und Instanzentbindung, 1903; Holtappels, P., Die Entwicklung des Grundsatzes „in dubio pro reo“, 1965; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000

Instanzenzug ist eine Mehrheit von hierarchisch gestuften behördlichen oder ge­richtlichen Instanzen (Stellen). Nach Ansätzen im römischen Altertum entwickelt sich der I. mit der Ausbildung des Staates seit dem Spätmittelalter. Allgemein wird ein mehrzügiger I. (Eingangsgericht[e], Beru­fungs­ge­richt, Revisionsgericht) der (vier­stufigen) Gerichtsbarkeit in Österreich unter Joseph II. (1780-1790) (Ortsgericht, Kreis­amt, Appellationsgericht, Oberste Justizstelle, 1895 Bezirksgericht, Landesgericht bzw. Kreisgericht, Oberlandes­gericht, oberster Gerichtshof) und im Deutschen Reich 1877/1879 (zweizügig Amts­gericht, Landge­richt, neuerdings dreizü­gig Amtsgericht, Land­gericht, Bundesge­richts­hof, bzw. drei­zügig Landgericht, Ober­landesgericht, Reichs­ge­richt im Rahmen der vierstufigen Gerichtsbarkeit Amtsgericht, Land­gericht, Oberlandes­gericht, Reichsge­richt bzw. Bund­es­gerichtshof) geschaffen.

Lit.: Köbler, DRG 154; Tille, A., Instanzenzug des kurkölnischen Gerichts im 17. Jahrhundert, ZRG 21 (1900), 222; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Süß, T., Das beneficium trium instantiarum - Eine Streitschriftaus Paderborn, ZRG GA 130 (2013), 381

Institor (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Geschäftsführer, für dessen Schulden der Geschäftsherr haftet. Umgekehrt erhält der Unternehmer aus den Forderungen, die sein gewaltfreier kaufmännischer Angestellter er­wirbt, eine (lat.) →actio (F.) utilis.

Lit.: Kaser § 11; Hamza, G., Bemerkungen zur actio ad exemplum institoriae im römischen Recht (in) Seminariios Complutenses de derecho Romano, 25 (20129, 175

Institut (N.) ist seit dem 18. Jh. die Einrich­tung.

Lit.: Popp, H., Die nationalsozialistische Sicht einiger Institute des Zivilprozess- und Gerichtsver­fassungs­rechts, 1986

Institutes of the Laws of England (Einrichtungen der Gesetze Englands) ist der Titel des Hauptwerkes Sir Edward →Cokes (1551-1633). Der erste Teil der I. o. t. L. o. E. ist ein gründlicher Kommentar zu →Les Tenures Sir Thomas →Littletons (1480). Die Teile 2 bis 4 betreffen ältere statutes, Strafrecht und Gerichtsverfassung.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002

Institutionen ist schon im klassischen römischen Recht die Bezeichnung für die (Lehrbücher über die) Einrichtungen des Rechtes. Als I. herkömmlicherweise geführt wird das (lat. [M.Pl.]) commentarii betitelte elementare, von den Zeitgenossen kaum gewürdigte Einführungs­werk in (4 Büchern und) insgesamt 98 Titeln des Gaius (159?, 161 n. Chr.), das die grundlegende systematische, der griechischen Gegenüber­stellung von Menschen (Personen) und Sachen folgende Einteilung des Rechtsstoffes in (lat.) personae (F.Pl., Personen), (zwei Bücher) res (F.Pl., Sachen), actiones (F.Pl., Klagansprüche) überliefert und das römische Zivilverfahren am klarsten darstellt. Andere Institutionen werden von Marcian, Florentin oder Ulpian verfasst. Unter dem oströmischen Kaiser →Justinian erscheint 533 ein ebenfalls in vier Bücher geteiltes, auf Gaius gegründetes amtliches, als Gesetz erlassenes Ein­führungsbuch I. (lat. [F.Pl.] institutiones) (, aus dem nach Buch, Titel und Paragraph zitiert wird, z. B. I. 2,1,30), das im 9. Jh. in Italien bekannt ist. In Parallele hierzu werden vor allem im 19. Jh. unter dem Titel I. auch Lehrbücher (zum römischen Recht) bzw. unter dem Titel I. des deutschen Privatrechts auch Lehrbücher zum deutschen Privatrecht vorgelegt.

Lit.: Söllner §§ 12, 16, 22; Köbler, DRG 30, 54; Schneidewin, J., In quatuor institutionum imperialium D. Iustiniani libros commentarii, 1575, Neudruck 2004; Heus­ler, A., Institutionen des deutschen Privatrechts, Bd. 1f. 1885f.; Sohm, R./Mitteis, L./Wenger, L., Institutionen. Geschichte und System des römischen Privatrechts, 17. A. 1923, Neudruck 1949; Seckel, E./Kübler, B., Gai institutionum commentarii quattuor, 8. A. 1939; Luig, K., Institutionenlehrbücher des nationalen Rechts im 17. und 18. Jahrhundert, Ius commune 3 (1970), 64; Wieacker, F., Griechische Wurzeln des Institutionen­systems, ZRG RA 70 (1973), 93; Institutionen, übers. v. Behrends, O. u. a., 1997, 2. A. 1999, 3. A. 2007, 4. A. 2013; Meincke, J., Die Institutionen Iustinians, JZ 1997, 14; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1f. 1997ff.; Institutionen, Instrumente und Akteure sozialer Kontrolle und Disziplinierung im frühneuzeitlichen Europa, 1999; Institutionen und Ereignis, hg. v. Blänkner, R. u. a., 1998; Mager, U., Einrichtungsgarantien, 2003; Institutionen, hg. und übers. v. Manthe, U., 2004; Moschetti, G., Frammenti veronesi del secolo IX delle istituzioni di Giustiniano, 2006; Die Institutionen­handschrift der Sammlung Wallraf im historischen Archiv der Stadt Köln, hg. v. Avenarius, M., 2008; Forrez, R., Cupidae legum iuventuti, 2009

Institutionensystem ist das im späten Naturrecht (Pufendorf, Dabelow, Nettelbladt) den privatrechtlichen Stoff nach dem Vorbild der →Institutionen des Gaius in Personen, Sachen, Klagansprüche einteilende System. Es wird im 19. Jh. (→Heise 1807) vom →Pandektensystem (Personen bzw. Allge­meines, Schulden, Sachen, Familie, Erbe) abgelöst.

Lit.: Köbler, DRG 206; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG GA 42 (1921), 578; Wieacker, F. Griechische Wurzeln des Institutionen­systems, ZRG RA 70 (1953), 93

Instruktionsmaxime ist im Strafver­fahrens­recht der Grundsatz, dass sich der Richter selbst über die erheblichen Tatsachen unterrichten muss.

Lit.: Köbler, DRG 117

Instrumenta (N.Pl.) dotalia (lat.) ist im spätrömischen Recht die Mitgifturkunde.

Lit.: Kaser §§ 58, 59

instrumentum (lat. [N.]) Urkunde, Zubehör, Notariatsinstrument (z. B. instrumentum pacis Monasteriense bzw. Osnabrugense, Westfä­lischer Friedens­vertrag von Münster und Osnabrück)

Lit.: Kaser § 7; Köbler, DRG 43

Intabulation (F.) Eintragung in eine Tafel bzw. in das Grundbuch

Integration (F.) Herstellung eines Ganzen

Lit.: Löffler, B., Integration in Deutschland, 2011

Integrationslehre ist die von Rudolf →Smend (1882-1975) begründete Lehre vom in der Integration bestehenden Wesen des →Staates.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Blessing, W., Staatsintegration als soziale Integration, Z. f. bay. LG. 41 (1978), 633

Intentio (lat. [F.]) ist im römischen Zivilprozessrecht der erste Satz der Klagformel, der zur Beschreibung des Begehrens den Grund der möglichen Verur­teilung und die geforderte Leistung enthält. (z. B. Si paret Numerium Negidium Aulo Agerio sestertium x milia dare oportere, wenn sich ergibt, dass N. N. dem A. A. 10000 Sesterzen geben muss).

Lit.: Kaser § 83 I 3a; Söllner § 9

Inter armas silent leges (lat.). Wo die Waffen sprechen, schweigen die Gesetze.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Cicero, 106-43 v. Chr., Silent leges inter arma.)

Intercessio (lat. [F.] Dazwischentreten) ist im römischen Schuldrecht das Dazwischentreten im Sinne des Eingehens von Verbindlichkeiten im Interesse Dritter (z. B. Bürgschaft, Darlehen, Ver­pfändung, Schuldübernahme durch Novation). Ein (lat.) →senatusconsultum (N.) Vellae­anum aus der Mitte des 1. Jh.s n. Chr. verbietet Frauen die i. Es begründet eine Einrede gegenüber einer aus dem an sich gültigen Rechtsgeschäft erhobenen Forde­rung. Das Verbot der i. wird mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter über­nommen (Codex Maximilianeus Bava­ricus civilis 1756, Allgemeines Landrecht 1794), seit dem 19. Jh. aber aufgegeben (ABGB, BGB).

Lit.: Kaser § 57 V; Söllner § 6; Köbler, DRG 44; Mönnich, U., Frauenschutz vor riskanten Geschäften, 1999

Interdictio (lat. [F.]) Untersagung (z. B. im mittelalterlichen Kirchenrecht seit dem 10. Jh. die I. des Rechtes auf geistliche Güter oder der Vornahme einer kirchlichen Handlung in einem bestimmten Gebiet)

Lit.: Krehbiel, E., The Interdict, 1909

Interdictum (lat. [N.]) ist im römischen Recht ein Verbot des Prätors zur Sicherung von Rechtslagen. Dazu gebietet der Prätor vor allem die Wiederherstellung einer früheren Lage oder verbietet störendes Verhalten für die Zukunft. Die Verletzung eines i. wird auf Grund einer Klage überprüft.

Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 25, 33, 40

Interdictum (N.) de arboribus caedendis (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz bei Entfernung von Überhang.

Lit.: Kaser § 23 III 1

Interdictum (N.) de glande legenda (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz beim Einsammeln von Früchten.

Lit.: Kaser § 23 III 2

Interdictum (N.) de migrando (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des Wohnungsmieters beim Verlassen der Woh­nung auf Freigabe seiner Sachen nach Er­füllung der Ansprüche des Vermieters aus dem Mietvertrag.

Lit.: Kaser § 31 III 6

Interdictum (N.) de precario (lat.) ist im römischen Recht der Befehl zur Rückgabe einer aus der Bittleihe (lat. [N.] precarium) erlangten Sache.

Lit.: Kaser § 21 II 2

Interdictum (N.) de vi armata (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen Störung des Besitzes mit Waffengewalt.

Lit.: Kaser § 21 II 2

Interdictum (N.) quam hereditatem (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz zwecks Herausgabe einer Erbschaft gegen einen die Einlassung auf die Erbschaftsherausgabeklage verweigernden Erbschaftsbesitzer.

Lit.: Kaser § 75 I 4

Interdictum (N.) quem fundum (lat.) ist im römischen Recht der Befehl zur Herausgabe eines Grundstücks, das ein Kläger heraus­verlangen will, an jeden, der das Grundstück besitzt oder den Besitz arglistig aufgegeben hat.

Lit.: Kaser § 27 I 5

Interdictum (N.) quem usumfructum (lat.) ist im römischen Recht der Befehl, sich auf eine Klage zum Schutz des Frucht­ziehungsrechtes einzulassen.

Lit.: Kaser § 29 I 5

Interdictum (N.) quod vi aut clam ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen heimliche oder gewaltsame Arbeiten auf einem Grundstück.

Lit.: Kaser § 23 III 9

Interdictum (N.) quorum bonorum (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des Erbschaftsbesitzers.

Lit.: Kaser § 75 II

Interdictum (N.) Salvianum (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des Verpächters bei der besitzlosen, der Sicherung der Pachtzinsansprüche dienenden Verpfän­dung von Inventar eines Pächters an den Verpächter.

Lit.: Kaser § 31 III 6a

Interdictum (N.) unde vi (lat.) ist das Besitzstörungsverfahren gegen gewaltsame Eindringlinge.

Interdictum (N.) uti possidetis ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen den fehlerhaften Besitzer eines Grundstücks.

Lit.: Kaser §§ 21 II 1a, 32 III 4

Interdictum (N.) utrubi (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen den fehlerhaften Besitzer einer beweglichen Sache.

Lit.: Kaser § 21 II 1b

Interdikt →interdictio, →interdictum

Interdiktenbesitz ist im römischen Recht der nach prätorischem Recht gegen eigenmächtige Entziehung oder Störung durch ein (lat. [N.]) →interdictum geschützte →Besitz (lat. [F.] possessio). I. haben Eigenbesitzer, Erbpächter, Prekarist, Pfandgläubiger und Sequester.

Lit.: Kaser § 19 IV

Interesse ist der Umfang eines zu ersetzenden Schadens. Das I. geht auf die römischrechtliche Wendung (lat.) quod interest zurück (z. B. Wert einer nicht geleisteten Sache, Minderwert einer mangelhaften Sache, Verzugsschaden, Kosten eines Ersatzgeschäfts, entgangener Gewinn). Im 20. Jh. (→Inte­ressenjurisprudenz) ist I. auch die bloße Zielsetzung oder Begehrens­disposition eines abstrakt oder konkret Beteiligten.

Lit.: Söllner § 9; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 305; Wieling, J., Interesse und Privatstrafe, 1970; Honsell, H., Herkunft und Kritik des Interessebegriffs, JuS 1973, 69

Interessenjurisprudenz ist die methodische Richtung in der Rechts­wissenschaft, die davon ausgeht, dass wegen der Lücken­haftigkeit der Rechts­ordnung der Richter sein Urteil nicht logisch ableiten kann, sondern als wertende Entscheidung eines Konfliktes abgeben muss. Sie geht auf (Rudolf von Ihering [1818-1892] und) den Tübinger Rechtshistoriker und Privatrechtler Philipp →Heck (1858-1943) (Gesetzes­auslegung und Jurisprudenz, 1914) zurück. Heck stellt dabei auf den sozialen Konflikt der in den einzelnen Fällen beteiligten Interessen ab. Der Richter habe sich zunächst der vom Gesetzgeber in den gesetzlichen Regeln abstrakt gefassten Ent­scheidungen der Konflikte und der dabei getroffenen Wertungen der beteiligten In­teressen oder Begehrensdispositionen zu bedienen. Dazu müsse er bei der Anwendung des Gesetzes auf den streitigen Fall den zu Grunde liegenden Konflikt interessenglie­dernd herausarbeiten und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen nach der gesetz­lich höher bewerteten Konflikt­lösungs­regel entscheiden. Erst dann, wenn er keine (analog) anwendbare abstrakte Interessenbe­wertung auffinde (Gesetzes­lücke), dürfe er selbst so entscheiden, wie der Gesetzgeber vermutlich entscheiden würde.

Lit.: Köbler, DRG 228; Heck, P., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932; Wieacker, F., Privat­rechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Edelmann, J., Die Entwicklung der Interessenjurispru­denz, 1967; Kallfass, W., Die Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz, 1972; Schoppmeyer, H., Juristische Methode als Lebensaufgabe, 2001; Auer, M., Methodenkritik und Interessenjurisprudenz, ZEuP 2008, 517

Interimsschein

Lit.: Simon, H., Die Interimsscheine, 1913

Interlinearglosse (F.) ist die zwischen den Zeilen eingetragene Erklärung (Glosse)

Internationale kriminalistische Vereini­gung ist die von Franz von →Liszt begründete Vereinigung von Strafrechtlern (1889-1933).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Bellmann, E., Die Internationale Kriminalistische Vereinigung, 1994

Internationaler Gerichtshof ist der 1946 als Nachfolger des ständigen Inter­nationalen Gerichtshofs des Völkerbunds gegründete Gerichtshof der Vereinten Nationen mit Sitz in Den Haag und einer Besetzung durch 15 haupt­amtliche Richter, der Rechtsstreitigkei­ten zwischen Staaten auf Grund des Völker­vertragsrechts, des Völkergewohnheits­rechts und der von den zivilisierten Staaten anerkannten allgemeinen Rechts­grundsätze entscheidet und bis 2006 92 Urteile gefällt und 25 Gutachten (ohne Vollstreckungsmög­lichkeit) erstattet hat.

Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007, § 50 VI; Fifty Years of the International Court of Justice, hg. v. Lowe, V., 1996; Faulenbach, B., Rolle und Bedeutung der Lehre in der Rechtsprechung der internationalen Gerichts­höfe, 2010; Carl, M., Zwischen staatlicher Souveränität und Völkerrechtsgemeinschaft, 2012

Internationaler Strafgerichtshof ist der durch Vertrag als Folge der Kriegs­verbrecherprozesse gegen Deutsche, Ruander und Jugoslawen 1998 vereinbarte Strafgerichtshof für Kriegsver­brechen.

Lit.: Ferencz, B., Von Nürnberg nach Rom, 1998; Ahlbrecht, H., Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit, 1999; Kemper, G., Der Weg nach Rom, 2004; Mangold, C., Die völkerrechtliche Verfolgung von Individuen durch internationale Strafgerichtshöfe, 2007; Faulenbach, B., Rolle und Bedeutung der Lehre in der Rechtsprechung der internationalen Gerichtshöfe, 2010; Steinke, R., The Politics of International Criminal Law, 2012

Internationales Privatrecht ist das Sach­verhalte mit Auslandsberührung betref­fende staatliche (nationale) Privatrecht. Das römi­sche Recht bietet hierzu nur wenige Ansätze. Nach dem frühmit­telal­terlichen, auf das jeweilige Volk bezogenen Personalrecht gilt zu Beginn der Territorialisierung des Rechtes der Grund­satz des Ortsrechts (lat. lex [F.] loci) des entscheidenden Richters, den →Accursius (1228) und →Azo mit römischen Quel­len­belegen rechtfertigen. Unter den Kom­men­tatoren (Jacobus Balduini, Albericus de Rosate) wird dies auf das Verfahrensrecht eingeschränkt, das materielle Recht dage­gen hiervon ausgenommen und besonderen Kollisionsnormen oder Verweisungsnor­men unter­worfen, die auf der Grundlage der römischrechtlichen Gerichtsstands­re­geln ent­wickelt werden. Demgegenüber setzt sich zu Beginn der Neuzeit die Sta­tutentheorie (Bartolus, d’Argentré) durch, die (lat.) statuta (N.Pl.) personalia (Personalstatute), (lat.) statuta (N.Pl.) realia (Realstatute) und (lat.) statuta (N.Pl.) mixta (gemischte Statute) unterscheidet und damit in erster Linie auf das innerstaatliche Recht abstellt. Zu Beginn des 19. Jh.s bewirkt Savigny die Rückkehr zu den Kollisionsnormen d. h. dem für das einzelne Rechtsverhältnis maßgeblichen Recht (Sitz des Rechts­verhältnisses). Auf dieser Grund­lage entsteht in der Mitte des 19. Jh.s eine eigentliche Wissenschaft des internatio­nalen Privatrechts, deren Ergeb­nis­se Eingang finden in das Einfüh­rungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Deutschlands (1900). Im ausgehenden 20. Jh. wird das einzelstaatliche internationale Privatrecht in Deutschland (25. 7. 1986), Österreich (1978) und der Schweiz (1989) neu gefasst.

Lit.: Köbler, DRG 274; Savigny, F., System des heutigen römischen Rechtes, Bd. 1ff. 1840ff., Bd. 8 1849, Neudruck 1956; Neumayer, K., Die gemeinrechtliche Entwicklung des internationalen Privat- und Strafrechts bis Bartolus, Bd. 1 1901, Neudruck 1969, Bd. 2 1916; Neumeyer, K., Statutenkollision und persönliche Rechte, ZRG GA 39 (1918), 314; Gutzwiller, M., Der Einfluss Savignys auf die Entwicklung des Internationalprivatrechts, 1923; Gamillscheg, F., Der Einfluss Dumoulins auf die Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt Carpzovs zur Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Hermann, G., Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963; Lorenz, E., Das Dotalstatut in der italienischen Zivilrechtslehre des 13. bis 16. Jahrhunderts, 1965; Hartwieg, O./Korkisch, F., Die geheimen Materialien zur Kodifikation, 1973; Kropholler, J., Internationales Einheitsrecht, 1975; Gutzwiller, M., Geschichte des Internationalprivat­rechts, 1977; An­hauser, V., Das internationale Obligationenrecht, 1986; Deutsches internationales Privatrecht im 16. und 17. Jahrhundert, Bd. 1f., hg. v. Bar, C. v. u. a., 1995ff.; Kleinschmidt, H., Geschichte der internationalen Beziehungen, 1998; Koskenniemi, M., The gentle civilizer of nations. The rise and fall of international law 1870-1960, 2001; Guddat, T., Ein europäischer Jurist des 19, Jahrhunderts – Jean-Jacques G. Foelix, 2006; Storia, teoria e diritto internazionale. The construction of international law as a discipline, hg. v. Nuzzo, L./Vec, M., 2011; Jouannet, E., The Liberal-Welfarist Law of Nations, 2012; The Oxford Handbook of the History of International Law, hg. v. Fassbender, B. u. a., 2012; Constructing International Law - The Birth of a Discipline, hg. v. Nuzzo, L. u. a., 2012; Nuzzo, L., Origini di una Scienza, 2012; Tracing the Earliest Recorded Concepts of International Law. The Ancient Near East (2500-330 BCE, 2012

Internierungslager (Freiheitsbeschrän­kungslager im Landes„in­neren“)

Interparlamentarische Union ist die 1888 in Paris gegründete nichtstaatliche internationale Vereinigung von Abgeord­neten verschiedener Parlamente mit Sitz in Genf.

Lit.: Uhlig, R., Die Interparlamentarische Union 1889-1914, 1988

Interpolation ist die abändernde und damit wohl oft verfälschende Einschaltung von Wörtern oder Sätzen in den ursprünglichen Wortlaut eines Textes, insbesondere im Rahmen der die Schriften der klassischen Rechtskundigen verwer­tenden Gesetz­gebungstätigkeit Justinians (z. B. Ersetzung von [lat. F.] mancipatio durch [lat. F.] traditio). Seit der Neuzeit (Humanismus, lat. mos Gallicus) versucht die Wissenschaft die Ermittlung der Interpolationen, um frühere Textstufen und spätere Veränderungen sachgerecht zu scheiden. Im Einzelnen sind die Ergebnisse vielfach umstritten.

Lit.: Kaser § 1 II 3; Söllner §§ 3, 16, 24; Köbler, DRG 54; Kaser, M., Ein Jahrhundert Interpolationen­forschung, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 1979

interpretatio (lat. [F.]) Auslegung, →Interpretation

Interpretation ist die →Auslegung von Gedankenerklärungen. Die juristische I. beginnt bereits im altrömischen Recht am Zwölftafelgesetz durch die Priesterschaft. Aus der ursprünglichen Geheimwis­sen­schaft ent­wickelt sich nach der Veröffentlichung der zunächst nur den Priestern vertrauten Ver­fahrensformeln (304 v. Chr.) eine weltliche Rechts­unterweisung mit Aufsetzen von Formularen, Beratung und Gutachtener­teilung, deren Kern die I. ist. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes im Mittelalter wird auch die I. aufgenommen, wobei es am Beginn der Neuzeit im sog. (lat.) →mos (M.) Gallicus um die bessere I. besserer Texte geht.

Lit.: Söllner §§ 7, 9; Köbler, DRG 31; Kaser, M./Schwarz, F., Die Interpretatio zu den Paulus­sentenzen, 1956; Behrend, O., Die fraus legis, 1982; Theorie der Interpretation vom Humanismus bis zur Romantik, hg. v. Schröder, J., 2001; Schröder, J., Theorie der Gesetzesinterpretation im frühen 20. Jahrhundert, 2011

Interregnum ist die zwischen zwei Königsherrschaften liegende Zeit, insbesondere die im deutschen Reich zwischen (1250 bzw.) dem Aussterben der →Staufer (1254) und der Wahl Graf Rudolfs von →Habsburg zum deutschen König (1273) liegende Zeit, in der sich kein gewählter Herrscher durchsetzen kann und die Landesherren zu Lasten des Reiches erstarken. Das I. trennt Hoch­mit­tel­alter und Spätmittelalter vonei­nan­der. Daneben ist I. auch allgemeiner die Zeit zwischen der Herrschaft eines Menschen und der Herrschaft seines Nachfolgers.

Lit.: Köbler, DRG 95; Triepel, H., Das Interregnum, 1892; Laroche, P., Das Interregnum und die Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1971; Moraw, P., Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, 1985; Kaufhold, M., Deutsches Interregnum und europäische Politik, 2000; Kaufhold, M., Interregnum, 2002, 2. A. 2007; Kirk, M., Die kaiserlose, die schreckliche Zeit, 2002

Intertiatio (lat. [F.]) ist der Zug auf einen Gewähren im Frühmittelalter (6. Jh.). Danach muss, wenn sich bei Spurfolge der Besitzer einer abhandengekommenen beweglichen Sache auf seinen Gewähren (lat. tertia manus [F.]) beruft, der Spurfolger geloben, die Sache vor das Ding zu bringen, ehe er sie in Besitz nehmen darf. Beansprucht er außerhalb der Spurfolge die Sache, so muss der Besitzer schwören, dass er seinen Gewähren zum Ding bringen werde.

Lit.: Hübner, 437; Rauch, K., Spurfolge und Anefang, 1908; Andreae, F., Die Intertiatio im fränkischen Fahrnisprozesse, ZRG GA 33 (1912), 129

Intervenient (M.) „Dazwischenkom­men­der“

Lit.: Gawlik, A., Intervenienten und Zeugen in den Diplomen Kaiser Heinrichs IV., 1970

Interzession →intercessio (lat. [F.])

Intestaterbe ist im römischen Recht der ohne →Testament zur Erbfolge berufene Mensch. Dies ist der →Hauserbe und danach der Außenerbe (sowie hilfsweise anfangs der Gentile, später die Allgemeinheit). Das dem altrömischen Recht folgende prätorische Recht fasst die präto­rischen Erben in mehrere (4), hintereinander berufene Klassen zusam­men. Dem I. entspricht später der gesetzliche Erbe.

Lit.: Kaser §§ 65, 66; Söllner § 12; Köbler, DRG 38; Merkel, J., Die Lehre von der successio graduum unter Intestaterben, 1876; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957

introitus (lat. [M.]) Eintritt →Immunität

Invaliditätsversicherung ist die in Deutschland 1884 zwecks Entschärfung sozialer Schwierigkeiten durch Gesetz geschaffene →Sozialversicherung für den Fall der Arbeitsunfähigkeit. Zur Orga­nisation werden besondere Versiche­rungs­an­stalten eingerichtet. Der Invalide erhält eine Rente.

Lit.: Stolleis, M., Die Sozialversicherung Bismarcks, (in) Bedingungen für die Entstehung und Entwicklung von Sozialversicherung, 1979, 387; Rückert, J., Entstehung und Vorläufer der gesetzlichen Rentenversicherung, (in) Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 1990, 1

Inventar (, 1528?, lat. [N.] inventarium) ist eine Gesamtheit von Gegenständen und ein über dieses geführtes Verzeichnis. Im spätantiken römischen Recht führt Justinian 531 die Wohltat des Inventars (lat. beneficium [N.] inventarii) ein, wonach der, welcher innerhalb bestimmter Fristen ein Verzeichnis der Erbschaftsgegenstände erstellt, die Haftung für die Erbschaftsschulden auf die Nachlass­gegenstände beschränken und damit von seinem bereits vor dem Erbfall vorhandenen Vermögen fernhalten kann. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter wird auch das I. in diesem Sinne aufgenommen.

Lit.: Kaser §§ 62 III, 74 II; Köbler, DRG 59; Mely, F. de/Bishop, E., Bibliographie générale des inventaires imprimés, Bd. 1ff. 1892ff.; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 600; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

inventarium (lat. [N.]) →Inventar

Investitor (M.) Einkleider, Einweiser (Bologna 1057)

Investitur ist im Mittelalter die förmliche, die unsichtbaren Rechtsvorstellungen (z. B. Eigentum, Lehen) äußerlich sichtbar machende Bekleidung mit einem Amt oder einem Recht. Ob sie germanischer Herkunft ist, ist zweifelhaft. Lat. vestire, investire im Sinne des Bekleidens mit einem (an sich unsichtbaren) Recht scheint eher aus der spätantiken Kirche zu kommen. Auch das Verhältnis zu einem vorangehenden Geschehen (ahd. sala, lat. [F.] traditio) ist ungewiss. Als Symbole der den Übergang der →Gewere bewirkenden I. werden Halm, Zweig, Scholle, Ring, Kreuz, Lanze, Fahne und anderes verwendet.

Lit.: Hübner 258, 366; Köbler, DRG 90; Köbler, LAW; Mayer, E., Die Einkleidung im germanischen Rechte, FS Adolf Wach, 1913; Mayer, E., Zur Einkleidung (Gewere), ZRG GA 35 (1914), 431; Mayer, E., Zur Lehre von der Einkleidung, ZRG GA 36 (1915), 439; Visconti, A., Su alcune „notitiae investiturae“ contenute nel Codice diplomatico Lombardo, Annali della R. Università di Macerata 6 (1930); Voser, P., Die altdeutsche Liegenschaftsübertragung, 1957; Müller, W., Ein Auflassungs- und Investitursymbol des Klosters St. Gallen, 1972; Köbler, G., Die Herkunft der Gewere, TRG 43 (1975), 195; Quellen zum Investiturstreit, Teil 1 Ausgewählte Briefe Papst Gregors VII. übersetzt v. Schmale, F.,,1978; Krieger, K., Die Lehnshoheit, 1979; Investitur- und Krönungsrituale, hg. v. Steinicke, M. u. a., 2004

investitura (lat. [F.]) Einkleidung, →Investitur

Investiturstreit ist der aus →Immunität und ottonisch-salischem →Reichs­kir­chen­system er­wachsene, von Papst Nikolaus II. 1059 durch ein Papstwahldekret (mit Wahlrecht des Kadrinalskollegiums statt des Absetzungsrechts und Einsetzungs­rechts des Kaisers) zugespitzte, 1075 zwischen dem Salier Heinrich IV. und Papst Gregor VII. anlässlich der Besetzung des Erzbistums Mailand offen ausgebrochene Streit um die Bekleidung (→Investitur) von Laien mit kirchlichen Ämtern (Bistümern, Abteien). Hier verbündet sich der Papst mit deutschen Fürsten gegen den König, doch gelingt diesem 1077 mit dem Reue bezeugenden Gang nach →Canossa zumindest förmlich die Lösung vom Bann. Mit dem →Wormser Kon­kordat kommt es 1122 zu einem vorläufigen Ausgleich.

Lit.: Hirsch, H., Klosterimmunität und Investiturstreit, 1913; Schmeidler, B., Kaiser Heinrich IV. und seine Helfer im Investiturstreit, 1927; Tellenbach, G., Libertas, 1936; Investiturstreit und Reichsverfassung, hg. v. Fleckenstein, J., 1973; Schieffer, R., Die Entstehung des päpstlichen Investiturverbotes, 1981; Blumenthal, U., Der Investiturstreit, 1982; Hartmann, W., Der Investiturstreit, 2. A. 1996; Laudage, J., Gregorianische Reform und Investiturstreit, 1993; Englberger, J., Gregor VII. und die Investiturfrage, 1996; Goez, W., Kirchenreform und Investitur­streit, 1996; Golinelli, P., Mathilde und der Gang nach Canossa, 1998; Goez, W., Kirchenreform und Investiturstreit 910-1122, 2000, 2. A. 2008; Der Investiturstreit, hg. v. Laudage, J. u. a., 2. A. 2006;Schieffer, R., Worms, Rom und Canossa (1076/77) in zeitgenössischer Wahrnehmung, HZ 291 (2011, 593; Fried, J., Canossa. Entlarvung einer Legende, 2012

Inzest (M.) Blutschande ist der Beischlaf unter nahen Verwandten, dessen Verbot seit dem ausgehenden Altertum vor allem von der Kirche (z. B. Konzil von Epaon 517 n. Chr., römische Synode von 721) zunehmend durchgesetzt wird (u. a. Bayern 1813 Art. 207, nicht Code pénal, doch Entwurf des Code pénal Königreich Westphalen 1813 Art. 329, Allgemeines Landrecht Preußens von 1794, Preußen 1851, Deutsches Reich 1871 § 173 RStGB, 1973/1974 Verschwägerteninzest nicht mehr strafbar, nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. 2. 2008 Verwqndteninzest doch).

Lit.: Mikat, P., Die Inzestgesetzgebung der merowingisch-fränkischen Konzilien, 1994; Siebert, M., Das Inzestverbot, Diss. jur. Berlin 1996, 1998; Siegel, E., Inzest, 1999; Jarzebowski, C., Inzest, 2005; Ubl, K., Inzestverbot und Ge­setzgebung - Die Konstruktion eines Verbre­chens (300-1100), 2008; Karst, S., Die Entkrimi­nalisierung des § 172 StGB, 2009; Bdeiwi, S., Beischlaf zwischen Verwandten (§ 173 StGB), 2013; Kanwischer, S., Der Grenzbereich zwischen öffentlichem Strafanspruch und intimer Lebens­gestaltung, 2013

Inzichtverfahren ist im Mittelalter ein zwischen Zivilverfahren und Strafverfahren stehendes besonderes Leumundsverfahren, das seit dem 16. Jh. im →Inquisitionsprozess auf­geht.

Lit.: Müller, R., Studien zum Inzichtverfahren nach bayerischen Quellen, 1939, Neudruck 1970

Ipso iure compensatur (durch das Recht selbst wird aufgerechnet) ist eine im Codex Justinians (C. 4, 31, 14 pr) enthaltene Rechtsregel, welche die Entbehrlichkeit einer eigenen Aufrechnungserklärung ausspricht (anders § 388 BGB).

Iran

Lit.: Gronke, M., Geschichte Irans, 2003; Enayat, H., Law, State and Society in Modern Iran - Constitutionalism, Autocracy and Legal Reform 19ß6-1941, 2013

Irland ist der westlich Englands gelegene, nordwesteuropäische Staat, der seit 1973 der Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union (1993) angehört. Seit der zweiten Hälfte des 1. Jt.s v. Chr. wandern Kelten in die bereits besiedelte Insel ein. Um 450 n. Chr. (431?) werden die Bewohner christianisiert. 1171/1172 greift der König von England auf I. aus. 1534 beginnt er mit der Unterwerfung und nennt sich 1541 König von I. Im Norden setzt sich der englische Einfluss und damit auch die protestantische Religion durch. Seit dem Ende des 18. Jh.s gibt es so gut wie kein selbständiges irisches Privatrecht mehr. 1801 wird ein gemeinsames Parlament eingerichtet. Am 6. 12. 1921 wird die Loslösung Irlands (ausgenommen Nord­irland) von Großbritannien vertraglich vereinbart. Das irische Recht ist englisch geprägt, wird aber seit 1922 durch Gesetze ergänzt. Im Gegensatz zu England hat I. eine formelle Verfassung.

Lit.: Studies in early Irish law by Thurneysen, R. u. a., 1936; Szövérffy, J., Irisches Erzählgut im Abendland, 1957; Hand, G., English Law in Ireland 1290-1324, 1967; Beckett, J., Geschichte Irlands, 1971; Die Iren in Europa, hg. v. Löwe, H., 1982; Irland und Europa, 1984; A new history of Ireland, hg. v. Cosgrave, A., 1987; Lee, J., Ireland 1912-1985, 1989; Elvert, J., Geschichte Irlands, 1993; Croinin, D., Early Medieval Ireland, 1995; Irland und Europa im frühen Mittelalter, hg. v. NiChatháin, P. u. a., 1996; Richter, M., Irland im Mittelalter, 1996; Maurer, M., Kleine Geschichte Irlands, 1998; Richter, M., Ireland and her Neighbours, 1999; Charles-Edwards, T., Early Christian Ireland, 2000; Noetzel, T., Geschichte Irlands, 2003; Breuer, R., Irland, 2003; Braun, N., Terrorismus und Freiheits­kampf, 2003; Richter, M., Irland im Mittelalter, 2003; Holthusen, C., Der Nordirlandkonflikt, 2005; Flanagan, M., Irish Royal Charters, 2005; Osborough, W., Recent writing on modern Irish legal history, ZNR 2008, 93; Mc Carthy, D., The Irish Annals, 2008; MacCotter, P., Medieval Ireland, 2008; Simms, K., Medieval Gaelic Sources, 2009; Irische Mönche in Süddeutschland, hg. v. Walz, D. u. a., 2009; Bartlett, T., Ireland, 2010; L’Irlanda, 2010

Irnerius (Guarnerius, [eigenhändig wohl immer] Wernerius) (1060?-1125?) ist der erste bedeutende Vertreter der durch Wiederbehandlung der →Digesten Justinians (530/3) veranlassten, durch die zunehmende Schulung in den freien Künsten (lat. artes [F.Pl.] liberales) ermöglichten und im Ergebnis wohl auch gewissen praktischen Bedürfnissen ent­sprechenden rechtswissen­schaftlichen Litera­tur des Mittelalters. Ver­mutlich erteilt I. zuerst Unterricht in den freien Künsten und behandelt dabei im Rahmen der Rhetorik auch das Recht. Danach versieht er bei scholastischer Interpretation fast die gesamten justinianischen Rechtstexte (Digestum vetus, →Codex, →Institutiones) mit vielleicht mehreren tausend nur teilweise erhaltenen Glossen (lat. Ap­paratus [M.] glossarum, Sigle Y bzw. G). Außerdem fertigt er die →Authenticae an und verfasst vielleicht eine kurze →Distinktion. Zwischen dem 28. 6. 1112 und dem 10. 12. 1125 ist er als (lat. [M.]) causidicus (1112, 1113) der Markgräfin Mathilde von Tuszien und (lat. [M.]) iudex (1116-1118) Kaiser Heinrichs V. bezeugt. 1119 wird er (wahrscheinlich) exkom­muniziert.

Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 105; Pescatore, G., Die Glossen des Irnerius, 1888, Neudruck 1968; Besta, E., L’opera d’Irnerio, 1896, Neudruck 1980; Nörr, D., Zur Herkunft des Irnerius, ZRG RA 82 (1965), 327; Weigand, R., Die Naturrechtslehre, 1967; Spagnesi, E., Wernerius bononiensis iudex, 1970; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 154; Fried, J., auf Bitten der Gräfin Mathilde, (in) Europa an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert, hg. v. Herbers, K., 2001

Irrtum (815, lat. [M.] error) ist das Ausei­nanderfallen von Vorstellung eines Handelnden und Wirklichkeit. Im römischen Recht ist der I. ein Fall von fehlender Willensüberein­stimmung, so dass er (als I. über Vertragspartner, Gegenstand, Preis oder Vertragstyp) keinen Vertrag entstehen lässt. In der byzantinischen und mittelalterlich-römischen Rechtswissen­schaft schließt auch der I. über die tatsächlichen Eigenschaften des Ge­schäftsgegenstands die Bindung aus, wobei es später darauf ankommt, dass der Irrtum für die Vornahme des Geschäfts ursächlich ist. Im frühneuzeitlichen gemeinen Recht werden als Fallgruppen der Irrtümer Geschäftsort, Geschäftsgegenstand, Geschäftsgegner und Ge­schäftsbezeichnung unterschieden. Das Vernunftrecht hält den I. teils grund­sätz­lich für unbeachtlich (Kreittmayr), teils grundsätz­lich für bedeutsam (Allgemeines Landrecht 1794). Im 19. Jh. wird teils auf den Willen abgestellt (Willenstheorie, Savigny), teils auf die Erklärung (Erklärungstheorie). Im deutschen Bürger­lichen Gesetzbuch (1900) werden die Vorzüge beider Ansichten in einem komplizierten Geflecht verbunden. Unter Berufung auf einen I. kann das zustan­degekommene Geschäft nachträglich angefochten und damit grundsätzlich beseitigt werden. Im 19. Jh. erscheint der I. als allgemeine Figur auch im allgemeinen Teil des Strafrechts.

Lit.: Kaser § 8 I; Hübner; Köbler, DRG 43, 165, 204, 208; Engelmann, W., Irrtum und Schuld nach der italienischen Lehre und Praxis des Mittelalters, 1922, Neudruck 1975; Haupt, P., Die Entwicklung der Lehre vom Irrtum, 1941; Luig, K., Savignys Irrtumslehre, Ius commune 8 (1979), 36; Kramer, E., Der Irrtum beim Vertragsschluss, 1998; Schermaier, M., Europäische Geistesgeschichte am Beispiel des Irrtumsrechts, ZEuP 1998, 60; Ranieri, F., Kaufrechtliche Gewährleistung und Irrtumsproblematik, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 207; Schermaier, M., Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums, 2000; Löhnig, M., Die Entstehung des Irrtumsrechts im Allgemeinen Landrecht, ZRG GA 120 (2003), 200; Harke, J., Irrtum über wesentliche Eigenschaften, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Isidor von Sevilla (Cartagena um 560-Sevilla 4. 4. 636), aus hispanorömischer Familie, Bischof von Sevilla, stellt in seinen (lat. [F.Pl.]) Etymologiae (bzw. Origines) das Wissen seiner Zeit in 20 Büchern dar. Durch die weite Verbreitung dieses Werkes werden zahlreiche römische Rechtsbegriffe schon im Frühmittelalter vermittelt (z. B. lat. ius Recht, lex Gesetz, consuetudo Gewohnheit, mos Sitte, ius civile römisches Recht, Zivilrecht, ius gentium Fremdenrecht, Völkerrecht, ius naturale Naturrecht). Isidors von Gregor dem Großen beeinflusstes Werk Sententiae (Urteile, Sentenzen) (mehr als 500 erhaltene mittelalterliche Handschriften) wirkt mit seinen theologischen Definitionen stark auf Florilegien, Summen und Kirchenrechts­samm­lungen ein.

Lit.: Etymologiae, hg. v. Lindsay, W., 1911; Isidoro di Siviglia, hg. v. Fontaine, H., Bd. 1ff. 1962ff.; Diesner, H., Isidor von Sevilla und das westgotische Spanien, 1977; Fontaine, J., Isidore de Séville, 2000

Islam (um 2010 schätzungsweise 1,5 Milliarden Anhänger) ist die von →Mohammed (Mekka um 569-Medina 8. 6. 632) gestiftete Weltreligion (des alleinigen Gottes Allah), deren Anhänger sich Muslime (die sich Gott unterwerfen) nennen. Noch im 7. Jh. dehnt sich der I. von Arabien bis zum Nordwesten Afrikas aus. Seit 711 wird Spanien gewonnen. Im 10. Jh. werden die Türken im Herzen Asiens bekehrt, im 11. Jh. Teile Indiens. 1258 fällt Bagdad an die Mongolen. 1453 wird Byzanz von den Türken erobert und der I. auf dem Balkan verbreitet. Im 16. Jh. gelangt der I. nach Indonesien, im 20. Jh. in weitere Teile Afrikas. Der I. ist Gesetzesreligion, weshalb schon der Koran für alle Lebensbereiche Rechtsvorschriften festlegt. Hinzu kommt das überlieferte Handeln Mohammeds. Hieraus entsteht durch islamische Rechtsgelehrte eine Pflichtenlehre (→Saria, Scharia). Im 16. Jh. wird im osmanischen Reich der Richter darüber hinaus den Anweisungen des Sultans unterstellt.

Lit.: Horster, P., Zur Anwendung des islamischen Rechts im 16. Jahrhundert, 1935; Enzyklopädie des Islam, Bd. 1f. 2. A. 1960ff.; Coulson, N., A History of Islamic Law, 1964; The Cambridge History of Islam, 1970; Lexikon der islamischen Welt, hg. v. Kreiser, K. u. a., Bd. 1ff. 1974; Watt, M./Welch, A., Der Islam, 1980; Schacht, J., An Introduction to Islamic Law, 1982; Abu-Ghosh, S., Das islamische Unterhaltsrecht nach al-Kasani, 1989; Dilger, K., Tendenzen zur Rechtsentwicklung, (in) Ende, W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989, 170; Motzki, H., Die Anfänge der islamischen Jurisprudenz, 1991; Khoury/Hagemann/­Heine, Islam-Lexikon, Bd. 1ff. 1991; Der politische Islam, hg. v. Schwarz, J., 1993; Coulson, N., Histoire du droit islamique, 1995; Der Islam in der Gegenwart, hg. v. Ende, W. u. a., 4. A. 1996; Scholz, P., Malikitisches Verfahrensrecht, 1997; Endreß, G., Der Islam, 3. A. 1997; Oßwald, R., Pactane sunt servanda, 1998; Nagel, T., Die islamische Welt bis 1500, 1998; Schneider, I., Kinderverkauf und Schuldknechtschaft, 1999; Der Islam in Europa, hg. v. Heuberger, V., 1999; Arkoun, M., Der Islam, 1999; Halm, H., Der Islam, 5. A. 2004; Cardini, F., Europa und der Islam, 2000; Beiträge zum islamischen Recht, Bd. 1ff., hg. v. Ebert, H. u. a., 2000ff.; Kettermann, G., Atlas zur Geschichte des Islam, 2001; Tibi, B., Einladung in die islamische Geschichte, 2001; Motzki, H., The origins of islamic jurisprudence, 2002; Bihl, W., Islam, 2003; Möhring, H., Warum verlor die islamische Kultur ihre führende Stellung? HZ 277 (2003), 655; Krämer, G., Geschichte des Islam, 2005; Lohlker, R., Bibliographie des islamischen Rechts, 2005; Endreß, G., Der Islam in Daten, 2006; Heine, P., Einführung in die Islamwissenschaft, 2008; Kettermann, G., Atlas zur Geschichte des Islam, 2008; Black, A., The West and Islam, 2008; Rohe, M., Das islamische Recht - Geschichte und Gegenwart, 2009, 2. A. 2009, 3. A. 2011; Ebert, H., Die Qadrî-Pâshâ-Kodifikation - Islamisches Personalstatut der hanafitischen Rechtsschule, 2010 (Entwurf von 1875); Baumgarten, R., Gesichter des Islam, 2010; Neumann, A., Rechtsgeschichte, Rechtsfindung und Rechtsfortbildung im Islam, 2012; Stilt, K., Islamic Law in Action, 2012

Island ist der auf der zweitgrößten Insel Europas gebildete nordwesteuropäische Staat. I. ist seit dem 4. Jh. n. Chr. bekannt und wird am Anfang des 9. Jh.s durch iroschottische Mönche und um 875 durch Wikinger (Normannen) besiedelt. 930 erscheint das Allthing. 1000 wird I. christlich. Trotz karger natürlicher Gegebenheiten entwickeln sich hohe literarische Kultur (Skalden) und vorbildliche Armenfürsorge. 1262 erhält der König von →Norwegen durch Vertrag die Herrschaft. 1380 fällt I. mit Norwegen an →Dänemark, das 1550 die Reformation durchsetzt. 1918 wird I. von Dänemark unabhängig. 1944 wird I. Republik.

Lit.: Finsen, V., Om de oprindelige Ordning af nogle af den islandske Fristats Institutioner, 1888; Boden, F., Die isländische Regierungsgewalt in der freistaatlichen Zeit, 1905; Haff, K., Die wiederaufgefundene „Descriptio Islandiae“, ZRG GA 50 (1930), 389; Midderhoff, H., Thinggericht und Zwölferspruch in Altisland, ZRG GA 77 (1960), 26; Scovazzi, M., La saga di Hrafnkell, 1960; Scovazzi, M., Il diritto islandese nella Landnámabók, 1961; Paulsen, P., Drachenkämpfer, 1966; Imhof, A., Grundzüge der nordischen Geschichte, 1970; Kuhn, H., Das alte Island, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsge­schichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,523, 4,4,631; Die Saga von Egil, hg. v. Schier, K., 1978; Wilde-Stockmeyer, M., Sklaverei auf Island, 1978; Byock, J., Medieval Iceland, 1988; Schröder, P., Island, 1994; Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Nedoma, R., Kleine Grammatik des Altisländischen, 2001, 2. A. 2006, 3. A. 2010; Gerhold, W., Armut und Armenfürsorge im mittelalterlichen Island, 2002; Arnósd´ttir, A., Property and Virginity. The Christianization of Marriage in Medieval Iceland 1200-1600, 2010; Nedoma, R., Kleine Grammatik des Altisländischen, 2001, 2. A. 2006, 3. A. 2010; See, K. v., Skalden, 2011; Nedoma, R., Altisländisches Lesebuch, 2011

Isländisches Recht ist das Recht der Isländer bzw. Islands. Seine Anfänge sollen um 930 in Norwegen nach dem Vorbild der Gulathingslög von Ulfljotr zusammengefasst und in Island von einer Versammlung (Allthing) als Recht (an. log) angenommen worden sein. Mit der Christianisierung (1000) treten Änderung in dem mündlich durch Gesetzessprecher (an. logsogumadr) bewahr­ten Recht ein. 1117/1118 verfasst der Gode Hafliðe Marsson eine schriftliche Fassung (an. Haflidaskra), die ebenso verschollen ist wie das 1122-32 entstehende Christenrecht (an. Kristinna laga thattr). Vermutlich beruht auf den Inhalten die →Gragas (2. H. 13 Jh.). 1271/1273 wird unter norwegischer Herrschaft (1262) die →Jarnsida (Eisenseite) angenommen, 1281 die →Jonsbok (Lögbok Islendinga), von der rund 200 Handschriften überliefert sind. Um 1275 stellt Bischof Arne von Skalholt ein neues Christenrecht (an. kristinrettr Arna biskupes) zusammen. Rechtliche Aufschlüsse ermög­lichen auch die Geschichtsdarstellungen und die Isländer­sagas.

Lit.: Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960

Isny

Lit.: Die Urkunden des früheren reichsstädtischen Archivs Isny bis 1550, hg. v. Kammerer, I. u. a., 1955; Kammerer, I., Isny, 1956; Wunderlich, P., Das Recht der Reichsstadt Isny, Diss. jur. Tübingen 1957; Speth, Hermann, Die Reichsstadt Isny am Ende des alten Reiches, 1973; Hauptmeyer, C., Verfassung und Herrschaft in Isny, 1976

Israel ist im Alten Testament der zweite Name Jakobs, der stellvertretend für die →Juden und ihren Staat steht, insbesondere für den seit 1917 angestrebten bzw. (am 14. Mai 1948 (durch Ausrufung seitens David Ben Gurions) in Palästina ver­wirk­lichten Staat.

Lit.: Noth, M., Geschichte des Volkes Israel, 1956; Wolffsohn, M., Politik in Israel, 1982; Raacke, G., Der Einfluss deutschbürtiger Juristen, ZRP 1997, 308; Timm, A., Israel, 1998; Schirer, L., Israelisches und jüdisches Recht, 1998; Clauss, M., Das alte Israel, 1999; Herz, D., Geschichte Israels, 2003; Golden, J., Ancient Canaan and Israel, 2004; Israel und Deutschland, hg. v. Ben Natan, A. u. a., 2005; Gerstenberger, E., Israel in der Perserzeit, 2005; Kessler, R., Leben zur Zeit der Bibel, 2006; Avidan, I., Ein Staat sucht sich selbst, 2008; Balke, R., Israel, 3. A. 2007; Clauss, M., Geschichte des alten Israel, 2009; Tilly, M. u. a. Religionsgeschichte Israels, 2011; Baltrusch, E., Herodes, 2012

Istanbul am Bosporus (vielleicht aus griech. eis tan polin, in die Stadt?) geht auf das grie­chische Byzanz bzw. das ost­römische Kon­staninopel zurück. 1453 wird es von den Osmanen erobert. Es erhält eine Universität.

Lit.: Barisch, K./Barisch, L., Istanbul, 5. A. 1985

Istrien ist die nach den illyrischen Histri benannte Halbinsel im Nordosten der Adria, die bis 178 v. Chr. von den Römern erobert wird. Den Römern folgen im 6. Jh. die Langobarden, dann die Slawen und 789 die Franken. Über die Grafen von Görz (1291) gelangt Inneristrien 1381 an Österreich, mit Venetien 1797 auch das Küstenland. 1816 wird der Anteil Österreichs an Istrien dem Königreich Illyrien zugeteilt, 1849 dem Kronland Görz-Gradiska-Istrien (Küstenland). 1919 gelangt I. an Italien, 1945 überwiegend an Jugoslawien (Kroatien), 1991 zum größten Teil an Kroatien.

Italicus →mos Italicus

Italien ist der zwischen Griechenland und Spanien bzw. Adria und Tyrrhenischem Meer gelegene südeuropäische Staat, der seit 1952 zur Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union (1993) gehört. Am Ende des 2. Jt.s v. Chr. wandern dort von Norden Italiker (zu lat. vitulus [M.] Kalb?) ein, nach denen die Griechen zunächst den Süden als Italia bezeichnen. Seit dem 5. Jh. v. Chr. entsteht von Rom aus ein Reich, das allmählich ganz I. erfasst und sich auf den gesamten Mittelmeerraum ausdehnt. 476 fällt I. als Teil der westlichen Hälfte des Reiches der Römer mit Rom an Germanen (Odowakar 476-493, Theoderich den Großen 493-526). Die Rück­gewinnung seitens des oströmischen Kaisers Justinian (527-565) wird durch den folgenden Einbruch der →Langobarden in der Völkerwanderung (568) gestört. Danach wird I. unter Ostrom (Venedig, Ravenna, Unteri­ta­lien), den Langobarden und dem Papst geteilt. Auf einen Hilferuf des Papstes besiegt der fränkische König Pippin III. den Lan­gobardenkönig Aistulf und gewährt dem Papst in der →pippinischen Schenkung 754 Teile der von den Langobarden besetzten Gebiete (→Kirchenstaat). 774 unterwirft Karl der Große die Langobarden. Nach zwischenzeitlichen Wirren erneuert Otto I. 951 die Bindung eines Teiles Italiens an das fränkisch-deutsche Reich. Im 11. Jh. fassen Normannen in Unteritalien (Sizilien) Fuß und beginnen oberitalienische Städte (z. B. Mailand) nach Selbständigkeit zu streben. Trotz der Heirat Heinrichs VI. und Konstanzes von Sizilien gelingt den Staufern eine dauerhafte Sicherung der von Papst und Städten bekämpften Herrschaft nicht. Nach dem Scheitern der Idee eines einheitlichen Imperiums der Staufer steht I. für drei Jahrhunderte im Zeichen ver­hältnismäßig selbständiger, dem Reich meist lehnsrechtlich verbundener mittel­großer Herrschaften (z. B. Florenz, Genua, Mailand, Neapel, Venedig). Seit 1494 wird I. zum Streitgegenstand zwischen Frankreich (als Nachfolger der Anjou [1265-1282 Sizilien, 1265-1435 Neapel]) und Spanien/Habsburg (Aragón [Sizilien 1282, Sardinien 1323, Neapel 1442]). 1701/1713 gelangt als Folge des spanischen Erbfolge­kriegs der Süden an Frankreich, der Norden an Österreich. Im Frieden von Campo Formio (1797) verzichtet der Kaiser des Heiligen römischen Reiches auf alle Reichsrechte in Italien. Das erwachende Nationalge­fühl führt (als [it.] risorgimento) 1859 zum Kampf (Piemonts [und Frank­reichs] gegen Österreich (1859 Sieg bei Solferino), das 1859 die Lombardei verliert. Danach werden die französischen Bourbonen aus dem Süden vertrieben. 1860 schließen sich sechs Staaten (Parma-Piacenza, Toskana, Modena, Umbrien, Marken, Sizilien-Neapel) unter Volksbefragung an Sardinien-Piémont an. Der Fürst von Sardi­nien-Piémont nimmt mit dem 17. 3. 1861 den Titel eines Königs von I. an. 1866 wird Österreich Venedig abgenommen und bis 1870 der Kirchenstaat bis auf geringe Reste durch Annexion eingezogen. 1922 gelangt Benito Mussolini (Dovia di Predappio bei Forli 29. 7. 1887-Giulino di Mezzegra am Comer See 28. 4. 1945, 1919/1921 Gründung der Faschis­tischen Partei) (als Duce del Fascismo bzw. Minis­terpräsident) tatsächlich an die Macht im Königreich und verbündet sich wenig später mit dem Deutschen Reich unter Adolf Hitler (sowie Japan, Achsenmächte, 1940 Eintritt in den Weltkrieg). Im zweiten Weltkrieg wird Mussolini nach der Landung der Alliierten in Sizilien am 25. 7. 1943 gestürzt. Die neue italienische Regierung schließt am 3. 9. 1943 einen Waffenstillstand mit den Alliierten, worauf ab 9. 9. 1943 deutsche Sol­daten italienische Soldaten entwaffnen und vor die Wahl stellen, sich den deutschen Streitkräften anzuschließen oder in Kriegsgefangenschaft zu gehen. Mus­solini wird von deutschen Truppen befreit und gründet mit deutscher Hilfe eine Republik in Norditalien. Am 28. 4. 1945 wird er nach Ergreifung auf der Flucht von kommu­nis­tischen Partisanen hingerichtet. Am 2. 6. 1946 wird I. unter Absetzung des Königs wegen Unterstützung des Fa­schismus Repu­blik. Politisch gelingen ihm stabile Regie­rungen nicht. Seit 1949 ge­hört Italien der Nordatlantischen Vertei­di­gungs­organi­sation an. Seit 1951 ist es Grün­dungsmitglied der europäischen Gemein­schaf­ten (1993 Europäische Union).

Lit.: Köbler, DRG 133, 170, 172, 173; Köbler, Historisches Lexikon; Lessico Etimologico Italiano; Blandini, G., La tirannide italiana nel rinascimento, 1889; Roberti, M., Dei bene appartenenti alle città, 1903; Mayer, E., Italienische Verfassungs­ge­schichte, 1909; Mayer, E., Bemerkungen zur frühmittel­alterlichen, insbesondere italienischen Verfassungs­geschichte, 1912; Chiapelli, L., L’età longobarda e Pistoia, 1922; Solmi, A., Il comune nella storia del diritto, Enciclopedia giuridica italiana 3, 2 (1922); Schneider, F., Die Entstehung von Burg und Landgemeinde in Italien, 1924; Sthamer, E., Aufgaben der Geschichtsforschung in Unteritalien, ZRG GA 46 (1926), 132; Bognetti, G., Sulle origini dei comuni rurali nel medioevo, 1926; Below, G. v., Die italienische Kaiserpolitik des deutschen Mittelalters, 1927; Stutz, U., Neue Forschungen zur Geschichte des italienischen Städtewesens, ZRG GA 48 (1928), 444; Calasso, F., La legislazione statutaria dell’ Italia meridionale, 1929; Mochi Onory, S., Ricerche sui poteri civili dei vescovi, 1930; Silberschmidt, W., Die Bedeutung der Gilde, ZRG GA 51 (1931), 132; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Solmi, A., L’amministrazione finanziaria del regno italico nell’ alto medio, 1932; Chiapelli, L., Storia di Pistoia, 1932; Mochi Onory, S., Vescovi e città (sec. IV-VI), 1933; Deibel, G., Die finanzielle Bedeutung Reichsitaliens für die staufischen Herrscher des zwölften Jahrhunderts, ZRG GA 54 (1934), 134; Giardina, C., Il supremo consiglio d’Italia, 1934 (Atti Palermo); Deutsch, W., Das Wesen des italienischen Staates, 1936; Beloch, K., Bevölkerungsgeschichte Italiens 1, 1937; Rasi, P., Exercitus Italicus e milizie cittadine, 1937; Wolf, H., Volkssouveränität und Diktatur in den italienischen Stadtrepubliken, 1937; Studi di storia e diritto in onore di Enrico Besta, 1939; Mitteis, H., Zur Lage der rechtsgeschichtlichen Forschung in Italien, ZRG GA 69 (1952), 203; I placiti del „regnum Italiae“, hg. v. Manaresi, C., Bd. 1f. 1955ff.; Hlawitschka, W., Franken, Alemannen, Bayern und Burgunder in Oberitalien 774-962, 1960; Petrucci, A., Notarii, 1958; Dilcher, G., Bischof und Stadtverfassung in Oberitalien, ZRG GA 81 (1964), 225; Santini, G., I comuni di Pieve nel medioevo italiano, 1964; Annali della fondazione italiana per la storia amministrativa 1, 1964; Hoke, R., Die rechtliche Stellung der national gemischten Bevölkerung am Nordrand der Adria im mittelalterlichen deutschen Reich, ZRG GA 86 (1969), 41; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Haverkamp, A., Herrschafts­formen der Frühstaufer in Italien, 1970; Projet du Code civil de la Republique Romaine (1798), hg. v. Ranieri, F., 1976; Bibliografia delle edizioni giuridiche antiche in lingua italiana, 1978; Keller, H., Adelsherrschaft und städtische Gesellschaft in Oberitalien, 1979; Italien im Mittelalter, hg. v. Gall, L., 1980; Bosl, K., Gesellschaftsgeschichte Italiens im Mittelalter, 1982; Schumann, R., Geschichte Italiens, 1983; Härtel, R., Die älteren Urkunden des Klosters Moggio bis 1250, 1985; Goetz, W., Grundzüge der Geschichte Italiens, 3. A. 1988; Lill, R., Geschichte Italiens in der Neuzeit, 4. A. 1988; Stadtadel und Bürgertum in den italienischen und deutschen Städten des Spätmittelalters, hg. v. Elze, R. u. a., 1991; Potter, T., Das römische Italien, 1992; Die großen Familien Italiens, hg. v. Reinhardt, V., 1992; Indice biografico italiano, hg. v. Nappo, T., Bd. 1ff. 1993; Chielloni, C. u. a., Italien, 3. A. 1995; Italien-Lexikon, hg. v. Brütting, R., 1995; Die deutsche und italienische Rechtskultur, hg. v. Mazzacane, A. u. a., 1995; Pauler, R., Die deutschen Könige und Italien, 1997; Hersche, P., Italien im Barockzeitalter, 1999; Reinhardt, V., Geschichte Italiens, 1999; Kroll, T., Die Revolte des Patriziats, 1999; Delumeau, J./Heullant-Donat, I., L’Italie au Moyen Âge, 2000; Ascheri, M., I diritti del Medioevo Italiano, 2000; Voßkamp, U., Instabilität und Regierbarkeit, 2001; Cammarosano, P., Storia dell’Italia medievale, 2001 Verfassungsgebung, partitocrazia und Verfassungswandel in Italien vom Ende des 2. Weltkrieges bis heute, hg. v. Ullrich, H., 2001; Reinhardt, V., Die Renaissance in Italien, 2002; Reinhardt, V., Geschichte Italiens, 2003; Padoa-Schioppa, A., Italia ed Europa nella storia del diritto, 2003; Italy in the Central Middle Ages 1000-1300, hg. v. Abulafia, D., 2004; Arnaldi, G., Italien und seine Invasoren, 2005; Reiter, J., Entstehung und staatsrechtliche Theorie der italienischen Carta del lavoro, 2005; Quellen zu den deutsch-italienischen Beziehungen 1861-1963, hg. v. Altgeld, W., 2005; Moos, C., Ausgrenzung, Internierung, Deportation, 2005; Israel, U., Fremde aus dem Norden, 2005; Fennoaltea, S., L’economia italiana dall’Ùnità alla Grande Guerra, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 941; Bellabarba, M., La giustizia nell’Italia moderna, 2008; Singer, K., Konstitutionalismus auf Italienisch, 2008; Altgeld, W., Benito Mussolini (1883-1945), 2009; Goez, E., Geschichte Italiens im Mittelalter, 2010; Weber, C., Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs, 2010; Weber, C., Episcopus et princeps, 2010; Woller, H., Geschichte Italiens im 20. Jahrhundert, 2010; Hof, T., Staat und Terrorismus in Italien 1969-1982, 2010; Le trasformazioni del V secolo - L’Italia, hg. v. Felogu, P. u. a., 2010; Viarengo, A., Cavour, 2010; Traniello, F. u. a., Der lange Weg zur Nation, 2011; Das Recht und die Rechtsschändung - 70 Jahre nach dem Erlass der italienischen Rassengesetze, hg. v. Garlati, L. u. a., 2011; Kraatz Magri, J., Der umkämpfte Volksheldm 2011 (Garibaldi); Tikkanen, K., A Sabellian Case Grammar, 2011; Saviano, R., Der Kampf geht weiter, 2012; Gentile, C., Wehrmacht, Waffen-SS und Polizei, 2012; Grossi, P., Il diritto nella storia dell’Italia, 2012

Italienisches Recht ist das in Italien geltende Recht. Es ist im Altertum das römische Recht. Nach dem Untergang Westroms dringen germanisch/­germanis­tische (Goten, Langobar­den, Franken, Normannen), griechische und arabische (sarazenische) Volksgruppen ein. Die Wissenschaft des römischen Rechtes ver­schwindet (vermutlich). In Pavia entwickelt sich eine Rechtsschule der Langobarden. Im ausgehenden 11. Jh. wird das römische Recht wiederentdeckt (→Irnerius). Daneben tritt örtliches Recht der einzelnen Städte und Stadtstaaten immer stärker hervor (→Statuten), neben denen das von Glossatoren und Kommentatoren weiterentwickelte ge­lehr­te Recht als gemeines Recht (lat. →ius [N.] com­mune) gilt. Am Beginn der Neuzeit tritt die italienische Rechtswissenschaft (lat. [M.] →mos Italicus) zugunsten der französischen Rechtswissenschaft (lat. [M.] mos Gallicus) zurück. Die bereits im 18. Jh. entstehenden Gesetze einzelner Staaten werden zwischen 1804 und 1811 durch die Kodifikationen Frankreichs ersetzt und danach nur teilweise wieder eingeführt. Im Königreich Italien werden 1865 ein Zivil­gesetzbuch (it. Codice civile), eine Zivilprozessordnung, ein Handelsgesetzbuch (it. Codice di commercio) und 1889 ein Strafgesetzbuch erlassen. 1930 wird das Strafrecht neu gefasst, 1931 das Straf­prozessrecht und 1942 das Zivilgesetzbuch (einschließlich Handelsrecht, 2969 Artikel) und das Zivilprozessrecht. Bereits seit 1890 ent­stehen zahlreiche Sozialgesetze.

Lit.: Pertile, A., Storia del diritto italiano, Bd. 1ff. 2. A. 1896ff.; Ciccaglione, F., Il diritto successorio nella storia del diritto italiano, 1891; Schneider, F., Einleitung zum Regestum Volaterranum, 1907; Meyer, E., Italienische Verfassungsgeschichte, Bd. 1f. 1909, Neudruck 1968; Salvioli, G., Storia della procedura civile e criminale, 1925; Pitzorno, B., Elaborazione scientifica della storia del diritto italiano, 1928; Brandileone, F., Scritti di storia del diritto privato italiano, hg. v. Ermini, G., 1931; Checchini, A., Scritti giuridici e storico-giuridici, Bd. 1ff. 1958; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Calasso, F., La „convenientia“, 1932; Leicht, P., Il diritto privato preirneriano, 1933; Paradisi, B., Massaricium ius, 1937; Nicolini, U., Le limitazioni alla proprietà, 1937; Mochi Onory, S., Diritti della personalità e rapporti di famiglia nel rinascimento italiano, ZRG GA 58 (1938), 478; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938; Giardina, C., La così detta proprietà degli alberi, 1941 (Ak. Palermo); Dahm, G., Untersuchungen zur Verfassungs- und Strafrechtsgeschichte der italienischen Stadt, 1941; Paradisi, B., Gli studi di storia del diritto italiano, 1950; Petracchi, A., Le origini dell’ordinamento comunale e provinciale italiano, 1962; Luther, G., Einführung in das italienische Recht, 1968; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privat­rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,53,234,872, 2,2,97,923,1113, 3,1,177, 3,2,2331, 3,3,3209,3625,3735,3831,3908,3985,­4109; Celli, R., Studi sui sistemi normativi delle democrazie comunali, 1976; Luig, K., Der Geltungsgrund des römischen Rechtes im 18. Jahrhundert, (in) Formazione storica, Bd. 2 1977, 819; Bonini, R., Disegno storico del diritto privato italiano (1865-1942), 1980, 2. A. 1990; Ghisalberti, C., La codificazione del diritto in Italia, 1985; Vallone, G., Iurisdictio domini – Introduzione a Matteo d’Afflitto (um 1443-1523), 1985; Santini, G., Europa medioevale, 1986; Cavina, M., Dottrine giuridiche a strutture sociali padane nella prima età moderne, Carolus Ruinus (1456-1530), 1988; Deutsche Rechtswissenschaft und Staatslehre im Spiegel der italienischen Rechtskultur während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, hg. v. Schulze, R., 1990; Mazzacane, A., Neuere Rechtsgeschichte in Italien, ZNR 1992; Cian, G., Fünfzig Jahre italienischer Codice civile, ZEuP 1993, 120; Kindler, P., Einführung in das italienische Recht, 1993; Köbler, G., Rechtsitalienisch, 2. A. 2004; Beneduce, P., Il corpo eloquente, 1996; Watkin, T., The Italian legal tradition, 1997; Rübesamen, R., Das italienische Zivilgesetz­buch, 2000; Prodi, P., Una storia della giustizia, 2000; Verfas­sungsgebung, partitocrazia und Verfassungs­wandel in Italien, hg. v. Ullrich, H., 2001; Matrimoni in dubbio, hg. v. Seidel Menchi, S. u. a., 2001; Martone, L., Giustizia coloniale, 2002; Englert, T., Deutsche und italienische Zivilrechts­gesetzgebung 1933-1945, 2003; Rondinone, N., Storia inedita della codificazione, 2003; Vallerani, M., La giustizia pubblica medievale, 2005; Somma, A., I giuristi e l’asse culturale Roma-Berlino, 2005; Luminati, M., Priester der Themis, 2007; Di Simone, M., Istituzioni e fonti normative in Italia dall’antico regime al facismo, 2007; Sordi, B., Recent studies of public law history in Italy, ZNR 2007, 260ff.; The Jurisprudence of the Baroque - A Census of 17th Century Italian Legal Imprints, compiled by Osler, D., Bd. 1ff. 2008; Il diritto per la storia, hg. v. Conte, E. u. a., 2010; Moderne italienische Strafrechtsdenker, hg. v. Dezza, E. u. a., 2012; Ascheri, M., The Laws of Late Medieval Italy (1000-1500), 2012

Iter (lat. [N.] Weg) ist schon im altrömischen Recht die Grunddienstbarkeit (Servitut) des Fußwegs und Reitwegs.

Lit.: Kaser § 28 I 2a

Itinerar (N.) Reiseweg

Lit.: Widders, E., Itinerar und Politik, 1993; Schütte, B., König Philipp von Schwaben. Itinerar – Urkundenvergabe – Hof, 2002; L’itinérance des seigneurs, hg. v. Paravicini Bagliani, A. u. a., 2003

Itio (F.) in partes (lat.) ist im neuzeitlichen Heiligen römischen Reich  das konfessions­bedingte Auseinandertreten jeder der drei Kurien des →Reichstags in Religionsfragen seit etwa 1529, gesetzlich auf Drängen der Protestanten anerkannt seit 1648 (Friede von Münster und Osnabrück, Not­wendigkeit der [lat.] amicabilis com­positio [F.] freund­schaft­lichen Überein­kunft).

Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961, 169; Heckel, M., Itio in partes, ZRG KA 95 (1978), 180

Itzehoe

Lit.: Maertens, R., Das Landgericht Altona (1879-1937) und die Anfänge des Landgerichts Itzehoe (1937-1945), 2011

Iudex (lat. [M.]) ist schon im altrömischen Recht der vom Magistrat einzusetzende Richter. Er ist im Formalverfahren ein Pri­vatmann, auf den sich die Beteiligten einigen und der nach Ableistung eines Eides mit der Entscheidungsaufgabe betraut werden kann. Er wird zumindest später durch Wahl seitens der Parteien oder aus einer amtlichen Liste (von Senatoren und später auch Rittern) bestimmt (seit Augustus etwa 3000, seit Caligula etwa 4000 Geschworene). Der i. ist für Rechtsverletzungen mit dem Sachwert ver­antworlich. Im Kognitionsverfahren ist der i. Amtsträger. →Richter

Lit.: Kaser §§ 81 II 2, 82 II 5; Köbler, DRG 19; Köbler, LAW; Guttenberg, E. v., Iudex h. e. grafio, FS E. Stengel, 1952, 93; Broggini, G., Iudex arbiterve, 1957; Kelly, J., Princeps iudex, 1957; Nörr, K., Zur Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Horn, N., Bologneser Doctores und Iudices, ZHF 3 (1976); Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Peachin, M., Iudex vice Caesaris, 1996; Mangold, O., Iniuria iudicis, Diss. jur. Tübingen 2004

Iudex non calculat (lat.). Der Richter rechnet nicht.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Macer, frühes 3. Jh., Digesten 49, 8, 1 § 2)

Iudicium (lat. [N.] Urteil, Gericht, Urteilsgericht) ist im römischen Recht das vom Magistrat den Parteien unter ihrer Mitwirkung eingesetzte Gericht, in dem der Richter (lat. [M.] iudex) das Urteil treffen soll (Spruchgericht). Bei einem (lat.) i. stricti iuris (Verfahren nach strengem Recht) hat der Richter (iudex) kein Ermessen (z. B. Dar­lehen, Stipulation) und muss die Gegenseite bereits vor dem Gerichtsmagistrat (in iure) ihre (lat. [F.]) exceptio vortragen. Anders verhält es sich bei dem (lat. [F.]) bonae fidei iudicium (Verfahren nach guter Treue).

Lit.: Kaser § 82 III; Köbler, LAW; Cram, K., Iudicium belli, 1955; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Honsell, H., Quod interest im bonae fidei iudicium, 1969

Iudicium (N.) parium (mlat.) ist vielleicht schon seit dem Frühmittelalter das Gericht der im Stand Gleichen (Magna Charta England 1215). Mit dem Schwinden des Gedankens der Notwendigkeit des i. p. geht die Entstehung des Instanzenzuges einher.

Lit.: Weisse, C., De iudicio parium, 1828; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954

Iulianus, Publius Salvius (Hadrumetum um 100-um 170), Abkömmling einer aus Italien kom­menden Kaufmannsfamilie in Nordafrika und Schüler Iavolens, wird mit einer eindrucksvollen Ämterlauf­bahn (Quästor, Statthalter, 148 n. Chr. Konsul) zu einem der bedeutendsten römischen Rechtskundigen der klassischen Zeit. In seinen in den justinianischen Digesten auszugsweise überlieferten Werken ([90 libri] digesta, libri ad Urseium Ferocem, liber singularis de ambiguitatibus, quaestiones) erörtert er ohne verbindenden Text schwierige Einzelfragen. Kaiser Hadrian überträgt ihm die abschließende Bearbeitung des prä­torischen Edikts (um 130). Er ist Oberhaupt der sabinianischen Rechts­schule.

Lit.: Söllner §§ 15, 16; Köbler, DRG 31; Bund, E., Untersuchungen zur Methode Julians, 1965; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 157

Iulianus (Konstantinopel um 554 Einführungsvorlesung in die justinia­ni­schen Novellen in lateinischer Sprache) ist ein byzantinischer Rechtslehrer.

Lit.: Kaiser, W., Die Epitome Iuliani, 2004

Iunius (Marcus Iunius Brutus) ist ein römischer Rechtskundiger des 2. Jh.s v. Chr., von dem (lat.) libri (M.Pl.) tres iuris civilis (drei Bücher Zivilrecht) bekannt sind.

iuramentum (lat. [N.]) Eid, Schwur

Lit.: Körner, T., Iuramentum und frühe Friedensbewegung, 1977

Iura (N.Pl.) novit curia (lat.). Das Gericht kennt das Recht (Papst Alexander III. [um 1100-1181] Dekretalen 2, 1, 6

Iura (N.Pl.) ossibus inhaerent (lat.). Die Rechte hängen an den Knochen (Personalitäts­prinzip).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Iura praediorum (lat. [N.Pl. zu ius praedii]) sind im römischen Recht die landwirt­schaftlichen und städtischen Servituten (Grund­dienstbarkeiten) wie (lat.) iter (N.), actus (M.), via (F.), aquaeductus (M.), servitus (M.) stillicidii  u. s. w.

Lit.: Kaser § 28 I 2

iuris consultus (lat. [M.]) Rechtsgelehrter

Lit.: Söllner § 11; Diplovatatius, T., De claris iuris consultis, hg. v. Schulz, F. u. a., 1968

iurisdictio (lat. [F.]) Rechtsprechung, Gerichtsbarkeit

Lit.: Söllner §§ 6, 9

iurisdictio (F.) voluntaria (lat.) →freiwillige Gerichtsbarkeit

Lit.: Wacke, A., Zur iurisdictio voluntaria, ZRG RA 106 (1989), 180

Iuris praecepta sunt haec - honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere (lat.). Die Anweisungen des Rechtes sind: ehrenhaft leben, den anderen nicht verletzen, jedem das Seine zugestehen.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Pseudoulpian, 3./4. Jh., Digesten 1, 1, 10 § 1); Nörr, D., Iurisperitus sacerdos, (in) Xenion, FS J. Zepos, 1973, Bd. 1, 555

Ius (lat. [N.]) ist das Recht und (sekundär?) das Gericht. Die Etymologie dieses Grundwortes ist streitig (nach Seebold verwandt mit ahd. ewa?). Das Wort kann sowohl objektiv (Gesamtheit von ordnenden Rechtssätzen, objektives Recht) wie auch subjektiv (Einzel­berechtigung, subjektives Recht) gebraucht werden.

Lit.: Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 17, 60, 82; Köbler, LAW; Levy, E., Ergänzungsindex zu ius und leges, 1930; Noailles, P., Fas et ius, 1948; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Feenstra, R., Ius in re, 1979; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1988ff.; Haug, F., Ius und fas, 1996; Spengler, H., Studien zur interrogatio in iure, 1994; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts, 1996; Schiavone, A., Ius – L’invenzione del diritto in occidente, 2005

Ius (N.) ad rem (lat.) ist im Mittelalter das mit dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts entste­hende Recht auf die Sache. Es erscheint in der gelehrten Literatur des 13. Jh.s (Kanonistik [1200-1210], Summa super usibus feudorum [1230-1250, Jacques de Revigny?]) für den Lehnsmann, der zwar bereits belehnt ist, das Lehnsgut aber noch nicht körperlich erlangt hat. Er darf das Gut (auch im Verhältnis zu [bösgläubigen] Dritten) an sich ziehen. Ähnliches gilt für den Erwerber einer Pfründe. In der frühen Neuzeit wird das i. a. r. zu dem allgemeinen Grund­satz ausge­baut, dass der spätere dingliche Erwerber einer Sache dem früheren schuld­rechtlichen, dessen Anspruch er kennt, weichen muss. In einzelnen Regelungen ist das i. a. r. in das →Allgemeine Landrecht (Preußen 1794) einge­gangen. Mit dem preu­ßischen Eigentums­erwerbsgesetz (5. 5. 1872) wird es für unbe­wegliche Sachen durch die →Vormerkung ersetzt. Im Allgemeinen Bür­gerlichen Gesetzbuch (Österreich 1811/1812) und im Bürgerlichen Gesetzbuch des Deut­schen Reiches (1896/1900) fehlt es.

Lit.: Hübner 178; Köbler, DRG 126, 164; Brünneck, W. v., Über den Ursprung des sog. ius ad rem, 1869; Heymann, E., Zur Geschichte des jus ad rem, FS O. Gierke, 1911; Eisfeldt, Beiträge zur Geschichte des ius ad rem, Diss. jur. Kiel 1935; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966, 121; Landau, P., Zum Ursprung des „ius ad rem“ in der Kanonistik, Proceedings of the Third International Congress of Medieval Canon Law, 1971, 81; Wesener, G., Dingliche und persönliche Sachenrechte - iura in re und iura ad rem, FS H. Niederländer, 1991, 195; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002

Ius (N.) Aelianum ist im römischen Recht das von dem frühen Rechtskundigen Sextus Aelius Paetus Catus (198 v. Chr.) zusammengefasste Recht.

Lit.: Söllner § 11; Köbler, DRG 29

Ius (N.) affectandi (lat.) ist das im (lat.) →privilegium (N.) minus (1156) dem babenbergischen Herzog Heinrich Jasomirgott von Österreich und seiner Frau (nicht den Nachfolgern) gewährte Recht, bei Kinder­losigkeit den Nachfolger zu bestimmen. Es wird im gefälschten (lat.) privilegium (N.) maius (1358) vom Fälscher auf alle österreichischen Herzöge erweitert.

Lit.: Baltl/Kocher

Ius (N.) armorum (lat.) ist im Heiligen römischen Reich  in der Neuzeit das Recht, ein Heer zu unterhalten.

Lit.: Oestreich, G., Zur Heeresverfassung der deut­schen Territorien von 1500-1800, (in) Forschungen zu Staat und Verfassung, 1958, 419

Ius (N.) canonicum (lat.) (kanonisches Recht) ist das seit etwa 1140 im →Decretum Gratiani und den folgenden Teilen des (lat.) →corpus (N.) iuris canonici niedergelegte kirchliche oder geistliche Recht.

Lit.: Köbler, DRG 106; Maaßen, F., Geschichte der Quellen und Literatur des canonischen Rechts, Bd. 1 1870, Neudruck 1956; Corpus iuris canonici, hg. v. Friedberg, E., 1879ff., Neudruck 1955, 1959; Codex iuris canonici, hg. v. Gasparri, 1917; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Codex des kanonischen Rechtes, 1983, 2. A. 1984; Zapp, H., Codex iuris canonici, Lemmata, 1986

Ius (N.) civile (lat.) ist das Recht der römischen Bürger im Gegensatz zum (lat.) ius (N.) gentium und zum (lat.) ius (N.) honorarium (bzw. praetorium). Es beruht auf dem Zwölf­tafelgesetz, auf den Volksgesetzen und der daran anknüpfenden Auslegung (der Rechts­kundigen). Im Frühmittelalter ist i. c. das weltliche Recht im Gegensatz zum (lat.) ius (N.) canonicum, seit dem Hochmittelalter auch das Stadtrecht im Gegensatz zum Landrecht (lat. ius [N.] terrae). Im 18. Jh. entspricht dem i. c. das bürgerliche Recht (Privatrecht). Unter dem Einfluss von i. c. ersetzt Zivilrecht zu­nehmend den Ausdruck Privatrecht.

Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 7, 9, 16, 18, 20, 25; Köbler, DRG 29, 30, 31, 106; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Kaser, M., Ius honorarium und ius civile, ZRG RA 101 (1984), 1

Ius (N.) civile Flavianum (lat.) ist das 304 v. Chr. von Gnaeus Flavius veröffentlichte römische Recht.

Lit.: Köbler, DRG 29

Ius (N.) cogens (lat.) ist das zwingende und damit von den Beteiligten nicht abänderbare Recht (z. B. Eheschließungsrecht) im Gegen­satz zum durch die Beteiligten abänderbaren Recht (lat. ius [N.] dis­posi­tivum, z. B. gesetzliches Erbrecht).

Lit.: Kaser § 3 II

Ius (N.) commune (lat.) ist das gemeine Recht im Gegensatz zum besonderen Recht. Im Altertum hat i. c. keine besondere Bedeutung. Seit der Wiederentdeckung des römischen Rechtes im Hochmittelalter benennt es das römische Recht (und das kanonische Recht) im Gegensatz zum besonderen Recht einzelner Orte (Städte) oder Gebiete (Länder). Es wird erst durch die Kodifikationen von 1794 (Preußen), 1804 (Frankreich) und 1811ff. (Österreich und andere) abgelöst.

Lit.: Kaser § 3 VI; Söllner §§ 2, 3, 25; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 137; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Helmholz, R., The ius commune in England, 2002; Bellomo, M., Europäische Rechtseinheit, 2005

Ius (N.) divinum (lat.) ist das göttliche Recht. Es ist im Christentum schon früh als vorrangig anerkannt. Es wird der göttlichen Offenbarung der Bibel und im weiteren Sinn auch dem Naturrecht entnommen. Das i. d. positivum ist unabänderlich (hierarchische Gliederung, Ge­walt, Sakramente). Das i. d. naturale, das durch die menschliche Vernunft erkannt wird, ist zwar auch grundsätzlich unabänderlich, aber entsprechend der menschlichen Vernunft in seiner Anwendung Schwankungen unterwor­fen. Das menschliche Gesetz darf nicht gegen das i. d. verstoßen. Im 19. Jh. wird das i. d. teilweise nur als moralische Anweisung eingeordnet, die erst in Rechtssätze überführt werden muss.

Lit.: Rößer, E., Göttliches und menschliches, unverän­derliches und veränderliches Kirchenrecht, 1934; Plöchl, W., Das Legitimitätsproblem und das kanonische Recht, 1938; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Ius est ars boni et aequi (lat.). Das Recht ist die Kunst (bzw. das Handwerk) des Billigen und Gerechten.

Lit.: Liebs, A., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Celsus, um 70-um 140)

Ius (N.) evocandi (lat.) ist im Heiligen römischen Reich  das Recht des Königs, jede Streitsache zur Entscheidung an sich zu ziehen (Evokationsrecht). Seit dem 13. Jh. erteilt der König vereinzelt, 1356 den Kurfürsten allgemein das Privileg, dieses Recht nicht in Bezug auf das privilegierte Land zu nutzen. 1487 bzw. 1495 verliert das Nicht­evokationsprivileg grundsätzlich seine Bedeu­tung, weil das königliche Gericht keine Zuständigkeit für reichsmittelbare Menschen mehr hat.

Lit.: Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86 (1969), 75

Ius (N.) foederis (lat.) bzw. ius faciendi foedera ist das seit 1648 allen Gliedern des Heiligen römischen Reiches  zustehende →Bündnisrecht.

Ius (N.) gentium (lat.) (Fremdenrecht) ist im römischen Recht seit Cicero (106-43 v. Chr.) das (römische, bei allen Völkern - für alle Rechtssubjekte - auch) für Nichtrömer geltende Recht (Recht der Völker), das nach späterer Ansicht auf der natürlichen Einsicht aller Völker beruht und dem (lat.) ius (N.) naturale (→Naturrecht) nahesteht. Es wird vom römischen (lat. [M.]) praetor peregrinus (Fremdenprätor) angewendet, wenn mindes­tens ein Fremder (lat. [M.] peregrinus) beteiligt ist. Es gewinnt in der frühen Neuzeit für das Naturrecht erneute Bedeutung.

Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 18, 20; Köbler, DRG 30, 31, 146; Kaser M., Ius gentium, 1993

Ius (N.) honorarium (lat.) ist im römischen Recht das von den Amtsträgern (Prätoren) geschaffene Recht (lat. [N.] ius praetorium), das vorwiegend den Bereich des Rechtes der Völker (lat. ius [N.] gentium) betrifft (z. B. bonorum possessio bei bloßer traditio von res mancipi).

Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 7, 8, 9, 15, 20; Köbler, DRG 31; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Kaser, M., Ius honorarium und ius civile, ZRG RA 101 (1984), 1

ius (N.) in re (lat.) Recht in der Sache

Lit.: Wesener, G., Dingliche und persönliche Sachenrechte - iura in re und iura ad rem, FS H. Niederländer, 1991, 195

iusiurandum (lat. [N.]) Eid

iusiurandum (N.) calumniae (lat.) Schikaneeid, →Kalumnieneid

ius (N.) liberorum (lat.) Recht der Frau nach der Geburt mehrerer Kinder (z. B. Befreiung von Geschlechtsvormundschaft)

Ius (N.) naturale (lat.) ist das von der Natur dem Menschen vorgegebene Recht (griech. physei dikaion). Es steht im Gegensatz zum vom Menschen geschaffenen Recht, insbe­sondere dem gesetzten Recht (griech. thesei dikaion). →Naturrecht

Lit.: Söllner § 18; Köbler, DRG 31, 146; Waldstein, W., Ius naturale, ZRG RA 111 (1994), 1

Ius (N.) offerendi (lat.) ist das Recht anzubieten (z. B. des nachrangigen Pfand­gläubigers, der die Ablösung der Forde­rung eines vorrangigen Pfandgläu­bigers nachrückt).

Ius (N.) Papirianum ist das durch zweifelhafte Königsgesetze geschaffene, am Ende des 6. Jh.s v. Chr. von dem Oberpriester Papirius veröffentlichte, aber nicht überlieferte römische Recht.

Lit.: Söllner § 5; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

ius (N.) perpetuum (lat.) Dauerpacht

Ius (N.) politiae (lat.) ist in der frühen Neuzeit die Polizeigewalt des Landesherrn.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Ius (N.) positivum ist das gesetzte Recht im Gegensatz zum ungesetzten Recht. Die Bezeichnung fehlt im Altertum. Sie findet sich in Abgrenzung zu ius naturale um 1170 bei Kanonisten in Frankreich und fällt anscheinend mit der Wiederent­deck­ung der Möglichkeit, Recht bewusst zu setzen, ungefähr zusammen,

Lit.: Kuttner, S., Sur les origines du terme „droit positif“ (in) RHDFE 15 (1936), 728ff.

Ius (N.) praetorium (lat.) ist das vom römischen Prätor geschaffene Amtsrecht (lat. [N.] ius honorarium).

Lit.: Söllner §§ 7, 8, 9, 15, 20; Köbler, DRG 31

Ius (N.) primae noctis (lat.) ist das nur vereinzelt belegte, (als geldlich ablösbar erklärte) Recht des Grundherrn (Hirslanden 1538, Muri 1543) auf die erste Nacht einer heiratenden Hinter­sassin.

Lit.: Schmidt, K., Ius primae noctis, 1881; Boureau, A., Das Recht der ersten Nacht, 1996; Wettlaufer, J., Das Herrenrecht der ersten Nacht, 1999; Ogris, W., Gesinderecht und ius primae noctis in Mozarts Le nozze di Figaro (in) Wiener Staatsoper, Wolfgang Amadeus Mozart Le nozze di Figaro, 2011, 49

Ius (N.) privatum (lat.) ist im römischen Recht nach einer Ulpian (170?-223) zugeschriebenen Beschreibung ([lat.] privatum [ius est], quod ad singulorum utilitatem [spectat]) das Recht, das den Nutzen des Einzelnen belangt. Es bildet die Grundlage für das zu Beginn der Neuzeit abgesonderte →Privatrecht.

Lit.: Kaser § 3 II; Söllner §§ 7, 18; Köbler, DRG 54; Kaser, M., Ius publicum und ius privatum, ZRG RA 103 (1986), 1

Ius (N.) publicum (lat.) ist im römischen Recht nach einer Ulpian (170?-223) zugeschriebenen Beschreibung ([lat.] publicum ius est, quod ad statum rei Romanae spectat) das Recht, das die Verhältnisse des römischen Gemeinwesens betrifft. Es bildet die Grundlage für das zu Beginn der Neuzeit vor allem von protestantischen Juristen abgesonderte öffentliche Recht.

Lit.: Kaser §§ 3 II, 17 II; Söllner §§ 7, 18; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 54; Kaser, M., Ius publicum und ius privatum, ZRG RA 103 (1986), 1; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988

Ius (N.) quaesitum (lat.) ist in der frühen Neuzeit das subjektive, gerichtlich geschützte Recht, das eine Person durch einen Rechtsvorgang im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung erlangt hat (z. B. Konzession).

Lit.: Meyer, G., Der Staat und die erworbenen Rechte, 1895

Ius (N.) Quiritium (lat.) ist das (lat.) →ius (N.) civile der römischen Bürger.

Lit.: Kaser § 22; Söllner § 9

Ius (N.) reformandi ist im neuzeitlichen Heiligen römischen Reich  das Recht des Landesherrn bzw. Staates, die Religionsangelegenheiten rechtlich zu gestal­ten. Es wird im Frieden von Münster und Osnabrück 1648 ausdrücklich anerkannt. Seit dem 19. Jh. wird es eingeschränkt.

Lit.: Bonin, B. v., Die praktische Bedeutung des ius reformandi, 1902; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Ius (N.) respondendi (lat.) ist das vom Prinzeps Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) einzelnen Rechtskundigen des römischen Rechtes verliehene Recht, in seinem Namen auf Anfragen zu antworten.

Ius (N.) reservatum (lat.) ist in der frühen Neuzeit das (dem Kaiser) vorbehaltene Recht (z. B. Gesetzesinitiative im Reichstag, Adels­verleihung) im Gegensatz zu dem nur gemeinsam mit dem Reichstag ausübbaren ius comitiale. Für das (lat.) ius reservatum limitatum (eingeschränktes Reservatrecht) bedarf der Kaiser der Zustimmung der Kur­fürsten (z. B. Verhängung der Reichsacht, Einberufung des Reichstags, Erteilung von Münzrechten oder Zollrechten). Aus den Rechten des Monarchen wird im 19. Jh. die Prärogative der Krone.

Lit.: Pratje, J., Die kaiserlichen Reservatrechte, Diss. jur. Erlangen 1957 (masch.schr.)

Ius Romanum allegans fundatam habet intentionem (lat.). Wer sich auf römisches Recht beruft, hat eine brauchbare Klagegrund­lage.

Lit.: Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungs­lehre, 1977, 1; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Ius (N.) spolii (lat.), Spolienrecht, ist der frühere Anspruch des Staates auf das bewegliche Vermögen verstorbener kirchlicher Würdenträger.

Lit.: Prochnow, F., Das Spolienrecht, 1919; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972

ius (N.) strictum (lat.) strenges Recht, das durch (lat. [F.]) aequitas gemildert werden kann

ius (N.) terrae →Landrecht

ius (N.) territorii et superioritatis (lat.) Landeshoheit

Ius (N.) teutonicum (lat.) ist im Mittelalter (12./13. Jh.) das deutsche Recht als ein deutschen Siedlern von slawischen Fürsten gewährtes freieres Grundbe­sitz­recht im Osten.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Kötzschke, R., Die Anfänge des deutschen Rechtes, Ber. ü. d. Verh. d. sächs. Akad. d. Wiss. Leipzig phil.-hist. Kl. 93 1941, H. 2

Ius (N.) tollendi (lat.) ist im römischen Recht das Wegnahmerecht (z. B. des im Rechtsstreit unterlegenen Besitzers bezüg­lich nicht zu ersetzender, abtrennbarer Auf­wendungen).

Lit.: Kaser §§ 26, 27

Ius (N.) transitus (lat.) ist das Durchzugsrecht durch fremdes Staatsgebiet zu →Enklaven.

Ius (N.) utrumque (lat.) ist seit dem 12. Jh. eine Bezeichnung für das (lat.) ius (N.) canonicum und das (lat.) ius (N.) civile. Beide Rechte lehrt vielleicht als erster Bazianus (1197) in Bologna. Seit der Neuzeit betrifft das juristische Studium regelmäßig beide Rechte (→[lat.] doctor [M.] iuris utriusque), doch schwindet das kanonische (kirchliche) Recht an den huristischen Fakultäten im 20. Jahrhundert weitgehend.

Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962; Utrumque ius, hg. v. Schrage, E., 1992

Ius (N.) vitae necisque (lat.) ist im römischen Recht das Recht des Herrn über Leben und Tod eines Menschen (z. B. lat. [M.] servus, untreue Ehefrau).

Lit.: Kaser § 12, 58, 60; Söllner §§ 5, 8

iusiurandum ([lat.] N.) Eid

iussum (lat. [N.]) Geheiß (z. B. an einen Gewaltunterworfenen auf Erwerb einer Sa­che), Ermächtigung (z. B. an den Geschäfts­partner eines Gewaltunterwor­fenen)

Iusta causa (lat. [F.]) ist im römischen Recht der anerkannte Zuwendungszweck (z. B. Kauf, Mitgift) für die Übergabe (lat. traditio [F.]) einer Sache. Fehlt die i. c., kann kein Eigentum übertragen werden.

Lit.: Kaser § 24 IV; Söllner § 8; Köbler, DRG 40

Iustitia (lat. [F.]) ist die Gerechtigkeit.

Lit.: Köbler, DRG 30; Kissel, O., Die Justitia, 1984, 2. A. 1997; Degen, B., Justitita ist eine Frau, 2008; Ostwaldt, L., Aequitas und Justitia, 2009; Schmoeckel, M., Die Jugend der Justitia, 2013

Iustitia est constans et perpetua voluntas suum cuique tribuendi (lat.). Gerechtigkeit ist der stetige und fortdauernde Wille, jedem das Seine zu geben.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007, 106, Nr. 195 (Pseudoulpian, 3./4. Jh., Institutionen 1, 1, pr.)

Iustum bellum (lat. [N.]) ist der →gerechte Krieg.

Iustum pretium (lat. [N.]) ist im römischen Recht der gerechte Preis. Im spätantiken römischen Recht (Ende 3. Jh.s, C. 4. 44. 2, C. 4. 44. 8) kann in klarem Gegensatz zu den spätklassischen Rechtskundigen der Verkäu­fer einer Sache den Kaufvertrag anfechten und gegen Rückzahlung des Preises die Rückgabe der Sache verlangen, wenn der Preis geringer ist als die Hälfte des Wertes und der Käufer nicht den auf den gerechten Preis fehlenden Betrag nachzahlt (lat. laesio [F.] enormis). Allerdings ist das i. p. schwer zu bestimmen. 1234 übernimmt die Kirche die spätantike Lehre vom i. p. Christian Thomasius bezweifelt die Möglichkeit eines gerechten Preises. Im 19. Jh. wird die noch im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Ös­ter­reichs (1811/1812) bejahte Vorstellung des i. p. durch den Liberalismus wieder zurück­gedrängt. Schützend wirken § 138 BGB (Sittenwidrigkeit, 1900) und Verbraucher­schutz­bestimmungen am Ende des 20. Jh.s.

Lit.: Köbler, DRG 64; Baldwin, J., The medieval theories of the just price, 1959; Ruland, L., Die moraltheologische Lehre vom gerechten Preis, 2. A. 1951; Otte, G., Das Privatrecht bei Francisco de Vitoria, 1964; Trusen, W., Äquivalenzprinzip und gerechter Preis im Spätmittelalter, FS G. Küchenhoff, 1967, 247; Der gerechte Preis, 1982; Marazzi, L., Das iustum pretium, 1999; Becker, C., DIe Lehre von der laesio enormis, 1993; Göttlicher, D., Iustum pretium und Vertragsgerechtigkeit, 2004

Ivo Helori, Ivo von Hélory, (Kermartin 17. 10. 1253 [1247?, 1250?]-19. 5. 1303), Sohn eines Landadligen, wird nach dem 13jährigen Studium von Theologie und Recht in Paris und Orléans Offizial und Priester. Vielleicht wegen seiner Gerechtigkeitsliebe und Verwechslungen mit →Ivo von Chartres ist er Standespatron der Juristen und volkstümlicher Heiliger der Gerechtigkeit.

Lit.: Moeller, E. v., Der heilige Ivo, HV 20 (1909), 321; Schott, C., Patrone und Siegel der Freiburger Juristen­fakultät, Freib. Univ.bll. 2 (1962), 32; Burmeister, K., Der heilige Ivo und seine Verehrung an den deutschen Rechtsfakultäten, ZRG GA 92 (1975), 60; Rieck, A., Der heilige Ivo von Hélory, 1998

Ivo von Chartres (um 1046-1116) wird nach dem Studium in Paris und Bec 1090 Bischof von Chartres. Er verfasst eine (lat.) Collectio (F.) trium partium (Sammlung dreier Teile), ein (lat. [N.]) Decretum und eine achtbändige (lat. [F.]) Panormia, in denen er Kanones und Dekretalen sammelt und dadurch →Gratian erheblich beeinflusst.

Lit.: Sprandel, R., Ivo von Chartres, 1962; Ways of Mercy, hg. v. Brasington, B., 2004; Violi, S., Il prologo di Ivo di Chartres, 2006

 

J

Jaca ist der 1076 von König Sancho Ramirez gegründete, mit einem →Fuero begabte Sitz des Königs von Aragón.

Lit.: Nelson, L., The foundation of Jaca, Speculum 53 (1978), 688

Jacobus Balduini ist der in Bologna geborene, 1213 den Professoreneid ablegende, 1229 zum Podestà von Genua gewählte, wohl am 10. 4. 1235 verstorbene Glossator (Schüler Azos), von dem Glossen zum Codex und zu den Digesten, De instructione advoca­torum, De primo et secundo decreto, De fratribus habitantibus und kleinere Schriften stammen.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 286

Jacobus Butrigarius ist ein in Bologna etwa 1273 geborener, in Bologna lehrender, am 9. 4. 1348 verstorbener Jurist (lecturae, commentaria, Traktate, quaestiones, consilia).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 621

Jacobus Columbi ist ein unsicher bezeugter Glossator, der vielleicht einen Glossenapparat zu den libri feudorum und eine Summa feudorum verfasst hat.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 282

Jacobus de Ardizone ist der aus Verona stammende, im früheren 13. Jahrhundert wirkende Glossator (Schüler Azos), von dem die ardizonische Rezension der Libri feudorum, eine Summa feudorum und eine Summa de decurionibus stammen.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 278

Jacobus de Arena ist ein wohl aus Parma gebürtiger, vielleicht zwischen 1230 und 1240 geborener Jurist (Lecturae, Additiones, Tractatus).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 435

Jacobus de Belvisio ist ein wohl in Bologna um 1270 geborener, in Bologna ausgebildeter, in Neapel promovierter und dort und später in Bologna, Padua, Siena, Perugia und schließlich in Bologna lehrender Jurist (lectu­rae, additiones, casus, Traktate, consilia).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 6113

Jacobus de Porta Ravennate (Bologna um 1115-11. 10. 1178) ist einer der sog. (lat.) quattuor doctores (M.Pl.) des 12. Jh.s in Bologna, die 1158 auf dem Reichstag in Roncaglia auftreten. Von ihm stammen Glossen, Distinktionen, Summulae, Dispu­tationen und möglicherweise der erste größere strafrechtliche Traktat der Glossato­renzeit (Tractatus criminum).

Lit.: Köbler, DRG 106; Wieacker, F., Privatrechts­geschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 62; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes, 1974; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 178

Jacobus de Ravanis (Jacques de Révigny) (1230/1240-1290) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans dort bis 1280 Professor und 1289 Bischof von Verdun. Neben verschiedenen Vorlesungen (lecturae) über die justinianischen Texte stammt vielleicht ein Rechtswörterbuch (lat. Dictio­narium [N.] iuris) von ihm.

Lit.: Köbler, DRG 126; Waelkens, L., La théorie de la coutume chez Jacques de Révigny, 1984; Bezemer, C., Les répétitions de Jacques de Revigny, 1987; Bezemer, C., What Jacques saw, 1997; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 518

Jacques de Révigny →Jacobus de Ravanis

Jagd ist das Erlegen und Fangen jagdbarer Tiere nach den Regeln des Jagdrechts. Ursprünglich ist die J. frei. Streitig ist, seit wann danach das Recht zur J. mit dem Eigentum am Grundstück verbunden wird. Im Frühmittelalter erklärt der König die J. im (eingehegten) →Forst zum königlichen Recht (→Regal). Im Hochmittelalter geht das all­mählich erweiterte Regal auf den Landesherrn über. Der Bauer wird von der J. ausge­schlossen, wogegen er sich zu Beginn der Neuzeit (→Bauernkriege) vergeblich wehrt. Der Landesherr behauptet daneben die Jagdhoheit als das Recht, die J. rechtlich zu gestalten (Jagdverordnung, Jagdstrafrecht). 1789 wird in Frankreich, 1848 in der deutschen Verfassung das Jagdregal durch die Jagdberechtigung des Grundeigentümers ersetzt. Wegen der tatsächlichen Folgen wird wenig später (Preußen 1850, 1907) zwischen dem Jagdrecht als dem Aneignungsrecht des Grundstück­eigen­tümers (Eigenjagdbezirke o­der Jagdge­nossenschaftsjagdbezirke) und der Jagdausübungsberechtigung (auf Grund eines Jagdscheins) unterschieden.

Lit.: Hübner 287; Köbler, DRG 90, 113; Roth, K., Geschichte des Forst- und Jagdwesens in Deutschland, 1879; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des alt­preußischen Jagd- und Fischereirechts, ZRG GA 39 (1918), 88; Lindner, K., Die Jagd im frühen Mittelalter, 1940; Hagenbach, B., Beiträge zur Geschichte des Jagdrechtes auf dem Gebiete der Schweiz, 1972; Eckardt, H., Herrschaftliche Jagd, 1976; Kohl, G., Jagd und Revolution, 1993; Jagd und höfische Kultur, hg. v. Rösener, W., 1997; Über die Jagd, hg. v. d. bay. Ak. d. Wiss., 2002; Almond, R., Medieval Hunting, 2003; Rösener, W., Die Geschichte der Jagd, 2004; Theilemann, W., Adel im grünen Rock, 2004; Knoll, M., Umwelt – Herrschaft, Gesellschaft, 2004; Manfredini, A., Chi caccia e chi è cacciato, 2006; Schennach, M., Jagdrecht, Wilderei und gute Policey, 2007

Jahr und Tag (lat. annus [M.] et dies) ist eine im deutschen Mittelalter häufige Zeit­bestimmung unklarer Herkunft, die erstmals in Formeln der Jahre 769-775 erscheint. Nach umstrittener Ansicht ist damit von Anfang an die im 14. Jh. ausdrücklich belegte Frist von einem Jahr, 6 Wochen und 3 Tagen zu verstehen. Nach J. u. T. erlangt beispielsweise der unange­sprochene Erwerber eines Grundstücks die rechte →Gewere. Nach anderer Ansicht ist mit J. die Zeit von 13 Mondmonaten zu 28 Tagen und einem zusätzlichen, auf das Sonnenjahr von 365 Ta­gen fehlenden Tag gemeint.

Lit.: Hübner 17; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Fockema Andreae, S., Die Frist von Jahr und Tag und ihre Wirkung in den Niederlanden, ZRG GA 14 (1893), 75; Puntschart, P., Zur ursprünglichen Bedeutung von „Jahr und Tag“, ZRG GA 323 (1911), 328; Klein-Bruckschwaiger, Franz, Jahr und Tag, ZRG GA 67 (1950), 441; Hardenberg, L., Zur Frist von Jahr und Tag, ZRG GA 87 (1970), 287

Jahresgeschenk (lat. donum [N.] annuale) ist eine schon im Frühmittelalter bezeugte Gabe Einzelner an den König, die einen nicht durchgesetzten Ansatzpunkt zur Entwicklung der →Steuer bildet.

Jahrgebung (lat. venia [F.] aetatis) ist die Mündigmachung durch Erklärung. Sie kommt aus dem römischen Recht, erscheint im 13. Jh. und steht zunächst allein dem Kaiser zu. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter wird die römisch­rechtliche Einrichtung der (lat.) venia (F.) aetatis vollständig aufgenommen. Als Volljährig­keits­erklärung erscheint sie im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900).

Lit.: Hübner; Kraut, W., Die Vormundschaft, Bd. 2 1847, 86, 168; Suchier, W., Geschichte der venia aetatis in Deutschland vor 1900, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1907

Jakob Ben Ascher (Deutschland um 1270-Toledo 1343) verfasst nach seiner 1303 erfolgten Auswanderung eines der bedeu­tendsten jüdischen Rechtsbücher des Mittelalters (Arba ’at ha-Turim, vierteilig). Es betrifft Gebete und Feiertage, Sklaven, Speisen und Eide, Frauen und Ehe, sowie Diebstahl, Erbe, Vertrag und Verfahren. Verarbeitet sind neben →Talmud zahlreiche Rechtsquellen.

Lit.: Elon, M., Ha-Mischpat ha-‘ibri, Bd. 2 3. A. 1988, 1058

Japan ist der östlich des Festlands Eurasiens auf Inseln gelegene, ost­asiatische, bis zum 5. Jh. schriftlose, in Europa seit dem 15. Jh. (und im 16. und 17. Jh. über Portugiesen) bekannter werdende Staat, dessen über­kommenes, aus China stammendes Recht, das z. B. in einem Verfahrensrechtsbuch von etwa 1220 (Go­seibai-Shikimoku) überliefert ist, nach der von den Vereinigten Staaten von Amerika 1853 erzwungenen Öffnung des Landes (Han­delsvertrag von Kanagawa 31. 3. 1854) seit 1858 Europa angenähert und am Ende des 19. Jh.s (Meiji-Verfassung 1889) grundlegend vom europäischen Recht (Frankreich [Strafge­setzbuch 1880/1882, 1907/1908, Strafprozess­ordnung], Deutsch­land [Verfassung, Handels­gesetzbuch 1890/9, Bür­gerliches Gesetzbuch - 1890 französisch ge­prägtes altes Bürgerliches Gesetzbuch ver­kündet, aber nach Kodifikationsstreitigkeiten nicht in Kraft getreten, durch Hozumi, Tomii und Ume stärker deutsch geprägtes - Meiji - Bürgerliches Gesetzbuch 1896/1898]) beein­flusst wird (→Boissonade, Hozumi, →Inoue, →Roesler).

Lit.: Köbler, DRG 184; Gonthier, A., Histoire des institutions Japonaises, 1956; Kitagawa, Z., Rezeption und Fortbildung des europäischen Zivilrechts in Japan, 1970; Murakami, J., Einführung in die Grundlagen des japanischen Rechts, 1974; Siemes, J., Die Gründung des modernen japanischen Staates, 1975; Tanaka, H., The Japanese Legal System, 1976; Kroeschell, K., Das moderne Japan und das deutsche Recht, (in) Japans Weg in die Moderne, hg. v. Martin, B., 1987, 45; Die Japanisierung des westlichen Rechts, hg. v. Coing, H. u. a., 1990; Die Einwirkung der Rezeption westlichen Rechts auf die sozialen Verhältnisse in der fernöstlichen Rechtskultur, hg. v. Scholler, H., 1993; Inoue, K., Geschichte Japans, 1993; Das Japanische im japanischen Recht, hg. v. Menkhaus, H., 1994; Eckey-Rieger, A., Der Kodifikationsstreit zum japanischen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1994; Hartmann, R., Geschichte des modernen Japan, 1996; Ishibe, M., Die Verwestlichung des japanischen Rechtsdenkens, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Schenck, P., Der deutsche Anteil, 1997; Takii, K., Doitsu Kokkagaku to Meiji Kokusei (Die deutsche Staatswissenschaft und die Meiji-Verfassung), 1999; Bruns, G., Die japanische Demokratie, 1999; Marutschke, H., Einführung in das japanische Recht, 1999; Takii, K., Das Japanbild der deutschen Juristen während der Meiji-Zeit, Zinbun 1999, 107; Akamatsu, H., Bezugnahmen auf das deutsche BGB, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 651; Ando, J., Die Entstehung der Meiji-Verfassung, 2000; Georg Michaelis. Ein preußischer Jurist im Japan der Meiji-Zeit, hg. v. Becker, B., 2001; Ishibe, M., Nobushige Hozumi und die japanische Rechts­wissenschaft in der Meiji-Zeit, 2001; Pohl, M., Geschichte Japans, 2002; Rabinovitz, R., Japan’s foreign investment law of 1950, 2003; Ishibe, M., Neuere deutsche Rechtsgeschichte in Japan, ZNR 27 (2005), 62; Zöllner, R., Geschichte Japans. Von 1800 bis zur Gegenwart, 2006; Fröhlich, J., Rulers, Peasants and the Use of the Written Word in Medieval Japan, 2007; Shimazu, N., Japanese Society at War, 2009; Krebs, G., Das moderne Japan 1868-1952, 2009; Ostasiatisches Strafrecht, hg. v. Hilgendorf, E., 2010; Krebs, G., Japan im pazifischen Krieg, 2010; Kleine Geschichte Japans, hg. v. Kreiner, J., 2010; Vogl, S., Rechtsprechung und Zivilrechts­methodik, ZRG GA 129 (2011), 268; Kleine, C., Der Buddhismus in Japan, 2011; Yamanaka, K., Geschichte und Gegenwart der jpanischen Strafrechtswissenschaft, 2012; Zachmann, U., Völkerrechtsdenken und Außenpolitik in Japan, 1919-1960, 2013

Jarl (lat. [M.] dux, comes, praefectus) ist im altnordischen Recht der Held, Häuptling oder Fürst. In Norwegen wird der weltliche Titel eines J. 1308 weitgehend beseitigt. In Schweden erscheint er von der Mitte des 12. Jh.s bis zur Mitte des 13. Jh.s, in Dänemark um 1400.

Lit.: Herlitz, N., Grundzüge der schwedischen Verfassungsgeschichte, 1933; Meißner, R., Das norwegische Gefolgschaftsrecht, 1938; Jorgensen, P., Dansk Retshistorie, 2. A. 1947; Sawyer, P., The Making of Sweden, 1989

Jarnsida (Eisenseite) ist das 1271/1273 unter norwegischer Herrschaft (1262/1264) in →Island eingeführte Recht. Es beruht auf Gulathinglög und →Gragas. 1281 wird die J. durch die →Jonsbok ersetzt.

Lit.: Corpus codicum Islandicorum, Bd. 9 1936; Strauch, D., Mittelalterliches nordisches Recht bis 1500, 2011, 246

Jasomirgott ist ein erst seit dem Spät­mittelalter belegter, vielleicht aus dem Arabischen kommender (verballhornter) Beiname Heinrichs II. (von Babenberg, 1107/1108-13. 1. 1177).

Lit.: Eheim, F., Zur Geschichte der Beinamen der Babenberger, Unsere Heimat 26 (1955), 157

Jason de Mayno (Pesaro 1435-Pavia 1519), außerehelicher Sohn eines Adligen aus Mailand, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Alexander de Tartagnis bzw. Tartagnus) 1467 Professor in Pisa, 1485-1488 in Padua, 1489 in Pisa. Neben zahlreichen (414) Gutachten verfasst er umfangreiche Kommentare zu einzelnen Stellen der justi­nianischen Rechtstexte.

Lit.: Belloni, A., Professori giuristi a Padova nel secolo XV, 1986, 221; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 881

Jedem das Seine.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprich­wörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 285 ([Beyer 1985] lat. suum cuique)

Jefferson, Thomas (1743-1826) wird nach dem Rechtsstudium am William and Mary College (1760-1762) und einer praktischen Ausbildung 1767 Anwalt und Politiker, Gouverneur, Gesandter in Frankreich, Außen­minister und 1801 Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Er ist maßgeblich verantwortlich für die amerikanische →Bill of Rights 1791 und die Einschränkung der amerikanischen Zentralgewalt.

Lit.: Cunningham, N., In Pursuit of Reason, 1987

Jellinek, Georg (Leipzig 16. 6. 1851-Heidelberg 12. 1. 1911), Sohn eines Rabbiners und Religionswissenschaftlers, wird nach dem Rechtsstudium in Wien, He­idelberg und Leipzig 1883 außer­ordentlicher Professor für Staatsrecht in Wien, 1889 ordentlicher Professor in Basel und 1891 in Heidelberg. Sein erfolgreichstes Werk ist die dem System der subjektiven öffentlichen Rech­te (1892) folgende Allgemeine Staats­lehre (1900). Sie erfasst den Staat einerseits als soziale Erscheinung (sozial-empirisches Sein) und andererseits als Rechtsordnung (norma­tives Sollen).

Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953, 242; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a.,1993, 355; Kempter, K., Die Jellineks, 1998; Kersten, J., Georg Jellinek und die klassische Staatslehre, 2000; Georg Jellinek, hg. v. Paulson, S. u. a., 2000; Keller, C., Victor Ehrenberg und Georg Jellinek Briefwechsel 1872-1911, 2005

Jena ist der um die Mitte des 9. Jh.s (830-850) erscheinende Ort der Thüringer, der um 1230 Stadt wird. Ein mittelalterliches Schöffenkollegium fehlt dort. 1548 erhält J. (im ernesti­ni­schen Sachsen) eine hohe Schule und 1556/1557/­1558 eine Universität, neben der 1569 ein mit gelehrten Juristen besetzter Schöppen­stuhl (juristische Fakultät als Spruch­kol­le­gium im Gegensatz zur Fakul­tät als Gremium für Gutachten) erwähnt wird (mit bis zu 500 Akteneingängen im Jahr). Mit Jena ver­bunden sind etwa Dominicus Arumäus (1579-1673), Johannes Limnäus (1592-1663), Matthäus Wesenbeck (1531-1586), Anton Friedrich Justus Thibaut (1772-1840), Paul Johann Anselm von Feuerbach (1775-1833), Hans Adolf Fehr (1874-1961), Heinrich Lehmann (1876-1963), Justus Wilhelm Hedemann (1878-1963) oder Hans Carl Nipperdey (1895-1968). 1945 wirken dort Max Hildebert Boehm (1934-1945), Richard Karl Gustav Lange (1939-1949), Walter Krusch (1939-1945/1946), Gerhard Gustav Theodor Wacke, (1940-1945), Falk Alfred Ruttke (1940-1945), Hermann Martin Drath (1945-1947), Hermann Arnold Schultze von Lasaulx (1935-1941/1945-1947).

Lit.: Kühn, W., Die Entwicklung, insbesondere die Anfänge des Jenaer Stadtgerichts, 1938; Mühlmann, O., Untersuchungen zum Geschoßbuch der Stadt Jena vom Jahre 1406, 1938; Die Matrikel der Universität Jena, Bd. 1ff., bearb. v. Mentz. G. u. a. 1944ff.; Koch, H., Geschichte der Stadt Jena, 1966; Pester, T., Zwischen Autonomie und Staatsräson, 1992; Häder, U., Das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht thüringischer Staaten in Jena, 1996; Kämpferische Wissenschaft, hg. v. Hoßfeld, U. u. a., 2003; Klassische Universität und akademische Provinz, hg. v. Steinbach, M. u. a., 2005; Hochschule im Sozialismus, hg. v. Hoßfeld, U. u. a., 2006; Deinhardt, K., Stapelstadt des Wissens, 2007; Wege der Wissenschaft, hg. v. John, J. u. a., 2007; Kriebisch, A., Die Spruchkörper Juristen­fakultät und Schöppenstuhl zu Jena, 2008 (Diss. jur. Jena 2007); Ries, K., Wort und Tat, 2007; Gelehrte Wissenschaft. Das Vorlesungs­programm der Universität Jena um 1800, hg. v. Bach, T. u. a., 2008; Die Universität Jena in der frühen Neuzeit, hg. v. Bauer, J. u. a., 2008; Wallentin, S., Fürstliche Normen und akademische Ob­ser­vanzen, 2009; Universität im Umbruch, hg. v. Bauer, J. u. a., 2010; Bauer, J., Universitätsgeschichte und Mythos -Erinnerung, Selbstvergewisserung und Selbstver­ständnis Jenaer Akademiker 1548-1858, 2012; Rechtsgelehrte der Universität Jena aus vier Jahrhunderten, hg. Lingelbach, G., 2012; Wolf, S., Das Jenaer Studium der Rechte im Dritten Reich, 2013; DIe Universität Jena in der Weimarer Republik 1918-1933, bearb. v. Bräuer, T. u. a., 2013

Jerusalem ist die seit dem 18. Jh. v. Chr. v. Chr. als kanaanäisches Uruschalim (Stadt des Friedens) belegte, um 997 v. Chr. vom israelitischen König David eroberte, von den Juden als Hauptstadt verwendete, durch Jesus Christus zum Ausgangspunkt des Christen­tums gewor­dene, 70 n. Chr. von den Römern zerstörte und nach Wiederaufbau 638 n. Chr. von den Arabern eroberte Stadt im heutigen Israel bzw. Palästina, in der im Herbst des Jahres 1009 die Grabeskirche auf Befehl des Kalifen zerstört wird..

Lit.: Tischler, C., Die burgenses von Jerusalem im 12. Jahrhundert, 2000; Jerusalem im Hoch- und Spät­mittelalter, hg. v. Bauer, D. u. a., 2001; Kirstein, K., Die lateinischen Patriarchen von Jerusalem, 2002; L’idea di Gerusalemme, 2003; Penth, S., Die Reise nach Jerusalem, 2010; Die Urkunden der lateinischen Könige von Jerusalem, hg. v. Mayer, H., 2011; Türck, V., Christliche Pilgerfahrten nach Jerusalem, 2011; Müller, C., Der Kadi und seine Zeugen, 2013

Jesuitenorden (lat. societas [F.] Jesu) ist der von Ignatius von Loyola (1491-1556) seit etwa 1534 allmählich begründete, 1540 vom Papst bestätigte, katholische Männerorden zum apostolischen Einsatz im Dienst der Kirche. Er wird in der →Gegenreformation tätig. Am 21. 7. 1773 hebt ihn Papst Clemens XIV. auf (Fortbestehen in Preußen, Russland und Kanada), stellt ihn am 7. 8. 1814 aber wieder her.

Lit.: Duhr, B., Geschichte der Jesuiten, Bd. 1ff. 1907ff.; Hollis, C., A History of the Jesuits, 1968; Hartmann, P., Die Jesuiten, 2001; Haub, R., Geschichte der Jesuiten, 2006; Feld, H., Ignatius von Loyola, 2006; Vogel, C., Der Untergang der Gesellschaft Jesu, 2006

Jesus (Nazareth um 7-4 bzw. 6-5 v. Chr.?-Golgotha/Jerusalem um 30 n. Chr.) ist der nach möglicherweise zweijährigem Wirken (ab 29 n. Chr.?) als öffentlicher Wanderlehrer nach einem Prozess (ab 6. 4. 30) im Zusammenwirken von Juden und Römern gekreuzigte (und nach chtistlicher Lehre von den Toten auferstandene) jüdische Begründer der zunächst sehr sektiererhaften, bereits sehr früh infolge von Streitigkeiten von Jerusalem nach Antiochia verlagerten, in hridnischer Um­ge­bung zivilisierten christli­chen Religion, dessen tatsächliches Leben mit der späteren christlichen Vorstellung nicht in jeder Hinsicht übereinstimmen dürfte.

Lit.: Theessen, G., Der historische Jeus, 1996; Cohn, H., Der Prozess und Tod Jesu aus jüdischer Sicht, 1998; Puig i Tarrech, A., Jesus, 2010; Jaroš, K., Jesus, 2011; Dahlheim, W., Die Welt zur Zeit Jesu, 2013

Jhering →Ihering

Joachimica Constitutio →Constitutio Joachimica

Johannes Andreae (bei Florenz um 1270-Bologna 7. 7. 1348) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna spätestens 1302 Lehrer des kirchlichen Rechtes. Er kom­mentiert den →Liber sextus, die Clementinen (lat. glossa [F.] ordinaria) und den →Liber extra. Trotz seiner stark kompilatorischen Arbeitsweise ist er der bedeutendste Kirchenrechtler des 14. Jh.s. In seinen (lat.) Additiones (F.Pl.) ad speculum Guillelmi Durantis (Zusätze zum Spiegel des Wilhelm Durantis) von kurz vor 1346 stellt er als erster die Literaturgeschichte des kirchlichen Rech­tes dar.

Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, Bd. 6 2. A. 1850, Neudruck 1956, 98; Pennington, K., Johannes Andreaes Additiones to the Decretals of Gregory IX, ZRG KA 74 (1988), 328;: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 658

Johannes Bassianus ist ein in Cremona geborener Schüler des Bulgarus in Bologna, der Lehrer Azos (vor 1190-1220), Karolus de Toccos und Nicolaus Furiosus‘ wird und Glossen, Lecturae, Summen, Arbeiten zum Prozessrecht, Regulae iuris, Distinktionen, Quästionen und Consilia verfasst.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 215

Johannes de Blanasco ist ein um 1225 in Blanot in Burgund geborener, in Bologna ausgebildeter, nach seinem tractatus de actionibus (1256) nach Burgund zurückge­kehrter Jurist.

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 461

Johannes de Imola ist ein in Imola vielleicht um 1375 geborener, in Bologna ausgebildeter und spätestens ab 1399 lehrender, 1436 verstorbener Jurist (commentaria, consilia, Traktat zum großen Schisma).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 807

Johannes Teutonicus (1180?-25. 4. 1245), deutscher Schusterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Azo) um 1210 Rechtslehrer in Bologna und vielleicht 1220 Kanoniker in Halberstadt (Johannes Zeme­ke?). Zwischen 1210 und 1217 verfasst er die (lat.) glossa (F.) ordinaria zum (lat.) →Decretum (N.) Gratiani. Seine Sammlung der Dekretalen Papst Innozenz’ III. von 1210-1216 setzt sich gegen den Widerspruch des Papstes durch.

Lit.: Köbler, DRG 106; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 329

Johannes von Erfurt (um 1260?-1340?), Kanonist und Theologe, ist der Verfasser verschiedener früher rechtswissen­schaft­licher Arbeiten in Deutschland (u. a. [lat.] tabula [F.] utriusque iuris von etwa 1280).

Lit.: Johannes von Erfurt, Die Summa confessorum, hg. v. Brieskorn, N., 1981

Johannes von Saaz (oder Tepl) (um 1350-Prag 1414) ist der nach dem Studium der (lat.) artes (F.Pl.) liberales in Prag als Lehrer und Notar außer dem Ackermann von Böhmen (1401) vier Formelbücher und einen Band des Stadtbuchs von Prag (lat. Liber [M.] contractuum, Buch der Verträge) verfassende Gelehrte.

Lit.: Stutz, U., Rechtshistorisches in und zu dem Ackermann aus Böhmen, ZRG 41 (1920), 388

Johann von Buch →Buch, Johann von

Johanniter ist der Angehörige des 1099 gegründeten Johanniterordens.

Lit.: Staehle, E., Geschichte der Johanniter und Malteser, Bd. 1ff. 2002; Die Ballei Brandenburg des Johanniterordens, Findbuch, hg. v. Neitmann, K., 2006

joint tenancy (N.) Gesamthandsge­mein­schaft

Jonsbok (F.) (Jónsbók oder Lögbok Islendinga, in den Quellen landslagabókin, lögbókin, bókin) ist der Name des in Norwegen abgefassten, 1281 in →Island eingeführten, in rund 200 Handschriften (286 Handschriften und Bruchstücken [zweier Handschriftenklassen] mit 45 bzw. 148 Handschriften) überlieferten, nach (dem norwegischen, wohl an seiner Abfassung mitwirkenden Lögmann) Jon Einarsson († 1306) benannten, in zehn Teile gegliederten, an die Verhältnisse Islands angepassten Rechtsbuchs oder Gesetzbuchs auf der Grundlage von König →Magnus Hakonarsons Landrecht von 1274. Die in Island meistgelesene, seit 1578 gedruckte J. bleibt bis in das 18. Jh. bedeutsam und gilt in Teilen noch am Beginn des 21. Jh.s.

Lit.: Halldorsson, Kong Magnus Hakonarsons Lovbog for Island, 1904; Fix, H., Wortschatz der Jonsbok, 1984; Jónsbók, hg. v. Schulman, J. 2010

Jordan, Sylvester (Omes bei Innsbruck 30. 12-1792-Kassel 15. 4. 1861), Schusters­sohn, wird nach dem Studium der Philosophie und Rechtswissenschaft in Landshut und Wien und den Promotionen von 1815 und 1817 sowie der Habilitation in Landshut 1821 ao. Professor in Marburg und 1822 ordentlicher Professor. 1831 beeinflusst er den Entwurf einer Verfassung Kurhessens maßgeblich. In seiner Staatstheorie ordnet er das monar­chische Prinzip der Herrschaft des Rechts­ge­setzes unter.

Lit.: Kaiser, W., Sylvester Jordan, Diss. Leip­zig 1936; Kleinknecht, G., Sylvester Jordan, 1983; Frotscher, W., Sylvester Jordan, (in) Wor­te des Rechts, 2007, 130

Jordan von Osnabrück (um 1225?-15. 4. 1283?), Domkapitular in Osnabrück, verfasst wohl vor 1273 einen durch →Alexander von Roes 1281 überlieferten (lat.) Tractatus (M.) super Romano imperio (Abhandlung über das römische Reich), in dem er den Vorrang des römischen Reiches bis an das Weltende lehrt.

Lit.: Schraub, W., Jordan von Osnabrück und Alexander von Roes, 1910

Josaphat („Jahwe richtet“) ist nach Joel 4,12 im jüdisch-christlichen Verständnis der Ort des Jüngsten Gerichts (meist als Kidrontal verstanden).

Lit.: Hardung, S., Die Vorladung vor Gottes Gericht, 1934

Joseph II. (Wien 13. 3. 1741-20. 2. 1790), viertes Kind und erstgeborener Sohn (Franz-Stephan von Lothringens, des späteren Kaisers Franz’ I. und) Maria Theresias, wird 1764 römischer König, 1765 mit 24 JahrenKaiser und nach dem Tod seiner Mutter (29. 11. 1780) alleiniger Landesherr der öster­reichischen Erblande. Er übernimmt weitgehend die Ratgeber seiner Mutter und strebt einen zentralistischen Ge­samtstaat →Österreich deutscher Staats­sprache an. Seine rastlose aufgeklärte Reformpolitik (Schule, Bildungswesen, Gesundheits­we­sen, Toleranz 1781, Allgemeine Gerichts­ordnung 1781, Ehepatent 1783, Erbfol­ge­patent 1786, →Josephinisches Gesetzbuch 1786/1787, Josephinisches Straf­gesetzbuch 1787/1788 mit Todesstrafe nur­mehr im Standrecht, Kriminalgerichts­ordnung 1788, Bauernbefrei­ung, Josephinismus) kann sich gegen ständischen und föderalen Widerstand nicht durchsetzen.

Lit.: Winter, E., Der Josefinismus, 2. A. 1962; Bradler-Rottmann, E., Die Reformen Kaiser Josephs II., 1973; Mikoletzky, L., Kaiser Joseph II., 1979; Bernard, P., The limits of enlightenment, 1979; Karniel, J., Die Toleranzpolitik Kaiser Josephs II., 1986; Beales, D., Joseph II., 1987, Bd. 2 1009; Blanning, T., Joseph II., 1994; Macek, B., Die Krönung Josephs II. zum Römischen König, 2010

Josephinisches Gesetzbuch ist das aus dem Entwurf gebliebenen (lat.) →Codex (M.) Theresianus (1766) über den Entwurf Horten (1776) hervorgegangene österrei­chische Gesetzbuch vom (1. 11. 1786 bzw.) 1. 1. 1787. Dieses „All­gemeine bürgerliche Gesetzbuch“ enthält nur das Personenrecht (3325 Wortformen). Es wird zum 1. 1. 1812 durch das →Allgemeine Bürgerliche Gesetz­buch abgelöst.

Lit.: Köbler, DRG 142; Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch. Erster Teil, 1786; Harras von Harrasowsky, Der Theresianus und seine Umarbeitungen, 1886¸ http://www.koeblergerhard.­de/Fontes/JGB20070429-rund18800woerter.htm

Josephinismus ist das staatspolitische bzw. kirchenpolitische System des aufgeklärten →Absolutismus unter →Joseph II. (1780-1790) in →Österreich. Im J. wandelt der Landes­herr die ständische Verwaltung in eine büro­kratische Beamtenverwaltung um. Die Leibeigenschaft wird abgeschafft, Wohl­fahrts­einrichtungen werden gegründet. Deutsch wird Amtssprache. Der geistliche Bereich der Kirche wird auf Predigt, Sa­krament, Gottesdienst und Disziplinar­gewalt über den Klerus beschränkt. Die Geistlichen werden Staatsbedienstete. Der evange­lischen Religion wird Toleranz gewährt (Tole­ranzpatent 1781). Die Ehe wird bürgerlicher Vertrag (Ehepatent 1783). Grundgedanke ist die Nützlichkeit für Staat und Gesellschaft. Viele Einzelmaßnahmen stoßen auf Widerstand und müssen zurück­genommen wer­den.

Lit.: Winter, E., Der Josephinismus und seine Geschichte, 1943; Maass, F., Der Frühjosephi­nismus, Bd. 1ff. 1951ff.; Winter, E., Der Josephinismus, 2. A. 1962; Der Josephinismus, hg. v. Reinalter, H., 1993; Der Josephinismus, hg. v. Klueting, H., 1995; Josephinismus als aufgeklärter Absolutismus, hg. v. Rei­nalter, H., 2008

Jude ist der Angehörige der Religions­gemeinschaft Judentum, ursprünglich der Bewohner des Reiches des nach dem vierten Sohn Jakobs benannten Stammes (Gebiet um Jerusalem, Hebron, Beer Sheva). Die Frühgeschichte der Juden ist nicht eindeutig feststellbar. Im 8. Jh. v. Chr. werden die Oberschichten der Reiche Israel und Juda deportiert. 587 v. Chr. gerät das Reich Juda unter die Herrschaft Babylons. 538 v. Chr. erlaubt König Kyros II. von Persien den in diesem Zusammenhang verschleppten Juden die Rückkehr nach Jerusalem. 63 v. Chr. erobern die Römer Jerusalem. Aufstände der Juden schlagen die Römer 70 n. Chr. unter Zerstörung Jerusalems, 115-117 und 132-136 n. Chr. blutig nieder. Bis zum 5./6. Jh. breiten sich die Juden, von denen aus der Antike etwa 15000 namentlich bekannt zu sein scheinen, unter Bewahrung ihrer besonderen Religion und ihres besonderen Rechtes in einzelne Gebiete Spaniens, des Frankenreiches und Italiens aus und verlegen sich dabei auf die Tätigkeit als Händler. 638 fällt Jerusalem an die Araber. Bis in das 9. Jahrhundert, in dem die Juden unter dem Kalifen al-Mutawakkil mit einem besonderen Abzeichen gekennzeichnet werden, sind sie im Frankenreich nur am Mittelmeer sichtbar. Seit dem 9. Jh. werden ihnen im Frankenreich Schutzprivilegien gewährt, für die sie eine Gegenleistung erbringen. Um 930 findet im oströmischen Reich eine Judenverfolgung Statt. Mit der Entstehung von Städten lassen sich nördlich der Alpen aus dem Mittelmeerraum kommende Juden unter dem Schutz von Bischöfen in Kathedralstädten in eigenen Gassen oder Vierteln (Ghettos) fest nieder (Trier 2. Hälfte 10. Jh.s, Speyer Urkunde vom 13. 9. 1084, Mainz 10. Jh., Köln 10. Jh., Magdeburg 10. Jh.?, Metz vor 893, Merseburg 10. Jh.?, Prag frühestens um 1050, Regensburg um 981 und Worms Annfang 11. Jh.?) (kaiserliche Privilegien für Juden in Speyer und Worms von 1090. 1096 aber bereits Judenverfolgungen). Im Reichsland­frieden von 1103 werden die Juden unter die besonders befrie­deten Menschen aufgenommen. 1236 unterstellt sie Kaiser Friedrich II. als Kammerknechte gegen Abgaben (Judensteuer) dem Schutz des Königs bzw. des ihm hierin folgenden Landesherrn (Judenregal). Da die Juden wegen des nur Christen treffenden →kanonischen Zinsver­botes den Geld­wechsel und das verzinsliche Darlehen betreiben können und tatsächlich an sich ziehen, werden sie zur Zeit der Verbreitung der Pest (1347-1351, im Herbst 1347 durch genuesische Schiffe von der Krim nach Italien gebracht, je 50000 Tote in Florenz und Genua, im Heiligen römischen Reich vielleicht ein Zehntel der Bevölkerung an der Pest gestorben) als deren angebliche Urheber vielfach verfolgt und danach ab etwa 1390 weitgehend aus den Städten vertrieben (z. B. leben in Westfalen um 1500 nur noch an rund 25 Orten - nach 1350 aus dem Rhein­land und Nieder­sachsen zugezogene - Juden). In den Schriften deutscher Juristen des 16. und 17. Jh.s werden sie zwar abgelehnt, aber vor allem aus Nächstenliebe, später (Justus Henning Böh­mer 1674-1749) auch aus natur­rechtlichen Überlegungen geduldet. Im 17. und 18. Jh. gelingt einzelnen der im Heiligen römischen Reich etwa 60000 bis 70000 verbliebenen, von den Fürsten und reichsstädtischen Magistraten mit Hilfe des Geleits aus fiskalpolitischen Überle­gungen geförderten, von den Ständen dagegen in Gravamina eher abgelehnten Juden der Aufstieg im Bankwesen. Im Übrigen tragen weder Staat noch Beamte zur späteren (Selbst-)Emanzipation und zum sozialen Aufstieg bei. 1776 wird die Rechtsstellung der Juden in Virginia verbessert. 1779 veröffentlicht Gotthold Ephraim Lessing sein fünfaktiges Ideendrama mit dem Titel Nathan der Weise , das den Toleranzgedanken in den Mittelpunkt stellt. Nach 1780 wird als Folge der Aufklärung allgemein die Forderung nach Eingliederung der jüdischen Minderheit in die Gesellschaft erhoben (z. B. Dohm, C., Über die bürgerliche Verbesserung der Juden, 1781). In der Folge erhalten die Juden alle staatsbürgerlichen Rechte (Frankreich 1791, Preußen 11. 3. 1812 Edikt betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem preußischen Staate – das die einheimischen Juden zu Inländern und preußischen Staatsbürgern erklärt und ihnen grundsätzlich gleiche bürgerliche Rechte wie den Christen zuspricht -, Bayern 1813, Österreich 1867, Sachsen 1868 Gleichberechtigung aller Staats­angehörigen unabhängig von der Religionszugehörigkeit in Verfassungsrang erhoben), müssen aber ihr besonderes Recht und ihre besondere Gerichtsbarkeit ein­schränken. Dabei wird nach 1780 allge­mein die Forderung nach Eingliederung der jüdischen Minderheit in die Gesellschaft erhoben. Als Folge der Gleichstellung und der durch die frühere Ausgrenzung begünstigten Vorreiterrolle in der Verbürgerlichung ziehen die Juden in die Großstädte und aus dem Osten in die deutschen Staaten, wo sich beispielsweise in Sachsen erst nach 1830 die Befürworter eines langsamen Angleichungs- und Erziehungsprozesses durchsetzen. Gegen 1860 hat sich das Judentum als eigene kulturelle Komponente in der bürgerlichen Gesellschaft etabliert (1871 1,05 Prozent der Deutschen, 1925 564379, 1933 499682 oder 0,76 Prozent von rund 65 Millionen). In Abwehr der Judenemanzipation entsteht am Ende des 19. Jh.s der Antisemitismus (in Deutschland z. B. Treitschke, Stoecker, Eugen Dühring, Wilhelm Marr, Hermann Ahlwardt, Theodor Fritsch [1852-1933], Otto Böckel, Erwin Bauer, Max Bewer, Alfred Rosenberg, Hans F. K. Günther). Er bildet einen Kern des politischen Pro­gramms des →National­sozialismus Adolf →Hitlers. Als Folge der bis 1918 judendiskriminierenden Einstel­lungspolitik sind Juden im Staatsdienst nur schwach vertreten (1924 in Preußen von 987 Ordinarien 39 Juden, daneben 97 nicht beamtete Professoren, 43 Privatdozenten) und drängen in den Rechtsanwaltsstand. 1933 wird (bei 9208 im Deutschen Reich zugelassenen Rechtsanwäl­ten, davon rund 5000 nicht arisch) mehr als ein Viertel (von 11814 3370 d. h. 28,5 %) der Rechtsanwälte Preußens und die Hälfte (54 oder 48 %, rund 1830) der Rechtsanwälte Berlins als Nichtarier erfasst (Frankfurt am Main 45 %, Breslau 35 %, Hamm 14 %, Kiel 7 %, Bayern 460 von etwa 2400). Von 1663 Beamten des höheren Dienstes Preußens werden 211 und 285 Beamte vom Gesetz zur Wieder­herstellung des Berufsbeamtentums (7. April 1933) betrof­fen (28 %, im übrigen Reich von 2339 Beamten 106 und 143, also 9,5 %). Von 536 Richtern und Staatsanwälten jüdischer Herkunft in Preußen müssen von Juni 1933 bis Ende 1935 309 (58 Prozent) und bis zur Mitte des Jahres 1937 weitere 182 den Justizdienst verlassen und können nur 41 (als sog. „Mischlinge“) verbleiben. Viel­leicht verlieren 1933 insgesamt rund 2000 jüdische Beamte des höhren Dienstes und etwa 700 Hochschullehrer ihre Stelle. 1935 werden die Juden diskriminiert (1936 Entzug des Titels und der Lehrbefugnis für alle jüdischen Professoren und Dozenten, 1937 Verbot der Promotion für jü­dische Studenten, 1938 Verbot der Im­matrikulation für jüdische Studenten, Verbot der Benutzung von Bibliotheken und Archiven für jüdische Professoren und Dozenten, 761 jüdische Berliner Rechts­anwälte ihrer Zulassung entsetzt). Nach einer Verodnung vom August 1938 müssen Juden zwangsweise den zusätzlichen Vornamen Sarah oder Israel tragen. Im Herbst 1938 sind von früher etwa 100000 jüdischen Unternehmen noch etwa 40000 in jüdischer Hand (von 50000 Einzel­handelsgeschäften noch 9000). 1938 und 1939 verlassen bis zu 180000 Juden und Jüdinnen das Deutsche Reich. Insgesamt ergehen im Deutschen Reich zwischen 1933 und 1945 fast 2000 Juden betreffende Gesetze , Verordnungen und Richtlinien. Die 1938/1939 als Alter­native zu der vom Ausland bzw. möglichen Einwanderungs­ländern abge­lehn­ten Auswan­­derung (von 300000 bis 400000 Juden) angedrohte Vernichtung wird seit Sommer 1941 verwirklicht, wobei durch Verordnung vom 23. 10. 1941 die Auswanderung verboten wird. Nur ein geringer Teil der euro­päischen Juden (um 1930 500000 Juden im Deutschen Reich [1933 500000 mit einem geschätzten Vermögen von 16 Milliarden Reichsmark = 30000 RM pro Kopf, 778 Millionen Reichsmark Ein­nahmen des Rei­ches aus der Enteignung de­por­tierter Juden], 190000 in Österreich, 1939 72000 Juden­mischlinge ersten Grades und 39000 Judenmischlinge zweiten Grades in Deutsch­land) überlebt die sog. Endlösung (Ho­lo­caust). Nach einer Verordnung vom 1. 9. 1941 müssen Juden durch einen aufgenähten gelben Stern auf der Kleidung gekennzeichnet werden. Seit Sommer 1943 ist das Deutsche Reich offiziell judenfrei. Von den ver­triebenen Juden kehren nach 1945 etwa 4-5 Prozent nach Deutschland zurück. Von den in der Bundesrepublik Deutschland in 107 Gemeinden vertretenen etwa 100000 Juden des Jahres 2010 stammen (infolge Einwanderung nach 1945) rund 90 Prozent aus Osteuropa.

Lit.: Köbler, DRG 120, 125, 127, 161, 172, 206, 222, 225, 228, 234, 238; Graetz, H., Geschichte der Juden, Bd. 1ff. 1853ff., Neudruck 1996; Stobbe, O., Die Juden in Deutschland während des Mittelalters, 1866; Scherer, J., Die Rechtsverhältnisse der Juden in den deutsch-österreichischen Ländern, 1901; Hahn, B., Die wirtschaftliche Tätigkeit der Juden, Diss. phil. Freiburg im Breisgau 1911; Rosenberg, A., Beiträge zur Geschichte der Juden in Steiermark, 1914; Das Erfurter Judenbuch (1357-1407), hg. v. Süßmann, A., 1915; Fehr, H., Deutsches Recht und jüdisches Recht, ZRG GA 39 (1918), 314; Stern, S., Der preußische Staat und die Juden, Bd. 1ff. 1925ff.; Urkunden aus Wiener Grundbüchern zur Geschichte der Wiener Juden im Mittelalter, hg. v. Geyer, R. u. a., 1931; Fischer, H., Die verfassungsrecht­liche Stellung der Juden in den deutschen Städten während des 13. Jahrhunderts, 1931; Heise, W., Die Juden in der Mark Brandenburg bis zum Jahre 1571, 1932; Fischer, H., Die Judenprivilegien des Goslarer Rates, ZRG GA 56 (1936), 89; Baer, F., Die Juden im christlichen Spanien, Bd. 1ff. 1929ff.; Grayzels, S., The church and the Jews in the thirteenth century, 1933; Löning, G., Juden im mittelalterlichen Bremen und Oldenburg, ZRG GA 58 (1938), 257; Katz, S., The Jews in the visigothic and frankish kingdoms of Spain and Gaul, 1937; Krusemarck, G., Die Juden in Heilbronn, 1938; Bender, H., Der Kampf um die Judenemanzipation im Spiegel der Flugschriften 1815-1820, 1939; Zuncke, W., Die Judenpolitik der fränkisch-deutschen Könige und Kaiser, 1941; Kisch, G., Jewry Law in Medieval Germany, 1949; Kisch, G., The Jews in Medieval Germany, 1949; Kisch, G., Forschungen zur Rechts- und Sozialgeschichte der Juden, 1955, 2. A. 1978; Kisch, G., The yellow badge in history, Historia Judaica 19 (1957), 89 2. 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Wien 1966 (masch.schr.); Hundsnurscher, F. u. a., Die jüdischen Gemeinden in Baden, 1968; Kisch, G., Rechts- und Sozialgeschichte der Juden in Halle 1686 bis 1730, 1970; Veitshans, H., Die Judensiedlungen der schwäbischen Reichsstädte, 170; Veitshans, H., Kartographische Darstellung der Judensiedlungen, 1970; Adam, U., Judenpolitik im Dritten Reich, 1972, Neudruck 1979; Heider, H., Die Rechtsgeschichte des deutschen Judentums bis zum Ausgang des Absolu­tismus, 1973; Herrmann, S., Geschichte der Juden in alttestamentarischer Zeit, 1973; Katz, J., Out of the Ghetto 1973 (deutsch 1986); Adler, H., Der verwaltete Mensch, 1974; Richarz, M., Der Eintritt der Juden in die akademischen Berufe, 1974; Hodik, F., Beiträge zur Geschichte der Mattersdorfer Judengemeinde, 1975; Geissler, K., Die Juden in Deutschland und Bayern bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, 1976; Kisch, G., Forschungen zur Rechts- und Sozialgeschichte der Juden in Deutschland während des Mittelalters, 1978 (Aufsätze); Kisch, G., Forschungen zur Rechts-, Wirtschafts- und Sozialge­schichte der Juden, 1979 (Aufsätze); Wenninger, M., Man bedarf keiner Juden mehr, 1980; Zur Geschichte der Juden in Deutschland, hg. v. Haverkamp, A., 1981; Das Sonderrecht der Juden im NS-Staat, hg. v. Walk, J., 1981, 2. A. 1996, Neudruck 2013; Güde, W., Die rechtliche Stellung der Juden in den Schriften der deutschen Juristen des 16. Jahrhunderts, 1982; Katz, J., Zur Assimilation und Emanzipation der Juden. Ausgewählte Schriften, 1982, Laske, W., Die Situation der Juden in Gallien zur Zeit und nach dem Zeugnis Gregors von Tours, ZRG GA 100 (1983), 260; Neunhundert Jahre Geschichte der Juden in Hessen, 1983; Aufgebauer, P., Die Geschichte der Juden in der Stadt Hildesheim, 1984; Donner, H., Geschichte des Volkes Israel, Bd. 1f. 1984ff.; Boecker, H., Recht und Gesetz im Alten Testament, 2. A. 1984; Graus, F., Pest - Geißler - Judenmorde, 1983; Der Mord an den Juden im 2. Weltkrieg, hg. v. Jäckel, E. u. a., 1985; Braun, J., Die „Lex Gans“ – ein Kapitel aus der Geschichte der Judenemanzipation in Preußen, ZRG GA 102 (1985), 60; Post, B., Judentoleranz und Judenemanzipation in Kurmainz 1774 bis 1813, 1985; Beer, U., Die Juden, 1986; Brammer, A., Judenpolitik und Judenge­setzgebung in Preußen, 1987; Battenberg, F., Judenverordnungen in Hessen-Darmstadt, 1987; Germania Judaica, hg. v. Maimon, A. u. a., Bd. 1ff. 1987ff.; Sorkins, D., The Transformation of German Jewry - 1780-1840, 1987; Die Juden in Deutschland 1939-1945, hg. v. Benz, W., 1988, 4. A. 1996; Pehle, W., Der Judenpogrom 1938, 1988; Maier, J., Das Judentum, 3. A. 1988; Jodmann, W., Gesellschaftskrise und Judenfeindschaft, 1988; Kropat, W., Kristallnacht in Hessen, 1988; Schreiber, A., Über Zeit und Ewigkeit, 1988; Pakter, W., Medieval Canon Law and the Jewa, 1988; Quellen zur Geschichte der Juden im hessischen Staatsarchiv Marburg 1267 bis 1600, bearb. v. Löwenstein, U., 1989; Der rheinische Pro­vinziallandtag und die Emanzipation der Juden im Rheinland 1825-1845, hg. v. Kastner, D., 1989; Die Ermordung der europäischen Juden, hg. v. Longerich, P., 1989; Berbüsse, V., Geschichte der Juden in Waldeck, 1990; Battenberg, F., Das europäische Zeitalter der Juden, Bd. 1f. 1990; Aschkenas, Bd. 1ff., hg. v. Krach, T./­Battenberg, J., 1991ff.; Krach, T., Jüdische Rechtsanwälte in Preußen, 1991; Braun, J., Sigmund Zimmern (1796-1830) – ein deutsch-jüdisches Gelehrtenschicksal, ZRG GA 108 (1991), 210; Greive, H., Die Juden, 4. A. 1992; Die Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt, hg. v. Birkhan, H., 1992; Wissenschaft des Judentums, hg. v. Carlebach, J., 1992; Taddey, G., Kein kleines Jerusalem, 1992; Bibliographie zur Geschichte der Juden in Hessen, bearb. v. Eisenbach, U. u. a., 1992; Max Alsberg - Ausgewählte Schriften, hg. v. Taschke, J., 1992, 2. A. 2013; Lexikon deutsch-jüdischer Autoren, Bd. 1ff. 1992ff.; Patschovsky, A., Das Rechtsverhältnis der Juden zum deutschen König, ZRG GA 110 (1993), 331; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993; Reuchlin und die Juden, hg. v. Herzig, A. u. a., 1993; Tarrab-Maslaton, Rechtliche Strukturen der Diskriminierung der Juden im Dritten Reich, 1993; Burmeister, K., Zur Geschichte der Juden am Bodensee Bd. 1ff. 1994ff.; Volkov, S., Die Juden in Deutschland 1780–1918, 1994; Katz, D., The Jews in the History of England, 1994; Juden in Deutschland, hg. v. Matheus, M., 1995; Hammerstein, N., Antisemitismus und deutsche Universitäten, 1995; Mentgen, G., Studien zur Geschichte der Juden im mittelalterlichen Elsass, 1995; Lorenz, I./Berkemann, J., Streitfall jüdischer Friedhof Ottensen, 1995 (2 Bände); Die Judenpolitik des Sicherheitsdiensts 1935 bis 1938, hg. v. Wildt, M., 1995; Quellen zur Geschichte der Juden im hessischen Staatsarchiv Darmstadt 1080-1650, bearb. v. Battenberg, F., 1995; Schubert, K., Jüdische Geschichte, 1995, 5. A. 2003, 6. A. 2007; Trepp, L., Geschichte der deutschen Juden, 1996; Scholl, R., Juden und Judenrecht, 1996;; An introduction to the history and sources, hg. v. 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Haverkamp, A., 1998; Schirer, L., Israelisches und jüdisches Recht, 1998; Longerich, P., Politik der Vernichtung, 1998; König, I., Judenver­ordnungen im Hochstift Würzburg, 1999; Lee, S., The spirit of Hebrew law, FS B. Großfeld, 1999, 671; Landjudentum, hg. v. Kießling, R. u. a. 1999; Hebräische Berichte über die Judenverfolgungen während des ersten Kreuzugs, hg. v. Haverkamp, E., 1999, 2005; Benbassa, E., Geschichte der Juden in Frankreich, 1999; Wasserstein, B., Europa ohne Juden, 1999; Magin, C., Wie es umb der iuden recht stet, 1999; Marzi, W., Judentoleranz im Territorialstaat, 1999; Juden in der Stadt, hg. v. Mayrhofer, F. u. a., 1999; Judenver­treibungen, hg. v. Burgard, F. u. a., 1999; Longerich, P., Politik der Vernichtung, 1999; Illustrierte Geschichte des Judentums, hg. v. Lange, N. de, 2000; Cluse, C., Studien zur Geschichte der Juden in den mittelalterlichen Niederlanden, 2000; Bohrmann, M., Valeurs du judaïsme du début de notre ère, 2000; Musial, B., Deutsche Zivilverwaltung und Judenverfolgung im Generalgouvernement, 2000, Neudruck 2011; Herzfeld, E., Juden in Brandenburg und Preußen, 2001; Juden in Europa, hg. v. Schoeps, J. u. a., Bd. 1ff. 2001ff.; Rechtsentscheide Abraham Ben Davids von Posquières, hg. v. Mutius, H., 2001; Battenberg, J., Die Juden in Deutschland, 2001; Browning, C., Judenmord, 2001; The Jews and the Expansion of Europe to the West, hg. v. Bernardini, P. u. a., 2001; Handbuch zur Geschichte der Juden in Europa, hg. v. Kotowski, E. u. a., 2001; Stern, S., Der Hofjude im Zeitalter des Absolutismus, 2001; Juden – Bürger – Deutsche, hg. v. Gotzmann, A. u. a., 2001; Große jüdische Gelehrte an der Münchener juristischen Fakultät, hg. v. Landau, P. u. a., 2001; Weitere Rechtsentscheide Abraham Ben Davids von Posquières, hg. v. Mutius, H., 2002; Baltrusch, E., Die Juden und das römische Reich, 2002; Lohrmann, K., Die Juden in der Gesellschaft des Mittelalters, 2002; Judentum und Aufklärung, hg. v. Herzig, A. u. a., 2002; Schall, U., Die Juden im römischen Reich, 2002; Ilan, T., Lexicon of Jewish Names in Latin Antiquity, Bd. 1ff. 2002 ff., Bd. 2. Palestine 200-650, 2012, Bd. 3 (The western Diaspora 330 BCE-650CE), 2008; Schäfer, R., Die Rechtsstellung der Haigerlocher Juden, 2002; Gruner, W., Öffentliche Wohlfahrt und Judenverfolgung, 2002; Althaus, H., Zocker, Zoff und Zores – Jiddische Wörter im Deutschen, 2002; Herzig, A., Jüdische Geschichte in Deutschland, 2. A. 2002; Barkai, A., Wehr dich – Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens 1893-1938, 2002; Katz, J., Tradition und Krise, 2002; Finkelstein, I./Silberman, N., Keine Posaunen vor Je­richo, 2002; Eckart, O., Gottes Recht als Menschenrecht, 2002; Staudacher, A., Jüdische Konvertiten in Wien 1782-1868, 2002; Kieffer, F., Judenverfolgung in Deutschland – eine innere Angelegenheit?, 2002; Geschichte der Juden im Mittelalter, hg. v. Haverkamp, A., 2002; Hoppe, J., Jüdische Geschichte und Kultur in Museen, 2002; The History of the Jews in the Netherlands, hg. v. Blom, J. u. a., 2002; Jüdische Gemeinden und ihr christlicher Kontext, hg. v. Cluse, C. u. a., 2003; Hecht, C., Deutsche Juden und Anti­semitismus in der Weimarer Republik, 2003; Paucker, A., Deutsche Juden im Kampf um Recht und Freiheit, bearb. v. Suchy, B., 2003; Atlan, G., Les Juifs et le divorce, 2003; Adam, W., Judenpolitik im Dritten Reich, 2003; Geschichte des jüdischen Alltags in Deutschland, hg. v. Kaplan, M., 2003; Rechts­entscheide von Moses Nachmanides aus Gerona, hg. v. Mutius, H. v., Teil 1 2003; Bergemann, H./Ladwig-Winters, S., „Für ihn brach die Welt, wie er sie kannt, zusammen …“. Juristen jüdischer Herkunft im Landgerichtsbezirk Potsdam, 2003; Hambrock, M., Die Etablierung der Außenseiter, 2003; Bajohr, F., Unser Hotel ist judenfrei, 2003; Elon, A., Zu einer anderen Zeit, 2003; Barth, C., Goebbels und die Juden, 2003; Althaus, H., Kleines Lexikon deutscher Wörter jiddischer Herkunft, 2003; Rigg, B., Hitlers jüdische Soldaten, 2003, 2. A. 2005; Wyrwa, U., Juden in der Toskana und in Preußen im Vergleich, 2003; Towards Normality, hg. v. Liedtke, R. u. a., 2003; Litt, T., Juden in Thüringen in der frühen Neuzeit, 2003; An der Schwelle zur Moderne, hg. v. Veltri, G. u. a., 2003; Rabbinic Law in Roman and Near Eastern Context, hg. v. Hezser, C., 2003; Überleben im Dritten Reich, hg. v. Benz, W., 2003; Browning, C., Die Entfesselung der Endlösung, 2003; Barth, C., Goebbels und die Juden, 2003; Holtmann, A., Juden in der Grafschaft Burgund, 2003; Lewis, B., Die Juden in der islamischen Welt, 2004; Die Juden in den geheimen NS-Stimmungsberichten 1933-1945, hg. v. Kulka, O. u. a. 2004; Heilbronner, O., Das (bürgerliche) deutsche Judentum im Spiegel der deutschen Fachwissenschaft, HZ 278 (2004), 101; Hayoun, M., Geschichte der jüdischen Philosophie, 2004; Europas Juden im Mittelalter, hg. v. Cluse, C., 2004; Schuster, F., Zwischen allen Fronten, 2004; Haberkorn, P., Der lange Weg zur Gleichberechtigung, 2004; Ellenson, D., After Emancipation, 2004; Jüdische Lebenswelt Schweiz, hg. v. Schweizerischen israelitischen Gemein­debund, 2004; Lotter, F., Sind christliche Quellen zur Erforschung der Geschichte der Juden im Frühmittelalter weitgehend unbrauchbar? HZ 278 (2004), 311; Toch, M., Jüdisches Alltagsleben im Mittelalter, HZ 278 (2004), 329; Bergemann, H., Richter und Staatsanwälte jüdischer Herkunft in Preußen im Nationalsozialismus, 2004; Lindemann, S., Jüdisches Leben in Celle, 2004; Groot, H. de, Judenverdrängung, Judenverfolgung und Judendepor­tation, 2004; Scheiner, J., Vom Gelben Flicken zum Judenstern?, 2004; Die Deportation der Juden aus Deutschland, hg. v. Kudrus, B. u. a., 2004; Lässig, S., Jüdische Wege ins Bürgertum, 2004; Luig, K., weil er nicht arischer Abstammung ist, 2004; Middelberg, M., Judenrecht, Judenpolitik und der Jurist Hans Calmeyer in den besetzten Niederlanden 1940-1945, 2004; Cohen, M., Unter Kreuz und Halbmond. Die Juden im Mittelalter, 2005; Brechenmacher, T., Der Vatikan und die Juden, 2005; Zimmermann, M., Deutsch-jüdische Vergangenheit, 2005; Jüdisches Leben im Rheinland, hg. v. Grübel, M. u. a., 2005; Jüdische Welten, hg. v. Kaplan, M. u. a., 2005; Bronisch, A., Die Judengesetzgebung im katholischen Westgotenreich von Toledo, 2005; Jüdische Quellen zur Reform und Akkulturation der Juden in Westfalen, bearb. v. Herzig, A., 2005; Jüdische Welten in Osteuropa, hg. v. Engel-Braunschmidt, A. u. a., 2005; Hebräische Berichte über die Judenverfolgungen während des ersten Kreuzzuges, hg. v. Haverkamp, E., 2005; Judenverfolgung in Italien, hg. v. Wagenknecht, R., 2005; Lange, N. de, Das Judentum, 2005; Bringmann, K., Geschichte der Juden im Altertum, 2005; Dohna, J. Graf zu, Die jüdischen Konten der fürstlich Castell’schen Credit-Cassen, 2005; Wenige, N., Integration und Ausgrenzung, 2005; Hezser, C., Jewish Slavery in Antiquity, 2005; Gottwaldt, A. u. a., Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941-1945, 2005 (mehr als 650 Judentransporte); Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, hg. v. Obenaus, H., 2005; Cohn, W., Kein Recht, nirgends, 2006; Bruer, A., Aufstieg und Untergang. Eine Geschichte der Juden in Deutschland (1750-1918), 2006; Münzel, M., Die jüdischen Mitglieder der deutschen Wirtschaftselite 1927-1955, 2006; Deutsche, Juden, Völkermord, hg. v. Mallmann, K. u. a., 2006; Deutsch-jüdische Geschichte als Geschlech­tergeschichte, hg. v. Heinsohn, K. u. a., 2006; Niedermeier, U., Lippisches Judendrecht, 2006; Longerich, P., Davon haben wir nichts gewusst, 2006; Weber, R., Das Schicksal der jüdischen Rechtsanwälte in Bayern nach 1933, 2006; Friedländer, S., Die Jahre der Vernichtung, 2006; Adam, K., Saul und David in der judäischen Geschichtsschreibung, 2006; Schmidt, K., Die Entwicklung der jüdischen Religionsge­sellschaft zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, 2006; Schäbitz, M., Juden in Sachsen, jüdische Sachsen?, 2006; Krüger, C., Sind wir denn nicht Brüder?, 2006; Berger, M., Eisernes Kreuz und Davidstern, 2006; Chazan, R., The Jews of Medieval Western Christendom 1000-15000, 2006; Aschoff, D., Geschichte der Juden in Westfalen im Mittelalter, 2006; Reinke, A., Geschichte der Juden in Deutschland 1781-1933, 2007; Otto, E., Das Gesetz des Moses, 2007; Lämmerhirt, M., Juden in den wettinischen Herrschaftsgebieten, 2007; Ludyga, H., Die Rechtsstellung der Juden in Bayern von 1819 bis 1918, 2007; Huser, K., Vieh- und Textilhändler an der Aare, 2007; Kaufmann, U., Kleine Geschichte der Juden in Baden, 2007; Preuß, M., Gelehrte Juden, 2007; … fühlte mich durchaus als Deutscher …, bearb. v. Krach, T., 2007; Shatzmiller, J., Shylock geht in Revision, 2007; Andernacht, D., Regesten zur Geschichte der Juden in der Reichsstadt Frankfurt am Main von 1520-1616, hg. v. Andernacht, H., 2007; Bell, D., Jewish Identiy in Early Modern Germany, 2007; Lillteicher, J., Raub, Recht und Restitution, 2007; Fühner, J., Kaiser Maximilian und die Juden, 2007; Ein Thema - zwei Perspektiven - Juden und Christen in Mittelalter und Frühneuzeit, hg. v. Brugger, E. u. a., 2007; Räume und Wege. Jüdische Geschichte im alten Reich 1300-1800, hg. v. Kiessling, R. u. a., 2007; Schubert, K., Geschichte der österreichischen Juden, bearb. v. Dolna, B., 2008; Ben-Naeh, Y., Jews in the Realm of the Sultans, 2008; Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945, Bd. 1ff. 2008ff.; Leitenberg, L., La population juive des villes d’Europe, 2008; Sieg, U., Jüdische Intellektuelle im ersten Weltkrieg, 2. A. 2008; Wirtschaftsgeschichte der mittelalterlichen Juden, hg. v. Toch, M., 2008; Die Juden in der Oberpfalz, hg. v. Bremnner, M. u. a., 2008; Dolna, B., Die Geschichte des österreichischen Judentums, (überarb. v. Schubert, K.,) 2008; Möschter, A., Juden im venezianischen Treviso (1389-1509), 2008; Leibniz und das Judentum, hg. v. Cook, D. u. a., 2008; Kuller, C., Finanzverwaltung und Judenver­folgung, 2008; Volkov, S., Merkurianer im Land der Apollonier, HZ 286 (2008), 657; Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817, bearb. v. Rosenstock, D., 2008; Herzig, A., Gabriel Riesser, 2008; Ebert, A., Jüdische Hochschullehrer an preußischen Universitäten (1870-1924), 2008; Auch in Deutschland waren wir nicht wirklich zu Hause, hg. v. Lühe, I. v. d. u. a., 2008; Wolffsohn, M. u. a., Deutschland, jüdisch Heimatland, 2008; Beziehungsnetze aschkenasischer Juden während des Mittelalters und der frühen Neuzeit, hg. v. Müller, J., 2008;Litt, S., Geschichte der Juden Mittel­europas 1500-1800, 2009; Daniels, J. v., Religiöses Recht als Referenz, 2009; Herlich, R. u. a., Weiterleben Weitergeben, 2009; Klein, P., Die Gettoverwaltung Litzmannstadt, 2009; Staudacher, A., … meldet den Austritt aus dem mosaischen Glauben, 2009; Schwarz, E., Juden im Zeugenstand, 2009; Steinweis, A., Kristallnach 1938, 2009; Seibel, W., Macht und Moral. Die Endlösung der Judenfrage in Frankreich, 2010; Curilla, W., Der Judenmord in Polen, 2010; Mayer, M., Staaten als Täter, 2010; Haeberli, S., Der jüdische Gelehrte im Mittelalter, 2010; Austria Judaica. Quellen zur Geschichte der Juden in Niederösterreich und Wien 1496-1671, bearb. v. Paucher, P., 2010; Judaism, Christianity and Islam in the Course of History, hg. v. Gall, L. u. a., 2010; Der Judenrat von Bialystok, hg. v. Anders, F. u. a., 2010; Laux, S., Gravamen und Geleit - Juden im Ständestaat, 2010; Maier, G., Wirtschaftliche Tätigkeitsfelder von Juden im Reichsgebiet (ca. 1273-1350), 2010; Jüdische Wohlfahrtsstiftungen, hg. v. Ludwig, A., 2010; Schneider, H., Die Entjudunmg des Wohnraums, 2010; Junginger, H., Die Verwissenschaft­lichung der Juden­frage im Nationalsozialismus, 2011; Die Verfolgung der Juden während der NS-Zeit, hg. v. Hedwig, A. u. a., 2011; Gottwaldt, A., Die Reichsbahn und die Juden 1933-1945, 2011; Rupnow, D., Juden­forschung im Dritten Reich, 2011; Franke, C., Legalisiertes Unrecht, 2011; Jüdische Soldaten - Jüdischer Widerstand in Deutschland und Frankreich, hg. v. Berger, M. u. a., 2011; Strnad, M., Zwischenstation Judensiedlung, 2011; Jasch, C., Staatssekretär Wilhelm Stuckart und die Judenpolitik, 2011; Pawliczek, A., Akademischer Alltag, 2011; Meyer, B., Tödliche Gratwanderung, 2011; Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur, hg. v. Diner, D., Bd. 1ff. 2011ff.; Grady, T., The German Jewish Soldiers, 2011; Snyder, T., Bloodlands - Europa zwischen Hitler und Stalin, 2011; Nazi Crimes against Jews and German Post-War Justice. The West German Judicial System during Allied Occupation (1945-1949), 2012; Breunung, L. u. a., Biographisches Handbuch der Emigration deutschsprachiger Rechtswissen­schaftler nach 1933, Bd. 1 2012; Kasper-Marienberg, V., vor euer kayserlichen Mayestät Justiz-Thron, 2012; Köbler, G., Jüdische deutsche Juristen, ZIER 2 (2012); Timmel, J., Die Rechtsstellung der Juden im Kurfürstentum und Königreich Hannover, 2012; Die Juden in Franken, hg. v. Brenner, M. u. a., 2012; Berndt, J., Ich weiß, ich bin kein Beamter - Heinz Galinski, 2012: Frühneuzeitliche Ghettos in Europa im Vergleich, hg. v. Backhaus, F. u. a., 2012; Meinen, I. u. a., Verfolgt von Land zu Land - Jüdische Flüchtlinge in Westeuropa 1938-1944, 2013; Grill, T., Der Westen im Osten, 2013; Lidegaard, B., Die Ausnahme, 2013; Die Juden in Schwaben, hg. v. Brenner, M. u. a., 2013; Hoffmann, P., Carl Goerdeler gegen die Verfolgung der Huden, 2013; Haverkamp, A., Beziehungen zwischen Bischöfen und Juden im ottonisch-salischen Königreich bis 1090 (in) Trier - Mainz - Rom, 2013, 45; Das emanzipationsedikt von 1812 in Preußen, hg. v. Diekmann, I., 2013; Liedtke, R., Wirtschaft und Ungleichheit, 2014; Koop, V., „Wer Jude ist, bestimme ich“, 2014; „Arisierung“ und „Wiedergutmachung“ in deutschen Städten, hg. v. Fritsche, C. u. a., 2014; Jüdische Gemeindestatuten aus dem aschkenasischen Kulturraum 1650-1850, hg. v. Litt, S., 2014; Burger, H., Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Jzden, 2014; Kennzeichen „Jude“, hg. v. Graowski, H./Haney, W., 2014

Judeneid ist der besondere, von →Juden in Rechtsstreitigkeiten mit Nichtjuden zu schwörende, seit dem 9. Jh. überlieferte Eid.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Claussen, H., Der Judeneid, 1937; Schmidt, R., Judeneide in Augsburg und Regensburg, ZRG GA 93 (1976), 322; Zimmermann, V., Die Entwicklung des Judeneids, 1973; Kisch, G., Ausgewählte Schriften, Bd. 1 1978, 137; Vormbaum, T., Der Judeneid im 19. Jahrhundert, 2007

Judenpogrom →Juden

Judenrecht ist das besondere, für →Juden geltende Recht. Es ist teils nichtjüdisches Recht (z. B. Codex Theodosianus 438, Codex Justinianus 534), hauptsächlich aber jüdisches, auf die Tora (5 Bücher Moses) gegründetes, zusammen mit mündlich überliefertem Recht als Halacha (mit 613 Verhaltensregeln) bezeichnetes, in Misch­na (um 200) und (einschließlich Gemara) in Talmud (um 500) aufgezeichnetes und in Mischne Tora (Maimonides 12. Jh.) und Schulchan auch gesetztes Recht.

Lit.: Linder, A., The Jews in Roman Imperial Legislation, 1987; Pakter, W., Medieval Canon Law and the Jews, 1988; An Introduction to the History and Sources of Jewish Law, hg. v. Hecht, N. u. a., 1997;

Judenregal →Jude

Judenverfolgung →Jude

Judicature Acts von 1873/1875 sind Gesetze, die das englische Gerichts­ver­fassungs­recht erheblich abändern und dabei das Gericht des Kanzlers mit den drei Gerichten des Königs verbinden.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002

Judikative ist im Rahmen der →Gewaltenteilung die rechtsprechende Gewalt.

Lit.: Köbler, DRG 191

Judikatur (F.) Rechtsprechung

Lit.: Mertens, H., Untersuchungen zur zivilrechtlichen Judikatur des Reichsgerichts, AcP 174 (1974), 333; Schulte-Nölke, H., Rheinische Judikatur, ZNR 1998, 84

jüdisches Hehlerrecht →Hehler

Jugend ist die Zeit des Heranwachsens eines Menschen. Für die J. gelten seit Entstehung des Rechtes besondere Rechtssätze. →Kind, Vormundschaft, Jugendgericht, Jugendstraf­recht

Lit.: Speitkamp, W., Jugend in der Neuzeit, 1998; Bornhorst, S., Selbstversorger, 2010

Jugendgericht ist das für Jugendsachen in Deutschland zuständige Gericht, das 1908 durch gerichtliche Organisationserlasse in Köln, Frankfurt am Main und Berlin und allgemein durch das Jugendgerichtsgesetz (16. 2. 1923) geschaffen wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 234; Baltl/Kocher; Hazel, N., A History of Youth Justice, 2012; Bolius, U. u. a., Der Jugendgerichtshof Wien - Die Geschichte eines Verschwindens, 2011

Jugendschutz ist der Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Gefahren. Ihm dient das besondere Jugendschutzgesetz (Deutsch­land 1985, Jugendarbeits­schutz­ge­setz 1976, Öster­reich 1987).

Lit.: Ukrow, J., Jugendschutzrecht, 2004

Jugendstrafrecht ist das seit dem 19. Jh. entstehende besondere Strafrecht für Jugend­liche (Deutschland 16. 2. 1923 Jugend­ge­richtsgesetz).

Lit.: Holzschuh, K., Geschichte des Jugendstrafrechts, 1957; Roth, A., Die Entstehung eines Jugendstrafrechts, ZNR 1991, 17; Wolff, J. u. a., Das Jugendstrafrecht zwischen National­sozialismus und Demokratie, 1997; Fritsch, M., Die jugend­strafrechtliche Reformbewegung, 1999; Oberwittler, D., Von der Strafe zur Erziehung?, 2000; Günzel, S., Die geschichtliche Entwicklung des Jugendstrafrechts, 2001; Schady, J., Die Praxis des Jugenstrafrechts in der Weimarer Republik, 2003; Kraft, B., Tendenzen in der Entwicklung des Jugendstrafrechts, 2004; Mill, T., Zur Erziehung verurteilt - Die Entwicklung des Jugendstrafrechts im zaristischen Russland, 2010; Wernicke, S., Jugendstrafvollzug in der DDR, 2011

Jugoslawien ist der 1918 aus Gebieten Österreich-Ungarns (Bosnien-Herzego­wina, Dal­matien, Krain und Kroatien), des osmanischen Reiches (Montenegro) und des seit 1830 autonomen und seit 1878 unabhängigen Königreichs (1882) Serbien gebildete südosteuropäische Staat. Am 29. 10. 1918 wird die Loslösung Kroatiens, am 30. 10. 1918 die Loslösung Bosniens und Herzegowinas von Österreich, am 19. 11. 1918 der Anschluss Montenegros an Serbien ausgerufen. Am 1. 12. 1918 wird das König­reich der Serben, Kroaten und Slowenen erklärt. Zu ihm kommen Teile Kärntens, der Steiermark und Ungarns. 1929 wird das Land in J. umbenannt, 1941-1944/1945 vom Deutschen Reich und von Italien aufgelöst,danach aber wieder begründet und am 29. 11. 1945 zur Republik umgewandelt. 1947 kommen das ehemalige Küstenland (ohne Triest) und Zadar hinzu. Seit 1991 zerfällt es wieder in mehrere Einzelstaaten (Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien [1992 Bundesrepublik mit Monte­negro, 2006 getrennt], Makedonien).

Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 4,5,325; Büschenfeld, H., Jugoslawien, 1981; Sundhaussen, H., Geschichte Jugoslawiens, 1982; Geč-Korošec, M., Die geschichtliche Entwicklung des jugoslawischen Familienrechts, ZRG GA 106 (1989), 331; Als Mitteleuropa zerbrach, hg. v. Karner, S. u. a., 1990; Baer, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Suppan, A., Jugoslawien und Österreich, 1996; Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien, verf. v. Arbeitskreis Dokumentation in der donauschwäbischen Kultur­stiftung, 1998; Der Jugoslawien-Krieg, hg. v. Melcic, D. u. a., 1999; Meier, V., Wie Jugoslawien verspielt wurde, 3. A. 1999; Meier, V., Jugoslawiens Erben, 2001; Dérens, J./Samary, C., Jugoslawien von A bis Z, 2001; Schmider. K., Partisanenkrieg in Jugoslawien 1941-1944, 2002; Zlatar, Z., The Poetics of Slavedom, 2007; Ramet, S., Die drei Jugoslawien, 2008; Böhm, J., Die deutsche Volksgruppe in Jugoslawien 1918-1941, 2009; Calic, M., Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert, 2010; Ramet, S., DIe drei Jugoslawien, 2011; Sundhaussen, H., Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten 1943-2011, 2012

Julianus →Iulianus

Jülich ist der Mittelpunkt einer Grafschaft, die 1356 zum Herzogtum erhoben wird und deren Gebiet über Pfalz-Neuburg (1614), Bayern (1777) und Preußen (1814/5) 1946 zu Nordrhein-Westfalen kommt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung der Gesetze und Verordnungen, Bd. 1 1821; Landtagsakten von Jülich-Berg 1400-1610, hg. v. Below, G. v., Bd. 1f. 1895ff.; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Düren, bearb. v. Schoop, A., 1920; Croon, H., Stände und Steuern in Jülich-Berg, 1929; Jülich, bearb. v. Lau, F., 1932; Walz, R., Stände und frühmoderner Staat, 1982; Kraus, T., Jülich, Aachen und das Reich, 1987

Jüngstenrecht (Minorat) ist das Erbrecht des Jüngsten als Alleinerben bei mehreren an sich gleich nahen Verwandten. Es entsteht im →Anerbenrecht. Es ist weniger verbreitet als das Ältestenrecht.

Lit.: Hübner 803; Kroeschell, DRG 2

Jüngster Reichsabschied ist der am 17. 5. 1654 verkündete letzte Reichsabschied des Reichstags des Heiligen römischen Reiches  (vor dem immerwährenden Reichstag). Von Bedeutung ist die im jüngsten Reichsabschied enthaltene neue Ver­fah­rensordnung des Reichskammerge­richts mit der Abschaffung der artikulierten Klage  u. s. w.

Lit.: Ruville, A. v., Die kaiserliche Politik auf dem Regensburger Reichstag 1653-1654, 1896; Fürnohr, W., Der immerwährende Reichstag zu Regensburg, 1963

Jüngstes Gericht ist das von der jüdisch-christlichen Religion erwartete Gericht Gottes am Ende der Welt.

Juniorat →Jüngstenrecht

Junker (M.) Jungherr

Lit.: Heß, K., Junker und bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990; Wagner, P., Bauern, Junker und Beamte, 2005

jura (lat. [N.Pl.]) →ius (lat. [N.])

Jura ist das Gebiet eines Gebirgszugs nahe dem Doubs. Der französischsprachige J. gehört bis 1815 zum Hochstift Basel, danach zum Kanton Bern. Nach Volksabstimmungen im Jura (1974) und in der →Schweiz (24. 9. 1978) wird J. selbständiger Kanton.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1859

Jurisdiktion (F.) Rechtsprechung, Erstbeleg 1298

Jurisdiktionsnorm ist in Österreich das Gesetz über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vom 1. 8. 1895.

Lit.: Baltl/Kocher

Jurisprudenz (Rechtsklugheit) ist die (rö­mische) Rechtskunde. Sie geht von den Priestern (lat. [M.] pontifices, Brücken­bauer) aus, entwickelt sich im Handeln (agere), Schützen (cavere) und Antworten (respondere) und ist bedeutsam im klas­sischen römischen Recht (3. Jh. v. Chr.-3. Jh. n. Chr., Hochklassiker z. B. Celsus, Julian, Gaius, Pomponius mit klarer, knapper Sprache, sachlicher Darlegung und über­zeugender Lösung) sowie als Rechtswis­senschaft seit der Wie­der­entdeckung des römischen Rechtes im Hochmittelalter (→Irnerius). Der durch J. fachlich Gebildete ist seit dem Hoch­mittelalter der →Jurist. →Begriffs­juris­pru­denz, Interessen­jurisprudenz, Wertungs­juris­pru­­denz

Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 30, 99; Kirchmann, J. v., Die Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft, Neudruck 1956, 1960, 1988; Ihering, R. v., Ist die Jurisprudenz eine Wissenschaft?, 1868, hg. v. Behrends, O., 1998; Kisch, G., Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, 1960; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschafts­ethik, 1961; Canaris, C., Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1969; Stupp, H., Mos geometricus oder prudentia als Denkform der Jurisprudenz, Diss. jur. Köln 1970; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Kisch, G., Studien zur humanistischen Jurisprudenz, 1972; Blühdorn, J., Naturrechtskritik und „Philosophie des positiven Rechts“, TRG 41 (1973), 3; Hübner, H., Jurisprudenz als Wissenschaft im Zeitalter des Humanismus, FS K. Larenz, 1973, 41; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“, 1979; Backhaus, R., Casus perplexus, 1981; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Rückert, J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984; Haft, F., Aus der Waagschale der Jurisprudenz, 1986, 4. A. 2009; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987; Radding, C., The Origins of Medieval Jurisprudence, 1988; Liebs, D., Römische Juris­prudenz in Afrika, 1993; Kiesow, R., Das Naturgesetz des Rechts, 1997; Liebs, D., Römische Jurisprudenz in Gallien (2. bis 8. Jashrhundert), 2002; Jenseits von Bologna, hg. v. Kilian, M., 2013; Keppeler, L., Oswald Spengler und die Jurisprudenz 2013

Jurist ist der planmäßig rechtswissen­schaftlich ausgebildete Rechtsgelehrte. Rechtskundige kennt bereits das römische Altertum, in dem die öffentliche Ausübung einer weltlichen Rechtsunterweisung an­schei­nend zuerst durch den ersten plebejischen (lat.) pontifex (M.) maximus (Oberpriester) Tiberius Coruncanius (254 v. Chr.) erfolgt. Im Hochmittelalter beginnt die Ausbildung von Juristen wohl mit →Irnerius und seinen Schülern am Anfang des 12. Jh.s. 1267 begegnet der erste gelehrte Jurist des Erzbistums Salzburg, danach des Erzbistums Trier. Kurz vor 1300 erscheint der erste, in Bologna noch ohne Grad ausgebildete J. am Hof des Erzbischofs von Mainz, dem bis 1440 49 weitere, dann meist in Heidelberg oder Erfurt geschulte Juristen folgen (Bremen 1328, Riga 1360). Insgesamt finden sich zwischen 1250 und 1440 etwa 700 rechts­gelehrte Personen in 55 geistlichen und 29 weltlichen Herrschaftsgebieten (König von Böhmen 72, Herzog von Österreich 60, Erzbischof von Köln 56, Erzbischof von Mainz 49, Herzog von Bayern 34, Bischof von Konstanz 32). Aus Bologna sind zwischen 1265 und 1425 3601 deutsche Studierende des Rechtes (21 neue Namen jährlich, 0,7 Graduierungen im Jahr) bekannt, aus Prag zwischen 1372 und 1418 3563 (jährlich 78 neue Namen und 7 Graduierungen), aus Köln seit etwa 1400 30 (juristische) Neuimmatrikulierte jährlich, aus Wien seit 1402 vielleicht 20, aus Heidelberg deutlich weniger. Gegen 1300 verwendet Hugo von Trimberg im Deutschen das Wort J. Kanonisten begegnen am deutschen Königshof erstmals unter Rudolf von Habsburg († 1291), Legisten unter Karl IV. († 1378, in Frankreich unter Ludwig IX., † 1270). Unter Kaiser Friedrich III. (1452–1493) dient dem Königtum die Hälfte der mehr als 250 aus dem gesamten Spät­mittelalter bekannten gelehrten deutschen Juristen des Königs und damit ebenso viele wie in der Zeit zwischen 1300 und 1450 und mehr als an irgendeinem landesherrlichen Hof. Die Zahl der vor allem dem niederen Adel und dem städtischen Großbürgertum entstam­menden Juristen, die zeitweise als dem Adel gleich­wertig gelten, steigt anfangs langsam, im 15. Jh. bereits deutlich, seit dem 20. Jh. immer stärker (um 1995 ca. 150000 Juristen in Deutschland). Im Dritten Reich wenden sich auch Juristen dem National­sozialismus zu (u. a. Kieler Schule, von Karl August Eckhardt vom 26. 5.-1. 1935 einberufenes Kitzeberger Lager junger Rechtslehrer mit Wieacker, Larenz, Heinrich Lange, Eckhardt, Thieme, Maunz, Höhn, Dahm, Ernst Rudolf Huber, Michaelis, Schaffstein, Siebert, Busse, Ritter­busch, Würdinger und Heinrich Henkel in Kitzeberg bei Kiel 1936, neue Studienordnung, neue Literatur). Die 150 berühm­testen (deut­schen) Juristen studierten im Durchschnitt an 1,88 Universitäten und lehrten durchschnittlich an 2,26 Universitäten, wechseln also (zur Vermehrung ihrer Fähigkeiten und geistigen Unabhängigkeit) einmal im Studium und einmal im Beruf ganz selbverständlich und bleiben nicht le­bens­lang einer einzigen Umgebung (mit Hausberufung) verhaftet.

Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 8, 100, 114, 151, 154, 188, 262; Dahl, F., Juridiske Profiler, 1920; Schultheß, H., Schweizer Juristen, 1945; Kunkel, W., Die römischen Juristen, 1952, 2. A. 1967, Neudruck 2001, Neudruck 2001Genzmer, E., Hugo von Trimberg und die Juristen, Studi P. Koschaker, Bd. 1 1954, 289; Ellinger, W., Die Juristen der Reichsstadt Nürnberg, (in) Genealogica, Heraldica, Juridica, 1954; Wieacker, F., Textstufen klassischer Juristen, 1960; Boockmann, H., Laurentius Blumenau, 1965; Becker, G., Deutsche Juristen und ihre Schriften auf den römischen Indices, 1970; Laufs, A., Rechtsentwicklungen in Deutschland, 1973, 5. A. 1996; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Deutsche Juristen aus fünf Jahrhunderten, hg. v. Kleinheyer, G. u. a. 1976; Juristinnen in Deutschland, hg. v. Binder, G., 1984; Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, hg. v. Kleinheyer, G. u. a., 4. A. 1996, 5. A. 2008; Kolbeck, T., Juristenschwem­men, 1978; Das Profil des Juristen in der europäischen Tradition, 1980 (Festband f. Franz Wieacker); Jessen, J., Die Selbstzeugnisse der deutschen Juristen, 1983; Die Rolle des Juristen bei der Entstehung des modernen Staates, hg. v. Schnur, R., 1986; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Männl, I., Die gelehrten Juristen, Diss. phil. Gießen 1986; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987; Juristen in Österreich (1200-1980), hg. v. Brauneder, W., 1987; Biogra­phisches Repertorium der Juristen im Alten Reich (A-E und Katalog der Sammlung Lehnemann), hg. v. Ranieri, F., Bd. 1ff. 1987ff. (CD-ROM 1997); Juristen im Portrait, 1988; Streitbare Juristen, hg. v. Kritische Justiz, 1988; Köbler, G., Wie werde ich Jurist?, 4. A. 1988; Wirth, T., Adelbert Düringer, 1989; Göppinger, H., Juristen jüdischer Ab­stammung, 1990; Stiefel, E. u. a., Deutsche Juristen im amerikanischen Exil, 1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993; Dölemeyer, B., Frankfurter Juristen im 17. und 18. Jahrhundert, 1993 (737 Juristen); Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995; Ebert, I., Die Normierung der juristischen Staatsexamina, 1995; Beneduce, P., Il corpo eloquente, 1996; Internationaler biographischer Index des Rechts und der Rechtswissenschaft, Bd. 1ff., 1996; Dilcher, G., Der deutsche Juristenstand, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Liebs, D., Römische Juristen der Mero­winger, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Juristinnen in Deutschland, hg. v. Deutschen Juristinnenbund, 4. A. 2003; Recht und Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Schmutz, J., Juristen für das Reich, 2000; Langer, S., Rechtswissenschaftliche Itinerarien, 2000; Frassek, R., Steter Tropfen höhlt den Stein – Juristenbildung im Nationalsozialismus, ZRG GA 117 (2000), 294; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 2001 (Taschenbuchausgabe); Zivilrechtliche Entdecker, hg. v. Hoeren, T., 2001; Österreichische Rechts­wissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Jabloner, C. u. a., 2003; Jurists uprooted – German speaking émigré lawyers in twentieth-century Britain, hg. v. Beatson, J. u. a., 2004; Wegerich, C., Die Flucht in die Grenzenlosigkeit. Justus Wilhelm Hedemann (1878-1963), 2004; Diccionario crítico de juristas españoles, hg. v. Peáez, M. Bd. 1f. 2005ff.; Juristische Argumentation – Argumente der Juristen, hg. v. Cordes, A., 2005; Zwischen Rechtsstaat und Diktatur – Deutsche Juristen im 20. Jahrhundert, 2006; Juristen­aus­bildung in Europa, hg. v. Baldus, C. u. a., 2008; Brundage, J., The Medieval Origins of the Legal Profession, 2008; Röwekamp, M., Die ersten deutschen Juristinnen, 2011; Fischer, S., Juristen in Westfalen  im 19. Jahrhundert, 2012; Gelebtes Recht, hg. v. Strejcek, G., 2012; Daniels, T., Diplomatie, politische Rede und juristische Praxis im 15. Jahrhundert, 2013; Senn, M., Rechtswissenschaft und Juristenausbildung, 2013; Gordley, J., The Jurists, 2013

Juristenausbildung ist die universitäre oder praktische Ausbildung zu einem →Juristen (→Rechtsunterricht). Sie beginnt im Mittelalter nach vorrechtswis­senschaft­lichen Anfängen im 12. Jh. Ausbildungsort ist hauptsächlich die →Universität, in England aber auch die Juristenzunft (engl. inn of court). An der Universität ist die juristische Fakultät eine der drei über der artistischen Fakultät stehenden oberen Fakultäten. Lehrbefugt ist am Beginn der (lat. [M.]) doctor, seit dem 19. Jh. der Habilitierte. Studierberechtigt ist anfangs der Latein­kundige, seit dem 18. Jh. der (lateinkundige) Abiturient (Preußen 1788) bzw. Maturant. Frauen werden erst zu Beginn des 20. Jh.s zugelassen. Die Dauer des Studiums ist zunächst (6-8 Jahre) unbestimmt, wird im 19. Jh. aber auf eine Mindestzeit von 6, später 7 Semestern festgelegt. Wichtigste Lehrver­anstaltung ist die Vorlesung (lat. [F.] praelectio). Lehrgegenstand sind ursprünglich die römischen Texte Justinians und die kirchlichen Sammlungen, seit dem 16. Jh. einzelne Fachgebiete. Seit dem 18. Jh. (Preußen 1710, 1713) wird (für den Staatsdienst) eine der Universitätsaus­bildung folgende (praktische Ausbildung mit anschließender) Prüfung (zum Voll­juristen) vorausgesetzt. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird an einzelnen Universitäten (z. B. Augsburg, Konstanz, Bielefled, Hamburg II) zeitweise eine einstufige J. versucht, aber nach Ausblei­ben durchschlagender Erfolge wieder auf­gegeben.

Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, Bd. 3 2. A. 1834; Muther, T., Zur Geschichte der Rechtswissenschaft und der Universitäten in Deutschland, 1867; Weimar, P., Die le­gis­tische Literatur und die Methode des Rechtsunterrichts der Glossatorenzeit, Ius commune 2 (1969), 43; Köbler, G., Zur Geschichte der juristischen Ausbildung in Deutschland, JZ 1971, 768; Bake, U., Die Entstehung des dualistischen Systems der Juristenausbildung in Preußen, Diss. jur. Kiel 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, Bd. 1ff. 1972ff.; Burmeister, K., Das Studium der Rechte, 1974; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Hagemann, H., Rechtsunterricht im 16. Jahrhundert, ZNR 14 (1992), 162; Frassek, R., Weltanschaulich begründete Reformbestrebungen für das juristische Studium in den 30er und 40er Jahren, ZRG GA 111 (1994), 564; Ebert, I., Die Normierung der juristischen Staatsexamina, 1995; Landau, P., Die deutschen Juristen, 1996; Lührig, N., Die Diskussion über die Reform der Juristenausbildung, 1997; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Juristen­aus­bildung in Europa zwischen Tradition und Reform, hg. v. Baldus, C. u. a., 2008; Sörgel, D., Die Implementation der Grundlagenfächer in der Jurstenausbildung nach 1945, 2013; Senn, M., Rechtswissenschaft und Juristenausbildung, 2013

Juristen, böse Christen ist eine wohl ansatzweise im Spätmittelalter entstandene Redewendung (überliefert in vier Hand­schriften von Hugo von Trimbergs Lehrgedicht „Der Renner“ [um 1300]). Sie hat ihren Grund in den Vermutungen, dass der gelehrte Rechtskundige auf der Seite der Mächtigen steht, die Wahrheit verdunkelt und die Verfahren verlängert.

Lit.: Stintzing, R. v., Das Sprichwort „Juristen, böse Christen“, 1875; Riezler, E., Die Abneigung gegen den Juristen, 1925

Juristenfakultät ist die den Rechts­unterricht ausführende Fakultät der Universität. Sie entsteht seit dem 13. Jh. in Oberitalien und Frankreich (Paris), seit dem 14. Jh. auch im deutschen Sprach­raum. Die J. ist Verbandsperson, gerät aber in der Neuzeit unter staatlichen Einfluss (Wittenberg 1508, einzelne →Universitäten). Im 20. Jh. nimmt die zahlenmäßige Größe sehr stark zu.

Lit.: Kaufmann, G., Geschichte der deutschen Univer­sitäten, Bd. 1f. 1888ff., Neudruck 1958; Hand­buch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Willoweit, D., Das juristische Studium in Heidelberg und die Lizentiaten der Juristenfakultät von 1386 bis 1436, (in) Semper aperta, FS Universität Heidelberg, Bd. 1 1985, 85

Juristenrecht ist das von Juristen (statt vom Volk oder vom Gesetzgeber) geschaffene Recht. Es spielt in der rechts­wissen­schaftlichen Diskussion des frühen 19. Jh.s (→Puchta) eine gewisse Rolle. →Richterrecht

Lit.: Kaser § 2 II; Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 4; Thöl, H., Volksrecht, Juristenrecht, Genossen­schaften, Stände, Gemeines Recht, 1846; Brauneder, W., Privatrechtsfortbildung durch Juristenrecht, ZNR 1983, 22; Hofer, S., Zwischen Gesetzestreue und Juristenrecht – Die Zivilrechtslehre Friedrich Endemanns (1857-1936), 1993

Juristenstand →Jurist

Juristentag ist eine freiwillige, periodisch stattfindende Versammlung von Juristen (in Deutschland seit 1860). Zielsetzung ist die öffentliche Erörterung von allgemeinen Rechtsfragen.

Lit.: Conrad, H., Der deutsche Juristentag 1860-1960, (in) Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, FS zum hundertjährigen Bestehen des deutschen Juristentages, Bd. 1 1960, 1; Dilcher, G., Der deutsche Juristentag 1960-1980, 1980; Landau, P., Die deutschen Juristen, 1996; Festschrift 50 Jahre österreichischer Juristentag, hg. v. österreichischer Juristentag, 2009

Juristische Person (Hugo 1799) ist die durch die Rechtsordnung geschaffene Person. Dem Altertum ist der Gedanke, dass ein Personenverband mit selb­stän­diger Rechts­fähigkeit ausgestattet sein kann, noch fremd. Die Römer sehen z. B. beim Staat oder Verein die Gesamtheit der jeweiligen Mitglieder als Rechtsträger an. Wohl als Folge der zu­nehmenden Verdichtung der Gesellschaft und der sich hieraus ergebenden Verstärkung der Verbandsbildung (Stadt, Gemeinde, Staat, Uni­versität, Orden, Zunft, Markgenossen­schaft  u. s. w.) spricht Papst Innozenz IV. 1245 erstmals von einer (lat.) persona (F.) ficta (erdachten Person). Im 19. Jh. wird auf der Grundlage naturrechtlicher Ansätze der moralischen Person oder juristischen Person eigene Rechtsfähigkeit zuerkannt. Streitig ist nur, ob die j. P. eine Fiktion (→Savigny) oder ein sozialer Organismus (→Gierke) sei. Juristische Personen sind vor allem →Verein (u. a. →Aktienge­sellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung) und →Stiftung sowie Körperschaft und Anstalt. Seit dem aus­gehenden 20. Jh. ist auch die Einmanngesellschaft als j. P. möglich. Die j. P. des Privatrechts entsteht durch Rechts­ge­schäft, die j. P. des öffentlichen Rechtes durch Hoheitsakt. Sie handelt nach der Fiktions­theorie durch Vertreter, nach der Theorie der realen Verbandsper­sönlichkeit durch Organe.

Lit.: Kaser § 17 I; Köbler, DRG 207; Zitelmann, E., Begriff und Wesen der sogenannten juristischen Personen, 1873; Henkel, W., Zur Theorie der juristischen Person im 19. Jahrhundert, 1973; Huussen-de Groot, F., Rechtspersonen in de 19 eeuw, 1976; Dießelhorst, M., Zur Theorie der juristischen Person bei Savigny, Quaderni Fiorentini 9 (1980); Brauneder, W., Von der moralischen Person des ABGB zur juristischen Person der Privatrechtswissenschaft, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 263; Ebihara, A., Was ist juristisch an der juristischen Methode des Staatsrechts, ZNR 1996, 66; Pohlmann, J., Entstehung, Rechtsträgerschaft und Auflösung der juristischen Person, 2007; Munsonius, H., Die juristische Person des evangelischen Kirchen­rechts, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Jury ist das mit Laien besetzte Geschwo­renengericht. Die J. entwickelt sich in England und Frankreich aus dem vorwis­senschaftlichen Gericht. Im 19. Jh. fordert der Liberalismus im Kampf gegen den Staat und dessen Berufsrichter die J. auch in Deutschland. Nach 1848 wird die J. als →Schwurgericht eingerichtet.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungrechts, 1954; Willock, J., The origins and development of the jury in Scotland, 1966; The trial jury in England, France, Germany 1700-1900, hg. v. Padoa Schioppa, A., 1987; Padoa Schioppa, A., La giuria penale in Francia, 1994; Cairns, J./Mc Leod, G., The Dearest Birthright of the People of England, 2002; Pense, T., Das spanische Schwurgericht, 2006; Masschaele, J., Jury, State and Society in Medieval England, 2008; Lieber, N., Schöf­fengericht und Trial by Jury, 2010

Justi, Johann Heinrich Gottlob von (Brücken 28. 12. 1717-Küstrin 21. 7. 1771) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg (Leyser) 1750 Professor für Kameralistik in Wien und nach 1755 Praktiker und Publizist mit Vorlesungen in Göttingen (1755-1757). Sein Hauptwerk ist die Grundfeste zu der Macht und Glückseligkeit der Staaten (1760f., Neu­druck 1965). Hierzu stellt er die wirtschaft­lichen Interessen der Allgemeinheit dem fiskalischen Interesse des nur durch Grund­gesetze gebun­denen absoluten Monarchen voran. Die Polizei beschränkt er auf die Ge­währ­leistung der Rahmenbe­dingungen für privates wirtschaft­liches Handeln. Die systematische Bearbeitung des Polizeibegriffs legt dabei die Grundlage für das Verwaltungsrecht des 19. Jh.s.

Lit.: Frensdorff, F., Über das Leben und die Schriften des Nationalökonomen Johann Heinrich Gottlob von Justi, 1903, Neudruck 1970; Ebihara, A., Justis Staatslehre und Wolffs Naturrechtslehre, ZRG GA 102 (1985), 239; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988; Adam, U., The Political Economy of J. H. G. Justi, 2006

Justinian (Tauresium [Taor in Mazedonien] 482-Konstantinopel 14. 11. 565), Bauernsohn und Kaiserneffe, ver­heiratet mit Theodora, der Tochter eines Bärendompteurs am Zirkus in Konstan­tinopel, wird 527 Kaiser des oströmischen Reiches. Er veranlasst die Schaffung der →Institutionen (533), der →Digesten oder →Pandekten (530/533) und des →Codex (534) und erlässt danach noch Einzelgesetze (→Novellen). Anfangs tatkräftig, wird er später vom Gedanken göttlicher Berufung beseelt.

Lit.: Söllner §§ 19, 21; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Köbler, DRG 50, 53; Schindler, K., Justinians Haltung zur Klassik, 1966; Browning, R., Justinian and Theodora, 1971; Mazal, O., Justinian I. und seine Zeit, 2001; Meier, M., Das andere Zeitalter Justinians, 2003; Meier, M., Justinian, 2004; Cesaretti, P., Theodora, 2004; Leppin, H., (K)ein Zeitalter Justinians, HZ 284 (2007), 659; Pratsch, T., Theodora von Byzanz, 2009; Justinian, hg. v. Meier, M., 2010; Leppin, H., Justinian, 2011

Justiz (zu lat. iustitia [F.] Gerechtigkeit) ist die Rechtspflege (vielfach nur der ordent­lichen Gerichtsbarkeit).

Lit.: Springer, M., Die Coccejische Justizreform, 1914; Liebermann, F., Zur Teilung des Justizertrags zwischen Herrscher und Gerichtshalter, ZRG GA 46 (1926), 365; 200 Jahre Dienst am Recht, hg. v. Gürtner, F., 1938; Hannover, H./Hannover, E., Politische Justiz, 1966, Neudruck 1987; Wenzlau, J., Der Wiederaufbau der Justiz in Nordwestdeutschland 1945 bis 1948, 1979; Kuhn, Robert, Die Vertrauenskrise der Justiz (1926-1928), 1983; Fieberg, G., Justiz im nationalso­zialistischen Deutschland, 1984; Justiz in alter Zeit, hg. v. Hinckeldey, C. u. a., 1984, 2. A. 1989, 3. A. 1989; Jasper, G., Justiz und Nationalsozialismus, 1985; Just-Dahlmann, B. u. a., Die Gehilfen, 1988; Justizalltag im Dritten Reich, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1988; Gruchmann, L., Justiz im Dritten Reich 1933-1940, 1988, 3. A. 2003; Recht und Justiz im Dritten Reich, hg. v. Dreier, R. u. a., 1989; Justiz in alter Zeit, 3. neubearb. A., hg. v. Hinckeldey, C. u. a., 1989; Judicial Records, hg. v. Baker, J., 1989; Vorträge zur Justizforschung, hg. v. Mohnhaupt, H. u. a., 1992f.; Justiz im Dritten Reich, NS-Sondergerichtsverfahren in Rheinland-Pfalz, 1994; Wrobel, Verurteilt zur Demokratie, 1998; Royer, J., Histoire de la justice en France, 1995; Dölemeyer, B., Justizforschung in Frankreich und Deutschland, ZNR 18 (1996); Error iudicis, hg. v. Gouron, A. u. a., 1998; Schulte-Nölke, H., Rheinische Judikatur im frühen 19. Jahrhundert, ZNR 20 (1998); Justiz und Gerechtigkeit, hg. v. Gries­ebner, A., 2002; Justiz im Nationalsozialismus. Katalog zur Ausstellung, hg. v. Benzler, S. u. a., 2002; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003; Justiz = Justice = Justicia? Rahmen­bedingungen von Strafjustiz im frühneuzeitlichen Europa, hg. v. Rudolph, H. u. a., 2003; Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003; Justiz und Nationalsozialismus, hg. v. Pauli, G. u. a., 2003; Kißener, M., Zwischen Diktatur und Demokratie, 2003; Schmelz, C., Die Entwicklung des Rechtswegestaates, 2004; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtjustiz, 2005; Book, A., Die Justizreform in der Frühzeit der Bundesrepublik, 2005; Groß, J., Die deutsche Justiz unter französischer Besatzung 1945-1949, 2007; Scheib, K., Justiz unterm Hakenkreuz, 2012; Justiz und Justizverfassung, hg. v. Schubert, W. u. a., 2013 (Ostseeraum)

Justizgesetzsammlung ist eine 1780 in Österreich angelegte Sammlung der Justiz­gesetze.

Lit.: Baltl/Kocher

Justizsache ist im 18. Jh. die gerichtlich über­prüfbare Angelegenheit.

Lit.: Kroeschell, K., Justizsachen und Polizeisachen, FS H. Thieme, 1983

Justizstelle →oberste Justizstelle

Justizverwaltung ist die Verwaltung der von der allgemeinen Verwaltung getrennten Gerichtsbarkeit.

Lit.: Hamann, U., Das Oberlandesgericht Celle im Dritten Reich, (in) FS zum 250jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Celle, 1986; Justizver­wal­tung, Rechtsprechung und Strafvollzug auf dem Gebiet des heutigen Landes Rheinland-Pfalz, 1995

Jütisches Recht →Jyske Lov

Lit.: Das jütsche Recht, übers. v. See, K. v., 1960; Wagner, W., Jütlands Verfassung im Mittelalter, 1992

Jütland ist der festländische Teil Dänemarks zwischen Nordsee und Ostsee. Teile seiner germanischen Bewohner ziehen im 5. Jh. in das heutige Belgien und von dort 449 nach Britannien bzw. England. 1241 erlässt König Waldemar von Dänemark das →Jyske Lov.

Lit.: Nordisk kultur, Bd. 2 1938, 1ff.

Jyske Lov, Jydske Lov, ist ein im März 1241 von König Waldemar II. (1202-1241) von Dänemark als verbessertes Landschaftsrecht für Jütland erlassenes Gesetz in dänischer Sprache. Es ist in 14 Handschriften des 14. Jh.s überliefert. Es gliedert sich in drei Bücher gemischten Inhalts. Es ist kirchlich und königlich geprägt. Es gilt bis 1683, in Schleswig bis 1900.

Lit.: Das Jyske Recht, hg. v. See, K. v., 1960; Amira, K., v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 91, 96; Jutisch Lowbok. Lübeck 1486, (Faksimiledruck) 1976

 

K

Kabbala (F.) mystisch-spekulative Strömung des Judentums in Südfrankreich und Spanien (13./14. Jh.)

Lit.: Scholem, G., Ursprung und Anfänge der Kabbala, 1962; Reichstein, H., Praktisches Lehrbuch der Kabbala, 1984; Scholem, G., Mystik, 3. A. 1988

Kabel (F.) ist im mittelalterlichen Norddeutschland das Los und der durch das Los bestimmte Anteil (z. B. an einem Deich).

Lit.: Hübner § 114

Kabinett ist ursprünglich das kleine Gemach, in dem der neuzeitliche Fürst seine besonderen Angelegenheiten besorgt. Hieraus entwickelt sich eine beratende beamtete Organisation. In der Gegenwart ist K. die Regierung.

Lit.: Köbler, DRG 151; Dürichen, J., Geheimes Kabinett und Geheimer Rat unter der Regierung Augusts des Starken, Neues Archiv f. Gesch. 51 (1930), 68; Heiss, U., Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, 1962; Leinert, B., Geheimer Rat und Kabinett in Baden, 1973

Kabinettsjustiz ist die Gesamtheit der Eingriffe des Landesherrn in einen geschäftlichen Ablauf im Einzelfall. Im →Absolutismus ist der Machtspruch erlaubt. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.s wird er als Ver­stoß gegen die →Gewaltenteilung be­kämpft und im Gefolge der französischen Revolution (1789) und der Verfassungs­ge­bung Frankreichs (1791, Kapitel V, Art. 1) im 19. Jh. ausgeschlossen.

Lit.: Köbler, DRG 154, 200; Bussi, E., Zur Geschichte der Machtsprüche, FS E. Hellbling, 1971, 51; Ogris, W., Maria Theresia iudex, Anzeiger der phil.-hist. Kl. d. österreichischen Ak. d. Wiss. 110 (1973), 232; Ogris, W., De sententiis ex plenitudine potestatis, FS H. Krause, 1975, 171; Regge, J., Kabinettsjustiz in Brandenburg-Preußen, 1977; Olechowski, T., Iustitia regnorum fundamentum, RZ 78 (2000), 132

Kadijurisprudenz ist die Streitentscheidung durch den Kadi (Richter in arabischen Ländern) im Gegensatz zur rechtsstaatlichen Rechtsprechung.

Lit.: Luig, K., Richterkönigtum und Kadijuris­prudenz, (in) Das Profil des Juristen, 1980, 295; Müller, C., Der Kadi und seine Zeugen, 2013

Kahn-Freund, Otto (Frankfurt am Main 1900-England 1979) wird nach dem Studium von Geschichte und Recht in Heidelberg, Leipzig und Frankfurt (Sinzheimer) Richter. 1933 wandert er wegen seiner jüdischen Herkunft nach England aus und wird 1951 Professor in London, 1964 in Oxford. Er gehört zu den führenden Arbeitsrechtlern des 20. Jh.s.

Lit.: Kahn-Freund, O., Autobiographische Erinnerun­gen an die Weimarer Republik, Kritische Justiz 1981, 183

Kaiser ist der Träger der höchsten weltlichen Würde. In der Nachfolge Gaius Iulius Caesars († 44 v. Chr.) nennen sich nach Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) schon die römischen Herrscher (lat. [M.]) caesar. Dabei hängt die Nachfolge im Wesentlichen von den je­weiligen Machtverhältnissen ab (z. B. Soldaten­kaiser). Bei Teilung des römischen Reiches stehen mehrere K. nebeneinander. In Westrom endet das Kaisertum 476 n. Chr. Im Osten tritt im 7. Jh. die Bezeichnung basileus an die Stelle von Caesar. An Weihnachten 800 krönt Papst Leo III. Karl den Großen zum K. (lat. imperator [M.] Romanorum). In der Folge erlangen viele deutsche Könige vom Papst die Krönung zum K. (lat. [M.] imperator Romanorum semper augustus), nämlich Karl III. der Dicke 881, Arnulf von Kärnten 896, Otto I. 962, Otto II. 973, Otto III. 996, Heinrich II. 1014, Konrad II. 1027, Heinrich III. 1046, Heinrich IV. 1084, Heinrich V. 1111, Lothar III. 1133, Friedrich I. 1155, Heinrich VI. 1191, Otto IV. 1209, Friedrich II. 1220, Heinrich VII. 1312, Ludwig IV. der Bayer 1328, Karl IV. 1355, Sigismund 1433, Friedrich III. 1452, Maximilian 1508, Karl V. [1520 Selbst­benennung als erwählter Kaiser des Heiligen römischen Reiches, erwählter römischer Kaiser] Bologna 1530) Die damit verbundenen Rechte sind gering. 1453 endet das oströmische Kaisertum unter dem Ansturm der Türken, deren Sultan den Rang eines Kaisers beansprucht. Der Herrscher Russlands nennt sich nach dem Untergang Ostroms ab 1478 Zar (1547 Krönung Iwans IV., des Schrecklichen, 1721 imperator, 1917 Zarenfamilie gestürzt). Nach 1530 wird der K. des Heiligen römischen Reiches von den Kurfürsten gewählt bzw. gekrönt (z. B. Ferdinand I. 1556 u. a.). 1804 nehmen die Herrscher von Frankreich (mit Unterbre­chungen bis 1870) und Österreich den Titel K. an. 1806 endet das Kaisertum des Heiligen römischen Reiches . 1871 wird der König von Preußen zum K. des Deutschen Reiches proklamiert. 1918 endet das europäische Kaisertum (Deutschland, Öster­reich). Daneben gibt es auch K. von Indien (1876-1947), China, Äthiopien und Japan sowie anderen Ländern.

Lit.: Köbler, DRG 76, 83, 109, 132, 147, 194, 195; Tophoff, H., Die Rechte des deutschen Kaisers, 1902; Srbik, H. v., Das österreichische Kaisertum, 1927; Heldmann, K., Das Kaisertum Karls des Großen, 1928; Holtzmann, R., Der Kaiser als Marschall des Papstes, 1928; Schramm, P., Kaiser, Rom und Renovatio, 1929, 2. A. 1957; Tiedemann, H., Der deutsche Kaiserge­danke vor und nach dem Wiener Kongress, 1932; Schneider, F., Neuere Anschauungen der deutschen Historiker zur Beurteilung der deutschen Kaiserpolitik des Mittelalters, 1934, 2. A. 1936, 3. A. 1938; Stengel, E., Kaisertitel und Souveränitätsidee, DA 3 (1939); Ohnsorge, W., Das Zweikaiserproblem im früheren Mittelalter, 1947; Ohnsorge, W., Das Mitkaisertum in der abendländischen Geschichte des früheren Mittelalters, ZRG GA 67 (1950), 309; Andreae, F., Das Kaisertum in der juristischen Staatslehre des 15. Jahrhunderts, Diss. phil. Göttingen 1951; Drögereit, R., Kaiseridee und Kaisertitel bei den Angelsachsen, ZRG GA 69 (1952), 24; Uhlirz, M., Die rechtliche Stellung der Kaiserinwitwe Adelheid, ZRG GA 74 (1957), 84; Pratje, J., Die kaiserlichen Reservatrechte, 1958; Stengel, E., Abhandlungen und Untersuchungen zur Geschichte des Kaisergedankens im Mittelalter, 1965; Appelt, H., Die Kaiserideee Friedrich Barbarossas, 1967; Kleinheyer, G., Die kaiserlichen Wahl­kapi­tulationen, 1968; Fehrenbach, E., Wandlungen des deutschen Kaisergedankens 1871-1918, 1969; Wehler, H., Das Deutsche Kaiserreich 1871-1918, 1973, 5. A. 1983, 7. A. 1994; Das byzantinische Herrscherbild, hg. v. Hunger, H., 1975; Veh, O., Lexikon römischer Kaiser, 1976, 2. A. 1985, 3. A. 1990; Duchhardt, H., Et Germani eligunt et Germanus eligendus, ZRG GA 97 (1980), 232; Schramm, P., Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit, 2. A. 1983; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984, 2. A. 1994; Kaisergestalten des Mittelalters, hg. v. Beumann, H., 1984, 2. A. 1985, 3. A. 1991; Wefers, S., Das politische System Kaiser Sigmunds, 1989; Die Kaiser der Neuzeit, hg. v. Schindling, A. u. a., 1990; Kienast, D., Römi­sche Kaisertabelle, 1990, 2. A. 1996, 3. unv. A. 2004, 4. unv. A. 2010, 5. unv. A. 2011; Pabst, A., Comitia imperii, 1997; Die römischen Kaiser, hg. v. Clauss, M., 2. A. 2001; Clauss, M., Kaiser und Gott, 1999; Winterling, A., Aula Caesaris, 1999; Reichsständische Libertät und habsburgisches Kaisertum, hg. v. Duchhardt, H. u. a. 1999; Wagner, N., Der deutsche Kaiser und König von Preußen, ZRG GA 117 (2000), 450; Die Kaiserinnen Roms, hg. v. Temporini-Gräfin Vitzthum, H., 2002; Röhl, J., Kaiser, Hof und Staat – Wilhelm II., 2002; Sommer, M., Die Soldatenkaiser, 2004, 2. A. 2010, 3. A. 2014; Schneidmüller, B., Die Kaiser des Mittelalters, 2006; Demandt, A., Das Privatleben der römischen Kaiser, 2007; Stollberg-Rilinger, B., Des Kaisers alte Kleider, 2008; Ostermann, T., Die verfassungs­recht­liche Stellung des deutschen Kaisers nach der Reichsver­fassung von 1871, 2009; Kaisertum im ersten Jahrtausend, hg. v. Leppin, H. u. a., 2012; Szidat, J., Usurpator tanti nominis, 2010

Kaisergericht ist die vom →Kaiser verwaltete Gerichtsbarkeit (z. B. in Rom).

Lit.: Kaser §§ 80 II 5, 87 I 1, II; Bleicken, J., Senatsgericht und Kaisergericht, 1962

Kaiserkonstitution ist die (lat.) →constitutio (F.) des Kaisers vor allem im spätantiken Rom.

Kaiserkrönung ist die Krönung eines Menschen zum Kaiser, wie sie im Abendland seit dem Jahre 800 stattfindet. Für die damit verbundenen Handlungen entwickelt sich ein besonderer Krönungsordo (seit 960 überlie­fert). Danach folgen auf den Krönungseid Salbung, Übergabe der Herrschaftszeichen, Messe, Steigbügelhalten, Krönungszug und Festmahl.

Lit.: Eichmann, E., Die Kaiserkrönung im Abendland, Bd. 1f. 1942; Die Ordines für die Weihe und Krönung, hg. v. Elze, R., 1960; Hageneder, O., Das crimen maiestatis, FS F. Kempf, 1983

Kaiserproklamation in Versailles am 18. 1. 1871 ist die feierliche Amtsübernahme des Kaisers des Deutschen Reiches.

Lit.: Die Reichsgründung 1870/71, hg. v. Schieder, T. u. a., 1970

Kaiserrecht ist das auf den →Kaiser bezogene →Recht. Im römischen Altertum lassen sich die Konstitutionen der (lat. [M.Pl.]) principes als K. verstehen. Das 13. bis 16. Jh. meint mit K. alles Recht, dessen Quelle der Kaiser ist oder sein soll. Damit kann deutsches Recht wie römisches Recht erfasst sein. Als K. wird beispielsweise in den meisten Hand­schriften der später sog. Schwabenspiegel bezeichnet, als kleines Kaiserrecht ein wenig jüngeres Rechtsbuch (sog. Frankenspiegel). Im Laufe des 14. Jh.s sind K. etwa die Goldene Bulle, die Landfrieden, die Rechtsbücher, das Recht der Reichsstädte, das in der kaiserlichen Gerichts­barkeit gesprochene Urteil oder das römische Recht (z. B. Sachsenspie­gelglosse). Im 15. Jh. ist K. meist das aufgenommene römische Recht. Den Gegensatz bildet häufig das kirchliche Recht.

Lit.: Schaafs, G., Ein Kaiserrechtbruchstück, ZRG GA 26 (1905), 280; Krause, H., Kaiserrecht und Rezeption, 1952; Munzel, O., Die Innsbrucker Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Trusen, W., Die Rechtsspiegel und das Kaiserrecht, ZRG GA 102 (1985), 12; Munzel-Everling, D., Dez keisers recht. Das kleine Kaiserrecht, 2003

Kaiserslautern

Lit.: Urkundenbuch der Stadt Kaiserslautern, Teil 1ff., hg. v. Dolch, M. u. a., 1994ff.; Das Lauterer Gericht und sein Speyerer Oberhof, hg. v. Dolch, M., 1996; Ratsprotokolle der Stadt Kaiserslautern 1566-1571, hg. v. Dolch, M. u. a., 2002; Keddigkeit, J., Kleine Ge­schich­te der Stadt Kaiserslautern, 2008

Kalabrien ist bis ins 7. Jh. die südöstliche, später die südwestliche Halbinsel der Halbinsel Italien. K. kommt über die Punier, Römer, Byzantiner und Langobarden in der Mitte des 11. Jh.s an die →Normannen.

Lit.: Kamp, N., Kirche und Monarchie im staufischen Königreich Sizilien, 1975; Leo, P. de, Mezzogiorno medioevale, 1984

Kalender ist das wichtigste Mittel zur Einteilung der Dimension Zeit (nach Tagen, Monaten und Jahren) mit Hilfe astronomisch bestimmter Gegebenheiten (von Sonne und Mond). Der nach lat. calendae (Monats­anfang) benannte, bereits vielen Völkern des Altertums bekannte K., für den sich in Rom schon im 5. Jh. v. Chr. der Übergang zum Sonnenjahr andeutet, wird von Caesar (100-44 v. Chr.) neu bestimmt (julianischer K. mit einer Ungenauigkeit von rund 12 Sekunden pro Jahr). 325 wird der Früh­jahrsanfang auf den 21. März festgesetzt. Ohne dass das Geburtsjahr Jesus Christus’ (kurz vor 4 v. Chr.?) feststeht, setzt sich die von Dionysius Exiguus (475?-545) eingeführte Zählung nach Christi Geburt durch. Im Frühmittelalter verbessern Beda und vielleicht Karl der Große (Lorsch 789?) die Kalenderführung durch Aufnahme von Ereignissen auch der gewöhnlichen Lebenswelt. 1582 wird der zu Verschiebungen führende julianische K. unter Papst Gregor XIII. durch den genaueren, zehn Tage auslassenden gregorianischen K. ersetzt, dem sich die reformierten Landesherren im Heiligen römischen Reich am 23. 9. 1699 anschließen (England 1752, Russland 1917). Ein an der französischen Revolution ausgerichteter neuer Kalender Frankreichs des Jahres 1792 scheitert bereits 1805.

Lit.: Wislicenus, F., Der Kalender, 1905; Meinzer, M., Der französische Revolutionskalender (1792-1805), 1992; Graf, F., Der Lauf des rollenden Jahres, 1997; Borst, A., Die karolingische Kalenderreform, 1998; Der karolingische Reichskalender, hg. v. Borst, A., 2001; Der Streit um die Zeit, hg. v. Herzog, M., 2002; Der Kalender, hg. v. Geerlings, W., 2002; Borst, A., Der Streit um den karolingischen Kalender, 2004; Rüpke, J., Zeit und Fest, 2006

Kalif (M.) Stellvertreter (des islamischen Propheten Mohammed)

Lit.: Halm, H., Die Kalifen von Kairo, 2003

Kalligas, Pavlos (1814-1896) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Gans, Savigny) und Heidelberg 1843 Professor in Athen und Politiker. Er fördert die Aufnahme deutscher und römischrecht­licher Gedanken in Griechen­land. Er wirkt an der Schaffung eines Entwurfes eines griechischen Zivil­gesetzbuchs mit.

Lit.: Kairophylas, K., Pavlos Kalligás, 1937

Kalumnieneid (Gefährdeeid, Schikaneeid, lat. iuramentum [N.] calumniae) ist der im römischen Zivilprozessrecht (Formularver­fahren) sichtbare Eid der Parteien und ihrer Advokaten, das Verfahren nicht rechtsmiss­bräuchlich zu führen. Justinian (527-565) macht ihn zur Prozessvoraussetzung. Der K. wird nach einer frühen Erwähnung im Jahre 1186 mit dem römisch-kanonischen Verfahren am Ende des Spätmittelalters in Deutschland übernommen, wobei das Ver­hältnis zum Voreid des deutschen Rechtes (Gefährdeeid) streitig ist. Später geht der Sinn des Kalumnieneids verloren. Ihm entsprechen in der Gegenwart die Notwendigkeit des Rechtsschutzinteresses und die Strafbarkeit wegen falscher Anschuldigung.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Zimmermann, E., Der Glaubenseid, 1863, 62; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 214; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 349

Kalvinismus →Calvin

Lit.: Calvinism and Religious Toleration in the Dutch Golden Age, hg. v. Hsia, R. u. a., 2002

Kameralismus (Kameralwissenschaft) ist die Wissenschaft von den wirtschaftlichen Verhältnissen und Aufgaben des früh­neuzeitlichen Staates (Finanzwissenschaft und Polizeiwissenschaft). Der K. ist eine Son­derform des →Merkantilismus. Wichtige Ver­treter sind →Justi, →Seckendorff und →Sonnenfels (Wien 1763). Seit 1727 werden in Deutschland besondere Lehrstühle für diese Wissenschaft eingerichtet.

Lit.: Köbler, DRG 134, 152; Nielsen, A., Die Entstehung der deutschen Kameralwissenschaft im 17. Jahrhundert, 1911; Gerloff, A., Staatspraxis und Staatstheorie des kameralistischen Verwaltungs­staates, 1937; Kunze, K., Ernst Ludwig Carl, 1966; Schiera, P., Dall’arte di governo alle scienze di stato, 1968; Brückner, J., Staatswissenschaft, Kameralismus und Naturrecht, 1977; Jenetzky, J., System und Entwicklung des materiellen Steuerrechts, 1978; Schulz, H., Das System und die Prinzipien der Einkünfte im werdenden Staat der Neuzeit, 1982; Sandl, M., Ökonomie des Raumes, 1999

Kameralistik (Kameraljurisprudenz) ist die wissenschaftlich-literarische Tätigkeit von Richtern am Reichskammergericht (bzw. auch die Kameralwissenschaft). Als Beisitzer des Gerichts veröffentlichen Jo­hann →Mynsinger von Frundeck (1517-1588, [lat.] Singularium observationum iudicii imperialis camerae centuriae [F.Pl.] quattor, 1565, Vierhundert Einzelbeobach­tungen des kaiser­lichen Kammer­gerichts) und Andreas →Gaill (1526-1587, [lat.] Practicarum observationum …. libri [M.Pl.] duo, 1578, Zwei Bücher … praktischer Beobachtungen) Urteile.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 144; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981

Kameralprozess Reichskammergericht

Kameralwissenschaft →Kameralismus

Kammer ist ursprünglich die gewölbte Decke, danach der von daher benannte Raum und die darin beherbergte fürstliche Behörde. Nach dem schon im Frühmittelalter sichtbaren →Kämmerer entstehen bereits im späten 15. Jh. in einzelnen habsburgischen Ländern ständische Raitkammern. 1498 richtet König Maximilian I. eine Hofkammer als zentrale, kollegial organisierte Finanz­behörde des Reiches und der habs­burgischen Erbländer ein. In Brandenburg erscheinen im 16. Jh. Amtskammern und 1689 eine geheime Hofkammer. Seit dem 18. bzw. 19. Jh. ist K. ein Haus eines mehrteiligen Gesetz­gebungs­organs, ein kollegialer Spruch­körper eines Gerichts oder eine berufliche Standesver­tretung.

Lit.: Mensi, F. v., Die Finanzen Österreichs, 1890; Storch, A., Der brandenburg-preußische Kammerstaat, Diss. jur. Göttingen 1912; Thimme, H., Das Kammeramt in Straßburg, Worms und Trier, 1913; Richardson, W., Tudor Chamber Administration, 1952; Die Kontrolle der Staatsfinanzen, hg. v. Zavelberg, H., 1989

Kämmerer (lat. [M.] camerarius) ist der für die Einkünfte zuständige Verwal­tungsamts­träger bereits des frühmit­telalterlichen Könighofs (882). 936 erscheint der Herzog von Schwaben als K. (Erzkämmerer), seit dem 12. Jh. der Markgraf von Brandenburg. Das seit dem 13. Jh. erbliche Hofamt des Kämmerers haben zunächst die Grafen von Bolanden-Falkenstein, danach die von Weinsberg und seit dem 16. Jh. die Grafen bzw. Fürsten von Hohenzollern inne, doch verliert es seit der Neuzeit an Bedeutung. In England verdrängt in der normannischen Zeit der Schatzmeister den königlichen K., in Frankreich im 13. Jh. der (frz.) Grand-chambellan bzw. im 14. Jh. der (frz.) trésorier. K. amtieren auch in den einzelnen Städten und Ländern.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485

Kammergericht im Heiligen römischen Reich ist ein seit 1415 urkundlich nachweisbares, neben dem königlichen Hofgericht bestehendes königliches Gericht. Es entsteht vielleicht be­reits im 14. Jh. aus dem königlichen Rat. Es ist mit (gelehrten) Räten des Königs besetzt. Es ist zuständig für Angelegenheiten des Königs und Reiches, später auch für weitere Gegenstände. Nach Verschwinden des den neuen Anforderungen (Appellation) nicht mehr gerecht werdenden Hofgerichts (zwischen) 1451 (und 1456) wird es als Hof- und Kammergericht bezeichnet. Von 1455 ist ein Sitzungsprotokollbuch überliefert, seit 1467 ein Urteilsbuch, von 1471 der Entwurf einer Kammergerichtsordnung, nach der die Juristen die Hälfte der Urteiler bilden sollen. Tatsächlich sind von fast 350 Beisitzern der Herrschaftszeit Kaiser Friedrichs III. (1452-1493) fast 100 Juristen. Das K. wird vor allem von süddeutschen Ständen häufig angerufen, gelangt aber vielfach nur sehr langsam zu Entscheidungen und vermag nur selten diese in der Wirklichkeit umzusetzen. Seit 1461 wird es verpachtet, seit 1475 tritt es nur noch selten zusammen. Am 9. 7. 1490 ernennt Kaiser Friedrich III. nochmals einen Kammerrichter (1494 20 Prozessrubra, 1495 35 Prozessrubra ge­nannt). Dem K. folgt 1495 das →Reichs­kam­mergericht.

Lit.: Köbler, DRG 114; Tomaschek, J., Die höchste Gerichtsbarkeit, 1865; Franklin, O., Das königliche Kammergericht vor dem Jahre 1495, 1871; Neumann, G., Zwei Lübecker Hausbesitzer vor dem Kammergericht, ZRG GA 96 (1979), 209; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammer­gericht, FS A. Erler, 1986, 44; Jahns, S., Das Kammergericht und seine Richter, 1996; Recht und Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Die Protokoll- und Urteilsbücher des königlichen Kammergerichts aus den Jahren 1465 bis 1480, hg. v. Battenberg, F. u. a., 2004

Kammergericht in Brandenburg bzw. Preußen ist das (oberste) Gericht des Reichskämmerers (Markgrafen von Brandenburg) für die Mark →Brandenburg (14. Jh. des kemerers kamere tu tangermünde, 1392 kammerrecht, 17. 3. 1468 K.). Von 1516 stammen der Entwurf einer Kammer­gerichtsordnung, von 1540 (Cölln an der Spree) und 1709 in Kraft getretene Kammer­gerichtsordnungen. 1748 wird das K. auch für Strafsachen zuständig. 1782 wird es Mittelinstanz. 1877/1879 wird es Oberlan­desgericht mit Sitz in Berlin, behält aber seinen be­sonderen Namen und erhält 1913 einen Neubau.

Lit.: Holtze, F., Geschichte des Kammergerichts in Brandenburg-Preußen, Bd. 1ff. 1890ff.; Hassenpflug, R., Die erste Kammergerichtsordnung Kurbranden­burgs, 1895; Fünfhundert Jahre Kammergericht, 1913; Schmidt, E., Kammergericht und Rechtsstaat, 1968; Werner, F., Zur Geschichte des Kammergerichts in Berlin, 1968; Scholz, F., Berlin und seine Justiz, 1982; Weichbrodt, S., Die Geschichte des Kammergerichts von 1913-1945, 2009; Kipp, J., Einhundert Jahre. Zur Geschichte eines Gebäudes 1913-2013, 2013

Kammergut (Tafelgut, Domänen) ist in der frühen Neuzeit die Gesamtheit der Einkünfte der →Kammer. Streitig ist im 17. Jh. und 18. Jh., ob das K. dem Staat oder dem Landesherrn gehört.

Lit.: Baltl/Kocher; Zachariae, H., Das Eigentumsrecht am deutschen Kammergut, 1864; Breysig, K., Geschichte der brandenburgischen Finanzen, 1895

Kammerrichter →Reichskammergericht

Kammerzieler ist in der Neuzeit (1548-1806) die Gesamtheit der von den Reichständen für das →Reichskam­mergericht aufzubringenden Geldleis­tungen. Der K. beläuft sich meistens auf weniger als 1% der Ausgaben des schul­denden Reichsstands, wird aber vielfach gleichwohl nicht ordentlich oder überhaupt nicht geleistet.

Lit.: Köbler, DRG 150; Gothein, E., Der gemeine Pfennig, 1877; Smend, R., Das Reichskammer­gericht, 1911

Kampanien ist die um Neapel liegende süditalienische Landschaft, die über die Römer, Goten und Oströmer um 570 an das langobardische Herzogtum Benevent gelangt.

Lit.: Storia arte e cultura della Campania, 1976

Kanada ist der nördlich der Vereinigten Staten von Amerika gelegene, aus Kolonien Englands und Frankreichs entstandene Staat.

Lit.: Vachon, A., Histoire du notariat canadien 1621-1960, 1962; Sautter, U., Geschichte Kanadas, 2000; Handschug, S., Einführung in das kanadische Recht, 2003

Kanon (lat. [M.] canon) ist die Regel oder Vorschrift des richtigen Glaubens und Handelns sowie des kirchlichen (kano­nischen) Rechtes (325). Die in (lat. [M.Pl.]) canones formulierten Synodal­beschlüsse werden seit der Mitte des 4. Jh.s (bis zu →Gratian, um 1140, und danach) in Kanonessammlungen, von denen allein zwischen 1000 und 1400 außerhalb Italiens mehr als 27 verschiedene entstehen, zusammengefasst.

Lit.: Wenger, L., Über canon und regula in den römischen Rechtsquellen, ZRG KA 63 (1943), 495; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Fransen, G., Les collections canoniques, 1985; Landau, P., Erweiterte Fassungen der Kanonessammlung des Anselm von Lucca, (in) Sant’ Anselmo, 1987, 383; Gaudemet, J., Droit de l’Eglise, 1989; Fowler-Magerl, L., Ausgewählte Kanonessammlungen zwischen 1000 und 1400 außerhalb Italiens, 1998 (CD-ROM); Kéry, L., Canonical Collections of the Early Middle Ages (ca. 400-1140), History of Medieval Canon Law 1, hg. v. Hartmann, W. u. a., 1999, 3 2008; Landau, P., Die Quellen der mittelitalienischen Kanonessammlung in sieben Büchern (MS Vat. lat. 1346), (in) Ritual, Text and Law, 2003, 255; Stadelmaier, M., Die Collectio Sangermanensis XXI titulorum, 2004

Kanoniker (535 lat. [M.] canonicus) ist ein Mitglied eines Stiftskapitels oder Domkapitels (Domkapitular, Domherr).

Lit.: Semmler, J., Mönche und Kanoniker, 1980; Istituzioni monastiche e istituzioni canonicali, 1980

Kanonisches Recht (lat. →ius [N.] canonicum) ist das kirchliche Recht im Gegensatz zum weltlichen Recht. Im engeren Sinn ist es im Gegensatz zum neueren kirchlichen Recht nur das im (lat.) →corpus (N.) iuris canonicum enthaltene Recht bzw. das innere katholische Kirchenrecht im Gegensatz zum staatlichen Kirchenrecht (Staatskirchen­recht). Seit der Mitte des 4. Jh.s wird es in Kanonessammlungen zusammen­gefasst. In Nov. 131, 1 (545) ordnet Kaiser Justinian (Ostrom) an, dass 54 Kanones der ersten vier allgemeinen Konzilien wie Gesetze zu beachten sind. Große Bedeutung hat das kaonische Recht lange für Ehe, Verfahren, Testament, Eid, Wucher und Schule.

Lit.: Friedberg, E., Das kanonische und das Kirchenrecht, Dt. Z. f. Kirchenrecht 8 (1898), 1; Landau, P., Der Einfluss des kanonischen Rechtes auf die europäische Rechtskultur, (in) Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, 1991, 39; Die Bedeutung des kanonischen Rechtes für die Entwicklung einheit­licher Rechtsprinzipien, hg. v. Scholler, H., 1996; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1, 1997; Aymans, W./Mörsdorf, K., Kanonisches Recht, 13. A. Bd. 2 1997; Martínez-Torron, J., Anglo-American Law and Canon Law, 1998; Erdö, P., Geschichte der Wissenschaft vom kanonischen Recht, 2003; Fowler-Magerl, L., Clavis canonum. Selected Canon Law Collections before 1140, 2005; The History of Medieval Canon Law in the Classical Period 1140-1234, hg. v. Hartmann, W./Pennington, K., 2008; Austin, G., Shaping Church Law around the Year 1000, 2009; Rüfner, T., Die gesetzesgleiche Geltung des kanonischen Rechtes in der Spätantike, ZRG KA 122 (2010), 1; Landau, P., Europäische Rechtsgeschichte und kanonisches Recht im Mittelalter, 2013 (40 Aufsätze der 40 Jahre von 1967 bis 2006)

Kanonisches Zinsverbot ist das auf Lukas 6,35 (Tut Gutes und gebt ein Darlehen, ohne davon etwas zu erhoffen) gegründete kirchliche Verbot, für Darlehen Zinsen zu nehmen. Es setzt sich im Mittelalter allgemein durch. Die wirtschaftlichen Ziele des verzinslichen Dar­lehens werden aber mit Hilfe zahlreicher Umgehungsgeschäfte er­reicht. Im Übrigen dürfen →Juden verzins­liche Darlehen geben und werden infolge­dessen vielfach zu Gläu­bigern christlicher Schuldner. 1654 wird im Heiligen römischen Reich  das kanonische Zinsverbot durch einen Höchstzinssatz von 6% ersetzt, im 19. Jh. schwindet auch der Höchstzinssatz.

Lit.: Köbler, DRG 127, 166; Endemann, W., Studien in der romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff., Neudruck 1962; Ruth, R., Das kanonische Zinsverbot, FS E. Heymann, 1931, 316

Kanonistik (F). Wissenschaft des kano­nischen Rechtes oder des Kirchen­rechts

Lit.: Berman, H., Law and Revolution, 1983 (Recht und Revolution, 2. A. 1991); Brundage, J., The Medieval Origins of the Legal Profession, 2008; Austin, G., Shaping Church Law around the year 1000, 2009; Der Einfluss der Kanonistik auf die europäische Rechtskultur, hg. v. Schmoeckel, M. u. a., Bd. 1 Zivil- und Zivilprozessrecht, 2009, Bd. 2 Öffentliches Recht, 2011, Bd. 3 Straf- und Strafprozessrecht, 2012, Bd. 4 Prozessrecht, 2014

Kant, Immanuel (Königsberg 22. 4. 1724-12. 2. 1804), Sattlerssohn (Riemerssohn), wird nach dem Studium von Mathematik, Naturwissenschaften und Philosophie 1746 Hauslehrer, 1765 Bibliothekar und 1770 (zu­neh­mend introvertierter) ordentlicher Professor für Metaphysik und Logik (1781 Kritik der reinen Vernunft). Nach ihm ist Recht der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen vereinigt werden kann (Metaphysik der Sitten, 1797/1798). Hierauf bauen alle Einzelaus­führungen zum Recht auf. In erheblichem Maße von Kants Freiheitsethik beeinflusst wird →Savigny.

Lit.: Köbler, DRG 147, 178, 187; Cassirer, E., Kants Leben und Lehre, 1918; Swoboda, E., Das ABGB im Lichte Kants, 1926; Haensel, W., Kants Lehre vom Widerstandsrecht, 1926; Buchda, G., Das Privatrecht Immanuel Kants, 1929; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant, 1932, Neudruck 1973, 1987; Naucke, W., Kant und die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs, 1962; Kiefner, H., Der Einfluss Kants auf Theorie und Praxis des Zivilrechts, (in) Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 3; Naucke, W., Die Dogmatisierung von Rechts­problemen bei Kant, ZNR 1 (1969); Ritter, C., Der Rechtsgedanke Kants nach den frühen Quellen, 1971; Saage, R., Eigentum, Staat und Gesellschaft bei Immanuel Kant, 1973, 2. A. 1994; Höffe, O., Immanuel Kant, 1983, 5. A. 2000, 7. A. 2007; Kants Rechts­philosohpie, hg. v. Küsters, G., 1988; Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei Hobbes und Kant, 1988; Kersting, W., Wohlgeordnete Freiheit, 1993, 3. A. 2007; Zotta, F., Immanuel Kant. Legitimität und Recht, 1998; 200 Jahre Kants Metaphysik der Sitten, hg. v. Sharon Byrd, B., 1998; Recht, Staat und Völkerrecht bei Immanuel Kant, hg. v. Hüning, D. u. a., 1998; Immanuel Kant: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtsgeschichte, hg. v. Höffe, O., 1999; Falkenburg, B., Kants Kosmologie, 1999; Küper, W., Immanuel Kant und das Brett des Karneades, 1999; Kater, T., Politik, Recht, Geschichte, 1999; May, S., Kants Theorie des Staatsrechts, 2002; Höffe, O., Kants Kritik der reinen Vernunft, 2003; Kühn, M., Kant, 2003, 5. A. 2004; Dietzsch, S., Immanuel Kant, 2003; Sala, G., Kants Kritik der praktischen Vernunft, 2004; Baumanns, P., Kant und die Bioethik, 2004; Römpp, G., Kant leicht gemacht, 2005; Birken-Bertsch, H., Subreption und Dialektik bei Kant, 2006; Recht und Sittlichkeit bei Kant, Jb. f. Recht und Ethik 14 (2006)

Kanton ist vor allem das Mitglied (Ver­waltungseinheit bzw. Bundesstaat) der Eidgenossenschaft der Schweiz seit der Einrichtung der Helvetischen Republik im Jahre 1798. Die 24 (bzw. mit Halbkantonen 26) Kantone sind Aargau, Appenzell, (Ap­penzell-Außerrhoden, Ap­pen­zell-Inner­rho­­den), Basel (Basel-Stadt, Basel-Landschaft), Bern, Frei­burg, Genf, Glarus, Graubünden, Jura, Luzern, Neuenburg, Sankt Gallen, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Tessin, Thurgau, Unterwalden (Unterwalden nid dem Wald, Unterwalden ob dem Wald), Uri, Waadt, Wallis, Zug und Zürich.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; His, E., Geschichte des neueren Schweizer Staatsrechts, Bd. 1ff. 1920ff.; Adler, B., Die Entstehung der direkten Demokratie, 2006

Kantonssystem ist ein 1733/5 in Brandenburg-Preußen eingeführtes Aushe­bungs­system, bei dem der Staat in Bezirke (Kantone) aufgeteilt wird, die je einem Regiment zur Aushebung zugeordnet sind. Das K. wird 1771 von Österreich, 1804 von Baden und 1804/1805 von Bayern übernommen, später (Preußen 1804) aber wieder aufgegeben.

Lit.: Büsch, O., Militärsystem und Sozialleben im alten Preußen 1713-1807, 1962

Kantorowicz, Hermann Ulrich (Posen 1877-Cambridge 1940), Kaufmannssohn, wird nach dem Studium von Rechts­wissenschaft, Philo­sophie und Nationalökonomie in Berlin (Liszt) und München (Brentano) und der Habilitation in Freiburg (Schmidt, Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik [1908]) 1929 Professor in Kiel. Nach der Entlassung aus dem Staatsdienst (1933) wechselt er nach New York und Cambridge. Mit seiner frühen Schrift (Gnaeus Flavius) Der Kampf um die Rechtswissenschaft wird er einer der Begründer der →freien Rechtsschule.

Lit.: Muscheler, K., Hermann Ulrich Kantorowicz, 1984; Muscheler, K., Relativismus und Freirecht, 1984; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 631

Kanzlei ist die für die Herstellung von Schriftstücken zuständige Behörde. Sie entsteht bereits im römischen Altertum unter Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.). Hieran knüpfen die merowingischen Könige an, deren K. sich aus weltlichen Hofbeamten (lat. [M.Pl.] referen­darii) und diesen unterge­ordneten Schreibern zusammen­setzt. Wenig später treten Geistliche an ihre Stelle. Die Leitung übernimmt 870 bzw. 965 der Erzbischof von Mainz. Zur gleichen Zeit festigt sich auch eine K. des Papstes. Seit dem 12. Jh. wird die K. eine nach festen Regeln eingerichtete Behörde zur Herstellung von Schriftstücken. Im 13. und 14. Jh. bilden sich auch in den Ländern und Städten besondere Kanzleien.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Wilkinson, B., The Chancery under Edward III, 1929; Merkel, W., Das Aufkommen der deutschen Sprache in den städtischen Kanzleien, 1930; Groß, L., Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei, 1933; Vogelgesang, G., Kanzlei der pfälzischen Kurfürsten, 1939; Hofmann, S., Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214 bis 1255/1294, 1967; Battenberg, F., Gerichts­schreiberamt und Kanzlei des Reichshof­gerichtes, 1974; Csendes, P., Die Kanzlei Kaiser Heinrichs VI., 1981; Kölzer, T., Urkunden und die Kanzlei von Kaiserin Konstanze, 1983; Petke, W., Kamzlei, Kapelle und königliche Kurie unter Lothar III. (1125-1137), 1985; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen bei Rhein, 1986; Frenz, T., Die Kanzlei der Päpste, 1986; Stadt, Kanzlei und Kultur im Übergang zur frühen Neuzeit, hg. v. Suntrup, R., 2004; Gleixner, S., Sprachrohr kaiserlichen Willens, 2006; Kanzleisprachenforschung, hg. v. Greule, A. u. a., 2012

Kanzler ist der Angehörige oder Leiter einer →Kanzlei. Der (lat. [M.]) cancellarius (4. Jh.) ist in Rom die an den die Richter von der Allgemeinheit trennenden Schranken (lat. [M.Pl.] cancelli) Dienste verrichtende Hilfsperson, im Frühmittelalter der Schreiber, seit dem 10. Jh. der Leiter einer Beur­kundungsstelle (Reich 953, Frankreich 12. Jh.). Seit dem 12. Jh. erscheint der K. an Schulen und Universitäten als bedeutsamer Amtsträger. Auch nach dem Ende des Heiligen römischen Reiches  bleibt der K. bedeutsam (1810 Preußen Staatskanzler, 1866 Norddeutscher Bund Bundeskanzler, 1871 Reichskanzler, 1949 Bundeskanzler[, Österreich 1920]).

Lit.: Köbler, DRG 83, 112, 113; Rosenberg, W., Die staatsrechtliche Stellung des Reichskanzlers, 1889; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1 2. A. 1912; Hantsch, H., Reichsvizekanzler Friedrich Karl Graf von Schönborn (1674-1746), 1929; Rashdall, H., The Universities of Europe, 2. A. 1936

Kapelle ist in Ableitung von (lat. [F.]) capa (Mantel [des heiligen Martin, 316-400]) die kleine Kirche, deren Rechtsstellung gegen­über der Kirche zeitweise in verschiedener Hinsicht gemindert ist.

Lit.: Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen Könige, 1959

Kaperei ist die Aufbringung feindlicher Schiffe durch bewaffnete, staatlich dazu ermächtigte Privatschiffe seit dem 17. Jh. Ihre Wurzeln liegen bereits im Mittelalter. Im 19. Jh. wird die K. durch Staatsverträge und die Pariser Seerechtsdeklaration von 1856 be­seitigt.

Lit.: Böhringer, K., Recht der Prise, Diss. jur. Frankfurt am Main 1970; Ziegler, K., Völkerrechts­geschichte 1994, 2. A. 2007, §§ 30, 35, 36

Kapetinger, Capetinger ist der Angehörige eines (rheinfränkischen?,) mit dem 866 gefallenen Robert sichtbaren Geschlechts, das mit Hugo Capet 987/988 das Königtum im westfränkischen Reich erlangt. Bei dem Erlöschen der Kapetinger (1328) folgen die Nebenlinien Valois (bis 1589), Bourbon (bis 1792, 1814-1830) und Orléans (1830-1848). Weitere Nebenlinien (Anjou, Borgonha, Bragança u. a.) herrschen zeitweise in Por­tugal (1093-1580, 1640-1853), Byzanz (1217-1261), Neapel-Sizilien (1266-1282/1422, 1735-­1860), Ungarn (1308-1385), Polen (1370-1382), Parma (1748-1802, 1847-1860) oder Brasilien (1822-1789). Als Familien­be­zeichnung erscheint das Wort K. spät (17. Jh.).

Lit.: Lohrmann, K., Die Titel der Kapetinger (987-1200). Diss. phil. Wien 1976 (masch.schr.); Actes du colloque Hugues Capet, 1987; Ehlers, J., Die Kapetinger, 1999; Krause, I., Konflikt und Ritual im Herrschaftsbereich der frühen Capetinger, 2006

Kapital (N.) ist die verzinsliche Geld­summe bzw. die Gesamtheit der in ein Unternehmen eingebrachten Mittel

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 399; Weber, A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 1954; Peyer, H., Könige, Stadt und Kapital, 1982; Nyikos, E., Das Kapital als Prozess, 2010

Kapitalgesellschaft ist die →Gesellschaft, bei der die bloße Beteiligung von →Kapital im Vordergrund steht und es nicht wesentlich auf die Persönlichkeit des einzelnen Gesell­schafters ankommt. Die K. entsteht nach dem Frühkapitalismus mit der Entwicklung des risikoreichen, kapitalbedürftigen Welthandels (→Aktiengesellschaft) zu Beginn des 17. Jh.s. Ihre Bedeutung wächst noch immer.

Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Fleckner, A., Antike Kapitalvereinigungen, 2010

Kapitalismus ist die Wirtschaftsform, in der das →Kapital prägende Bedeutung hat. Auf der Grundlage der Anerkennung des Pri­vateigentums strebt der Einzelne im freien Wettbewerb mit anderen am Markt den größtmöglichen Gewinn durch maximalen Einsatz verfügbaren Kapitals an. Als Frühform des K. (Frühkapi­talismus) gilt die Wirt­schafts­weise z. B. der →Fugger am Beginn der Neuzeit. Eigentlich setzt sich der K. erst im Liberalismus des 19. Jh.s durch, bewirkt dort aber auch die Trennung der Gesellschaft in Kapitalisten (besitzende Bürger) und Prole­tarier (besitzlose Arbeiter).

Lit.: Söllner § 18; Köbler, DRG 177; Strieder, J., Zur Genesis des modernen Kapitalismus, 1904; Hinze, Die Arbeiterfrage zu Beginn des modernen Kapitalismus, 2. A. 1963; Turner, H., Faschismus und Kapitalismus, 1972; Koslowski, P., Ethik des Kapitalismus, 2. A. 1984; Duplessis, R., Transitions to Capitalism, 1997; Kurz, R., Schwarzbuch Kapitalismus, 1999; Pelz, W., Against Capitalism, 2007; Leidinger, H., Kapitalismus, 2008; Miles, K., The Origins of International Investment Law, 2013

Kapitän ist der Führer eines Schiffes. Er bedarf eines Patents (Zulassung).

Lit.: Hanses, D., Die rechtliche Stellung des Kapi­täns auf deutschen Seeschiffen, 1983

Kapitel (N.) „Häuptlein“, Teil, Gemeinschaft

Kapitular (N.) ist im frühmittelalterlichen fränkischen Recht die in Kapitel eingeteilte Anordnung des Königs. Das unter ver­schie­denen Namen verschiedenste Gegenstände behandelnde K. setzt der Herr­scher oft mit Zustimmung der Großen und des Volkes, meist für das ganze Reich. Kapi­tularien begegnen, in rund 275 Handschriften über­liefert, von etwa 500 bis etwa 900, am häufigsten zwischen 802 und 830. Lat. [N.] capitulare erscheint erstmals 779 (773).

Lit.: Köbler, DRG 81; Boretius, A./Krause, V., Capi­tularia regum Francorum, Bd. 1f 1883ff. , Neudruck 1960, http://www.koeblergerhard.de/­Fontes/BoretiusAlfredCapitulariaRegumFrancorum1883.pdf; Seeliger, G., Die Kapitularien der Karolinger, 1893; Eckhardt, W., Die Kapitularien­sammlung Bi­schof Ghaerbalds von Lüttich, 1955; Ganshof, F., Wat waren de Capitularia?, 1955; Ganshof, F., Was waren die Kapitularien, 1961; Eckhardt, W., Was waren die Kapitularien?, ZRG GA 79 (1962), 237; Schneider, R., Zur rechtlichen Bedeutung der Kapitula­rientexte, DA 23 (1967), 273; Capitula episcoporum, Bd. 1ff. 1984ff.; Überlieferung und Geltung normativer Texte des frühen und hohen Mittelalters, 1986; Schmitz, G., Die Kapitularienge­setzgebung Ludwigs des From­men, DA 42 (1986), 471; Sousa Costa, A. de, Studien zu volkssprachlichen Wörtern in karolingischen Kapitularien, 1993; Woll, I., Untersuchungen zur Überlieferung und Eigenart der merowingischen Frühkapitularien, 1995; Mordek, H., Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta, 1995 (sie­ben neue Stücke); Schriftkultur und Reichsverwaltung unter den Karolingern, hg. v. Schieffer, R., 1996; Buck, T., Admonitio und praedicatio, 1997; Mordek, H., Studien zur fränkischen Herrschergesetzgebung, 2000; Koal, V., Studien zur Nachwirkung der Kapitularien in den Kanonessammlungen, 2001; Geiselhart, M., Die Kapitulariengesetzgebung Lothars I. in Italien, 2002; Schneider, H., Karolingische Kapitularien und ihre bischöf­liche Vermittlung, DA 63 (2007), 469

Kapitulation (17. Jh.) ist der in Kapitel eingeteilte Vertrag (z. B. Wahlka­pitula­tion), insbesondere der Vertrag über die Übergabe von eigenen Truppen oder sonstigen kriegerischen Mitteln.

Lit.: Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Becker, J. u. a., 1979; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007

Kaplan (M.) Hofgeistlicher, Hilfspriester

Kapras, Jan (1880-1947) wird nach dem Rechtsstudium in Innsbruck und Prag 1910 außerordentlicher Professor und 1917 ordent­licher Professor in Prag. Sein Hauptwerk ist die Rechtsgeschichte der Länder der böhmischen Krone (Právní dejiny zemí Koruny ceské, 1913ff.).

Lit.: Antologie ceské právní vedy, 1993, 44

Karantanien (7. Jh.) →Kärnten

Kardinal ist im katholischen Kirchenrecht der vom Papst ernannte höchste kirchliche Würdenträger nach dem Papst. Mit dem Adjektiv (lat.) cardinalis werden seit etwa 500 n. Chr. zur Bischofskirche oder zur bischöf­lichen Priesterschaft gehörende Kleriker bezeichnet, seit dem Anfang des 8. Jh.s die jeweils ranghöchsten Priester einer Titelkirche in Rom. Am Beginn des Frühmittelalters wird (lat.) cardinalis zum Titel. Um 1100 findet sich ein Kardinalskollegium mit Bischöfen von 53 Kardinälen, das im 15. Jh. auf 24 Kardinäle beschränkt wird. Am Ende des 16. Jh.s wird die Zahl auf 70 und 1958 nochmals erweitert. Der K. wird vom Papst frei ernannt. Seit dem Ende des 11. Jh.s wirken die Kardinäle (Kardinalbischof, Kardinalpriester, Kardinaldiakon) an der Herr­schaft der Gesamtkirche mit, seit 1179 wählen sie den Papst. (Altersgrenze 80 Jahre)

Lit.: Fürst, C., Cardinalis, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Hüls, R., Kardinäle, 1977; Weber, C., Senatus divinus, 1996; Jagd nach dem roten Hut, hg. v. Karsten, A., 2004; Geschichte des Kardinalates im Mittelalter, hg. v. Dendorfer, J. u. a., 2011

Karl der Große (frz. Charlemagne) (Westfranken 2. 4. 748 [?]-Aachen 28. 1. 814), aus der Familie der Arnulfinger bzw. Pippiniden bzw. Karolinger, wird 768 König der Franken (bis 771 mit seinem Bruder Karlmann) und 800 von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt. Durch zahlreiche Kriegszüge dehnt er das Reich der Franken aus (→Langobarden, →Sachsen). In →Kapitularien setzt er Recht. Im Übrigen veranlasst er die Aufzeichnung von →Volksrechten. Wahr­scheinlich um 770 führt er →Schöffen in der Gerichtsbarkeit ein. Er kann, wo und wann er will, Bischöfe einsetzen, macht da­von aber nur im Kernraum zwischen Rhein, Loire und Rhone Gebrauch. Er fördert die deutsche Sprache durch einheimische Mo­natsnamen und Windnamen. Seine Körpergröße wird auf 1,84 Meter berechnet (gegenüber einem Durchschnitt von 1,69 Metern), sein Gewicht auf 78 Kilogramm, sein Körperbau als grazil angesehen.

Lit.: Köbler, DRG 81; Siegel, H., Die deutschen Rechtsbücher und die Kaiser-Karls-Sage, 1899; Gundlach, W., Karl der Große im Sachsenspiegel, 1899; Heldmann, K., Das Kaisertum Karls des Großen, 1928; Brandenburg, E., Die Nachkom­men Karls des Großen, 1935, Neudruck 1964; Pirenne, H., Mahomet und Karl der Große, 1935 (1963); Seiler, K., Der Erziehungsstaat Karls des Großen, 1937; Folz, R., Le souvenir et la légende de Charlemagne, 1950; Folz, R., Études sur le culte liturgique de Charlemagne, 1951; The coronation of Charlemagne, hg. v. Sullivan, R., 1959; Sprigade, K., Zur Frage der Verfälschung von Karls d. Gr. divisio regnorum, ZRG GA 81 (1964), 305; Fleckenstein, J., Karl der Große, 1962; Karl der Große, hg. v. Braunfels, W. u. a., Bd. 1ff. 1966ff.; Das Paderborner Epos von 799, 1967; Wolf, G., Die Königssöhne Karl und Karlmann und ihr Thronfolgerecht, ZRG GA 108 (1991), 282; Wolf, G., Die Qualität der fränkisch-langobardischen Verbindung 770/71 und die sonstigen Verbindun­gen Karls des Großen, ZRG GA 113 (1996), 397; Classen, P., Karl der Große, 1985; Becher, M., Karl der Große, 1999; Kerner, M., Karl der Große, 2000; Hägermann, D., Karl der Große, 2000; Epperlein, S., Leben am Hofe Karls des Großen, 2000; Karl der Große und das Erbe der Kulturen, hg. v. Erkens, F., 2001; Kerner, M., Karl der Große, 2001; Tischler, M., Einharts Vita Karoli, 2001; Karl der Große und sein Nachleben, hg. v. Kraus, T. u. a., 2003; Karl der Große in den europäischen Literaturen des Mittelalters, hg. v. Bastert, B., 2004; Kintzinger, M., Die Erben Karls des Großen, 2005; Charlemagne, hg. v. Story, J., 2005; McKitterick, R., Karl der Große, 2008; Pauler, R., Karl der Große, 2009; Hartmann, W., Karl der Große, 2010; Karl der Große, hg. in Zusammenarbeit mit Damals, 2011; Schneider-Ferber, K., Karl der Große, 2013; Fried, J., Karl der Große, 2013

Karl IV. (Wenzel) (Prag 14. 5. 1316-29. 11. 1378), aus der Familie der Grafen von Luxem­burg, wird 1346 deutscher König und 1355 Kaiser. Er macht Prag zum Mittelpunkt des Reiches (1344 Erzbistum, 1348 Uni­versität) und veranlasst für Böhmen die sog. (lat.) →Maiestas (F.]) Carolina und für das Reich die →Goldene Bulle.

Lit.: Die Goldene Bulle des Kaisers Karl IV. 1356, bearb. v. Müller, K., 1970; Seibt, F., Karl IV., 1978; Kaiser Karl IV. Staatsmann und Mäzen, 1978; Karl IV., hg. v. Engel, E., 1982; Kavka, F., Am Hofe Karls IV., 1990; Widders, E., Itinerar und Politik, 1993; Pauler, R., Die Auseinander­setzungen zwischen Kaiser Karl IV. und den Päpsten, 1996; Schlotheuber, E., Die Autobiographie Karls IV., HZ 281 (2005), 561; Paravicini, A., Die Vita Karls IV., DA 63 (2007), 101

Karl V. (Gent 24. 2. 1500-Estrema­dura/Spanien 21. 9. 1558), aus der Familie der Habsburger (Enkel Maximilians), wird 1515 Herzog Burgunds, 1516 König Spaniens, 1519 deutscher König und 1530 Kaiser. 1521/1522 überlässt er seinem Bruder Fer­dinand die Herrschaft in den öster­reichischen Erblanden und die Stellvertretung im Reich (9 Reisen nach Deutschland, zehn Reisen in die Niederlande, 40 Reisen insgesamt). 1521 entscheidet er sich gegen die Reformation. Unter seiner Herrschaft wird 1532 die (lat.) →Constitutio (F.) Criminalis Carolina erlassen. 1555/1556 verzichtet K. auf die Regentschaft in Burgund/Spanien zu Gunsten Philipps II., 1556 auf die Kaiserwürde zu Gunsten Ferdinands I.

Lit.: Die Reichsregisterbücher Kaiser Karls V., 1913ff.; Kalkoff, P., Die Kaiserwahl Friedrichs IV. und Karls V., 1925; Die Reichsregisterbücher Kaiser Karls V., hg. v. Gross, L., 1930; Zippel, W., Nationale und nationalitätenrechtliche Gedanken bei der Wahl und in der Wahlkapitulation Karls V., 1950; Boom, G. de, Les voyages de Charles Quint, 1957; Weber, H., Die peinliche Halsgerichtsordnung Karls V., ZRG 77 (1960), 288; Rabe, H., Reichsbund und Interim, 1971; Press, V., Kaiser Karl V., 1976; Spěvaček, J., Karl IV., 1978; Das römisch-deutsche Reich im politischen System Karls V., hg. v. Lutz, H., 1982; Brandi, K., Kaiser Karl V., 8. A. 1986; Kaiser Karl V. und die Zunftverfassung, hg. v. Naujoks, E., 1985; Burkert, G., Landesfürst und Stände, 1987; Karl V., hg. v. Rabe, H., 1996; Kohler, A., Karl V., 3. A. 2001; Größing, S., Karl V., 1999; Schulin, E., Kaiser Karl V., 1999; Schorn-Schütte, L., Karl V., 2000; Kodek, I., Der Großkanzler Kaiser Karls V. zieht Bilanz, 2004; Kohler, A., Karl V. 1500-1558, 2005; Pelizaeus, L., Dynamik der Macht, 2007; Schlegelmilch, A., Die Jugendjahre Karls V., 2010

Karlsbader Beschlüsse sind die unter dem maßgeblichen Einfluss Metternichs vom 6.-31. 8. 1819 in Karlsbad (nordwestlich Prags) von den Ministern von 10 deutschen Staaten getroffenen, den einzelnen Untertanen unter Einschränkung der Souveränität der betei­ligten Staaten bin­denden Beschlüsse zur strengen Über­wachung der Universitäten durch Regierungs­bevollmächtigte (Universi­täts­gesetz), zur Einschränkung der Presse­freiheit (Pressgesetz), zur Einsetzung einer Kom­mission zur Aufdeckung revolutio­närer Bestrebungen und zur Herstellung einer Exekutionsordnung. Ihr äußerer Anlass ist die Ermordung des Schriftstellers August von Kotzebue durch den Studenten Karl Ludwig Sand. Am 20. 9. 1819 verabschiedet der Bundestag (Bundesversammlung) des →Deut­schen Bundes die in den Karlsbader Beschlüssen enthaltenen Gesetzesentwürfe. Eine dauerhafte Unterdrückung demokra­tischer Bestrebungen gelingt nicht.

Lit.: Ilse, L., Geschichte der politischen Untersuchungen, 1860; Brümmer, M., Staat kontra Universität, 1991; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 30 III; Schermaul, S., Die Umsetzung der Karlsbader Beschlüsse an der Universität Leipzig, 2013

Karlsruhe ist die von Markgraf Karl-Wilhelm von Baden-Durlach um ein neues Schloss seit 17. 6. 1715 sonnenförmig gegründete Stadt, die sich nach 1945 und der Zerschlagung Preußens wegen des Sitzes des Bundesgerichtshofs (1950) und des Bundes­verfassungsgerichts (1951) der Bundes­republik Deutschland zur deutschen Residenz des Rechtes entwickelt hat.

Lit.: Schiller, C., Das Oberlandesgericht Karlsruhe im Dritten Reich, 1997; Fischer, D., Rechtshistorische Rundgänge durch Karlsruhe, 2005, 2. A. 2011;Die Bestände des Generallandesarchivs Karlsruhe Teil 5, bearb. v. Krimm-Beumann, J., 2010

Karlstadt

Lit.: Riedenauer, E., Karlstadt, 1963

Kärnten ist ein im keltisch-römischen No­rikum enthaltenes, nach der Karanta (Ulrichsberg, Karnburg, Karnberg) benanntes, ab dem 6. Jh. von slawischen Einwanderern besetztes, seit 740/750 (Karantanien) unter die Herrschaft der Bayern und dann der Franken geratenes Gebiet an der mittleren Drau, das unter Einschluss der Steiermark und weiterer Gebiete im Süden 976 von →Bayern getrenntes Herzogtum wird und 1335 durch Kaiser Ludwig den Bayern von den Grafen von Görz/Tirol an die Grafen von Habsburg gelangt (1809-1813 in den illyrischen Provinzen Frankreichs, 1816-1849 Teil des Königreichs Illyrien Österreichs, 1849-1918 eigenes Kronland). Im 16. Jh. entsteht aus dem →Landlauf von Steyr ein Kärntner Rechtsbuch. K. ist seit 1920 Bundesland →Österreichs (1945-1955 Besatzungsgebiet Großbritan­niens).

Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon; Baltl/Kocher; Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899; Goldmann, E., Die Einführung der deutschen Herzogsgeschlechter in den slovenischen Stammesverband, 1903; Unterluggauer, J., Sankt Leonhard und das obere Lavanttal, 1925; Torggler, K., Darstellung des Kärntner Rechts und Rechtsganges, Archiv f. vaterländ. G. u. T. 24/25 (1936), 127; Torggler, K., Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt, 1937; Torggler, K., Die Arbeiten Ludmil Hauptmanns, Carinthia 1 (1938); Rauch, K., Die Kärntner Herzogseinsetzung, FS Adolf Zycha, 1941, 173; Graber, G., Schwabenspiegel und Einritt am Fürstenstein, 1942; Puntschart, P., Einige Ergänzugen zur kritischen Literatur über die bäuerliche Herzogseinsetzung in Kärnten, ZRG GA 65 (1947), 337; Braunmüller, H., Geschichte Kärntens, Bd. 1ff. 1949ff.; Fräss-Ehrfeld, C., Geschichte Kärntens, Bd. 1 1984; Kärnten, hg. v. Rumpler, H. u. a., 1998; Gleirscher, P., Karantanien, 2000; Die Kärntner Volksabstimmung 1920, 2002; Kahl, H., Der Staat der Karantanen, 2002

Kärntner Rechtsbuch →Landlauf von Steyr

Karo, Josef (1488-Sated 1575) ist ein jüdischer Rechtsgelehrter aus Spanien, der lange auf dem Balkan und in Galiläa lebt. Er kommentiert umfassend die Arba ’at ha-Turim des →Jakob Ben Ascher (Bet Josef, Kurzform Sulchan ’Arukh). In erweiterter Form gewinnt das Werk in Mitteleuropa und Osteuropa bis ins 19. Jh. allgemeine Anerkennung in den jüdischen Gemeinden.

Lit.: Elon, M., Ha-Mischpat ha-’ibri, Bd. 2 3. A. 1988, 1087

Karolinger ist der (seit dem 10. Jh. so bezeichnete) Angehörige eines (vielleicht mit den Merowingern verwandten,) von Bischof Arnulf von Metz (Arnulfinger, 7. Jh.) hergeleiteten, als →Hausmeier 751 zum frän­kischen Königtum (Pippiniden) aufgestie­genen Geschlechts, das später nach →Karl dem Großen als K. bezeichnet wird. Die K. sterben nach der Reichsteilung von 843 (Vertrag von Verdun) bzw. 877 im Ostteil des fränkischen Reiches 911 und im Westteil 987 aus.

Lit.: Köbler, DRG 76; Vaccari, P., Studi sull’Europa precarolingia e carolingia, 1955; Haselbach, I., Aufstieg und Herrschaft der Karolinger, 1970; Ullmann, W., The Carolingian renaissance, 1969; Diplomata Karolinorum, Faksimileausgabe, hg. v. Bruckner, A., 1970; Haselbach, I., Aufstieg und Herrschaft der Karolinger, 1970; Borgolte, M., Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden, 1976; Riché, P., Les Carolingiens, 1983; Mc Kitterick, R., The Frankish Kingdoms, 1983; Schulze, H., Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen Merowinger und Karolinger, 1987; Schieffer, R., Die Karolinger, 1992, 3. A. 2000, 4. A. 2006, 5. A: 2013; Karl Martell in seiner Zeit, hg. v. Jarnut, J. u. a., 1994; Joch, W., Legitimität und Integration, 1999; Semmler, J., Der Dynastie­wechsel, 2003; Grahn-Hoek, H., Gundulfus subregulus, DA 59 (2003), 1; MacLean, S., Kingship and Politics in the Late Ninth Century, 2004; Schieffer, R., Die Zeit des karolingischen Großreichs, 2005; Koch, A., Kaiserin Judith, 2005; Laudage, J. u. a., Die Zeit der Karolinger, 2006; Kaschke, S., Die karolingischen Reichsteilungen bis 831, 2006; Becher, M., Merowinger und Karolinger, 2008; Keller, H./Althoff, G., Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen 888-1024, 2008; Drews, W., Die Karlinger und die Abbasiden von Bagdad, 2009; Hack, A., Alter, Krankheit, Tod und Herrschaft, 2009 (35 Karolinger mit 57 Frauen und 133 Kindern); Fischer, A., Karl Martell, 2011; Busch, J., Die Herrschaften der Karolinger 714-911, 2011; Fischer, A., Karl Martell, 2012

Karolus de Tocco (Tocco bei Benevent 2. H. 12. Jh.-nach 1215), adliger Sohn eines Rechtskundigen, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Placentinus, Johannes Bassianus) Rechtslehrer in Bologna (?) und Benevent sowie Gerichtsbeisitzer in Sizilien. Von ihm stammt vor allem wohl eine um 1215 entstandene umfangreiche Glos­sierung der gegen Ende des 11. Jh.s entstandenen systematischen Samm­lung lan­gobardischer Gesetze (→Lombarda). Sie wirkt in Oberitalien bis in das 14. Jh., in Süditalien bis in das 18. Jh.

Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, Bd. 5 2. A. 1850, 174; Leicht, P., Le glosse di Carlo di Tocco, (in) Studi e memorie per la storia dell’università di Bologna 4 (1920), 157; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 305; Lan­ge, H., Zum Lombarda-Kommentar, FS D. Medicus, 1999, 317

Karrenstrafe ist in der Neuzeit eine im (Beladen und) Ziehen eines Karrens bestehende Freiheitsstrafe oder Ehrenstra­fe.

Lit.: Wächter, C., Die Strafarten und Strafanstalten des Königreichs Württemberg, 1832, 253

Karte ist das beschriebene Blatt bzw. das verkleinerte Abbild von Land.

Lit.: Ortelius, A., Theatrum orbis terrarum, 2006; Oehme, R., Die Geschichte der Kartographie des deutschen Südwestens, 1961; Schumm, K., Inventar der handschriftlichen Karten im Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, 1961; Großer historischer Weltatlas, hg. v. bayerischen Schulbuch-Verlag, Teil 1ff. 1953ff.; Putzger, F., Atlas und Chronik zur Weltgeschichte, 2002; Schneider, U., Die Macht der Karten. Eine Geschichte der Kartographie vom Mittelalter bis heute, 2004, 3. A. 2011; Recker, G., Gemalt, gezeichnet und kopiert – Karten in den Akten des Reichskammergerichts, 2004; Kartenwelten, hg. v. Dipper, C. u. a., 2006; Iwańczak, W., Die Karten­macher, 2009; Schramm, M., Digitale Landschaften, 2009; Horst, T., Die älteren Manuskriptkarten Altbayerns, 2009 (300 Karten); Schröder, I., Das Wissen von der ganzen Welt, 2011; Christoph, A., Die Ökonomisierung des Naturwissens um 1800, 2011; Die Werkstatt des Kartographen, hg. v. Siegel, S. u. a., 2011; Kupčik, I., Alte Landkarten, 2011; Sonnabend, H., Antike Geographie, 2012

Kartell ist die Abrede selbständiger Unter­nehmer zwecks bestimmten gemeinsamen Verhaltens am Markt. Wie schon die →Zunft den Wettbewerb beeinflusst und seit dem Spätmittelalter bewusst Unternehmer sich zur Wettbewerbsgestaltung zusammen­schließen, so finden sich am Ende des 19. Jh.s auch in der Großindustrie Kartelle. 1897 werden sie vom deutschen Reichsgericht zugelassen (RGZ 38, 155). Da sie bald überhandnehmen, werden sie am 2. 11. 1923 verboten, ohne dass das Verbot Wirkungen zeigt. Am 27. 7. 1957 ergeht in der Bundesrepublik Deutschland zum 1. 1. 1958 ein Gesetz gegen die Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellge­setz), das später noch verschärft wird (3. 8. 1973 vorbeugende Fusionskontrolle, Be­seitigung der vertikalen Preisbindung für Markenar­tikel, Verstärkung der Miss­brauchs­aufsicht) und neben dem seit diesem Zeitpunkt auch europäisches Kartellrecht gilt. Im Mai 2004 wird das europäische Kartellrecht inhaltlich umgestellt auf das Anmeldeprinzip und kann außer von der Eu­ropäischen Kommission von allen nationalen Kartellbehörden und Kartellgerichten der Mit­gliedstaaten der Europäischen Union ange­wendet werden.

Lit.: Köbler, DRG 176, 218, 243, 272; Mickwitz, G., Die Kartellfunktionen der Zünfte, 1936; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3852; Großfeld, B., Zur Kartell­rechtsdiskussion vor dem ersten Weltkrieg, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 255; Kartelle und Kartellgesetzgebung, hg. v. Pohl, H., 1985; Schwab, D., Kartelle im Mittelalter, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 442; Schröder, R., Die Entwicklung des Kartellrechts, 1988; Baums, T., Kartellrecht in Preußen, 1990; Schröcksnadl, T., Die Entstehung des österreichischen Kartellgesetzes von 1972, Diss. jur. Münster 1992; Nörr, K., Die Leiden des Privatrechts, 1994; Gith, R., Die Entstehungs­geschichte des europäischen Kartellrechts, 2003; Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch, 2004; Richter, K., Die Wirkungsgeschichte des deutschen Kartellrechts vor 1914, 2007; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Maetschke, M., Ursprünge der Zwangskartellgesetzgebung, 2008

Karthager ist der Angehörige des um die phönizische Kolonie Karthago am Golf von Tunis gegründeten, bis nach Spanien ausgreifenden, jedoch seit dem 3. Jh. v. Chr. von Rom (in drei punischen Kriegen) bekämpften und 146 v. Chr. von den Römern endgültig unterworfenen Reiches (Feldherr Hannibal 247-183 v. Chr.).

Lit.: Lancel, S., Carthage, 1992; Geus, K., Proso­pographie der literarisch bezeugten Karthager, 1994; Moscati, S., Die Karthager, 1996; Gerhold, M., Rom und Karthago zwischen Krieg und Frieden, 2002; Zimmermann, K., Rom und Karthago, 2005, 2. A. 2009, 3. A. 2014; Christ, K., Hannibal, 2003; Huss, W., Die Karthager, 3. A. 2004

Karthäuser, Kartäuser, ist der Angehörige des von Bruno von Köln (um 1030-1101) 1084 in La Chartreuse bei Grenoble als Eremitengemeinschaft in die Wege geleiteten christlichen Ordens.

Lit.: Gruys, A., Cartusiana, 1976; Mursell, S., The Theology of the Carthusian Life, 1988; Schilling, B., Zur Vorgeschichte der Kartäuser, DA 68 (2012), 53

Kartular (N.) Urkundensammlung

Kaser, Max (Wien 21. 4. 1906 – Ainring bei Salzburg 13. 1. 1997), Geschichts­profes­sorensohn, wird nach der Promotion in Graz und der Habilitation in Gießen (1931) Professor für römisches Recht in Münster (1933) und Hamburg (1959). Von ihm stammt die führende Darstellung des römischen Privatrechts (1955ff., in drei zeitliche Epochen gegliedert) und Zivilprozessrechts (1966). Zusammengefasst sind seine synthe­tisierenden Arbeitsergebnisse in einem zeitlebens aktualisierten Kurzlehrbuch.

Lit.: Knüttel, R., Max Kaser, NJW 1997, 1492; Giaro, T., Max Kaser, Rechtshist. Journal 16 (1997), 231

Kassation ist die Aufhebung eines Urteils (wegen Nichtigkeit). Während das römische Recht ein unter Verletzung der Gesetze zustandegekommenes Urteil ohne weiteres als nichtig ansieht, verlangt das frühmit­telalterliche langobardische Recht ein besonderes Verfahren (lat. reclamatio [F.] ad regem, Beschwerde an den König). Seit der Mitte des 12. Jh.s wird zwischen Verletzung des Verfahrensrechts (→Nichtigkeitsbe­schwerde) und Verletzung des materiellen Rechtes (→Appellation) unter­schieden, später aber unter dem Einfluss des kanonischen Rechtes die Nichtigkeits­be­schwer­de auch auf große erhebliche Rechtsfehler erstreckt. Die Nichtigkeits­beschwerde hat zunächst devolu­tive und seit der Mitte des 14. Jh.s auch aufschiebende Wirkung. Für sie werden unter Ausdehnung auf alle Rechtsfehler im 19. Jh. in Italien Kassationsgerichtshöfe zuständig, die 1888/1923 zusammengefasst werden. In Frankreich entwickelt sich die K. (einer Abteilung des Staatsrats) als ein auf Rechtsfragen beschränkter Rekurs außerhalb des eigentlichen Instanzenzugs im Lauf des 18. Jh.s und wird 1790 einer mit den Garantien einer unabhängigen Rechtspre­chung ausge­statteten Einrichtung (Kassations­gerichtshof) übertragen, welche die Einheit­lichkeit der Rechtsprechung und die genaue Auslegung der Gesetze gewährleisten soll und zwingend an die Instanzgerichte zurück­verweisen muss.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Skedl, F., Die Nichtigkeitsbeschwerde, 1886; Montazel, L., Entre fait et droit, 1998; Seynsche, G., Der rheinische Revisions- und Kassationshof in Berlin (1819-1852), 2002; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassationsgerichtshof, 2004

Kasse ist ein Behältnis für Geld. Mit der Entwicklung der Geldwirtschaft werden bei (Unternehmern und bei allen) Behörden besondere Kassen gebildet.

Kassel („HAus an einer Mulde“?an der Fulda ist eine aus einem 913 erstmals bezeugten fränkischen Königshof erwachsene Stadt (1632-1652 Universität), die 1807-1813 Hauptstadt des Königreichs Westphalen ist und in der Bundesrepublik Deutschland das Bundessozial­gericht und von 1954 bis 1999 auch das 1993/1996 gesetzlich nach Erfurt verlegte Bundesarbeitsgericht beherbergt.

Lit.: Stölzel, A., Ein Karolinger Königshof, 1919; Eisenträger, M. u. a., Territorialgeschichte der Kasseler Landschaft, 1935; Nehls, A., Alte Gewohnheit und Stadtrecht zu Kassel in Erbfällen, 1967; Heinemeyer, K., Königshöfe und Königsgut im Raum Kassel, 1969; Die Handschriften der Murhardschen Bibliothek der Stadt Kassel, bearb. v. Kremer, M., Bd. 2 1969; Kassel als Stadt der Juristen, 1990

Kassenarzt ist der auf Grund eines von der deutschen Reichsregierung geforderten Abkom­mens zwischen Krankenkassen­verbän­den und Arztverbänden abgeschlossenen Ab­kommens (1914) bzw. einer Verordnung (1923) bzw. eines Gesetzes (1955) von der Krankenkasse (→Krankenversicherung) für die Behandlung Kranker zugelassene und deshalb in ein Arztregister eingetragene Arzt (1914 ein K. auf 1350 Versicherte, bzw. bei Fami­lienbehandlung ein K. auf 1000 Versicherte).

Lit.: Jörg, M., Das neue Kassenarztrecht, 1993; Maaß, R., Das Kassenarztrecht der Reichsversicherungsord­nung, 1990

Kassiergesetz ist das zwecks Einschränkung der Rechtsliteratur die Anwendung der Anmerkungen Paulus‘ und Ulpians zu den Werken Papinians verbietende Gesetz Kaiser Konstantins I. von 321 n. Chr. (Codex Theo­dosianus 1. 4. 2).

Kaste (F.) Stand in Indien

Lit.: Zilm, A., Das Kastensystem in der Rechtsordnung Indiens, 1997

Kastilien ist das nach (lat. [N.Pl.]) castella benannte Gebiet am oberen Ebro, das im späten 8. Jh. als Grafschaft des Königreichs Asturien-León mit dem Hauptort Burgos erscheint. K. gelangt 1029 erbweise an den König von Navarra, dessen Sohn 1035 König von K. wird. Von 1037 bis 1065 und 1230 wird León mit K. vereinigt. 1085 wird K. um Toledo erweitert, 1236 um Córdoba, 1243 um Murcia und 1248 um Sevilla. 1412 wird der König von K. auch Herrscher in Aragonien. Wenig später werden K. und A. in Personalunion (1474) verbunden.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff, 2,2,230; Martínez Gijón, J., La compañía mercantil en Castilla, 1979; Las Cortes de Castilla y León, 1988; Büschgens, A., Die politischen Verträge Alfons’ VIII. von Kastilien, 1995; Czeguhn, I., Die kastilische Höchstgerichtsbarkeit 1250-1520, 2002; Meyer, B., Kastilien, die Staufer und das Imperium, 2002

Kastration (F.) →Entmannung

Lit.: Schneider, C., Die Verstaatlichung des Leibes, 2000; Huonker, T., Diagnose Moralisch defekt, 2003; Czeguhn, I., Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 und die Erbgesundheitsgerichte, TRG 72 (2004), 359; Einhaus, C., Zwangssterilisation in Bonn (1933-1945), 2006; Justiz und Erbgesundheit, hg. v. Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 2009

Kasuistik (F.) Einzelfallbetrachtung (vor allem in Rechtsgutachten römischer Rechts­kundiger mit Respondierrecht im Namen des Kaisers seit Kaiser Augustus)

Katalonien (12. Jh.) im Nordosten Spaniens gelangt über Iberer und Punier seit dem Ende des 3. Jh.s v. Chr. allmählich an die Römer, seit 409 an die Alanen und 415 an die Goten (Kata-lanen), um 800 an die Franken. 1137 fällt die dort entstehende Grafschaft Barcelona, deren Gewohnheitsrecht in dem seit etwa 1060 entstehenden Rechtsbuch Usatges de Barcelona (Usatici Barchinonae) über­liefert wird, an →Aragonien, behält aber Selbständigkeit. 1714 verliert K. die bestehenden Sonderrechte, erhält aber von 1932 bis 1939 und 1979 Autonomie.

Lit.: Lalinde Abadía, J., La institución virreinal en Cataluña (1471-1716), 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsge­schichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,264; Iglesia Ferreirós, A., La creación del derecho en Cataluña, Anuario de historia del derecho Español 47 (1977), 99; Allemann, F./Bahder, X. v., Katalonien und Andorra, 3. A. 1985; Costums de Tortosa, hg. vom Centre Associat de Tortosa, 1979; Font Ruis, J., Cartas de poblacion y franquicia, Bd. 2 1983; Massip, J., La gestació de les costums de Tortosa, 1984; Brocá, G. de, Historia del derecho de Cataluña, 1985; Zimmermann, M., En les orígens de Catalunya, 1989; El dret comú i Catalunya, hg. v. Ferreirós Aquilino, 2000; Bowman, J., Shifting landmarks. Property, proof and dispute in Catalonia around the year 1000, 2004, Ryder, A., The Wreck of Catalonia, 2007; Iglesia Ferreirós, A., Cataluña Medieval, 2008

Kataster ist ein Verzeichnis von Personen oder Gegenständen, insbesondere ein Ver­zeichnis der Grundstücke eines Gebiets mit genauen Angaben über die tatsächlichen Verhältnisse des Grundstücks. Im 15. Jh. erscheinen erste Vorläufer (Florenz 1427). Der neuzeitliche Staat legt seit dem 18. Jh. zwecks Sicherung der Grundsteuer­aufkom­men K. an (Neapel 1740, Lombardei 1750, Österreich unter Maria Theresia und Joseph II., Preußen 1822 für Rheinland und Westfalen). Das K. liefert auch dem →Grundbuch die notwendigen techni­schen Angaben.Lit.: Köbler, DRG 152; Grävell, M., Die Grundsteuer und deren Kataster, 1821; Strippel, K., Die Währschafts- und Hypothekenbücher Kurhessens, 1914; Heider, J., Der bayerische Kataster, 1954; Lego, K., Geschichte des österreichischen Grundkatasters, 1968; Atlante storico, hg. v. Bocchi, F. u. a., 1986ff.; Kataster und moderner Staat, hg. v. Mannori, L., 2001; De l’estime au cadastre en Europe, hg. v. Rigaudière, A., 2006 Katharer (erstmals um 1143 in Köln) →Ketzer

Lit.: Rottenwöhrer, G., Der Katharismus, Bd. 1ff. 1982ff.; Lambert, M., Geschichte der Katharer, 2001; Hoécker, C., Disputatio inter Catholicum et Paterinum hereticum, 2001: Auffarth, C., Die Ketzer, Katharer, Waldenser und andere, 2005

Kathedersozialist (1871) ist der im späteren 19. Jh. sozialpolitische Anliegen (Wirt­schaftsgesetzgebung, Tarifverträge, Wirt­­schafts­ethik) verfolgende, von Sozia­listen bekämpfte Wirtschaftswis­sen­schaft­ler (z. B. Gustav von Schmoller 1838-1917, Lujo Brentano 1844-1931, Werner Sombart).

Lit.: Oppenheim, H., Kathedersozialismus, 1872

Kathedrale ist die Hauptkirche am Sitz des Erzbischofs oder Bischofs.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; La cathédrale, 1995; Binding, G., Als die Kathedralen in den Himmel wuchsen, 2006

katholisch (allumfassend, seit dem 4. Jh. Bischofstitel)

Lit.: Katholizismus und Reichsgründung, hg. v. Real, W., 1988; Georg von Hertling 1843-1919, hg. v. Becker, W., 1993; Kirche und Katholizismus seit 1945, hg. v. Gatz, E., 1998; Arnold, C., Katholizismus als Kulturmacht, 1999; Schwendenwein, H., Die katho­lische Kirche, 2003; Hollerbach, A., Katholizismus und Jurisprudenz, 2004

Katzenelnbogen ist eine mittelalterliche, 1479 an Hessen gelangte Grafschaft. 1591 wird von Johannes Kleinschmidt der Entwurf einer Landesordnung geschaffen, der nach Aufnahme in der Praxis bis zum Ende des 19. Jh.s Bedeutung hat.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schmidt, A., Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen, 1893, 67; Demandt, K., Regesten der Grafen von Katzenelnbogen, Bd. 1ff. 1953ff.; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Maulhardt, H., Die wirtschaftlichen Grundlagen der Grafschaft Katzenelnbogen, 1980

Kauf (Wort bereits für das Germanische zu erschließen) ist ein gegenseitiger, grund­­sätzlich formloser Vertrag, durch den der eine Teil (Verkäufer) sich zur endgültigen Übertragung eines Gegen­stands (verkehrs­fähiger körper­licher, mög­licherweise erst noch herzu­stellender Gegenstand, Recht einschließlich einer [lat.] spes [F.], Hoffnung, Chance) und der andere Teil (Käufer) sich zur Zahlung eines bestimmten, ernst gemeinten Kauf­preises verpflichtet. Der K. ist dem römi­schen Recht als (lat.) →emptio (F.) venditio vertraut (auf [lat.] bona fides, guter Treue beruhender Konsensual­kontrakt). Er kann mit verschiedenen Nebenabreden versehen wer­den (z. B. aufschiebende oder auflösende Abrede des Rücktrittsrechts des Verkäufers bei bes­serem Angebot eines an­deren Kauf­interessenten innerhalb einer be­stimm­ten Frist). Er führt als solcher (noch) nicht zum Eigentumserwerb. Möglich sind Gattungs­kauf und Stückkauf. Der Käufer hat die (lat.) actio empti auf Lieferung, der Verkäufer die (lat.) actio venditi auf Zahlung. Zu den Germanen kommt er über den namen­gebenden römischen Schank­wirt an der Grenze (lat. [M.] caupo). Bedeutung erlangt er mit der Durchsetzung der Geldwirtschaft in der hochmittelalter­lichen Stadt. Seit dem Spätmit­telalter wird die römischrechtliche Gestaltung einschließ­lich der Sachmangel­haftung im Heiligen römi­schen Reich  aufge­nommen. Für den K. von Grundstücken wird das (aus den um 1130 sichtbaren hochmittelalterlichen Schreins­­karten Kölns hervorgehende) →Grundbuch bedeutsam. Im 19. Jh. wird in Deutschland der Handelskauf ausge­sondert und das Verpflichtungsge­schäft vom Er­füllungs­ge­schäft streng getrennt. Seit dem Ende des 19. Jh.s wird der sozial schwache Käufer (Verbraucher) besonders geschützt (Abzah­lungs­gesetz). Am 11. 10. 2011 veröffentlicht die Europäische Kom­mission einen Vorschlag für ein gemeinsames europäisches Kauf­recht. →Marktkauf

Lit.: Kaser § 41; Söllner §§ 9, 15; Hübner; Köbler, DRG 45, 63, 67, 91, 127, 165, 215, 270; Conze, F., Kauf nach hanseatischen Quellen, 1889; Amira, K., Nordgermanisches Obligationenrecht, 1892ff.; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzugs, 1913; Peterka, O., Der Kauf im Altstadt Prager und Brünner Recht, ZRG GA 58 (1938), 421; Planitz, H., Handelsverkehr und Kaufmannsrecht im fränkischen Reich, FS E. Heymann, Bd. 1 1940, 175; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Bauer, F., Die Entwicklung des Kaufrechts in Deutschland seit der Rezeption des römischen Rechtes, Diss. jur. Bonn 1953; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Müller, H., Das Kaufrecht in süddeutschen Stadtrechtsre­forma­tionen, Diss. jur. Kiel 1961; Greiser, P., Der Kauf nach deut­schen Landrechten der Rezeptionszeit, Diss. jur. Kiel 1965; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen Nichter­füllung, 1965; Scherner, K., Salmannschaft, Servusge­schäft und venditio iusta, 1971; Wesener, G., Der Kauf nach österreichischem Privatrecht, FS H. Hämmerle, 1972, 433; Oeckinghaus, A., Kaufvertrag und Übereignung, 1973; Gelke, W., Kauf und Tausch in Babenhausen, Diss. jur. Mainz 1981; Wolfgang, E., Das klassische römische Recht der Gefahrtragung beim Kauf, Diss. jur. Bonn 1981; Knellwolf, M., Zur Konstruktion des Kaufes auf Probe, 1987; Cortesi, O., Die Kaufpreisgefahr, 1996; Knütel, R., Hoffnungskauf und Eviktionshaftung, ZRG RA 117 (2000), 445; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002; Kaufen nach rö­mi­schem Recht, hg. v. Jakab, E. u. a., 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; CISG vs. Regional Sales Law Unification, hg. v. Magnus, U., 2012; Sondertagung der Zivilrechtslehrervereinigung zum Vorschlag für ein Common European Sales Law in Bonn im April 2012, hg. v. Wagner, G./Zimmermann, R., (in) AcP 212 (2012), 467; Gemeinsames europäisches Kaufrecht, hg. v. Gebauer, M., 2013

Kauf auf Probe ist der Kauf, bei dem der Käufer auf Grund einer Vereinbarung im Kaufvertrag den Kaufgegenstand bei Nicht­gefallen innerhalb einer bestimmten Frist zurückgeben kann.

Kauf bricht nicht die Miete ist ein Rechts­sprichwort, das besagt, dass im Gegensatz zum römischen Recht (Kauf bricht Miete, Gewährleistungsanspruch des vertriebenen Mieters gegen seinen Vermieter) in (vielen) deutschen Rechten seit dem Hochmittelalter die Veräußerung eines Grund­­stücks durch den Eigentümer das Mietver­hältnis eines Mieters nicht beendet (Veräußerung vertreibt den Mieter nicht).

Lit.: Kaser § 42 II 4; Kroeschell, DRG 3; Gilissen, J., Huur gaat voor koop, TRG 16, 281; Jüttner, B., Zur Geschichte des Grundsatzes „Kauf bricht nicht Miete“, Diss. jur. Münster 1960

Kauf einer erhofften Sache (lat. emptio [F.] rei speratae) ist der Kauf einer erst noch entstehenden Gegenstands (z. B. eines Tierjungen), der durch die Entste­hung auf­schiebend bedingt ist.

Kaufgut ist das durch →Kauf erworbene Gut. Es wird im Mittelalter teilweise anders behandelt als das durch Erbschaft erlangte Gut (Erbgut).

Lit.: Heusler, A., Institutionen des deutschen Privatrechts, Bd. 2 1886, 58, 199

Kaufhaus ist das großbetriebliche Unternehmen für den Kleinhandel mit Waren verschiedenster Art in einheitlichen Verkaufshäusern. In Deutschland werden die ersten Kaufhäuser oder Warenhäuser von jüdischen Kaufleuten im letzten Viertel des 19. Jh.s errichtet (Wertheim Stralsund 1876, Karstadt Wismar 1881, Tietz Gera 1882). Gegen sie wenden sich ohne großen Erfolg die kleineren Handelsunternehmen und Kaufleute. Im 21. Jh. wird das K. durch das Tele­kom­munikationsgeschäft gefhährdet.

Lit.: Spiekermann, U., Warenhaussteuer in Deutsch­land, 1994

Kaufmann (812) ist, wer ein Han­dels­gewerbe be­treibt. In Rom von eher untergeordneter rechtlicher Bedeutung, erscheinen im Frühmittelalter Syrer, Juden, Griechen und Friesen als vereinzelte Wanderhändler. Mit dem Hochmittelalter lässt sich der K. in der Stadt nieder und bildet Gilden oder Zünfte. Im 19. Jh. wird der Begriff des Kaufmanns gesetzlich festgelegt, 1998 vereinheitlicht und vereinfacht. Österreich ersetzt 2007 den Kaufmann des Handelsgesetzbuchs durch das Unternehmen und den Unternehmer des Unterneh­mens­gesetzbuchs.

Lit.: Köbler, DRG 67, 95, 111, 167, 217; Gross, C., The Gild Merchant, 1890; Stoeven, M., Der Gewandschnitt in den deutschen Städten des Mittelalters, 1915; Die Korporation der Kaufmannschaft von Berlin, 1920; Weider, M., Das Recht der deutschen Kaufmannsgilden, 1931; Planitz, H., Handelsverkehr und Kaufmannsrecht im fränkischen Reich, FS E. Heymann, Bd. 1 1940, 175; Planitz, H., Kaufmannsgilde und städtische Eidgenos­senschaft, ZRG GA 60 (1940), 1; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Sapori, A., Le marchand italien, 1952; Bergfeld, C., Einzelkaufmann und Unternehmer, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 126; Kroeschell, K., Ius omnium mercatorum, FS B. Schwineköper, 1982; Köbler, G., Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; I mercanti italiani, hg. v. Frangioni, L., 1990; Müller-Boysen, C., Kaufmannsschutz und Handelsrecht, 1990; Ars mercatoria. Handbücher und Traktate für den Gebrauch des Kaufmanns 1470-1820, hg. v. Hoock, J. u. a., Bd. 1ff. 1991ff.; Ebert-Weidengeller, A., Hamburgisches Kaufmannsrecht, 1992; Kaufmanns­bücher und Handelspraktiken, hg. v. Denzel, M. u. a., 2002; Rösch, G., Kaufmannsbildung und Kaufmanns­ethik im Mittelalter, 2004; Becker, A., Die Entwicklung des Kaufmannsbegriffes, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; Kaufleute, Seefahrer und Piraten, hg. v. Schwara, D. u. a., 2011

Kaufmannseigenschaft →Kaufmann

Kaufvertrag (1574) ist der über einen →Kauf geschlossene →Vertrag. Er begründet nach deutschem Recht nur zwei Verpflichtungen des Verkäufers und des Käufers. Erst mit der Erfüllung ändert sich auch die sachenrechtliche Lage (Eigen­tum)..

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Kausalität ([F.] Ursächlichkeit) ist das Verhältnis zwischen einer Ursache und einer Folge dieser Ursache. K. eines Verhaltens für einen Erfolg ist gegeben, wenn das Verhalten nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfällt bzw. ein gebotenes, aber unterlassenes Verhalten nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahr­scheinlichkeit entfiele. Im Schadenser­satz­recht kann die K, durch die Adäquanz eingeschränkt sein. K. bei einem Eigentums­erwerb bedeutet, dass ohne rechtmäßigen Erwerbsgrund (z. B. Kauf­ver­trag) die Er­werbs­art (z. B. Übergabe) keinen Eigen­tumsübergang bewirken kann (vgl. § 380 ABGB). Seit Savigny (1779-1861) gibt das deutsche Recht die K. zwischen Kaufvertrag und Eigentums­übergang allmählich auf und verlangt für den Eigentumserwerb eine sachenrecht­liche Einigung.

Lit.: Ling, M., Die Unterbrechung des Kausal­zusammen­hanges, 1996

Kautelarjurisprudenz ist die im Verhüten von Rechtsstreitigkeiten bestehende Tätigkeit des Rechtskundigen, die schon dem römi­schen Recht bekannt ist und seit dem Mittelalter vor allem von →Notaren durch Erstellung einwandfreier Urkunden ausgeübt wird. Von hier aus kommt es zu eigenen Sammlungen von Cautelen und seit dem 18. Jh. auch besonderen Standes­regeln.

Lit.: Söllner § 11; Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905, 247

Kaution (F.) Sicherheitsleistung (Wort 1511)

Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010

Kawerze (M.) Einwohner von Cahors, Südfranzose, Geldhändler (13. Jh.)

Lit.: Kredit, hg. v. North, M., 1991

Kebsehe ist die (dauerhafte) Geschlechts­verbindung eines Mannes mit einer Unfreien (als Nebenfrau). Sie wird von der Kirche bekämpft.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 3

Keilschrift ist die durch Zeichen oder Elemente in Keilform gebildete Schrift des vorchristlichen Zwei­strom­lands.

Keilschriftrecht (Paul Koschaker) ist das in Keilschrift aufgezeichnete Recht (der Sumerer, Akkader, Assyrer, Babylonier und Hethiter).

Lit.: Haase, R., Einführung in das Studium keil­schriftlicher Rechtsquellen, 1965; Die keil­schriftlichen Rechtssammlungen in deutscher Fassung, 2. A. 1979; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006

Keine Antwort ist auch eine Antwort.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 34 (Franck 1541)

Keine Regel ohne Ausnahme.

Lit.: Deutsche Rechtssprichwörter und Rechtsregeln, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 276 (Körte 1837, lat. nulla regula sine exceptione)

Keller oder Kellner ist im Mittelalter der für die Verwaltung der Vorräte zuständige Amsträger der Grundherrschaft oder der Landesherrschaft.

Lit.: Lamprecht, K., Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, Bd. 1 1886, 1410; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., 1983

Kelloggpakt (Briand-Kellogg-Pakt) ist ein nach dem (französischen Minister­präsidenten Aristide Briand [Nantes 28. 3. 1862-Paris 7. 3. 1932 und dem) amerikanischen Außen­minister Frank Billings Kellogg (Potsdam 22. 12. 1856-Saint Paul 21. 12. 1937) benannter, am 27. 8. 1928 von verschiedenen Staaten vereinbarter Vertrag zur Ächtung des Krieges.

Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Buch­heit, E., Der Briand-Kellogg-Pakt, 1998

Kelsen, Hans (Prag 11. 10. 1881-Orinda bei Berkeley 19. 4. 1973), aus kleinbürgerlicher, aus Ostgalizien kommender Familie, wird nach dem Rechtsstudium in Wien, der Taufe (1905), der Promotion (1906) und der Habilitation (1911) während des Kriegsdiensts als Wissenschaftsoffizier im Kriegsminis­terium 1917 außerordentlicher Professor, 1918 wissenschaftlicher Mitar­beiter in der Staatskanzlei, 1919 als Nachfolger seines Lehrers Edmund Bernatzik ordentlicher Professor in Wien und (1919-1930) Mitglied des Ver­fassungsgerichts­hofs. 1920 wirkt er unter Karl Renner bei der Ausarbeitung des Bundesverfassungs­gesetzes →Österreichs mit (vor allem Verfas­sungsgerichts­barkeit). 1930 wird er seiner Mitgliedschaft im Verfassungsge­richtshof kraft Gesetzes entho­ben. 1930 wechselt er nach Köln, wo er am 13. 4. 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft beurlaubt wird. 1934 veröffentlicht er sein Hauptwerk (Die reine Rechtslehre), dem es um die reine Lehre des positiven Rechtes geht. Auf der Voraussetzung einer angenommenen Grund­norm baut er eine wertfreie normative Ordnung auf, deren Einzel­gestaltung er auch während seiner späteren Tätigkeiten in Genf (1933-1935), Prag (1936-1938), New York (1940-1942) und Kalifornien (Berkeley 1945-1952) weiter ausgestaltet. Bekämpft wird er von Neuhegelianern (Kaufmann, Heller, Carl Schmitt, Smend, Schwind, Hold-Ferneck u. a.), Antipositivisten und Anhängern der Staats­autorität.

Lit.: Kelsen, H., Reine Rechtslehre, 1934, Neudruck 2009; Kelsen, H., Vergeltung und Kausalität, 1940; Walter, R., Hans Kelsen, 1985; Dreier, H., Rechtslehre, Staatssoziologie und Demokratietheorie bei Hans Kelsen, 1986; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 705; Rub, A., Hans Kelsens Völkerrechtslehre, 1995; Heidemann, C., Die Norm als Tatsache, 1997; Carrino, A., Die Normenordnung, 1998; Normativity and Norms, hg. v. Paulson, S. u. a., 1998; Hans Kelsen und Carl Schmitt, hg. v. Diner, D. u. a., 1999; Walter, R., Hans Kelsens Rechtslehre, 1999; Nogueira Dias, G., Rechtspositivismus und Rechtstheorien, 2004; Hans Kelsen, hg. v. Paulson, S. u. a., 2005; Walter, R., Hans Kelsen als Verfassungsrichter, 2005; Hans Kelsen, Werke, Bd. 1ff. hg. v. Jestaedt, M u. a., 2007ff. (30 Bände); Der Kreis um Hans Kelsen, hg. v. Walter, R. 2008; Ogris, W., Hans Kelsen redivivus?, Nova & Varia 1 (2009), 7; Korb, A., Kelsens Kritiker, 2010; Merlino, A., Kelsen im Spiegel der italienischen Rechtslehre, 2013; Hans Kelsen und die deutsche Staatsrechtslehre, hg. v. Jestaedt, M., 2013

Kelte ist der Angehörige der keltisch sprechenden, von den Indogermanen abstam­menden Völker. Die Kelten siedeln zuerst zwischen Main und Donau, werden dann aber nach Süden (386 v. Chr. vor Rom) und Westen (Galicien, Bretagne, Wales, Irland) und Osten (Galater) abgedrängt. Aus ihrer Frühzeit sind eigene schriftliche Zeugnisse nicht überliefert. In der Gegenwart bestehen noch die (auf ein anscheinend recht einheitliches Keltisch zu­rück­gehenden) Nach­folge­sprachen Bre­to­nisch in der Bretagne, Walisisch in Wales, Irisch in Irland und Gälisch in Schottland, während Gallisch (in Frankreich und Südwest­deutschland), Lepontisch (in O­ber­italien) und Iberokeltisch (in West­spanien) ausge­stor­ben sind.

Lit.: Köbler, DRG 66; Roessingh, D., Het gebruik en besit van de grond, 1915; Liebermann, F., Die Fabeln von urältesten Gesetzen der Kymren, ZRG GA 46 (1926), 365; Thurneysen, R., Das keltische Recht, ZRG GA 55 (1935), 81; Moreau, J., Die Welt der Kelten, 1958; Die Kelten in Mitteleuropa, 3. A. 1980; McCone, K., Pagan past, 1990; Wernicke, I., Die Kelten in Italien, 1991; Spindler, K., Die frühen Kelten, 1996; James, S., Das Zeitalter der Kelten, 1996; Birkhan, H., Kelten, 2. A. 1997; 3. A. 1999; Strobel, K., Die Galater, 1998; Mees, B., Celtic Influence in the Vocabulary of Hierarchy, ZRG GA 115 (1998), 361; Demandt, A., Die Kelten, 1998, 4. A. 2002, 7. A. 2011; Birkhan, H., Kelten - Bilder ihrer Kultur, 1999; Maier, B., Die Kelten, 2. A. 2003; Maier, B., Die Religion der Kelten, 2001; Fries-Knoblach, J., Die Kelten, 2002; Sievers, S., Manching, 2003; Maier, B., Kleines Lexikon der Namen und Wörter keltischen Ursprungs, 2003; Kuckenburg, M., Die Kelten in Mitteleuropa, 2004; Pilch, H., Die keltischen Sprachen und Kulturen, Bd. 1f. 2007; Die Kelten, hg. v. Zimmer, S., 2009; Gvozdanovic, J., Celtic and Slavic in the Great Migrations, 2009; Kuckenburg, M., Die Kelten, 2010; Rieckhoff, S. u. a., Die Keltenstädte aus der Luft, 2011; Maier, B., Geschichte und Kultur der Kelten, 2012; Lexikon zur keltischen Archäologie, hg. v.  Sievers, S. u. 1., 2012

Kemnath

Lit.: Sturm, H., Kemnath, Landrichteramt Waldeck-Kemnath mit Unteramt Pressath, 1975

Kent, James (1763-1843), Rechtsanwalt, Professor am Columbia College und Richter, gibt mit seinen (engl.) Com­mentaries on American Law (1826ff., Kommentare zum amerikanischen Recht) die erste systematische Darlegung des durch Anpassung des →englischen Rechtes an amerikanische Bedürf­nisse geschaffenen amerikanischen Rechtes.

Lit.: Horton, J., James Kent, 1939

Kerbholz ist ein vor allem im Mittelalter zum Einkerben von Beweiszeichen für Dienste, Schulden oder Abgaben verwen­detes Holz­stück.

Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Rechtliche Volkskunde, 1936, 139

Kerker (lat. [M.] carcer) ist eine Art von Gefängnis. Zeitweise wird der K. für eine verschärfte Haftstrafe verwendet.

Lit.: Quanter, R., Deutsches Zuchthaus- und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechts­geschichte, 5. A. 2007

Kerze ist eine aus Docht und umgebendem Wachs gebildete Lichterzeugungsquelle, die auch im Recht als Symbol Verwendung findet.

Lit.: Wohlhaupter, E., Die Kerze im Recht, 1940

Kesselfang ist im Mittelalter das Eintauchen des Armes in siedendes Wasser eines Kessels im Rahmen des →Gottesurteils (belegt bei Gregor von Tours).

Lit.: Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956, 255

Ketzer (13. Jh., Häretiker) ist im katholischen Kirchenrecht jeder bewusste Leugner eines kirchlichen Grundsatzes. Ketzerische Lehren erscheinen bereits kurz nach der Begründung des Christentums. Die Abgrenzung zwischen Glauben und Irrglauben ist dabei objektiv kaum möglich und der Vorwurf der Ketzerei ist vielfach mit anderen Überlegungen (z. B. mensch­liche Ablehnung, wirtschaftlicher Wettbe­werb, Machtstreben) verbunden. Die Kirche bekämpft die K. mit Exkom­munikation, seit Gratian (um 1140) mit Verbannung, Gütereinziehung und gegebenenfalls kriegerischem Vorgehen, der Staat mit Verbannung, Beschlagnahme und Todesstrafe. Im Mittelalter werden die Katharer (in Konstantinopel aus dem älteren Bogomilismus entstanden, erstmals um 1143 in Köln, von Anfang 13. Jh. bis etwa 1460 vernichtet) namengebend. Auch die Protestanten (1517) sind K. 1697 wendet sich Christian Thomasius dagegen, den K. als Verbrecher zu behandeln. Seitdem setzt sich allmählich eine aufgeklärtere Betrachtungs­weise durch.

Lit.: Köbler, DRG 119; Theloe, H., Die Ketzerverfolgungen im 11. und 12. Jahrhundert, 1913; Grundmann, H., Religiöse Bewegungen im Mittelalter, 1935, Neudruck 1961; Nigg, W., Das Buch der Ketzer, 1949; Blauert, A., Frühe Hexenverfolgungen, 1989; Borst, A., Die Katharer, 1991; Opitz, C./Wehrli-Johns, M., Die frommen Ketzerinnen, 1998; Lambert, M., Geschichte der Katharer, 2001; Auffarth, C., Die Ketzer, Katharer, Waldenser und andere, 2005; Ragg, S., Ketzer und Recht, 2006; Rottenwöhrer, G., Lexikon der mittelalterlichen „Ketzer“, 2009; Kirche und Ketzer, hg. v. Hägg, T., 2010; Räisänen, P., Ketzer im Dorf, 2010

Kiburg

Lit.: Rieger, E., Das Urkundenwesen der Grafen von Kiburg und Habsburg, 1986

Kiel nahe der Ostsee (1773-1866 dänisch) ist seit 1665 Sitz einer Universität. 1933 werden dorthin zahlreiche junge dem Nationalsozialismus zugeneigte Rechtsleh­rer berufen (Kieler Schule Ernst Rudolf Huber, Karl Michaelis, Friedrich Schaffstein, [Franz Wieacker,] Martin Bus­se, Georg Dahm, Karl August Eckhardt,. Karl Larenz, Wolfgang Siebert, Paul Rit­terbusch).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Das Kieler Erbebuch (1411-1604), hg. v. Reuter, C., 1887; Wolff, O., Das lübsche Recht in der Stadt Kiel, 1898; Das Kieler Varbuch 1465-1546, hg. v. Luppe, H., 1899; Schröder, R., Das Eigentum am Kieler Hafen, ZRG GA 26 (1905), 34; Stern, M., Das zweite Kieler Rentebuch (1487-1586), 1904; Das Kieler Denkelbok, hg. v. Gundlach, F., 1908; Trautmann, P., Kiels Ratsverfassung und Ratswirtschaft, 1909; Rehme, P., Über die Kieler Stadtbücher des Mittelalters, ZRG GA 38 (1917), 164; Wohl­haupter, E., Die Spruchtätigkeit der Kieler juristischen Fakultät, ZRG GA 58 (1938), 752; Festschrift zum 275-jährigen Bestehen der Christian-Albrechts-Universität Kiel, hg. v. Ritterbusch, P. u. a., 1940 (S. 48-108 Wohlhaupter, E., Geschichte der juristischen Fakultät); Döhring, E., Geschichte der juristischen Fakultät 1665-1965, 1965; Willert, H., Anfänge und frühe Entwicklung, 1990; Recht und Rechtslehre im National­sozialismus, hg. v. Säcker, F., 1992; Wiener, C., Kieler Fakultät und „Kieler Schule“, 2013; ichow, S., Die Universität Kiel in den ^960er Jahren, 2013

kiesen (wählen)

Kietz (M.) slawisch-mittelalterliche Fischer­siedlung in Brandenburg (mindestens 74 bereits vor 1700 bezeugt)

Lit.: Ludat, H., Die ostdeutschen Kietze, 1936; Krüger, B., Die Kietzsiedlungen, 1962

Kimber ist der Angehörige eines (wohl) aus Jütland stammenden germanischen Volkes, das 101 v. Chr. bei Vercellae in Oberitalien von den Römern vernichtet wird.

Lit.: Köbler, DRG 28, 66

Kind (Wort bereits für das Germanische zu erschließen) ist der Abkömmling ersten Grades eines Menschen (bis zum Erwachsensein [Mündig­keit]). In Rom steht das K. (lat. [M.] infans) grundsätzlich unter der Hausgewalt des freien römischen Bürgers in seiner Eigenschaft als Hausvater bzw. hilfsweise unter der Perso­nalgewalt eines Vormunds (lat. [M.] tutor). Bei den Germanen untersteht es der Hausgewalt (ahd. munt) des Vaters bzw. der Personalgewalt eines Vormunds. Aus ihr löst es sich durch Abschichtung oder Verheiratung bzw. Mündigkeit. Die Unterscheidung nach Ehelichkeit und Nichtehelichkeit wird von der christlichen Kirche gefördert. Schon seit dem Frühmittelalter nehmen König und Kirche Einfluss auf die Rechtsstellung des Kindes. Ehelich ist nur das in rechter Ehe zu rechter Zeit geborene K. Seit dem Hochmittelalter wird die Bildung außerhalb des Hauses in Schule, Lehre oder Universität für das K. immer wichtiger. Seit dem Spätmittelalter wird römisches Recht aufgenommen und die Volljährigkeit als Zeitpunkt der rechtlichen Verselbständigung auf die Vollendung des 25. Lebensjahrs gelegt. Das K. unter sieben Jahren ist grundsätzlich handlungsunfähig. Im 19. Jh. wird das K. vielfach über die häusliche Mithilfe hinaus zur Kinderarbeit gezwungen. Aus verteidigungspolitischen bzw. gesund­heitspolitischen Gründen wird dann die Kinderarbeit beschränkt (Öster­reich 1859, 1918). Im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 sind die Eltern gesetzliche Vertreter des Kindes, kann der unehelichen Mutter auf Antrag die Vormundschaft übertragen werden und kann die Mutter das uneheliche Kind adoptieren. Seit 1921 hat sie das Recht auf religiöse Erziehung des unehelichen Kindes. Im Übrigen greift der Staat auf die Kindererziehung durch Förderung und Schaffung von Kinder­bewahranstalten und Kindergärten zu. Seit 1961 (Familien­rechtsänderungsgesetz) kann die unehe­liche Mutter die Verleihung der elterlichen Gewalt beantragen, nach dem Nichtehe­lichen­gesetz von 1969 steht ihr das Sorgerecht, ergänzt durch eine Amts­pflegschaft, kraft Gesetzes zu. Der Wohlfahrtsstaat des späteren 20. Jh.s versucht die immer wenigeren Kinder (Empfängnis­verhütung) durch Verrechtli­chung der Beziehung zu den Eltern zu schützen und zu fördern (Kindergeld, el­terliche Sorge statt elterlicher Gewalt beider Elternteile [Gesetz zur Neuregelung des Rechtes der elterlichen Sorge vom 18. 7. 1979], Gleichstellung un­ehelicher bzw. nichtehe­licher Kinder, Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. 12. 1997 zum 1. 7. 1998, Kindeswohl, Anerkennung des Kindes als Rechtsträger, Gesetz vom 16. 4. 2013 rur Reform der elterlichen Sorge). Dem entspricht auch die Verabschiedung einer Kinderrechtskon­vention durch die Gene­ralversammlung der Vereinten Nationen im Jahre 1989, die alle Mitgliedstaaten unterzeichnet und alle mit bisheriger Ausnahme der Vereingten Staaten von Amerika und Somalias auch ratifiziert haben.

Lit.: Kaser § 14 II 1; Hübner 64, 697; Köbler, DRG 88, 120, 160, 210, 267; Köbler, WAS; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Bückling, G., Die Rechts­stellung der unehelichen Kinder, 1920; Jankowiak, K., Die Rechtsstellung der Kinder nach dem Magdeburger Recht des Mittelalters, Diss. jur. Marburg 1923; Fiez, M., Das Eltern- und Kindesverhältnis, 1932; Bischof, I., Die Rechtsstellung der außerehelichen Kinder, 1931; Etzensperger, C., Die Rechtsstellung des außer­ehelichen Kindes nach den schaffhauserischen Rechtsquellen, Diss. jur. Zürich 1931; Heck, F., Die Stellungnahme Erzbischofs Wichmann von Magdeburg zu der Kindesfolge, ZRG GA 60 (1940), 257; Das Kind, hg. v. Behler, W., 1971, 279; Wiesner, I., Über die Rechtsstellung der ehelichen Kinder im Landrecht des Sachsenspiegels, Diss. jur. Kiel 1973; Leineweber, A., Die rechtliche Beziehung des nichtehelichen Kindes, 1978; Kinderarbeit und Kinderschutz in Deutschland, 1837-1976, hg. v. Quandt, S., 1978; Mayer-Maly, T., Vom Kinderschutz zum Arbeitsrecht, FS G. Schmelzeisen, 1980, 227; Krause, E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche, 1982; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Zur Sozialgeschichte der Kindheit, hg. v. Martin, J. u. a., 1986; Shahar, A., Childhood in the Middle Ages, 1990 (deutsch 1991); Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1999; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, 2000; Schulze, N., Das Umgangsrecht, 2001; Wesener, G., Peculia – bona adventicia – freies und unfreies Kindesgut, (in) Iuris vincula - Studi in onore di M. Talamanca, 2002, 393; Brokamp, I., Die Verrechtlichung der Eltern-Kind-Beziehung, 2002; Ohlbaum, I., Kind sein, 2003; Jütte, R., Lust ohne Last, 2003; Krah, J., Das Haager Kinderschutzübereinkom­men, 2004; Boentert, A., Kinderarbeit im deutschen Reich 1871-1914, 2006; Winkler, S., Kindserdrücken, 2007; Ritzmann, I., Sorgenkinder, 2008; Ostermann, S., Das Klärungsverfahren, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privat­rechts­wortschatzes, 2010; 1989-2009 - 20 Jahre UN-Kinderrechtskonvention, hg. v. Schorlemer, S. v. u. a., 2010; Child Labour’s Global Past 1650-2000, hg. v. Lieten, K. u. a., 2011; Berg, T., Die Entwicklung des Sorgerechts der Mütter nichtehelicher Kinder, 2012; Rao, S., International Law on Trafficking of Children for Sexual Exploitation in Prostitution (1864-1950), 2013; Lange, C., Öffentliche Kleinkinderziehung in Bayern, 2013

Kindererziehung, religiöse →religiöse Kindererziehung

Kindergeld ist eine staatliche Leistung an Men­schen mit Kindern zur Verminderung ihrer Belastung, die in Deutschland nach dem Vorbild Frankreichs 1954 durch Gesetz (Kindergeldgesetz) in Höhe von (zunächst) 25 DM ab dem dritten Kind gewährt wird.

Lit.: Köbler, DRG 261; Igl, G., Kindergeld und Erziehungsgeld, 1986; Nelleßen-Strauch, D., Der Kampf ums Kindergeld, 2003

Kindesmissbrauch ist der sexuelle Miss­brauch eines →Kindes, der strafrechtlich bewehrt ist.

Lit.: Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007

Kindestötung (Kindsmord) ist die Tötung eines Kindes (durch die Eltern). Ursprünglich hat im römischen und germanischen Recht der Gewalthaber das Recht über Leben und Tod des Kindes. Dieses Recht wird aber sowohl im römischen Recht wie auch im mittelalterlichen Recht allmählich verdrängt. Als K. in einem engeren Sinn erscheint am Ende des 18. Jh.s (1772 Susanna Margarethe Brandt in Frankfurt als Anregung zu Gretchen in Goethes Faust) die Tötung eines neugebo­renen, außerehelichen Kindes während oder gleich nach der Geburt durch die Mutter. Sie ist ein privilegierter Tötungstatbestand, der die ältere Mordqua­lifizierung ablöst. Am Ende des 20. Jh.s wird er in Deutschland aufgegeben.

Lit.: Jordan, L., Über den Begriff und die Strafe des Kindesmordes, 1844; Wächtershäuser, W., Das Verbrechen des Kindesmordes, 1973; Weber, B., Die Kinds­mörderin im deutschen Schrifttum von 1770-1795, 1974; Dülmen, R. van, Frauen vor Gericht, 1991; Hammer, E., Kindsmord, 1997; Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Habermas, R., Susanna Brandt, NJW 1999, 1936; Das Frankfurter Gretchen, hg. v. Habermas, R., 1999; Das Kind in meinem Leib, hg. v. Wahl, V. u. a., 2004; Czelk, A., Privilegierung und Vorurteil, 2005

Kindsmord →Kindestötung

Kipper und Wipper sind seit dem 17. Jh. (1621) Geldwechsler, die vollwertiges Silber­geld gegen unterwertiges Kleingeld eintauschen.

Lit.: Gaettens, R., Inflationen, 2. A. 1955; Redlich, F., Die deutsche Inflation des frühen 17. Jahrhunderts, 1972

Kirche (zu griech. kyriake oikos Haus des Herrn) ist die in eigenen Verfassungs

formen geordnete, im christlichen Bekenntnis ver­einigte Gemeinde und Glaubensgemein­schaft. Sie entsteht im Anschluss an das Leben des Religionsstifters Jesus Christus im 1. Jh. n. Chr. Im Wettbewerb mit zahlreichen anderen fremdländischen Heilslehren im römischen Weltreich setzt sich die christliche K., die ihre Schriften gegen 180 n. Chr. kanonisiert und schon früh eine hierarchische Verfassung von Bischöfen, Klerus und Laien annimmt, als eine revolutionäre, die unteren Schichten gegen ihre Obrigkeit einnehmende Massen­bewegung durch. Nach anfänglicher Verfol­gung wegen der Lehre von der Unterordnung des irdischen Reiches unter das himmlische Reich Gottes wird die christliche K. 313 im Mailänder Toleranz­edikt von Kaiser Konstan­tin anerkannt und in seiner im Glaubensstreit zwischen Athanasius und Arius von Athanasius ver­tretenen Form 391 Staats­kir­che. Ihre geistige Verfeinerung und la­teinische Durchdringung erfolgt vor allem durch Hieronymus (345-420), Ambrosius und Augustinus. Organisatorisch setzt sich unter dem Primat Roms die Bischofskirche mit Erzbischöfen und Bischöfen in den (lat. [F.Pl.]) civitates (Städten) durch. Spätestens seit dem 4. Jh. werden auch germanische Völker christianisiert. Seit dem Frühmittel­alter durchdringt die K. das gesam­te Europa in vielfältiger Hinsicht. Nach der Verbindung zwischen Papst und fränkischem Herrscher (751, 800) kommt es allerdings unter den Saliern (Heinrich IV. 1075) zum →Investi­turstreit mit der durch das Schisma von 1054 entstandenen, Reformen anstrebenden rö­misch-katholischen K. Danach gewinnt die K. als Folge der →ottonisch-salischen Reichs­kirchenpolitik weltliche Macht in der Form der geistlichen Fürstentümer. 1517 verursacht Martin →Luther mit seinen gegen kirchliche Missstände gerichteten 95 Refor­mationsthe­sen die Abspaltung der Protestanten. Seit der Aufklärung sieht sich die als Körperschaft des öffentlichen Rechtes or­ganisierte K. einer ständigen Säkularisierung aller Verhältnisse ausgesetzt. Gefordert und in erheblichem Umfang verwirklicht wird die Trennung von Staat und Kirche (1797 Vereinigte Staaten von Amerika, Revolution in Frankreich, →Kulturkampf). Am Ende des 20. Jh.s ziehen sich immer mehr Christen zwar noch nicht formal, aber doch tatsächlich aus der K. zurück. Neben der K. als Gemeinschaft steht die K. als Gebäude (älteste erhaltene K. 3. Jh. n. Chr.).

Lit.: Köbler, DRG 77, 79, 82, 88, 108, 115, 119, 121, 159, 205, 265; Hauck, A., Kirchengeschichte Deutschlands, Bd. 1ff. 1887, 8. unv. A. 1954; Makower, F., Die Verfassung der Kirche von England, 1894; Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche, 1910; Sehling, E., Geschichte der protestantischen Kirchenverfassung, 2. A. 1914; Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche im Mittelalter, 2. A. 1922; Tomek, E., Kirchengeschichte Österreichs, Bd. 1ff. 1935ff.; Tellenbach, G., Libertas, 1936; Schubert, G., Der Einfluss des kirchlichen Rechtes auf das weltliche Strafrecht der Frankenzeit, 1937; Gampl, I., Staat und evangelische Kirche in Österreich, ZRG KA 52 (1966), 299; Feine, H., Reich und Kirche, hg. v. Merzbacher, F., 1966; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Huber, E./Huber, W., Staat und Kirche im 19. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1973ff.; Wallmann, J., Kirchengeschichte Deutsch­lands seit der Reformation, 1973, 5. A. 2000, 6. A: 2006, 7. A: 2012; Becker, J., Liberaler Staat und Kirche, 1975; Scholder, K., Die Kirche und das Dritte Reich, Bd. 1f. 1977ff.; Theologische Realen­zyklopädie, Bd. 1ff. 1977ff.; Church and Society in England, hg. v. O’Day, R. u. a., 1977; Oakley, F., The Western Church, 1979; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Hausberger, K., Staat und Kirche nach der Säkularisation, 1983; Fuchs, J., Das schweizerische Staatskirchenrecht, ZRG KA 101 (1984); Hölscher, W., Kirchenschutz als Herrschaftsinstrument, 1985; Leitner, F., Kirche und Parteien in Österreich nach 1954, 1988; Merzbacher, F., Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989; Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft, 1989; Histoire du christianisme, hg. v. Mayeur, J. u. a., 1990ff.; Lexikon für Theologie und Kirche, hg. v. Kaspar, W. u. a., Bd. 1ff. 1990ff.; Ackermann, R., Mittelalterliche Kirchen als Gerichtsorte, ZRG GA 110 (1993), 530; Hauschild, W., Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd. 1ff. 1995ff.; Frank, K., Lehrbuch der Geschichte der alten Kirche, 1996, 2. A. 1997, 3. A. 2002; Zippelius, R., Staat und Kirche, 1997; Heim, M., Kleines Lexikon der Kirchengeschichte, 1998; Bücherverzeichnis zur Kirchengeschichte, hg. v. Fürstenberg, M. u. a., 1998; Biographisch-biblio­graphi­sches Kirchenlexi­kon, Bd. 1ff. 1998; Mühlenberg, E., Epochen der Kirchengeschichte, 3. A. 1999; Greschat, M., Personenlexikon Religion und Theologie, 1998; Rehberg, A., Kirche und Macht im römischen Trecento, 1999; Heim, M., Kirchen­geschichte, 2000; Lexikon der Kirchenge­schichte, 2001; Die Erforschung der Kirchenge­schichte, hg. v. Smolinsky, H., 2001; Besier, G., Die Kirchen und das Dritte Reich, 2001; Prinz, F., Die Kirche und die pagane Kulturtradition, HZ 276 (2003), 281; Schwarz Lausten, M., Abendländische Kirchengeschichte, 2003; Studt, B., Papst Martin V. (1417-1431) und die Kirchenreform in Deutschland, 2004; Logan, F., Geschichte der Kirche im Mittelalter, 2005; Cushing, K., Reform and Papacy in the Eleventh Century, 2005; Ökumenische Kirchen­geschichte, hg. v. Kaufmann, T. u. a. Bd. 1ff. 2006; Städtische Gesellschaft und Kirche im Spätmittelalter, hg. v. Klapp, S. u. a., 2007; Norman, E., Geschichte der katholischen Kirche, 2007; Neumann, F., Öffentliche Sünder in der Kirche des Spätmittelalters, 2007; Krüger, E., Der Traktat De ecclesiastica postestate des Aegidius Romanus, 2007; Kirchlicher und religiöser Alltasg im Spätmittelalter, hg. v. Meyer, A., 2007;Atlas zur Kir­che in Geschichte und Gegenwart - Heiliges Römisches Reich - Deutschsprachige Länder, hg. v. Gatz, E., 2009; Zippelius, R., Staat und Kirche, 2. A. 2009; Hinkel, S., Adolf Kardinal Bertram - Kirchenpolitik im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, 2010; Pragmatische Quellen der kirchlichen Rechtsgeschichte, 2011; Hergemüller, B., Promptuarium ecclesiasticum medii aevi, 2011; Mueller, H., Die kirchliche Krise des Spätmittelalters, 2012; Hahn, T., Staat und Kirche im deutschen Naturrecht, 2012; Schmal, B., Das staatliche Kirchenaustrittsrecht, 2013; Lehmann, R., Die Transformation des Kirchenbegriffs in der Frühaufklärung, 2013; Großbölting, T., Der verlorene Himmel, 2013

Kirchenasyl →Asyl, →Kirche

Kirchenbann →Kirche, →Bann

Kirchenbaulast ist die Belastung einer Gruppe von Menschen, eines einzelnen Menschen oder eines Vermögens mit den Kosten (des Baues,) der Unterhaltung und des Wiederaufbaues einer →Kirche (→Eigenkirche). Sie ist mit dem →Patronat verbunden. Wo eine K. in das Eigentum des Staates übergegangen ist, trägt infolge des Vermögensübergangs der Staat die K.

Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Beyme, B. v., Die Baulast für das Freiburger Münster, 2003

Kirchenbuch ist ein von der →Kirche geführtes Buch über kirchliche Ange­legenheiten (z. B. Mitglieder, Taufen, Eheschließungen, Begräbnisse). Nach Mit­gliederlisten des Altertums und Toten­gedenkbüchern des Frühmittelalters er­scheinen Taufmatrikeln in Italien und Südfrankreich im 14. Jh. Im Heiligen römischen Reich  tritt das K. um 1490 auf (z. B. Tübingen 1553 Ehebuch). In der Neuzeit verwendet auch die weltliche Gewalt das K. für ihre Zwecke. 1875 tritt neben das K. das Personen­standsbuch des Staates. Die Zahl der Kirchenbücher des Deutschen Reichs wird auf 400000 mit rund einer Milliarde Einzel­einträgen geschätzt.

Lit.: Köbler, DRG 105; Lampe, W., Die Kirchenbuchführung in Vergangenheit und Gegenwart, 1936; Schmitz, H., Die pfarrlichen Kirchenbücher, 1992; Das älteste Tübinger Ehebuch, hg. v. Schieck, S. u. a., 2000; Neininger, F., Brandenburgische Kir­chen­buchduplikate 1794-1874, 2008; Das renovierte Kir­chenbuch von Zimmersrode, Gilsa und Dorheim aus dem Jahre 1663, hg. v. Gräf, H. u. a., 2010

Kirchenbuße →Kirche, →Buße

Kirchenfabrik (lat. fabrica [F.] ecclesiae) ist die mit der Errichtung einer Kirche (Gebäude) entstehende Verbandsperson („juristische Person“). Die Hauptlast der K. ist die →Kir­chenbaulast. Das Vermögen der K. kann nur in einem besonderen Verfahren veräußert werden. →Kirchengut

Kirchengut ist die Gesamtheit der geldwerten Rechte einer →Kirche. Das K. entsteht anfangs vor allem durch Gaben, dann aber auch Abgaben (→Zehnt), die gemeinsam verwaltet und später nach bestimmten Regeln verteilt werden (z. B. Vierteilung unter Bi­schof, Klerus, Armen und →Kirchenfabrik, 5. Jh.). Im Frühmittelalter, in dem auch K. säkularisiert wird, können Klöster bis zu 15000 Hufen K. haben. Das K. gliedert sich dann in mehrere selbständige Untereinheiten. Im 13. Jh. wird aus dem K. teilweise Landes­herrschaft. Seit der frühen Neuzeit wird K. in erheblichem Umfang säkularisiert (u. a. im Reichsdeputations­hauptschluss vom 28. 2. 1803).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Stutz, U., Die Verwaltung und Nutzung des kirchlichen Vermögens, Diss. jur. Berlin 1892; Buchholzer, J., Die Säkularisation katholischen Kirchenguts im 18. und 19. Jahrhundert, 1921; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Mempel, H., Die Vermögenssäkularisation 1803/10, 1979

Kirchenordnungen sind ordnende Gestaltungen des kirchlichen Lebens durch vorschreibende Regeln, wie sie sich bereits im Altertum und dann insbesondere als Folge der Reformation Martin →Luthers im 16. Jh. zwecks Ablösung des kano­nischen Rechtes finden (z. B. Hessen 1526, Schwäbisch Hall 1526, Hadeln 1526, Braunschweig 1528, Hamburg 1529, Lübeck 1531, Lüneburg 1531, Brandenburg-Nürnberg 1533, Pommern 1534, Hannover 1536  u. s. w.).

Lit.: Schwanhäuser, G., Das Gesetzgebungsrecht der evangelischen Kirche, 1967; Sehling, E., Die evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, Bd. 1ff. 1902ff., Neudruck 1980 (z. B. Bd. 18 2006, Bd. 17, 4, 2 2009); Wolf, E., Ordnung der Kirche, 1961; Brecht, M., Kirchenordnung und Kirchenzucht in Württemberg, 1967; Sprengler-Ruppenthal, A., Zu den Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, 2004

Kirchenrecht ist die Gesamtheit der Rechtssätze, die entweder das Leben innerhalb der Kirche ordnen (inneres K. bzw. in der katholischen Kirche auch kanonisches Recht) oder das Verhältnis des Staates zur Religion und zu den Religionsgemeinschaften regeln (äußeres K., Staatskirchenrecht). K. entsteht unter Beachtung vieler jüdischer Sätze bereits im 1. Jh. n. Chr. Die Kirche des Altertums bedient sich dabei in weitem Umfang des römischen Rechtes, gestaltet durch Konzilien und päpstlich-bischöfliche Einzelreskripte (Dekretalen) K. aber auch vielfach neu ([lat.] →ius divinum, →ius ecclesiasticum, →ius naturale). Bereits seit dem 4. Jh. wird das K. gesammelt (u. a. von →Dionysius Exiguus). Dem schließen sich frühmittelalterliche Sammlungen an (600 Vetus Gallica, 633 Hispana, 774 von Papst Hadrian an Karl den Großen übermittelte Dionysio-Hadriana, 850 „Benedictus Levita“, 906 [lat.] libri [M.Pl.] duo de causis synodalibus [zwei Bücher Synodalsachen] des Regino von Prüm, 1007-1022 [lat., N.] Decretum Bischof Burchards von Worms, das mit dem Ziel einer in sich konsistenten, widerspruchsfreien Sammlung autoritativer Texte für die Praxis bereits die Schwelle zu wissenschaftlicher Kanonistik erreicht). Um 1140 fasst in Bologna →Gratian Konzilscanones, päpstliche Dekretalen und Texte von Kirchenvätern zu seinem (lat. [N.]) →Decretum zusammen. Daran schließen sich Sammlungen von Dekretalen an (1234 [lat.] →Liber [M.] extra, 1298 [lat.] Liber sextus, 1317 →Clementinen), so dass all­mählich das (lat.) →corpus (N.) iuris canonici entsteht. Dessen Inhalt wird von den protestantischen Kirchen seit der frühen Neuzeit zunächst grundsätzlich anerkannt, danach aber vor allem durch →Kirchen­ordnungen abge­wandelt. 1917/1918 und 1983 wird das katholische K. neu gestaltet (lat. →Codex [M.] iuris canonici). →Staats­kirchenrecht im eigentlichen Sinn entsteht seit der Reformation Martin →Luthers (1517). Dabei setzt sich seit dem ausgehenden 18. Jh. der Gedanke der Toleranz durch. Das 20. Jh. trennt zwar Staat und Kirche grundsätzlich, sichert der Kirche aber noch wichtige Teile ihrer hergebrachten Rechtsstellung (→Körper­schaft des öffentlichen Rechtes, →Kir­chen­steuer, Art. 137 WRV, 140 GG).

Lit.: Köbler, DRG 1, 8, 81, 106, 126, 205, 266; Eichhorn, K., Grundsätze des Kirchenrechts der katholischen und evangelischen Religionspartei in Deutschland, 1831ff.; Richter, A., Lehrbuch des katholischen und evangelischen Kirchenrechts 1842, 8. A. 1886; Bickell, J., Geschichte des Kirchenrechts, 1843; Friedberg, E., Lehrbuch des katholischen und evangelischen Kirchenrechts, 1879, 6. A. 1909, Neudruck 1965; Rothenbücher, K., Die Trennung von Staat und Kirche, 1908; Ebers, G., Staat und Kirche im neuen Deutschland, 1930; Barion, H., Rudolph Sohm und die Grundlegung des Kirchenrechts, 1931; Liermann, H., Deutsches evangelisches Kirchenrecht, 1933; Heckel, J., Das Decretum Gratiani und das evangelische Kirchen­recht, (in) Studia Gratiana 3 (1955), 483; Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 2. A. 1960ff.; (Eichmann, E./)Mörsdorf, K., Lehrbuch des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 11. A. 1964; Benn, E., Entwicklungslinien des evangelischen Kirchenrechts im 19. Jahrhundert, Z. f. ev. Kirchenrecht 15 (1970), 2; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Feine H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Winter, J., Die Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im Dritten Reich, 1979; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Berman, H., Law and Revolution, 1983 (Recht und Revolution 2. A. 1991); Gaudemet, J., Droit de l’Eglise et vie sociale, 1989; Campenhausen, A. v., Staatskirchenrecht, 3. A. 1996; Stumpf, C., Kirchenrecht als Bekenntnisrecht, 1999; Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, hg. v. Campenhausen, A. Frhr. v., Bd. 1ff. 1999ff.; Erdö, P., Die Quellen des Kirchenrechts, 2002; Landau, P., Evangelische Kirchenrechtswissenschaft im 19. Jahrhundert, Zs. f. ev. Kirchenrecht 48 (2003), 1; Brundage, J., The Profession and Practice of Medieval Canon Law, 2004; Stagnation oder Fortbildung, hg. v. Bertram, M., 2005; Recht und Gericht in Kirche und Welt um 900, hg. v. Hartmann, W., 2007; Austin, G., Shaping Church Law around the year 1000, 2008; Link, C:, Kirchliche Rechtsge­schichte, 2009; Alltag reformierter Kirchenleitung. hg. v. Ar­nold, M. u. a., 2009; Der Einfluss der Kanonistik auf die deutsche Rechtskultur, hg. v. Condorelli, O. u. a., Bd. 1ff. 2009ff.; Siems, H., Die Collectio Sangermanensis XXI titu­lorum, DA 65 (2009), 1; Austin, G., Shaping Church Law around the year 1000, 2009; Konrad, D., Der Rang und die grundlegende Bedeutung des Kirchenrechts, 2009; Landau, P., Grundlagen und Geschichte des evangelischen Kirchenrechts und des Staatskirchenrechts, 2008 (Auf­sätze); Richter, M., Kirchenrecht im Sozia­lismus, 2011; The History of Byzantine and Eastern Canon Law, hg. v. Hartmann, W. u. a., 2012

Kirchenregiment ist die am Ende des 15. Jh.s einsetzende Herrschaft (z. B. eines Landesherrn) über die Kirche, die in protestantischen Ländern (Territorien) bis 1918 anhält.

Lit.: Heckel, J., Cura religionis, FS U. Stutz, 1938, 224

Kirchenstaat ist der (weltliche) →Staat der katholischen Kirche. Er nimmt seinen Ausgang vom Mailänder Toleranzedikt des römischen Kaisers Konstantin (313), das die christlichen Gemeinden als rechtsfähige Vermögensträger anerkennt. Hinzu kommt die sog. →kon­stantinische Schenkung, nach der Kaiser Konstantin an Papst Silvester die politische Autorität im weströmischen Reich verliehen haben soll. Danach erhält die Kirche zahlreiche Grund­stücke als Gaben, die in ihrer Gesamtheit seit dem 6. Jh. (lat.) patrimonium (N.) Petri heißen. Seit dem 7. Jh. gilt der Papst als Schutzherr und Herrscher des Gebiets um Rom bzw. zwischen Venedig und Benevent. Am 14. 4. 754 gibt der fränkische König Pippin Papst Stephan die ehemals oströmischen, von den Langobarden besetzten Güter in Italien um Ravenna und Rom (zurück, →pippinische Schenkung). Der Sicherung der Herrschaft dient wenig später der K. um die Romagna und Tuszien (sowie um Venaissin [1274] und Avignon [1378], bis 1797), im 16. und 17. Jh. um Ferrara (1598), Urbino (1630) und Castro (1649). 1798 ersetzt Frankreich den K. durch die Römische Republik, doch gelingt 1814/1815 die Wiederherstellung. Am 20. 9. 1870 zieht die italienische Einigungs­bewegung den K. bis auf geringe Reste an sich bzw. das neue Königreich →Italien. 1929 kommt es in Lateranverträgen zu einem Ausgleich. Das weltliche Gebiet der römischen Kirche beschränkt sich auf die Vatikanstadt. Der Vatikan hat Souveränität.

Lit.: Nürnberger, A., Papsttum und Kirchenstaat, Bd. 1ff. 1897ff.; Gundlach, W., Die Entstehung des Kirchen­staates, 1899, Neudruck 1969; Hayward, F., Le dernier siècle de la Rome pontificale 1769-1870, Bd. 1ff. 1927f.; Ermini, G., La libertà comunale nello stato della chiesa, 1926f.; Ermini, G., I parlamenti dello Stato della Chiesa, 1930; Kölmel, W., Rom und der Kirchenstaat im 10. und 11. Jahrhundert, 1935; Waley, D., The Papal State in the Thirteenth Century, 1961; Quellen zur Geschichte des Kirchenstaates, hg. v., Fuhrmann, H., 1968; Partner, P., The Lands of St. Peter, 1968; Noble, T., The Republic of St. Peter, 1984; Arnaldi, G., Le origini dello Stato della Chiesa, 1987; Marazzi, D., I Patrimonia sanctae Romanae ecclesiae nel Lazio, 1998; Modell Rom?, hg. v. Büchel, D. u. a., 2003

Kirchensteuer ist die durch die öffentlich­rechtlichen Religionsgesellschaften erho­be­ne, vom Staat (durch seine Behörde für die Kirche) eingezogene Steuer. Sie ersetzt den älteren Kirchenzehnt (Preußen 20. 6. 1875, vgl. auch das Allgemeine Landrecht von 1794). Rechtliche Grundlagen werden Art. 137 VI der Weimarer Reichsver­fassung und Art. 140 GG.

Lit.: Köbler, DRG 198; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Fischer, G., Finanzierung der kirchlichen Sendung, 2005

Kirchenvertrag ist der Vertrag eines Staa­tes mit einer (evangelischen) Kirche über kirchliche Angelegenheiten. →Konkordat

Lit.: Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Listl, J., Bd. 1f. 1987

Kirchenvogtei ist die Ausübung weltlicher →Herrschaft für eine →Kirche durch einen →Vogt.

Lit.: Otto, E., Die Entstehung der deutschen Kirchenvogtei im 10. Jahrhundert, 1933

Kirchenzehnt ist (meist) der zehnte Teil (von Erträgnissen und Früchten von Grundstücken und Vieh). Er erscheint im 5. Jh. n. Chr. auf der Grundlage von 4. Moses 18,21-32. Wenig später wird er von der Kirche gefordert und vom fränkischen König als Ausgleich für eingezogenes Kirchengut zugestanden. Seit der französischen Revolution (1789) und den Unruhen der Jahre 1848ff. verschwindet er und wird in deutschen Staaten durch die →Kirchensteuer ersetzt.

Lit.: Perels, E., Die kirchlichen Zehnten im karolingischen Reich, 1904; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972

Kirchliches Recht ist das auf die →Kir­che bezogene →Recht (→Kirchenrecht). Einen wichtigen Gegensatz zum kirchlichen Recht bildet das weltliche Recht.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2

Kirchmann, Julius Hermann von (1802-1884)

Lit.: Julius Hermann von Kirchmann, hg. v. Bast, R., 1993

Kirchspiel (Kirchenbezirk) →Kirche

Lit.: Liebe, G., Die kommunale Bedeutung der Kirchspiele, Diss. phil. Berlin 1885; Oberdörfer, K., Das alte Kirchspiel Much, 1923; Haff, K., Das Großkirchspiel, ZRG KA 63 (1943), 1, 64 (1944), 1, 65 (1947), 1, 253; Kern, H., Das Kirchspiel Altensteig, 1966

Kistenpfand (N.) Pfand an leblosen beweglichen (in Kisten aufbewahrbaren) Sachen

Lit.: Hübner 470

k. k. (kaiserlich-königlich, Österreich 1867, nicht pragmatische Angelegenheiten) →k. u. k.

Klage ist im rechtlichen Sinn das Begehren des Klägers an das Gericht auf Rechtsschutz gegenüber dem Beklagten. Im römischen Recht ist K. die (lat.) →actio (F.), für die der Verletzte bei dem Gerichtsmagistrat die Einsetzung eines Gerichts (meist lat. [N.] iudex) und einer Anweisung einer Entscheidung verlangt. Von K. wird wohl unter kirchlichem Einfluss erst seit dem Frühmittelalter gesprochen, in dem sich der Verletzte nicht mehr unmittelbar gegen einen möglichen Verletzer, sondern hauptsächlich an einen Herrschaftsträger mit der Bitte um Unterstützung bei der Verfol­gung des Rechtes wendet. Im Hochmittelalter werden verschie­dene Arten der K. unterschieden (um Eigen und Erbe, um Gut, um Schuld, später bürgerliche K., peinliche K. und gemischte K.) und anscheinend ge­naue Formulierungen oder auch bestimmte Wörter verlangt (→Prozess­gefahr), so dass Vertreter im Wort (→Fürsprecher) erscheinen. Mit dem im Spätmittelalter aus Oberitalien kommenden gelehrten Verfahrensrecht wird die K. vielfach schriftlich und durch Vertreter in der Sache (→Anwalt) geformt.

Lit.: Kaser § 82 II; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 86, 116, 117, 156, 202; Laband, P., Die vermögens­rechtlichen Klagen, 1869; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1878/9, Neudruck 1973, 357, 757; Turner, V., The King and his Courts, 1968; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Gudian, G., Zur Klage mit Schadensformel, ZRG GA 90 (1973), 121; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren euopäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 383,467; Köbler, G., Klage, klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1; Apathy, P., Die publizianische Klage, 1981; Litewski, W., Mündliche Klage und Klageschrift, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bieresbom, D., Klage und Klageerwiderung im deutschen und englischen Zivilprozess, 1999; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002; Halfmeier, A., Popularklagen im Privatrecht, 2006

Klage gegen den toten Mann ist eine wissenschaftliche Bezeichnung des Verfahrens gegen den auf handhafter Tat erschlagenen Täter. Sie ist vor allem im altnordischen Recht verbreitet. Seit dem 13. Jh. wird die K. g. d. t. M. durch die anerkannte Berufung auf Notwehr verdrängt.

Lit.: Scherer, Die Klage gegen den toten Mann, 1909; Fischer, P., Strafen und sichernde Maßnahmen gegen Tote, 1936; Wallén, P., Die Klage gegen den Toten, 1958

Klage mit dem toten Mann ist im norddeutschen Recht des Mittelalters ein Verfahren gegen den auf handhafter Tat erschlagenen, vor Gericht gebrachten Täter.

Lit.: Brunner, H., Die Klage mit dem toten Mann, ZRG GA 31 (1910), 235; Frommhold, G., Zur Klage mit dem toten Mann und mit der toten Hand, ZRG GA 36 (1915), 458

Klageformel ist im römischen Formular­prozess die Anweisung und die Ermächtigung des Gerichtsmagistrats an einen (lat.) iudex (M.), den Beklagten unter bestimmten Bedingungen zu verurteilen oder freizusprechen. Die K. enthält üblicherweise eine Sachverhaltsbe­schrei­bung (lat. demon­stratio), ein Begehren (lat. intentio) und einen Verurteilungsbefehl (lat. condemnatio).

Klagengewere ist im mittelalterlichen sächsischen Prozess die Zusicherung des Klägers gegenüber dem Beklagten, dass er zur →Klage befugt sei. Macht ein zweiter Beteiligter gegen den Beklagten das Recht geltend, muss der Kläger die Ansprüche vom Beklagten abwehren. Gelingt dies nicht, muss er die eigene Klage aufgeben und →Gewette zahlen. Im 18. Jh. verschwindet die K. Sie wird von der Litiskontestation und der Einrede der Rechtskraft verdrängt.

Lit.: Ebeling, K., Die Klagengewere, Diss. jur. Frankfurt am Main 1958

Klagenkonkurrenz ist im klassischen römi­schen Recht die mehrfache Geltendmachung einer Klage (gegen mehrere Beteiligte, kumulative K.). Geht es um (lat.) eadem res (denselben Gegenstand), besteht grund­sätzlich strenge Alternativität und wird mit der ersten (lat.) litis contestatio (F.) die Klage verbraucht.

Lit.: Kaser § 82 III; Köbler, DRG 48; Liebs, D., Die Klagenkonkurrenz im römischen Recht, 1972

Klagenkonsumtion ist im altrömischen Recht der Ausschluss eines zweiten Streites über das geltend gemachte Recht durch die Streiteinsetzung (lat. [F.] →litiscontestatio) bzw. bei einer auf den Sachverhalt hin ausgerichteten Klage und einer sachver­folgenden Klage durch die Einrede der beurteilten Angelegenheit (lat. [F.] exceptio rei iudicatae).

Lit.: Kaser § 80 II, 82 III, 87 II; Köbler, DRG 19

Kläger ist, wer durch eine →Klage vom Gericht Rechtsschutz begehrt. Wo kein K. (ist), da kein Richter (vgl. Codex 3, 7, 1 [lat.] invitus agere vel accusare nemo cogitur, gegen seinen Willen wird niemand zum Klagen oder Anklagen gezwungen).

Lit.: Söllner § 9; Köbler, G., Klage, klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1

Klageschrift ist im gelehrten Prozessrecht seit dem Spätmittelalter der Schriftsatz, durch den der →Kläger →Klage erhebt bzw. Rechtsschutz begehrt. Der Kläger überreicht die K. dem Beklagten im Termin. Später reicht er sie bei Gericht ein.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 117; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-römische Zivilprozess im Mittelalter, Bd. 1 1868ff., Neudruck 1959; Litewski, W., Mündliche Klage und Klageschrift, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

Klagspiegel ist die 1516 von Sebastian →Brant unter dem Titel Richterlich Clagspiegel neu aufgelegte, vermutlich von einem Stadtschreiber (Conrad Heyden, aus Schwä­bisch Hall oder der Umgebung, ab 1403 Studium in Erfurt als pauper, ohne Abschluss, 1413 Stadtschreiber Schwä­bisch Hall, 1436 entlassen, † 1444) in Schwä­bisch Hall um 1436 verfasste, zwei Teile umfas­sende Schrift über Verfahrensfragen. Der erste Teil will, hauptsächlich nach Roffredus, De libellis iuris civilis (Von Büchlein des weltlichen Rechtes), ein Handbuch des geschrie­benen Rechtes bieten. Der zweite Teil stellt Strafrecht und Strafverfahren nach römischen Rechtsgrund­sätzen (Digesten, Codex, Durantis, Speculum iudiciale u. a.) dar. Insgesamt ist der K. die älteste und umfassendste Wiedergabe des römischen Rechtes in deutscher Sprache und unter Zuschnitt auf die einheimischen zeit­genös­sischen Bedürfnisse. Er wird von 1460-1470 bis über die Mitte des 16. Jh.s in 24 Auflagen gedruckt und bildet eine wichtige Quelle der Stadtrechtsreformation von →Worms, der (lat.) →Constitutio (F.) Crimi­nalis Bamber­gensis (1507), für (Tenglers →Laienspiegel 1509/1511 [streitg, vielleicht nur gemeinsame Vorlagen],) Justin Goblers Der Rechten Spiegel (1550) und Heinrich Rauchdorns Practica und Proceß peinlicher Halsgerichts­ordnung (1564).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur, 1867, Neudruck 1959, 335; Deutsch, A., Der Klagspiegel, 2004

Klammer, Balthasar (Kaufbeuren um 1504-Celle 6.(?) 2. 1578), Bürgermeisters­sohn, wird nach dem Studium von Theologie und Recht in Ingolstadt und Leipzig 1529 Notar, 1530 Professor in Marburg und 1540 Kanzler der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg. Neben der Mitwirkung an wichtigen Landesgesetzen (Hofgerichtsordnung, Kanz­lei­ordnung, Polizei­ordnung) verfasst er 1565 ein posthum vielfach gedrucktes, deutsches (lat.) Compendium (N.) iuris (Lehnrecht und Landrecht) mit lateinischen Erläuterungen.

Lit.: Eckhardt, A., Der Lüneburger Kanzler Balthasar Klammer und sein Compendium juris, 1964; Theuerkauf, G., Lex, Speculum, Compendium iuris, 1968

Klasse (F.) Gruppe

Lit.: Gall, L., Vom Staat zur Klasse, HZ 261 (1995), 1; Meyer, T., Stand und Klasse, 1997

Klassenjustiz ist die Ausübung des Richteramtes durch Angehörige der gesellschaftlich herrschenden →Klasse (Liebknecht 1907) bzw. nach Klassen unterscheidende, im Dienste einer herr­schenden Klasse stehende Rechtspflege.

Lit.: Kroeschell, 20 Jh.; Engels, F., Die Lage der arbeitenden Klasse in England, 1845; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 46; Kocka, J., Lohnarbeit und Klassenbildung, 1983; Rohrßen, B., Von der Anreizung zum Klassen­kampf zur Volksverhetzung (§ 130 StGB), 2009

Klassisches römisches Recht (vgl. Hugo 1790 Lehrbuch und Chrestomathie des classischen Pandectenrechts) →römisches Recht

Kleid ist eine dem Schutz und Schmuck dienende, durch Tätigkeit geschaffene Um­hüllung des Menschen. Das Kleid kann durch Rechtssätze festgelegt werden (Kleider­ord­nung). Es kann als Metapher oder Kennzeichen für rechtliche Vorgänge und Zustände Verwendung finden (→Gewere, →Investitur, Robe, Uniform).

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Kania, K., Kleidung im Mittelalter, 2010

Kleiderordnung ist eine →Ordnung über die Verwendung von →Kleidern. Vielleicht unter dem Einfluss der Kirche, in der die Bekleidung der Geistlichen von erheblicher Bedeutung ist, werden im Spätmittelalter zum Schutz vor Ver­schwendung an vielen Orten Kleider­ord­nungen erlassen (Spanien 1234/1256, Frankreich 1279/1294, Hannover 1312, England 1336, Göttingen 1340). Dabei gehen die Städte den Ländern anscheinend voran.

Lit.: Köbler, DRG 139; Hampel-Kallbrunner, G., Beiträge zur Geschichte der Kleiderordnungen, 1962; Eisenbart, L., Kleiderordnungen, 1962; Schädler, K., Die Lederhose in Bayern und Tirol, 1962; Baur, V., Kleiderordnungen in Bayern, 1975; Jarrett, L., Striptease, 1999; Reich, A., Kleidung als Spiegelbild sozialer Differenzierung, 2005 Klein, Ernst Ferdinand (Breslau 3. 9. 1744-Berlin 18. 3. 1810), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Halle (Nettelbladt) Anwalt, 1781 Mitarbeiter am Allgemeinen Landrecht Preußens (Strafrecht), 1791 Professor in Halle und 1800 Richter in Berlin. In seinen Merkwürdigen Rechts­sprü­chen der Hallischen Juristen­fakultät erarbeitet er An­sätze für sichernde Maßnahmen.

Lit.: Mumme, H., Ernst Ferdinand Kleins Auffassung von der Strafe und den sichernden Maßnahmen, 1936; Hoffmann, U., Ernst Ferdinand Kleins Lehre vom Verhältnis von Strafen und sichernden Maßnahmen, Diss. jur. Breslau, 1938; Brünker, H., Der Kriminalist Ernst Ferdinand Klein, Diss. jur. Bonn 1973; Kleensang, M., Das Konzept der bürgerlichen Gesellschaft bei E. F. Klein, 1998

Klein, Franz (Wien 24. 4. 1854-6. 4. 1926), Goldschmiedssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien 1885 Kanzleidirektor, 1891 außerordentlicher Professor und 1895 ordentlicher Universitätsprofessor. Auf Grund der Schrift (lat.) Pro futuro (Für die Zukunft) wird er Beamter des Justizministeriums in →Österreich und arbeitet die Zivilprozess­ordnung (1895), die Exekutionsordnung und das Gerichtsorganisationsgesetz aus, in denen die Stellung des Richters gestärkt wird.

Lit.: Festschrift Franz Klein, 1914; Forschungsband Franz Klein, hg. v. Hofmeister, H., 1988

kleindeutsch (Adj.) deutsch ohne Österreich

Kleines Kaiserrecht ist ein wohl zwischen 1328 und 1350 zwischen Frankfurt am Main und der Wetterau nach dem später sog. →Schwabenspiegel (Kaiserrecht) abgefasstes Rechtsbuch eines fränkischen Anhängers Kaiser Ludwigs des Bayern. Es enthält Prozessrecht und Gerichtsverfassungsrecht, Privatrecht und Strafrecht, Lehnrecht (besonders der Reichsdienstmannen) und Recht der Reichs­städte.

Lit.: Das Keyserrecht, hg. v. Endemann, H., 1846; Gosen, J. v., Das Privatrecht nach dem kleinen Kaiserrecht, 1866; Schröder, E., Ein altertümliches Bruchstück, ZRG GA 17 (1896), 120; Isay, H., Zur Geschichte des kleinen Kaiserrechts, ZRG GA 19 (1998), 145; Munzel, D., Die Innsbrucker Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Munzel, D., (in) Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 42; Munzel-Everling, D., Des keisers recht, 2003

Klenkok, Johannes (Brücken 1. Viertel 14. Jh.-Avignon 15. 6. 1374), Professor der Theologie, stellt in Magdeburg 1369 zehn (später 21) Artikel des →Sachsenspiegels zusammen, die nach seiner Ansicht gegen kirchliches Recht verstoßen (lat. [M.Pl.] →articuli reprobati).

Lit.: Böhlau, H., Zur Chronologie, ZRG GA 4 (1883), 118; Kullmann, J., Klenkok und die „articuli reprobati“ des Sachsenspiegels, Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 28

Kleriker ist der Angehörige des →Klerus. Für ihn gilt das kirchliche Recht. Da vor allem im Frühmittelalter fast nur K. schreiben können, sind sie gleichzeitig Träger wichtiger weltlicher Aufgaben (vgl. engl. clerk).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Poncet, P., Les privilèges des clercs au moyen-âge, 1901; Moeller, B., Kleriker als Bürger, FS H. Heimpel, Bd. 2 1972, 195

Klerus ist im katholischen Kirchenrecht der geistliche Stand im Gegensatz vor allem zu den Laien. Der K. hat zahlreiche Standes­pflichten. Umgekehrt genießt er zumindest zeitweise erhöhten Schutz gegen Ehrverletzungen (lat. privilegium [N.] canonis, vgl. C. 1, 3, 10), Befreiung von der weltlichen Gerichtsbarkeit (lat. privilegium [N.] fori, vgl. Nov. 79 u. Ä.), Befreiung von weltlichen Pflichten wie Kriegs­dienst, Schöf­fenamt  u. s. w. (lat. privilegium [N.] immu­nitatis, vgl. Codex Theodosianus 16, 2) und Schutz vor Zwangsvollstreckung (lat. beneficium [N.] competentiae, vgl. Liber extra 3, 23, 3). Während des Heiligen römischen Reiches  ist der K. sowohl in den Reichsständen wie auch in den Landständen ansehnlich vertreten.

Lit.: Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche im Mittelalter, 3. A. 1958; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Johag, H., Die Beziehungen zwischen Klerus und Bürgerschaft, 1977; Schulte-Umberg, T., Profession und Charisma, 1999

Klettgau

Lit.: Peter, A., Das Landgericht Klettgau, 1966

Kleve, Cleve, ist eine im 11. Jh. entstandene Grafschaft, die 1417 zum Herzogtum erhoben wird und 1614 an Brandenburg (bzw. 1701 Preußen) fällt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung der Gesetze und Verordnungen, 1821; Scotti, J., Sammlung der Gesetze und Verordnungen, 1826; Schottmüller, K., Die Organisation der Central­verwaltung in Kleve-Mark, 1896; Wollenhaupt, L., Die Cleve-Märkischen Stände im 18. Jahrhundert, 1924; Ilgen, T., Quellen zur inneren Geschichte der rheinischen Territorien – Herzogtum Kleve, 1921; Rüthning, G., Ein bisher unbekanntes Stadtrecht von Kleve, ZRG GA 55 (1935), 239; Köbler, G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen (1815-1945), FS G. Schmelzeisen, 1980, 176; Klevische Städtepri­vilegien, hg. v. Fink, K., 1989; Die ältesten Klever Stadtrechtshandschriften, bearb. v. Schleidgen, W., 1990; Das Stadtrecht von Cleve, hg. v. Fink, K., 1991; Die ältesten Klever Stadtrechtshandschriften, bearb. v. Schleidgen, W., 1994; Der Oberhof Kleve und seine Schöffen­sprüche, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1994; Die klevischen Hofordnungen, hg. v. Flink, K., 1997; Lieven, J., Adel, Herrschaft und Memoria, 2008

Klöntrup, Johann Aegidius (Glane 30. 3. 1754-Lechterke 25. 4. 1830), Prokurators­sohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen Anwalt in Osnabrück. Er verfasst mehrere Werke zum bäuerlichen Recht (u. a. Alphabetisches Handbuch der besonderen Rechte und Gewohnheiten des Hochstifts Osnabrück, 1798).