(14) Beilage 1.

Vorschlag, daß eine allgemeine Gerichtsordnung und gleiches Landrecht in allen benachbarten österreichisch-deutschen Erblanden einzuführen seie.

Erstlich: Es könnte zu gemeinsamen Besten aller österreichischen Erblanden nichts ersprießlicher und heilsamer sein, als wann in allen unter einem Landsfürsten stehenden Landen eine gleiche Gerichtsordnung und gleiches Länderrecht eingeführet wurde, mithin die gesammte Unterthanen zu allgemeiner Wohlfahrt untern einem Gott, einem Landsfürsten und einerlei Gesetz vereinbart zu sein sich zu erfreuen hätten.

Die Vollstreckung dieses Vortrages wäre unbeschreiblich nutzbar, ist annebens allerdings thunlich, folget also, daß solcher Vortrag verdienete, zu gemeinsamen Besten deren Länder in die Wirklichkeit gesetzet zu werden. Belangend nun Andertens: Den unvergleichlichen Nutzen, kann selber nicht mißkennet werden, wann nachfolgende Betrachtung zu Gemüth gezogen werden. Dann 1. kann der Zeit ein wackerer österreichischer Rath nur in Oesterreich, ein stattlicher böhmischer Rath nur in böhmischen Ländersachen und so fort mit Nutzen gebrauchet werden; keinerdings aber kann der österreichische, obschon ausbündige Rath zu Manipulirung deren böhmischen Länderangelegenheiten; weder der böhmisch-fürtreffliche Rath zu ersprießlicher Manipulirung in österreichischen Justiz- und Polizeiaffairen mit guten Nutzen angewendet werden. Eine gleiche Beschaffenheit hat es mit denen Räthen, Officianten und Advocaten all übriger Länder, welche für ihr Land stattlich und ausbündig sein mögen, außer ihres Vaterlandes aber wenigen Nutzen schaffen werden. Der Satz ist in sich selbst so richtig und unwidersprechlich, daß ein jeder böhmische und respective österreichische oder tirolerische Rath etc. nach seinen Gewissen wird gestehen müssen: er getraue sich zwar in böhmischen Justiz- und Polizeiwesen, auch der böhmischen Landsverfassung in denen ihme auftragenden Amtirungen seiner allerhöchsten Landesfürstin ein volles Vergnügen zu leisten; allein in der österreichischen ganz unterschiedenen Gerichtsordnung, Landrecht, Landsgewohnheiten und Landesverfassung seie ihme der nöthige Unterricht abgängig, seie also außer Stande, nach dem Landesrecht mitzuwirken und ein sicheres Urtheil zu fällen, ehe und bevor er sich durch besondere Anwendung und Beflissenheit die Kenntniß der landsüblichen Gerichtsordnung und Landessatzungen beigeleget habe.

Eine gleiche Bewandtniß hat es mit dem österreichischen, steirischen, kärntnerischen oder tirolerischen Rath, wann selber in Böhmen zu einer Justiz- oder anderen auf besonderer Landserfahrenheit beruhenden Bedienstung sollte angestellet werden.

Die Ursach des Satzes ist handgreiflich: weilen jedes Erbland mit unterschiedener Gerichtsordnung, besonderen Landsatzungen und Gewohnheiten versehen ist, welche ohne mühesamer Erlernung und langwieriger Uebung nicht können in Erfahrenheit gebracht werden, und um so schwerer zu untergreifen seind, weilen selbe in keinem compilirten Landrecht, sondern meistentheils in zerstreuten, nach und nach emanirten Satzungen bestehen. Dahingegen wann ein gleiche Gerichtsordnung, gleiches Landrecht und Landesverfassung in allen Erblanden eingeführet wäre, so würde der allerhöchste Landsfürst den nämlichen Rath, nämlichen Advocaten, nämlichen Officianten in allen Erbländern zu seinen Dienst gebrauchen, die in diesem oder jenem Land sich äußernde Gebrechen durch Abschickung eines böhmischen oder österreichischen Raths aller Orten leichtlich verbessern und die tauglichste Räthe nach Erforderniß deren Umständen von einem Land in das andere anwenden können.

(15) Eben diese Gleichförmigkeit würde der obersten Justizstelle eine ausnehmende Leichtigkeit zur allerförderlichsten Justizverwaltung verschaffen: anerwogen dieselbe derzeit, um in allen Ländern die gemessene Remeduren zu verschaffen und die wahre innerliche Beschaffenheit deren Länderbeschwerden untrüglich einzusehen, auch nothwendig aller Länder verschiedene Gerichtsordnungen, Landessatzungen und Gewohnheiten vollständig innen haben muß; in Fall der Gleichförmigkeit aber ganz leicht die Nothdurft deren Länder mit heller Einsicht übersehen, die einreißende Mißbräuch tilgen und denen etwa zudringenden Bedrangnussen deren Parteien behender zu steuren in Stand gesetzet würde.

Durch eben diese Gleichheit des Rechtens würde auch denen sammentlichen Erblanden selbst gegen einander der größte Nutzen zufließen, auch Handel und Wandel aller Orten in besseren Flor gebracht werden. Indeme nicht anzustehen,

daß derzeit die Einwohnern eines Landes von darumen Bedenken tragen, Verkehrungen mit eines anderen Landes Inwohnern zu machen und Gelder dahin zu leihen oder sich daselbst Realien anzukaufen, weilen selbe wegen Unterschiedenheit deren ihnen unbekannten fremden Rechten in Sorgen stehen, in Rechtsführungen verflochten zu werden oder ihre ausleihende Capitalien schwerlicher hereinbringen zu können. Dahingegen bei obwaltend – gleichen Recht und zu erwarten habend – gleicher Justizadministration vorgedachte Besorgung von selbst hinwegfallen und besseres Zutrauen zwischen denen Einwohnern deren verschiedenen Ländern eingepflanzt wurde. Deme hinzukommet, daß wann in zwei Ländern entgegenstehende Rechte beobachtet werden, zum Exempel in einem Land wird eines Abwesenden Gut nach verstrichenen 32 Jahren denen nächsten Anverwandten zugetheilet; in dem anderen Land muß eine längere Zeit abgewartet werden; in einem Land kann ein ausländisch, obschon näherer Anverwandter nicht erben, falls ein obschon weitschichtigerer Blutverwandter im Land ist; in dem anderen Land erbet der nächste Anverwandte, er seie aus diesem oder jenem Erbland gebürtig. Bei solchen in denen Erblanden selbst vorfindig entgegengesetzten Rechten entstehet das Jus reciproci, retorsionis, seu repressaliorum, wodurch die Unterthanen von einerlei Landsfürsten, jedoch von zweierlei Landschaften zu schweren Rechtführungen verleitet werden, welches jus retorsionis oder Wiederkehrungsrecht durch die Gleichförmigkeit des Rechtens von selbst aufhöret. Gleichwie nun keinem Zweifel unterworfen zu sein scheinet, daß die Gleichheit des Rechts und Justizadministration in denen Erbländern höchst nutzbar; so ist

Drittens: An der Thunlichkeit solch gleichförmigen Einführung ebenfalls nicht anzustehen. Die Römer haben untern einem Gesetz die ganze Welt regieret: der Kaiser Justinian hat sein Recht nicht für die Stadt Constantinopel, sondern für alle seine Ländereien zusammentragen lassen. Warum sollte also nicht ebenfalls thunlich sein, daß wenigstens die österreichischen benachbart deutsche Erbländer unter einerlei Gerichtsordnung, unter einerlei Satzungen sollten können vereiniget werden?

Die Verschiedenheit deren Gerichtsordnungen und Landsordnungen und Gewohnheiten nimmt ihren Ursprung, weilen vor alten Zeiten diese Länder ihre eigene Herzoge gehabt. Nachdeme nun diese Landschaften unter dem glorreichesten Haus Oesterreich (welches der Allerhöchste bis zum Ende der Welt mit reichesten Segen erfülle und und in immerwährenden Wachsthum erhalte), mithin unter einem allerdurchlauchtesten Oberhaupt vorlängst mit glücklichsten Band verknüpfet worden, so ist keine Hinderung, womit auch alle diese Länder mit einem gleichförmigen Gesetz untereinander auf das genaueste verbunden werden. Die zu den alten Gewohnheiten vorhangende Privatneigungen müssen der gemeinsamen Nutzbarkeit jederzeit weichen. Es ware in Land Oesterreich ob der Enns eine uralte Landsgewohnheit, daß die Verlassenschaften nicht bei Gericht ordentlich abgehandelt, weder die Gerhabschafts-Raittungen zu Gericht erleget, weder die denen Gütern

(16) anklebende Eigenschaften eines Fideicommissi, eines lehenbaren Guts, weder die darauf haftende onera ordnungsmäßig bei denen Gütern fürgemerket, weder ein ordentliches Vormerkbuch oder Landtafel zur Sicherstellung deren Hypotheker-Creditore eingeführet worden. Ihrer kaiserl. königl. Majestät haben aus erleuchtester Einsicht gründlichst erkennet, daß diese alte Gewohnheiten dem gemeinsamen Ländernutzen entgegenstehen und dahero mit gerechtester Entschließung die gleichförmige Einführung der in anderen Ländern bereits mit guten Nutzen in Uebung gebrachten Landtafel nebst denen künftigen Verlassenschaftsabhandlungen und was deme anhängig, allergnädigst anbefohlen.

Der Ihrer kaiserl. königl. Majestät angestammte Justizeifer, die mehr als mütterlich zärtlichste Liebe für allerhöchst dero getreueste Unterthanen, die zu Unternehmung aller ansonst schwersten Handlungen angeborne bewunderungswürdige, höchste Gemüthsgaben und die zu werkthätiger derenselben Ausführung besitzend lebhafteste Standhaftigkeit können unschwer zu Stand bringen, daß auch in allen übrigen Rechtstheilen eine Gleichförmigkeit in allen dero Erblanden zu allgemeiner Wohlfahrt zu Stand gebracht werde, wann zu solchen Erwirkungsende eine autorisirte perpetuirliche Hofcommission niedergesetzet und derselben das Werk mit Vernehmung deren Länderstellen in die erforderliche Weg einzuleiten die behörige Gewalt eingeräumt würde.

Es würde ja ex. gr. In Betreffung der Gerichtsordnung denen Ländern gleichgiltig sein: ob der Execut.-ordin.-Concursproceß etc. Die Appellations-Revisionsordnung etc. mit diesen oder jenigen Fristen, mit solch oder anderen Formalitäten, mithin gleichförmig in allen Ländern abgeführet würde? Wann nur hiebei der Hauptendzweck der fördersamen Justizadministration erreichet wird. Es würden sich endlich auch die Rechtsmaterien selbst mit gemeinsamer Vernehmung der Ländern in eine Gleichstimmigkeit zusammen bringen lassen, allenfalls aber, wann doch ein oder anderen Land einige besondere Rechten und Gewohnheiten aus triftigen Ursachen müßten beigelassen werden, würden solche jedoch zum allgemeinen Wissen öffentlich kundgemacht und dem allgemeinen Länderrecht einverleibet werden müssen.

Beilage 2.

Grundsätze

zur Verfassung des allgemeinen Rechts für gesammte kaiserl. königl. deutsche Erblande, wie solche bei der zu Brünn niedergesetzt gewesenen Commission zu gründlicher Ausarbeitung des Codicis Theresiani Universalis allen anfangs entworfen, einmüthig genehmiget und zeithero unabweichlich beobachtet worden.

Anmerkung.

Nachdeme durch allerhöchste Entschließungen von 14. Mai und 18. Juni 1753 die vorbesagte Commission dahin angewiesen worden, daß in Ausarbeitung des Codicis Theresiani die vorhandene heilsamste Ländergesetze gegen einander gehalten, das natürlichste und billigste ausgewählet, der Abgang nach der gefunden Vernunft, dann allgemeinen Natur- und Völkerrecht erganzet, nach Bedürfniß neue Satzungen vorgeschlagen, und so gestaltet die Länderrechte (ohne allen Vorurtheil für eines oder das andere) in Gleichförmigkeit gebracht werden

(17) sollten; so hat erdeute Commission in allerunterthänigster Befolgung sothaner allerweisesten Maßregeln die allerhöchste Absicht desto gesicherter zu erreichen und die Compilation des codicis universalis allmöglichst zu beschleunigen der Nothdurft zu sein erachtet, sich über gewisse Grundsätze vorläufig zu vereinigen, denen in Auswahl des billigsten, Ergänzung des abgängigen und Vorschlag des allenfalls nöthigen ganz neuen Rechts zuverläßlich nachgegangen werden könnte.

Die Absicht ware zugleich vorzubiegen, damit in dem Fortgang deren Commissional-Operationen es nicht auf bloßes Gedünken und Dafürhalten ankommete, was das Natürlichste und Billigste seie. Vielmehr eine einverständliche Richtschnur vorhanden wäre, das Natürlichste und Billigste aus richtigen Grundsätzen abzufolgern, denen man wegen offenbarer Billigkeit und untrüglichen Vernunftsschluß nicht leicht entfallen könnte. Immaßen ohne vorgehender Feststellug solch sicherer Grundsätzen zu besorgen gewesen, daß eben hierüber, was das Natürlichste und Billigste seie, die Meinungen sich am allermeisten theilen, die Ausarbeitung verzögeren und die Erreichung des allerhöchsten Endzwecks verspäten dürften.

Folgen die alldaselbst commissionaliter concertirte Compilationsgrundsätze.

I. Wann ein Unterschied zwischen denen Länderrechten vorkommet, ist auf dessen Ursprung zu sehen, und damit solcher entdecket werde, soweit als möglich hinauf zu gehen, bis auf ein Hauptprincipium gelanget werde, worinnen die zum Augenmerk habende Länderrechte, entweder ausdrücklich übereinkommen oder wenigstens nichtes enthalten, so diesem Principio entgegen wäre.

II. Ein solches Hauptprincipium ist unstrittig für den natürlichsten und billigsten Grundsatz zu halten, und wird entweder offenbar in dem Natur- und Völkerrecht gegründet sein, oder, da es auch ein principium juris positivi wäre, wegen Einhelligkeit deren erbländischen Gesetze außer Anstand zu beruhen haben, weil hieran die abgezweckte Gleichförmigkeit schon erreichet ist. Es wäre dann, daß ohnerachtet der Einhelligkeit deren bisherigen erbländischen Gesetzen etwas Billicheres und zu Erreichung dermaligen Endzwecks Diensameres vorzuschlagen und fürders pro principio zu halten wäre.

III. Von dergleichen unstrittigen Grundsatz seind allemal die nächste Folgen abzuleiten, und wann in diesen die Länderrechte übereinkommen, oder nichts Widriges enthalten, ist sofort eine jede sichere Folge zum weiteren Grundsatz anzuuehmen (= anzunehmen). Wann jedoch gleich in denen ersteren Folgen sich ein Unterschied hervorthäte, ist fernerweit dessen Ursprung oder Anlaß zu erforschen.

IV. Ob nämlich der Unterschied selbst von dem Inhalt derer bisherigen Ländergesetze, oder von hergebrachten landesfürstlich bestätigten, oder bloß zugelassenen Gewohnheiten, oder nur von Gebrauch und Uebung deren Gerichten herrühre.

Ob ferner ein solcher Unterschied in die Hauptverfassung oder Freiheiten deren Länder unmittelbar einschlage oder nicht.

V. Ebenermaßen, wann von einem einhelligen Grundsatz, oder richtigen Folge sich in diesen oder jenen Länderrecht ein Abfall oder Ausnahme zeiget, ist zu untersuchen, ob selbst die Ländergesetze derlei Abfall oder Ausnahme bemerken, oder ob ein hergebrachte landesfürstlich bestätigte, oder bloß geduldete Gewohnheit den Abfall oder Ausnahme eingeführet habe, oder ob endlich nur durch Gebrauch und Uebung deren Gerichten von dem Hauptsatz ein Abfall und von der Regel eine

(18) Ausnahme entstanden seie, nicht minder ob derlei Abfall oder Ausnahme die Hauptverfassung oder Privilegia eines Erblandes betreffe oder nicht?

VI. Ist ein Unterschied deren von einem Hauptprinzipio ableitlichen Folgen, oder ein Abfall und Ausnahme hiervon, in dem Buchstaben eines oder des andern Landrechts gegründet, so ist förderist auf den wörtlichen Verstand des Landesgesetzes, dann auf Sinn und Meinung des höchsten Gesetzgebers und endlich auf den Endzweck und Bewegursache der Gesetzgebung zu sehen.

VII. Wann der wörtliche Ausdruck unterschieden, doch Sinn und Meinung einerlei ist, so wird keine Beschwerniß sein, von den Worten abzugehen und nach Sinn und Meinung des höchsten Gesetzgebers ein gleichförmiges Gesetz zu entwerfen. Wann aber solch höchster Sinn und Meinung nicht klar genug abzunehmen wäre, so ist die End- oder Bewegursache des Gesetzes desto nothwendiger zu ergründen.

VIII. Zielet nun ein und das andere Gesetz zu gleichem Endzweck, so kann dasjenige gewählet werden, was leichterer und sicherer darzu führet. Ist aber der Endzweck mehrerlei, so ist die Hauptabsicht denen anderen vorzuziehen; ist endlich der Hauptendzweck ganz unterschieden (so sich nicht leicht ergeben wird), so kommet fernerweit zu erwägen:

IX. Ob es um ein bloßes arbitrarisches Gesetz zu thun seie, so keine andere Ursach für sich hat, als den besonderen Willen des höchsten Gesetzgebers für dieses oder jene Land. Solchenfalls (weil dermalen der allerhöchste Willen auf Gleichförmigkeit des Rechts in allen Erblanden gerichtet ist) kann man jenes von denen bisherigen Gesetzen wählen, oder ein zur allgemeinen Maßgab neu vorschlagen, welches dem ungekünstelten Natur- und Völkerrecht am allermeisten beikommet und der gegenwärtigen politischen Verfassung deren gesammten kaiserlich königlichen deutschen Erblanden am gemäßesten ist.

X. Ob hingegen es um ein Gesetz zu thun seie, welches tief in die Länderverfassung einschlaget und welches der Gleichförmigkeit halber in einen oder dem andern Land abzuändern von darumen Bedenklichkeit hätte, weil der Hauptendzweck des Gesetzes, von der unterschiedenen Verfassung des Landes unabtrennlich wäre und zu besorgen stünde, daß bei einzuführender Gleichheit dies- oder jenes ländige Verfassung gestöret und der gesetzgebige Hauptendzweck solchländig verfehlet würde.

Solchenfalls ist in keine Auswahl oder Vorschlag eines neuen Rechts einzugehen, weil dasjenige, was den statum publicum oder die politische Verfassung ein und des andern Erblandes anbetrifft, von dem objecto des abzufassenden Codicis Theresiani durch das kaiserliche königliche Hofdecretum von 14. Mai 1753 besonders ausgeschlossen und sich hierein nicht einzulassen zur Richtschnur geboten ist.

XI. Es wird solchemnach in derlei Fällen der vorkommende Unterschied auch in denen nachherigen Folgen beizuhalten, und denen für allgemein abfassenden Sätzen eine dahin beziehende Ausnahme jedesmal beizufügen sein, damit allerhöchsten Orts sowohl dasjenige, was in jeden Vorfall überhaupt billig, als auch dasjenige, was denen sonderheitlichen Verfassungen oder landesfürstlichen Verleihungen und Freiheiten gemäß und hieraus erfolgreich seie, zugleich abgenommen werden möge, und wobei es zu bewenden habe, unterwerflichst anheim verbleibe.

XII. Wann der Unterschied deren von einem einhelligen Hauptprinzipio ableitlichen Folgen, Abfällen oder Ausnahmen nur von Gewohnheiten (so entweder landesfürstlich bestätiget, oder unbestätiget seind) herrühret, so ist vornemlich hierauf zu sehen, ob eine dergleichen Gewohnheit irgendswo per legem expressam bestätigt seie, oder sich in landesfürstlichen Satzgebungen, General-Verordnungen, Handvesten, Recessen, Rescripten, Endbescheiden oder anderen ausdrücklichen allerhöchsten Willensäußerungen hierauf bezogen werde, oder ob nicht ein solche

(19) Gewohnheit nur in Landesgebrauch und lediglich in tacito principis consensu bestehe.

XIII. Im ersten Fall, weil ein solche Gewohnheit, wo nicht bereits in jus scriptum verwandlet worden, doch den ausdrücklichen landesfürstlichen Willen für sich hat, ist solche anderen Landesgesetzen gleich zu achten, mithin auf die vorher angezeigte Art, bei sich zwischen denen Ländern ereignenden Unterschied zu verfahren.

XIV. Im anderten Fall ist zwar in Rechten des juris scripti et non scripti, mithin des consensus principalis expressi et taciti einerlei Wirkung. Es höret aber Letzerer (!) (= Letzterer) auf und kann jus consuetudinarium in solcher Qualität nicht ferner bestehen, wann (wie in Gegenwart) der allerhöchste landesfürstliche Willen dahin gehet, ein beschriebenes gewisses und gleichförmiges Recht allenthalben einzuführen.

XV. Es wird dahero eben hierinfalls ankommen, ob consuetudo circa mere arbitraria versire? Und da wird vorzüglich das Augenmerk und Bedacht auf die ein- oder mehrländige legem scriptam zu nehmen und solche bei Befund einer allen Ländern gemeinsamen Andienlich- und Nutzbarkeit auf übrige Erblande zu extendiren sein.

Es wäre dann, daß ganz andere Ursachen für eines oder übrige Erblande unterwalten thäten, welche bei vorschlagender extension den gesetzgebigen Endzweck unsicher machen oder dies- und jenerländige Verfassung alteriren thäten, oder daß die in ein und andern Ländern eingeführte Gewohnheiten dem allgemeinen Natur- und Völkerrecht und der natürlichen Billigkeit näher beikämen, als das etwa anderländig vorfindliche geschriebene Recht.

XVI. Gestalten eben wie bevor bei unterschiedenen Ländergesetzen, also auch bei unterschiedenen Gewohnheiten oder Gesetzen und Gewohnheiten gegen einander es also zu nehmen ist, daß wann solche tief in die Länderverfassung einschlagen, sich in die Auswahl oder anderweiten Vorschlag nicht einzulassen, sondern der Unterschied in allen daraus ableitlichen Folgen beizuhalten und als eine auf dergleichen in die Landesverfassung einschlagende Gewohnheit sich beziehende Ausnahme zu bemerken seie.

XVII. Es wird aber, wann es um die Frage zu thun, ob ein besonderes Landesgesetz oder Gewohnheit in die Landesverfassung einschlage, nicht eine jedwede entfernte connexion zu beirren haben, daß sofort fürzugehen angestanden und die einzuführende Gleichförmigkeit für unthunlich angesehen werden sollte. Ansonsten, da bekanntlich alle Gesetze und Gewohnheiten zu gemeinen Besten abzielen (allwohin auch die Verfassung eines jeglichen Landes gerichtet ist), in allen Fällen

(20) ein Zusammenhang vorgeschützet werden könnte, um bei vorigen Gesetzen und Gewohnheiten zu beruhen und einen vielfältigen Unterschied deren Länderrechten fernerweit zu hegen.

XVIII. Gleichwie nun dieses der allerhöchsten zur Gleichförmigkeit des Länderrechts abzielenden Intention sehr entgegen wäre, als wird bei Vorkommen deren sonderheitlichen Ländergesetzen und Gewohnheiten nur auf unmittelbaren und wesentlichen Einfluß in die Länderverfassung, nicht aber auf alle entfernte Folgerungen, deren so gestaltige, oder andere Bewandtniß mehr gleichgiltig als bedenklich sein kann, zu sehen sein.

XIX. Wesentlich und derohalben in der Verabfassung des juris privati nicht zu berühren ist alles dasjenige, was die landesfürstliche Hoheit, und Regalien, das aerarium, die jura commercialia, fiscalia, außer wo der Fiscus sich des juris privatorum gebrauchet, und dergleichen anbetrifft.

Was die Ordnungen, Vorrechte, Privilegia und Freiheiten deren Stände angehet, ist ebenfalls für wesentlich anzusehen.

Eben also was die Bestellung deren Gerichte, die Verwaltung des gemeinen Wesens, Handhabung der Gerechtigkeit, Ordnung der Polizei und dergleichen anbetrifft.

XX. Was hingegen, ob es also oder anderst gehalten werde, denen landesfürstlichen juribus unnachtheilig, denen ständischen Privilegiis unabbrüchlich, der Verwaltung gemeinen Wesens und Handhabung der Gerechtigkeit unverhinderlich zu sein befunden wird, ist nicht für so wesentlich anzusehen, daß nicht gestattet wäre in dahin einschlagenden Rechtsfällen auf Gleichförmigkeit zu trachten, und entweder eines von denen bisherigen, oder ein neues Recht zu allgemeinen Maßgab vorzuschlagen.

XXI. Wann endlich ein Unterschied deren von einem einhelligen Principio, oder richtigen Folge weiterhin ableitlichen Sätzen, Abfallen oder Ausnahmen bloß von Gebrauch und Uebung dies- oder jenländiger Gerichten herkommet, so ist zu beobachten:

Ob solcher Gebrauch und Uebung durchgängig und universal bei allen dortländigen Gerichtstellen, oder nur sonderheitlich bei einigen Gerichten seie?

Ob dieser in denen landesfürstlichen Instructionen deren Gerichtstellen gegründet, oder nur nebenhin eingeführet seie?

Ob solcher jemalen von allerhöchsten Ort bestätiget, oder bei höchster Behörde hiernach decidiret worden?

Ob solcher Gebrauch und Uebung lediglich eine Formalität, oder selbst das materiale causarum anbelange?

XXII. Ist der Gebrauch durchgängig und universal, so ist solcher für eine Landesgewohnheit und falls derselbe ausdrücklich in einer landesfürstlichen Instruction gegründet wäre, sogar pro lege zu achten und wie vorhin von unterschiedenen Gesetzen und Gewohnheiten gemeldet worden, in operando fürzugehen. Eben also, wann solcher jemalen allerhöchst bestätiget oder bei höchster Behörde hiernach judiciret worden wäre, und hauptsächlich damalen, wann der Gebrauch und Uebung in das materiale causarum einschlaget.

XXIII. Ist aber derlei Gebrauch nicht durchgängig und bei allen Gerichten üblich, auch nicht in instructionibus deren Gerichtstellen gegründet, sondern nur nebenher eingeführet, per decisa summi principis nicht bestätiget und (wie mehrentheils) nur auf die Formalität gerichtet; da kommet hauptsächlich zu beobachten, ob nicht vielmehr ein Mißbrauch oder Ueberfluß darunter enthalten seie, welchenfalls die

(21) nachdrücklichste Maßgab in vorgedachten kais. köngl. Hofdecreto von 14. Mai enthalten ist, die eingeschlichenen Mißbräuche und Verzögerungen zu entdecken und darauf zu reflectiren, wie solche gänzlichen abzuthun. Besonders ist mit aller Strenge dargegen fürzugehen, wann derlei Mißbräuche und Aufzüge von denen Advocaten herrühren und mit dem Vorwand einer praxis judiciariae bemäntlet werden.

XXIV. Aber da auch ein und anderer Gerichtsgebrauch, Praxis, Stylus und wie immer benamende Formalität an sich selber nicht verwerflich wäre und in ihren Schranken zu keinen Umtrieb gereichete, ist doch auf dergleichen versessen zu sein keine genügliche Ursach, alsbald auf andere Art eben sowohl (um so mehr, wann leichter und geschwinder) zu Recht verholfen werden kann.

Ueberhaupt ist hierinnen der Natürlichkeit nachzugehen, und seind diejenige Gerichtsübungen vorzuziehen oder allenfalls neu vorzuschlagen, bei welchen die wenigste Subtilität erforderlich, die mindeste Beirrung besorglich, der geringste Aufwand nöthig und die größte Beschleunigung zu gewarten ist.

XXV. Sogestalt ist in Fällen zu verfahren, wo die bisherige Länderrechte, Gewohnheiten und Gebräuche eines oder mehrere von denen übrigen, oder alle von einander unterschieden seind, doch den Fall, um welchen es zu thun, vollständig in sich begreifen.

Wann aber ein oder anderer Fall zwar berühret, jedoch nicht vollständig entschieden wäre, also daß zu vollständiger Entscheidung sich ein Abgang deren Länderrechten oder statthabenden Gewohnheiten erzeigete, so ist dergleichen Abgang aus dem natürlichen und Völkerrecht zu ersetzen.

XXVI. Wann endlich ein Vorfall in denen bisherigen Länderrechten gar nicht ausgemessen, weder durch löbliche Gewohnheiten eine sichere Beobachtung eingeführet wäre, vielmehr die Bedürfniß und Billigkeit ein ganz neues Gesetz erfordern thäte, so ist ein solches ohne Rücksicht auf bisherige Observanz in Vorschlag zu bringen.

Weil jedoch in diesen und vorigen Fällen das Natur- und Völkerrecht, dann die Bedürfniß und Billigkeit zur Richtschnur vorgeschrieben ist, so will eine nähere Anleitung vor sich zu haben nöthig sein, wie dem Natur- und Völkerrecht verläßlich nachgegangen und nebst der natürlichen Billigkeit zugleich der Bedürfniß hinlänglich vorgesehen werden könne.

XXVII. Das Natur- und Völkerrecht zwischen Privatpersonen (maßen es nur um Privatrecht zu thun ist), erstrecket sich so weit, als viel deren unterschiedenen Handlungen in menschlicher Gesellschaft vorkommen, wovon der Gebrauch gesitteten Völkern eigen und gemeinlich ist.

Es seind jedoch gewisse Hauptquellen, mittelst welchen die natürliche Billigkeit in alle Civilhandlungen den Einfluß hat, nicht nur inwieweit es unmittelbar um Erhaltung der menschlichen Gesellschaft zu thun ist, sondern auch, was mittelbar zu diesem Endzweck gereichet.

Und es seind nicht allemal strenge Pflichten, deren Unbeobachtung das Band der menschlichen Gesellschaft auflöset, welche zur Richtschnur der natürlichen Billigkeit andienen, sondern es seind auch gewisse Wohlanständigkeiten, bei welchen eine besondere Billigkeit unterwaltet.

XXVIII. Es ist zum Beispiel die natürliche Freiheit eines von jenen unschätzbaren Gütern, so nicht weiter zu verschränken, als es das gemeine Wohl erforderet und darumen erheischet die Billigkeit jenes vorzuziehen, was der natürlichen Freiheit am allerwenigsten entgegen ist.

Also ist billig, einem wahren und unbehinderten Eigenthümer die Uebertragung seiner Sachen an Andere zuzulassen, die Errichtung eines letzten Willens nicht

(22) zu behindern, allerlei ehrbare Vergleichungen, Abreden und Verträge zu gestatten u. s. w.

XXIX. Es erforderet der Wohlstand, damit Niemand an seinen Nutzen und Gemächlichkeit, so er ohne des Andern Nachtheil suchet, behinderet werde. Und dahero ist billig und leicht zu gestatten, was Einem nutzet und dem Andern nicht schadet. Zum Beispiel das Taglicht, die durchstreichende Luft, das abfallende Regenwasser sich zu Nutzen zu machen, anderer Leute Freigebigkeit zu genießen, die Aufnahm seines Hauswesens zu beförderen u. s. w.

XXX. Hingegen lasset der Wohlstand nicht zu, sich mit eines Anderen Schaden zu bereichern. Solchemnach ist billig, daß jedweder sich von deme enthalte, was dem Andern zu Abbruch gereichet, worunter allerlei Thaten begriffen seind, die an sich selbst oder aus Umständen Andern zu Nachtheil fallen. Und erstrecket sich dieses auf alle Vorenthaltung und Unerfüllung dessen, wessen Rückgabe oder Leistung die gute Treu und Glauben erfordert. Zum Beispiel, wann etwas gewisser Ursach willen gegeben worden, so nicht erfolget ist, wann etwas ohne Ursach Jemanden zugekommen, wann die Ursach von Verbrechen oder Unbild herrühret, wann ein Theil etwas gethan oder gegeben, um damit der andere gleichfalls thue oder gebe und letzterer sich dessen weigerte, wann jemand durch Irrthum, Furcht oder List zu etwas bewogen worden, so dem andern nicht gebühret hat u. s. w.

XXXI. Aus diesen und dergleichen Hauptquellen (wiewohlen in Ansehen bloßer Civil- und Privathandlungen kaum andere auszufinden seind, welche nicht von denen Vorstehenden abfließen), ergiebt sich allemal eine sichere Richtschnur, wornach verläßlich geprüfet werden kann, was in unterschiedenen oder undeutlichen Vorfällen das Natürlichste und Billigste seie, all jenes nämlich, was näher und reiner einer solchen Hauptquelle zugehet, weniger Beschwerniß und Unfänglichkeit auf sich hat und zur Erhaltung der menschlichen Gesellschaft fürträglicher ist.

XXXII. Es ist aber hierinnen nicht bei moralen oder universal-gesellschaftlichen Betrachtungen zu beruhen, sondern immaßen auch allerweisest mitgegeben worden, auf die Bedürfniß zu sehen, so muß zugleich, was die Nothwendigkeit oder Nutzbarkeit zu gemeinen und sonderheitlichen Besten erfordere, betrachtet werden.

In welchen Anbetracht vorzüglich jenes für das Nützlichste, auch gestalter Dingen für nothwendig zu halten ist, was eine gemeinnützliche Absicht beförderet, jenes als minder nützlich und durchaus unnothwendig anzusehen, wodurch eine dergleichen Absicht behinderet wird.

XXXIII. Bei solchen Fürgang, und da beides, die natürliche Billigkeit und zugleich die öffentliche Wohlfahrt, zur Richtschnur gehalten werden, können nur wenige Fälle, wegen ein- oder anderländig sonderheitlicher Hauptverfassung, Privilegien und Freiheiten eine Ausnahme von deme, was durchgängig zu Recht gelten solle, erfordern. In all übrigen aber ist es gar nicht unmöglich, sondern durch unermüdete Beeiferung endlichen wohl thunlich, in denen Meinungen zu Auswahl eines oder andern Länderrechts, zu Ergänzung deren Abgänge und zu allerunterthänigst gutächtlichen Vorschlag benöthigter neuen Gesetze in einem natürlichen Zusammenhang übereinzukommen.

XXXIV. Zu Behelf hat die Gemüthserleuchtung und ein ungebundener, von allen Vorurtheil entferneter Vernunftsschluß, nicht minder die Erwägung des jederfälligen Endzwecks, deren darzu leitenden Mitteln, deren vorträglich oder hinderlichen Umständen der Personen, der Sachen, des Orts und der Zeit anzudienen; maßen die Aequität oder natürliche Billigkeit eben in nichten andern, als in einem hiernach gerichteten arbitrio boni viri bestehet, damit nichtes über Verdienst oder Unverdienst zu Recht gestattet oder verhänget werde.

(23) XXXV. Zu Behuf hat auch die Rechtsgelehrheit und Erfahrenheit anzudienen, nicht zwar die leges positivas, sonderheitlich arbitrarias des gemeinen römischen Rechts vordringlich zu machen, sondern der in denen römischen Gesetzen größtentheils vorblickenden natürlichen Billigkeit Platz zu geben, und die Fälle, welche ein gewisses und gleichförmiges Länderrecht erfordern, aus dem Vorrath des gemeinen römischen Rechtens desto bequemer zu entnehmen.

XXXVI. Zu Behuf können endlich auch auswärtige Ländergesetze gereichen, inwieweit darinnen eine mehrere Natürlichkeit, als etwan in dem römischen Recht zu erfinden; immaßen nicht ohne Ursach dieses für das Natürlichste und Billigste bei Gleichheit deren Umständen zu halten ist, worinnen mehrere von einander unabhängige Völker übereinkommen. Und wann es de lege condenda zu thun ist, so hat ein wo immer mit Ersprießlichkeit übliches Gesetz oder Gewohnheit bei einerlei Umständen mehr Eindruck für die Billigkeit und Nutzbarkeit zu wirken, als immer die Meinung eines noch so berühmten Autoris.

XXXVII. Ursach dessen seind die rechtlichen Scribenten, welche besonders Specialmaterien gründlich erschöpfen, zwar gleichfalls zu Hilf zu nehmen; doch ist nicht sowohl auf die Anzahl deren Gleichstimmenden (wo oft einer von dem andern die Meinung entlehnet), weder bloß auf die Autorität und Berufenheit, sondern vielmehr auf die eines oder des andern mehr oder wenigere Begründung in dem Natur- und Völkerrecht mittelst richtigen Vernunftsschlüssen zu sehen.


Der röm. kaiserl. auch zu Hungarn und Böheim königl. Majestät und Erzherzogin zu Oesterreich Maria Theresia Codex, worin für alle dero königl. böheimische und österreichische Erblande ein jus privatum et universale statuiret wird.

 (27) Wir Maria Theresia u. s. w. entbieten allen und jeden Unseren nachgesetzten hohen und niederen Gerichtsstellen, Obrigkeiten, Magistraten, Vasallen, Landesinwohneren und Unterthanen in Unseren königlichen böheimischen und österreichischen Erblanden, was Würden, Standes, Amts und Wesens sie sein, auch sonst jedermänniglichem, wer sich in diesen Unseren Erblanden aufhält, oder allda Recht zu suchen oder zu nehmen hat, Unsere kaiserliche, königliche und landesfürstliche Gnade, auch alles Gutes, und geben euch hiemit in Gnaden zu vernehmen, wasmaßen unter Unseren vielen und schweren Regierungssorgen jederzeit eine der vorzüglichsten dahin gerichtet gewesen, die bei der Rechtspflege wahrgenommenen Gebrechen sogleich abzustellen, und denenselben in Zukunft abhelfliche Maß zu verschaffen.

Wiewohlen nun von Uns in dieser Absicht mehrfältige heilsame Gesetze und Verordnungen von Zeit zu Zeit nach Erheischung der zu Unserer Wissenschaft gebrachten verschiedenen Vorfällen erflossen, worinnen allemal Unser Augenmerk hauptsächlich dahin abzielet, in diesen Unseren Erblanden, so viel es deren unterschiedene Verfassungen zugelassen, eine Gleichheit herzustellen und zu erhalten.

So hat zwar diese Unsere landesmütterliche Vorsehung auch die gedeihliche Wirkung gehabt, daß andurch viele Mißbräuche abgeschafft, die Dunkelheit der vorigen Gesetzen über verschiedene Gegenstände, welche eine genauere Bestimmung erfordert, aufgekläret und erläutert, mehrere darinnen unentschieden gelassene oder doch zweifelhaft gebliebene Fälle entschieden, und da, wo es nöthig ware, eine maßgebige Richtschnur vorgeschrieben worden, nach welcher dermalen die Rechtspflege mit minderen Aufzügen und Umtrieben verwaltet wird.

Das Uebel aber aus dem Grund zu heben, so sehr Wir auch immer dessen Bewirkung gewunschen haben, ware jedennoch bisher theils wegen Unzulänglichkeit und Unverläßlichkeit, theils wegen Verschiedenheit der in diesen Landen beobachteten, in ihrem Inhalt zum öfteren einander ganz widersprechenden Gesetzen nicht möglich, woraus nothwendig die unliebsamen Folgen entspringen müssen, daß nicht nur Wir über einzle Vorfälle mit unzähligen Anfragen, Belehrungsgesuchen und Vorstellungen von Unseren nachgeordneten Stellen fort und fort behelligt, sondern auch, was Uns zum meisten am Herzen gelegen, Unsere getreue Landesinwohner und Unterthanen durch diese Ungewißheit, Dunkelheit und Verschiedenheit des Rechts in ihren Handlungen selbst nicht selten einem beträchtlichen Schaden und Nachtheil ausgesetzet worden, zumalen sich zum öfteren Fälle ergeben, daß, was nach denen Gesetzen des einen Landes recht ware, nach jenen des anderen für unrecht geachtet und somit bei dieser Gestalt der Sachen der Beförderung des gemeinsamen Handels und Wandels zwischen diesen Unseren Erblanden keine geringe Hinderniß in Weg geleget wurde.

Gleichwie aber Wir von Anbeginn Unserer Regierung allstets dahin getrachtet haben, diese unter Unserem Scepter durch das gemeinsame Band der Erbbotmäßigkeit so genau verknüpfte Erblande noch enger miteinander zu verbinden und dieses Band zu deren selbsteigener Sicherheit und Wohlfahrt durch die nach Möglichkeit in ihren Gesetzen und Verfassungen herzustellende Gleichförmigkeit immer mehr und mehr zu befestigen.

(28) Also hat Uns auch, um zu diesem vorgesetzten ersprießlichen Endzweck zu gelangen, ein Unserer landesmütterlichen Aufmerksamkeit würdiger Gegenstand zu sein geschienen, für alle diese Unsere Erblande ein allgemeines gewisses und ganz gleichförmiges Recht einzuführen und zu diesem Ende ein klares, deutliches, verläßliches, immerwährendes und alle diese Lande gleich verbindendes Gesetzbuch verfassen zu lassen.

Von diesem Vorhaben waren weder die fehlgeschlagene ähnliche Versuche Unserer Vorfahren, noch auch die bei Anfang des Werks sich geäußerte mannigfältige Schwierigkeiten Uns abwendig zu machen vermögend.

Im Gegentheil hat weit mehr die andurch erzielende gemeinwesige Wohlfahrt und der hieraus einem jedweden Unserer getreuen Unterthanen in diesen Unseren Erblanden für sich insonderheit zugehende Nutzen alle andere Rücksichten überwogen und Uns zu dem gnädigsten Entschluß gebracht, die Verfassung und Ausarbeitung dieses Gesetzbuchs einer eigenen, von Uns unter dem Vorsitz Unsers wirklichen geheimen Raths, Rittern des goldenen Vließes, Vicepräsidentens bei unserer Obristen Justizstelle und lieben getreuen Michael Johann Grafen von Althann aufgestellten Commission aufzutragen.

Da nun von dieser Commission, deren ohnausgesetzter Fleiß, Mühe und Eifer mit unserer Erwartung und dem von Uns in sie gesetzten gnädigsten Vertrauen vollkommen übereinstimmte, gegenwärtige drei Theile dieses Gesetzbuchs zu Stand gebracht und Uns zu Unserer höchsten Einsicht und Begnehmigung gehorsamst vorgeleget worden.

Als haben Wir in Anbetracht, daß der noch zu verfassende vierte Theil lediglich die Gerichtsordnung betrifft, welche aber bereits in denen meisten Landen durch Unsere besondere Verordnungen eingerichtet und festgesetzet ist, folglich die auch hierinnen herzustellende Gleichförmigkeit noch ganz wohl einen Anstand leiden kann, rathsam zu sein erachtet, um diese Unsere getreue Erblande des aus Unserer landesmütterlichen Sorgfalt ihnen zugedachten Nutzens und Vortheils nicht länger

(29) entbehren zu lassen, zur Einführung dieses Unseren neuen Gesetzbuchs ohne weiterem Verschub allsogleich fürzuschreiten.

Wir haben solchemnach diesem Unseren gleichermelten Gesetzbuch nach dessen vorläufiger genauester Einsicht und Erwägung mit rechtem Wissen und gutem, wohlbedachten Rath in seinem ganzen Inhalt aus der bei Uns allein ruhenden höchsten gesetzgebenden Gewalt die vollkommeneste Kraft, Wirkung und Bündigkeit eines allgemeinen, beständigen und immerwährenden Gesetzes für alle Unsere königl. böheimische und österreichische Erblande gnädigst beigeleget und wollen zugleich, daß zum ewigen und unvergeßlichen Andenken dieser von Uns anmit Unseren treugehorsamsten Erblanden und Unterthanen zugewendeten Wohlthat dieses Gesetzbuch jetzt und künftighin nach Unserem höchsten Namen Codex Theresianus heißen und von jedermänniglich also genennet werden solle.

Wie zumalen aber bei diesem Codice Theresiano Unsere gnädigste Absicht eintzig und allein dahin gehet, ein durchgehends gleichförmiges und allgemeines jus privatum in gesammten diesen Unseren Erblanden einzuführen; so wollen wir es auch bei denen vorigen Satz- und Ordnungen, insoweit solche das jus publicum und die besondere dahin einschlagende Verfassungen eines jedweden Landes betreffen, noch ferners ohnveränderlich bewenden lassen, dahingegen, so viel es das jus privatum anbelanget, nicht allein denen gemeinen Rechten, wo dieselbe bisher üblich gewesen, sondern auch denen vorherigen Landesordnungen, sogenannten Landhandfesten, Land- und Stadtrechten und allen anderen wie immer Namen habenden Satz- und Ordnungen, insoferne als in diesem Codice Theresiano ein anderes geordnet wird, hiemit ausdrücklich derogiret haben.

(30) Damit also dieser Unser Codex auf das Baldigste und zu gleicher Zeit in gesammten Unseren königlichen böheimischen und österreichischen Erblanden in seine unverbrüchliche Beobachtung gesetzet werde, so ist Unser weiterer gnädigster Wille und Meinung, daß solcher binnen Einem Jahr von dem unten gesetzten Tag dieser Unserer erlassenen Verordnung an zu rechnen, aller Orten seine vollkommene Bindungskraft ohne Gestattung einiger wie immer dagegen ersinnen mögenden Ausflüchten, Einreden oder Entschuldigungen durchgängig haben und erreichen solle.

Zu diesem Ende befehlen und gebieten Wir allen Unseren Landesstellen, hohen und niederen Gerichten, Obrigkeiten und Magistraten diesen Unseren Codicem Theresianum unter vorgedachter Jahrszeit gewöhnlichermaßen überall kund zu machen, und solcher Gestalt zu Jedermanns Wissenschaft zu bringen, damit sich Niemand mit der Unwissenheit dagegen entschuldigen möge.

Nach Verlauf dieses Jahrs aber wollen, ordnen und setzen Wir, daß die in demselben enthaltene Gesetze in gesammten Unseren königl. böheimischen und österreichischen Erblanden von Allen und Jeden unverbrüchlich beobachtet und solchen in allen sowohl gerichtlichen als außergerichtlichen Handlungen auf das genaueste nachgelebet, hierob auch von denen Gerichten, Obrigkeiten und Magistraten stets feste Hand gehalten, und im Sprechen und Urtheilen in denen nach vorbesagtem Jahrslauf sich zutragenden Fällen lediglich diesem Unseren Codici Theresiano nachgegangen werden solle.

Dahingegen Wir in Ansehung jener Fällen, die sich vor dem Tag, an welchem obangeordnetermaßen die Kraft und Bündigkeit dieses neuen Codicis ihren Anfang nehmen solle, ergeben haben, gnädigst gestatten, daß solche, insoweit als in diesem Codice wegen einen und anderen vergangenen Fällen keine absonderliche Vorsehung begriffen ist, nach denen vorigen Gesetzen, wie dieselbe in einem jedwedem Fall vor Einführung dieses Unseren Codicis gebräuchlich gewesen, bei Gericht beurtheilet und entschieden werden möge.

Dies ist unser gnädigster und ernstlicher Wille.

Geben etc.

(1-31) Erster Theil.

Von dem Recht der Personen.

(1-32)

(1-33) Caput I.

Von dem Recht insgemein.

Inhalt:

§. I. Von Eintheilung des Rechts. §. II. Von Gesetzen.§. III Von Gewohnheiten. §. IV. Von Befreiungen. §. V. Von Ausdeutung der Gesetzen und Befreiungen. §. VI. Von dem dreifachen Gegenstand der Gesetzen und der hienach verfaßten Eintheilung dieses Gesetzbuchs.

§. I.

[1, 1, § 1] Num. 1. Das Recht, insoferne als es ein Gesetz bedeutet, ist eine Richtschnur der menschlichen Handlungen. Dessen Endzweck ist die Gerechtigkeit, welche in deme bestehet, dass einem Jedem das Seinige, was ihme von Rechtswegen gebühret, zu Theil werde.

(1-34) [1, 1, § 1] 2. Alle Rechte sind entweder von Gott oder von Menschen geordnet. Gott hat das Recht der Natur und sein offenbartes alt- und neues Gesetz geordnet.

(1-35) [1, 1, § 1] 3. Das Recht der Natur ist von Gott dem Menschen eingepflanzet, auf daß er durch seine eigene Vernunft geleitet werde, das Gute zu thun und das Böse zu meiden. Insoweit sich aber dessen freie Völker und unabhängige Staaten gegeneinander gebrauchen, wird dasselbe das Völkerrecht genennet.

[1, 1, § 1] 4. Die menschlichen Rechte kommen entweder von der geistlichen oder von der weltlichen Gewalt.

Welche von der letzteren herrühren, haben entweder unmittelbar das allgemeine Beste und die innere Verfassung des ganzen Staats zum Gegenstand und heißen eigentlich das Staatsrecht.

[1, 1, § 1] 5. Oder dieselben zielen hauptsächlich auf das sonderheitliche Beste einzler Bürger ab und schreiben die Richtschnur der Privathandlungen vor, welche im engeren Verstand das bürgerliche oder Privatrecht genennet werden.

[1, 1, § 1] 6. Dieses ist nichts anderes, als ein Begriff aller von der höchsten Gewalt des Staats zum sonderheitlichen Besten der eben derselben höchsten Gewalt unterworfenen Personen ergangenen Geboten, Satz- und Ordnungen.

[1, 1, § 1] 7. Die bürgerlichen Rechte sind nach Verschiedenheit der Staaten verschieden, nachdeme solche eines jeden Staats dabei abgesehene Wohlfahrt und Nutzen erheischet.

Wir wollen aber in Unseren gesammten deutschen Erblanden kein anderes als gegenwärtiges Recht, welches Wir zum Bestem Unserer getreuen Unterthanen in diesem Gesetzbuch in Ordnung bringen lassen, hinfüro als ein beständiges allgemeines Recht von männiglich beobachtet wissen.

[1, 1, § 1] 8. Nur allein rechtmäßig hergebrachte Gewohnheiten, welche weder diesem Unseren Gesetzbuch, noch anderweiten von Uns allschon erlassenen oder in Zukunft erlassenden Verordnungen zuwider sind, sollen noch ferners in derjenigen Maß bestehen können, welche unten in §. III. von Uns bestimmet wird.

[1, 1, § 1] 9. Hieraus fließt die allen von der Willkür der höchsten Gewalt geordneten Rechten gemeine Eintheilung in das beschriebene und unbeschriebene Recht. Ersteres gründet sich in dem ausdrücklichen, letzteres in dem stillschweigenden Willen des Gesetzgebers, beide aber erlangen ihre Bindungskraft von der gesetzgebenden höchsten Gewalt allein.

[1, 1, § 1] 10. Das beschriebene Recht besteht aus Satzungen und Verordnungen. Diese sind entweder allgemein, welche jedermänniglich verbinden und heißen eigentlich

(1-36) Gesetze. Oder sie enthalten sonderbare Begünstigungen gewisser Personen oder Sachen und sind Befreiungen.

[1, 1, § 1] 11. Es wird demnach in diesem ersten Capitel zuerst von denen Gesetzen, sonach von denen Gewohnheiten, weiters von denen Befreiungen, alsdann aber von der Ausdeutung sowohl der Gesetzen, als der Befreiungen gehandlet und endlich die Ordnung der Abhandlung, welcher in diesem ganzen Gesetzbuch nachgegangen wird, nach dem dreifachen Gegenstand alles Rechts dargezeiget.

§. II.

[1, 1, § 2] 12. Die Gesetze sind allgemeine von der höchsten Gewalt zur Wohlfahrt der Unterthanen erlassene Verordnungen. Sie mögen aus eigener Bewegniß, oder auf Anlangen, oder auf was sonst immer für eine Art ergehen.

[1, 1, § 2] 13. Ihre Wirkung bestehet:

Erstens und vornehmlich in der Verbindungskraft.

Zweitens in Zerrüttung und Entkräftung der gesetzwidrigen Handlungen.

Drittens in Verwirkung der in dem Gesetz auf die Uebertretung verhängten Strafe.

[1, 1, § 2] 14. Sie verbinden zur Beobachtung Alle und Jede, die in dem Gebiete sind, für welches das Gesetz ergangen ist, sowohl Unterthanen, als Fremde und diese

(1-37) letztere zwar nicht allein währenden ihren Aufenthalts in diesem Gebiete, sondern auch auswärts befindliche müssen sich insoweit nach Unseren Gesetzen achten, als sie in diesen Unseren Landen Recht suchen oder Recht zu nehmen schuldig sind.

[1, 1, § 2] 15. Wann hingegen Unsere Unterthanen aus diesen Landen sich in fremden Gebieten aufhalten, so wollen Wir wegen ihrer alldort nach den daselbstigen Gesetzen geschlossenen Handlungen den Beistand rechtens auch in hiesigen Ländern insoweit angedeihen lassen, als diese Handlungen nur eine bloße persönliche Verbindung nach sich ziehen und nach Unseren diesländigen Gesetzen weder an sich selbst ungiltig, noch Unsere Unterthanen sich zu verbinden unfähig sind.

[1, 1, § 2] 16. Da es sich aber um Veräußerung oder Behaftung hierländiger liegender Güter, oder dessen, was sonst nach Unseren Gesetzen für unbeweglich zu halten ist, handlete, solle keinerlei derselben lebzeitige oder letztwillige Uebertragung, Veräußerung, Verpfändung oder was sonst immer für andere Bestellung eines Rechts an der Sache giltig sein, es seie dann eine solche Handlung nach hierländigen Gesetzen vollzogen.

[1, 1, § 2] 17. Uebrigens bleiben Unsere Unterthanen Unseren Befehlen und denen von Unseren hierländigen Gerichtsbarkeiten für oder gegen sie ergehenden Rechtssprüchen aller Arten unterworfen, wo sie sich immer befinden mögen.

[1, 1, § 2] 18. Was wider die Gesetze geschieht, ist in derjenigen Maß ungiltig, als die widrige Handlung entweder von dem Gesetz selbst ausdrücklich vernichtet und entkräftet, oder der richterlichen Erkanntniß solche umzustoßen überlassen wird.

[1, 1, § 2] 19. Wo die widrige Handlung von dem Gesetz selbst vernichtet, oder die von dem Gesetz vorgeschriebene wesentliche Feierlichkeit unterlassen wird, entstehet hieraus gar keine Verbindlichkeit und kann andurch nicht allein kein Eigenthum oder ein anderes Recht an der Sache erworben oder übertragen, sondern auch das gegebene anwiederum zurückgefordert werden.

[1, 1, § 2] 20. In anderen Fällen aber haben verschiedene ihres Orts vorkommende Rechtsmitteln statt, wodurch auf richterliche Erkanntniß die gesetzwidrige Handlung umgestoßen, oder Schaden und Nachtheil abgewendet und der Verkürzung abgeholfen wird.

[1, 1, § 2] 21. Endlich wird durch Uebertretung der Gesetzen die darinnen verhängte Strafe verwirket. Doch ist dabei der Unterschied zu beobachten, ob das Gesetz die

(1-38) bloße That ohne Bemerkung und Rücksicht auf einige Umstände bei Strafe gebiete oder verbiete, oder ob das Gesetz nebst der That annoch gewisse Umstände ausdrücklich anführe und erheische?

[1, 1, § 2] 22. In dem ersten Fall hat der Richter nach dem Buchstaben des Gesetzes auf die bloße Uebertretung zu sehen. In dem letzteren Fall hingegen, muß derselbe zugleich untersuchen, ob auch die bei einer verbotenen That oder Handlung in dem Gesetz ausdrücklich angeführte Umstände unterwalten.

[1, 1, § 2] 23. In beiden Fällen aber solle der Richter lediglich nach Maßgebung der Gesetzen mit der darinnen ausgemessenen Strafe ohne Gnad, Nachsicht oder Milderung fürgehen, als welche bei Uns allein zu suchen ist, wo nicht von Uns demselben in gewissen Fällen dergleichen Gewalt namentlich eingeräumet wäre.

[1, 1, § 2] 24. Wann jedoch das Gesetz eine That oder Handlung für strafbar angesehen, die Strafe aber dabei nicht ausgemessen hätte, solle dieselbe jedesmal nach Beschaffenheit der mehr oder minder erschwerenden Umständen durch richterlichen Befund bestimmet werden.

[1, 1, § 2] 25. Diese Wirkungen haben die Gesetze für sich ohne Rücksicht auf deren Annehmung oder unterbliebene Beobachtung, sondern es solle an deme genug sein, daß sie behörig kundgemacht worden, welches in jedem Land durch die gewöhnliche Wege schleunig zu geschehen hat, damit sie allsobald zu Jedermanns Wissenschaft gelangen können.

[1, 1, § 2] 26. Von was für Zeit nun dieses Unseres neues Gesetzbuch seine Bindungskraft haben solle, ist allschon von Uns im Eingang geordnet worden.

Für alle in Zukunft von Uns in Rechtssachen erlassende Gesetze aber, worinnen keine längere oder kürzere Zeit ausdrücklich bestimmet ist, wollen und ordnen Wir hiemit, daß dieselbe jedesmal nach zweien Monaten von dem Tag der öffentlichen

(1-39) Kundmachung in der Hauptstadt eines jedweden Landes durchgehends unnachsichtlich verbinden sollen.

[1, 1, § 2] 27. Nach Verlauf sothaner bestimmten Zeit solle zwar Niemandem die vorschützende Unwissenheit Unserer Gesetzen, oder ein vorgeblicher Irrthum in Rechten zu Statten kommen, weder unter diesem Vorwand eine gesetzwidrige Handlung zu Kräften gelangen, noch Jemand von der verhängten Strafe deswegen enthoben werden können.

[1, 1, § 2] 28. Wir wollen Uns jedoch vorbehalten haben in Fällen, wo Jemand besonders von solchen Personen, die von Unseren Gesetzen begünstiget worden, aus Unwissenheit und Irrthum in Rechten des Seinigen verlustiget und der Gegentheil ohne Ursach andurch bereicheret würde, demselben nach Befund der einige Entschuldigung und Nachsicht verdienenden Umständen auf geziemendes Ansuchen die außerordentliche Rechtshilfe mittelst Herstellung in vorigen Stand angedeihen zu lassen.

[1, 1, § 2] 29. Die Gesetze betreffen künftige Handlungen, nicht aber auch vergangene, oder annoch fürwährende, wann dieserwegen in dem Gesetz keine ausdrückliche Vorsehung enthalten ist.

(1-40) [1, 1, § 2] 30. Hieraus aber folget nicht, daß an sich böse und lasterhafte Thaten blos von darum, weilen vor deren Ausübung keine Strafe darauf ausgesetzt gewesen, ungestraft gelassen werden sollen, sondern, obschon die in einem späteren Gesetz ausgemessene Strafe nicht verhänget werden kann, so sind solche jegleichwohlen nach Schwere des Verbrechens mit einer dem gerichtlichen Befund überlassenen Strafe zu belegen.

[1, 1, § 2] 31. Wann hingegen durch ein Gesetz kein neues Recht eingeführet, sondern nur lediglich das vorherige erläutert wird, erstrecket sich auch dasselbe auf die vergangene Fälle.

[1, 1, § 2] 32. Nicht weniger solle in jenen Fällen, worinnen aus einer vor dem Gesetz vorhergegangenen Handlung von Zeit zu Zeit eine neue Verbindlichkeit erwachset, als bei laufenden Zinsen oder einhebenden Nutzungen, das spätere Gesetz nach Maß der Zeit beobachtet und die Verbindlichkeit jedesmal nach denen von Zeit zu Zeit neu hervorkommenden Gesetzen abgemessen werden.

[1, 1, § 2] 33. Die Gesetze bleiben immer bei Kräften, solange sie durch ein späteres Gesetz nicht aufgehoben oder abgeänderet werden.

Wo aber die Beobachtung des Gesetzes etwann allgemein unnütz, unbillig, schädlich, oder in der Befolgung unmöglich würde, so ist ein solcher sich zwar nicht leicht ergebender Abfall Uns zur nöthigen Vorsehung sofort anzuzeigen.

[1, 1, § 2] 34. Zu denen Gesetzen gehören auch die Satzungen, welche nur auf ein gewisses Land oder Ort gerichtet und von Uns entweder unmittelbar geordnet oder ausdrücklich bestättiget sind.

(1-41) [1, 1, § 2] 35. Jene Satzungen und Einrichtungen hingegen, welche weder von Uns herrühren, noch ausdrücklich bestätiget sind, sondern mit Unserer besonderer Verwilligung von nachgesetzten Obrigkeiten, Gerichten, Gemeinden, Vorsteheren und Mitteln nach Amtserforderniß und zu Erhaltung guter Ordnung gemacht werden, sind zwar nicht unter die allgemeine Verordnungen zu zählen; doch sollen dieselbe, daferne sie nicht wider Unsere Gesetze laufen, von ihren Mitgliedern und Untergebenen beobachtet werden; Uns aber bleibt die Einsicht, Aenderung und Aufhebung derselben zu allen Zeiten vorbehalten.

[1, 1, § 2] 36. Umsoweniger können ohne Unserer ausdrücklichen Verleihung oder Bestätigung einige Satzungen errichtet werden, sondern die Gemeinschlüsse und Verabredungen, welche aus redlicher und Unseren Gesetzen nicht widerstrebender Absicht getroffen werden, können nicht anders als in der Gestalt eines freiwilligen Vertrags, und nur Jene, so von der Gemeinde sind, verbinden.

[1, 1, § 2] 37. Doch mit dem Unterschied, daß in Angelegenheiten, welche die ganze Gemeinde betreffen, der mindere Theil durch den größeren zur Gleichförmigkeit verbunden werde, wiewohlen einem jedem Mitstimmenden sich wider den aus einem solchen Schluß für die Gemeinde befahrenden Schaden zu verwahren und aller sich daher zuziehen mögenden Verfänglichkeit auszuweichen unbenommen ist.

[1, 1, § 2] 38. Wo es aber um Gerechtsamen, Befugnissen oder Verbindungen einzler Personen von der Gemeinde oder um Behaftung ihres Hab und Guts zu thun wäre, da wird erforderet, daß, was Alle betrifft, auch von Allen einstimmig begenehmiget werde.

§. III.

[1, 1, § 3] 39. Das unbeschriebene Recht machen rechtmäßige Gewohnheiten aus. Eine Gewohnheit ist nichts anderes als ein mit stillschweigender Einwilligung der

(1-42) höchsten Gewalt durch langwierigen Gebrauch als ein Recht eingeführtes und immer gleichförmig beobachtetes, für Recht gehaltenes Herkommen.

[1, 1, § 3] 40. Wir wollen aber keine wider Unsere Gesetze laufende Gewohnheiten, sie mögen in allen oder auch nur in einem oder anderen Unserer deutschen Erblanden allgemein oder in einzlen Orten besonders eingeführet sein, statthaben lassen, sondern hiemit sowohl die vor Einführung dieses Unseren Gesetzes allschon bestehende gänzlich abgestellet und aufgehoben, als auch die künftig einschleichen mögende zu allen Zeiten ernstgemessen verboten und für ein strafbares Beginnen angesehen haben.

[1, 1, § 3] 41. Auch nicht in jenen Fällen solle ein Gewohnheit zufällig sein, noch minder eine verbindende Kraft haben, wovon in Unseren Gesetzen nichts verordnet ist, sondern, wo Fälle vorkämen, worinnen es ersprießlich wäre, etwas Gewisses für allgemein zu ordnen, solle jedesmal die Beschaffenheit der Sache bei Uns geziemend angebracht und Unsere höchste Entschließung abgewartet werden.

[1, 1, § 3] 42. Nur allein in solchen Fällen, welche zwar von Unseren Gesetzen in der Hauptsache entschieden sind, dabei aber die Art und Weise, Zahl, Maß, Größe,

(1-43) Gestalt oder Beschaffenheit, Zeit oder sonstige Umstände entweder dem Befund des Richters überlassen oder auf den Landesbrauch, bisherige Beobachtung, derzeitige Uebung und Verfassung verwiesen werden, solle gestattet sein, auf eine Gewohnheit nach und gemäß dem Gesetz zu sehen.

[1, 1, § 3] 43. Es solle demnach in diesen Fällen jenes für Recht gehalten werden, was alle oder die meisten in mehreren oder in einem Land freiwillig, öffentlich und langwierig auf einerlei Art beobachtet haben, wann es vernunftmäßig und der gemeinen Wohlfahrt nicht zuwider ist, so lange Wir es dabei stillschweigend bewenden lassen.

[1, 1, § 3] 44. Desgleichen sollen kleinere Gemeinden und Ortschaften, insoweit als sie nach obiger Maßgab der Macht Satzungen zu errichten fähig sind, ihre eingeführte oder weiters einführende löbliche und Unseren Gesetzen nicht widerstrebende Gebräuche und Gewohnheiten beobachten, ohne daß jedoch jemals außer dem Bezirk eines solchen Orts hieraus ein allgemeines Recht erwachsen, oder andere, welche nicht von dieser Gemeinde sind, andurch verbunden werden mögen.

[1, 1, § 3] 45. Damit aber etwas für eine rechtmäßig hergebrachte Gewohnheit in derjenigen Maß, als solche von Uns zugelassen wird, geachtet werden könne,

(1-44) ist zu etwas solchem, so nicht bloßen Beliebens, sondern auf einigerlei Weise verbindlich sein solle, eine öftere gleiche Beobachtung, ein geraumer Zeitlauf und die Einwilligung aller oder doch des größten Theils jener, von welchen die Gewohnheit eingeführet wird, erforderlich.

[1, 1, § 3] 46. Zu diesem Ende muß die gleichförmige Beobachtung, wenigstens dreimal freiwillig und wissentlich wiederholet, auch von Zeit der ersten sogestalteten Ausübung wenigstens zehn Jahre verflossen und binnen dieser Zeit von Niemandem widersprochen, noch sonst was Widriges vorgenommen worden sein.

[1, 1, § 3] 47. Welches alles derjenige, der zum Behuf seiner Gerechtsame eine eingeführte Gewohnheit oder Herkommen vorschützet, gleichwie im Gegentheil Jener, welcher sich von der Verbindlichkeit einer Gewohnheit entziehen will, das Widerspiel zu erweisen hat, ohne daß jedoch hierzu ein vor oder wider die Gewohnheit allbereits ergangener Rechtsspruch nöthig seie, wiewohlen der Beweis dadurch erleichteret wird.

[1, 1, § 3] 48. Insoweit aber Gewohnheiten in vorstehender Maß einzuführen zugelassen wird, insoweit können selbe auch durch spätere Gebräuche und Gewohnheiten anwiederum aufgehoben werden.

Doch hat allemal Jener, welcher die Aenderung vorgibt, dieselbe zu erproben.

[1, 1, § 3] 49. Uebrigens solle aus gleichförmigen Rechtssprüchen, da nämlich öfters in gleichen Fällen auf einerlei Art gesprochen worden, in Ansehung künftiger derlei Vorfallenheiten keine Gewohnheit erwachsen, wann es nicht Fälle sind,

(1-45) worinnen nach obiger Ausmessung eine Gewohnheit statthaben mag, und die übrigen Erfordernissen beitreten.

[1, 1, § 3] 50. Noch weniger solle eine Gewohnheit in Sachen zulässig sein, welche die Verfahrungsart bei Gericht, die Feierlichkeiten und Gerichtsübungen betreffen, sondern aller Orten und bei allen Gerichten die Gerechtigkeit jedermänniglich nach Unseren Gesetzen gleichförmig ertheilet, wo aber zur Beförderung der Rechtspflege und Abstellung der sich etwa einschleichen mögenden Mißbräuche eine Vorsehung nöthig wäre, deshalben Uns die geziemende Anzeige zur weiteren Maßgebung gemacht werden.

§. IV.

[1, 1, § 4] 51. Zu denen Gesetzen gehören auch die Befreiungen oder von Uns ertheilte Verfügungen und Verleihungen besonderer Gnaden und Freiheiten.

[1, 1, § 4] 52. Diese sind sonderheitliche, zu Gunsten gewisser Personen, Sachen oder Handlungen ergangene Verordnungen.

Sie wirken ein besonderes Recht für Jene, die anmit begünstiget werden, enthalten aber zugleich einen allgemeinen Verbot, daß Niemand dawider handlen, noch den Genuß der verliehenen Freiheit behinderen solle.

[1, 1, § 4] 53. Die Befreiungen werden entweder Personen in Ansehung ihrer Verdiensten, Eigenschaften oder aus sonstiger Ursache, oder auch aus Unserer sonderbaren Gnad und Begünstigung, oder aber gewissen Orten, Gründen oder anderen Sachen und Handlungen verliehen.

(1-46) [1, 1, § 4] 54. Hierdurch unterscheiden sich dieselben in persönliche und sächliche Befreiungen.

Wiewohlen aber einige von beiderlei Art etwas an sich zu haben scheinen, so werden selbe dennoch einer oder der anderen Gattung beigezählet, welcher sie ihrer Natur nach zunächst beikommen.

[1, 1, § 4] 55. Also sind unter die persönlichen Befreiungen jene zu zählen, welche einer gewissen Anzahl der Personen oder ganzen Gemeinden und Mitteln zum Genuß eines jedweden Mitglieds ertheilet werden, obschon es sich um den Genuß einer Sache handlet.

[1, 1, § 4] 56. Wann hingegen einer Gemeinde oder Mittel zum gesammten Genuß oder auch gewissen Aemtern, Würden, Künsten und Gewerben Begnadigungen und Freiheiten verliehen werden, so sind es sächliche Befreiungen, weilen dabei die Absicht mehr auf die Sache als auf die Personen gerichtet ist, wenngleich diese in Ansehung des bekleidenden Amts und Würde, oder der übenden Kunst und treibenden Gewerbs und Genuß davon haben.

[1, 1, § 4] 57. Von dieser Art sind auch jene Befreiungen, welche gewissen Handlungen und Geschäften oder einer besonders begünstigten Gattung Personen, als Minderjährigen, Weibsleuten, Soldaten und Anderen zu Abwendung des sich sonst zuziehenden Nachtheils oder zu sonstiger Entstehung von dem allgemeinen Recht in Unseren Gesetzen gegeben werden und in dem Inhalte dieses Unseren Gesetzbuchs an gehörigen Orten begriffen sind.

[1, 1, § 4] 58. Die persönlichen Befreiungen erstrecken sich nicht über die in der Verleihungsurkunde benannten Personen. Die sächlichen aber kommen auch einem jedweden Besitzer der Sache, wie nicht weniger denen Nachfolgern in Gemeinden, Aemtern und Würden, dann auch denen Erben und Bürgen zu Statten, wie es an seinem Ort bei derlei in diesem Unseren Gesetzbuch besonders abgehandelten Befreiungen mit mehreren erkläret wird.

[1, 1, § 4] 59. Alle von Uns oder Unseren Vorfahren ertheilte sowohl persönliche als sächliche Befreiungen und Begnadigungen enthalten allemal die in einer jedweden

(1-47) Verleihung stillschweigend begriffene Bedingniß in sich, wann sich die Sache angebrachtermaßen verhält.

[1, 1, § 4] 60. Wann dahero hervorkäme, daß eine Befreiung, es seie in Gnaden oder Gerechtigkeitssachen, mit unwahrhaften Anbringen, Verschweigen der Wahrheit oder sonstiger Arglist von Uns etwann erschlichen worden, so solle ein solcher Fall Uns jedesmal zur anderweiten Entschließung angezeiget werden.

[1, 1, § 4] 61. Die Befreiungen erlöschen auf mehrerlei Art:

Zeitliche Befreiungen, welche entweder einzlen Personen oder auf eine bestimmte Zeit oder unter einer beigefügten Bedingniß oder auf Wohlgefallen oder wegen einer gewissen Eigenschaft verliehen worden, nehmen ihr Ende mit Absterben der befreiten Personen, mit Ausgang der benannten Zeit, mit Ermanglung der beigesetzten Bedingniß, mit willkürlicher Widerrufung oder mit Abänderung der Eigenschaft, welche die Verleihung zum Endzweck gehabt.

[1, 1, § 4] 62. Jene Befreiungen hingegen, welche auf immer und allzeit gegeben worden, hören auf, wann die Gemeinde oder das Mittel, welches die Befreiung erworben, gänzlich aufgelöset, oder das Amt oder Würde, welcher die Befreiung anklebet, nicht mehr ersetzet wird, oder die Sache, mit der die Befreiung verknüpfet ist, völlig zu Grund gehet, ohne daß zu deren Wiederherstellung eine Hoffnung übrig seie.

[1, 1, § 4] 63. Zuweilen wird die Wirkung einer Befreiung oder Begünstigung durch eine andere gehemmet, wann nämlich zwei gleich begünstigte Personen dergestalten zusammentreffen, daß beide zugleich den Genuß der Befreiung nicht haben können.

[1, 1, § 4] 64. In solchem Fall gebühret Demjenigen, welcher bei Entgehung des Genusses an seinem Gut einen wesentlichen Schaden erleiden würde, der Vorzug vor dem Anderen, deme der Genuß der Befreiung lediglich einen Gewinn brächte.

[1, 1, § 4] 65. Wann es aber beiden Theilen um Abwendung des Schadens oder auch beiden um bloßen Gewinn zu thun wäre, so ist von denen in diesem Unseren Gesetzbuch enthaltenen Begünstigungen jene überwiegender, welcher in Zusammentreffung mit anderen vor diesen der Vorzug seines Orts namentlich zugestanden wird.

[1, 1, § 4] 66. Bei allen anderen Begünstigungen und Verleihungen hingegen, welche von gleichen Kräften sind, ist allemal die ältere der jüngeren oder späteren vorzuziehen, wann die erstere durch diese nicht ausdrücklich aufgehoben wird.

[1, 1, § 4] 67. Es können auch die Befreiungen durch freiwillige Verzicht und Begebung, durch Nichtgebrauch oder widrigen Gebrauch und Mißbrauch und durch

(1-48) deren nach Erforderniß der Umständen nöthig befundene Aufhebung in seiner Maß verloren gehen.

[1, 1, § 4] 68. Die freiwillige Verzicht und Begebung wirket nur damals den Verlust der Befreiung, wann die Begebung nicht zum Nachtheil einer gesammten Gemeinde oder eines Mehreren gemeinsamen Standes und Würde, oder auch eines Dritten gereichet, und wann die Befreiung nicht also beschaffen ist, daß sie vielmehr zu gemeinen Besten, als zu Gunsten der befreiten Person verliehen seie.

[1, 1, § 4] 69. Der Nichtgebrauch einer Befreiung, welche nicht in einer bloßen willkürlichen, Niemandem nachtheiligen Ausübung bestehet, zieht deren Verlustigung ganz oder zum Theil nach sich, insoweit sich derselben nicht gebrauchet wird, jedoch mit folgenden Unterschied:

[1, 1, § 4] 70. Soferne die Befreiung in einer insgemein oder Jemandem insonderheit beschwerlichen Befugniß etwas zu thun oder zu fordern bestehe, so wird dieselbe bei Unterlassung des Gebrauchs, wo solcher thunlich gewesen, durch die im zweiten Theil, im neunten Capitel, von Verjährungen zur Verschreibung der Gerechtsamen vorgeschriebene Verjährungszeit verloren.

[1, 1, § 4] 71. Falls aber die Befreiung in Enthebung von einer Beschwerde und somit in der Befugniß etwas nicht zu thun besteht, so wird solche durch dreimalige freiwillige und ohne weiteren Vorbehalt wissentlich geschehene Unterziehung verloren, ohne daß es einer Verjährung bedürfe.

[1, 1, § 4] 72. Doch ist in allen Fällen, wo sich entweder durch ausdrückliche Verzicht oder stillschweigend durch Nichtgebrauch der Befreiung begeben wird, erforderlich, daß in der Gewalt des Befreiten gestanden, sich der ihme verliehenen Freiheit zu begeben.

[1, 1, § 4] 73. Welche aber diese Macht nicht haben, als Minderjährige und andere pflegbefohlene Personen, diesen kann auch aus einer solchen Verzicht oder aus dem Nichtgebrauch kein Nachtheil erwachsen.

[1, 1, § 4] 74. Uebrigens stehet es bei Uns, die Befreiungen des widrigen Gebrauchs oder Mißbrauchs halber oder da selbe bei veränderten Umständen unbillig, Anderen unerträglich oder gemeinschädlich zu werden beginneten und dieses behörig an Uns gebracht würde, nach Befund anwiederum aufzuheben.


(1-49) [1, 1, § 4] 75. Zur Beibehaltung der rechtmäßig erworbenen Befreiungen trägt deren von Uns auswirkende Erneuerung und Bestätigung Vieles bei.

Die Ansuchung dieser Bestätigung ist entweder willkürlich oder nothwendig.

[1, 1, § 4] 76. Willkürlich ist dieselbe, wann Jemanden daran gelegen ist, damit die ihme angebührende Befreiung nicht in Vergessenheit gerathe, und er wider alle von Anderen besorgende Anfechtung oder Hinderniß in Ausübung seiner Freiheit durch die landesfürstliche Bestätigung desto gesicherter seie.

[1, 1, § 4] 77. Nothwendig aber wird sie, wann entweder in der Verleihung ausdrücklich vorgesehen ist, daß die Bestätigung von Zeit zu Zeit oder bei Veränderung deren Besitzeren solcher Sachen, Aemtern oder Würden, denen die Befreiung zukommt, angesuchet werden solle, oder wann bei jeweiliger Veränderung der Landesherrschaft für allgemein geboten wird, um die Erneuerung und Bestätigung aller verliehenen Gnaden und Freiheiten höchsten Orts einzukommen.

[1, 1, § 4] 78. Würde nun dieses in der anberaumten Zeit nicht befolget, sondern verabsäumet, so solle die Befreiung eben darum für erloschen und aufgehoben geachtet werden, wann solche in dem landesfürstlichen Gebot nicht namentlich von der Nothwendigkeit der anzusuchen habenden Bestätigung ausgenommen worden.

[1, 1, § 4] 79. Die Bestätigung aber gibt kein neues Recht, wann die Befreiung schon ehebevor erloschen ist, noch weniger bringt sie dem Recht eines Dritten einigen Nachtheil, sondern sie bestärket blos allein das schon habende Recht in derjenigen Maß, als es angebühret, ohne Beilegung einer mehreren Kraft, und gehet nicht weiter, als inwieweit der Befreite sich in dem Besitz und Uebung der Befreiung befindet, und diese weder Unseren noch jemands Anderen Rechten zuwider ist.

[1, 1, § 4] 80. Es wäre dann ein Mehreres aus Unserer höchsten Machtsvollkommenheit in der Bestätigung ausdrücklich enthalten, oder einer schon erloschenen Befreiung namentlich ihre vorige Kraft und Wirkung von Neuem beigeleget, und somit vielmehr eine neue Verleihung, als eine Bestätigung der alten ertheilet worden.

§. V.

[1, 1, § 5] 81. Jedermann ist an die ausdrückliche Worte Unserer Gesetzen in ihrem wahren und allgemein üblichen Verstand gebunden.

(1-50) Niemandem ist dahero gestattet, sich einer rechtskräftigen Ausdeutung Unserer Gesetzen anzumaßen, noch unter dem Vorwand eines Unterschieds zwischen den Worten und dem Sinne des Gesetzes solche auf einerlei Weise zu erweiteren oder einzuschränken.

[1, 1, § 5] 82. Wir verbieten auch allen Richteren, unter dem nichtigen Vorwand einer von der Schärfe der Rechten unterschiedenen Billigkeit von der klaren Vorschrift Unserer Gesetzen im Mindesten abzugehen.

(1-51) [1, 1, § 5] 83. Nicht weniger solle alle Ausdeutung und Erweiterung oder Einschränkung Unserer Gesetzen durch Gewohnheiten außer dem Fall, wo das Gesetz sich auf wohl hergebrachte Landesverfassungen, Gebräuche und Gewohnheiten ausdrücklich beziehet, je und allzeit verboten, unkräftig und nichtig sein, und vielmehr die Vorschützung solcher unstandhafter Gewohnheiten wider die klare und buchstäbliche Vorschrift der Gesetzen nach richterlichem Ermessen bestrafet werden.

[1, 1, § 5] 84. Woferne aber dem Richter ein Zweifel vorfiele, ob ein vorkommender Fall in dem Gesetz begriffen seie oder nicht, oder da ihme das Gesetz selbst dunkel schiene, oder ganz besondere und sehr erhebliche Bedenken der Beobachtung des Gesetzes entgegenstünden, so ist die maßgebige Erklärung des Gesetzes allemal bei Uns anzusuchen.

(1-52) [1, 1, § 5] 85. Damit wir jedoch nicht ohne Noth mit Belehrungen über den Verstand Unserer Gesetzen behelliget werden, so gestatten und wollen Wir gnädigst, daß, wann entweder ein bei Gericht anhängiger, in dem Gesetz nicht wörtlich ausgedrückter Fall in allen fürwaltenden Umständen und in der ganzen Beschaffenheit der Sache mit einem in dem Gesetz ausdrücklich entschiedenen Fall vollkommen übereinstimmte und somit die Bewandtniß beider Fällen einerlei wäre, oder Unsere höchste Willensmeinung aus der in dem Gesetz klar ausgedrückten Ursache, daß wir alle nicht buchstäblich berührte Fälle von der nämlichen Beschaffenheit gleichfalls unter dem Gesetz begriffen haben wollen, offenbar erhellete, der Richter sodann ohne fernerer Anfrage oder Anstand fürgehen möge und solle.

[1, 1, § 5] 86. Dann, wo einerlei der Sache Beschaffenheit ist, da muß auch einerlei Recht sein.

Außerdeme aber solle alle gekünstelte Ausdeutung Unserer Gesetzen besonders denen streitenden Theilen und ihren Rechtsfreunden ernstgemessen untersaget, und nicht von der mindesten Erheblichkeit sein, sondern vielmehr wo eine Verdrehung der Worten oder andere Arglist zu der Sachen Verwirrung und Umtrieb mit unterliefe, derlei Beginnen scharf bestrafet werden.

[1, 1, § 5] 87. Dem Richter hingegen ist nicht verwehret in jenen Fällen auf die natürliche Billigkeit nach vernünftigen Ermessen zu sehen, in welchen er durch Unsere Gesetze dahin angewiesen wird, die Umstände der Person, der Sache, des Orts, der Zeit, der Ursache, der Zuthat oder Weise, der Absicht und Meinung, der Gefährde oder Schuld nach der natürlichen Billigkeit zu beurtheilen.

[1, 1, § 5] 88. Derlei Fälle sind, wobei es auf die Erforschung menschlichen Willens in lebzeitigen oder letztwilligen Handlungen, auf die Abschätzung einiger Sachen, Vergütung zugefügter Schäden, verhinderter Nutzungen, Aufwands und Verbesserungen, Mäßigung der Unkosten, Auswerfung eines Unterhalts oder Belohnung, Milderung oder Verschärfung der Strafen und mehr dergleichen Vorfälle nach Erheischung der Umständen ankommt, von welchen an gehörigen Orten in dem ferneren Inhalt dieses Unseren Gesetzbuchs mit mehreren gehandelt wird.

[1, 1, § 5] 89. Gleichwie die Gesetze, also sind nicht weniger die Befreiungen und Verleihungen nach ihrem buchstäblichen Inhalt zu nehmen und nicht anderst zu verstehen.

Da sich aber über deren eigentlichen Sinn und Verstand erhebliche Anstände äußerten, so sollen Uns solche von Unseren nachgesetzten Stellen zur Entscheidung vorgetragen werden.

[1, 1, § 5] 90. Außer derlei erheblichen Anständen ist überhaupt für eine Richtschnur zu halten, daß keine Befreiung über den klaren Inhalt der Verleihungsurkunde zu erweiteren und auszudehnen, sondern auf das Genaueste auszudeuten seie.

[1, 1, § 5] 91. Hieraus folget, daß bei vorfallenden Zweifel die anderen zur Beschwerniß gereichende Befreiungen vielmehr für persönlich als sächlich, und mehr für zeitlich als immerwährend und beharrlich zu achten sind.

[1, 1, § 5] 92. Endlich sollen sie auch jeder Zeit also verstanden werden, damit von Unseren Gesetzen so wenig, als es mit einigmäßiger Wirkung der verliehenen

(1-53) Befreiung bestehen kann, abgegangen und da selbe zum Abbruch eines bereits von Anderen erworbenen Rechts gereichen, demselben zum wenigsten geschadet werde.

§. VI.

[1, 1, § 6] 93. Gleichwie das einzige Ziel und Ende aller Gesetze ist, damit einem Jeden das Seinige zugeeignet werde, also wird auch Alles, womit die Gesetze sich beschäftigen, unter dreierlei Gegenständen, welche jedoch alle auf den vorberührten alleinigen Endzweck gerichtet sind, begriffen.

Diese sind die Personen, denen das ihrige zu geben ist, die Sachen, welche jenen angebühren und endlich die Rechtsmitteln, wodurch den Personen zu den ihnen angebührenden Sachen verholfen wird.

[1, 1, § 6] 94. Was aber denen Personen gebühret, hierauf haben sie entweder aus einem ihrem Stand anklebenden persönlichen Vorrecht, oder aus dem Eigenthum, oder einem anderen die Sache selbst behaftenden dinglichen Recht, oder aus der Verbindung des Anderen einen Anspruch.

[1, 1, § 6] 95. Hiernach wird also gegenwärtiges Gesetzbuch in vier Haupttheile abgetheilet und in diesem ersten dem Recht der Personen, in dem zweiten von Sachen und dinglichen Rechten, in dem dritten von persönlichen Verbindungen und endlich in dem vierten von Ordnung des gerichtlichen Verfahrens gehandlet.

[1, 1, § 6] 96. Die Untertheilung der folgenden drei Theilen und die dabei beobachtete Ordnung der Abhandlung kommt in deren jedem angehörigen Ort besonders vor.

Hier erübriget nur die Ordnung dieses ersten Theiles von dem Recht der Personen voraus zu setzen.

[1, 1, § 6] 97. Alle persönlichen Vorrechte entspringen aus dem Stand der Menschen, welcher vornehmlich dreierlei ist, nämlich: der Stand der Freiheit, der bürgerliche Stand und der Hausstand.

Diese dreierlei Stände werden im zweiten Capitel erkläret.

[1, 1, § 6] 98. Der Hausstand bestehet erstens zwischen Mann und Weib, zweitens zwischen Verwandten, drittens zwischen Vater und Kindern, viertens zwischen Herrn und Dienstleuten. Es wird dahero in drittem Capitel von Ehebündnissen, in viertem von der Verwandtschaft und in fünftem von der väterlichen Gewalt gehandlet.

[1, 1, § 6] 99. Wie zumalen aber die väterliche Gewalt sich mit dem Tod des Vaters endiget, und jegleichwohlen der gemeine Wohlstand erforderet, daß jene, welche wegen unvogtbaren Alters oder anderen Gebrechen halber sich und ihrem Gut selbst nicht vorzustehen vermögen, nicht unbeschützt und unversorget gelassen werden, so folget das sechste Capitel von der Vormundschaft.

[1, 1, § 6] 100. Endlich wird dieser erste Theil in dem siebenten Capitel von Dienstleuten mit Erklärung der zwischen Herren und Dieneren wechselweise angebührenden Rechte und Schuldigkeiten beschlossen.

(1-54) Caput II.

Von dem Stand der Menschen.

Inhalt:

§. I. Von Verschiedenheit menschlicher Ständen. §. II. Von dem Stand der Freiheit. §. III. Von dem bürgerlichen Stand. §. IV. Von dem Hausstand.

§. I.

[1, 2, § 1] Num. 1. Der Stand des Menschen ist eine Eigenschaft, kraft welcher Jemand als ein Mitglied einer von den menschlichen Hauptgesellschaften betrachtet und all dieser Gesellschaft eigenen Rechten theilhaftig wird.

[1, 2, § 1] 2. Dieser menschlichen Hauptgesellschaften sind dreierlei Gattungen: Die erste unter allen freien Menschen, die zweite unter Gliedern eines Staates, die dritte unter Hausgenossen.

[1, 2, § 1] 3. Hiernach ist dann auch der dreifache Stand der Menschen unterschieden, nämlich der Stand der Freiheit, der gemeinsame bürgerliche Stand in einem Staat und Hausstand.

[1, 2, § 1] 4. Alle andere theils natürliche, theils beigelegte oder erwählte Eigenschaften, womit die Menschen verschiedentlich begabet sind, obschon sie in Ansehung solcher Eigenschaften nach der Verfassung des Staats besondere Vorrechte zu genießen haben, machen jegleichwohlen in dem Stand der Menschen keinen Unterschied überhaupt, sondern, wann eine solche Eigenschaft aufhöret, verlieren sie zwar die derselben anklebende Vorrechte, bleiben aber jedoch Mitglieder vorbemelter menschlicher Hauptgesellschaften.

(1-55) §. II.

[1, 2, § 2] 5. Des Standes der Freiheit sind alle Menschen von der Natur selbst theilhaftig.

Die Freiheit ist dahero eine natürliche Befugniß zu thun, was Jedem beliebet, er werde dann durch Gewalt oder Recht davon abgehalten.

[1, 2, § 2] 6. Es wird jedoch die Freiheit weder durch die Gewalt, noch durch das Recht benommen, sondern durch die Gewalt nur deren Ausübung verhinderet und die Gesetze steueren dem Mißbrauch der Freiheit, welche sie in den Schranken der Billigkeit und Ehrbarkeit erhalten.

[1, 2, § 2] 7. Dem Stand der Freiheit ware ehedessen die knechtliche Dienstbarkeit entgegen gesetzet, deren vormalige Strenge aber unter Christen vorlängst aufgehoben ist.

[1, 2, § 2] 8. Nur gegen die im Krieg gefangene Ungläubige wird solche aus dem Wiedergeltungsrecht noch in gewisser Maß ausgeübt; dann sie gelangen in das

(1-56) Eigen des Ueberwinders, sind gleich anderen Sachen handelbar, werden zum Dienst und Arbeit angehalten, erwerben ihren Herren und hangen in Allem von deren Willen ab.

[1, 2, § 2] 9. Doch erstrecket sich die Willkür ihrer Herren nicht auf Leib und Leben, noch auf etwas Anderes, was dem natürlichen Recht, denen Geboten Gottes oder Unseren Gesetzen und Verordnungen zuwider ist.

[1, 2, § 2] 10. Dahingegen verlieren Unsere von den Ungläubigen gefangene Unterthanen den Stand der Freiheit nicht; vielmehr sollen ihnen alle ihre Güter und Gerechtigkeiten, welche ihnen schon angefallen sind, oder währender ihrer Gefangenschaft weiters anfallen, bis zu ihrer wann immer erfolgender Rückkehr unversehrt erhalten werden.

[1, 2, § 2] 11. Wo sie aber hieran durch Verjährung oder in andere Wege verkürzet worden wären, haben sich dieselben in Herstellung in vorigen Stand, wann sie nicht sonst aus anderen Ursachen dieser Wohlthat unwürdig sind, zu erfreuen.

[1, 2, § 2] 12. Wie sie dann auch währender Gefangenschaft mit ihrem Hab und Gut nach eigenem Gefallen schalten und walten können, wann nur ihr eigentlicher freier und ungezwungener Willen genugsam erweislich ist.

[1, 2, § 2] 13. Von der knechtlichen Dienstbarkeit ist die in Unseren deutschen Erblanden

(1-57)verschiedentlich eingeführte Unterthänigkeit ganz und gar unterschieden, kraft welcher der Stand der Freiheit nur einigermaßen beschränket wird.

(1-58) [1, 2, § 2] 14. Diese Beschränkung ist größer oder minder nach dem Unterschied der

(1-59) mannigfältigen Schuldigkeiten, worzu die Unterthanen ihren Herrschaften in Ansehen der Person oder der Gründen halber verbunden sind.

(1-60) [1, 2, § 2] 15. Bei diesen wohlhergebrachten Schuldigkeiten der Unterthanen lassen Wir

(1-61) es dann auch für das Künftige nach einer jeden Landesverfassung und nach Maßgebung

(1-62) der in jedwedem Land bestehenden, von Uns und Unseren Vorfahren hierwegen gemachten besonderen Anordnungen gnädigst bewenden.

(1-63) [1, 2, § 2] 16. Wir wollen Uns aber anbei vorbehalten haben, da, wo die Nothdurft

(1-64) eine anderweite Vorsehung zu treffen erheischet, derlei Schuldigkeiten durch

(1-65) besondere Verordnungen für ein jedwedes Land insonderheit Ziel und Maß zu setzen.

(1-66)

(1-67) §. III.

[1, 2, § 3] 17. Der bürgerliche Stand in einem Staat ist Allen eigen, welche in demselben Staat unter einer höchsten Gewalt vereiniget leben, und in dieser weiten Bedeutung kommt solcher allen Unseren Unterthanen zu.

(1-68) [1, 2, § 3] 18. Dahingegen werden Fremde und alle Andere von der bürgerlichen Gesellschaft in jenem Staat ausgeschlossen, in welchem sie weder von Mitgliederen geboren, noch zu Mitgliederen nach jeden Landes Gewohnheit aufgenommen worden.

[1, 2, § 3] 19. In engerem Verstand aber werden nur Diejenige Burger genennet, welche in Städten oder Märkten die Gemeinde ausmachen, darinnen mit einander heben (!) und legen und zu gemeinem Mitleiden das Ihrige beitragen.

[1, 2, § 3] 20. Und in diesem Stand werden die bloße Einwohnere und überhaupt alle von dem Stadtburgerstand ausgeschlossen, welche das Burgerrecht allda weder behörig erworben, noch dessen durch besondere Landesverfassung oder Freiheiten zu genießen haben.

[1, 2, § 3] 21. In Ansehung Unserer Erbländer sind alle Diejenige für Fremde zu achten, welche einer auswärtigen Botmäßigkeit unterworfen sind; Unsere Unterthanen aber sind zu einem, oder dem anderem unserer Erbländer gehörig.

[1, 2, § 3] 22. Die zu einem Unserer Deutschen Erblanden insonderheit gehörige Unterthanen sind entweder Personen höheren Standes und Landleute, die in demselben Land die Landmannschaft unter den höheren Ständen ordentlich erworben, oder von Ankunft auf sich haben und kraft solcher aller landschaftlichen Rechten in diesem Erbland fähig sind.

[1, 2, § 3] 23. Oder sie sind Burger in Städten und Märkten, welche daselbst das Burgerrecht ordentlich erworben, oder da sie von dasigen Burgern geboren sind, diese Eigenschaft nicht geänderet haben.

[1, 2, § 3] 24. Oder sie sind, entweder ansässige, oder auch nur bloße Landeseinwohnere, welche theils der Landes- oder Stadtfähigkeit nach jeder Landesverfassung oder kraft beseonderer Freiheiten theilhaftig sind, theils aber sich des besonderen Landesschutzes als Inländer zu erfreuen haben.

[1, 2, § 3] 25. Da im Gegentheil Fremde bei Durchreisen oder sonstigen Aufenthalt in diesen Unseren Erblanden nur für dieselbe Zeit, als sie sich darinnen befinden, den gemeinsamen Landesschutz genießen, nicht aber für Inländer angesehen werden können.

[1, 2, § 3] 26. Wer übrigens für einen Inländer zu achten seie, wie die Landmannschaft, oder das Stadtburgerrecht erworben oder wieder verloren werde, und was für Vorzüge, Rechten und Freiheiten so dem einem, wie der anderen ankleben, ist nach einer jeden Landesverfassung aus Unseren allda bestehenden anderweiten Verordnungen zu entnehmen.

[1, 2, § 3] 27. Fremde sind in keinem dieser Unserer Erblanden durch Handlungen zwischen Lebenden auf einigerlei Weise ohne vorher erworbener Landesfähigkeit oder

(1-69) Unserer besonderer Erlaubniß Vesten, Schlösser, Städte und andere landwirthschaftliche Güter, Gülten, Herrlichkeiten und dergleichen an sich zu bringen, noch auch sonst an solchen Gütern haftende dingliche Rechten zu erwerben fähig.


(1-70) [1, 2, § 3] 28. Wovon nur allein das von ihnen an liegenden Gütern erlangen mögende Recht des Unterpfands in jenen Landen, wo nach der bisherigen Verfassung es hierzu Unserer besonderen Vergünstigung nicht bedarf, ausgenommen ist, doch nicht weiter, als bloß allein zur Sicherheit ihrer rechtmäßigen Forderungen und zur Gewinnung des Vorzugs vor späteren Gläubigeren, keineswegs aber um andurch den Besitz, noch minder das Eigenthum eines solchen zum Unterpfand verschriebenen liegenden Guts zu erwerben.

[1, 2, § 3] 29. Alle andere dahin abzielende Handlungen hingen sind ungiltig und null und nichtig, und da Jemand dergleichen Güter oder Rechten an einen Fremden verkaufete, vertauschete, oder wie sonst immer übertragen, oder auch nur pfand- oder bestandweise in Besitz übergeben hätte, so sollte, falls ein solches Beginnen zu Unseren und des Landes Nachtheil gereichete, nicht allein das abgetretene Gut, oder Recht, sondern auch das dafür bezahlte oder bedungene Kaufgeld, oder was sonst dafür gegeben, oder bedungen worden, soviel davon im Lande zu erholen ist, wie nicht weniger der Pfandschilling oder Bestandzins Unserer Kammer verfallen sein.

[1, 2, § 3] 30. Wäre es aber Uns und dem Lande unnachtheilig, so solle nichtsdestoweniger dergleichen Veräußerung keinen Fortgang haben, sondern der Fremde, wann er schon zu dem natürlichen Besitz gelanget wäre, von dem Gut zu weichen angehalten, der übertragende Inländer hingegen wegen solcher unbefugten Uebergabe mit einer willkürlichen Strafe belegt werden.

[1, 2, § 3] 31. Jedoch hat in diesem letzteren Fall der Fremde Fug und Macht, sein etwann erlegtes Kaufgeld, oder was er sonst dafür gegeben hat, anwiederum zurückzufordern, obschon ihme wegen Vollziehung des Kaufs oder anderer auf die Erwerbung des Guts abgesehenen Bedingnissen kein rechtlicher Beistand zu leisten ist.

[1, 2, § 3] 32. Unsere Unterthanen hingegen, welchen außer dem Mangel der Landmannschaft sonst nichts Anderes nach der Länderverfassung im Wege stehet, können zwar in diesen Erblanden auch ohne vorher in dem betreffenden Erbland erworbenen Landesfähigkeit landwirthschaftliche Güter, Gülten und Rechten durch Handlungen unter Lebenden an sich bringen und sind nicht allein die abschließenden Handlungen giltig, sondern sie auch des natürlichen Besitzes fähig.

Umsomehr können sie auch bei allen Landtafeln, Stadt- und Grundbüchern das Recht des Unterpfands an liegenden Gütern ohne darzu nöthig habender

(1-71) besonderer Vergünstigung, jedoch nur bloß zur Sicherheit und Gewinnung des Vorzugs erwerben.

[1, 2, § 3] 33. Sie erlangen aber weder das Eigenthum, noch den rechtlichen Besitz mittelst wirklicher Einverleibung oder Eintragung des an sich gebrachten Guts oder Rechts in die Landtafel, insolange sie nicht die Landesfähigkeit durch Erwerbung der Landmannschaft, oder, wo es nach der Landesverfassung üblich ist, eine besondere Besitzfreiheit von Uns erwirket haben.

[1, 2, § 3] 34. Worzu Wir denenselben eine Frist von sechs Monaten von Zeit der geschlossenen Handlung gnädigst eingestehen, also zwar, daß sie binnen dieser Zeit weder in dem natürlichen Besitz gestöret, noch von jemanden Landesfähigen das Einstandrecht angemeldet werden könne.

[1, 2, § 3] 35. Wann sie aber diese Zeit verstreichen ließen, ohne die Landesfähigkeit auf eine oder die andere Art erworben zu haben, so sind sie verbunden längstens in denen nächstfolgenden sechs Monaten das Gut an einen Anderen zu übertragen, binnen welchen jedoch in Kauffällen, ehe und bevor das Gut von dem Inhaber weiter veräußert worden, einem jedweden daselbstigen Landmann, der sich zuerst meldet und zahlungsfähig ist, das Einstandrecht gegen Entrichtung des bedungenen oder schon bezahlten Kaufgelds und gegen Ersatz dessen, was in der Zwischenzeit erweislich hinein verwendet worden, gebühren solle.

[1, 2, § 3] 36. Dieses Einstandrecht hat so lang statt, als von dem Inhaber des Guts auch binnen solchen anderen sechs Monaten die Landesfähigkeit nicht erworben wird.

Fände sich hingegen zwischen diesen anderen sechs Monaten von dortigen Landleuten Niemand, welcher sich des gesetzmäßigen Einstandrechts gebrauchen wollte, und der Unfähige hätte die Landesfähigkeit weder bis dahin erworben, so solle alsdann das Gut ohne weiteres gerichtlich feilgeboten und mittelst gewöhnlicher Versteigerung an den Meistbietenden käuflich überlassen werden, ohne daß dabei das Einstandrecht nach tiefer Zeit ferners Platz habe.

[1, 2, § 3] 37. Diesemnach ist auch das von dem Inhaber bedungene oder bezahlte Kaufgeld nicht mehr zu sehen, sondern ihme, oder weme sonst ein Recht hierzu gebühret, so viel auszufolgen, als für das Gut durch die Versteigerung an Kaufschilling gelöset worden.

[1, 2, § 3] 38. Bei derlei gerichtlichen Versteigerungen ist ein Kauflustiger nicht eben darum auszuschließen, daß er die Landesfähigkeit noch nicht erworben habe, sondern, wo derselbe Unser Unterthan wäre, und ihme sonst nach der Landesverfassung nichts im Wege stünde, gegen der Verbindlichkeit der in der obausgemessenen Zeit zu erwerben habenden Landesfähigkeit allerdings zuzulassen.

[1, 2, § 3] 39. Einem Fremden aber, wann für Uns und das Land von ihme kein Nachtheil zu befahren ist, solle nicht anderst, als gegen Bestimmung einer hinlänglichen Zeit, binnen welcher er sich zum Lande fähig zu machen habe, und gegen Bedingung eines genüglich zu versicheren habenden Strafgelds, welches auf dem Fall der Nichtbefolgung unnachsichtlich verwirket sein solle, die Mitanbietung gestattet werden.

[1, 2, § 3] 40. So viel es die Erbanfälle anbelanget, genießen die Fremden, welche einer auswärtigen Botmäßigkeit unterworfen sind, des Rechts der Erwiederung

(1-72) in aller Art der Erbfolge, insoweit es kundbar ist, oder von ihnen dargethan wird, daß Unsere Unterthanen desjenigen Landes, worinnen ihnen die Erbschaft zugefallen, in ihrem Vaterland zu Erbschaften zugelassen werden.

[1, 2, § 3] 41. Wo aber die erwiederliche Erbfolge Unserer Unterthanen in ihrem Lande nicht erweislich, oder gegentheils deren Ausschließung von dortländigen Erbschaften kundbar ist, gegen solche Ausländer ist das Recht der Wiedergeltung in gleicher Maß zu beobachten.

[1, 2, § 3] 42. Wann jedoch Fremde in dem ersten Fall aus dem Recht der Erwiederung zu hierländigen Erbschaften oder Vermächtnissen gelangen, die an liegenden Gütern, oder darauf haftenden dinglichen Rechten bestehen, sind sie schuldig die Landmannschaft oder Besitzfreiheit (woferne sie sonst durch die Landesverfassung von dem Besitz derlei Güter und Rechten nicht ausgeschlossen sind) in dem Erbland, wo solche Güter gelegen, zu erwerben, oder ihr Recht zu derlei Erbstücken längstens binnen einem Jahr von Zeit des ihnen kundgemachten Erbanfalls an jemanden Landesfähigen zu übertragen.

[1, 2, § 3] 43. Da aber von ihnen keines von beiden befolget werden wollte oder könnte, solle nach Verlauf dieses Jahres zur Veräußerung dieser Güter und Rechten mittelst gerichtlicher Feilbietung und Versteigerung geschritten und ihnen das Kaufgeld, wann sie ihr Erbrecht rechtsgenüglich ausgewiesen und sonst nichts im Wege steht, ausgefolget, oder bei etwann noch fürwaltenden Anstand die von dem Käufer abgeführte baarschaft bis zu dessen Behebung in Gerichtshanden aufbehalten werden.

[1, 2, § 3] 44. In dem zweiten Fall hingegen sind Fremde, welche durch das Recht der Wiedergeltung von hierländigen Erbschaften ausgeschlossen werden, für erbunfähig anzusehen und die Erbschaft, sie möge an liegenden Gütern oder an dinglichen Rechten oder an was sonst immer bestehen, fallt denen miteingesetzten oder

(1-73) nachberufenen Erben, oder denen nächsten Blutsfreunden (wann so eine als die anderen erbsfähig sind) bis auf den zehenten Grad, in deren Abgang aber Unserer Kammer zu.

Vermächtnissen aber, welche einem solchem erbsunfähigen Fremden verschaffet worden, bleiben dem Erben oder weme sie sonst von Rechtswegen gebühren.

[1, 2, § 3] 45. Unsere Unterthanen sind in allen Unseren deutschen Erblanden ohne Unterschied erbfähig. Wann jedoch Landgüter oder hierauf haftende dingliche Rechte durch Erbschaft oder Vermächtniß an sie gelangten, haben sie in jenem Land, wo sich der Erbanfall ergibt, die Landesfähigkeit oder die Besitzfreiheit, wo solche hergebracht ist, binnen einer Jahresfrist von Zeit des ihnen kundgemachten Erbanfalls zu erwerben, oder ihr Recht an einen daselbstigen Landesfähigen zu übertragen.

[1, 2, § 3] 46. Widrigens solle nach Verlauf dieses Jahres mit gerichtlicher Feilbietung und Versteigerung obangeordneter Massen verfahren, ihnen aber, wann sonst kein Anstand fürwaltet, der erlösende Kaufschilling nach Abzug der Unkosten ausgefolget, übrigens aber auch bei allen sowohl aus Unseren Erblanden, als aus einem Erbland in das andere hinausziehenden Erbschaften allemal auf das nach Verschiedenheit der Fällen durch Unsere anderweite Verordnungen ausgemessene Abfahrtgeld, da wo solches zu entrichten ist, der Bedacht genommen werden.

[1, 2, § 3] 47. Alles, was bishero von Landgütern und darauf haftenden dinglichen Rechten geordnet worden, ist seiner Maßen auch von bürgerlichen Gründen und denenselben anklebenden Rechten (mit alleiniger Ausnahm des Unterpfandrechts) sowohl in Ansehung der einer fremden Botmäßigkeit unterworfenen Ausländer als Unserer Unterthanen zu beobachten.

[1, 2, § 3] 48. Andere unbewegliche Güter, zu deren Besitz die Eigenschaft eines Landmanns oder Burgers nicht erforderlich ist, sind Fremde sowohl durch Handlungen unter Lebenden, als durch Erbfolge an sich zu bringen nicht unfähig, wann sie sonst nach der Länderverfassung oder insonderheit von der Erbfolge durch das Wiedergeltungsrecht nicht ausgeschlossen sind, und anbei von der behörigen Grundobrigkeit zu Inhaberen derlei Gründen angenommen werden.

[1, 2, § 3] 49. Woferne sie aber von der betreffenden Grundobrigkeit nicht angenommen

(1-74) würden, haben die zwischen Lebenden solcher Gründen halber geschlossenen Handlungen ohnehin keinen Fortgang, sondern die Obrigkeit hat in diesem Fall mit derlei Gründen nach dem ihr vermöge eines jeden Landes Verfassung gebührenden Recht zu verfahren.

[1, 2, § 3] 50. In Erbfällen hingegen, wo Fremde aus dem Erwiederungsrecht zu Erbschaften zugelassen werden, haben sich dieselben denen Grundrechten gemäß zu verhalten, widrigens aber ist die Grundobrigkeit berechtiget, zu der Feilbietung des Grundes mittelst der gewöhnlichen Versteigerung auf gleiche Weise, wie es bereits oben erwähnet worden, fürzuschreiten.

[1, 2, § 3] 51. Bewegliche Sachen, Geld oder persönliche Sprüche und Forderungen können Fremde an sich bringen, insoweit ihnen das Wiedergeltungsrecht nicht im Wege stehet, oder mit ihnen als Fremden die Gemeinschaft nicht untersaget ist.

(1-75) [1, 2, § 3] 52. Obschon aber Fremde in Schuldsachen und allen anderen rechtlichen Ansprüchen außer der Besitzfähigkeit zu liegenden Gütern und außer dem Fall der Wiedergeltung gleiches Recht mit Unseren Unterthanen zu genießen haben, so können dieselben doch auch durch diesen Weg zu dem Besitz landschaftlicher oder bürgerlicher Güter nicht gelangen, sondern sie müssen das an solchen Gütern erworbene Recht des Unterpfands, bevor es zur gerichtlichen oder außergerichtlichen Besitzeinraumung kommt, ab einen anderen Fähigen übertragen, oder das Gut muß gerichtlich feilgeboten und der Fremde aus dem erlösenden Kaufschilling befriediget werden.

[1, 2, § 3] 53. Die Landmannschaft sowohl als das Burgerrecht muß ordentlich nach eben des Landes Verfassung erworben und kann durch Ehelichung landes- oder stadtfähiger Weibspersonen auf keinerlei Art erschlichen werden.

[1, 2, § 3] 54. So viel es aber die von dergleichen Weibspersonen an ihre landes- oder stadtunfähige Ehemänner, oder mit diesen erzeugte Kinder lebzeitig oder letztwillig geschehende Uebertragungen und an diese nach jenen sich ergebende Erbanfälle anbetrifft, diesfalls solle es bei Unseren in die Verfassung eines jeden Landes einschlagenden Gesetzen und Verordnungen sein ohnverändertes Verbleiben haben.

[1, 2, § 3] 55. Wann Jemandem der bürgerliche Stand in einem Staat oder in einem Ort, nämlich die Eigenschaft eines Landmanns, städtischen Mitburgers, befreiten oder nicht befreiten Landeseinwohners angestritten wird, so ist anförderist über den Besitz dieser Eigenschaft schleunig zu erkennen, und nach Maßgab diesfälliger Erkanntniß die Vorsehung zu treffen, damit Jemand in den Genuß der bürgerlichen Rechten gehandhabet oder davon ausgeschlossen werde.

[1, 2, § 3] 56. Weme aber der Besitz abgesprochen worden, demselben ist nicht verwehret sein darzu habendes Recht in ordentlichen Weg Rechtens auszuführen und seine dortländige Abkunft von Landleuten, Burgeren oder sonstigen Landeseinwohneren, oder die rechtmäßige Erwerbung der Landes- oder Stadtfähigkeit, oder ihm zukommende besondere Freiheit, oder die häusliche Niederlassung, oder langjährigen Aufenthalt und was sonsten nach Unseren gemeinwesigen Verordnungen zu der behaupten wollenden Eigenschaft eines Landeseinwohners erforderlich ist, rechtsbeständig zu erweisen.

[1, 2, § 3] 57. Wann hingegen Jemand in dem Besitz erhalten worden, einem Anderen aber entweder von tragenden Amts wegen oblieget, oder aus seinem erworbenen Recht wesentlich daran gelegen ist, damit jener sich der bürgerlichen Eigenschaft in dem Staat oder in einem Orte nicht gebrauche, solchen Falls hat Kläger durch förmliche Rechtsverfahrung darzuthun, daß Beklagter derlei Eigenschaft

(1-76) niemalen behörig erworben, oder sich der erworbenen begeben, oder solche nach Ausmessung Unserer Verordnungen verwirket habe.

[1, 2, § 3] 58. Allermaßen gleichwie in Erwerbung des bürgerlichen Standes in dem Staat oder in einem Ort sich nach eines jeden Landes Verfassung und Unseren daselbstigen besonderen Verordnungen zu achten ist, also hanget auch dessen Verlustigung von eben diesen Verfassungen und Verordnungen ab. Niemand aber solle zur Bestreitung einer von dem Anderen angebenden bürgerlichen Eigenschaft zugelassen werden, als deme es vorbesagter Maßen entweder von amtswegen zukommt oder sonst erweislich daran gelegen ist.

§. IV.

[1, 2, § 4] 59. Der Hausstand ist eine Eigenschaft, welche jenen Personen zukommt, die einer häuslichen Gesellschaft beigethan sind. Dieser begreift in seinem weiten

(1-77) Verstand alle Verwandten, die von einerlei Hause oder Geschlecht abstammen und andurch der besonderen Rechten des Geblüts theilhaftig werden, die nur jene, welche von der Verwandtschaft sind, zu genießen haben.

[1, 2, § 4] 60. In seiner genauen Bedeutung hingegen, beschränket sich derselbe allein auf jene Personen, die unter einem Hausvater in einer häuslichen Gesellschaft vereiniget leben, und in diesem Verstand ist der Hausvater das Haupt der häuslichen Gesellschaft, durch welchen alle, die von dieser Gesellschaft sind, den Hausstand erlangen, wofür ein jedweder anzusehen ist, der nicht unter väterlicher Gewalt stehet, obschon er keine eigene Hausverwaltung führet.

[1, 2, § 4] 61. Gleichwie aber die Vereinigung in eine häusliche Gesellschaft aus dreierlei Art geschieht, nämlich durch das Band der Ehe zwischen Mann und Weib, durch die Geburt zwischen Eltern und Kindern, durch ein Beding zwischen Herren und Dienstleuten, also gehören auch alle vorbenannten Personen zu dem Hausstand.

[1, 2, § 4] 62. Aus diesem dreifachen Band der häuslichen Gesellschaft, entspringen die besonderen Rechten und Verbindlichkeiten, welche sowohl dem Hausvater gegen seinen Untergebenen, als auch diesen zum Theil gegen ihme und zum Theil gegen einander gebühren.

[1, 2, § 4] 63. Hier wird nur von jenen Rechten und Verbindlichkeiten gehandelt, welche einerseits zwischen dem Hausvater und der Hausmutter als Eheleuten und andererseits zwischen Eltern und Kindern bestehen.

[1, 2, § 4] 64. Wohingegen die Rechten der Verwandtschaft in dem vierten und die Rechten zwischen Herren und Dienstleuten in dem siebenten Capitel besonders erkläret werden.

[1, 2, § 4] 65. Das Band, welches zwischen Mann und Weib besteht, insoweit es den Ehestand selbst unmittelbar betrifft, ist geistlichen, dahingegen sind alle desselben Wirkungen in zeitlichen der weltlichen Obrigkeit unterworfenen Dingen weltlichen Rechts.

[1, 2, § 4] 66. Diesemnach steht die Erkanntniß über die Giltigkeit oder Ungiltigkeit der Ehe und über die Schuldigkeit der ehelichen Beiwohnung, sowie über die Ehescheidung der geistlichen Gewalt allein zu. Alle Rechten, welche denen Eheleuten gegeneinander in zeitlichen Sachen gebühren, und deren ein Theil durch den anderen in der bürgerlichen Gesellschaft theilhaftig wird, gehören einzig und allein für die weltliche Obrigkeit.

[1, 2, § 4] 67. Diese Rechten bestehen an Seiten des Manns in einer Art der Gewalt über seine Ehegattin, welche jedoch nach der Vernunft, Anständigkeit und Billigkeit gemäßiget und an die göttliche, geistliche und weltliche Gesetze gebunden sein muß.

[1, 2, § 4] 68. Dahingegen ist er verbunden, sie seinem Stande gemäß zu ernähren und zu unterhalten, wie nicht minder dieselbe sowohl gerichtlich als außergerichtlich zu vertreten und zu beschützen.

[1, 2, § 4] 69. An Seiten des Weibs, daß die Ehegattin den Namen, und das Wappen ihres Manns führe, allen Ehren, Würden und dem Mann zustehenden

(1-78) Vorzügen theilhaftig werde und der Gerichtsbarkeit, welcher der Mann unterworfen ist, folge, dann nach dem Tod des Manns die wittibliche Vorrechte genieße.

[1, 2, § 4] 70. Dagegen ist ihre Schuldigkeit, dem Wohnsitz des Manns zu folgen und ihme in seinem Nahrungsstand und in der Haushaltung alle Hilfe zu leisten, folglich ihn in Besorgung des Hauswesens nach ihrem Stande, Kräften und Kündigkeit zu überheben.

[1, 2, § 4] 71. Beider aber gemeinsame Rechten und Schuldigkeiten sind die häusliche Beiwohnung, die unter einander gebührende Erbfolge und Heirathssprüche, welche aus denen Eheberednissen einem und dem anderen Theil zukommen.

[1, 2, § 4] 72. Allhier wird von der häuslichen Beiwohnung und der Schuldigkeit des Manns zur Unterhaltung seines Weibs gehandlet. Alle übrigen Rechten und Schuldigkeiten unter Eheleuten aber kommen allda besonders vor, wo die Gegenstände welche sie betreffen, als da sind die Ehebindnissen, die Erbfolge, die Gerichtsbarkeit und dergleichen erkläret werden.

[1, 2, § 4] 73. Vor allem muß sicher und genüglich dargethan sein, daß zwischen beiden Theilen eine rechtmäßige und giltige Ehe bestehe, worüber im Zweifelsfall die Erkanntniß dem geistlichen Gericht gebühret, das weltliche hingegen jenem die erforderliche Hilfe zu leisten hat.

[1, 2, § 4] 74. Wird die Ehe für ungiltig erkläret und die Trennung der einander widerrechtlich beiwohnenden Personen von dem geistlichen Gericht erkennet, so solle der weltliche Arm Unserer nachgesetzten Stellen auf Erforderen die hilfliche Hand bieten, damit die häusliche Beiwohnung allsogleich getrennet und in Zukunft alle verdächtige Gemeinschaft vermieden werde.

[1, 2, § 4] 75. Da aber die Ehe von dem geistlichen Gericht für giltig erkannt würde und die Eheleute hätten sich eigenmächtig von einander abgesonderet, so hat gleichermaßen das weltliche Gericht nöthigenfalls an Hand zu gehen, damit die eigenwillig getrennte Eheleute zu häuslichen Beiwohnung angehalten werden.

[1, 2, § 4] 76. In Zwietrachten, so anderer Ursachen halber zwischen Eheleuten

(1-79) entstehen, oder wann ein Theil sich von dem anderen eigenmächtig abgesonderet hätte oder absonderen wollte, sollen Unsere nachgesetzte Gerichte und Obrigkeiten zeitliche Vorsehung thun, und die zwistigen Eheleute allenfalls mit einer dem ungebührlichen Betragen angemessenen Ahndung zu vereinigen trachten, und zum friedlichen Leben anhalten.

[1, 2, § 4] 77. Wo aber der eine oder andere Theil auf die Ehescheidung berufen und die Scheidung von Tisch und Bett vom geistlichen Richter bewilliget würde, so kann auch der geschiedene Theil zur häuslichen Beiwohnung mit dem anderen von dem weltlichen Gericht keinerdings gezwungen werden, obschon ihme nicht verwehret ist, zur Aussöhnung getrennter Eheleuten alle gütliche Vermittlung anzuwenden.

[1, 2, § 4] 78. Wann die Ehe für ungiltig erkläret wird, höret die Verbindlichkeit zur Unterhaltung des vermeintlichen Eheweibs auf, und sind die beiderseitige Ansprüche des zugebrachten Vermögens halber, so etwann ein Theil dem anderen vorenthielte, oder wegen des Verlusts, welchen ein Theil oder der andere aus Anlaß der ungiltigen Ehe erleidet, lediglich bei denen weltlichen Gerichten auszuführen.

[1, 2, § 4] 79. Daferne aber die Ehe ungezweiflet giltig ist, und gleichwohlen aus zulänglich befundener Ursache die Ehescheidung von Tisch und Bett durch die geistliche Gehörde zugelassen würde, so solle auf die von derselben anerkannte Schuldtragung des einen des oder anderen Theils, ob nämlich der Mann das Weib forthin zu unterhalten verbunden oder von weiterer Abreichung des Unterhalts entledigt bleiben solle, gesehen und dieser Entscheidung in Anmessung des Unterhalts nachgegangen werden.

[1, 2, § 4] 80. Dahingegen gehöret die Bestimmung des eigentlichen Betrags des Unterhalts und dessen Zahlungsart, dann alles Uebrige, was sowohl wegen Erziehung und Unterhaltung der Kinder, als wegen der einem an dem anderen Theil gebührenden Sprüchen und Forderungen einer gerichtlichen Vorsehung bedarf, einzig und allein zu den weltlichen Gerichten.

[1, 2, § 4] 81. Hierüber solle anförderist nach Thunlichkeit gütliche Handlung gepflogen, da aber diese fruchtlos abliefe, außerordentlich im Weg des schleunigen Rechts verfahren, und was billig befunden wird, vorgekehret werden. Es handlete sich dann um solche Ansprüche, die außer dem ordentlichen Rechtsweg nicht zu entscheiden wären.

[1, 2, § 4] 82. Der mehr oder wenigere Betrag des Unterhalts ist mit Rücksicht auf den Stand und Würde des Manns nach denen Kräften seines Vermögens, nach Maß des zugebrachten Guts und anderweiter Mitteln des Weibs, bei unbemittelten Leuten aber nach dessen Besoldung, Verdienst, Gewerb, Nahrungsfähigkeit des Weibs und anderen zu erwägen billig findenden Umständen abzumessen.

[1, 2, § 4] 83. Vornehmlich solle dabei das Augenmerk dahin gerichtet werden, damit weder das Weib durch den allzugroßen Unterhalt in der Gemüthsentfernung gestärket, indessen aber der Mann an Mitteln erschöpfet, außer Nahrungsstand gesetzet, oder die geziemende Erziehung der Kinder behinderet, noch auch der Mann durch den allzugeringen Unterhalt abgehalten werde, der von Zeit zu Zeit zu versuchen habenden Vereinigung die Hand zu bieten.

(1-80) [1, 2, § 4] 84. Zum Unterhalt gehöret Alles, was zu Erhaltung des Lebens und Abwendung der Dürftigkeit nach Standesgebühr und nach Bewandtniß vorberührter Umständen erforderlich ist, nicht aber was zur Pracht und überflüssigen Gemächlichkeit dienet.

[1, 2, § 4] 85. Die Unterhaltungsschuldigkeit erstrecket sich auch auf die zu tragen habende standesgemäße Begräbnißkosten, wann nach dem Verstorbenen keine darzu hinreichende Mitteln nachgeblieben sind.

[1, 2, § 4] 86. Außer dem Fall der Ehescheidung kommt es zwar wegen Unterhaltung des Eheweibs nicht leicht zur gerichtlichen Erkanntniß. Wo aber jedoch begründete Ursach zur Beschwerde vorhanden wäre, so hat das weltliche Gericht wegen Beobachtung des schuldigen Wohlstands schleunige Vorsehung zu treffen und, da gütliche Besuche nichts verfingen, auch nöthigen Falls nach vorstehender Maßgabe die richterliche Hilfe zu ertheilen.

[1, 2, § 4] 87. Aus dem Band des Geblüts entspringen die Rechten zwischen Eltern und Kindern. Diese erwerben sowohl Vater als Mutter durch die eheliche Erzeugung wovon hier gehandlet wird. Jene Rechten aber, welche Unsere Gesetze dem Vater als Wirkungen der väterlichen Gewalt besonders zueignen, werden unten in fünftem Capitel von der väterlichen Gewalt eigends erkläret.

[1, 2, § 4] 88. Der Vater hat ein gewisses Beherrschungsrecht über seine Kinder, woraus deren Schuldigkeit zu gehorsamen, und die vollkommene Unterwerfung in den väterlichen Willen fließet, insoweit dessen Befehle nicht wider die gute Sitten und göttliche und menschliche Gebote laufen.

[1, 2, § 4] 89. Es steht ihme dahero zu, sie zu allem Guten zu leiten, Gehorsam und Ehrerbietung von ihnen zu fordern und die Widerspenstigen durch mäßige Züchtigung anzuhalten, worinnen ihm Niemand hinderlich zu fallen, noch weniger die Kinder seiner Gewalt zu entziehen oder zu verhehlen befugt ist.

[1, 2, § 4] 90. Widrigens kann der Vater solche von weme immer abforderen und gebühret ihme die Rechtsklage zu Darstellung seiner Kinder, worinnen schleunig zu verfahren und da die Kinder etwann gewaltthätig geraubet worden, wider den Entführer die Strafe der heimlich oder öffentlich ausgeführten Gewalt und auch nach Umständen die Strafe des Menschenraubs zu verhängen ist.

[1, 2, § 4] 91. Wo aber die Kindschaft entweder von einem Kind selbst oder von einem Dritten in Abrede gestellet würde, solle hierüber mit schleuniger Erkanntniß fürgegangen und dem Vater zu Behauptung seines behörig zu erweisen habenden Rechts außerordentliche Rechtshilfe ertheilet werden.

[1, 2, § 4] 92. Ferners ist der Vater berechtiget, seine Kinder sowohl gerichtlich als außergerichtlich zu schützen und zu vertreten, ihren Handlungen und Verbindungen so lange sie unter seiner Gewalt stehen, den Beistand zu geben oder zu versagen, für die ihnen angethane Unbild in Weg Rechtens Genugthuung zu suchen, ihr Hab und Gut zu verwalten und durch sie zu erwerben.

[1, 2, § 4] 93. Diesem Recht des Vaters können sich die Kinder auf keinerlei Weise

(1-81) entziehen noch etwas vornehmen, wodurch dem Vater geschadet oder dessen Ehre, Leumuth und guter Namen bekränket werde.

[1, 2, § 4] 94. Dahingegen lieget auch dem Vater ob, die Kinder als sein Blut zu lieben, sie für die seinigen zu erkennen, zu ernähren, zu allen Guten zu erziehen, zu einem dem Staat nützlichen Stand anzuführen und dieses, wie das Wohl, Ehre und Nutzen seines Hauses nach Möglichkeit zu beförderen.

[1, 2, § 4] 95. In diesem besteht solchemnach das hauptsächliche Recht der Kinder, damit sie nämlich von ihrem Vater dafür erkennet und von ihme geziemend ernähret werden, woraus alle übrige Rechten hergeleitet werden, welche denen Kindern gegen Vater und zu seinem Vermögen gebühren und unten bei der Abhandlung von der väterlichen Gewalt mit mehreren vorkommen.

[1, 2, § 4] 96. Das Recht der Kindschaft steht denen Kindern in gewisser Maß noch eher zu, als sie das Licht der Welt erblicken.

Dahero ist der Vater nicht nur die währender Ehe empfangene Kinder, falls die Mutter keines Ehebruchs überführet worden, für die seinigen zu erkennen, sondern auch, falls er vor ihrer Geburt versterben sollte, sowohl wegen Ernährung der Mutter zu Erhaltung der Frucht, als wegen der Erbfolge der nachgeborenen Kinder die nöthige Vorsehung zu treffen schuldig.

[1, 2, § 4] 97. Aus dem Recht der Kindschaft folget unmittelbar die Theilnehmung an allen Vorrechten des Hausstandes, folglich nicht allein an dem väterlichen Namen, Wappen und Anverwandtschaft, sondern auch an allen Ehren, Würden, Vorzügen und anderen Rechten des Vaters, die nicht auf dessen Person beschränket sind, wie

(1-82) nicht weniger an dem väterlichen Gut und der Erbfolge, insoweit der Vater nach Zulassung der Gesetzen darmit nicht anderst ordnet.

[1, 2, § 4] 98. Zu Behauptung dieses Rechts solle denen Kindern, falls etwann von dem Vater oder von jemandem Anderen die Kindschaft widersprochen würde, und sich die Frage ereignete, ob Jemand wirklich des angegebenen Vaters Kind seie, die außerordentliche und schleunige Rechtshilfe angedeihen.

[1, 2, § 4] 99. Und wiezumalen die Entscheidung dieser Frage einzig und allein von der ehelichen Geburt abhanget, so ist damals die rechtliche Vermuthung für die eheliche Geburt, wann das Kind wenigstens in dem siebenten Monat nach angetretener Ehe oder aber längstens im zehenten Monat von des Vaters Tod oder von seiner Abwesenheit zu rechnen geboren worden.

Dehero (!) Derjenige, welcher in solchen Fällen die eheliche Geburt strittig machen wollte, dagegen das Widerspiel zu erweisen hat.

[1, 2, § 4] 100. Wer aber vor Anfang des siebenten Monats nach Antritt der Ehe, oder nach dem zehenten Monat von des Vaters Tod oder Abwesenheit zu rechnen geboren worden, hat die Vermuthung wider sich, und liegt ihme die Beweisführung seiner rechtmäßigen Geburt ob, wobei so in einem als dem anderen Fall die genaueste Untersuchung und Bewährung aller Umständen nöthig ist, warum nach dem Befund der Naturkundigen die Geburt so frühezeitig oder so spät habe erfolgen können.

[1, 2, § 4] 101. Es hätte dann der Vater einen früher Gebornen für den seinigen erkennet, welche Erkanntniß zwar wider den Vater den vollen Beweis, wider Andere aber nur die rechtliche Vermuthung für die Rechtmäßigkeit des Kinds wirket, welche durch widrigen Beweis entkräftet werden kann. Ein Gleiches hat auch in jenem Fall statt, wann der Vater ein nach dem zehenten Monat von seiner Abwesenheit zu rechnen gebornes Kind nachhero für das seinige anerkennet.

[1, 2, § 4] 102. Ist die Kindschaft außer Anstand, so fließet hieraus die Schuldigkeit des Vaters sein Kind zu ernähren und zu unterhalten, welche sich auch auf die Unterhaltung Mutter erstrecket, so lange das Kind noch von ihr getragen wird, damit die Frucht erhalten werde.

[1, 2, § 4] 103. Sind die Kinder zur Welt gekommen, so ist der Vater zu allem demjenigen Aufwand verbunden, welcher zur weiteren Ernährung, Pflegung, Wartung und Erziehung der Kinder nöthig ist, bis sie sich selbst ernähren können, sie mögen mündig oder unmündig, in der väterlichen Gewalt oder außer derselben, gut oder übel gesittet sein und eine Versorgung bereits erhalten oder eigene Mitteln gehabt haben oder nicht, ohne Unterschied und Ausnahm, wann sie von anderwärts her sich nicht unterhalten können.

(1-83) [1, 2, § 4] 104. Dieses erstrecket sich auch auf die Kindskinder, wenn ihre Eltern unvermögend sind und sie sonst keine Mitteln haben, doch also, daß allemal die väterlichen Großeltern vor denen mütterlichen hierzu verbunden sind.

[1, 2, § 4] 105. Von dieser Schuldigkeit aber wird der Vater insoweit enthoben, als die Kinder ein eigenes Vermögen haben, und die davon abfallende Nutzungen, oder die Einkünften eines bekleidenden Amts und Bedienstung, oder einer treibenden Kunst oder Gewerbs, oder der sich durch eigenen Fleiß und Arbeit schaffende Verdienst zur standesmäßigen Ernährung hinreichend sind.

[1, 2, § 4] 106. Nicht weniger wird der Vater davon entbunden, wann die Mutter die Unterhaltung der Kinder ganz oder zum Theil über sich genommen, oder wann die Töchter mit oder ohne väterlichen Willen, mit oder ohne einem Heirathsgut ausgeheirathet worden, sie wäre dann arm und könnte weder von ihrem Mann, welchen ihre Ernährung zuerst oblieget, noch von dessen Eltern den benöthigten Unterhalt ihrer ebenmäßigen Armuth wegen überkommen.

[1, 2, § 4] 107. Um somehr ist ein Vater von Ernährung seiner Tochterkinder entledigt, immaßen diese Kinder von ihrem Vater, oder bei dessen Unvermögenheit von ihren väterlichen Großeltern ernähret werden müssen.

Wann jedoch weder ihr Vater, noch dessen Eltern selbe zu ernähren im Stande wären, so liegt erst alsdann dem mütterlichen Großvater ob, seiner Tochter Kindern nicht zwar nach seinem eigenem Stand und Würde, sondern nur nach Nothdurft den Unterhalt zu verschaffen.

[1, 2, § 4] 108. Endlich entbindet auch die Undankbarkeit der Kinder, wann sie also beschaffen ist, daß selbe nach Unseren Gesetzen zu deren Enterbung hinlänglich seie, den Vater von der Schuldigkeit ihrer standesmäßigen Unterhaltung. Doch woferne solche unwürdige Kinder in äußersten Nothfall den Unterhalt von ihrem Vater ansuchen, so kann ihnen derselbe zur bloßen Lebensfristung und ohne Rücksicht auf das Vermögen, Stand oder Würde des Vaters nicht verweigeret werden.

[1, 2, § 4] 109. Von dem Recht des Vaters ist nach der Natur das Recht der Mutter über ihre Kinder nicht sonderlich unterschieden.

Sie sind nicht minder derselben nach dem Vater zu gehorsamen, sie zu ehren und auf keinerlei Art zu verletzen schuldig.

[1, 2, § 4] 110. Außer deme legen die Gesetze nach andere Rechten sowohl der Mutter gegen die Kinder, als diesen gegen die Mutter bei, welche theils in der Erbfolge, theils in dem Recht zur Vormundschaft und dergleichen mehreren bestehen, wovon an behörigen Orten das mehrere erwähnet werden wird.

[1, 2, § 4] 111. Dagegen ist die Mutter nicht weniger verbunden auch ihrerseits zur Erziehung, Pflegung und Wartung ihrer Kinder alle Mühe, Fleiß und Sorgfalt

(1-84) anzuwenden, keineswegs aber währender Ehe zu deren Ernährung und Unterhaltung aus ihren Mitteln etwas beizutragen schuldig.

[1, 2, § 4] 112. Es wäre dann der Vater hierzu unvermöglich oder sie hätte sich darzu entweder in der Eheberedniß oder auch sonst außer derselben durch ein nachheriges Beding anheischig gemacht oder sich zu einem Beitrag eingelassen.

[1, 2, § 4] 113. Nach des Vaters Tod aber ist die Mutter, die ohne allem oder doch mit keinem hinlänglichen Vermögen hinterlassene Kinder zu ernähren schuldig, insoweit deren eigene Mitteln nicht zureichen, woferne nicht eine von denen bereits oben bei dem Vater erwähnten Ursachen unterwaltet, wodurch sie von dieser Schuldigkeit enthoben würde.

[1, 2, § 4] 114. In Gegentheil haben auch die Kinder die erwiederliche Schuldigkeit auf sich, ihre bedürftige Eltern, Großeltern und weitere Aufsteigende zu ernähren, zu pflegen, zu warten und denenselben in ihrer Noth und Kräften beizustehen, wo sie es zu thun im Stande sind.

[1, 2, § 4] 115. Wer die Verbindlichkeit des abzureichen habenden Unterhalts auf sich hat, deme lieget auch ob die standesgemäße Begräbnißkosten zu bestreiten, insoweit diese aus dem nachgelassenen Vermögen nicht erschwungen werden können.

[1, 2, § 4] 116. Was aber aus der erwiederlichen Ernährungsschuldigkeit zwischen Eltern und Kindern von einem oder dem anderen Theil aufgewendet oder sonst über die Schuldigkeit aus natürlicher Zuneigung abgereichet worden, kann nicht mehr zurückgeforderet werden, wann der Ersatz des über die Schuldigkeit Aufgewendeten nicht ausdrücklich bedungen worden.

[1, 2, § 4] 117. Was bisher geordnet worden, ist nur von eheleiblichen Kindern zu verstehen, wofür auch die aus einer vermeintlich giltigen Ehe erzeugte Kinder zu halten sind. Von denen unehelich erzeugten, nachher aber rechtmäßig gewordenen und von denen an Kindsstatt angenommen wird unten in fünftem Capitel mit mehreren Meldung geschehen.

[1, 2, § 4] 118. Dahingegen haben uneheliche Kinder keinen Antheil an dem Hausstand

(1-85) des Vaters, obschon dieser, wo er Vater zu sein gestehet oder dessen überführet wird, selbe zu ernähren schuldig ist.

[1, 2, § 4] 119. Auf bloßes Angeben einer geschwächten Person aber wird Niemand für den Vater gehalten, sondern um eine rechtliche Vermuthung wider ihn zu bewirken, ist seine eigene Geständniß der Schwächung oder dessen Ueberführung und die Uebereinstimmung der Zeit und Umständen mit der Geburt erforderlich.

[1, 2, § 4] 120. Diese Vermuthung kann von nicht anderst, als durch klaren Gegenbeweis abgeleinet werden, welche aber immittelst an sich schon stark genug ist, daß ihme bis dahin nicht allein die Ernährung des Kinds, sondern auch die Unterhaltung der unbemittelten Kindsträgerin bis zur Geburtszeit und die Bestreitung der Kindbettsunkosten auferleget werde.

[1, 2, § 4] 121. Doch ist der Unterhalt unehelicher Kinder und der Kindsmutter nicht so wie bei ehelichen Kindern nach dem Vermögen, Stand und Würde des bezüchtigten Vaters, sondern nach der bloßen alleinigen Nothwendigkeit auszumessen und zugleich auf das Vermögen der Mutter, auf die Dürftigkeit des angeblichen Vaters und auf andere Umstände zu sehen, welche den Vater von Ernährung des Kinds oder der Kindsträgerin ganz oder zum Theil entheben können.

[1, 2, § 4] 122. Von diesem höchstnöthigen Unterhalt sind keine uneheliche Kinder, aus was immer für einer verbotenen Vermischung dieselbe gezeuget worden, ausgeschlossen, wann sie sonst von anderwärts keine Nahrung haben.

[1, 2, § 4] 123. Insoweit aber dieselbe vorstehender Maßen von dem erweislichen Vater ihren Unterhalt nicht bekommen, ist die Mutter sie zu ernähren schuldig und nach dem Tod ihres erweislichen Vaters oder ihrer Mutter gebühret ihnen aus deren Verlassenschaft anstatt des Unterhalts derjenige Antheil, welcher im zweiten Theil im zwölften Capitel von Einsetzung der Erben, §. II von num. 23 bis num. 25 für sie eigends ausgemessen ist.

[1, 2, § 4] 124. Uebrigens folgen sie der Mutter und sind in Ansehung ihrer in allen Rechten und Schuldigkeiten gegen dieselbe denen ehelich gebornen gleich, insoweit Unsere Gesetze in Erb- und anderen Fällen zwischen beiden keinen Unterschied ausdrücklich bestimmen.

(1-86) Caput III.

Von Ehebindnissen

Inhalt:

§. I. Von Eheverlobnissen. §. II. Von Heirathsgut. §. III. Von der Widerlag. §. IV. Von Schankungen zwischen Eheleuten. §. V. Von dem ehegattlichen Vermögen. §. VI. Von Witums und anderen Rechten nach der Ehe.

§. I.

[1, 3, § 1] 1. Die Ehe ist der Ursprung aller Rechten des Hausstands, dann aus derselben entstehen die Rechten zwischen Mann und Weib. Aus der ehelichen Erzeugung jene zwischen Eltern und Kindern. Und endlich werden durch dieselbe die Rechten des Geblüts unter denen Verwandten fortgepflanzet.

[1, 3, § 1] 2. Es wird dahero die Abhandlung von Ehebindnissen in gegenwärtigen Capitel vorausgesetzet, ehe und bevor die übrigen hieraus erwachsende Vorrechte des Hausstands erkläret werden.

[1, 3, § 1] 3. Die Ehebindnissen nehmen insgemein ihren Anfang von der Eheverlobniß oder dem Versprechen künftiger Ehe, werden durch die wirkliche Ehe vollzogen, und endlich durch den Tod des einen oder anderen Theils anwiederum aufgelöset.

[1, 3, § 1] 4. Gleichwie aber aus der Eheverlobniß die Verlobten in Absicht auf die künftige Ehe gegen einander gewisse Rechten erwerben, sodann aus der wirklichen Ehe die Rechten zwischen Eheleuten entspringen und nach deren Auflösung durch den Tod des einen oder anderen Ehegatten dem überlebenden Theil noch gewisse Rechte an dem hinterlassenen Vermögen des Verstorbenen gebühren, also wird auch hier erstlich von den rechtlichen Wirkungen der Ehebindnissen vor der Ehe zwischen Verlobten, sonach von jenen in der Ehe zwischen Vereheligten und schließlichen von denen nach der Ehe an Seiten des verwitibten Ehegattens gehandlet.

[1, 3, § 1] 5. Die Eheverlobniß ist ein Versprechen und Gegenversprechen der künftigen

(1-87) Ehe, woraus die beiderseitige Verbindlichkeit der eheversprochenen Personen erwachset, ihr Versprechen zu erfüllen und mittelst priesterlicher Zusammengebung die Ehe anzutreten.

(1-88) [1, 3, § 1] 6. Diese Verbindlichkeit kann jedoch nicht anderst als mit der Fähigkeit der Eheversprochenen sich mittelst eines solchen Versprechens gegeneinander zu verstricken bestehen, welche nicht allein nach denen geistlichen, sondern auch nach Unseren weltlichen Gesetzen abgemessen werden muß.

[1, 3, § 1] 7. Wiewohlen dahero das Eheversprechen, insoweit es auf die Vollziehung der versprochenen Ehe abzielet, zur Erkanntniß der geistlichen Gerichten gehöret, so solle jedoch von denenselben auch auf Unsere Gesetze, welche die Eheverlobnissen gewisser Personen, wann sie wider deren Ausmessung unternommen worden, für ungiltig erklären, um so mehr gesehen werden, als im widrigen die dagegen ergehende Erkanntnissen keine Kraft und Wirkung haben und solchen von Unseren nachgesetzten Gerichten nicht der mindeste Beistand geleistet werden solle.

[1, 3, § 1] 8. Solchemnach ist da Eheversprechen der minderjährigen oder auch schon großjährigen, allein zur Zeit noch in der Eltern Brod stehenden Kindern ganz und gar ohne Kraft und Wirkung, wann ein Sohn oder Tochter heimlich oder vor Zeugen schriftlich oder mündlich solches ohne angesuchter Einwilligung der Eltern eingegangen.

[1, 3, § 1] 9. Sie sollen vielmehr, ehe und bevor sie sich in ein Eheversprechen einlassen, vorhero ihre Eltern, oder wo bereits Vater und Mutter verstorben wäre, den noch lebenden Elterntheil um die Einwilligung geziemend ersuchen und im Weigerungsfall dieses Ersuchen nach einiger Zwischenzeit wenigstens noch zu zweimalen wiederholen oder durch Andere darum anhalten lassen.

[1, 3, § 1] 10. Würden aber Vater oder Mutter oder auch beide Eltern jegleichwohlen auf ihrer Weigerung immer beharren, so mögen sich die Kinder an die weltliche Gerichtsstelle, welcher ihre Eltern untergeben sind, bittlich verwenden, welches Ansuchen nicht weniger sowohl von denen Befreundten, die sich der Kinder annehmen wollen, als auch von dem Gegentheil, mit welchem die Eheverlobniß nicht zugelassen werden will oder dessen Eltern oder Gerhaben und Vormünderen geschehen kann.

(1-89) [1, 3, § 1] 11. Das Gericht hat hierauf die Eltern über die Ursache ihrer Weigerung außer dem ordentlichen Weg Rechtens schleunig zu vernehmen und da die Ursachen


(1-90) der Verweigerung erheblich zu sein befunden würden, nicht allein das Verwilligungsgesuch abzuschlagen, sondern auch die muthwillige Behelligung zu verweisen und den Sohn oder Tochter nach Umständen von dergleichen unzeitigen oder unanständigen Vorhaben nachdrucksam abzuwarnen.

[1, 3, § 1] 12. Wann aber von denen Eltern gar keine Ursach der Weigerung angegeben oder die vorschützende Ursachen nicht hinlänglich zu sein erachtet würden, hat das Gericht sich alle Mühe zu geben, die auf der Weigerung bestehende Eltern durch alle nur thunliche gütliche Vorstellungen zu Einwilligung zu bewegen, und da sie nichtsdestoweniger sich hierzu nicht verstehen wollten, ihnen eine mäßige Bedenkzeit zur Ueberlegung und endlichen Erklärung anzuberaumen.

[1, 3, § 1] 13. Da jedoch auch dieses nichts fruchtete, solle das Gericht nach Verlauf der bestimmten Bedenkzeit die Einwilligung zu dem Eheversprechen anstatt der Eltern von amtswegen ertheilen und die sonach für sich gegangene Heirath den Kindern an deme, was ihnen von ihren Eltern von Rechts wegen gebühret, zu keinem Nachtheil gereichen.

[1, 3, § 1] 14. In Gegentheil sind die Kinder, welche ohne vorher angesuchter Einwilligung ihrer Eltern und ohne auf dem Fall ihrer Weigerung ausgewirkter gerichtlicher Erlaubniß oder wohl gar wider den ausdrücklichen Willen und Verbot der Eltern oder wider die gerichtliche Abweisung sich in ein Eheversprechen eingelassen, solches zu erfüllen nicht befugt, sondern die Eltern vielmehr berechtiget dergleichen Heirathen auf alle Art und Weis zu hintertreiben und nöthigen Falls eine Abmahnung von der weltlichen an die geistliche Gehörde auszuwirken, um die priesterliche Zusammengebung einzustellen.

[1, 3, § 1] 15. Woferne sich aber ein Sohn oder Tochter jegleichwohlen wider Willen der Eltern und ohne hierzu erhaltener gerichtlicher Bewilligung vereheliget hätte, so ist der hierdurch beleidigte Vater, oder Mutter von aller Schuldigkeit entbunden einem solchen ungehorsamen Kind das standesmäßige Unterkommen, Heirathgut und wie immer Namen habende Versorgung oder Ausstattung abzureichen, die im Nothfall zu unumgänglichen Lebensfristung unentbehrliche Nahrungsmitteln allein ausgenommen.

[1, 3, § 1] 16. Ueber das haben die Eltern Fug und Macht ihre ungehorsame Kinder, die sich wider ihren Willen verheirathet, wann die Ursach ihrer Weigerung von Gericht erheblich zu sein befunden worden, in ihrem letzten Willen zu enterben, insoferne von ihnen nach der Hand diese Heirath nicht begenehmiget und die andurch zugefügte Beleidigung nachgesehen worden.

[1, 3, § 1] 17. Nebst deme solle ein solches Beginnen beschaffenen Umständen nach mit einer dem richterlichen Ermessen überlassenen Strafe desto schärfer angesehen werden, je ungleicher die Heirath und je verkleinerlicher dieselbe ihrem Stand und Geschlecht oder dem Ansehen, guten Namen und Leumuth ihrer Eltern ist.

[1, 3, § 1] 18. Eine noch empfindlichere Strafe aber ist wider jene Personen zu verhängen, die sich unterfangen, adeliche oder sonst ehrbarer Leuten Kinder zu verführen und arglistig zu bereden, um sich mit ihnen in eine ungleiche Ehe einzulassen.

[1, 3, § 1] 19. Desgleichen solle wieder Diejenige die Strafe verschärfet werden, welche sich aus Arglist oder schnöder Gewinnsucht zur Vermittlung solcher Winkelheirathen gebrauchen lassen oder wohl gar selbst darzu anbieten und hierzu Anlaß, Gelegenheit

(1-91) und Vorschub geben, besonders, da sie der Eltern oder Kindern Dienstleute wären.

[1, 3, § 1] 20. Großjährige und zugleich außer der Eltern Brod stehende Kinder aber haben zwar zu ihrer vorhabenden Verehelichung die Einwilligung ihrer Eltern aus natürlicher Ehrerbietung anzusuchen; doch kann weder dessen Unterlassung, noch die ohnerachtet der Weigerung ihrer Eltern vollzogene Heirath gegen sie geahndet, noch weniger dieselbe hierwegen von ihren Eltern enterbet werden.

[1, 3, § 1] 21. Es seie dann, daß die Eltern wider eine ungleiche, ihrem Stand und Ansehen verkleinerlich fallende Heirath ihrer auch zur Zeit schon großjährigen Kinder die Gerichtshilfe angerufen hätten, und die Ursach ihrer Widersetzung von Gericht aus gebilliget worden wäre.

[1, 3, § 1] 22. Vaterlose Söhne oder Töchter müssen nebst Einwilligung der Mutter auch die Einwilligung ihres Vormunds (wann sie einen anderen Vormund haben, oder der Mutter ein Mitvormund zugegeben ist) ansuchen.

Dieser hat sich, da kein Bedenken vorhanden, von der Gesinnung der Mutter nicht leicht zu entfernen; falls aber ein gegründeter Anstand unterwaltete, solchen bei der Vormundschaftsgehörde anzuzeigen.

[1, 3, § 1] 23. Welche sodann benöthigten Falls die Freundschaft hierüber vernehmen und nach reifer Ueberlegung der sowohl für als wieder die Heirath streitenden Ursachen entweder die obervormundschaftliche Genehmigung ertheilen oder solche abschlagen solle.

[1, 3, § 1] 24. Wären aber beide Eltern verstorben, so ist es an der alleinigen Verwilligung des Vormunds nicht genug, obgleich die Befreundten des Waisens darmit verstanden wären, sonder es muß auch hierzu die obervormundschaftliche Genehmhaltung des Gerichts erwirket werden.

[1, 3, § 1] 25. Diese hat insgemein der Vormund selbst, wann er wider die Heirath nichts einzuwenden hat, mit Anführung des unterwaltenden Wohlstands und Nutzens des Waisen, Gutbefunds der nächsten Freundschaft und anderer Umständen anzusuchen.

[1, 3, § 1] 26. Wann hingegen der Vormund weder seine Einwilligung ertheilen, noch auch um die obervormundschaftliche Genehmhaltung einkommen wollte, so stehet sowohl dem minderjährigen Sohn oder Tochter, als dem Gegentheil frei, auf gleiche Weise, wie es im Weigerungsfall der Eltern oben verordnet worden, entweder selbst oder durch Andere um die obervormundschaftliche Einwilligung zu bitten.

[1, 3, § 1] 27. Worüber das Gericht den Vormund und nöthigen Falls die nächste Befreundte des Waisen zu vernehmen und da keine erhebliche Ursach entgegen stünde, zu der Heirath die gerichtliche Verwilligung zu ertheilen, falls aber gegründete

(1-92) Bedenken fürwalteten, den Waisen mit seinem Gesuch abzuweisen die Behelligung zu verheben und ihn von dem Vorhaben ernstlich abzuwarnen hat.

[1, 3, § 1] 28.Würde aber ein minderjähriger Sohn oder Tochter wider dieses Unser Gebot sich mit Hintansetzung des Vormunds und der behörigen Gerichtsstelle in ein heimliches oder auch öffentliches Eheversprechen einlassen, so solle solches ganz und gar kraftlos und nicht von der mindesten Wirkung und Verbindlichkeit sein, noch weniger von Unseren nachgesetzten Stellen hierwegen ein Beistand geleistet werden.

[1, 3, § 1] 29. Um so mehr sollen auf den Fall einer solchen vollzogenen Winkelheirath nicht allein alle dieserwegen eingegangene Verbindungen, Verheißungen oder Schankungen, wie sie immer Namen haben mögen, durchaus ungiltig und nichtig sein, sondern auch dieses strafmäßige Beginnen an ihnen, an dem anderen Theil und an denen Helfern mit gleicher Schärfe geahndet werden, wie es bereits oben n.17, 18 und 19 wider Söhne und Töchter in dem ähnlichen Fall ausgemessen ist.

[1, 3, § 1] 30. Desgleichen wo es die Landesverfassung mit sich bringet, daß einem

(1-93) Unterthan sich ohne Einwilligung seiner Herrschaft zu vereheligen nicht erlaubet seie, da lassen Wir es noch ferners dabei bewenden, doch solle sothane Einwilligung denen Unterthanen von der Herrschaft ohne genugsamer Ursache nicht verweigeret, sondern vielmehr die Heirathen des gemeinen Volks, wann die zusammen Heirathende anderst sich zu nähren im Stande sind, und der Herrschaft kein Schaden und Nachtheil hieraus erwachset, nach Unseren anderweiten Verordnungen in Absicht auf den aus der mehreren Bevölkerung erzielenden gemeinwesigen Nutzen auf alle thunliche Weise erleichteret werden.

[1, 3, § 1] 31. Solchemnach gestatten Wir denen Unterthanen, welchen auf ihr bittliches Anlangen die herrschaftliche Einwilligung zu ihrer vorhabenden Vereheligung versaget wird, sich darüber bei jener Gehörde, an welche die Unterthansbeschwerden wider ihre Obrigkeit in jedem Lande unmittelbar angewiesen sind, selbst oder durch Andere zu beschweren.

[1, 3, § 1] 32.Worüber die Herrschaft über die Ursachen ihrer Weigerung vernommen und da selbe hinlänglich zu sein befunden würden, der beschwerführende Unterthan abgewiesen und gestalter Dingen nach,, da er sich eines unwahren Anbringens, ungeziemenden Betrags oder muthwilliger Behelligung unterstanden hätte, bestrafet werden solle.

[1, 3, § 1] 33. Wäre aber die Weigerungsursache nicht erheblich, so ist der Vorfall an die vorgesetzte Landesstelle mit Beifügung des Gutachtens einzuberichten, welche bei Befund der unstandhaften Weigerung dem beschwerführenden Unterthan die Verwilligung zu seiner Vereheligung von Amts wegen zu ertheilen hat, kraft welcher derselbe nachhero weder an seiner Vereheligung von der Herrschaft weiter behinderet, noch deshalben auf einigerlei Weise gekränket werden solle.

[1, 3, § 1] 34. Die Ursachen, wegen welcher die herrschaftliche Einwilligung zur Vereheligung eines Unterthans abgeschlagen werden kann, sind beiläufig folgende:

Das minderjährige Alter der unterthänigen Person, die Weigerung der Eltern, welchen Falls aber auch diese darüber zu vernehmen sind und auf obstehende Art fürzugehen ist.

[1, 3, § 1] 35. Ferners die Freiheit des anderen Theils, falls dieser die Unterthänigkeit nicht angeloben, oder denen aus dieser Ehe erzeugenden Kindern die Freiheit vorbehalten wollte. Eben also, wann der andere Theil ein fremder Unterthan ist, und dieser Anstand durch den nachbarlichen sogenannten Weglaß nicht behoben werden kann.

[1, 3, § 1] 36. Böser Lebenswandel des einen oder anderen Theils, woraus von dem künftigen Ehepaar Verführung Anderer, Schaden und Aergerniß zu befürchten wäre.

[1, 3, § 1] 37. Die offenbare Unvermögenheit der künftigen Eheleuten sich und ihre Kinder durch Dienstleistung, Handarbeit, Handel, und Gewerb oder auf sonstige redliche Weise zu ernähren, woraus vorzusehen wäre, daß sie der Herrschaft, denen Mitunterthanen und selbst dem gemeinen Wesen zu Last gereichen würden.

[1, 3, § 1] 38. Endlich auch die vorhin schon übersetzte Anzahl der Eheleuten auf einem Gut, so daß daselbst noch mehrere Haushaltungen auf keinerlei Weise bestehen könnten und überhaupt alles, wovon sowohl dem Herrn, als dem Gut und denen dortigen Mitunterthanen oder wohl gar dem gemeinen Wesen ein Schaden und Nachtheil zugehen könnte.

[1, 3, § 1] 39. Dahingegen solle ein bloßes nicht Wollen der Herrschaft, eine eigennützige

(1-94) Absicht, eine anmaßliche Bestrafung wegen fleischlichen oder anderen Verbrechens oder ein sonstiger ungegründeter Vorwand keineswegs hinreichend sein, die Einwilligung zu versagen, oder solche auf diese oder jene mit Ausschließung der zur Ehe verlangten Person einzuschränken.

[1, 3, § 1] 40. Obwohlen zuweilen die Einwilligung auf einige Zeit verschoben werden kann, da auf dem Gut oder Herrschaft ein erweislicher Abgang diensttauglicher Leuten wäre und hierzu wegen des landesbrauchlichen geringen Lohns oder anderer Umständen halber ohne Nachstand des Dienstes nicht füglich verheirathete Leute gebrauchet werden könnten.

[1, 3, § 1] 41. Wegen unterwaltender gemeiner Wohlfahrt muß die Erfüllung des Eheversprechens bei gewissen Personen, welche wegen einer auf sich habenden Eigenschaft oder aus Umständen, in denen sie sich zur Zeit befinden, durch Unsere besondere Verordnungen Heirathen einzugehen untersaget ist, einsweilig ausgesetzet bleiben, so daß zwar die Verbindung nicht unkräftig ist und auch nicht aufhöret, dennoch aber so lang nicht in Erfüllung gehen kann, als vorbesagte Eigenschaft oder Umstände fürdaueren.

[1, 3, § 1] 42. Solchemnach solle deme, was gedachte Unsere Verordnungen in Ansehung der sowohl wirklich dienenden Kriegsleuten, als der zu dienen unfähigen und in Verpflegung stehenden unvermöglichen Soldaten, dann deren den Verdacht eines heimlichen Abzugs erweckenden Heirathen mit Ausländern, herrnloser Leuten, Landstreichern und anderen unnützigen keines Nahrungsstandes fähigen Gesinds maßgebig enthalten, auf das Genaueste nachgelebt werden.

[1, 3, § 1] 43. Wo es sich aber um Vollziehung eines Eheversprechen zwischen

(1-95) solchen Personen handlete, denen Unsere Gesetze nicht im Wege stehen, so hat der geistliche Richter allein zu erkennen, ob ein giltiges Eheversprechen unterwalte und ob mithin ein Theil den anderen zu eheligen schuldig oder von dem Versprechen entbunden seie.

[1, 3, § 1] 44. Zu diesem Ende solle zu Handhabung der ihme hierinfalls gebührenden Gerichtbarkeit (!) und Vollstreckung seiner mit Beobachtung Unserer Gesetzen geschöpften Erkanntnissen und Urtheilen der Beistand des weltlichen Arms auf jedesmaliges Ansuchen unweigerlich ertheilet werden.

[1, 3, § 1] 45. Wann hingegen ohne erweislichen Eheversprechen nur Schwächung oder Schwängerung halber geklaget würde, gehöret sowohl die Erkanntniß über die Genugthuung, als auch über die Kindbettunkosten und Unterhaltung des Kinds,

(1-96) wie nicht minder über die Bestrafung derlei Vergehens bloß allein zu denen weltlichen Gerichten.

[1, 3, § 1] 46. Es seie dann, daß sich von der einen oder anderen Partei auf ein zwischen ihnen eingegangenes Eheversprechen berufen würde, welchen Falls selbe sofort an das geistliche Gericht zu verweisen sind, um daselbst über die Giltigkeit und Verbindlichkeit des Eheversprechens zu erkennen und sonach weiter in Sachen zu verfahren.

[1, 3, § 1] 47. Daferne jedoch der klagende Theil von der Person des Beklagten abließe, und nur eine Genugthuung an Geld oder anderen Sachen verlangete, oder aber von dem geistlichen Richter kein Eheversprechen zu unterwalten befunden würde, kann die Genugthuung und deren Ausmessung nirgends anderst als bei dem weltlichen Gericht, deme der Gegentheil unterworfen ist, angesuchet werden.

[1, 3, § 1] 48. Wie dann überhaupt in Eheverlobnißfällen, wo von dem geistlichen Richter auf einen Ersatz oder Abfindung erkennet wird, die Bestimmung des Betrags denen weltlichen Gerichten allein zustehen solle, obschon denen streitenden Theilen nicht verwehret ist, sich entweder vor dem geistlichen Gericht oder auch unter sich allein, wann es nur sonst erweislich ist, frei und ungezwungen zu vergleichen, und auch zu Erfüllung derlei freiwilliger Vergleichen die Gerichtshilfe nach Ordnung rechtens nicht versaget werden kann.

[1, 3, § 1] 49. Bei Eheverlobnissen wird gemeiniglich auch um die zeitliche Versorgung der künftigen Eheleuten gehandlet und geschieht sehr gut daran, wann dergleichen Heirathsberednissen noch vor der priesterlichen Trauung geschlossen werden, wovon in denen nachstehenden §§ das mehrere folgen wird.

[1, 3, § 1] 50. Doch sind die Verehrungen und Schankungen, welche entweder vor

(1-97) dem Eheversprechen, oder bei, oder nach demselben, es seie in Absicht auf die künftige Ehe oder zu Bezeigung der Liebe zwischen Brautleuten, oder von Anderen aus Zuneigung gegen dieselbe zu geschehen pflegen, in dasjenige, was ein Theil dem anderen aus der Heirathsberedniß schuldig ist, nicht einzurechnen, wann in derselben ein solches nicht ausdrücklich bedungen oder vorbehalten worden.

[1, 3, § 1] 51. Vielmehr sollen jene Verehrungen, so vor dem Eheversprechen ohne dessen ausdrücklicher Bedingung zu bloßer Bezeigung der Liebe und Zuneigung geschehen, als freiwillige, unbedingte, unwiderrufliche Schankungen angesehen werden, wann die verehrte und verschenkte Sachen zugleich übergeben und angenommen worden, auch die Schankung sonst an sich selbst nicht mangelhaft, noch der schenkende Theil solche zu thun unfähig ist.

[1, 3, § 1] 52. Die Verehrungen aber, welche entweder vor dem Eheversprechen mit dem ausdrücklichen Beding der künftigen Ehe, oder bei, oder nach demselben gleichsam zu einer Versicherung und Unterpfand des zu vollziehen kommenden Ehebindnisses, es sei von denen Brautleuten untereinander, oder von denen Eltern des einen oder anderen Theils mit wirklicher Uebergabe gemacht werden, sollen, wann die Heirath mit beiderseitiger Abweichung oder zufälliger Weise nicht erfolget, (falls nicht etwas Anderes ausdrücklich bedungen worden) dem verehrenden Theil zurückfallen.

[1, 3, § 1] 53. Wo aber ein Theil wider Willen des anderen ohne rechtlicher Ursache von dem Eheversprechen abweichen und der andere ihn zur Erfüllung des Versprechens mit Gerichtszwang nicht anhalten wollte, oder da ein Theil dem anderen genugsame Ursache von dem Eheversprechen abzuweichen gegeben hätte, so behält nicht allein der beständig gebliebene oder abzuweichen veranlaßte Theil das Empfangene, sondern er ist noch über das Jenes, was er dem anderen gegeben, zurückzuforderen berechtiget.

[1, 3, § 1] 54. Da jedoch der beständig gebliebene Theil auf den Vollzug des Eheversprechens gleichwohlen andringete, der andere hingegen sich hierzu durchaus nicht verstehen wollte oder aus seiner Schuld dasselbe nicht mehr erfüllen könnte, so bleibet dem ersteren bevor, die vollständige Genugthuung für Alles, woran es ihme wegen nicht erfolgter Ehe gelegen ist, gerichtlich anzusuchen.

[1, 3, § 1] 55. Dahingegen sollen bloße Zusagen und Verheißungen ohne Uebergabe zwischen freienden oder eheverlobten Personen keine Kraft und Wirkung haben, sondern bei Veränderung des Willens widerruflich sein, wann sie nicht wohlbedächtlich mit darüber errichteten Urkunden oder vor Zeugen geschehen, insoferne jedoch auch in diesem Fall die Schankung sonst an sich selbst nach Maßgebung dessen, was deshalben in zweitem Theil von Schankungen geordnet wird, bestehen kann.

(1-98) [1, 3, § 1] 56. Wann von Anderen, die zur Versorgung des Ehepaars nicht verbunden sind, denen Brautleuten vor oder nach der Ehe einige Geschenke geschehen, sollen solche beiden Theilen gemein erworben werden, wo sie nicht erweislich dem einen oder dem anderen Theil besonders zugedacht oder nur in Ansehung eines Theils verehret worden, oder nur zu Gebrauch und Anständigkeit des einen Theils und nicht auch des anderen andienen können, in welchen Fällen sie jenem allein zu verbleiben haben.

[1, 3, § 1] 57. Da Jemand eine Ehe zu stiften, oder zu diesem Vorhaben auf erlaubte Art behilflich zu sein ersuchet würde, oder sich selbst darzu anbietet, so muß dieses unentgeltlich und bloß aus Freundschaft geschehen.

[1, 3, § 1] 58. Widrigens kann Jenes, was dieserwegen vor der Heirath gegeben worden, binnen Jahr und Tag vor oder nach der Heirath anwiederum zurückgeforderet werden, es wäre dann erweislich, daß es auf allen Fall, die Heirath erfolge oder nicht, freiwillig geschenket und übergeben worden.

[1, 3, § 1] 59. Wo aber nichts gegeben, sondern nur etwas dafür versprochen oder verschrieben worden, solle derlei Versprechen oder Verschreibung ganz ungiltig sein, und unter keinerlei Vorwand einige Rechtshilfe darzu ertheilet, noch weniger, wann nichts verglichen worden, vor oder nach erfolgter Heirath etwas dafür geforderet werden können, sondern die rechtliche Vermuthung vorbringen, daß der Heirath ohne eigennütziger Nebenabsicht Vorschub gegeben worden seie.

[1, 3, § 1] 60. Doch muß Derjenige, deme vergleichen Unterhandlungsgeschäft eigends aufgetragen worden, seines Aufwands, Versäumniß und sonstigen Nachtheils halber gleich einem anderen Bevollmächtigten schadlos gehalten werden.

[1, 3, § 1] 61. Wie dann auch nicht verboten ist, nach erfolgter Heirath für die auch ohne Vollmacht auf erlaubte Weise bewirkte Unterhandlung durch eine freiwillige Erkenntlichkeit sich dankbar zu erzeigen, wann nur alle Zunöthigung davon entfernet ist.

[1, 3, § 1] 62. Was dahero einem solchen Unterhandler nach der Hochzeit aus Dankbarkeit verehret, versprochen oder verschrieben worden, dieses hat in derjenigen Maß, wie es in zweitem Theil von Schankungen geordnet wird, die Kraft einer zu Recht bestehenden vergeltlichen Schankung.

[1, 3, § 1] 63. Dahingegen solle auch Derjenige, welcher sich zu Vermittlung oder Unterhandlung einer Heirath gebrauchen läßt, sich aller Arglist, Gefährde oder sonst ungeziemender Absicht enthalten. Widrigens ist ein solcher arglistiger Unterhandler nicht allein dem hintergangenen Theile für Alles, was diesem daran gelegen ist, verfänglich, sondern solle beinebst nach Befund der hinzustoßenden mehr oder minder erschwerenden Umständen unnachsichtlich bestrafet werden.

§. II.

[1, 3, § 2] 64. Auf die Eheverlobniß folget die Ehe, und mit dieser nehmen die Rechten der Eheleuten ihren Anfang, welche, insoweit sie unmittelbar aus dem Ehestand selbst fließen, bereits oben in zweitem Capitel, § IV, berühret worden.

(1-99) Insoweit sie aber die zeitliche Versorgung der Eheleuten und das ehegattliche Vermögen zum Gegenstand haben, in diesem und denen folgenden §§. eigends beschrieben werden.

[1, 3, § 2] 65. Diese betreffen das Heirathgut, die Widerlage oder Gegenvermächtniß, die Schankungen zwischen Eheleuten, die gemeine Erwerbung oder das beiderseitige abgesonderte Eigenthum, die Nutznießung und Verwaltung des ehegattlichen Vermögens.

[1, 3, § 2] 66. Das Heirathgut, welches auch anderst die Ehesteuer, Mitgift oder

(1-100) Brautschatz genannt wird, ist dasjenige, was das Weib oder die Eltern oder auch ein Anderer für das Weib dem Mann zu leichterer Ertragung der Ehelasten an Geld oder Gut bestellet.

(1-101) [1, 3, § 2] 67. Die Ehe kann zwar allerdings ohne Heirathgut bestehen; doch ist es nicht nur eine allgemeine Geziemung, sondern auch in Ansehung gewisser Personen eine Schuldigkeit, ein Heirathgut zu bestellen, wann solches bei vorfallender anständiger Heirat begehret wird.

[1, 3, § 2] 68. Wann Diejenigen, welche sich in ein Ehebindniß einlassen, ein eigenes Vermögen und die freie Schalt- und Waltung mit demselben haben, hanget es von ihrer freien Willkür ab, ein Heirathgut zu bestellen und zu bedingen.

[1, 3, § 2] 69. Wo aber die sich verehelichende Person unter der Vormundschaft stehet und die obervormundschaftliche Einwilligung in die Heirath erfolget, hat der Vormund das Heirathgut nach Kräften des Vermögens der Braut und nach Umständen der Heirath mit Beobachtung der hiernach vorgeschriebenen Maß und mit jedesmaliger Gutheißung der obervormundschaftlichen Gehörde zu bestellen.

[1, 3, § 2] 70. Welches auch in jenem Fall statt hat, wann eine noch unter väterlicher Gewalt stehende Tochter, die ein eigenes von dem Vater verwaltetes Vermögen hätte, entweder mit seinem Willen oder doch bei dessen unbilliger Weigerung mit gerichtlicher Verwilligung heirathete, welcher nicht weniger der Vater auf Begehren von ihrem Vermögen ein anständiges Heirathgut mit gerichtlicher Genehmhaltung auszumessen hat.

[1, 3, § 2] 71. Wo aber ein Vormund oder Vater aus dem eigenen Vermögen einer heirathenden Tochter das Heirathgut zu bestellen weigerte, kann solches sowohl vor der Heirath als auch währender Ehe mit Willen der Verheiratheten gerichtlich angesuchet werden, welchen Falls schleunig und außerordentlich zu verfahren ist.

[1, 3, § 2] 72. Wann hingegen die heirathende Person kein eigenes Vermögen hat, so sind die Eltern und Großeltern nach derjenigen Ordnung, wie sie zu dem Unterhalt verbunden sind, ihren ausheirathenden Töchtern und Enklinnen ein geziemendes Heirathgut zu bestellen schuldig.

[1, 3, § 2] 73. Deme zufolge lieget diese Verbindlichkeit vornehmlich dem Vater, und wo dieser arm wäre, sodann der Mutter ob, wann sie vermöglich ist. Da aber beide Eltern mittellos wären, so gehet diese Schuldigkeit erstlich auf die väterliche und hernach auf die mütterliche Großeltern.

[1, 3, § 2] 74. Da sich jedoch Jener, der hierzu verbunden ist, dessen weigerte, kann von den Brautleuten oder von Anderen, denen sich ihrer anzunehmen zustehet, die behörige Gerichtsstelle des darzu Verbundenen um ihre Vermittlung belanget werden, welche denselben hierüber schleunig zu vernehmen und durch gütliche Wege mit allen diensam ermessenden Vorstellungen zu einen anständigen Heirathgut zu vermögen hat.

[1, 3, § 2] 75. Bei fruchtloser Vermittlung aber solle das Gericht vornehmlich darauf sehen, ob der weigerende Theil eine genugsame Ursach habe, das begehrende Heirathgut abzuschlagen, welchen Falls der anrufende Theil abzuweisen ist.

[1, 3, § 2] 76. Derlei Ursachen sind die eigene Mittellosigkeit oder doch so geringes Vermögen, daß ihme selbst der gebührende Unterhalt kaum verbleiben oder derselbe

(1-102) außer Stand gelangen würde, die übrige noch habende Kinder oder Enkeln zu versorgen.

[1, 3, § 2] 77. Desgleichen wann die Tochter oder Enklin zu dieser oder der vorigen Ehe bereits ein Heirathgut oder ihre gänzliche Abfertigung erhalten hat, obschon sie das Erhaltene auch ohne ihrer Schuld verloren hätte.

[1, 3, § 2] 78.Nicht minder, wann sie bei großjährigen Alter sich ausdrücklich des Heirathguts begeben oder auf die Erbschaft dessen, welcher unmittelbar hierzu verbunden ist, eine Verzicht gethan oder gegen ihme eine Enterbungsursache begangen, oder, wann auch jener Elterntheil, durch welchen sie absteigend ist, sich der Erbschaft desjenigen Aufsteigenden, von deme das Heirathgut begehret wird, gegen erhaltener gänzlicher Abfertigung verziehen hat.

[1, 3, § 2] 79. Endlich enthebet auch das eigene Vermögen der heirathenden Tochter oder Enklin von der Verbindlichkeit zur Bestellung des Heirathguts insoweit, daß es genug seie, nur so Vieles beizutragen, als mit Zuziehung ihres Vermögens zu einem gebührlichen Heirathgut abgängig ist.

[1, 3, § 2] 80. Dahingegen kann ein bloßer Eigensinn, Kargheit oder Gehässigkeit den hierzu Verbundenen, wann er genugsam bemittelt ist, und es ohne merklichen Nachtheil wohl thun kann, von dieser Schuldigkeit keineswegs befreien.

[1, 3, § 2] 81. Vielmehr solle das angerufene Gericht in Ermanglung einer billigen Weigerungsursache ein anständiges Heirathgut in der unten vorgeschriebenen Maß bestimmen, und den weigerenden Theil zu dessen wirklicher Bestellung binnen einer hierzu anzuberaumen habenden Frist und nach deren Verlauf durch gerichtliche Zwangsmitteln verhalten.

[1, 3, § 2] 82. Doch stehet einem jedweden durch diese richterliche Ausmessung sich beschwert zu sein findenden Theil frei, den Zug dagegen an den oberen Richter in der hierzu ausgesetzten Zeit einzuwenden, woselbst ebenfalls schleunig zu verfahren ist.

[1, 3, § 2] 83. Außer vorbemelten aufsteigenden Personen ist sonst Niemand von Befreundten und umsoweniger ein Fremder zur Bestellung des Heirathguts verbunden, er habe sich dann freiwillig darzu verpflichtet, oder eine Erbschaft oder Vermächtniß mit solcher Beschwerde angenommen.

[1, 3, § 2] 84. Nur allein bestehet bei höheren Standespersonen, welche zugleich Landleute sind, in Ansehung der Brüdern und Bruders-Söhnen für die vor Einführung dieses Unseren Gesetzes sich ergebene Erbfälle nach einem Vater oder väterlichen Großvater, in welchen ihnen die ganze väterliche oder großväterliche Erbschaft mit Ausschließung der für verziehen gehaltenen Töchtern und Enklinnen nach den vorigen Gesetzen allein zugefallen, die Ausnahme, daß sie noch ferners eben nach Maßgebung der vorigen Gesetzen zur landesbräuchlichen Ausstattung ihrer verziehenen Schwestern und Muhmen verbunden bleiben.

[1, 3, § 2] 85. Niemandem aber ist verwehret, er möge ein Befreundter oder Fremder sein, aus freien Willen und Gutthätigkeit für eine heirathende Person ein Heirathgut zu bestellen, welches zugleich als eine ihr geschehene Schankung anzusehen ist, wann der Bestellende sich die Rückgabe nach ausgelöster Ehe nicht bedungen hat.

Es ist demnach das Heirathgut dreierlei, als:

Ein eigenes, welches aus dem eigenen Vermögen der Braut entweder von ihr selbst, wo sie darmit die freie Schalt- und Waltung hat, oder von ihrem Vormund oder Vater mit obervormundschaftlicher Genehmigung bestimmet wird.

[1, 3, § 2] 87. Ein von denen Eltern oder Großeltern herrührendes, welches der Vater, die Mutter, der Großvater oder die Großmutter oder auch ein Anderer in Ansehen der Eltern oder Großeltern bestellet.

[1, 3, § 2] 88. Ein auswärtiges, welches weder aus dem Vermögen der Baut, noch von ihren Eltern oder Großeltern aus ihren Mitteln, noch auch von jemanden

(1-103) Anderen in Ansehen des hierzu verbundenen Theils, sondern bloß aus Freigebigkeit und Gutthätigkeit gegen die sich verehelichende Person gegeben worden.

[1, 3, § 2] 89. Wo die heirathende Person ein eigenes Vermögen und darmit die freie Schalt- und Waltung hat, hanget es von ihrer eigenen Willkür, gleichwie in dem Fall, wo selbe noch minderjährig ist, von dem Befund der obervormundschaftlichen Gehörde ab, was und wie viel von ihrem Vermögen zum Heirathgut bestellet werden wolle.

[1, 3, § 2] 90. Wir setzen und ordnen aber, daß ein aus eigenen mitteln bestellendes Heirathgut den dritten Theil des Vermögens nicht überschreiten solle, was eine Braut oder Ehegattin zur selben Zeit hat, da sie das Heirathgut bestellet.

[1, 3, § 2] 91. Solchemnach solle die Uebermaß niemalen in der Eigenschaft eines Heirathguts bestehen können, sondern als eine aus bloßer Freigebigkeit herrührende Schankung zwischen Eheleuten nach deme geachtet werden, was davon in dem folgenen §. IV geordnet wird.

[1, 3, § 2] 92. Wovon Wir nur den alleinigen Fall ausgenommen haben wollen, da das Vermögen der heirathenden Person so gering wäre, daß dessen dritter Theil zu einem standesgemäßen Heirathgut nicht zureichete, welchen Falls zu Beförderung einer anständigen Heirath sich auch darüber bis auf die Hälfte des Vermögens einzulassen gestattet sein solle.

[1, 3, § 2] 93. Wann ein Heirathgut von einem Aufsteigenden, welcher hierzu verbunden ist, bestellet wird, ist bloß darauf zu sehen, damit der Pflichttheil der übrigen Notherben andurch nicht verkürzet werde.

Widrigens, und da nach Ableben eines solchen Aufsteigenden sich durch Uebermäßigkeit des bestellten Heirathguts in Ansehung des nachgelassenen Vermögens eine Verkürzung an dem Pflichttheil der übrigen Notherben ergeben würde, muß ihnen auch der Abgang von dem Heirathgut nach Maß dessen, um was sie durch dasselbe an dem Pflichttheil verkürzet worden, vergütet werden.

[1, 3, § 2] 94. Außer deme beruhet die Bestimmung des mehr oder minderen Betrags bei der Willkür der sich hierwegen Vergleichenden. Wo sich aber deshalben, weilen entweder gar keines oder doch ein sehr geringes, mit der Wohlanständigkeit nicht übereinkommendes Heirathgut mitgegeben werden wollte, unter ihnen nicht geeiniget werden könnte, und es dahero auf die richterliche Ausmessung ankäme, so hat das Gericht jedes Mal auf den Landesbrauch, nach den Stand, Würde und Wesen der Personen, und auf die Kräften des Vermögens des hierzu verbundenen Elterntheils zu sehen.

[1, 3, § 2] 95. Wann jedoch in Ermanglung eines Landesbrauchs keine verläßliche Richtschnur daher zu erholen wäre, oder der landesübliche Betrag die Kräften des Vermögens des hierzu verbundenen Elterntheils überstiege, hat das Gericht auf dessen Vermögens-, Gewerb- und Nahrungsstand, die mehrere oder mindere Anzahl der noch zu versorgen habenden Kindern und mehr dergleichen zu erwägen billige Umstände die Rücksicht zu nehmen, und nach vernünftigen Ermessen das Heirathgut zu bestimmen, oder durch gütliche Wege die Parten über den Betrag zu vereinigen, dabei aber sich von aller nachtheiligen Untersuchung des Vermögens zu enthalten.

[1, 3, § 2] 96. Endlich, wo Jemand, welcher zu Mitgebung eines Heirathguts nicht verbunden ist, dasselbe bestellete, hanget es von seiner eigenen Willkür ab, was für Ziel und Maß derselbe seiner Freigebigkeit setzen wolle, wenn die Schankung nur also beschaffen ist, daß solche nach Inhalt dessen, was davon in zweitem Theil, in siebentem Capitel geordnet wird, zu Recht bestehen könne.

[1, 3, § 2] 97. Ein Heirathgut kann sowohl vor der Heirath, als auch während der Ehe bestellet werden. Wo aber dessen Bestellung vor der Heirath nicht geschehen, ist der Mann

(1-104) nicht mehr befugt, solche darnach anzubegehren, noch weniger das Weib oder ihre Eltern darum gerichtlich anzusprechen.

[1, 3, § 2] 98. Es seie dann, daß ein minderjähriges Weib ihr eigenes Vermögen unter der Verwaltung ihres Vormunds oder ihres Vaters besitzete, und diese vor der Heirath ein Heirathgut zu bestellen verweigeret hätten, welchen Falls dessen Ausmessung auch nach der Verehelichung mit Willen des Weibs gerichtlich angesuchet werden mag.

[1, 3, § 2] 99. Wie aber die Bestellung des Heirathguts, also kann auch dessen Vermehrung währender Ehe aus freier Willkür geschehen, wann nur dabei mit Einrechnung des schon vorhin zum Heirathgut bestimmten Betrags die oben vorgeschriebene Maß nicht überschritten wird.

[1, 3, § 2] 100. Ein Heirathgut kann entweder durch lebzeitige oder letztwillige Handlungen bestellet werden.

Darüber pflegen insgemein schriftliche Eheberednissen, Heirathsbriefe oder wie sonst immer Namen habende Verträge zwischen denen Brautleuten selbst oder zugleich zwischen ihren Eltern, Vormünderen, Befreundten oder auch Fremden, die das Heirathgut hergeben, errichtet zu werden, wiewohlen eine Eheberedniß oder ordentlich zu Stande gebrachter Heirathsvertrag auch ohne schriftlicher Urkunde giltig ist, wann solcher durch Zeugen oder sonst genüglich erwiesen werden mag.

[1, 3, § 2] 101. die Eheberednissen und Heirathsbriefe bestehen einerseits in dem Versprechen oder Beschreibung des Heirathsguts und andererseits in dessen Annehmung mit oder ohne Gegenbestellung einer Widerlag, deme noch verschiedene andere Nebenbedinge nach Willkür deren sich Vergleichenden beigefüget zu werden pflegen.

[1, 3, § 2] 102. Die Bestellung des Heirathguts hat allemal die Bedingniß auf sich, wann eine giltige Ehe erfolget oder die bereits eingegangene giltig ist.

[1, 3, § 2] 103. Wann demnach die Ehe aus was immer für Ursache mit oder ohne Schuld eines oder des anderen Theils nicht erfolget, oder die schon angetretene Ehe wegen einer ehetrennlichen Hinderniß für ungiltig erkläret, und sonach die vermeinte Eheleute geschieden worden, höret alles Recht des Heirathguts dergestalten auf, daß nicht nur das versprochene nicht begehret, sondern auch das schon übergebene und empfangene als ein von dem anderen ohne Ursach vorenthaltenes Gut zurückgeforderet werden könne.

[1, 3, § 2] 104. Doch bleibet in jenem Fall, da aus Schuld des einen Theils die versprochene Ehe nicht erfolget, oder der eine Theil vor der Heirath die ehetrennliche Hinderniß, wegen welcher die Ehe nachhero ungiltig erkläret worden, wohl gewußt und solche dem anderen verhehlet hat, dem Hintergangenen sein Recht bevor, die Entschädigung und sonstigen Entgang an dem Schuldigen anzusuchen.

[1, 3, § 2] 105. Außer vorbemelter, einem jeden Heirathgut nach dessen Natur

(1-105) ohnzertrennlich anklebender Bedingniß der ohnfehlbar erfolgenden oder wirklich schon bestehenden Ehe kann von Jenen, die ein Heirathgut zu geben schuldig sind, bei dessen Bestellung ohne Einwilligung des Bräutigams oder Ehemanns keine andere wie immer Namen habende Bedingniß beigesetzet werden.

[1, 3, § 2] 106. Was aber auch mit Einwilligung des Bräutigams oder Ehemanns ausbedungen wird, kann der Braut oder Ehegattin an ihrem nach dem bestellenden Eltertheil dereinst zu gewarten habenden Erbtheil zu keinem Schaden gereichen, wann durch derlei Bedinge sie an dem ihr angebührenden Pflichttheil eine erweisliche Verkürzung oder sonstige Beschwerung über die Natur des Heirathguts erlitte.

[1, 3, § 2] 107. Sie wäre dann großjährig und hätte dabei ausdrücklich das unter so beschaffenen Bedingnissen bestellte Heirathgut auf Abschlag ihres künftigen Erbtheils oder zu ihrer gänzlichen Abfertigung angenommen.

[1, 3, § 2] 108. Umsoweniger kann in Fällen, wo ein Vater oder Vormund aus den unter seiner Verwaltung habenden eigenen Mitteln einer minderjährigen Tochter ein Heirathgut bestellet, auch mit Willen des Bräutigams oder Ehemanns etwas ausbedungen werden, was derselben über die Natur eines Heirathguts eine mehrere Beschwerde oder sonstigen Nachtheil zuziehen würde.

[1, 3, § 2] 109. Dahingegen stehet sowohl einer schon großjährigen Braut oder Eheweib, als einem jedem anderen hierzu nicht Verbundenen allerdings frei, bei Bestellung des Heirathguts was immer für mögliche, sonst zulässige und weder denen Gesetzen noch guten Sitten widerstrebende Bedingnissen und Nebenverträge beizufügen.

[1, 3, § 2] 110. Doch müssen derlei Bedinge gleich Anfangs bei der Bestellung geschehen; dann widrigens, wo das Heirathgut unbedingt bestellet worden, erwachset hieraus ein Recht, welches ohne Willen dessen, deme es gebühret weder geänderet noch mit neuen Beisätzen beschweret werden kann.

[1, 3, § 2] 111. Also ist nach einmal bestellten Heirathgut weder das Weib ohne Einwilligung des Manns, noch der Mann ohne Einwilligung des Weibs und um so minder ein Dritter, der das Heirathgut bestellet, ohne Einwilligung Beider befugt, ein neues Beding beizurucken oder das Anfangs beigeruckte zum Nachtheil des einen oder anderen Theils abzuänderen.

[1, 3, § 2] 112. Auch die Eheleute für sich können die Bedinge nicht änderen, welche von einem Dritten, der das Heirathgut hergegeben, beigefüget worden, außer jenen, welche einzig und allein den selbsteigenen Vortheil des einen oder anderen Theils zu Absicht haben, dessen sich Jedermann, der sich sonst zu verbinden oder Verbindungen zu erlassen fähig ist, nach eigenem Gefallen begeben kann.

[1, 3, § 2] 113. Diejenige Bedinge aber, welche sie selbst gegen einander eingegangen, oder über ihr eigenes oder nachhero eigenthümlich angefallenes Vermögen von ihren Vormünderen oder Eltern eingegangen worden, können sie, wann selbe großjährig sind, mit beiderseitiger Einverständniß nach Willkür änderen oder auch

(1-106) gar anwiederum einander erlassen, insoweit keines Anderen hieraus erworbenes Recht andurch geschmäleret wird.

[1, 3, § 2] 114. Insgemein betreffen die dem Heirathgut beigesetzte Bedinge und Nebenverträge dessen Gewinn oder Rückfall, wann das Weib vor dem Mann oder der Mann vor dem Weib verstirbt.

[1, 3, § 2] 115. Wo aber nichts Anderes ausdrücklich ausbedungen worden, solle das Heirathgut jedesmal dem überlebenden Theil unwiderruflich gehören und verbleiben, also daß auf Vorsterben des Weibs dasselbe der Mann gewinne, wann er sich nicht namentlich auf diesem Fall zu dessen Zurückstellung an den Bestellenden oder dessen Erben oder an die Kinder oder sonstige Erben des Weibs verbunden hat.

[1, 3, § 2] 116. Gleichwie gegentheils auf Vorsterben des Manns das Heirathgut allemal zu dem Weib zurückzukehren hat, wann nicht etwann ein Widriges wortdeutlich bedungen worden, daß es auf solchen Fall entweder bei denen Kindern aus solcher Ehe oder bei anderen Erben des Manns verbleiben, oder dem Bestellenden oder dessen Erben oder auch einem Dritten zukommen solle.

[1, 3, § 2] 117. Wann ein Heirathgut schriftlich oder mündlich versprochen worden,

(1-107) ist an dem Versprechen allein nicht genug, sondern es muß auch in der gebührenden Zeit dessen wirklicher Erlag erfolgen.

[1, 3, § 2] 118. Doch kann vor der Heirath auf dessen Entrichtung noch nicht geklaget werden. Nach der Heirath aber ist zu unterscheiden, ob eine Erlagsfrist verglichen worden oder nicht. Ersteren Falls ist förderist die verglichene Frist abzuwarten.

[1, 3, § 2] 119. Letzteren Falls aber kann solches aus Wohlanständigkeit vor Gericht nicht ehender gefordert werden, bevor nicht sechs Wochen von Zeit der priesterlichen Trauung verstrichen sind.

[1, 3, § 2] 120. Nach deren Verlauf hingegen oder nach der verglichenen Verfallzeit gebühret die Rechtsforderung wider Jenen, der das Heirathgut bestellet hat, oder dessen Erben zu dessen Erlag, Uebergabe oder Abtretung mit allen von der verglichenen Erlagszeit oder, da keine bestimmet worden, von dem Tag der eingegangenen Ehe verfallenen Zinsen oder Früchten und Nutzungen.

[1, 3, § 2] 121. Und zwar mit landesüblichen Zinsen, wo das Heirathgut an baarem Geld oder einbringlichen Forderungen versprochen worden, oder der Werth von zugeschätzten Sachen zu erstatten kommt. Mit Früchten und Nutzungen aber von denen zum Heirathgut angewiesenen fruchtbringenden beweglichen oder unbeweglichen Dingen oder nutzbaren Rechten.

[1, 3, § 2] 122. Der Rechtszwang gehet jedoch wider den Beklagten nicht weiter, als auf das, was derselbe füglich thun kann, ohne sich selbst dem äußersten Nothstand auszusetzen, also daß dem Beklagten allemal die Rechtswohlthat der erweislichen Selbstbedürfniß zu Statten komme, und dieses zwar denen leiblichen Eltern oder Großeltern der Eheleuten ohne Unterschied; dahingegen Anderen nur damals, wann das Heirathgut aus ihrer bloßen Freigebigkeit herrühret, und sie nicht schon aus einer vorhin bestandenen Ursache zu eben denselben Betrag, welchen sie nachhero zum Heirathgut bestellet, verbunden waren.

[1, 3, § 2] 123. Wo aber ein Heirathgut mit einem bestellten Unterpfand landtäflich, stadt- oder grundbücherlich verschrieben worden, bedarf es keiner besonderen Rechtsforderung, sondern dem Ehemann stehet nach Verlauf der oberwähnten Zeit frei, bei fruchtloser gütlicher Ermahnung die gerichtliche Einführung in das ihme verschriebene Unterpfand zu nehmen, und sich dessen bis zu seiner vollständigen Befriedigung zu halten.

[1, 3, § 2] 124. Die Uebergabe des Heirathguts geschieht an baarem Gelde durch dessen wirkliche Zuzählung und an Fahrnissen durch deren Ueberantwortung und anderseitige Annehmung, bei liegenden Gütern und hierauf haftenden Rechten und Forderungen durch deren landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Verschreibung und Abtretung.

[1, 3, § 2] 125. Und da es sich zuweilen ereignet, daß in dem Heirathsbrief die Zuzählung und der richtige Empfang des Heirathguts bekennet und über dessen Empfang in Hoffnung der künftigen Zahlung schon zum Voraus quittiret werde, obschon es noch nicht wirklich zugezählet und empfangen worden, so solle jegleichwohlen eine solch voreilige Bekanntniß nicht hinderen, daß nicht ohnerachtet der in dem Heirathsbrief enthaltenen Quittirung das Heirathgut annoch geforderet werden könne.

[1, 3, § 2] 126. Doch mit folgendem Unterschied, daß, wann der Mann binnen Jahr und Tag (das ist binnen einem Jahr und sechs Wochen) von dem Tag der Verehelichung, obschon binnen dieser Zeit das Weib verstorben wäre, nach dessen Tod ihme vermöge der Heirathsberedniß das Heirathgut zugefallen, dasselbe gerichtlich

(1-108) begehret, derjenige, welcher das Heirathgut bestellet, und hierüber quittiret worden, die wirkliche Zuzählung oder Uebergabe zu erweisen habe.

[1, 3, § 2] 127. Wann aber das Heirathgut erst nach Jahr und Tag von angetretener Ehe wider die eigene Quittung als unzugezählter geforderet würde, so solle der Gegentheil, welcher das Heirathgut bestellet hat, von dem Beweis der in dem Heirathsbrief bekannten und bescheinigten Zuzählung gänzlich entbunden, Kläger aber, welcher vorgibt, daß ihme das Heirathgut nicht zugezählet worden, dieses sein Vorgeben rechtsbeständig darzuthun schuldig sein.

[1, 3, § 2] 128. Da jedoch der Empfang des Heirathguts nicht in dem Heirathsbrief bekennet, sondern von dem Ehemann nach der Hand eine absonderliche Quittung oder sonstige Urkunde zu Bescheinigung des Empfangs ausgestellet worden, so ist sich in solchem Fall nach deme zu achten, was im dritten Theil von anderen zum Voraus ausgestellten Quittungen geordnet wird.

[1, 3, § 2] 129. Diese Klage und Forderung wegen noch nicht zugezählten und übergebenen Heirathguts höret aber auf, wann solches entweder in denen Rechten für übergeben gehalten, oder von dem Bräutigam oder Ehemann anwiederum seiner Braut oder Ehegattin zurückgeschenket wird, in welchem letzteren Fall es in Absicht auf den Schenkenden einerlei ist, ob keine Zuzählung und Uebergabe vorhergegangen oder erst das schon zugezählte oder übergebene geschenket worden.

[1, 3, § 2] 130. Doch muß dergleichen Schankung in dem nämlichen Heirathsbrief oder in einer anderen darnach gefertigten Urkunde ausdrücklich enthalten, oder in andere Wege rechtsgenüglich erweislich sein, und ihrer Giltigkeit sonst nicht im Wege stehen.

[1, 3, § 2] 131. An dem übergebenen Heirathgut erwirbt der Mann das Eigenthum, welches aber nach Unterschied der Dingen, woran des Heirathgut bestehet, entweder nach aufgelöster Ehe widerruflich oder unwiderruflich ist.

[1, 3, § 2] 132. An baarem Geld und solchen Dingen, welche in Handel und Wandel nach dem Gewicht, Zahl und Maß geschätzet werden, wie nicht minder an abgetretenen Schuldforderungen und an allen in einem angeschlagenen und bedungenen

(1-109) Werth zugeschätzter gegebenen sowohl beweglichen als unbeweglichen Dingen, doch in Ansehung dieser letzteren nicht anderst, als mit der landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Uebergabe erlanget der Mann das unwiderrufliche Eigenthum.

[1, 3, § 2] 133. Dieses hat die Wirkung, daß derselbe an dergleichen Heirathgut allen Aufwand, Gefahr, Schaden und Verunglückung selbst zu tragen, dahingegen auch die Befugniß habe, darmit nach eigenem Gefallen frei zu schalten und zu walten, solches wie immer zu beschweren und zu veräußeren, also daß nach ausgelöster Ehe das Weib oder Jener, an welchen in Kraft der Eheberedniß das Heirathgut zurückzufallen hat, nicht eben dasselbe, was gegeben worden, sondern an Geld und Feilschaften nur eben so Vieles von gleicher Güte und Eigenschaft, als zum Heirathgut gegeben worden, und für andere zugeschätzte Sachen lediglich den angeschlagenen Werth zurückforderen könne.

[1, 3, § 2] 134. Wir verordnen aber zur Sicherheit des Handels und Wandels noch weiter, daß in Hinkunft keine Fahrnissen nach ihrer Gestalt und Stückweise anderst als nach einer beiderseits beliebten Schätzung zum Heirathgut gegeben werden sollen.

[1, 3, § 2] 135. Widrigens sind zwar solche auf dem Fall der Zurückstellung des Heirathguts, wann sie noch bei dem Mann oder seinen Erben vorhanden sind, in demjenigen Stand, in welchem sie vorgefunden werden, anwiederum zurückzugeben.

[1, 3, § 2] 136. Dahingegen, wo selbe mittlerweil veräußeret worden, kann dieserwegen kein dritter Besitzer angefochten, sonder nur der Werth dafür, wie solcher gerichtlich geschätzet oder erwiesen, oder in Ermanglung eines anderen Beweises mittelst gewissenhaften Anschlags beschworen und in diesem letzteren Fall nach richterlichen Befund gemäßiget wird, von dem Mann, oder dessen Erben zurückgeforderet werden, welcher auch damals gebühret, wo sie außer der Abnützung aus erweislicher Gefährde oder Schuld des Manns oder seiner Erben zu Schaden gekommen.

[1, 3, § 2] 137. An liegenden Gütern aber und anderen darauf landtäflich, stadt- oder grundbücherlich haftenden Rechten, wann solche ohne Zuschätzung oder Bedingung des Werths zum Heirathgut bestellet worden, erwirbt der Mann durch die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Uebergabe und Abtretung nur ein widerrufliches Eigenthum, welches ihme bis zu dem sich ergebenden bedungenen Rückfall des verschriebenen und übergebenen Heirathguts hieran zustehet, sodann aber anwiederum ausgelöset wird.

[1, 3, § 2] 138. Dieses wirket so viel, daß dem Mann nicht allein die Verwaltung des Heirathguts währender Ehe gebühre, sonder auch derselbe alle von Zeit der eingegangenen Ehe bis zu dem Rückfall davon abfallende wie immer Namen habende Früchten und Nutzungen, insoweit solche ohne Schaden und Schmälerung des Guts und ohne Erschöpfung des künftigen gänzlichen Nutzens behoben werden mögen, mit vollem Recht erwerbe und sein Eigen mache.

[1, 3, § 2] 139. Was aber dem Heirathgut dergestalten zugehet, daß es mit demselben entweder durch die Natur, durch Zufall oder durch das Recht unabtrennlich vereiniget werde, alles dieses, es bestehe in körperlichen oder unkörperlichen Dingen, wächst dem Heirathgut zu und ist mit demselben bei sich ereignenden Rückfall zurückzustellen, obschon die Nutzung auch von diesem Zuwachs dem Mann für die Zeit der fortwährenden Ehe gebühret.

[1, 3, § 2] 140. Dagegen lieget dem Mann ob, in Verwaltung des Heirathguts allen Fleiß, Sorgfalt und Vorsicht eines emsigen Hausvaters anzuwenden, folglich ist er auch verbunden, für allen aus seiner Gefährde, großen oder leichten Schuld hieran verursachten Schaden zu haften; für Zufall aber und die geringste Schuld wird er nicht verfänglich.

[1, 3, § 2] 141. Hieraus fließt dessen weitere Schuldigkeit, nicht nur das Heirathgut und alle demselben anklebende Rechten und Gerechtigkeiten wider die Ansprüche

(1-110) Anderer bei Gericht zu vertheidigen und zu verfechten, sondern auch alle zu Erhaltung des Heirathguts und dessen Rechten erforderliche Rechtsmitteln gegen Jedermänniglich anzustrengen und auszuführen, wie nicht minder die darwider laufende Verjährungen auf alle thunliche Weise zu unterbrechen.

[1, 3, § 2] 142. Keineswegs aber ist derselbe berechtiget, von einem solchen ungeschätzt empfangenen Heirathgut etwas zu veräußeren oder solches zu verpfänden, zu beschweren oder was immer zu thun oder zu unterlassen, woraus die Veräußerung, der Verlust oder einige Schmälerung oder Beschwerung desselben erfolgete.

[1, 3, § 2] 143. Widrigens ist nicht allein ein dergleichen Beginnen dem Weib oder demjenigen, welchem das Heirathgut seiner Zeit zurückzustellen ist, ganz und gar unschädlich, sondern es muß auch der etwann gleichwohlen an dem Heirathgut hieraus entstandene Schaden, Verminderung oder Abwürdigung bei dem Fall dessen dereinstiger Zurückstellung von dem Mann oder dessen Erben ersetzet werden.

[1, 3, § 2] 144. Was jedoch derselbe zu beharrlicher Erhaltung und künftiger mehrerer Benutzung des Heirathguts erweislich hinein verwendet, ist er auf dem Fall der Zurückstellung nicht weniger, wie nach Ausmessung dessen, was davon in zweitem Theil seines Orts geordnet wird, ein jedweder anderer zeitlicher Besitzer mit gutem Glauben zurückzuforderen befugt.

[1, 3, § 2] 145. Um aber auf den erfolgenden Rückfall der Zurückstellung des

(1-111) Heirathguts nach Verschiedenheit der Fällen entweder in dem gleichen Betrag oder an Werth desto gesicherter zu sein, solle dem Bestellenden freistehen, entweder

(1-112) in dem Heirathsbrief oder sonsten sich hierwegen eine genugsame Sicherheit mittelst Verschreibung eines sonderheitlichen Unterpfands an einem liegenden Gut oder hierauf haftenden Recht auszubedingen.

[1, 3, § 2] 146. Doch giebt ihme dieses Beding für sich allein noch kein dingliches Recht des Unterpfands an dem hierzu bestellten Gut, sondern zu dem Ende muß der Heirathsbrief, worinnen das Unterpfand verschrieben worden, oder die Versicherungsurkunde in die Landtafel, Stadt- oder Grundbücher da, wo das verschriebene Gut innelieget, einverleibet und darauf vorgemerket werden.

[1, 3, § 2] 147. Andurch erlanget derselbe von dem Tag der landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Vormerkung das Pfandrecht an dem verschriebenen Gut mit dem Vorzug vor allen später darauf vorgemerkten Gläubigeren.

Vor Jenen aber, die schon früher auf eben diesem Gut landtäflich, stadt- oder grundbücherlich versicheret waren, hat das Heirathgut kein Vorrecht.

[1, 3, § 2] 148. Ueberhaupt solle ein zur Versicherung des Heirathguts bestelltes Unterpfand von denen für allgemein festgesetzten Maßregeln keine Ausnahme noch einige mehrere Wirkung haben, als welche allen anderen Pfandsverschreibungen in dem dritten Theil beigeleget wird.

[1, 3, § 2] 149. Umsomehr wollen Wir hiermit das in einigen Landen nach denen vorigen Gesetzen dem Heirathgut eingeräumt geweste stillschweigende Pfandrecht in Zukunft gänzlich abgestellet, und in Ansehung eines dergleichen bei Einführung dieses Unseren Gesetzes allschon bestehenden stillschweigenden Pfandrechts Jenes beobachtet haben, was deshalben in zweitem Theil geordnet wird.

[1, 3, § 2] 150. Es kann dahero zur Sicherheit des Heirathguts kein Pfandrecht anderst, als mittelst der landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Vormerkung auf dem verschriebenen Gut erworben werden, sondern wo diese Vorsicht unterlassen worden, hat das Heirathgut allen landtäflich, stadt- oder grundbücherlich versicherten Forderungen nachzustehen.

[1, 3, § 2] 151. Gleichwie aber die Versicherung des Heirathguts bei Braut- oder Eheleuten, welche freie Schalt- und Waltung mit dem Ihrigen haben, ihrer eigenen Willkühr überlassen wird, also sind hingegen Jene, unter deren Obsorge minderjährige sich verehelichende Weibspersonen stehen, schuldig, auf ihre eigene Gefahr die Sicherstellung des Heirathguts zu bewirken und solches längstens binnen sechs Wochen von Zeit der Verehelichung landtäflich, stadt- oder grundbücherlich versichern zu lassen, widrigens sie, falls vor geendigter Vormundschaft dasselbe gefährdet würde, allerdings dafür zu haften haben.

[1, 3, § 2] 152. Die Versicherung des Heirathguts geschieht insgemein an dem Vermögen des Manns entweder von ihme selbst, wann er die freie Schalt- und Waltung hat, oder aber von dem Vater oder Vormund, unter deren Verwaltung dessen Vermögen stehet, welche auch auf dem Fall, daß die Heirath mit der väterlichen oder gerichtlichen Einwilligung für sich gegangen, durch den Zwang Rechtens hierzu verhalten werden können.

[1, 3, § 2] 153. Es kann aber auch der Vater, Mutter, Großeltern und jeder Fremder, wann er sonst sich zu verbinden fähig ist, aus eigenen Mitteln das Heirathgut auf vorstehende Weise versicheren.

(1-113) [1, 3, § 2] 154. Wann jedoch der Mann zur genüglichen Versicherung des Heirathguts kein eigenes hinreichendes Vermögen hätte, so ist der Vater, die Mutter und die weitere Aufsteigende, wann die Heirath mit ihrer Beistimmung geschehen, in derjenigen Maß, wie sie nach Ausmessung des gleich nachfolgenden §. III zur Widerlage verbunden sind, das Heirathgut, doch nicht weiter, als auf den landesüblichen Betrag zu versicheren schuldig, wo es ohne ihrem merklichen Nachtheil geschehen kann.

[1, 3, § 2] 155. Daferne aber zur Versicherung des Heirathguts kein besonderes Unterpfand, sondern nur überhaupt all gegenwärtiges und künftiges liegend und fahrendes Vermögen zur allgemeinen Hypothek verschrieben worden wäre, so kann zwar ein so beschaffener Heirathsbrief oder Versicherungsurkunde in Ermanglung einer sonderheitlichen Hypothek zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einverleibung und Vormerkung nicht gelangen.

[1, 3, § 2] 156. Doch solle sowohl in diesem Fall, als auch, da gar kein und also weder ein allgemeines Unterpfand verschrieben worden wäre, dem Weib oder Jenem, der das Heirathgut für sie bestellet hat, freistehen, nach der Hand dessen Sicherstellung an des Manns entweder zur Zeit des bestellten Heirathguts schon gehabten oder nachher erworbenen Vermögen noch allzeit anzusuchen.

[1, 3, § 2] 157. Welches entweder durch Erwerbung eines gerichtlichen Pfandrechts an dem zu diesem Ende namentlich anzuzeigen habenden Gut, wessen sich Kläger zu halten gedenket oder durch Anhaltung des Manns zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Verschreibung einer sonderheitlichen Hypothek erwirket werden kann.

In einem so anderem Fall aber gebühret dem also versicherten Heirathgut der Vorzug nur vor denen später, nicht aber auch vor denen früher vorgemerkten Forderungen.

[1, 3, § 2] 158.Wann hingegen sich wegen Sicherheit des Heirathguts mit einer landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Verschreibung nicht vorgesehen worden, so hat dasselbe weder eines ausdrücklichen, noch weniger stillschweigenden Pfandrechts, folglich auch keines Vorzugs vor denen landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerkten Forderungen zu genießen, sondern diesen allen als eine bloße briefliche oder sonst persönliche Forderung nachzugehen.

[1, 3, § 2] 159. Wir wollen jedoch aus besonderer Begünstigung dem unversicherten Heirathgut an denen nach Abzahlung aller vorgemerkten Forderungen aus dem unbeweglichen Vermögen erübrigenden Zahlungsmitteln und an allem noch vorhandenen fahrenden Gut den Vorzug vor anderen bloßen brieflichen, oder sonst persönlichen Sprüchen und Forderungen in jener Ordnung, die in viertem Theil in der Gant- oder Cridaordnung für dasselbe ausgemessen wird, gnädigst verliehen und eingestanden haben.

[1, 3, § 2] 160. Dieser Vorzug aber kann demselben nicht anderst zu statten kommen, als wann entweder durch untadelhafte Urkunden oder Zeugen, oder im Fall eines halbständigen Beweises durch eidliche Erhärtung dargethan wird, daß das Heirathgut dem Mann wirklich zugebracht und übergeben worden seie.

[1, 3, § 2] 161. Dahingegen ist an der alleinigen Bekanntniß des Manns zur Wirkung des Vorzugs vor anderen Gläubigeren nicht genug, noch kann bei Entstehung alles anderen Beweises bloß dieserwegen das Weib zum Ergänzungseid zugelassen werden, obschon eine solche Bekanntniß wider den Mann und dessen Erben nichts destoweniger ihre Kraft hat.

[1, 3, § 2] 162. Der Rückfall des Heirathguts, wann deshalben nichts anderes bedungen worden, ergiebt sich allemal nach aufgelöster Ehe. Währender Ehe aber

(1-114) kann dasselbe insgemein nicht zurückgeforderet werden, es hätte dann der Mann durch seine Untreue, durch allzuhartes Verfahren oder durch boshafte Verlassung zur erfolgten gerichtlichen Sönderung von Tisch und Bett Ursach gegeben, welchen Falls er auch die Nutzung des Heirathguts verlieret.

[1, 3, § 2] 163. In dem Fall jedoch, wo das Weib oder Jene, die sie zu vertreten haben, wegen kundbarer Verschwendung oder sonstiger Abnahme des Vermögens des Manns eine mit Grund besorgende Gefährde des unversicherten Heirathguts zu erweisen vermögeten, kann zwar dasselbe nicht zurückgeforderet, wohl aber dessen hinreichende Sicherstellung oder anderweite sichere Anlegung, doch allemal mit der dem Mann vorbehaltenen Nutzung anbegehret werden.

[1, 3, § 2] 164. Desgleichen solle das Heirathgut währender Ehe in Sicherheit gebracht werden, wann der Mann Verbrechens halber sein Vermögen verwirket hätte, oder dasselbe zu handen der Glaubigeren in gerichtlichen Beschlag gediehen wäre, um solches bei sich ergebenden Rückfall Jenem, deme es gebühret, zurückzustellen, woferne es vorbemelter Maßen schon vor anderen später angemeldeten Forderungen mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern seine Bedeckung hat oder außer derselben an dem noch nicht behafteten Vermögen etwas erübriget.

§. III

[1, 3, § 3] 165. Gleichwie das Heirathgut dem Mann von dem Weib zugebracht wird, also pfleget auch dieses dagegen von dem Mann insgemein mit einer Widerlage des Heirathguts betrauet zu werden.

(1-115) [1, 3, § 3] 166. Durch diese Widerlage oder Gegenvermächtniß wird also jenes verstanden, was der Mann oder seine Eltern oder jemand Anderer anstatt seiner dem Weib insgemein als eine Gegenschankung für das Heirathgut bestellet.

[1, 3, § 3] 167. Die Eigenschaft der Widerlage ist übrigens mit jener des Heirathguts einerlei, außer daß das Heirathgut die Erleichterung der Ehelasten an Seiten des Manns währender Ehe, die Widerlage aber die Versorgung des Weibs nach aufgelöster Ehe zur Absicht habe.

[1, 3, § 3] 168. Aus dieser verschiedenen Absicht kann sowohl das Heirathgut ohne Widerlage, als diese ohne einem vorher, zugleich aber auch darnach bestellten Heirathgut bestehen.

[1, 3, § 3] 169. Doch ist die Bestellung der Widerlage aus ihrem gemeinnützlichen Endzweck, damit unbemittlete Witwen versorget werden, nicht weniger als die Bestellung des Heirathguts nicht allein eine allgemeine Geziemung, sondern auch in Ansehung jener Personen, welche ihren Töchtern und Enkelinnen ein Heirathgut mitzugeben verbunden sind, eine Schuldigkeit gleichfalls für ihre heirathende Söhne

(1-116) und Enkeln eine Widerlage zu bestellen, wann solche bei einer treffenden anständigen Heirath begehret wird.

[1, 3, § 3] 170. Bei jenen Heirathenden, welche ein eigenes Vermögen und dessen freie Verwaltung haben, beruhet es in ihrer eigenen Willkür eine Widerlage aus ihren Mitteln zu bestellen und zu bedingen.

[1, 3, § 3] 171. Da aber der heirathende Sohn unter der Vormundschaft stünde oder ein eigenes Vermögen unter der Verwaltung des Vaters hätte, und die väterliche oder die gerichtliche Einwilligung in die Heirath erfolget wäre, hat sowohl der Vormund, als Vater die Widerlage aus dem Vermögen des Sohns mit Genehmhaltung der obervormundschaftlichen Gehörde zu bestellen, und, wo sie sich dessen ohne erheblicher Ursache weigereten, können sie auch bei schon bestehender Ehe mit Willen des Manns darzu gerichtlich verhalten werden.

[1, 3, § 3] 172. In Ermanglung eigenen Vermögens haben die Eltern und Großeltern des heirathenden Sohns oder Enkels in derjenigen Ordnung, wie sie nach Ausmessung des vorigen §. zur Ausstattung ihrer Töchter und Enklinnen verbunden sind, die Schuldigkeit auf sich, eine geziemende Widerlage zu bestellen.

[1, 3, § 3] 173. Und wo die Heirath mit ihrer oder des Gerichts Verwilligung geschieht, sie aber sich zur Bestellung der Widerlage ohne erheblicher Ursache nicht verstehen wollten, kann eben also wie es oben von dem Heirathgut geordnet worden, die gerichtliche Vermittlung und Ausmessung angesuchet werden.

[1, 3, § 3] 174. Von dieser Verbindlichkeit kann keine andere Weigerungsursache entheben, als welche oben von n. 76 bis n. 79 von Bestellung des Heirathguts entbindet.

Doch verstehet sich von selbsten, daß die Schuldigkeit zur Bestellung der Widerlage allemal ein bedungenes Heirathgut voraussetze, dann wo dieses nicht bestellet wird, kann auch keine Widerlage begehret werden.

[1, 3, § 3] 175. Wo aber eine Heirath ohne Einwilligung desjenigen Elterntheils, welcher sonst zur Bestellung des Heirathguts oder der Widerlage verbunden wäre, oder bei dessen unbilliger Weigerung ohne gerichtlicher Genehmhaltung eingegangen worden, da höret auch die Schuldigkeit sowohl zu dem Heirathgut als zur Widerlage auf.

[1, 3, § 3] 176. Ueber die aufsteigende Personen erstrecket sich diese Schuldigkeit nicht auf Befreundte und umsoweniger auf Fremde, wann sie sich nicht sonst darzu verbindlich gemacht haben.

Doch stehet auch Jenen, die hierzu nicht verbunden sind, frei, aus Freundschaft und guten Willen eine Widerlage für den Mann zu bestellen, welche solchen Falls als eine dem Mann und nach dessen Absterben dem Weib gemachte Schankung anzusehen ist, wann nichts Anderes bedungen wird.

[1, 3, § 3] 177. Wo die Widerlage aus dem eigenen Vermögen des Manns, es seie von ihme selbst oder, wo er noch minderjährig oder sonst in der freien Schalt- und Waltung gehemmet wäre, von seinem Vater, Vormund oder Gerhaben mit gerichtlicher Genehmhaltung bestellet wird, solle solche niemalen den vierten Theil seines frei vererblichen Vermögens übersteigen.

[1, 3, § 3] 178. Doch also, daß in diesen vierten Theil der Betrag des auch wirklich zugebrachten und bei dem Mann verbliebenen oder dem Weib zurückgeschenkten Heirathguts nicht mit eingerechnet werde.

Was aber an der Widerlage den vierten Theil übersteiget, ist als eine bloße Schankung zwischen Eheleuten nach Ausmessung des davon handelnden §. IV anzusehen.

[1, 3, § 3] 179. Wann die Widerlage von einem darzu verbundenen Aufsteigenden bestellet wird, darf der Pflichttheil der übrigen Notherben andurch nicht verkürzet werden.

(1-117) Widrigens muß ihnen so viel davon ersetzet werden, als denenselben dadurch an ihrem Pflichttheil erweislich abgehet.

[1, 3, § 3] 180. Ohne Verkürzung des Pflichttheils hingegen hanget die Bestimmung des mehr oder minderen Betrags der Widerlage von der freien Willkür der sich hierum Vergleichenden ab.

Wo sie aber sich darüber nicht vergleichen könnten, ist die Widerlage nach den Betrag des Heirathguts und nach Umständen der Heirathenden, doch also, daß die Schuldigkeit zur Widerlage sich niemalen über den landesüblichen Betrag des Heirathguts erstrecke, wann sich auch solches höher beliefe, auszumessen.

[1, 3, § 3] 181. Wann endlich Jemand, welcher nicht darzu verbunden ist, eine Widerlage aus guten Willen bestellet, beruhet deren Betrag bei seiner eigenen Freigebigkeit, woferne andurch niemand Anderer an seinem Recht verkürzet und dabei jenes beobachtet wird, was in zweitem Theil in siebentem Kapitel von Schankungen überhaupt geordnet ist.

[1, 3, § 3] 182. Es ist auch nicht nöthig, daß die Widerlage allemal dem Heirathgut in ihrem Betrag gleich komme, sondern dieselbe kann in etwas Wenigerem oder Mehrerem bestehen, wann nur jenes, was gleich vorhero erwähnet worden, dabei beobachtet wird.

[1, 3, § 3] 183. Sie kann sowohl vor der Heirath als auch währender Ehe bestellet und nach Gefallen beider Eheleuten vermehret oder verminderet oder auch ganz erlassen werden.

Doch solle die Vermehrung der Widerlage mit Einrechnung des schon vorhin darzu bestimmten Betrags den oben bemelten vierten Theil nicht übersteigen.

[1, 3, § 3] 184. Wo aber die Bestellung der Widerlage vor der Heirath nicht geschehen, kann das Weib solche nicht mehr begehren, außer dem alleinigen oben n. 171 bemerkten Fall des hierein willigenden noch minderjährigen Manns.

[1, 3, § 3] 185. Die Bestellung der Widerlage kann auf ganz gleiche Art, wie jene des Heirathguts nach mehreren Ausweis des vorhergehenden §. n. 100 und 101 geschehen, und sie enthält nicht weniger die stillschweigende Bedingniß in sich, wann eine giltige Ehe erfolget oder die bereits eingegangene giltig ist.

[1, 3, § 3] 186. Wann dahero die Ehe nicht erfolget oder die eingegangene für ungiltig erkläret wird, kann so wenig die Widerlage, als obbesagter Maßen das Heirathgut bestehen, sondern die Beschreibung ist null und nichtig, und was etwann gegeben worden, kann anwiederum zurückgeforderet werden.

[1, 3, § 3] 187. Uebrigens hat jenes, was von Beisetzung anderer Bedingen und Nebenverträgen bei dem Heirathgut in vorigem §. von n.105 bis n. 113 geordnet worden, auch bei Bestellung der Widerlage statt.

[1, 3, § 3] 188. Wann aber nichts Anderes ausdrücklich ausbedungen worden, solle die Widerlage dem überlebenden Theil zufallen, also daß auf Vorsterben des Weibs selbe dem Mann verbleibe, gleichwie gegentheils auf Vorsterben des Manns solche das Weib erwerbe.

[1, 3, § 3] 189. Doch muß die Widerlage allemal ausdrücklich bedungen werden, und ist genug, daß sie versprochen oder verschrieben werde, ohne daß währender Ehe das Weib deren Uebergabe forderen könne, sondern solche bleibt für diese Zeit in dem Eigenthum des Manns, welcher auch, so lange er am Leben ist, deren Verwaltung und Benutzung behält.

[1, 3, § 3] 190. Sie genießt aber so wenig als das Heirathgut eines stillschweigenden Unterpfands an dem Vermögen des Manns, sondern wann derselben eine sächliche Sicherheit verschaffet werden will, kann deren Sicherstellung nicht anderst, als durch die landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Vormerkung auf ein namentlich zum Unterpfand verschriebenes oder bestelltes Gut oder deme

(1-118) gleichendes Recht auf die nämliche Art, wie es oben von Heirathgut geordnet worden, bewirket werden.

[1, 3, § 3] 191. In dessen Ermanglung gebühret der Widerlage, sowie dem unversicherten Heirathgut nur allein das Vorrecht vor anderen bloßen brieflichen oder sonst persönlichen Rechten und Forderungen nach mehrerer Ausmessung der im vierten Theil vorkommenden Gant- oder Cridaordnung.

[1, 3, § 3] 192. Da aber der Mann in Abfall des Vermögens geriethe, oder dasselbe wegen Verbrechens verwirkete, oder es zu Handen der Gläubigeren in gerichtlichen Beschlag gediehen wäre, solle die Widerlage auf Anlangen des Weibs in Sicherheit gebracht werden, wann selbe etwann schon vorhero hinlänglich bedecket ist, oder sonst an dem noch nicht behafteten Vermögen etwas übrig bleibt.

Auf die Nutzungen hingegen hat das Weib, so lang der Mann lebet, keinen Anspruch.

§. IV.

[1, 3, § 4] 193. Außer dem Heirathgut und der Widerlage pflegen auch Eheleute sich einander mit Schankungen zu betreuen.

(1-119) Diese aber mögen zur Vermehrung des Heirathguts oder der Widerlage oder auch für sich allein, ohne oder mit einem schon vorhero verschriebenen oder zugebrachten Heirathgut oder Widerlage, durch Zusage und Verschreibung oder durch Uebergabe, lebzeitig oder auf Todesfall geschehen, so sollen solche niemalen, sie bestehen in einer oder mehreren einzlen Schankungen an Seiten des Weibs mit Einrechnung des verschriebenen oder zugebrachten Heirathguts, den dritten Theil ihres damals habenden Vermögens, an Seiten des Manns hingegen mit Einbegriff der Widerlage, Leibgedings und witiblichen Unterhalts den vierten Theil seines zur Zeit der Schankung besitzenden Vermögens nicht übersteigen.

[1, 3, § 4] 194. Die Uebermasse, welche an Seiten des Weibs den dritten und an Seiten des Manns den vierten Theil ihres zur Zeit der Schankung habenden Vermögens übersteiget, bleibt nach Wohlgefallen des Schenkenden sowohl durch lebzeitige Willensänderung, als durch letztwillige Anordnung widerruflich.

[1, 3, § 4] 195. Da aber der Schenkende diese Uebermasse weder auf eine noch die andere Art widerrufen hätte, solle die Schankung auch mit der Uebermasse durch seinen Tod bestätiget sein und in Ansehung der Uebermasse jene Wirkung haben,

(1-120) welche denen auf den Todesfall gerichteten Schankungen und Uebergaben in zweitem Theil, in siebentem Kapitel, zweitem Artikel zugeeignet wird.

[1, 3, § 4] 196. Dahingegen liegt sowohl dem Widerrufenden, als dessen Erben, wann diese die Widerrufung ihres Erblassers darzeigen können, der Beweis der vorgebenden Uebermasse ob, daß nämlich die Schankung den obausgesetzten Betrag um so viel überstiegen habe.

[1, 3, § 4] 197. Wo nun dieses erweislich ist, hat die Widerrufung die Wirkung, daß nicht nur die Uebermasse an dem Geschenkgeber nicht anbegehret, sondern auch das schon Gegebene, was übermäßig ist, anwiederum zurückgeforderet werden könne.

[1, 3, § 4] 198. Doch bleiben die mittlerweilige Nutzungen von Zeit der Uebergabe bis zur Widerrufung dem Schanknehmer, und falls etwas von dem geschenkten Gut von ihme veräusseret oder verzehret worden, hat er zwar den Werth dafür zu ersetzen; es kommt ihme aber nicht allein die Rechtswohlthat der Selbstbedürfniß zu statten, sondern er ist auch für Zufall nicht verfänglich, sondern dieser schadet in Ansehung der Uebermasse dem Schankgeber allein.

[1, 3, § 4] 199. Umsoweniger kann die Widerrufung einer Schankung einem Dritten schädlich sein, der dasjenige, was einem Ehegatten von dem anderen geschenket, und übergeben, oder mittelst gerichtlicher Vormerkung versicheret worden, rechtmäßig an sich gebracht oder ein Recht daran erworben hat, sondern es gebühret in solchem Fall dem Schenkenden nur ein persönlicher Anspruch wider den Schanknehmer oder dessen Erben zu Wiedererstattung des Werths der widerrufenen Uebermasse.

[1, 3, § 4] 200. Von dieser Widerrufung sollen jedoch geringe von einem dem anderen Ehegatten gemachte Verehrungen, welche nach richterlichen Ermessen das Vermögen des Schenkenden nicht schwächen, ausgenommen sein, und in den obausgesetzten dritten oder vierten Theil des Vermögens nicht eingerechnet werden können.

[1, 3, § 4] 201. Alle übrige Schankungen zwischen Eheleuten, welche entweder an liegenden Gütern oder denenselben gleich geachteten Rechten ohne landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Uebertragung, Verschreibung oder Versicherung, oder aber an beweglichen Gut und fahrenden Hab ohne erweislicher Uebergabe geschehen, geben nur ein persönliches Recht zu der geschenkten Sache, und obschon sie den obbestimmten Betrag nicht übersteigen, haben selbe jegleichwohlen keines Vorzugs vor anderen wider den Schankgeber zustehenden persönlichen Forderungen zu genießen.

[1, 3, § 4] 202. In Gegentheil sollen alle dergleichen unvorgemerkte oder nicht übergebene, sondern in bloßer Zusage und Versprechen bestehende Schankungen allen Gläubigeren des Schankgebers nachgesetzet, und falls der Pflichttheil der Notherben nach Maß des zur Zeit des Absterbens hinterbleibenden Vermögens andurch verletzet würde, dieser vorerst ergänzet werden.

[1, 3, § 4] 203. Nur alle jene Schankungen zwischen Eheleuten, welche namentlich zur Vermehrung des Heirathguts oder der Widerlage geschehen, wann sie vorerwähnter Maßen den dritten oder vierten Theil des damaligen ein- oder anderseitigen Vermögens nicht übersteigen, genießen nicht allein auch ohne vorgeschriebener Hypothek des obeingeraumten Vorzugs vor anderen unversicherten Gläubigeren, sondern sie können auch bei nachhero minder ausfallendem Pflichttheil aus Ursach der Unpflichtmäßigkeit nicht angefochten werden.

§. V.

[1, 3, § 5] 204. Ueber das, was ausdrücklich zum Heirathgut oder zur Widerlage verschrieben und bestellet, oder freiwillig in der obbestimmten Maß geschenket

(1-121) wird, hat ein Ehegatt zu dem Vermögen des anderen währender Ehe keinen Anspruch.

(1-122) [1, 3, § 5] 205. Gegentheils bleibt einem jedwedem Theil dasjenige, was derselbe bevor gehabt, mit allen davon abfallenden Früchten und Nutzungen ohne Gemeinschaft

(1-123) mit dem anderen Theil eigen, und was währender Ehe erworben oder ererbet wird, gehöret lediglich demjenigen Theil, welcher es erwirbt oder ererbet.

[1, 3, § 5] 206. Es stehet dahero sowohl dem Mann, als dem Weib, wann sie nicht minderjährigen Alters oder sonst aus anderer Ursache darinnen beschränket sind, die freie Verwaltung ihres Vermögens zu, und hat jeder Theil die Macht, mit dem Seinigen durch lebzeitige oder letztwillige Handlungen zu ordnen.

[1, 3, § 5] 207. Nichtsdestoweniger kann ein Ehegatt sich zu Gunsten des anderen durch freiwillige Verträge dieser ihme über das Seinige zustehenden Befugnissen entweder in Ansehung der freien Verwaltung, oder der Nutznießung, oder auch des Eigenthums und eigenthümlichen Erwerbung insoweit begeben, als es hiernach geordneter Maßen zugelassen wird.

[1, 3, § 5] 208. Also kann ein Ehegatt dem anderen ausdrücklich oder stillschweigend, in der Eheberedniß oder nachhero, auf lebenslang oder auf eine gewisse bestimmte oder unbenannte Zeit, mit dem Fruchtgenuß oder ohne demselben die Verwaltung seines ganzen Vermögens oder eines Theils desselben unter Verrechnung oder ohne solcher auftragen, welches zwar sich an Seiten des Manns, daß er selbe an das Weib übertrage, seltener, desto gemeiner an Seiten des Weibs ereignet, daß von dieser die Verwaltung ihres Vermögens an den Mann übertragen werde.

[1, 3, § 5] 209. Es möge jedoch die Verwaltung dem Mann von dem Weib, oder dem Weib von dem Mann aufgetragen werden, so solle es bei deme sein festes und unwiderrufliches Bewenden haben, was deswegen unter ihnen verglichen zu sein durch unlaugbare Urkunden oder durch untadelhafte Zeugen erweislich ist.

(1-124) [1, 3, § 5] 210. Wann dahero die Verwaltung des weiblichen Vermögens dem Mann aufgetragen worden, kann ihme solche währender Ehe oder vor Ausgang der bestimmten Zeit nicht benommen werden, wo nicht dessen üble Gebarung erwiesen werden mag, welchem Falls dem Weib, wann sie die wirkliche Schmälerung ihres Vermögens, oder doch die Gefahr derselben genugsam darzeigen kann, auf ihr Begehren die an den Mann übertragene Verwaltung anwiederum einzuräumen ist.

[1, 3, § 5] 211. Dahingegen, wo das Weib die Verwaltung ihres Vermögens nur auf eine Zeit oder ohne Benennung einer Zeit, doch nicht auf immer an den Mann übertragen hätte, stehet derselben frei, solche ersteren Falls nach Verlauf der Zeit, letzteren Falls aber wann sie immer will, wieder zu begehren.

[1, 3, § 5] 212. Ohne vorhergehenden ausdrücklichen Vertrag ist zwar dem Mann nicht verwehret, sich der Geschäften des Weibs und der Verwaltung ihres Vermögens, wann sie nicht darwider ist, anzunehmen, und er hat eine stillschweigende Gewalt und Vollmacht in Vorfällen, die keine besondere Vollmacht erforderen.

[1, 3, § 5] 213. Dem Weib bleibt aber bevor, der weiteren Verwaltung des Manns zu allen Zeiten zu widersprechen, und ihr Vermögen selbst zu verwalten.

Die Verwaltung des weiblichen Vermögens möge jedoch dem Mann ausdrücklich oder stillschweigend überlassen sein, so ist derselbe nicht weniger, wie ein jedweder anderer Befehlshaber oder Sachwalter fremder Geschäften zur getreuen und nützlichen Gebarung verbunden, und für Gefährde und Schuld in gleicher Maß wie jener verfänglich, worüber in drittem Theil die Ausmessung folget.

[1, 3, § 5] 214. Umsoweniger ist derselbe befugt, sich die Früchten und Nutzungen von dem verwaltenden weiblichen Vermögen zuzueignen, sondern er ist schuldig, solche dem Weib erfolgen zu lassen, und Rechnung darüber zu legen, wann ihme nicht zugleich nebst der Verwaltung dessen Nutznießung ganz oder zum Theil auf Lebenszeit des Weibs oder auf eine gewisse Zeit eingestanden worden.

Ueber jenes aber, was ihme an Nutzungen nicht überlassen worden, ist er jegleichwohlen Rechnung zu legen gehalten.

[1, 3, § 5] 215. Dann die alleinige, obwohlen ausdrückliche Uebertragung der Verwaltung wirket nicht zugleich die Ueberlassung der Früchten, so wie gegentheils die Ueberlassung der Nutzungen von dem ganzen oder einem Theil des Vermögens die Macht, dasselbe zu verwalten, nicht nach sich ziehet, welche demohngeachtet bei dem Weib verbleibet, wann sie nicht mit zugleich oder darnach an den Mann übertragen worden.

[1, 3, § 5] 216. Wann aber der Fruchtgenuß an den Mann überlassen worden, kann solcher so wenig, als die demselben aufgetragene Verwaltung zuwider dem eingegangenen Beding von dem Weib widerrufen werden, außer derselbe wäre entweder nur stillschweigend oder auch ausdrücklich, doch nicht auf immer, sondern auf eine unbenannte Zeit, oder nur zum Theil, oder nur auf eine gewisse Zeit ihme zugestanden worden, in deren ersterem Fall sie die Früchten und Nutzungen zu allen Zeiten, in dem zweiten Fall aber von Zeit der erweislichen Widerrufung, in dem dritten nur jene von dem nicht übertragenen Theil, und endlich in dem vierten Fall von Verlauf der bestimmten Zeit forderen kann.

[1, 3, § 5] 217. Damit jedoch in derlei Fällen, wo das Weib von dem Mann ihr von ihm verwaltetes Vermögen zurückbegehret, über die Verrechnung der mittlerweil behobenen Nutzungen zwischen Eheleuten, oder ein- oder ander- oder beiderseitigen Erben keine beschwerliche und weit aussehende Strittigkeiten entstehen mögen, so setzen und ordnen Wir hiermit, daß, wann der Mann sich nicht ausdrücklich zur Verrechnung des verwalteten Vermögens verbunden hat, derselbe oder dessen Erben zu nichts mehreren, als zur letztjährigen Rechnung von dem Tag des gerichtlichen Belangens zurückzurechnen, und zur Ausfolgung oder

(1-125) Ausweisung der in diesem letzten Jahr behobenen Nutzungen verhalten werden solle, und somit auch nur für die letztjährige Verwaltung, außer eines durch seine Gefährde oder Schuld vorhin an dem verwalteten Gut selbst zugefügten Schadens verantwortlich seie.

[1, 3, § 5] 218. Was hingegen dem Weib oder ihren Erben über ein Jahr zurück für die verflossene weitere Jahre der Verwaltung oder der eingehobenen Nutzungen halber an dem Mann gebühren könnte, dieses Alles soll für erlassen geachtet werden, und aller dieserwegen an dem Mann oder seiner Verlassenschaft machen mögender Anspruch gänzlich aufhören.

[1, 3, § 5] 219. Ein Gleiches solle auch in Ansehung des Weibs und ihrer Erben statthaben, wann der Mann oder dessen Erben die ihme nach dem Beding überlassene, jedoch von dem Weib eingehobene Früchten und Nutzungen an ihnen forderet, welchem Falls ihme oder dessen Erben nur die letztjährige Ertragniß von dem Tag des gerichtlichen Belangens zurückzurechnen gebühret, all älterer Rückstand aber für nachgelassen zu achten ist.

[1, 3, § 5] 220. Dahingegen bleiben die von Zeit des gerichtlichen Belangens weiter laufende Früchten und Nutzungen, wie auch alle andere von dieser Zeit bis zur gänzlichen Befriedigung angebühren mögende rechtmäßige Forderungen dem klagenden Theil bevor, und hat die richterliche Hilfe sich zugleich auch auf dieselben zu erstrecken, insoweit der Kläger solche zu forderen befugt ist.

[1, 3, § 5] 221. Ohnerachtet aber der dem Mann übertragenen Verwaltung, aber auch dem ohne landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Vormerkung ihme überlassenen Fruchtgenuß behält das Weib jegleichwohlen Fug und Macht, ihre eigenthümliche Sachen zu veräußeren, wann sie sonst in der freien Schalt- und Waltung nicht beschränket ist.

[1, 3, § 5] 222. Hierdurch wird an Seiten des Manns sowohl dessen Verwaltung, als der ihme bis dahin zugestandene Fruchtgenuß an dem veräußerten Gut aufgelöset, und bleiben ihme nur die persönliche Sprüche wegen des erweislichen Entgangs gegen dem Weib bevor.

[1, 3, § 5] 223. Wäre aber der Fruchtgenuß von liegenden Gütern mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern auf den Mann übertragen worden, kann auch die Veräußerung dieser behafteten Güter zum Nachtheil des hierauf dem Mann versicherten Rechts keinen Fortgang haben.

[1, 3, § 5] 224. Dahingegen ist der Mann nicht berechtiget, etwas von dem seiner Verwaltung mit oder ohne Nutznießung anvertrauten Gut des Weibs, außer denen ihme überlassenen Nutzungen, ohne oder wider ihren Willen auf was immer für Art zu veräußeren, zu verpfänden oder zu beschweren.

[1, 3, § 5] 225. Wo aber jegleichwohlen von ihme etwas dergleichen unternommen würde, ist die Veräußerung liegender Güter und landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Rechten null und nichtig, bei Fahrnissen und beweglichen Dingen hingegen ist sich nach deme zu richten, was dieserwegen in zweitem Theil nach dem Unterschied der entgeltlichen oder ohnentgeltlichen Erwerbungsursache, dann des guten oder üblen Glaubens an Seiten des Dritten, welcher derlei Sachen an sich bringet, geordnet wird.

[1, 3, § 5] 226. Wiewohlen jedoch einem Weib die freie Schalt- und Waltung mit ihrem Vermögen, insoweit sie sonst derselben fähig ist, und sich solcher nicht gutwillig begeben hat, zukommt, so stehet nichtsdestoweniger dem Mann zu, auf ihre gute oder üble Gebarung Obacht zu haben, damit sie ihr Gut, besonders wann Kinder vorhanden sind, nicht verschwende und versplittere.

[1, 3, § 5] 227. Wo nun eine schädliche Unwirthschaft an ihr vermerket wird, ist sowohl dem Mann als denen ein- oder anderseitigen Blutsfreunden verstattet, bei

(1-126) Gericht um den behörigen Einhalt der Verschwendung oder üblen Gebarung einzukommen.

[1, 3, § 5] 228. Und da die angegebene Unwirthschaft von Gericht befunden würde, solle, falls das Weib sich zu einem freiwilligen Auftrag nicht verstehen wollte, die Verwaltung ihres Vermögens dem Mann, oder bei fürwaltenden erheblichen Bedenken vorzüglich Jemandem von der Freundschaft, oder auch in dessen Ermanglung einem Dritten nach vorläufiger Vermögensbeschreibung und unter Verrechnung, dann anderen bei Anvertrauung fremden Guts erforderlichen Vorsichten, jedoch mit Vorbehalt der dem Weib davon gebührenden Nutzungen, wann solche nicht schon vorhin dem Mann von ihr überlassen worden, gerichtlich aufgetragen werden.

[1, 3, § 5] 229. Diese gerichtlich, es seie mit oder wider Willen des Weibs geschehene Uebertragung der Verwaltung solle bei Gericht vorgemerket und gewöhnlicher Maßen öffentlich kundgemacht werden, wodurch das Weib außer Stand gesetzet wird, ohne Einwilligung ihres Manns oder sonst verordneten Beistands eine wie immer Namen habende zur Verminderung ihres Vermögens abzielende Verbindung einzugehen.

[1, 3, § 5] 230. In allen Fällen, wo der Mann das von ihme verwaltete Vermögen des Weibs ihr oder ihren Erben zurückzustellen hat, ist derselbe ebenso, wie ein jedweder anderer Sachwalter, die Schadloshaltung für das, was er aus dem Seinigen auf das Gut des Weibs erweislich verwendet, zu begehren befugt, insoweit er die Nutzungen ordentlich verrechnet.

Für jene Zeit aber, für welche er die Nutzungen nicht verrechnet, kann auch keine Schadloshaltung von ihme geforderet werden, außer insoferne der nothwendige oder nützliche Aufwand sich erweislicher Maßen über die behobenen Nutzungen beliefe.

[1, 3, § 5] 231. Was ein Ehegatt dem anderen durch was immer für Bedinge und Verträge von dem Eigenthum seines Vermögens, es seie durch lebzeitige Uebertragung oder auf Ueberleben unwiderruflich zueignet, dieses solle an Seiten des Weibs mit Einrechnung des Heirathguts und dem Mann gemachter Schankungen den dritten Theil ihres damals gehabten Vermögens, an Seiten des Manns hingegen mit Einbegriff der Widerlage, witiblichen Unterhalts und anderer dem Weib zugewendeter Schankungen den vierten Theil seines damaligen Vermögens nicht überschreiten.

[1, 3, § 5] 232. Was aber einerseits den dritten und andererseits den vierten Theil übersteiget, dieses bleibt sowohl durch lebzeitige Handlungen, als durch letzten Willen widerruflich, wann es gleich in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vorgemerket wäre.

[1, 3, § 5] 233. Dahingegen, wo der vorsterbende Ehegatt diese Uebermaße weder auf eine noch die andere Art widerrufen hätte, wird solche durch seinem Tod insoweit bestätiget, als sie ohne Nachtheil der Glaubigeren und ohne Verkürzung des Pflichttheils bestehen kann.

[1, 3, § 5] 234. Doch leidet das Heirathgut, die Widerlage oder Schankungen deswegen keine Verminderung, daß solche zur Zeit des Absterbens den dritten oder vierten Theil des nachgelassenen Vermögens übersteigen, wann sie nur zur Zeit, als sie geschehen, nicht übermäßig waren.

(1-127) [1, 3, § 5] 235. Nur allein denen Handels-, Gewerbs- und Bauersleuten solle verstattet sein, zu ihrer besseren Versorgung eine unwiderrufliche Gemeinschaft ihrer beiderseitigen Güter über das ganze Vermögen oder einen Theil desselben mit

(1-128) oder ohne Einbegriff dessen, was von ihnen währender Ehe erworben und ererbet wird, zu errichten und einzugehen.

(1-129) [1, 3, § 5] 236. Wo aber dabei nicht namentlich ausgedrucket ist, daß auch das ererbende unter der Gemeinschaft der Güter begriffen sein solle, so erstrecket sich solche nicht auf Jenes, was einem oder dem anderen Theil durch Erbschaften seinem Fleiß und Häuslichkeit erworben, oder nach der gemeinen Redensart mit Mühe und Arbeit eroberet wird.

[1, 3, § 5] 237. Diese Gemeinschaft hat die Wirkung, daß dem überlebenden Ehegatten die Halbscheide dessen, was ihme mit dem Verstorbenen an dessen Vermögen gemein ware, zufalle, die andere aber denen entweder durch letzten Willen berufenen oder nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zunächst eintretenden Erben des Verstorbenen zukomme.

[1, 3, § 5] 238. Außerdeme änderet die Gemeinschaft des Vermögens zwischen Eheleuten nichts an dem Eigenthum des ein- oder anderseitigen Guts, so lang Beide am Leben sind, und werden auch liegende Güter und anderes für unbeweglich geachtetes Vermögen des einen oder anderen Theils mit keinem dinglichen Recht behaftet, wann nicht zugleich die errichtete Gemeinschaft in der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern eingetragen, auf denen betreffenden unbeweglichen Habschaften vorgemerket und ein Ehegatt mit dem anderen an das Eigenthum geschrieben worden.

[1, 3, § 5] 239. Solchemnach kann in diesem Fall ein Ehegatt mit dem also behafteten unbeweglichen Gut ohne Einwilligung des anderen zum Nachtheil der mit diesem


(1-130) bestehenden und darauf vorgemerkten Gemeinschaft nichts ordnen, obschon es ihme für seinen Antheil unbenommen ist, mit solchem nach Gefallen zu schalten und zu walten.

[1, 3, § 5] 240. Wo aber das unbewegliche Vermögen mit der darauf vorgemerkten Gemeinschaft landtäflich, stadt- oder grundbücherlich nicht behaftet ist, so behält ein jeder Theil sowohl mit diesem, als mit dem beweglichen Vermögen, ohnbehindert der mit dem anderen bestehenden Gemeinschaft, die freie Schalt- und Waltung und Benutzung desselben, also daß er es nach Belieben auch ohne Willen des Anderen rechtsbeständig veräußeren oder beschweren kann, wann er sich sonst nicht durch andere Bedinge der freien Verwaltung oder der Nutznießung begeben hat.

[1, 3, § 5] 241. Dann diese Gemeinschaft giebt vorbesagter Maßen kein mehreres Recht, als auf die Hälfte dessen, was nach Vorsterben des einen Ehegattens von deme, was nach dem eingegangenen Beding zwischen Beiden gemein ware, übrig bleiben wird.

[1, 3, § 5] 242. Doch mit folgendem Unterschied, daß die Hälfte von jenem unbeweglichen Vermögen, worauf die Gemeinschaft landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerket worden, dem Ueberlebenden, welcher mit an das Eigenthum geschrieben ist, mit vollem und freien Eigenthumsrecht gebühre.

[1, 3, § 5] 243. Dahingegen erwirbt der Ueberlebende sowohl an demjenigen unbeweglichen Vermögen, welches mit dieser Vormerkung nicht behaftet ist, als an dem fahrenden Hab ohne Unterschied kein dingliches, sondern nur ein persönliches Recht wider die Erben des Verstorbenen, ihme die Hälfte des mit diesem gemein gehabten Vermögens auszufolgen.

[1, 3, § 5] 244. Welches zwar in jenem Fall keinem Anstand unterlieget, wann die Gemeinschaft über alles sowohl gegenwärtig habendes, als künftig erwerbendes oder ererbendes Vermögen eingegangen worden, weilen solchergestalten Alles, was dem Verstorbenen angehörig ware, und in seiner Verlassenschaft vorgefunden wird, für ein gemeines Gut mit dem Ueberlebenden zu achten ist.

[1, 3, § 5] 245. Wo aber sich einer Gemeinschaft lediglich in Ansehung des gegenwärtigen Vermögens und nicht auch namentlich der künftigen Erwerbungen, oder nur des künftig erwerbenden und ererbenden und nicht des gegenwärtigen Hab und Guts, oder endlich zwar des erwerbenden, nicht aber auch des ererbenden Vermögens verglichen würde, in solchen Fällen ist zu Vorbeugung aller nach Ableben des einen oder anderen Theils über Jenes, was von denen nachgelassenen Mitteln unter das gemeinschaftliche Vermögen gehöre oder nicht, entstehen mögenden Strittigkeiten erforderlich, daß allemal eine ordentliche und verläßliche Beschreibung der ein- und anderseitigen Habschaften mit beider Theilen Fertigung getreulich errichtet werde.

[1, 3, § 5] 246. Diese Beschreibung wirket so viel, daß in dem ersten Fall, wo die Gemeinschaft nur über das gegenwärtige Vermögen eingegangen worden, bloß allein das beschriebene Vermögen in die Gemeinschaft und somit in die Theilung mit dem überlebenden Ehegatten gehöre, all Uebriges aber, was in der Beschreibung nicht einkommt, außer der Gemeinschaft, folgsam auch außer der Theilung mit dem Ueberlebenden verbleibe, und denen Erben des Verstorbenen zukomme.

Für eine so beschaffene Gemeinschaft ist eine jede anzusehen, welche nur überhaupt über das beiderseitige Vermögen errichtet und darinnen des künftigen nicht gedacht wird.

[1, 3, § 5] 247. In dem zweiten Fall aber, wo die Gemeinschaft ohne Meldung des gegenwärtigen über alles künftig erwerbendes und ererbendes Vermögen errichtet worden, gehöret das beschriebene Vermögen nicht zur Gemeinschaft, das übrige hingegen, was in der Beschreibung nicht enthalten ist, solle ohne Ausnahme mit dem Ueberlebenden als ein gemeinsames Gut getheilet werden.

(1-131) [1, 3, § 5] 248. Endlich in dem dritten Fall, wo die Gemeinschaft sich nur auf das Erwerbende und nicht zugleich auch ausdrücklich auf das Ererbende erstrecket, ist Alles, was nicht beschrieben, oder dem einem oder anderem Theil durch Erbschaften oder Schankungen zugekommen zu sein durch vollständige Proben erweislich ist, ohne fernerem Stritt für ein erworbenes gemeines Vermögen zu halten.

[1, 3, § 5] 249. Ohne einer dergleichen verläßlichen Beschreibung hingegen solle keine Gemeinschaft des beiderseitigen Vermögens oder der künftigen Erwerbungen allein (wann solche nicht ausdrücklich auf das gegenwärtige und künftige lautet) zu recht bestehen können, noch außer derselben ein anderer Beweis, was in die Gemeinschaft gehöre oder nicht, zugelassen sein, sondern die Gemeinschaft für nicht eingegangen gehalten werden, folglich das nachgelassene Vermögen außer deme, was der Ueberlebende hieran aus einem anderen Recht zu forderen hat, ohne Ausnahme denen Erben des Verstorbenen zufallen.

[1, 3, § 5] 250. Wo aber eine ordentliche Gemeinschaft, es seie des ganzen Vermögens oder eines Theils desselben mit dem Verstorbenen zu recht bestanden, solle bei der gerichtlichen Abhandlung dem Ueberlebenden die Hälfte dessen, was ihme mit jenem gemein ware, entweder in seiner Gestalt oder in einem verglichenen oder geschätzten Werth mit leiblicher Uebergabe der beweglichen und mit landtäflicher, stadt - oder grundbücherlicher Abtretung und Uebertragung der unbeweglichen Dingen als ein außer dem Erbfolgrecht ihme besonders zustehendes Gut ausgefolget werden.

[1, 3, § 5] 251. Doch verstehet sich von selbsten, daß, wo die Gemeinschaft der Güter zwischen beiden Eheleuten auf alles Vermögen überhaupt mit Einbegriff der künftigen Erwerbungen eingegangen worden, die von dem Verstorbenen nachgelassene Schulden von seinem nachgebliebenen Vermögen abzuziehen seind, und sodann erst von dem Uebrigen dem Ueberlebenden die Hälfte angebühre.

[1, 3, § 5] 252. Wann hingegen die Gemeinschaft nur die künftige Erwerbungen mit oder ohne Einbegriff der Ererbungen betroffen, sind die von dem Verstorbenen gemachte Schulden von dem erworbenen Vermögen nicht abzuziehen, sondern von dem eigenen Vermögen desjenigen, der die Schulden gemacht hat, und wo dieses nicht zureichete, von dem, was von dem erworbenen Gut nach aufgelöster Ehe auf seinen Antheil ausfallet, hintan zu fertigen.

[1, 3, § 5] 253. Es wären dann solche Schulden, welche erweislicher Maßen zur gemeinen Nothdurft und Nutzen gemacht worden, mithin auch von dem in Gemeinschaft erworbenen Vermögen vor der Absonderung mit dem Ueberlebenden abzuziehen sind.

[1, 3, § 5] 254. Wann endlich die Gemeinschaft nur in Ansehen des damals gehabten und nicht auch zugleich namentlich des künftigen Vermögens errichtet worden, sind nur jene Schulden, welche von dem Verstorbenen zur Nothdurft oder Nutzen des gemeinschaftlichen Guts gemacht worden, hiervon vor der Theilung abzuziehen, alle übrige aber von dem eigenthümlich erworbenen und bei dessen Unzulänglichkeit von dem auf den Verstorbenen kommenden Antheil des gemeinschaftlichen Guts zu bestreiten.

[1, 3, § 5] 255. Von dieser Gemeinschaft des Vermögens zwischen Eheleuten, wovon bishero gehandlet worden, ist alle andere Art der Gemeinschaft unterschieden, welche sich zwischen ihnen in einzlen Sachen zufällig, oder mit ihrem Willen ereignen kann, als da Beiden zusammen etwas verschaffet oder geschenket, oder eine Schuld verschrieben oder von Beiden zusammen etwas erkaufet oder in die Gesellschaft eines Handels oder Gewerbs getreten wird.

Welchem Falls sich auf Jenes bezogen wird, was in zweitem Theil von Sachen, welche mehreren gemein sind und in drittem Theil von der Gesellschaft folget.

[1, 3, § 5] 256. Uebrigens kann die Gemeinschaft der Güter, jedoch nur unter der

(1-132) obbenannten Gattung von Leuten, entweder in dem Heirathsbrief oder durch ein nachheriges Beding, wann es sonst durch unlaugbare Urkunden oder untadelhafte Zeugen erweislich ist, eingegangen werden. Dahingegen solle weder ein unvollkommener Beweis, wann er auch halbständig wäre, noch die Gemeinschaft der Güter unter einer anderen als der vorgedachten Gattung der Leuten ohne Unserer besonderen höchsten Verwilligung zulässig sein.

§. VI.

[1, 3, § 6] 257. Nach aufgelöster Ehe gebühren dem überlebenden Ehegatten an der Verlassenschaft des Verstorbenen folgende Rechten, als das Witthumsrecht, welches auch anderst das Leibgeding oder der wittibliche Unterhalt genannt wird.

(1-133) Das Versorgungsrecht oder der ehegattliche Antheil aus dem Gut des Verstorbenen, und endlich die Rechtsmitteln zur Habhaftwerdung aller und jeder zustehender Heirathssprüchen.

(1-134) [1, 3, § 6] 258. Der wittibliche Unterhalt ist eine Versorgung des Weibs nach Absterben des Manns, wodurch ihr auf Lebenszeit, so lang sie in dem Wittibstand verbleibet, von dem Mann oder jemandem Anderen anstatt seiner in dem Heirathsbrief oder mittelst eines nachherigen besonderen Bedings zu ihrem Unterhalt ein gewisser jährlicher Betrag an Geld, Fruchtgenuß eines Guts oder anderen Sachen bestellet und versicheret wird, worunter auch die Wohnung, Einrichtung, Bedienung und andere dergleichen Bequemlichkeiten begriffen sind, wann solche namentlich bedungen worden.

[1, 3, § 6] 259. Dieser unterscheidet sich von der Widerlage hauptsächlich in deme, daß diese dem Weib auf Vorsterben des Mannes eigenthümlich zufalle, dahingegen an dem Gut, wovon der wittibliche Unterhalt bestellet und versicheret wird, derselben blos allein die Nutznießung in der verschriebenen oder bedungenen Maß für die Zeit ihres Wittibstandes gebühre, das Eigenthum aber denen Erben des Manns oder dem sonstigen Bestellenden verbleibe.

[1, 3, § 6] 260. Die Maß des wittiblichen Unterhalts ist zwar der eigenen Willkühr deren sich hierwegen Vergleichenden überlassen; doch solle solcher, wo er aus dem Vermögen des Mannes bestellet wird, dessen vierten Theil mit Einrechnung der Widerlage und sonstigen Schankungen nicht übersteigen.

[1, 3, § 6] 261. Wir verordnen aber zu Gunsten des wittiblichen Unterhalts, daß, obgleich solcher zur Zeit der Bestellung übermäßig gewesen wäre, wann nachhero das Vermögen sich vergrößeret hätte, dasselbe nicht wie es zur Zeit der Bestellung gewesen, sondern wie es sich zur Zeit des Tods befindet, in Betracht genommen und also berechnet werden solle.

Dahingegen leidet der wittibliche Unterhalt deswegen keinen Abbruch, wann derselbe zur Zeit der Bestellung nicht übermäßig ware, und das Vermögen sich darnach verminderet hätte.

[1, 3, § 6] 262. Die Berechnung des wittiblichen Unterhalts hat allemal also zu geschehen, daß, was hieran jährlich abzureichen kommt, es bestehe in Geld oder Geldswerth, nach denen landesüblichen Zinsen oder gemeingängigen Preis zu Capital gerechnet, zur Widerlage und zu denen Schankungen zugeschlagen und solcher gestalten von dem nachgebliebenen Vermögen des Verstorbenen in Abzug gebracht werde.

(1-135) [1, 3, § 6] 263. Was nun den vierten Theil des zur Zeit der Bestellung gehabten Vermögens, wann solches nach der Zeit nicht zugenommen, erweislich übersteiget, bleibet nach Willkühr des Bestellenden widerruflich. Wo er es aber nicht widerrufen hätte, kann die Uebermaße nur insoweit bestehen, als andurch weder die Glaubigere, noch der Pflichttheil der Notherben verkürzet werden.

[1, 3, § 6] 264. Uebrigens kann der wittibliche Unterhalt auf gleiche Art, wie die Widerlage, durch landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Vormerkung auf einem zur Hypothek verschriebenen liegenden Gut oder anderen unbeweglichen Vermögen sichergestellet werden, in welchem Fall derselbe allen später zur Vormerkung gekommenen Glaubigeren vorgehet.

[1, 3, § 6] 265. Wo aber wittibliche Unterhalt nicht vorgemerket worden, hat solcher sich weder des der Widerlage vor anderen persönlichen Forderungen eingeräumten Vorzugs zu erfreuen, sondern solle allen wahren Glaubigeren des Verstorbenen ohne Unterschied nachgesetzet werden.

[1, 3, § 6] 266. Dieser Unterhalt nimmt insgemein nach Verlauf der ersten sechs Wochen nach des Manns Tod seinen Anfang. Binnen denen ersten sechs Wochen aber von Absterben des Manns solle die Wittib, wie vorhin bei dessen Lebzeiten, aus der Verlassenschaft unterhalten werden, wann diese Unterhaltung ohne Nachtheil der Glaubigeren oder nothwendiger Erben von dem nachgelassenen Vermögen bestritten werden kann, oder die Wittib sich derselben nicht freiwillig begeben hat.

[1, 3, § 6] 267. Damit aber der wittibliche Unterhalt gebühre, muß eine wahre und giltige Ehe vorhergegangen sein, und ist genug, daß die priesterliche Trauung erfolget, obschon der Bräutigam vor der wirklichen Beiwohnung verstorben wäre.

[1, 3, § 6] 268. Auch einem vermeintlichen Eheweib, wann sie die Ehe mit gutem Glauben für giltig gehalten, und solche bis zur Zeit des Tods des Manns insgemein für rechtmäßig geachtet worden, gebühret der verschriebene wittibliche Unterhalt, obschon der Mann von deren Ungiltigkeit Wissenschaft gehabt hätte. Wo aber bei Lebzeiten beider vermeintlichen Eheleuten die Ehe für ungiltig erkläret worden wäre, wird anmit auch das Beding und die Beschreibung des wittiblichen Unterhalts entkräftet.

[1, 3, § 6] 269. Wann hingegen Eheleute aus erheblichen Ursachen von Tisch und Bett geschieden werden, so bei Ausmessung des Unterhalts für das Weib, so lang der Mann lebet, auf das bedungene Witthumsrecht nicht zu sehen, sondern es hat bei deme sein Bewenden, was oben in zweiten Capitel, §. IV von Unterhaltung eines geschiedenen Eheweibs geordnet worden.

[1, 3, § 6] 270. Ist eine Wittib schwanger verlassen worden, und würde solches behörig anzeigen, so solle derselben ohne Abbruch ihrer Heirathssprüchen oder ehegattlichen Antheils der Unterhalt so, wie bei Lebzeiten des Manns, währender ihrer Schwangerschaft bis sechs Wochen nach der Niederkunft aus der Verlassenschaft abgereichet, und alle Unkosten daher bestritten werden.

[1, 3, § 6] 271. Bis dahin bleibt der wittibliche Unterhalt ausgesetzt, und nimmt erst nach Verlauf der sechs Wochen von der Niederkunft seinen Anfang, wann die Wittib sich nicht ehender freiwillig der ihr aus der Verlassenschaft angebührenden Unterhaltung verziehen hätte.

[1, 3, § 6] 272. Die angebliche Schwangerschaft muß in Ermanglung sichtbarer Zeichen allemal durch das Zeugniß geschworner Hebammen erwiesen werden, und wo sich die Wittib ohne Gefährde schwanger zu sein ausgegeben, obschon hernach befunden würde, daß sie nicht schwanger gewesen seie, ist dieselbe zu keinem Ersatz dieses mittlerweile genossenen Unterhalts verbunden.

[1, 3, § 6] 273. Würde sie aber einer dabei gebrauchten Gefährde überwiesen werden können, so ist selbe das zur Ungebühr Genossene zu ersetzen oder sich von ihren Heirathssprüchen abziehen zu lassen schuldig, wie dann auch, um zu verhüten,

(1-136) damit die Niederkunft nicht etwann fälschlich vorgegeben, und kein fremdes Kind unterschoben werde, denen Erben oder Anderen, welchen daran gelegen ist, freistehet, von Gericht aus zwei oder mehrere ehrbare Weiber bestellen zu lassen, um auf die Wittib ein obachtsames Aug zu haben, und der Niederkunft seiner Zeit beizuwohnen.

[1, 3, § 6] 274. Der wittibliche Unterhalt kann nur damals, wann selber bedungen oder verschrieben worden, und niemalen mehr, als was bedungen oder verschrieben ist, geforderet werden. Wo aber solcher bedungen worden, muß auch derselbe in denen darzu bestimmten oder sonst landesüblichen Fristen und in der ausgesetzten Maß richtig abgeführet und entrichtet werden.

[1, 3, § 6] 275. Wäre aber zu dem wittiblichen Unterhalt der Genuß eines Guts, Hauses oder anderen Grundes, oder eines auf Zinsen angelegten Capitals bestimmet worden, so hat die Wittib davon den Nießbrauch und somit Alles, was ein anderer Nutznießer nach dem Recht genießen kann, so lange sie am Leben ist und in dem Wittibstand beharret.

[1, 3, § 6] 276. Wann der Wittib die Wohnung in einem Hause, wie auch die Unterhaltung einer gewissen Anzahl Pferden, Bedienten und Anderes in seiner Gestalt und Wesenheit verschrieben worden, kann selbe dafür den Betrag an Geld nicht forderen, sonderen sie hat sich mit deme, was ausgemessen worden, oder in Ermanglung einer ausdrücklichen Ausmessung mit demjenigen, was nach Nothdurft und Standesgebühr gerichtlich bestimmet wird, zu begnügen.

[1, 3, § 6] 277. Gleicher gestalten, wo für die Wohnung oder auch Unterhaltung von Pferden und Bedienten ein Gewisses am Geld ausgesetzet worden, hat es bei dem ausgeworfenen Geldbetrag sein Verbleiben, die Wittib möge ebensoviel, mehr oder weniger darauf verwenden.

[1, 3, § 6] 278. Wo aber etwas, es seie die Wohnung oder eine andere Bequemlichkeit, der Wittib entweder in seiner Gestalt oder in einem bestimmten Geldbetrag bestellet worden, so hat sie die Auswahl, wann solche nicht denen Erben ausdrücklich vorbehalten worden.

[1, 3, § 6] 279. Der wittibliche Unterhalt währet so lange, bis die Wittib verstirbt oder sich wieder verehelichet, oder sich dessen freiwillig begiebt, oder endlich sich aus denen in zweitem Theil, zwanzigstem Capitel, fünftem Artikel, §. XXIII angeführten Ursachen, wegen welcher überhaupt ein Ehegatt seines ehegattlichen Antheils verlustiget wird, oder auch durch ihr unzüchtiges Leben unwürdig macht.

[1, 3, § 6] 280. Wann aber gar keine Eheberedniß vorhanden ist, gebühret dem

(1-137) überlebenden Mann oder Weib der ehegattliche Antheil aus der Verlassenschaft des verstorbenen Ehegattens, wovon in zweitem Theil an gleichbemelter Stelle ausführlich gehandlet wird.

[1, 3, § 6] 281. Alle übrige dem überlebenden Ehegatten nach aufgelöster Ehe aus

(1-138) denen Heirathssprüchen gebührende Rechte sind schon vorhero berühret worden. Diese bestehen an Seiten des überlebenden Manns in Gewinnung des Heirathguts, wo nichts Anderes deshalben bedungen worden, und an Seiten des überlebenden Weibs in dem Rückfall des Heirathguts, Gewinnung der Widerlage und des wittiblichen Unterhalts.

So ein als andererseits aber in Erwerbung der von dem verstorbenen Ehegatten gemachten und mit seinem Tod bestätigten übermäßigen Betreuungen und Schankungen, insoweit die Uebermaße weder zum Nachtheil der Glaubigeren, noch zur Verkürzung des Pflichttheils gereichet.

[1, 3, § 6] 282. Zu Erlangung dessen, was dem überlebenden Ehegatten aus denen Heirathssprüchen gebühret, kommen ihme die rechtliche Hilfsmitteln zu statten, welche nach dem Unterschied des erworbenen oder nicht erworbenen Eigenthums, des erhaltenen oder nicht erhaltenen Besitzes, der bewirkten oder nicht bewirkten Vormerkung und Einverleibung der Heirathsbriefen oder anderen mit dem verstorbenen Ehegatten eingegangenen Bedingen verschieden sind.

[1, 3, § 6] 283. Wann das Heirathgut dem Mann an liegenden Gütern, oder anderen für unbeweglich gehaltenen Vermögen mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern abgetreten oder an Fahrnissen ordentlich übergeben worden, und er bei Absterben des Weibs sich in dessen Besitz befindet, hat er keiner anderen Rechtsmitteln nöthig, als welche überhaupt einem jedweden Besitzer zur Vertheidigung seines Besitzes und Eigenthums gebühren.

[1, 3, § 6] 284. Falls aber derselbe nicht in dem Besitz desselben wäre, stehet ihme die Eigenthumsklage und alle sonstige zu Erlangung des Besitzes hergebrachte Behelfe wider die Besitzere der ihme zum Heirathgut übergebenen oder abgetretenen Sachen zu.

[1, 3, § 6] 285. Wie dann auch ihme unbenommen ist, das an liegenden Gütern oder landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Forderungen bestellte Heirathgut, wann es bei Lebzeiten des Weibs demselben mit der Landtafel-, Stadt- oder Grundbüchern nicht abgetreten worden, auch noch nach ihrem Tod, jedoch ohne Schaden und Nachtheil deren immittelst früher darauf versicherten Haftungen (wegen welcher aber ihme die Schadloshaltung an des Weibs Erben anzusuchen bevorstehet) vormerken zu lassen, und sich anmit in dessen rechtlichen Besitz zu setzen, wann sonst der Heirathsbrief die zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einlage nöthige Erfordernissen hat.

[1, 3, § 6] 286. Wäre aber der Heirathsbrief mit gleicherwähnten Erfordernissen nicht verstehen oder das Heirathgut an Geld oder anderen Fahrnissen ohne einem verschriebenen Unterpfand bestellet, jedoch nicht übergeben worden, so hat der Mann

(1-139) bloß allein eine persönliche Rechtsforderung wider die Erben des Weibs oder Denjenigen, der das Heirathgut für das Weib bestellet hat, zu Bezahlung des versprochenen und ihme durch Vorsterben des Weibs zugefallenen Heirathguts mit allen davon vertagten Zinsen, Früchten und Nutzungen.

[1, 3, § 6] 287. Wann hingegen demselben zur Sicherheit des Heirathguts ein Unterpfand verschrieben und dieses vor oder nach Absterben des Weibs darauf vorgemerket worden, hat er sich seiner Hypothek, insoweit solche zureichet, zu halten und da diese zu seiner Befriedigung nicht zulänglich wäre, des Abgangs halber mit der persönlichen Rechtsforderung wider die Erben des Weibs oder den Bestellenden zu verfahren.

[1, 3, § 6] 288. Welches Alles jedoch nur von dem Fall zu verstehen ist, wann wegen Zuruckgabe des Heirathguts auf Vorsterben des Weibs nichts Anderes bedungen worden.

Wo aber auch nach Inhalt des Vertrags das Heirathgut ihme nach Absterben des Weibs nicht zufiele, bleiben demselben nichtsdestoweniger wegen der für die Zeit der fürgewährten Ehe verfallenen Zinsen, Früchten und Nutzungen alle Sprüche und Forderungen bevor.

[1, 3, § 6] 289. Dem Weib fallt nach Vorsterben des Manns das ihme an unbeweglichen Vermögen landtäflich, stadt- oder grundbücherlich abgetretene oder an Fahrnissen übergebene Heirathgut, insoferne diese in seiner Verlassenschaft annoch vorhanden sind, ebensowohl als Dasjenige, was ihr auf Ueberlebungsfall zur Widerlage mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern zum Eigenthum verschrieben worden, ohne weiters eigenthumlich zu.

[1, 3, § 6] 290. Wo ihr aber zur Sicherheit des Heirathguts, Widerlage und des wittiblichen Unterhalts eine Hypothek verschrieben, und ihre Heirathssprüche mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern vor oder nach Absterben des Manns darauf vorgemerket worden, so hat sich dieselbe dieses Unterpfands nach dessen Zulänglichkeit zu halten.

Was hingegen daher nicht zu erholen oder mit keiner solchen Sicherheit bedecket ist, kann sie nicht anderst als mittelst persönlicher Rechtsforderung von denen Erben des Manns oder Demjenigen, welcher sich hierzu verbunden hat, einbringen.

[1, 3, § 6] 291. So viel es endlich die einem von dem anderen Ehegatten gemachte Schankungen und Betreuungen anbelanget, so hat der Schanknehmer in Ansehung jener, welche ordentlich übergeben und verschrieben worden, insoweit sie schon bei Lebzeiten in der erlaubten Maß zu Recht bestanden, ohnedies das Eigenthum erworben, folglich bedarf derselbe auch keiner weiteren Rechtshilfe.

[1, 3, § 6] 292. An der Uebermasse hingegen, welche durch den Tod des Schankgebers bekräftiget wird, erlangt der Ueberlebende das unwiderrufliche Eigenthum, insoferne andurch weder denen Glaubigeren des Verstorbenen, noch dem Pflichttheil des Notherben geschadet worden.

[1, 3, § 6] 293. Ist aber die Uebergabe oder Abtretung des Geschenkten nicht geschehen, so ist zu unterscheiden, ob zu dessen Sicherheit ein Unterpfand bestellet worden oder nicht. Ersteren Falls hat der Schanknehmer sich der verschriebenen Hypothek zu halten; letzteren Falls hingegen gebühret ihme nur die persönliche Rechtsforderung wider den Schankgeber und dessen Erben, doch in beiden Fällen nicht weiter, als die Schankung zu Recht bestehen kann.

(1-140) Caput IV.

Von der Verwandtschaft.

Inhalt:

§. I. Von der Verwandtschaft überhaupt. §. II. Von Verschiedenheit der Verwandten. §. III. Von den Staffeln der Verwandtschaft. §. IV. Von den Rechten der Verwandten.

§. I.

[1, 4, § 1] Num. 1. Durch die Ehe werden Geschlechter fortgepflanzet und mittelst derselben alle Diejenige, welche zu einem Geschlecht gehören, durch ein gemeinsames von einerlei Stammvater herrührendes Blutband untereinander verknüpfet, welches sie aller diesem Geschlecht zustehender Vorrechten theilhaftig macht, und durch die Verwandtschaft in der eigentlichen Bedeutung verstanden wird.

[1, 4, § 1] 2. In ihrem weitesten Verstand aber begreift die Verwandtschaft überhaupt auch die rechtliche und die geistliche.

Die rechtliche Verwandtschaft ist eine bloße Nachahmung der natürlichen, welche aus Jemandens Annehmung an Kindsstatt entstehet, und in dem folgendem Capitel vorkommen wird. Die geistliche Verwandtschaft hingegen entspringet zwischen gewissen Personen aus der Taufe oder Firmung und gehöret zum geistlichen Recht.

[1, 4, § 1] 3. Allhier wird nur von der natürlichen Verwandtschaft des Geblüts gehandlet, welche ein gemeinsames Blutband ist, wodurch mehrere von einerlei Stammen absteigende Personen mittelst der ehelichen Fortpflanzung untereinander verknüpfet sind.

[1, 4, § 1] 4. Hierdurch wird jene Verwandtschaft ausgeschlossen, welche aus unehelicher Erzeugung entstehet, und außer der Verbindlichkeit der natürlichen Eltern zum Unterhalt solcher Kinder in Absicht auf die weiteren sowohl väterlichen als mütterlichen Verwandten nach Unseren Gesetzen keine Wirkung hat.

(1-141) [1, 4, § 1] 5. Die rechtmäßige Verwandtschaft und die darunter begriffenen Personen pflegen auch anderst unter dem Namen der Blutsfreundschaft, der Sippschaft, der Befreundten oder Angehörigen und mehr dergleichen allgemeinen Ausdrücken verstanden, und nach Umständen bald in einer weiteren, bald in einer engeren Bedeutung genommen zu werden, nachdeme die Rechten der Verwandtschaft, um welche sich handlet, nach dem Sinn der Gesetzen oder nach dem Willen und Meinung des sich also Ausdrückenden mehreren oder wenigeren Personen zu statten kommen.

[1, 4, § 1] 6. Es sind dahero mehrerlei Gattungen der Verwandten, entweder nach dem Unterschied der Reihen oder Linien, oder nach dem unterschiedenen Geschlecht der Person, durch welche sie verwandt sind, und jede dieser Linien hat ihre Grade oder Staffeln, nach welchen die Vorrechte der näheren vor denen weiteren abgemessen werden. Es werden solchemnach zuerst die Gattungen der Verwandten, sonach die Staffeln oder Grade der Verwandtschaft, und schließlichen die Vorrechte der Verwandten erkläret.

§. II.

[1, 4, § 2] 7. Alle, welche einander mit Blutsfreundschaft beigethan, sind entweder absteigende, aufsteigende oder Seitenverwandten. Diese werden durch Reihen oder Linien unterschieden.

(1-142) [1, 4, § 2] 8. Durch eine Linie wird nichts Anderes als eine Sammlung mehrerer einander verwandter Personen verstanden, also, daß nur eine Person sich zwar in einer deren Linien befinde, und auch der Anfang, das Mittel oder das Ende der Linie seie, niemalen aber für sich allein betrachtet eine Linie ausmachen könne, sondern zur Linie allzeit mehrere Personen erforderet werden.

[1, 4, § 2] 9. Die Linien theilen sich in gerade oder Seitenlinien.

Die gerade Linie ist anwiederum zweierlei:

Eine enthält die Absteigenden, welche von Anderen gezeuget worden, als Kinder, Enkeln, Urenkeln u. s. w. abwärts, also, daß allzeit von dem Erzeugenden auf den Erzeugten gerad hinabgeschritten werde.

Die andere begreift die Aufsteigenden, welche Andere gezeuget haben, als Vater, Mutter Großeltern, Urgroßeltern u. s. w. aufwärts, dergestalten, daß allemal von dem Gezeugten auf den Erzeugenden gerad hinaufgeschritten werde.

[1, 4, § 2] 10. Die Zwerg- oder Seitenlinie enthält die Seitenverwandten, welche zwar von einem gemeinen Erzeuger abstammen, nicht aber von einander gezeuget worden, als Brüder, Schwestern, derenselben Kinder und Kindeskinder, dann auch Vaters oder Mutter Bruder, Schwestern und Diejenige, welche von diesen abstammen u. s. w. hinauf oder herunter.

[1, 4, § 2] 11. Jedwede Linie wird in Grade oder Staffeln untertheilet. Durch diese wird der Abstand einer Person von der anderen, welcher durch die Erzeugung geschieht, angedeutet, um die Nähe oder Weite der Verwandtschaft einer Person mit der anderen daraus abzunehmen.

[1, 4, § 2] 12. Gleichwie aber Einer dem Anderen entweder durch eine Mannsperson oder durch eine Weibsperson verwandt ist, also fließt auch hieraus der Unterschied zwischen der männlichen und weiblichen Verwandtschaft, welcher insonderheit bei adeligen Geschlechteren wegen verschiedener dem Mannsstammen vor denen weiblichen Verwandten zukommenden Vorzügen und Vorrechten wohl zu bemerken ist.

[1, 4, § 2] 13. Der Mannsstammen begreifet diejenige Manns- und Weibspersonen in absteigender Linie, welche von einem Mann als gemeinsamen Stammvater in ununterbrochener Männerreihe abstammen.

In aufsteigender Linie nur diejenige Mannspersonen, die von dem Vater in ununterbrochener Männerreihe weiter aufsteigen.

Und endlich in der Zwerg- oder Seitenlinie diejenige Seitenverwandte, Manns- und Weibspersonen, welche von einem gemeinen Stammvater in ein so andererseits ununterbrochener Männerreihe ihre Abkunft haben, also daß in allen dreien Ordnungen kein Weib dazwischen komme, von welcher die Verwandtschaft zwischen denen Personen, um welche die Frage ist, allein abgeleitet würde.

[1, 4, § 2] 14. Dahingegen gehören die von Weibern absteigende und die von der Mutter weiter aufsteigende, sowie alle mütterliche Seitenverwandten nicht mehr zu dem Mannsstammen, wann sie gleich männlichen Geschlechts oder nach einmal unterbrochener Männerreihe durch einen Mann befreundt wären, weilen die Männerreihe durch ein darzwischen kommendes Weib unterbrochen wird.

[1, 4, § 2] 15. Nicht einmal gehöret die Mutter zum Mannsstammen, sondern sie ist der Anfang der weiblichen, wie der Vater der männlichen Verwandtschaft oder des Mannsstammes. Ebensowenig erstrecket sich der Mannsstammen auf die von dem Vater, obschon in ununterbrochener Männerreihe weiter aufsteigende Weibspersonen, als die väterliche Ahnfrau, Urahnfrau u. s. w., weilen sie eben auch jede in ihrer Ordnung der Anfang der weiblichen Verwandtschaft sind.

(1-143) [1, 4, § 2] 16. Dahero sie zwar für ihre Person der allgemeinen Rechten des Geschlechts ihrer Männer, als da sind die Führung des Namens und Wappens, aber nicht aus dem Recht des Geblüts, wie die von Mannsstammen unmittelbar absteigende Weibspersonen, sondern lediglich durch die Verehelichung aus der Person ihres Mannes theilhaftig werden.

[1, 4, § 2] 17. Die männliche Verwandtschaft wird insgemein unter dem Namen des Hauses, des Geschlechts, des Stammes verstanden, und die Verwandten von Mannsstammen pflegen auch anderst Befreundte von oder nach dem Schwert, sonst auch Schwertmagen, die weiblichen hingegen Verwandte von oder nach der Spindel, sonst auch Spielmagen oder Gunkelfreunde genennet zu werden.

[1, 4, § 2] 18. Von der Verwandtschaft ist die Schwägerschaft ganz und gar unterschieden, als welche nicht in einem gemeinsamen Blutband von einerlei Stammen, sondern nur in der Beitretung des einen Ehegatten zu der Verwandtschaft des anderen bestehet.

[1, 4, § 2] 19. Sie ist dahero nichts Anderes, als in dem weitesten Verstand eine Zusammenfügung zweier Verwandtschaften.

In dem eigentlichen Verstand aber eine Verknüpfung des einen Theils mit der Verwandtschaft des anderen, welche durch die Ehe oder andere fleischliche Vermischung entstehet.

[1, 4, § 2] 20. Mittelst dieser werden alle Verwandte des Manns Schwäger des Weibs, gleichwie gegentheils alle Verwandte des Weibs Schwäger des Manns werden, ohne daß zwischen beiderseitigen Verwandten selbst daraus eine Schwägerschaft, noch weniger eine Verwandtschaft entspringe, obschon selbe nach dem gemeinen Wahn einander Schwäger zu nennen pflegen.

[1, 4, § 2] 21. Es können demnach die rechtlichen Wirkungen, welche von Unseren Gesetzen der Blutsverwandtschaft beigeleget sind, auf die Schwägerschaft nicht erstrecket werden, und sind außer Ehesachen (worinnen aber sich nach den geistlichen Rechten zu achten ist) gar wenige Fälle, wo nach Unseren Gesetzen die Schwägerschaft in rechtliche Betrachtung kommt.

[1, 4, § 2] 22. Diese sind das Laster der Blutschand zwischen verschwägerten Personen, und insoweit in anderen peinlichen Fällen die nahe Anverwandtschaft oder Schwägerschaft einen erschwerenden oder mildernden Umstand abgeben mag, nach Ausmessung dessen, was davon in Unserer peinlichen Gerichtsordnung enthalten ist. Ferners die Ausschließung verschwägerter Personen von Zeugenschaften und Vertretung des Richteramts, wovon in viertem Theil bei der Gerichtsordnung das Mehrere folgen wird.

[1, 4, § 2] 23. Dieses hat jedoch die Schwägerschaft mit der Verwandtschaft gemein, daß sie nach denen Linien und Graden der Verwandtschaft geachtet, und die nähere oder weitere Schwägerschaft mit dem einen Ehegatten nach der näheren oder weiteren Verwandtschaft mit dem anderen abgemessen werde.

[1, 4, § 2] 24. Dergestalten, daß jemand dem einem Ehegatten in eben derselben Linie und Grad verschwägert ist, in welcher Linie oder Grad er mit dem anderen in Verwandtschaft stehet.

(1-144) Mann und Weib aber sind miteinander nicht verschwägert, sondern das zwischen ihnen bestehende Eheband ist die Quelle und Ursprung der Schwägerschaft.

§. III.

[1, 4, § 3] 25. Durch die Grade oder Staffeln wird die Nähe oder Weite, in welcher eine Person mit der anderen nach dem Geblüt befreundt ist, abgemessen.

[1, 4, § 3] 26. Um den Grad der Blutsfreundschaft zwischen Personen, wovon die Frage ist, zu erforschen, müssen vor Allem die Personen in rechte Ordnung gesetzet, der Unterschied der geraden und Seitenlinie beobachtet, und endlich die Grade oder Staffeln genau gezählet werden.

[1, 4, § 3] 27. Die Personen werden gehörig gesetzet, wann die Ordnung von Demjenigen anfangt, von welchem die Frage ist, und hernach solange mit anderen Personen fortgefahren wird, bis man zu dem Anderen gelange, um den gleichfalls gefraget wird.

[1, 4, § 3] 28. Wobei jedoch wohl zu bemerken ist, daß in der Reihe der Personen keine Zwischenperson ausgelassen, noch eine andere darzu nicht gehörige miteinbezogen, sondern allemal nur die durch einerlei Blutband verknüpfte Personen miteinander zusammengefüget werden.

[1, 4, § 3] 29. Der Unterschied der Linien ist dergestalten zu beobachten, daß die Absteigenden in der geraden Linie abwärts, die Aufsteigenden aber in eben gerader Linie aufwärts und die Seitenverwandten von einem in der geraden Linie befindlichen gemeinen Stammen schräg herab, und zwar in allen dreien Linien nach der Ordnung der Erzeugung zu stehen kommen.

[1, 4, § 3] 30. Die Grade oder Staffeln sind also zu zählen, daß von der ersten Person zur anderen ein Grad, von dieser zur dritten der zweiten Grad u. s. w., mithin so viele Grade als Erzeugungen, oder aber ein Grad weniger als Personen gerechnet werden, und dieses ohne Unterschied, ob von Manns- oder Weibspersonen oder gegen Manns- oder Weibspersonen gefraget werde.

[1, 4, § 3] 31. Dieser Berechnungsart der Grade oder Staffeln solle ihne Unterschied der geraden oder Seitenlinie (die Personen, um welche gefraget wird, mögen in gleicher oder ungleicher Entfernung von dem gemeinen Stammen stehen) in allen Fällen, welche nach Unseren Gesetzen zu entscheiden kommen, als da es um Erbfolge,

(1-145) Vormundschaft, Einstandrecht und andere Gerechtsamen der Verwandten, oder aber um Anschließung von Zeugenschaften und dem Richteramt zu thun ist, je und allezeit nachgegangen werden.

[1, 4, § 3] 32. Dahingegen hat die Berechnung der Graden nach dem geistlichen Recht allein statt, wann von Zuläß- oder Unzulässigkeit, Giltig- oder Ungiltigkeit der Ehe zwischen Verwandten, oder in peinlichen Fällen von dem Laster der Blutschand die Frage ist.

[1, 4, § 3] 33. Die Berechnungsart des geistlichen Rechts unterscheidet sich von der obigen bloß allein in der Seitenlinie, in welcher dasselbe die Erzeugungen nur von der einen Seite, und zwar allemal von der längeren zählet, also, daß bei ungleichen Abstand zweier Seitenverwandten von dem gemeinen Stammen jederzeit die weitere Entfernung des einen den Ausschlag gebe, und die Zahl des Grads auch in Ansehung des anderen, obschon nicht so weit entferneten, bestimme.

[1, 4, § 3] 34. Hieraus folget, daß nach dem geistlichen Recht die Zwerg- und Seitenlinie anwiederum in die gleiche und ungleiche untertheilet werde.

Die gleiche Linie ist, in welcher die Seitenverwandten, um deren Blutsfreundschaft gefraget wird, von dem gemeinen Stammen in gleichem Grad entfernet sind.

Die ungleiche Linie hingegen ist, in welcher die Seitenverwandten, um die gefraget wird, von dem gemeinen Stammen nicht gleich, sondern der eine näher und der andere weiter entfernet sind.

[1, 4, § 3] 35. In der gleichen Zwerglinie hat die Regel statt, da, in welchem Grad die eine von jenen Personen, um deren Verwandtschaft gefraget wird, von dem gemeinen Stammen entfernet ist, in eben demselben beide miteinander verwandt sind. In der ungleichen Zwerglinie aber ist die andere Regel anzuwenden, daß, in welchem Grad die weitere Person von dem gemeinen Stammen entfernet ist, in eben demselben beide miteinander verwandt sind.

§. IV.

[1, 4, § 4] 40. (!) Die Verwandten haben nicht nur unter sich vor Anderen, welche nicht von der Verwandtschaft sind, gewisse Vorrechte, sondern es wird auch unter ihnen selbst einer Ordnung oder Linie vor der anderen, einem näheren vor dem weiteren,

(1-146) denen männlichen vor denen weiblichen ein mehreres Recht von Unseren Gesetzen beigeleget, wovon gehöriger Orten ausführlicher gehandlet werden wird.

Allhier ist genug von derlei verwandtschaftlichen Vorrechten nur überhaupt einen kurzen Begriff zu geben.

[1, 4, § 4] 41. Einige derselben sind allen Verwandten, sowohl von männlicher als weiblicher Seiten gemein. Dahin gehören die Erbfolge in freien oder auch Stamm- und Lehengütern, wann in Ansehung der letzteren sowohl männliche als weibliche Verwandten darzu berufen oder darmit belehnet sind, die Vormundschaft, das Einstandrecht u. dgl., doch also, daß allemal der Nähere, wann er sich seines Rechts bedienen will, vor dem Weiteren den Vorzug habe.

[1, 4, § 4] 42. Dieses verstehet sich aber nur von Fällen, worinnen derlei Rechten weder durch Unsere Gesetze, noch auch nach Zulassung derselben durch den Willen des Erblassers oder durch Verträge und Vergleiche unter Lebenden auf den Mannsstammen allein beschränket sind.

[1, 4, § 4] 43. Ferners sind von dieser Art die gemeinsame Vertretung, Klage oder Vertheidigung und nach Gestalt der Sachen die Beitretung an klagender oder beklagter Seiten, wann es um ein Recht zu thun ist, so die ganze Verwandtschaft ohne Unterschied der männlichen und weiblichen Befreundten angehet.

[1, 4, § 4] 44. Die Theilnehmung an allen Rechten und Gerechtigkeiten, die einer ganzen Verwandtschaft ohne Unterschied zustehen, in deren Genuß sich ein jeder von denen Verwandten durch die gehörige Rechtsmitteln erhalten mag.

[1, 4, § 4] 45. Und endlich mehrere der Verwandtschaft zukommende Rechtswohlthaten, als da sind, daß in Fällen, wo es sich allein um die Verwandtschaft handlet, schleunig verfahren, daß in gewissen Rechtsvertheidigungen der Ehre der verwandten Personen geschonet, daß in Schuldsachen gegen dieselbe nicht auf das Strengste fürgegangen, und endlich binnen gewissen Graden kein naher Verwandter wider den anderen insgemeim zur Zeugenschaft gezwungen werde.

[1, 4, § 4] 46. Andere verwandtschaftliche Rechten, welche eigentlich Stammrechten genennet werden, sind nur dem Mannesstammen und hierunter verschiedene denen männlichen Verwandten von Mannsstammenallein eigen.

Als die Nachfolge in Stamm- und Lehengütern, wann nur die Männlichen von Mannsstammen darzu berufen oder letztere rechte Mannleben sind.

Das geschlechtliche Vorzugs- und Einstandrecht in liegenden Gütern. Der größere Pflicht- und Erbtheil der männlichen Absteigenden von Mannsstammen vor denen weiblichen bei Landleuten und andere denen männlichen Verwandten von Mannsstammen vorzüglich angebührende Gerechtsamen, welche in Verfolg dieses Gesatzbuchs ihres Orts vorkommen werden.

[1, 4, § 4] 47. Jene Stammrechte hingegen stehen dem Mannsstammen auch mit Einbegriff der darzu gehörigen Weibspersonen zu, welche nicht lediglich die Fortpflanzung des Geschlechts zur Absicht haben, oder wobei nicht besonders auf die

(1-147) Fähigkeit der Mannspersonen gesehen wird, oder die zwar vorzüglich denen Mannspersonen zukommen, jedoch in deren Abgang auch auf die Weibspersonen erstrecket werden

[1, 4, § 4] 48. Dergleichen sind der Gebrauch des gemeinen Namens und Wappens, der Genuß aller dem ganzen Geschlecht und nicht allein einzlen Personen desselben verliehenen Würden und Vorzügen und endlich die Gemeinschaft aller dem Geschlecht zukommender Rechten und Gerechtigkeiten, insoweit auch Weibspersonen von Mannsstammen zu deren Genuß und Ausübung fähig sind.

[1, 4, § 4] 49. Die Rechten der Blutsverwandtschaft, insoweit dieselben aus dem natürlichen Blutband fließen, sind unbenehmlich, was immer für Veränderung mit einer verwandten Person vorgehe.

Jene Verwandtschaftsrechten hingegen, welche bloß von denen Gesetzen oder von menschlicher Willkühr abhangen, können in mehrerlei Umständen aufhören.

[1, 4, § 4] 50. Also verlieret Derjenige die Rechten der Verwandtschaft in Erb- und anderen Fällen, welcher der Landmannschaft oder des Bürgerrechts nebst allen davon abhangenden Gerechtigkeiten aus Verbrechen verlustiget wird.

[1, 4, § 4] 51. Desgleichen kann Niemand der verwandtschaftlichen Vorrechten theilhaftig werden, der die Eigenschaft nicht hat, welche zum Genuß derenselben etwann kraft einer letztwilligen Verordnung oder nach Inhalt sonstiger Bedingen zwischen Lebenden erforderet wird, oder der die beigesetzte Bedingniß, unter welcher ihme der Genuß des Rechts zugedacht worden, nicht erfüllet oder etwas unternimmt, was bei Verlust des Vorrechts verboten war.

[1, 4, § 4] 52. Ueber den Beweis der Blutverwandtschaft ist in außerordentlichen Weg Rechtens schleunig zu verfahren, und lieget solcher Jenem ob, der sich einen Verwandten zu sein ausgiebt und seine Rechtsforderung in der Verwandtschaft gründet, gleichwie gegentheils der Andere, der seine Forderung darinnen gründet, daß der Besitzer kein Verwandter seie, das Widerspiel zu erweisen hat.

[1, 4, § 4] 53. Wo es sich aber um Rechten handlet, zu welchen mehrere Verwandten zugleich gelangen, oder worinnen der nähere dem weiteren oder der Mannsstammen dem weiblichen vorgezogen, oder nebst der Verwandtschaft noch eine gewisse Eigenschaft erforderet wird, müssten auch Alle, die hierauf einen Anspruch machen, die Verwandtschaft und zwar nicht überhaupt, sondern nach Unterschied der Fällen zugleich die Nähe der Verwandtschaft binnen einem gewissen Grad oder von einem gewissen Stammvater oder von männlicher Seiten oder die vorgeschriebene Eigenschaft erweisen.

[1, 4, § 4] 54. Die stärkesten Beweise der Verwandtschaft sind Urkunden, welche aus Tauf- und Trauungsbüchern, Heirathscontracten, gerichtlichen und anderen öffentlichen Archiven entnommen werden.

Nicht weniger Zeugen, wann sie die Abstammung von Person zu Person auf eine beglaubte Weise aussagen können.

[1, 4, § 4] 55. Außer deme können auch andere mehrere Behelfe zum Beweis der Blutsverwandtschaft andienen, als der gemeine Ruf, das durchgängige Dafürhalten, wann es offenkundig oder sonst genüglich erprobet ist, der Besitz der Vorfahren, für die Blutsverwandtschaft ergangene Rechtssprüche, untadelhafte Stammbücher und andere in denen Geschlechtsarchiven oder in sonstigen glaubwürdigen Orten aufbehaltene Urkunden, alte Denkmale und Inschriften, bewährte Zeit- und Geschichtbücher, besonders von solchen Schriftstellern, welche zu gleicher Zeit, von der sie schreiben, gelebet haben, der unangefochtene beständige Gebrauch gleiches Namens und Wappens und andere dergleichen mehr oder minder beitragende Umstände, deren Zulänglich- oder Unzulänglichkeit jedoch dem richterlichen Ermessen überlassen wird.

[1, 4, § 4] 56. Und obzwar sonst die Urkunden und Rechtssprüche das Recht eines Dritten weder bestärken noch schwächen können, so wirken doch solche damals auch

(1-148) in Ansehung eines Dritten ein kräftiges Vorurtheil, wann Jemand, um dessen Verwandtschaft die Frage ist, mit der Verwandtschaft Desjenigen in der Abkunft von einem gemeinen Stammen einen erweislichen Zusammenhang hat, für welchen oder wider welchen eine gerichtliche oder sonst ungezweiflete Urkunde, oder ein zu Kräften erwachsener Rechtsspruch streitet, daß er mit jenem, gegen welchem gefraget wird, verwandt oder nicht verwandt seie, wann es sich um das nämliche und kein anderes Blutband handlet, als wovon die Urkunde oder der Rechtsspruch erwähnet.

[1, 4, § 4] 57. Also muß einem Absteigenden das Recht der Blutverwandtschaft zu Demjenigen nothwendig gebühren, in wessen Ansehung dasselbe bereits einem seiner Aufsteigenden zuerkannt worden; gleichwie gegentheils ein Absteigender kein Recht zur Blutsverwandtschaft mit Demjenigen hat, in wessen Ansehung dasselbe einem seiner Aufsteigenden allschon abgesprochen worden.

[1, 4, § 4] 58. Von nicht minderer Kraft ist die Verjährung der blutsverwandtschaftlichen Rechten, welche auch Jenen nutzet oder schadet, die mit Demjenigen in Abkunft von einerlei Stammen unstrittig verwandt sind, welcher solche wider Andere verjähret hat, oder wider welchen sie von Anderen verjähret worden.

Caput V.

Von der väterlichen Gewalt.

Inhalt:

§. I. Von der Natur und Wesenheit der väterlichen Gewalt. §. II. Von der Art und Weis, die väterliche Gewalt zu erlangen. §. III. Von Wirkungen der väterlichen Gewalt. §. IV. Von der Art und Weis, wodurch die väterliche Gewalt beendiget wird.

§ I.

[1, 5, § 1] Num. 1. Das engeste Band der Verwandtschaft ist zwischen Eltern und Kindern, welchem nicht nur alle übrige Ordnungen der Verwandten nachstehen, sondern deme auch über die gemeinen Verwandtschaftsrechten, deren nicht weniger andere Verwandten in obbestimmter Maß theilhaftig sind, noch besondere rechtliche Wirkungen sowohl von der Natur selbst, als von denen Gesetzen beigeleget werden.

(1-149) [1, 5, § 1] 2. Jene Rechten zwischen Eltern und Kindern, welche aus der Erzeugung hauptsächlich von der Natur selbst entspringen, sind bereits oben in zweitem Capitel von dem Stand der Menschen §. IV. bei dem Hausstand ausführlich erkläret worden.

[1, 5, § 1] 3. Es erübrigen also nur noch diejenige Rechten zwischen Eltern und Kindern, welche entweder aus Anordnung der Gesetzen herfließen, oder doch durch selbe ihre Bestimmung erhalten.

[1, 5, § 1] 4. Unter diesen ist die väterliche Gewalt, welche die Gesetze einem Vater über seine Kinder zueignen, das vornehmste, welche in gegenwärtigem Capitel beschrieben wird.

Dahingegen alle übrige Rechten zwischen Eltern und Kindern ihres Orts vorkommen, wo die Gegenstände, welche sie betreffen, besonders abgehandlet werden.

[1, 5, § 1] 5. Die väterliche Gewalt bestehet in dem Recht des Vaters, welches ihme über die Personen, über das Vermögen und über die Handlungen seiner Kinder von denen Gesetzen eingeräumet ist.

[1, 5, § 1] 6. Es wird dahero allhier erstlich von der Art und Weis, die väterliche Gewalt zu erlangen, sodann von denen Wirkungen der väterlichen Gewalt, und letztlich von der Art und Weis, wodurch die väterliche Gewalt geendiget wird, gehandlet.

§. II.

[1, 5, § 2] 7. Die väterliche Gewalt wird auf dreierlei Art, erlanget, als erstens, durch rechtmäßige Ehe, zweitens, durch Rechtmäßigung unehelich erzeugter Kinder, drittens, durch Annehmung an Kindesstatt.

[1, 5, § 2] 8. Durch die Ehe wird Jemand rechtmäßiger Vater zu sein dargezeiget, und die Erzeugung in rechtmäßiger Ehe zieht sogleich die väterliche Gewalt über das erzeugte Kind nach sich.

[1, 5, § 2] 9. Was dahero zum Beweis oder zur rechtlichen Vermuthung der ehelichen Geburt andienet, alles dieses gereichet auch zum Beweis und zur rechtlichen Vermuthung

(1-150) der väterlichen Gewalt, und haben zu deren Behauptung alle diejenige Beweismitteln und Rechtsbehelfe statt, welche zum Beweis und Vertheidigung der ehelichen Kindschaft gehören, und allschon oben in zweitem Capitel, §. IV. von Num. 98 bis Num. 101 angeführet worden.

[1, 5, § 2] 10. Dahingegen erstrecket sich die väterliche Gewalt in Ansehung der nachstehenden Rechtswirkungen nicht auf die außer der Ehe oder aus einer an Seiten des Vaters wissentlich ungiltigen Ehe erzeugte Kinder, obschon die Mutter die Ehe für giltig gehalten hätte, gleichwie gegentheils der gute Glauben des die Ehe giltig zu sein vermeinenden Vaters ihme die väterliche Gewalt über die aus dieser vermeintlichen Ehe erzeugte Kinder zueignet, wann gleich die Mutter solche ungiltig zu sein gewußt hätte.

[1, 5, § 2] 11. Doch kann die väterliche Gewalt über unehelich erzeugte Kinder durch deren erfolgte Rechtmäßigung erlanget werden. Diese geschieht entweder durch nachfolgende Ehe zwischen dem Vater und der Mutter eines außer der Ehe erzeugten Kinds, oder aus höchster landesfürstlicher Gewalt.

[1, 5, § 2] 12. Beide diese Arten der Rechtmäßigung kommen zwar in deme überein, daß sie die Makel der unehelichen Geburt oder Erzeugung tilgen, allein in Absicht auf die väterliche Gewalt und andere Verwandtschaftsrechten sind ihre Wirkungen unterschieden.

[1, 5, § 2] 13. Damit aber ein unehelich erzeugtes Kind durch die nachgefolgte Ehe rechtmäßig gemacht werden möge, ist darzu erforderlich, daß zur selben Zeit, als es empfangen worden, zwischen Vater und Mutter eine giltige Ehe bestehen können. Widrigens haben dergleichen Kinder ohnerachtet der nachgefolgten Ehe eine besondere Rechtmäßigung ihrer Geburt von landesfürstlicher Gewalt nöthig.

[1, 5, § 2] 14. Die Rechtmäßigung durch nachgefolgte Ehe kommt nicht allein dem unehelich erzeugten Kind in Ansehung seines Vaters und Mutter zu statten, sondern auch die von einem unehelichen und nachher durch die nachgefolgte Ehe rechtmäßig gewordenen Sohn oder Tochter erzeugte eheleibliche Kinder sind in Ansehung der Großeltern für eheliche Enkeln zu achten, obschon der Sohn oder die Tochter noch vor der erfolgten Ehe ihrer Eltern mit Tod abgegangen wären.

[1, 5, § 2] 15. Durch diese Art der Rechtmäßigung wird nicht allein alle Makel der unechten Geburt gänzlich ausgelöschet und derlei rechtmäßig gewordene Kinder denen ehelich empfangenen in allen Wirkungen insgemein vollkommen gleichgehalten, sondern sie werden auch aller Rechten der echten Geburt sowohl in Ansehung ihrer Eltern, als der ganzen Verwandtschaft theilhaftig.

[1, 5, § 2] 16. Nur jene Rechten bleiben ausgenommen, welche ausdrücklich entweder durch letztwillige oder lebzeitige Handlungen lediglich auch solche Kinder eingeschränket sind, die aus einer vorhergegangen rechtmäßigen Ehe empfangen worden.


(1-151) [1, 5, § 2] 17. Umsoweniger können die immittelst denen ehelich gebornen Kindern erworbene Rechten durch die nachherige Rechtmäßigung der unehelichen auf einigerlei Weise geschmäleret und beeinträchtiget werden. Von dieser Art ist das Recht der Erstgeburt oder der früheren Geburt, wovon die Erbfolge in geschlechtliche Trau- und Stammgüter und andere verwandtschaftliche Vorrechte abhangen, welches allemal der vor der Rechtmäßigung des Unehelichen aus rechtmäßiger Ehe Geborene unverletzt behält, obschon der Andere später rechtmäßig Geborene außer der Ehe früher erzeuget worden.

[1, 5, § 2] 18. Die andere Art der Rechtmäßigung, welche aus Unserer höchsten landesfürstlichen Gewalt herfließet, bleibt nur Uns allein und jenen Stellen, welchen Wir die Macht solche in Unserem Namen zu ertheilen besonders einraumen, vorbehalten.

[1, 5, § 2] 19. Damit aber aus einer Rechtmäßigung, die zwischen Vater und

(1-152) Kindern bestehende Rechten und unter diesen auch die väterliche Gewalt mit allen derselben anklebenden Wirkungen entspringen mögen, muß deren namentliche Verleihung in dem Rechtmäßigungsbrief allemal deutlich mit ausgedrucket sein, welche jedoch über den buchstäblichen Inhalt Unseres Gnadenbriefs auf keine andere Rechten der Verwandtschaft in Ansehung der weiteren Aufsteigenden und Seitenverwandten der natürlichen Eltern zu erstrecken ist.

[1, 5, § 2] 20. Außer dieser namentlichen Mitverleihung, welche jederzeit bei Uns unmittelbar angesuchet werden solle, wirket die aus Unserer höchsten Machtsvollkommenheit erhaltene Rechtmäßigung nichts Anderes, als daß die Makel der unechten Geburt getilget werde, und die auf solche Art geborene Person zu Ehren, Würden und Aemtern gelangen könne, folglich umsomehr in allen Gemeinden anderen ehrlichen Leuten gleichgeachtet, und in alle ehrliche Mitteln, Zünften und Gewerbe zugelassen werden müsse, ohne daß ihme von Jemandem seine uneheliche Geburt bei der in dem Gnadenbrief ausgesetzten Strafe vorgerucket werden dürfe.

[1, 5, § 2] 21. Die Annehmung an Kindsstatt giebt die väterliche Gewalt, jedoch nur mit jenen Rechtswirkungen, welche dem Wahlkind zu seinem Nutzen, nicht aber auch zu dessen Schaden und Nachtheil gereichen.

[1, 5, § 2] 22. Dergleichen Annehmung solle zwar ohne Unterschied, der Anzunehmende möge unter der väterlichen Gewalt eines Anderen stehen oder nicht, groß- oder minderjährig, und Derjenige, welcher den Anderen an Kindsstatt annehmen will, ein Aufsteigender von väterlicher oder mütterlicher Seite, oder ein Fremder sein, jedoch

(1-153) niemalen anderst, als mit Unserer höchsten Verwilligung oder Bestätigung geschehen können, widrigens aber ganz und gar ohne Kraft und Wirkung sein.

[1, 5, § 2] 23. Zur Erhaltung dieser Unserer höchster Verwilligung und Bestätigung müssen sowohl an Seiten des Wahlvaters als des Wahlkinds folgende Erfordernisse hinzutreten.

[1, 5, § 2] 24. Der Jemanden an Kindsstatt annehmen will, muß:

1.) Eines betagten Alters und wenigstens um die Jahre der gemeinen Vogtbarkeit älter sein als Derjenige, welchen er an Kindsstatt anzunehmen gedenket.

[1, 5, § 2] 2.) 25. Müssen weder eheleibliche Kinder, besonders männliche am Leben, noch zu deren Ueberkommung einige Hoffnung übrig sein, und hanget die Beurtheilung dieses letzteren Umstandes lediglich von Unserem Ermessen ab.

[1, 5, § 2] 3.) 26. Muß derselbe ein freies Vermögen besitzen, und davon einen gewissen Antheil bestimmen, auch solchen genugsam zu versichern sich erbieten, welcher dem überlebenden Wahlkind zuzukommen habe, wann auch der Wahlvater dessen in seinem letzten Willen nicht ferner gedächte.

[1, 5, § 2] 4.) 27. Muß überhaupt dem Wahlkind ein Vortheil dadurch zugehen und dem Recht eines Dritten kein Abbruch geschehen. Zu welchem Ende jedes Mal mit anzuzeigen ist, ob der Wahlvater ledig oder verheirathet, und wie letzteren Falls seine Ehegattin versorget seie; nicht minder ob nicht einige Notherben oder sonst nahe Anverwandte männliche oder weibliche und in was für einem Grad der Blutsverwandtschaft am Leben sind.

[1, 5, § 2] 5.) 28. Wird an Seiten dessen, welcher an Kindsstatt angenommen werden will, erforderet, daß derselbe, wann er großjährig ist, ausdrücklich darein willige, und, wo er noch minderjährig wäre, die Einwilligung seines Vaters oder Vormunds beitrete, welche in Kindsjahren, wo er noch keiner Einwilligung fähig wäre, für sich allein genug ist; doch muß die Annehmung eines unter der Vormundschaft stehenden Waisen an Kindsstatt allemal nebst der Einwilligung des Vormunds auch von der obervormundschaftlichen Behörde gutgeheißen und für den Waisen ersprießlich zu sein erkennet werden.

[1, 5, § 2] 29. Wann nun in Betrachtung der fürwaltenden Umständen Unsere höchste Verwilligung zu der angesuchten Annehmung an Kindsstatt erfolget, so hat dieselbe insgemein, wann in Unserem Verwilligungs- oder Bestätigungsbrief nichts Besonderes ausgedrucket ist, nachstehende Wirkungen.

[1, 5, § 2] 30. Der Wahlvater erlangt andurch das Recht der Vaterschaft mit der väterlichen Gewalt, wann das Wahlkind die Jahre der Vogtbarkeit noch nicht erreicht hat, nach deren Erreichung die väterliche Gewalt überhaupt ihre Endschaft hat.

[1, 5, § 2] 31. Doch wird der Wahlvater andurch nicht berechtiget, es seie in Lebzeiten oder nach dem Tod des Wahlkinds, auf dessen Vermögen und Habschaften einigen Anspruch zu machen, sondern derselbe hat nur dieses Vermögen bis zu Großjährigkeit des an Kindsstatt Angenommen auf ganz gleiche Weise und unter der nämlichen Verbindlichkeit wie ein jedweder anderer Vormund zu verwalten.

[1, 5, § 2] 32. Wäre hingegen der an Kindsstatt Angenommene bereits großjährig, so überkommt der Wahlvater das alleinige Recht der Vaterschaft ohne der väterlichen Gewalt und nur mit der Wirkung, daß er nicht kind- und erblos seie, sondern die Rechten seines Geschlechts nebst Namen und Wappen durch den angenommenen Sohn und dessen Nachkommenschaft fortsetzen könne.

[1, 5, § 2] 33. Das Wahlkind erhält durch dessen Annehmung das Recht der Kindschaft und mit solchem wird selbes auch des Namens und Wappens und anderer wahlväterlichen Geschlechtsrechten in der Maß, wie diese in der Verwilligungs- oder Bestätigungsurkunde von Uns erstrecket oder eingeschränket worden, theilhaftig.

[1, 5, § 2] 34. Nicht minder gebühret demselben die Erbfolge in dem bei seiner

(1-154) Annehmung aus dem Vermögen des Wahlvaters bestimmten Antheil; doch ist dem Wahlvater nicht verwehret, ihme ein Mehreres durch letzten Willen zuzuwenden.

[1, 5, § 2] 35. Dieser bestimmte Antheil wird nicht verminderet, wann gleich der Wahlvater nachher eheleibliche Kinder überkäme, insoweit dieselbe andurch an ihrem Pflichttheil nicht verkürzet werden, woran aber das Wahlkind keinen Theil hat.

[1, 5, § 2] 36. Noch weniger kann vorbemelter Antheil dem Wahlkind durch letzten Willen benommen werden, wann dasselbe nicht etwann eine solche Undankbarkeit begangen, wegen welcher auch eheleibliche Kinder von der väterlichen Erbschaft ausgeschlossen werden mögen.

[1, 5, § 2] 37. Nebstdeme wirket die Annehmung an Kindsstatt an Seiten des Wahlvaters die Schuldigkeit, sein Wahlkind gleich einem leiblichen nach seinem Stand und Würde zu ernähren, zu erziehen, zu erhalten, zu schützen und zu vertreten, und ist dessen leiblicher Vater von allem diesfälligen Beitrag gänzlich entbunden.

[1, 5, § 2] 38. Wann jedoch das Wahlkind ein eigenes Vermögen hätte, so kann von dessen Ertragniß so viel, als zu dessen Ernährung und Erziehung nöthig ist, durch die Behörde ausgemessen, der Ueberrest aber muß in Ersparniß gebracht und gleich einem Waisengut von dem Wahlvater verrechnet, wann hingegen das Vermögen des Wahlkinds nicht hinlänglich wäre, der Abgang von dem Wahlvater aus dem Eigenen getragen werden.

[1, 5, § 2] 39. Es wird ein Wahlkind deswegen nicht von der Erbschaft nach seinen leiblichen Eltern oder von anderen Rechten ihrer Blutsverwandtschaft ausgeschlossen, sondern ihme bleiben vielmehr solche zu allen Zeiten bevor.

[1, 5, § 2] 40. Gleichwie die Annehmung an Kindsstatt hauptsächlich die Fortpflanzung des Namens und Geschlechts zum Endzweck hat, also können auch insgemein die Weibsperson weder Andere an Kindsstatt annehmen, noch von anderen an Kindsstatt angenommen werden, wann nicht Unsere besondere höchste Einwilligung zu einem dergleichen Vorhaben ausgewirket wird, nach deren Inhalt sich in solchem Fall zu achten ist.

[1, 5, § 2] 41. Wann dahero eine Manns- oder Weibsperson fremde Kinder oder Waisen ein oder anderen Geschlechts bloßer Dingen zu Erziehung, Ernährung und dermaleinstiger Versorgung gutwillig zu sich nimmt, so ist dieses keine Annehmung an Kindsstatt, sondern eine bloße Wohlthat, die weder ein- noch andererseits vorerwähnte Rechtswirkungen nach sich zieht.

[1, 5, § 2] 42. Dann derlei Zucht- oder Nährkinder erlangen andurch keinen Anspruch auf das Vermögen ihres Gutthäters, außer insoweit ihnen etwas von demselben verschrieben, geschenket oder vermachet worden. Sie können auch nicht sich des Namens, Wappens und anderer Geschlechtsrechten ihres Nährvaters anmaßen, und um so weniger wirket dergleichen Gutthat die väterliche Gewalt.

[1, 5, § 2] 43. Obschon dieselben ihrem Gutthäter, so lange sie von ihme den Unterhalt genießen, aus Dankbarkeit in gewisser Maß untergeben, und insoweit von dessen Hause sind, als sie von ihme geschützt und für die Seinigen gehalten werden.

[1, 5, § 2] 44. Wie dann auch von allem deme, was auf sie verwendet worden, nichts

(1-155) zurückgeforderet werden mag, wann nur der Pflichttheil eheleiblicher Kinder andurch nicht verkürzet wird.

Dessen ohnerachtet aber behalten sie in Ansehung ihrer leiblichen Eltern und gesammten Verwandtschaft alle angebühren mögende Rechten bevor.

[1, 5, § 2] 45. Mit der Annehmung an Kindsstatt ist die Einkindschaft nicht zu vermengen, welche nach bisheriger Gewohnheit in einigen Orten gebräuchlich ware, und wodurch von neuangehenden Eheleuten ihre aus vorigen Ehen erzeugte Kinder zu gemeinen Kinder dergestalten angenommen worden, daß sie sowohl neben einander, als auch mit denen aus der neuen Ehe erzeugenden Kindern durchaus gleich gehalten werden, und miteinander nach der Eltern Tod gleiche Erbtheile genießen sollen.

[1, 5, § 2] 46. Wir wollen aber derlei Einkindschaften hiemit für das Künftige gänzlich aufgehoben und abgestellet haben, also zwar, daß daraus weder die Gleichheit in der Erbfolge, noch eine andere Rechtswirkung entstehen, noch weniger dadurch die väterliche Gewalt über Stiefkinder erlanget, sondern diese unter der vorherigen oder nach Erheischung der Umständen neu zu bestellen habenden Vormundschaft belassen werden sollen.

§. III.

[1, 5, § 3] 47. Die Wirkungen der väterlichen Gewalt betreffen entweder die Person oder das Vermögen, oder die Handlungen der Kinder.

(1-156) [1, 5, § 3] 48. In Ansehung ihrer Person hat der Vater das Recht, seine ihme von Anderen vorenthaltene Kinder abzuforderen, wobei schleunig zu verfahren, und lediglich darauf zu sehen ist, ob Jemand in dem Besitz des väterlichen Rechts oder sonst nach rechtlicher Vermuthung der Vater seie. Es erforderten dann die Umstände ein ordentliches rechtliches Verfahren.

[1, 5, § 3] 49. Es kann auch ein flüchtig geworbenes Kind von dem Vater selbst überall ergriffen und solle ihme hierinnen, wann er die Gerichtshilfe nöthig hätte, solche schleunigst geleistet werden.

[1, 5, § 3] 50. Nicht weniger ist dem Vater eine mäßige, die Besserung zum Zweck habende Züchtigung seiner Kinder zugelassen. Doch giebt die väterliche Gewalt kein Recht über das Leben, Leib, Gesundheit, Freiheit und guten Leumuth der Kinder.

[1, 5, § 3] 51. Belangend das Vermögen der Kinder, so ist anförderist jenes, was

(1-157) sich bei ihnen dem Gut des Vaters befindet, und von diesem weder schankungsweise, noch sonst auf eine andere rechtsbeständige Art an sie übertragen worden,

(1-158) von dem wahren und eigenen Kindergut wohl zu unterscheiden, maßen das erstere mit Nutzungen, Zuwachs und allem deme, was die Kinder anmit erwerben, dem Vater allein zugehöret.

[1, 5, § 3] 52. Ein wahres und eigenes Kindergut hingegen ist jenes, welches denen Kindern entweder von dem Vater selbst geschenket, oder auf andere zu recht bestehende Art an sie eigenthumlich übertragen wird, oder was ihnen von anderwärts zukommt, als von der Mutter, von väterlichen oder mütterlichen Großeltern, von Geschwisteren, Verwandten oder auch von Fremden durch Erbfolge, Vermächtnissen, Schankungen oder in andere Wege, oder was sie außer dem Gut und Gewerb des Vaters nach vollkommen zuruckgelegten funfzehnten Jahr durch ihren Fleiß oder durch andere redliche Weise erwerben.

[1, 5, § 3] 53. Von dem Kindergut gebühret dem Vater insgemein der Fruchtgenuß nebst der Verwaltung desselben, solang die Kinder in seiner Gewalt befindlich sind. Es giebt aber Fälle, wo der Vater zwar den Fruchtgenuß, nicht aber auch die Verwaltung des Kinderguts, oder dagegen diese allein ohne den Fruchtgenuß oder aber keines von beiden hat.

[1, 5, § 3] 54. Das Erstere ereignet sich, wann Derjenige, von deme das Kindergut

(1-159) herrühret, den Vater von der Verwaltung ausgeschlossen, oder über dasselbe einen anderen Vormund bestellet hat, oder der Verwaltung halber ein erhebliches Bedenken wider den Vater vorhanden wäre.

[1, 5, § 3] 55. Im Fall, wo Derjenige, von deme das Gut auf die Kinder gelanget ist, wegen dessen Verwaltung eine andere Vorsehung gemacht hätte, ist derselben allerdings nachzugehen, außer deme aber bei einem wider den Vater fürwaltenden gegründeten Verdacht einer üblen Gebarung das Kindergut einem Anderen unter ordentlicher Verrechnung in die Verwaltung zu geben, oder, da es nutzlicher zu sein befunden würde, dasselbe gerichtlich zu veräußern, und der Werth unter genugsamer Sicherheit irgendwo auf Zinsen nutzbar anzulegen.

[1, 5, § 3] 56. Jedoch behält der Vater einen Weg, wie den anderen, den Fruchtgenuß, das Kindergut möge von ihme selbst oder jemand Anderem verwaltet und auf was immer für eine Art genutzet werden.

[1, 5, § 3] 57. Dahingegen hat der Vater die alleinige Verwaltung ohne dem Fruchtgenuß in folgenden Fällen: Erstens, wann Jemand sein liegend- oder fahrendes Gut Kindern, welche annoch unter väterlicher Gewalt stehen, durch lebzeitige oder letztwillige Handlung mit dem ausdrücklichen Beding zuwendet, daß der Vater den Genuß davon nicht haben, sondern dieser, so wie das Eigenthum denen Kindern verbleiben und zu ihrem Besten verwendet oder in Ersparniß gebracht werden solle.

[1, 5, § 3] 58. Zweitens, wann die Mutter oder mütterlichen Großeltern denen Kindern den Pflichttheil mit eben diesem ausdrücklichen Beding hinterlassen, obschon sonst keine andere denen Kindern nachtheilige Bedingniß dem Pflichttheil beigesetzet werden mag.

[1, 5, § 3] 59. Drittens, wann der Vater selbst seinen Kindern ein liegend oder fahrendes Gut ohne Vorbehalt des Fruchtgenusses schenket, oder sich dessen zu Gunsten seiner Kinder begiebt.

[1, 5, § 3] 60. Viertens, was die Kinder nicht aus dem Gut des Vaters, noch mittelst desselben, noch auch in Ansehung des Vaters, sondern durch Kriegs- oder andere Dienste, geistliche Pfründen, Künste und Wissenschaften, Fleiß und Gewerbe nach dem funfzehnten Jahr ihres Alters erwerben, oder um eigener Verdiensten willen von Anderen schankungsweise überkommen, von allem deme gebühret dem Vater der Fruchtgenuß nicht.

[1, 5, § 3] 61. Fünftens, wann die Kinder selbst kein Eigenthum, sondern nur den bloßen Genuß haben, als da ihnen der Nießbrauch eines Guts, jährliche Zinsen oder Früchten oder andere Jahrgelder, ein Stiftgenuß und dergleichen zeitliche oder lebenslängliche Beihilfe verschaffet, oder wie sonst immer zugewendet worden wären.

[1, 5, § 3] 62. Weder den Fruchtgenuß, noch die Verwaltung des Kinderguts hat der Vater, wann entweder ihme in Fällen, wo demselben der Fruchtgenuß nicht gebühret, auch namentlich die Verwaltung benommen worden, oder er sich dieser Befugnissen unwürdig gemacht hat, als da er die Vormundschaft in Ansehung eines seinem Kind zukommenden Guts ohne rechtmäßiger Entschuldigungsursache verschmähet hätte.

[1, 5, § 3] 63. Wo aber das Kind in der Unvogtbarkeit verstürbe, so erlangt der Vater auch von deme den Fruchtgenuß nicht, was denen übrigen unter seiner väterlichen Gewalt stehenden Kindern als nächsten Erben von diesem Waisengut auf ihren Antheil zugefallen.

[1, 5, § 3] 64. In Fällen jedoch, wo der Vater die Verwaltung des Kinderguts mit oder ohne dem Fruchtgenuß desselben hat, muß solches ehe und bevor es ihme eingeantwortet wird, gerichtlich beschrieben werden, wann darunter verschiedene Sachen und Forderungen als Vorräthe bei einem Landgut, Einrichtungen bei einem Hause, ausständige Gülten, Zinsen oder andere Ansprüche begriffen sind.

[1, 5, § 3] 65. Wann aber das an die Kinder gelangte Gut in einer einzlen Sache

(1-160) bestehet, als z. B. in einem Grund ohne allem Beilaß, Einrichtung und Ausständen, oder in einer vorgemerkten Schuldforderung, so ist zwar der Fall einer förmlichen Beschreibung nicht abhanden, nichts destoweniger muß jegleichwohlen die Beschaffenheit einer solchen Sache, derselben Werth und Ertragniß zur Sicherheit der Kinder gerichtlich angemerket werden.

[1, 5, § 3] 66. Vor dieser Beschreibung oder Anmerkung und der hierauf folgenden gerichtlichen Einantwortung darf der Vater sich der Verwaltung und des Nießbrauches nicht anmaßen, und ist auch nicht fähig etwas von Zinsen oder Nutzungen einzuheben, und die Schuldnere über den Erlag rechtsgiltig zu quittiren.

[1, 5, § 3] 67. Zuweilen kann auch der Vater, wann es die Sicherheit des Kinderguts nach Umständen erheischet, zur Bürgschaft wegen dessen unverminderter Erhaltung nicht weniger als ein anderer Vormund angehalten werden, wo nicht die Gefahr einer Verminderung von selbsten entfiele, als bei einer gerichtlich vorgemerkten Forderung oder einem anderen dinglichen Recht, so der Vater ohne gerichtlicher Verwilligung nicht veräußern kann.

[1, 5, § 3] 68. Nur von dem Rechnungsverlag über die Ertragnisse allein ist der Vater entbunden, insolange er den völligen Genuß des Kinderguts hat. In allem Uebrigen aber ist er in Ansehung desselben als ein natürlicher Vormund seiner Kinder zu betrachten, mithin auch alles Dasjenige zu beobachten schuldig, was in gleich nachfolgendem Capitel bei Vormundschaften zur guten Verwaltung des Waisenguts vorgeschrieben wird.

[1, 5, § 3] 69. Der dem Vater an dem Kindergut gebührende rechtliche Nießbrauch eignet ihme zwar insgemein alle Ertragnisse desselben und alle diejenige Befugnissen zu, welche einem jedem anderem, durch lebzeitige oder letztwillige Handlungen bestellten Nutznießer zu statten kommen.

[1, 5, § 3] 70. Wann jedoch der Wohlstand seiner Kinder unumgänglich erheischet, einen Theil der Nutzung zu ihrem Besten zu verwenden, um etwann eine auf dem Kindergut haftende Schuldenlast zu tilgen, einen durch Zufall hieran entstandenen Schaden wieder zu verbessern, eine nothwendig oder sehr nutzliche Einverwendung zu thun, einen wegen dieses Guts erregten Rechtshandel auszuführen, oder endlich auch auf diejenige Kinder, welchen das Gut zugehöret, zur besseren und anständigeren Erziehung ein Mehreres zu verwenden, als der Vater sonst nach seinem Stand und Vermögen auf andere Kinder anzuwenden vermag; so kann der Vater in dergleichen Umständen die völlige Nutzung des Guts für sich nicht behalten, noch wegen derlei nothwendiger oder nutzlicher Auslagen das Gut selbst vermindern.

[1, 5, § 3] 71. Sondern Wir ordnen hiermit, daß in solchen Fällen der Vater schuldig sein solle, so lange es die Nothsurft erheischet, und die Schulden nicht völlig getilget, der Schaden nicht wieder verbesseret, der sich darbietende mehrere Nutzen nicht bewirket, der Rechtshandel nicht ausgeführet sein wird, oder so lange denen Kindern die anständige Erziehung zu geben ist, den dritten Theil der klaren Nutzungen zum Besten der Kinder von Jahr zu Jahr anzuwenden, woferne es nicht bereits dahin gediehen, daß dieser Aufwand mit geringeren Unkosten bestritten werden könnte.

[1, 5, § 3] 72. Zu welchem Ende und damit durch die Gehörde von amtswegen hierauf obacht getragen werde, solle ein jeder Vater, der sich in dem rechtlichen Genuß eines seinen Kindern zugekommenen Guts befindet, verbunden sein, den Stand des ihme eingeantworteten Kinderguts und die etwann darauf haftende Schulden nebst dessen wahrer Ertragniß alljährlich bei der Gehörde anzuzeigen, und diese Anzeige mit bewährten Rechnungsauszügen, auch, da es ihme der Erforderniß nach auferleget würde, mit vollständigen Rechnungen zu belegen.

[1, 5, § 3] 73. Wobeinebst derselbe, wie viel er davon nöthigen Falls zu Tilgung der

(1-161) Schulden, wie auch zu Bestreitung der nothwendigen oder nutzlichen außer dem gewöhnlichen Aufwand vorgefallenen Ausgaben verwendet habe, nicht nur behörig auszuweisen, sondern deme auch, was an Schulden noch weiters verbleibet, und was ferners zu vorsehen mögenden unentbehrlichen Einverwendungen erforderlich sein dürfte, beizufügen hat.

[1, 5, § 3] 74. Dieser Ausweis, Anzeige oder Rechnung ist zwar, außer dem Fall einer unterlaufenden geflissentlichen Gefährde oder hervorkommenden allzugroßer Vernachlässigung des Wirthschaftstriebs, nicht so genau zu bemängeln, sondern auf Befinden, daß Unseren vorstehenden Verordnungen nachgelebt worden, sofort ohne weiters gerichtlich zu beangenehmen.

[1, 5, § 3] 75. Wann hingegen hervorkäme, daß weniger als der dritte Theil deren klaren Nutzungen zum Besten der Kinder von dem Vater einverwendet worden wäre, ist von der Gehörde, ob nicht so vieles einzuverwenden nothwendig oder nutzlich gewesen seie, genau einzusehen, und, da sich die Nothdurft zeigete, dem Vater dessen Unterlassung auszustellen, anbei aber er sowohl zum Nachtrag des Abgangs in dem folgenden Jahr, als auch zur künftigen unnachbleiblichen Beobachtung dieser seiner Schuldigkeit befindenden Umständen nach mit Nachdruck anzuhalten.

[1, 5, § 3] 76. Diese Schuldigkeit lieget jedoch dem Vater nur allein in demjenigen Fall ob, wo ihme aus Anordnung des Gesetzes der rechtliche Nießbrauch des Kinderguts zustehet.

Wann aber dem Vater der Nießbrauch eines seinen Kindern eigenthumlich zugewendeten Guts durch ausdrücklichen Willen Desjenigen, von deme es an die Kinder gekommen, bis zu ihrer Vogtbarkeit oder auf Lebenszeit, aus einer lebzeitigen oder letztwilligen Handlung verliehen worden, oder solche ihme hieran noch ehender, als das Eigenthum an seine Kinder gediehen, schon zugestanden wäre, in solchen Fällen ist sich nach dem Vertrag oder nach der letztwilligen Verordnung zu achten, übrigens aber der Vater zu nichts Mehreren verbunden, als was die gemeine Eigenschaft des Nießbrauchs mit sich bringt.

[1, 5, § 3] 77. In Fällen hingegen, wo der Vater die alleinige Verwaltung des Kinderguts ohne dem Fruchtgenuß hat, ist er ebenso, wie ein jedweder anderer Gerhab oder Vormund ordentliche Rechnung zu legen schuldig, dabei aber auch befugt, zur standesmäßigen Erziehung und Erhaltung der Kinder die Ausmessung eines jährlichen Betrags von denen Einkünften, insoweit solche zureichen, von der Gehörde anzuverlangen.

[1, 5, § 3] 78. Die väterliche Gewalt erstrecket sich auch auf die Handlungen der

(1-162) Kinder, welche, solange sie unter derselben stehen, keinerlei Handlung fähig sind, worzu freie Schalt- und Waltung nebst Unabhängigkeit des Willens erforderet wird.

[1, 5, § 3] 79. Also können Dieselbe keinen letzten Willen errichten, ihr Vermögen weder veräußern, noch beschweren und keine wie immer Namen habende, rechtsbündige Bedinge, Verträge und Vergleiche mit Anderen eingehen, es gereicheten dann diese letztere ihnen zum Nutzen und Vortheil oder der Vater hätte darin gewilliget.

[1, 5, § 3] 80. Ueberhaupt ist denen unter väterlicher Gewalt stehenden Kindern nicht gestattet, was denen Waisen nicht zugelassen ist; weswegen dann auch Dasjenige, was von denen Waisen in dem gleich nachfolgendem Capitel geordnet wird, nicht weniger auf die unter väterlicher Gewalt stehende Kinder zu deuten ist.

[1, 5, § 3] 81. Nur aus jenen Handlungen der Kinder kann der Vater Anderen verbindlich werden, oder sich Andere verbindlich machen, welche von ihnen in Ansehung des Vaters, oder seines Guts, oder Gewerbs auf sein Geheiß, oder mit seinem Willen mit Anderen eingegangen oder hernachmals von ihme beangenehmet worden.

Außer deme wird derselbe hieraus nur insoweit verbindlich, als aus der vorgegangenen Handlung etwas zu seinem Nutzen gediehen ist.

[1, 5, § 3] 82. Die Kinder hingegen werden aus dergleichen Handlungen nicht selbst verbunden, noch weniger sind sie schuldig, über kurz oder lang für das, wozu ihr Vater durch sie verbunden worden, aus dem Ihrigen Genügen zu thun, außer sie wären immittelst Erben des Vaters worden.

[1, 5, § 3] 83. Von dergleichen Handlungen, woraus Anderen durch Andere etwas erworben oder eine Verbindlichkeit zugezogen wird, und von denen in solchen Fällen denen allseitigen Theilhaberen gebührenden Rechtsmittel, folget das Mehrere im dritten Theil, wo von persönlichen Verbindungen gehandelt wird.

(1-163) [1, 5, § 3] 84. Durch Gelderborgungen werden weder die unter väterlicher Gewalt stehende Kinder, noch der Vater selbst in mindestem verbindlich, wann nicht sein erweisliches Geheiß, Einwilligung oder Gutheißung hinzutritt, oder nicht das Geld zum Nutzen des Vaters verwendet, oder von ihme die Bezahlung übernommen, ganz oder bereits wissentlich oder zum Theil geleistet worden.

[1, 5, § 3] 85. In welchem letzteren Fall nicht nur allein das Bezahlte nicht mehr zuruckgeforderet werden kann, sondern auch der Vater, wo er durch Abschlagszahlung ohne ausdrücklicher Verwahrung für den Ueberrest die Schuld einmal anerkannt, nicht weniger den Ueberrest zu bezahlen schuldig ist.

[1, 5, § 3] 86. Eben also, da ein mit Willen des Vaters sich in der Fremde aufhaltender Sohn oder Tochter Geld erborget hätte, ist der Vater nur Dasjenige zu bezahlen verbunden, was ein solches Kind zu seinem gebührlichen Unterhalt und zu Bestreitung deren Reiseunkosten auszuborgen bemüssiget gewesen.

[1, 5, § 3] 87. Zu Hause aber solle einem Kind kein dergleichen Vorwand wider den Vater verhelfen können, sondern ihme lieget ob, wo es einen Mangel an dem gebührenden Unterhalt erlitte, und der Vater gleichwohlen ein Mehreres zu thun im Stande wäre, nach Anordnung dessen, was davon oben in zweitem Capitel, §. IV vorgesehen worden, die Gehörde anzugehen, um den Vater zur Erfüllung seiner Schuldigkeit zu vermögen.

[1, 5, § 3] 88. Mehrere Wirkungen der väterlichen Gewalt kommen hiernach an jenen Orten besonders vor, wohin sie nach ihrem Gegenstand, den selbe betreffen, gehörig sind, um alle unnöthige Wiederholungen zu vermeiden.

§. IV.

[1, 5, § 4] 89. Die väterliche Gewalt höret auf mehrerlei Art auf, als erstens mit Absterben des Vaters oder der Kinder. Dem natürlichen Tod aber wird auch verglichen, wann Vater oder Kinder wegen begangenen Verbrechens von der bürgerlichen Gesellschaft in dem Staat oder in einem Land durch Urtheil und Recht ausgeschlossen werden.

[1, 5, § 4] 90. Wann dahero Vater oder Kind aus dem Staat oder aus einem Land auf ewig verwiesen, oder an entlegene Orte zu seinem daselbstigen immerwährenden Aufenthalt abgeschaffet, oder zu einem lebenslänglichen Gefängniß, Festungsbau oder zu anderer Strafarbeit verurtheilet worden, so wird der also Bestrafte eben

(1-164) andurch aller Wirkungen der väterlichen Gewalt, die ihme zu seiner Gunst und Vortheil gereichen könnten, ganz und gar verlustig.

[1, 5, § 4] 91. Da es den Vater betroffen, verlieret derselbe vornehmlich den Nießbrauch und die Verwaltung des Kinderguts, ohne daß deswegen die Kinder aufhören nothwendige Erben ihres Vaters zu sein, sondern denenselben ist sowohl durch Sicherstellung ihres Pflichttheils, als durch Bestellung eines Vormunds in solchen Fällen vorzusehen.

[1, 5, § 4] 92. Doch werden weder Vater noch Kinder, die solcher gestalten bestrafet werden, von der wechselweisen Erbfolge deswegen ausgeschlossen, wann das Verbrechen nicht zugleich die Unfähigkeit zu Erbfällen nach sich ziehet, sondern sie haben sich diesfalls des Rechts der Inwohneren desjenigen Landes, in welchem sie sich befinden, zu erfreuen, insoweit diesen das Wiedergeltungsrecht in Ansehung diesländiger Erbschaften nicht entgegenstehet.

[1, 5, § 4] 93. Eine zeitliche Abschaffung oder Landesverweisung, oder auch eine auf gewisse Jahre verhängte Gefängnißstrafe des Vaters verhinderet nur jene Wirkungen der väterlichen Gewalt, welche sich auf die Erziehung der Kinder, dann auf die Verwaltung und Nutznießung des Kinderguts erstrecken, auch nur so lange, als die Strafe daueret.

[1, 5, § 4] 94. Inzwischen aber ist von der Gehörde zur Verwaltung des Kinderguts ein zeitlicher Vormund zu bestellen, und wann der Vater nach geendigter Strafzeit anwiederum zurückkehret, und sonst kein erhebliches Bedenken ihme das Kindergut wieder anzuvertrauen fürwaltet, tritt derselbe in seine vorige Rechten ein.

[1, 5, § 4] 95. Ein von Feinden gefangener verlieret die Rechten der väterlichen Gewalt so wenig, als wie ein von Sinnen gekommener oder sonst gebrechlich gewordener Vater; und wird in folgendem Capitel geordnet werden, wie in solchen Fällen sowohl dem sinnlosen oder abwesenden Vater, als denen hilflosen Kindern vorzusehen seie.

[1, 5, § 4] 96. Zweitens endiget sich die väterliche Gewalt durch das Recht selbst,

(1-165) sobald ein Kind das vogtbare Alter erreichet, ohne daß es hierzu besonderen Entlassung aus der Gewalt oder einer sonstigen gerichtlichen oder außergerichtlichen Handlung bedörfe.

[1, 5, § 4] 97. Dieses vogtbare Alter, so für sich selbst die väterliche Gewalt auflöset, sind bei Söhnen zwanzig und bei Töchtern achtzehn vollständig erfüllte Jahre, vor welcher Zeit kein Vater befugt ist, seine Kinder der Gewalt zu entlassen, noch sie über solche in seiner Gewalt zu halten.

[1, 5, § 4] 98. Doch sollen derlei aus der väterlichen Gewalt getretene Kinder nicht eben sofort ihrer eigener Willkür überlassen sein, sondern noch fernershin bis zu erreichter Großjährigkeit, das ist, bis nach vollständig erfüllten vierundzwanzigsten Jahr ihres Alters unter der väterlichen Obsorge und Aufsicht verbleiben.

[1, 5, § 4] 99. Bis dahin sind die obschon vogtbaren Kinder ohne Einwilligung des Vater keinerlei lebzeitige Handlungen mit Giltigkeit vorzunehmen fähig, wodurch entweder ihre Person verbunden oder ihr Vermögen veräußeret, verminderet oder auf einigerlei Weise beschweret würde, wie in folgendem Capitel von Minderjährigen mit Mehreren geordnet wird.

[1, 5, § 4] 100. Sie können hingegen mit ihrem Vermögen nach Gefallen letztwillig ordnen, und solle ein von ihnen errichteter letzter Willen, wann derselbe sonst an sich nicht mangelhaft ist, allerdings giltig und zu Recht beständig sein.

[1, 5, § 4] 101. Mit der durch die erreichte Vogtbarkeit der Kinder aufgelösten väterlichen Gewalt höret zwar der dem Vater von dem Kindergut bis dahin zugestandene Nießbrauch auf, nicht aber auch die Verwaltung desselben, obschon solche von dieser Zeit an in eine andere Gestalt verwandlet, und aus der von der väterlichen Gewalt herrührenden eine bloße vormundschaftliche Verwaltung wird, ohne weiterem Recht des Nießbrauchs.

[1, 5, § 4] 102. Es ist dahero der Vater schuldig, sobald ein Kind die obbestimmten Jahre der Vogtbarkeit erreichet, einen Abschnitt der ihme bis dahin mit dem Nießbrauch zugestandenen Verwaltung des Kinderguts zu machen, und dessen gegenwärtigen Stand getreulich anzuzeigen, welcher von der Gehörde mit der oben gleich anfangs vorzunehmen angeordneten gerichtlichen Beschreibung zusammengehalten, und hauptsächlich darauf gesehen werden solle, ob währendem väterlichen

(1-166) Nießbrauch dem Kindergut etwas entgangen oder dasselbe sonst zu Schaden gekommen, folglich was denen Kindern vom Vater zu ersetzen seie.

[1, 5, § 4] 103. Mittlerweil aber hat der Vater als natürlicher Vormund die Verwaltung des Kinderguts mit der Verbindlichkeit fortzusetzen, daß er gleich einem anderen Vormund von Stund an, alle Ertragnisse des Kinderguts zum Nutzen derselben verwenden, solche ordentlich verrechnen, hierüber die Rechnungen alljährlich bei der Gehörde erlegen, und in Allem sich deme gemäß betragen müsse, was in gleich nachfolgendem Capitel überhaupt von Gerhaben oder Vormünderen geordnet wird.

[1, 5, § 4] 104. In diesem allein waltet ein Unterschied ob, daß ein Vater in die Verehelichung seines minderjährigen Kinds für sich allein willigen könne, wo in Gegentheil die Vormündere und Gerhaben der Minderjährigen die Verwilligung bei der vorgesetzten Vormundschaftsgehörde anzusuchen haben, wie es oben in drittem Capitel vorgeschrieben worden.

[1, 5, § 4] 105. Die dem Vater gebührende Vormundschaft über seine noch minderjährige Kinder ist demselben ohne erheblicher Ursach nicht zu benehmen. Es käme dann wider ihn eine Gefährde, geflissentliche Benachtheiligung oder große Verwahrlosung des Kinderguts erweislich hervor.

[1, 5, § 4] 106. Welchen Falls denen minderjährigen Kindern ein anderer Vormund bestellet, und diesem von der Gehörde aufgetragen werden solle, Alles, was von dem Vater bis dahin etwann vernachlässiget worden wäre, in Richtigkeit zu bringen, und was dieser allenfalls zu ersetzen haben dörfte, beschaffenen Umständen nach auch gerichtlich einzutreiben. Uebrigens ist mit der Raitung des Vaters auf ganz gleiche Weise zu verfahren, wie es wegen Bemängelung all anderer Vormundschafts-Raitungen in dem gleich hiernach folgendem Capitel ausgemessen wird.

[1, 5, § 4] 107. Drittens wird sowohl die väterliche Gewalt, als die väterliche Vormundschaft durch die einem Kind aus Unserer landesfürstlichen Machtsvollkommenheit ertheilte Nachsicht des Alters ausgelöset, wann solche nicht ausdrücklich nur auf gewisse darinnen benannte Handlungen allein eingeschränket worden.

[1, 5, § 4] 108. Viertens höret die väterliche Gewalt durch die mit Willen des

(1-167) Vaters, oder mit gerichtlicher Begenehmigung erfolgte Verehelichung eines noch unvogtbaren Sohns oder Tochter der gestalten auf, daß ein sich verheirathender Sohn bis zu erreichender Großjährigkeit unter der Vormundschaft des Vaters verbleibe, eine verehelichte Tochter hingegen unter die Vormundschaft ihres Manns, wann derselbe großjährig ist, verfalle, widrigens oder so lange unter der Vormundschaft ihres Vaters verbleibe, bis daß ihr Mann oder sie selbst die Großjährigkeit erreiche.

[1, 5, § 4] 109. Wann jedoch der Vater vor der Großjährigkeit eines verheiratheten Kinds verstürbe, ist diesem sofort ein anderer Vormund zu bestellen, und stehet solchen Falls dem Vater frei, ihme einen anderen Vormund in seinem letzten Willen zu benennen.

Wo aber der bereits großjährige Ehemann einer verehelichten Tochter welcher vorbesagter Maßen die Vormundschaft über sie gehabt, verstürbe, fallt dieselbe, wann sie auch noch nicht vogtbaren Alters wäre, nicht mehr unter die Gewalt, sondern lediglich unter die Vormundschaft ihres noch lebenden Vaters zurück, und da auch dieser vor oder nach dem Tod abgegangen wäre, ist sie bis zu ihrer Großjährigkeit anderweit zu bevormunden.

[1, 5, § 4] 110. In allen Fällen, wo die väterliche Gewalt durch die Verehelichung eines Kinds aufgelöset wird, hat auch der väterliche Nießbrauch des Kinderguts sein Ende, und ist von dem Tag der Heirath dessen gesammte Ertragniß ordentlich zu verrechnen, welche jedoch ganz oder zum Theile nach Befund und

(1-168) Ausmessung der vormundschaftlichen Gehörde dem verheiratheten Kind zu seinem Gebrauch und Unterhaltung ausgefolget werden solle.

[1, 5, § 4] 111. Woferne aber ein noch unvogtbares Kind sich wider Willen des Vaters und ohne gerichtlicher Einwilligung auf dem Fall, da dieser sich ohne rechtmäßiger Ursach weigerete, verheirathet hätte, höret die väterliche Gewalt deswegen nicht auf, noch weniger kann dem Vater dadurch der Nießbrauch des einem solchen Kind angehörigen Vermögens entzogen werden.

[1, 5, § 4] 112. Wegen Führung einer eigenen Haushaltung, oder wegen aufhabender Würde, oder unter was sonst immer für einem Vorwand kann sich kein Kind der väterlichen Gewalt entziehen.

[1, 5, § 4] 113. Doch solle denen vogtbaren Kinder, die ein eigenes Vermögen haben, jährlich ein Theil, ihrer Einkünften, welchen jedes Mal die Gehörde nach mehr oder minderer Bedürfniß auszumessen hat, zur freien Schalt- und Waltung von dem Vater ausgefolget werden, damit sie zeitlich zum vernünftigen Gebrauch ihres Vermögens angewöhnet werden.

[1, 5, § 4] 114. Gleichwie aber jene minderjährige Waisen, welche zu einer Handlung, Kunst, Gewerb und bürgerlichen Nahrung fähig erkennet worden, von der Nothwendigkeit einer weiteren Vormundschaft, wie es in dem folgenden Capitel geordnet wird, entbunden sind, und mit ihrem zu dem Nahrungstrieb ihnen eingeantworteten Vermögen frei schalten und walten, folglich sich rechtsbeständig verbinden mögen, also ist solches allerdings auch von denen minderjährigen Kindern zu verstehen, welchen mit des Vaters Verwilligung oder doch dessen vorläufiger Vernehmung ihr Vermögen von der Gehörde zu gleichem Ende eingeantwortet worden.

[1, 5, § 4] 115. Die Auflösung der väterlichen Gewalt solle denen Kindern niemalen zu einigem Nachtheil gereichen, sondern sie bleiben nach wie vor nothwendige Erben des Vaters, und genießen auch weiters alle übrigen Rechten des Hausstandes.

[1, 5, § 4] 116. Wer einmal von der väterlichen Gewalt entbunden worden, fallt niemalen unter dieselbe zuruck.

Nur bei Wahlkindern leidet solches eine Ausnahme, welche sowohl aus der Gewalt ihres leiblichen Vaters in die Gewalt des Wahlvaters übergehen, als auch nach dem Tod dieses letzteren, wann sie noch unvogtbar sind, anwiederum in die Gewalt ihres leiblichen Vaters, oder da sie zu dieser Zeit bereits vogtbaren Alters sind, in dessen Vormundschaft zurückzufallen.

(1-169) Caput VI.

Von der Vormundschaft.

Inhalt:

§. I. Von Vormundschaften überhaupt. §. II. Von Verschiedenheit der Vormundschaften. III. Von Antretung der Vormundschaft. §. IV. Von Verwaltung der Vormundschaft.

§. V. Von der Vormundschafts-Raitung. §. VI. Von Belohnung der Vormünderen. §. VII. Von Beendigung der Vormundschaft. §. VIII. Von Obsorgeren deren Ihrem Gut selbst vorzustehen unfähigen Personen.

§. I.

[1, 6, § 1] Num. 1. Die aus der väterlichen Gewalt ausgetretenen Personen sind noch nicht bei so reifem Alter, daß sie sich selbst zu ihrem und des gemeinen Wesens Besten zu leiten und ihren Sachen der Erforderniß nach gebührend vorzustehen vermögen.

[1, 6, § 1] 2. Es erheischet dahero der allgemeine Wohlstand, damit solche Personen

(1-170) durch Andere geleitet und geschützet, folglich ihnen zu dem Ende tüchtige Vormünder und Gerhaben bestellet werden.

[1, 6, § 1] 3. Diese Beschützung heißet eigentlich eine Vormundschaft oder Gerhabschaft und ist nichts Anderes, als eine Macht und Gewalt Diejenigen zu beschützen, welche wegen ihrem unreifen Alter sich selbst und ihren Gütern nicht vorstehen können.

[1, 6, § 1] 4. Die Personen, welchen diese Macht zukommt, werden Vormündere, Gerhaben, Pflegeväter, Pflegevögte, Treuhaltere, ihre Pflegebefohlene aber Unvogtbare, Minderjährige, und Jene, welche vaterlos sind, insoweit Waisen und Mündlein benamset.

[1, 6, § 1] 5. Dann nicht nur in der ersten Jugend haben Waisen für ihre Person und zu Erhaltung ihres Vermögens einen solchen Schutz nöthig, sondern es erforderet auch der gemeinwesige Wohlstand, daß die Freiheit junger Leuten, besonders in Ansehung der eigenmächtigen Schalt- und Waltung mit ihrem Gut bis zu einem gewissen Alter beschränket bleibe, in welchem die Kräften der Vernunft schon reif genug sind, dem Ihrigen selbst vorzustehen.

[1, 6, § 1] 6. Die Jugendjahre werden in viererlei Alter abgetheilet, als in die Kindheit, Unmündigkeit, Unvogtbarkeit und Minderjährigkeit.

[1, 6, § 1] 7. Die Kindheit reichet bis zum Ende des siebenten und die Unmündigkeit bis zum Ende des funfzehnten Jahrs.

Die Unvogtbarkeit hingegen erstrecket sich bei Mannspersonen bis nach gänzlich erfülltem zwanzigstem und bei Weibsperson bis nach völlig zurückgelegtem achtzehntem Jahr, bis dahin Niemand für vogtbar gehalten werden solle.

[1, 6, § 1] 8. Mit Eintritt einer Mannsperson in das einundzwanzigste Jahr und mit Eintritt einer Weibsperson in das neunzehnte Jahr ihres Alters nimmt die Minderjährigkeit ihren Anfang, und währet ohne Unterschied des Geschlechts oder Standes bis zu dem gänzlich vollbrachtem vierundzwanzigstem Jahr.

[1, 6, § 1] 9. Mit dessen vollständiger Erfüllung wird jenes Alter erreichet, welches die Großjährigkeit genennet wird, und nach erfolgter gerichtlicher Großjährigkeitserklärung nicht nur der Vormundschaft ein Ende macht, sondern auch dem großjährig Erklärtem die Fähigkeit zu allen in bürgerlicher Gesellschaft vorfallenden Handlungen giebt.

[1, 6, § 1] 10. Großjährigen werden dahero niemalen Vormündere gesetzet, sondern, wo selbe wegen Gemüths- oder Leibesgebrechen oder anderer rechtlicher Hindernissen ihrem Gut selbst vorzustehen nicht fähig sind, ihren Sachen und Rechten durch bestellte Obsorgere vorgesehen, deren Amtsbefugnisse und Verbindlchkeiten jedoch mit jenen der Vormünderen fast durchaus übereinkommen.

[1, 6, § 1] 11. Es wird solchemnach in gegenwärtigem Capitel von Vormündern zuerst, sodann aber auch von Obsorgeren deren ihrem Gut selbst vorzustehen unfähigen Personen gehandelt.

§. II.

[1, 6, § 2] 12. Der höchste Schutz und die oberste Vormundschaft über alle Waisen in Unseren Staaten ruhet bei Uns allein, dessen diese mittelbar durch die nachgeordneten Gerichte und Obrigkeiten, unmittelbar aber durch die gerichtlich bestellte oder bestätigte Vormündere theilhaftig werden.


(1-171) [1, 6, § 2] 13. Bestätiget werden die in letztem Willen benannte Vormündere, dann die von denen Gesetzen zur Vormundschaft berufene nächste Blutsverwandte. In Ermanglung dieser ersten und anderten Gattung aber werden von richterlichen Amts wegen Vormündere bestellet und gesetzet. Doch muß sowohl die Bestätigung als die Bestellung der Vormünderen allemal von jenem Gericht geschehen, zu welchem der Wais mit seiner Person oder mit seinen Gütern gehöret.

[1, 6, § 2] 14. Es sind also drei Gattungen der Vormundschaften, als:

Erstens, die durch letzten Willen geordnete Vormundschaft.

Zweitens, die Vormundschaft der nächsten Blutsverwandten.

Drittens, die durch die Obrigkeit verordnete Vormundschaft.

[1, 6, § 2] 15. In dem letzten Willen können entweder der Person der Waisen und

(1-172) ihrem gesammten Vermögen, ohne Unterschied, woher dasselbe rühre, oder nur in Ansehung eines gewissen denen Waisen verschafften Guts Vormündere bestellet werden.

[1, 6, § 2] 16. Die Befugniß, der Person der Waisen und ihrem wo immer herrührendem gesammten Vermögen Vormündere zu geben, ist ein vorzügliches Recht und Wirkung der väterlichen Gewalt, so niemandem Anderem gebühret, der die väterliche Gewalt nicht hat.

[1, 6, § 2] 17. Wir wollen aber dieses Recht dem Vater noch weiters auch über seine minderjährige Kinder, obschon durch deren erreichte Vogtbarkeit die väterliche Gewalt erloschen, aus besonderer Rücksicht für das denen Kindern nicht anderst, als ersprießlich fallen mögende Urtheil eines auf ihren Wohlstand bedachten Vaters belassen, und solle sich demnach die Macht deren von dem Vater in seinem letzten Willen geordneten Vormünderen sowohl auf die Person der Waisen, als auf alles nicht allein von dem Vater, sondern auch von anderwärts herkommendes Vermögen erstrecken, wann über dieses letztere nicht etwann schon ein anderer Vormund insonderheit bestellet ist.

[1, 6, § 2] 18. Dieses Recht hat der Vater auch damals, wanngleich derselbe rechtmäßige Ursach hätte, eines von seinen Kindern, welches die Großjährigkeit noch nicht erreichet hätte, von der Erbschaft auszuschließen und zu enterben, deme er nichtsdestoweniger in Ansehung der Person und des anderwärtigen Vermögens einen Vormund bestellen kann.

[1, 6, § 2] 19. In Gegentheil stehet weder der Mutter, noch auch denen Großeltern und weiteren Aufsteigenden die Befugniß zu, denen Waisen auf eine andere Art, als bloß allein in Ansehung des denenselben in dem letzten Willen von ihnen zugewendeten Guts Vormündere zu benennen.

[1, 6, § 2] 20. Diese alle werden aus Mangel der väterlichen Gewalt fremden Erblasseren gleichgeachtet, welchen die letzwillige Bestellung der Vormünderen nicht weiter zugelassen ist, als über das denen Waisen oder Jemands noch minderjährigen Kindern von ihnen durch letzten Willen zugewendete Gut, als worauf allein und nicht weiter sich eine solche von ihnen angeordnete Vormundschaft zu erstrecken hat.

[1, 6, § 2] 21. Es seie dann, daß von der Gehörde, worunter die Waisen stehen, denenselben vorträglicher zu sein befunden würde, dem von einem Dritten letztwillig geordneten Vormund auch die Person der Waisen und ihr übriges Vermögen anzuvertrauen,

(1-173) wann solches ohne Benachtheiligung eines Dritten, der hierzu ein näheres Recht hätte, geschehen kann.

[1, 6, § 2] 22. Diese auch Anderen außer dem Vater zustehende Macht in letztem Willen Vormündere anzuordnen gehet aber nicht weiter, als nur auf das, was denen Waisen in letztem Willen zugewendet, und nicht auch auf Jenes, was denenselben von ihnen bei Lebzeiten geschenket worden, wann sich dabei die Benennung eines Vormunds nicht ausdrücklich vorbehalten oder gleich zur Zeit, als die Schankung geschehen, dieser nicht schon mit benennet worden, welchen Falls die solcher gestalten geordnete Vormundschaft die Natur eines der Schankung beigesetzten Bedinges hat.

[1, 6, § 2] 23. Die Bestellung deren Vormünderen hat in jeder letztwilliger Verordnung statt, wann diese nur in ihrer Art und an sich selbst nach Unseren Gesetzen zu recht bestehet.

[1, 6, § 2] 24. Und kann nicht nur einer, sondern auch mehrere Vormündere entweder zugleich, oder andere nach anderen, falls sie ersteren nicht zur Vormundschaft gelangeten, bestellet, wie auch die Vormundschaft selbst unter mehrere vertheilet, nicht weniger eine gewisse Zeit oder Bedingniß beigefüget, und sowohl Jemandem nach Erfüllung der Bedingniß oder nach Erreichung einer gewissen Zeit die Vormundschaft aufgetragen, als nach Ausgang derselben oder in Ermangelung der Bedingniß solche anwiederum benommen werden

[1, 6, § 2] 25. In dem ersteren Fall, so lange noch anzuhoffen ist, dass die Anordnung des Erblassers in Erfüllung gehen könne, liegt die mittlerweilige Versorgung der Waisen der ordentlichen Gehörde ob.

In dem letzteren Fall aber, wo die von dem Erblasser bestellte Vormundschaft völlig aufhöret, gebühret solche denen nächsten Anverwandten.

[1, 6, § 2] 26. Ueber das hat die von dem Vater letztwillig geordnete Vormundschaft noch dieses Besondere, daß selbe allemal günstig auszudeuten seie, also zwar, daß sich solche auch auf jene Kinder erstrecke, die nach seinem Tod geboren werden, obschon bei Bestellung der Vormundschaft deren keine ausdrückliche Meldung geschehen wäre.

[1, 6, § 2] 27. Nicht weniger ist der von dem Vater einem seiner Kinder bestellte Vormund auch aller übrigen und der denen Söhnen bestellte auch deren Töchtern Vormund, wann wegen deren nicht mitbenannten von ihme keine anderweite ausdrückliche Vorsehung gemacht worden.

[1, 6, § 2] 28. Eben also wird der von dem Vater der Person seiner hinterlassener Kinder gegebene Vormund auch in Ansehung des Vermögens für bestellet geachtet, und dagegen, gleichwie dann auch die väterliche Bestellung der Vormundschaft über einen Theil des Vermögens sich auf das ganze Vermögen erstrecket, wann die Waisen in dessen Ansehung nicht schon anderweit bevormundet sind.

[1, 6, § 2] 29. Alle letztwillig bestellte Vormündere müssen ohne Unterschied, ob sie von dem Vater oder anderen Erblasseren benennet worden, vor Antretung der Vormundschaft gerichtlich bestätiget werden, obschon die letztwillige Benennung so viel wirket, daß die Gehörde von der Auswahl des Erblassers ohne erheblicher Ursach nicht abzugehen hat.

[1, 6, § 2] 30. Dann aus der letztwilligen Anordnung erwachset dem darinnen benannten Vormund ein Recht zur Vormundschaft, welches ihme, wann er hierzu tauglich ist, nicht entzogen werden kann.

Gegentheils aber entspringet auch seinerseits daraus die Verbindlichkeit, daß er ohne rechtmäßiger Entschuldigungsursache sich derselben nicht entschlagen mag.

[1, 6, § 2] 31. Würde er sich aber weigeren die Vormundschaft anzunehmen, und wäre von dem Erblasser in dem letzten Willen mit einer Vermächtniß bedacht worden, so solle er auch dieser ihme zugedachten Wohlthat verlustiget sein, und die rechtliche

(1-174) Vermuthung allemal fürwalten, daß ihme solche in Ansehung der aufgetragenen Vormundschaft verschaffet worden.

[1, 6, § 2] 32. Er könne dann beweisen, daß der Erblasser dabei auf die Annehmung der Vormundschaft keine Rücksicht getragen habe, oder daß die Erfüllung der letztwilligen Anordnung nicht an ihme erliege, als da er ohne seiner Schuld durch rechtliche Ehehaften davon abgehalten, oder von der Gehörde aus erheblichen Ursachen, ohne daß ihn sein Verbrechen hierzu untauglich mache, nicht zugelassen würde.

[1, 6, § 2] 33. In welchen beiden Fällen ihme sein Recht zur Vermächtniß jegleichwohlen bevorstehet, woferne nicht von dem Erblasser die Führung der Vormundschaft zur ausdrücklichen Bedingniß erforderet worden, welche eben andurch, daß er nicht zur Vormundschaft gelange, gänzlich ermanglet.

[1, 6, § 2] 34. Wann aber die letztwillig angeordnete Vormundschaft nach gerichtlicher Bestätigung angetreten worden, so ist dieselbe von solcher Kraft, daß insolange sie fürwähret, die nächsten Anverwandten kein Recht zur Vormundschaft haben, noch von ihnen dem letztwillig benannten Vormund ein Eintrag oder Hinderniß geschehen könne.

[1, 6, § 2] 35. Wovon jedoch der alleinige Fall ausgenommen wird, wann von dem

(1-175) Vater, Mutter oder weiteren Aufsteigenden mehreren Waisen ein Vormund in dem letzten Willen bestellet, und ein Bruder vor dem anderen noch minderjährigen Geschwister die Großjährigkeit erreichen würde, deme sodann auf Begehren der letztwillig bestellte Vormund die Vormundschaft über sein noch minderjähriges Geschwister abzutreten schuldig ist.

[1, 6, § 2] 36. Es wären ihme dann erhebliche Bedenken entgegen, oder von dem Erblasser ausdrücklich verordnet worden, daß bis zur Großjährigkeit aller Waisen der von ihme benannte Vormund bleiben solle.

[1, 6, § 2] 37. Wann durch letzten Willen kein Vormund benennet worden, oder auch der letztwillig benannte, entweder weilen der der letzte Willen ganz und gar ungiltig, oder der benannte untauglich ist, oder sich aus rechtmäßiger Ursache entschuldiget, oder vor dem Erblasser verstorben, zur Vormundschaft nicht gelanget, oder endlich die letztwillig geordnete Vormundschaft nachhero gänzlich aufhöret, so werden die nächsten Blutsverwandten der Waisen hiermit durch dieses Unser Gesatz zur Vormundschaft berufen.

[1, 6, § 2] 38. Hieraus erwachset denenselben ein Recht zur Vormundschaft, welches nicht allein in der Befugniß bestehet solche, wann sie wollen, anzusuchen, sondern auch mit der Nothwendigkeit verknüpfet ist, daß sie die ihnen von der Gehörde aufgetragene Vormundschaft in Ermanglung rechtserheblicher Entschuldigungsursachen unweigerlich annehmen müssen.

[1, 6, § 2] 39. Sowohl dieses Recht die Vormundschaft anzuverlangen, als die Verbindlichkeit die aufgetragene auf sich zu nehmen, trifft allemal den nächsten Blutsverwandten des Waisen, also daß, wer dem Waisen nach dem Geblüt der Nächste ist, auch der Nächste zur Vormundschaft seie.

[1, 6, § 2] 40. Es seie nun, daß mehrere Blutsverwandte sich um die Vormundschaft anmelden, oder daß die Gehörde selbst einem aus mehreren Blutsverwandten die Vormundschaft aufzutragen befinde; so solle allzeit darauf gesehen werden, damit der Nächste nicht vorbeigegangen, sondern ihme vor denen Weiteren die Vormundschaft

(1-176) aufgetragen werde, wann derselbe sonst darzu tauglich ist, und keine rechtmäßige Ursache zur Entschuldigung hat.

Widrigens ist der nächst nach ihme kommende taugliche Verwandte vorzuziehen.

[1, 6, § 2] 41. Für den Nächsten aber wird Jener geachtet, der von denen, die sich um die Vormundschaft angemeldet, oder von denen, die dem Gericht bekannt sind, dem Waisen zum nächsten verwandt ist, obschon der Wais noch nähere zur Vormundschaft taugliche Verwandten hätte, die aber sich entweder nicht gemeldet oder der Vormundschaftsgehörde nicht bekannt sind.

[1, 6, § 2] 42. Doch solle die Gehörde, worunter die Waisen stehen, die Anmeldung der Anverwandten zur Vormundschaft nicht über die ersten vierzehn Tage von Zeit, als der Bevormundungsfall dem Gericht bekannt worden, abwarten, sondern nach deren Verlauf, wann sich kein tauglicher Verwandter angemeldet, oder der sich Anmeldende seine Verwandtschaft mit dem Waisen nicht rechtserforderlich dargethan hätte, von amtswegen fürschreiten und vorsichtsweise dem nächsten tauglich befindenden Blutsfreund, welcher in Erfahrniß gebracht wird, oder in dessen Ermanglung auch einem Fremden die Vormundschaft auftragen.

[1, 6, § 2] 43. Ohnerachtet aber des einem weiteren Anverwandten oder auch einem Fremden geschehenen Auftrags soll nichtsdestoweniger dem nächsten tauglichen Blutsverwandten, wann er sich nachher anmeldet, weder sein Recht zur Vormundschaft benommen, noch auch in dem Fall, da er in Erfahrniß gebracht und das Gericht ihme die Vormundschaft auch ohne seinem freiwilligen Anerbieten zu übertragen befinden würde, derselbe von der Schuldigkeit solche anzunehmen entbunden sein.

[1, 6, § 2] 44. Zu diesem Ende verstatten Wir in dem Fall, wo die Vormundschaft einem weiteren Anverwandten aufgetragen worden, dem näheren, und in jenem Fall, wo der Auftrag einem Fremden geschehen, allen Blutsverwandten der Waisen annoch Jahr und Tag von Zeit des dem Anderen geschehenen Auftrags zur freiwilligen Anmeldung.

[1, 6, § 2] 45. Dahingegen solle auch der Vormundschaftsgehörde bevorstehen, sowohl binnen dieser anberaumten Frist von Jahr und Tag, als nach Verlauf derselben zu allen Zeiten, wann sie es zum Besten der Waisen zu gereichen findet, dem in Erfahrniß bringenden näheren tauglichen Blutsverwandten die Vormundschaft von amtswegen aufzutragen und den inzwischen vorsichtsweise bestellten Vormund zu entledigen

[1, 6, § 2] 46. Gleichwie dann auch diesem unbenommen ist, solchen Falls um seine Entlassung von der Vormundschaft anzuhalten, obschon derselbe währenden Jahrgangs dem Anderem, dieser möge sich hierum selbst angemeldet haben oder ihme solche von amtswegen übertragen worden sein, die von ihme bereits angetretene Vormundschaft abzutreten, ohne erheblicher Ursache nicht gezwungen werden kann.

[1, 6, § 2] 47. Wann jedoch der abtretende und angehende Vormund damit zufrieden oder die Vormundschaftsgeschäften noch in ihrer Gänze sind, oder das Beste der Waisen die Aenderung der Vormundschaft nicht zu verschieben erforderet, so kann nach vernünftigen richterlichen Ermessen auch in der Zwischenzeit darzu geschritten werden.

[1, 6, § 2] 48. Wobei aber sowohl die aus Verwaltung der Vormundschaft gegen den Waisen erwachsende Verbindlichkeit, als die vormundschaftliche Belohnung (von deren einer, wie der anderen die weitere Ausmessung in denen nachstehenden §§. folgen wird) zwischen dem ab- und antretenden Vormund nach Maß der Zeit also vertheilet wird, damit weder einer noch der andere Theil über die Gebühr beschweret oder verkürzet werde.

[1, 6, § 2] 49. Nach Verlauf Jahr und Tags hingegen erlöschet das Recht des nächsten Blutsverwandten die Vormundschaft anzusuchen, und kann nach dieser Zeit weder

(1-177) ein weiterer Befreundter von dem näheren, noch auch ein fremder Vormund von einem später hervorkommenden Blutsverwandten wider Willen verdrungen werden.

[1, 6, § 2] 50. Es könne dann der sich später anmeldende Blutsverwandte erweisen, daß er sich ehender zu melden durch rechtmäßige Ehehaften, wegen welcher sonst nach Anordnung Unserer Gesetzen keine Verjährung laufen kann, verhinderet gewesen seie.

[1, 6, § 2] 51. Der Obrigkeit aber bleibt vorbesagter Maßen allemal vorbehalten auch nach dieser Zeit, wann es denen Waisen ersprießlich zu sein befunden wird, dem hernach in Erfahrung bringenden tauglichen Blutsverwandten die Vormundschaft zu übertragen, von deren Annehmung derselbe sich nicht anderst, als auch einer deren hiernach erklärenden rechtmäßigen Ursachen entschuldigen kann.

[1, 6, § 2] 52. Aus der alleinigen Ursache hingegen, daß er nicht der Nächste seie, kann sich derselbe der Vormundschaft nicht entziehen, es seie dann, daß er auf der Stelle einen näheren, nicht weniger tauglichen und keine Entschuldigung habenden Blutsverwandten anzuzeigen vermöge, gleichwie er dann auch von der schon angetretenen Vormundschaft entbunden werden kann, wann immer ein solcher Näherer gefunden wird.

[1, 6, § 2] 53. Wann jedoch die vorgebrachte Entschuldigungsursachen von Gericht verworfen oder die angezeigte nähere Blutsverwandte untauglich befunden werden, oder rechtmäßige Entschuldigungsursachen haben, so ist eine solche Ausflucht für keine verfängliche Weigerung zu achten, welche sie von Unseren Gesetzen hierauf ausgesetzte Ahndung nach sich zieht, woferne nur sodann dem gerichtlichen Auftrag gleichwohlen Folge geleistet wird.

[1, 6, § 2] 54. Sondern damals ist es eine wahre Weigerung und Verschmähung der Vormundschaft, wann derjenige Blutsverwandte, deme der Auftrag geschehen, in der anberaumten Frist keine Entschuldigung einbringt, oder nachdeme sie verworfen worden und die gerichtliche Erkanntniß in Rechtskräften erwachsen ist, dennoch die Vormundschaft nicht annimmt.

[1, 6, § 2] 55. In diesem Fall wird der die ihme aufgetragene Vormundschaft ohne rechtmäßiger Entschuldigungsursache anzunehmen sich weigernde Blutsverwandte der nach dem in der Unvogtbarkeit versterbenden Waisen entweder nach der rechtlichen Ordnung oder aus vertraulicher Erbsnachberufung zu gewarten habenden Erbfolge zur Strafe verlustig.

[1, 6, § 2] 56. Dieser Strafe unterliegen nicht allein die nächsten, sondern auch die weiteren Blutsverwandten, welche dem ihnen in Abgang näherer tauglicher Befreundten geschehenen gerichtlichen Auftrag ohne rechtmäßiger Entschuldigungsursache kein Genügen leisten, wann sich der Fall ereignete, daß die Erbschaft des Waisen gleichwohlen an sie zu gelangen hätte.

[1, 6, § 2] 57. Nebstdeme verlieret ein solcher sich unbillig weigerender Verwandter nicht allein die Vermächtnissen, welche ihme etwann von des Waisen Vater, Mutter oder anderen Aufsteigenden und Befreundten, oder auch fremden Erblasseren verschaffet worden annoch aus des Waisen Gut zu entrichten sind, sondern auch überhaupt allen von des Waisen Gut, es seie bei dessen Lebzeiten oder nach dessen Tod, aus einer gewinnstigen Ursache ihme zukommenden Nutzen und Vortheil.

[1, 6, § 2] 58. Diesemnach gehet der Erbanfall nach dem in der Unvogtbarkeit versterbenden Waisen auf jene, obschon weitere Blutsverwandte, welche sich die Verschmähung der Vormundschaft nicht zu Schulden kommen lassen, oder zur Zeit der Bevormundung entweder noch minderjährig oder abwesend, aber sonst nach diesem Unserem Gesatz zur Vormundschaft unfähig gewesen, oder eine hinlängliche Entschuldigungsursache beigebracht haben, und da deren keine in denen zur Erbfolge ausgesetzten Staffeln vorhanden wären, ist die Erbschaft als ein erbloses Gut Unserer Kammer verfallen.

[1, 6, § 2] 59. Die Vermächtnissen hingegen und andere dem sich unbillig weigerendem

(1-178) Verwandten aus des Waisen Gut zuzukommen habende Vortheile bleiben dem Waisen oder gehen auf Denjenigen, welcher etwann von dem Erblasser darzu eigens nachberufen worden.

[1, 6, § 2] 60. Doch erstrecket sich die Ausschließung von der Erbfolge nicht über die Person dessen, welcher die Vormundschaft verschmähet hat, sondern das Recht zur Erbfolge nach dem Waisen bleibet seinen Kindern, wann sie sonst in der Ordnung der Verwandtschaft die nächsten darzu sind, noch allzeit bevor.

[1, 6, § 2] 61. Obschon der Vater von deme, was seinen Kindern aus der dem Waisen, wessen Vormundschaft derselbe verschmähet hat, angefallenen, oder nach diesem auf sie gediehenen Erbschaft zugekommen, den ihme sonst gebührenden Fruchtgenuß verlieret, und dieser, so wie das Eigenthum denen Kindern allein mit Ausschließung des Vaters verbleibet.

[1, 6, § 2] 62. Ohnerachtet aber des Verlusts der Erbfolge und anderer aus des Waisen Gut herrührender Vortheilen bleiben die Verwandten nichtsdestoweniger zur Annehmung der Vormundschaft verbunden, und sind nicht allein für allem dem Waisen entstehen mögenden Schaden von Zeit ihrer bezeigten Widerspänstigkeit verfänglich, sondern sie können auch auf Befund der Gehörde mit gerichtlichen Zwangsmitteln zur Annehmung der Vormundschaft angehalten werden, ohne daß sie das verlorene Erbrecht und andere Vortheile wieder erlangen, wann sie die Vormundschaft endlich gleichwohlen anzunehmen gezwungen werden.

[1, 6, § 2] 63. Wir wollen jedoch nur allein die Blutsverwandten männlichen

(1-179) Geschlechts, und zwar alle männliche Aufsteigende, sowohl von Vaters als Mutter Seiten, welche wegen Gebrechlichkeit des Alters hierzu nicht unfähig sind, die

(1-180) männlichen Seitenverwandten aber bis in den zehenten Grad oder Staffel durch dieses Unser Gesatz zur Vormundschaft berufen, dahingegen hinfüro davon alle Weibspersonen mit alleiniger Ausnahm der Mutter und der Groß- und Ur-Großmütter, wann sie auch denen Waisen zunächst verwandt wären, und in der Erbfolge denen männlichen vorgingen, ausgeschlossen haben.

[1, 6, § 2] 64. Nach Absterben des Vaters, welcher nach Maßgab dessen, was davon in gleich vorhergehendem Capitel geordnet ist, in Ansehung des seinen Kindern von anderwärts zukommenden Guts allemal ihr natürlicher Vormund ist, insoferne von dem Erblasser deshalben keine andere Vorsehung geschehen, hat die Mutter über ihre Kinder vor allen weiteren Aufsteigenden und Seitenverwandten das nächste Recht zur Vormundschaft, wann sie bereits großjährig ist, und die Vormundschaft auf sich zu nehmen verlanget, wie auch die hiernach vorgeschriebene Erfordernissen zu leisten im Stande ist.

[1, 6, § 2] 65. Und soferne, entweder weilen sie damals noch minderjährig ware, oder sich darum in der Zeit nicht gemeldet, ein anderer Vormund vorsichtsweise bestellet worden, solle derselbe ihr nach erreichter Großjährigkeit, oder, da sie schon vorhin großjährig gewesen, wann sie sich binnen Jahr und Tag von Zeit der Bevormundung anmeldet, die Vormundschaft auf ihr Verlangen mit dem nächstjährigen Rechnungsabschluß abzutreten schuldig sein.

[1, 6, § 2] 66. Wider Willen aber kann die Mutter zur Vormundschaft nicht gezwungen werden, noch ist dieselbe verbunden, solche bei Verlust der Erbfolge und anderer aus dem Waisengut zu gewarten habender Vortheilen auf sich zu nehmen, sondern die Ausschlagung des gerichtlichen Auftrags kann ihr zu keinem Nachtheil gereichen.

[1, 6, § 2] 67. Sie hat dahero nur das Recht, wann sie will, die Vormundschaft über ihre Kinder anzubegehren, nicht aber die Verbindlichkeit, solche wider Willen auf sich zu nehmen.

Allein auch dieses Recht erlöschet durch das Gesatz selbst, wann sie zur Zeit der anverlangenden Vormundschaft sich nicht in dem Wittibstand befindet, sondern wieder verheirathet ist.

[1, 6, § 2] 68. In diesem Fall kann selbe die Vormundschaft nicht anderst, als mit Unserer höchsten Verwilligung erlangen, und ist der neue Ehemann nebst ihr das Waisengut nach Erforderniß zu verbürgen schuldig.

[1, 6, § 2] 69. Wo sie aber im Wittibstand die Vormundschaft erhalten, und nachher zur neuen Ehe schritte, so solle die Vormundschaft sogleich erloschen und sie verbunden sein, solche sofort abzulegen, die Rechnungen bis dahin einzubringen, das Waisengut dem nach ihr zu bestellendem Vormund zu übergeben und der obgehabten Verwaltung halber in Allem die Richtigkeit zu pflegen.

[1, 6, § 2] 70. Würde sie sich hierinnen saumig bezeigen, so solle dieselbe hierzu durch die Gehörde unnachsichtlich angehalten werden, und sowohl sie, als ihr neuer Ehemann für allen aus ihrer bis dahin geführten Verwaltung und ferner

(1-181) angemaßten Führung der Vormundschaft denen Waisen entstehenden Schaden sammt und sonders verfänglich sein.

Es wäre dann, daß vor oder nach ihrer Verehelichung Unsere höchste Verwilligung von ihr zu Fortführung der Vormundschaft geziemend angesuchet worden wäre, und Wir beschaffenen Umständen nach ihrer Bitte zu willfahren befinden würden, in welchem Fall derselben zwar die Vormundschaft, jedoch nicht anderst, als daß der neue Ehemann das Waisengut nebst ihr, insoweit die Sicherheit von derselben nicht geleistet werden kann, verbürge, beigelassen werden solle.

[1, 6, § 2] 72. Wir gestatten aber auch weiters, daß, wo die Mittellosigkeit der Waisen erheischete, ihrer besseren Erziehung und Ernährung halber die Vormundschaft der Mutter ohnerachtet ihrer anderweiten Verehelichung anzuvertrauen, oder ferner beizulassen, die Vormundschaftsgehörde den Nothdurftsfall ermessen und diesfalls ohne Unserer vorläufig anzusuchen habender Verwilligung Dasjenige, was sie denen Waisen zum vorträglichsten zu sein befindet, vorkehren möge.

[1, 6, § 2] 73. Nicht allein die Wiederverehelichung der Mutter, sondern auch ihre kundbare Abneigung gegen die Kinder, Leichtsinnigkeit, Unwirthschaft und Verschwendung sind zulängliche Ursachen, sie von der Vormundschaft auszuschließen, oder, da sie solche bereits erhalten hätte, ihr selbe nach Umständen wieder zu benehmen, worauf die Gehörde von amtswegen sorgfältig obacht zu tragen hat.

[1, 6, § 2] 74. Auf daß jedoch wegen guter Gebarung mit dem Waisengut alle nur mögliche Sicherheit erreichet werde, solle einer zur Vormundschaft gelangenden Mutter allemal ein Mitvormund zugegeben werden, dessen Stelle, wann er mit Tod oder auf andere Weise von der Mitvormundschaft abgehet, jedes Mal wieder zu ersetzen ist.

[1, 6, § 2] 75. Diesen Mitvormund kann zwar dieselbe bei ansuchender Vormundschaft namhaft machen, und sich dessen Beigebung ausbitten. Doch bleibet der Vormundschaftsgehörde bevor, ihr mit Beigebung des erbetenen zu willfahren, oder aber die Mitvormundschaft einem Anderen, und zwar nach Thunlichkeit Jemandem von der Verwandtschaft der Waisen aufzutragen.

[1, 6, § 2] 76. Der Mitvormund ist schuldig, der Mutter nicht nur auf Ersuchen getreulich beizustehen, sondern auch selbst an Hand zu geben, was zu guter Erziehung und Anleitung der Waisen, wie auch zu nutzlicher Verwaltung und Aufnahm ihres Vermögens gereichen kann.

[1, 6, § 2] 77. Nicht weniger lieget demselben ob, die Vorkehrungen der Mutter sowohl in Ansehung der Person als des Vermögens der Waisen mit Unständigkeit zu beobachten und die verspürende Gebrechen der Vormundschaftsgehörde zur Abhilfe und Verbesserung anzuzeigen.

[1, 6, § 2] 78. Uebrigens ist und bleibt die Mutter die wahre und Hauptvormünderin, und hat allein die vormundschaftliche Erfordernissen zu leisten, das Waisengut zu verwalten und die Raitungen zu legen, wie auch die vormundschaftliche Belohnung zu genießen.

[1, 6, § 2] 79. Nur allein in jenen Waisengeschäften, worinnen die Bewilligung oder Bestätigung der Vormundschaftsgehörde zur Giltigkeit der vorhabenden Handlung nöthig ist, solle diese anderer Gestalt nicht ertheilet werden, als wann nebst der Mutter auch der Mitvormund solche angesuchet hat, oder derselbe über das einseitige Anbringen der Mutter vorhero der Ordnung nach besonders vernommen und die von beiden Theilen angeführte Ursachen gegen einander wohl erwogen worden.

[1, 6, § 2] 80. In anderen Waisengeschäften aber, welche keiner gerichtlichen Bewilligung oder Bestätigung bedürfen, ist zwar die Mutter an die Beiziehung und Beistimmung des Mitvormunds nicht gebunden, doch ist derselbe schuldig, falls er wahrnehmen würde, daß aus Beiseitsetzung seines Raths und Beistands die

(1-182) Waisen zu Schaden kämen, solches in der Zeit der Vormundschaftsgehörde beizubringen.

[1, 6, § 2] 81. Dahingegen ist er auch der vormundschaftlichen Geschäften halber nicht weiter verfänglich, als inwieweit ihme wegen versagten Beistands oder üblen Raths, oder wegen nicht zeitlich gethaner Anzeige deren ihme wohl bekannt gewesten Vormundschaftsgebrechen eine Gefährde oder Schuld beigemessen werden kann.

[1, 6, § 2] 82. Es seie dann, daß ihme entweder mit Willen der Mutter oder von Gericht aus die Verwaltung der Vormundschaft ganz oder zum Theil aufgetragen worden wäre, in welchem Fall derselbe die nämliche Verbindlichkeit, wie ein anderer Hauptvormund in Ansehung desjenigen Guts, was von ihme verwaltet worden auf sich hat.

Gleichwie dann auch in diesem Fall die vormundschaftliche Belohnung zwischen der Mutter und ihme nach billigmäßigen Befunde der Gehörde vertheilet werden solle.

[1, 6, § 2] 83. Nach der Mutter hat der väterliche und nach ihme der mütterliche Ahnherr oder Großvater das Recht der Vormundschaft nebst der Schuldigkeit dieselbe anzunehmen.

[1, 6, § 2] 84. Wann aber deren keiner vorhanden oder tauglich wäre, solle es der väterlichen und nach ihr der mütterlichen Ahnfrauen oder Großmutter gestattet sein, die Vormundschaft über ihre verwaiste, noch minderjährige Enkeln vor denen weiteren Aufsteigenden und Seitenverwandten zu begehren, ohne daß sie jedoch wider ihren Willen damit beladen werden können, sondern es ist nicht weniger in Ansehung ihrer all Jenes zu beobachten, was hier oben von der mütterlichen Vormundschaft geordnet worden.

[1, 6, § 2] 85. In Ermanglung der Großeltern gehet die Vormundschaft auf die Urgroßeltern, wann sie noch am Leben und Alters halber hierzu nicht untauglich sind, auf gleiche Weise, daß zuerst der Vater des väterlichen Ahnherrn, nach ihme der Vater der väterlichen Ahnfrauen, nach diesem der Vater des mütterlichen Ahnherrn und endlich der Vater der mütterlichen Ahnfrauen das Recht zur Vormundschaft sowie die Schuldigkeit zu deren Annehmung habe. In Abgang deren Ur-Ahnherren aber denen Ur-Ahnfrauen in der nämlichen Ordnung zwar das Recht zur Vormundschaft, nicht aber die Verbindlichkeit, solche auf sich zu nehmen zukomme, und bei ihnen alles Dasjenige, was bei der mütterlichen Vormundschaft vorgeschrieben worden, statt habe.

[1, 6, § 2] 86. In eben dieser Maß können auch noch weitere Aufsteigende, wann sich der seltene Fall ereignete, daß von ihnen noch einer am Leben und hierzu tauglich wäre, zur Vormundschaft gelangen.

[1, 6, § 2] 87. Nach deren Aufsteigenden gehet die Vormundschaft mit Ausschließung aller Weibspersonen auf die Seitenverwandte männlichen Geschlechts bis auf den zehenten Grad mit Einbegriff desselben, unter denen dieselbe allemal dem Nächsten ohne Unterschied, ob das nähere Blutband von männlicher oder weiblicher Seite herrühre, gebühret.

[1, 6, § 2] 88. Da aber mehrere in gleichem Grad zusammentreffen, so solle in diesem Fall der Verwandte von männlicher dem von weiblicher Seite, und da auch alle von einerlei Seite in gleichem Grad verwandt wären, jederzeit der ältere in Jahren dem jüngeren vorgezogen, und somit die Vormundschaft niemalen zwischen Mehreren vertheilet, sondern nur Einem allein aufgetragen werden.

[1, 6, § 2] 89. Wann es um eine Vormundschaft in geschlechtlichen Stamm- und Traugütern zu thun ist, worzu der Mannsstammen vorzüglich vor denen weiblichen Verwandten berufen ist, wird zwar die leibliche Mutter und väterliche Ahnfrau, wie auch die Mutter des väterlichen Ahnherrn zur Vormundschaft zugelassen, wann sie nicht durch die bei einem oder anderem Geschlecht mit Unserer

(1-183) höchsten Verwilligung oder Bestätigung eingeführte Vormundschafts-Ordnung davon ausdrücklich ausgeschlossen werden.

[1, 6, § 2] 90. Dahingegen müssen die mütterlichen Großeltern und Urgroßeltern sowohl, als alle andere weibliche Aufsteigende von des Vaters Seiten nebst allen Verwandten von weiblicher Seite denen männlichen Verwandten von Mannsstammen, wann schon diese im weiterem Staffel wären, in dem Recht zur Vormundschaft weichen.

[1, 6, § 2] 91. Hätte jedoch der Wais nebst dem Stamm- oder geschlechtlichen Traugut noch andere leicht davon absönderliche freie Erbgüter, wobei in der Erbfolge nicht auf die Vorzüglichkeit des Geschlechts und Stammens, sondern nur auf die Nähe der Verwandtschaft gesehen wird, so solle solchen Falls in Ansehung dieses zweierlei Vermögens auch zweierlei Vormundschaft bestellet, die Person des Waisen aber unter der geschlechtlichen Vormundschaft belassen werden.

[1, 6, § 2] 92. Es würde dann von der Gehörde die Abtheilung beiderlei Vermögens und die Absönderung der Vormundschaft nicht thunlich, oder nach beschaffenen Umständen dem Waisen nicht vorträglich zu sein befunden, in welchem Fall beiderlei Vermögen zwar unter der geschlechtlichen Vormundschaft verbleiben, dabei aber unvermengt erhalten, und über jedes besondere Rechnung geführet werden solle, damit bei sich ergebendem Fall der unterschiedenen Erbfolge allen aus Vermischung beiderlei Vermögens entstehen mögenden Streitigkeiten auf diese Art vorgebogen werden möge.

[1, 6, § 2] 93. Wann weder ein letztwillig benannter Vormund, noch ein Blutsverwandter

(1-184) vorhanden ist, der die ihme angetragene oder auferlegte Vormundschaft mittelst gerichtlicher Bestätigung auf sich zu nehmen fähig und darzu bereit, oder gehalten seie, so liegt denen Gerichtsstellen und Obrigkeiten von amtswegen ob, Vormündere zu bestellen.

[1, 6, § 2] 94. Diese Macht und Obliegenheit, denen Waisen Vormündere zu geben, sowie die letztwillig benannte oder durch das Recht berufene zu bestätigen, ist eine Folge und Wirkung der ordentlichen oder befreiten Gerichtsbarkeit, welcher der Vater der Waisen zur Zeit seines Absterbens in persönlichen Sprüchen unmittelbar unterworfen ware.

[1, 6, § 2] 95. Die von der persönlichen Gehörde der Waisen bestellte oder bestätigte Vormundschaft erstrecket sich nicht allein auf deren Person, sondern auch auf alles in dem nämlichen Erbland unter was immer für einer Gerichtsbarkeit befindliche sowohl bewegliche, als unbewegliche Vermögen.

[1, 6, § 2] 96. Wie dann auch ein solcher angestellter Vormund bei allen Stellen desselben Landes auf geziemende Beibringung einer aller Orten, wo es nöthig, vorzumerken kommenden Beglaubigung in dieser Eigenschaft anerkennet, und ihme die Verwaltung des jeden Orts befindlichen Waisenguts unhinderlich gestattet werden solle.

[1, 6, § 2] 97. Es muß sich aber derselbe, demegemäß betragen, was die Eigenschaft des Guts bei derjenigen Gerichtsbarkeit, worunter es gelegen ist, erforderet, und solle hierinnen durch die Vormundschaftsgehörde kein Eingriff oder Beeinträchtigung der anderen Gerichtsbarkeit geschehen, damit alle Anstößigkeit unter denen verschiedenen Gerichtsbarkeiten vermieden bleibe.

[1, 6, § 2] 98. Noch weniger solle von der Vormundschaftsgehörde zur Veräußerung des unter einer anderen Gerichtsbarkeit gelegenen Waisenguts geschritten werden können, ehe und bevor nicht diejenige Stelle, worunter solches gehörig, hierum belanget worden.

(1-185) [1, 6, § 2] 99. Diese letztere aber hat solches auf Belangen der ersteren, ohne sich in die Untersuchung, ob das Vorhaben zuträglich seie oder nicht, einzulassen, unweigerlich zu gestatten. Dahingegen jene wegen deme, was auf ihre Veranlassung geschehen, die Verantwortung auch allein zu tragen.

[1, 6, § 2] 100. Wäre jedoch das Vermögen der Waisen in mehreren Erblanden vertheilet, so ist darauf zu sehen, ob solches in beweglichen oder unbeweglichen Gütern bestehe.

[1, 6, § 2] 101. Sind in verschiedenen Erblanden liegende Güter vorhanden, gebühret der Gehörde eines jeden Lands die Befugniß, über das unter ihrer Gerichtsbarkeit befindliche liegende Gut denen Waisen Vormündere zu bestellen.

[1, 6, § 2] 102. Worzu der letztwillig benannte Vormund, oder in dessen Ermangelung der nächste Blutsfreund ohne Rücksicht, ob so ein als anderer in dem anderen Erbland zur Vormundschaft zugelassen worden, den Vorzug haben, wann sie derorten hierzu tauglich befunden werden.

[1, 6, § 2] 103. Dahingegen hat der in einem Erbland von der Obrigkeit bestellte Vormund deswegen kein Recht zur Vormundschaft in dem anderem Erbland, wiewohlen ihme solche auch in diesem aufgetragen werden kann, wann er daselbst tauglich und denen Waisen ersprießlich zu sein erkennet wird, daß ihr in mehreren Ländern gelegened Vermögen von einem Vormund verwaltet werde.

[1, 6, § 2] 104. Nichtsdestoweniger solle auch in diesem Fall die in einer Person des Vormunds vereinbarte Vormundschaft jeden Landes als eine abgesönderte Vormundschaft angesehen, und dahero in jedwedem Land von ihme die bei derselben Antretung ausgemessene Erfordernissen absonderlich geleistet, die Verwaltung jeden Orts besonders geführet, die Rechnungen zur Gehörde jeden Landes erleget und überhaupt das Vermögen des einen mit demjenigen des anderen Landes durchaus nicht vermenget, noch weniger etwas von dem Gut selbst oder dem davon sich ergebenden Ersparnissen ohne Vorbewust und Verwilligung der Stelle, unter welche das Gut gehörig ist, in das andere Land hinausgezogen werden.

[1, 6, § 2] 105. Bestünde aber das in dem anderen Erbland befindliche Vermögen nicht in liegenden Gütern, sondern nur Fahrnissen oder anderem beweglichen, obschon mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern versicherten Hab und Gut, solchen Falls kann zwar zur Vorsicht von derjenigen Stelle, worunter diese fahrende Verlassenschaft gehörig ist, ein Vormund bestellet werden.

[1, 6, § 2] 106. Wann jedoch in dem anderen Erbland, worinnen die liegende Güter sind, oder der Waisen ordentliche persönliche Gehörde befindlich ist, eine Vormundschaft bestellet wird, solle von der Stelle desjenigen Lands, allwo die zur Verlassenschaft gehörige Fahrnissen vorhanden sind, auf die davon erhaltene Anzeige kein Anstand genommen werden, diese Vormundschaft anzuerkennen und derselben nicht allein die etwann allda befindliche Waisen, sondern auch das bewegliche Vermögen zu überlassen, in welchem Fall sowohl die Schuldigkeit zur Leistung der Erfordernissen, als der Erlag der Raitungen von dieser Zeit an allda aufhöret und dieses alles an die Gehörde des anderen Erblands übertragen wird.

[1, 6, § 2] 107. Woferne aber die liegende Güter in zweien oder mehreren Erblanden zerstreuet, und noch in einem anderen Erbland allein ein bewegliches Vermögen vorhanden wäre, hat unter denen Ersteren die Gehörde desjenigen Lands in Erstreckung der Vormundschaft über das in dem einen Land befindliche, alleinige bewegliche Vermögen den Vorzug, in welchem der Vater verstorben, folglich zur Zeit seines Absterbens sowohl mit seinem Gut, als mit seiner Person der dortigen Landesgehörde unterworfen ware.

[1, 6, § 2] 108. Außer diesem Fall, wo die Waisen in mehreren Landen liegende Güter haben, solle der in einem Land von der ordentlichen persönlichen Gehörde der Waisen bestellte Vormund in allen anderen Erblanden, wo immer ein

(1-186) bewegliches, obschon mit der Landtafel, Stadt- oder Grundbüchern versichertes und sonst in anderen Absichten nach diesem Unserem Gesatz für unbeweglich geachtetes Vermögen befindlich ist, auf die behörig beigebrachte Beglaubigung dafür unweigerlich erkennet werden.

[1, 6, § 2] 109. Doch ist nicht an deme genug, daß der die Vormundschaft bestellenden Gehörde die Person und das Vermögen der Waisen unterworfen seie, sondern es wird auch erforderet, daß Jener, deme solche aufgetragen wird, der Gerichtsbarkeit derselben unterliege.

[1, 6, § 2] 110. Daher kann keinem Fremden und kundbar unter anderer Gerichtsbarkeit Stehendem die Vormundschaft aufgetragen, noch weniger ein solcher dieselbe wider Willen anzunehmen mit Fug angehalten werden.

[1, 6, § 2] 111. Es geschehe dann, daß zum Besten der Waisen diejenige Stelle, unter welcher derselbe stehet, um ihme die Vormundschaft aufzutragen belanget und von dieser ihme solche auferleget würde, in welchem Fall er die Vormundschaft anzunehmen oder die rechtmäßige Entschuldigungsursachen, wann er deren einige hat, bei seiner Gehörde anzubringen schuldig ist.

[1, 6, § 2] 112. Eine ganz andere Bewandtniß hat es mit letztwillig benannten oder nächsten blutsverwandten Vormünderen, welchen von der Gehörde der Waisen, obgleich sie dieser Gerichtsbarkeit nicht untergeben wären, jegleichwohlen die Vormundschaft aufgetragen werden kann.

[1, 6, § 2] 113. Wie dann auch dieselben gehalten sind, binnen nächsten vierzehn Tagen von dem ihnen zugekommenen Auftrag ihre Erklärung allda einzubringen, ob sie die Vormundschaft anzunehmen oder sich davon zu entschuldigen Willens sind.

[1, 6, § 2] 114. Hätten sie nun rechtmäßige Entschuldigungsursachen, so sollen solche von ihnen bei ihrer ordentlichen Stelle mit der Anzeige des erhaltenen Auftrags in eben dieser obausgesetzten Frist von vierzehn Tagen angebracht und von dieser darüber denen Rechten nach erkennet werden.

[1, 6, § 2] 115. Die Gehörde der Waisen aber hat nicht allein auf die schleunige Erkanntniß über die angebrachten Entschuldigungsursachen bei der Stelle, wo solche rechtsanhängig sind, anzudringen, sondern auch bis zu Ausgang der Sache vorsichtsweise einsweilig einen anderen Vormund zu bestellen.

[1, 6, § 2] 116. Würden jedoch die Entschuldigungsursachen hinlänglich zu sein befunden, und Derjenige, deme der Auftrag geschehen, von seiner Gehörde ledig und losgezählet, so solle es auch dabei sein Bewenden haben.

[1, 6, § 2] 117. Im Fall hingegen von ihme in der voranberaumten Frist weder seine Erklärung, noch weniger einige Entschuldigungsursachen angebracht, oder auch die angebrachten verworfen worden, und die Auflage in Rechtskräften erwachsen wäre, so hat die Gehörde der Waisen Fug und Macht denselben zur Annehmung der Vormundschaft durch die gehörige Zwangsmitteln anzuhalten.

[1, 6, § 2] 118. Dann es ist keine Nothwendigkeit, daß ein der Gehörde der Waisen nicht unterstehender Vormund sich seiner  ordentlichen Gerichtsbarkeit durch eine besondere Verzicht begebe, sondern derselbe wird sogleich durch Annehmung der Vormundschaft, oder durch den zu Rechtskräften erwachsenen Auftrag der Gehörde der Waisen in allen vormundschaftlichen Geschäften bis zur vollständigen Pflegung der Richtigkeit ohne aller Ausflucht unterworfen.

(1-187) [1, 6, § 2] 119. Damit aber die Waisen auf das schleunigste mit tüchtigen Vormünderen versehen werden mögen, ist einer jeden Ortsobrigkeit und Gerichts Schuldigkeit bei Anlegung der Sperr sogleich von den Umständen des Verstorbenen, ob er nicht noch unvogtbare oder minderjährige Kinder hinterlassen, ob von ihme ein letzter Willen errichtet und darinnen ein Vormund verordnet worden, ob einige Verwandten vorhanden, und welche die nächsten, auch wo dieselben befindlich sind; dann ob und was für eine Vormundschaft der Verstorbene auf sich gehabt habe, genaue und verläßliche Erkundigung einzuziehen.

[1, 6, § 2] 120. Gleichwie dann auch die Mutter, die Großeltern und Seitenverwandten verbunden sind, den Todsfall des Vaters, besonders wann sich solcher außer der Gerichtsbarkeit der Gehörde anderwärts ereignete, sogleich bei Gericht anzuzeigen, wann sie nicht widrigens sich einer Verantwortung und gestalter Dingen nach bei mitunterlaufender Gefährde einer wirklichen Bestrafung aussetzen wollen.

§. III.

[1, 6, § 3] 121. Alle Vormundschaften müssen gerichtlich angetreten werden, sie mögen aus letzten Willen; aus Anordnung der Gesetzen oder von obrigkeitlichen Amts wegen aufgetragen werden.

[1, 6, § 3] 122. Zur gerichtlichen Antretung der Vormundschaft wird an Seiten des Vormunds erforderet, daß er tüchtig seie, keine rechtmäßige Entschuldigungsursache einwende, sondern die Vormundschaft freiwillig annehme, oder doch zu deren Annehmung gerichtlich angehalten werden könne, das Waisengut verbürge und den Vormundschaftseid ablege.

[1, 6, § 3] 123. An Seiten der Vormundschaftsgehörde aber ist nöthig, daß eine ordentliche Beschreibung des gesammten Waisenguts verfasset, dasselbe dem Vormund eingeantwortet, und ihme eine gerichtliche Auftragsurkunde zu seiner Beglaubigung ertheilet, dann bei allen Gerichten und Obrigkeiten über die ihrer Gerichtsbarkeit unterstehende Waisen ein richtiges und verläßliches Vormundschafts- oder sogenanntes Waisenbuch gehalten werde.

[1, 6, § 3] 124. Tüchtig ist zur Vormundschaft Derjenige, welchen weder das

(1-188) Geschlecht, weder das Alter, weder ein natürliches Gebrechen, weder eine Verhinderniß noch ein gegründeter Verdacht davon ausschließt.

[1, 6, § 3] 125. Die schwere Bürde des vormundschaftlichen Amts und die mit solchem verknüpfte Verantwortung gestattet nicht, das weibliche Geschlecht damit zu beladen, sondern Wir wollen dasselbe außer der leiblichen Mutter, Großmutter und weiteren weiblichen Aufsteigenden, als welchen schon der natürliche Trieb die Liebe und Sorgfalt für ihre Kinder und Abkömmlinge einflößet, in Zukunft gänzlich davon enthoben haben.

[1, 6, § 3] 126. Aus Abgang des Alters werden Minderjährige bis zu erfülltem vierundzwanzigsten Jahr und erfolgter Großjährigkeitserklärung ausgeschlossen, obschon sie von Uns die Nachsicht des Alters und mit solcher auch die freie Verwaltung ihres Vermögens ehender erhielten, wann selbe nicht zugleich von Uns ausdrücklich zur Vormundschaft fähig erkläret worden wären.

[1, 6, § 3] 127. Dagegen sind zwar auch Jene, welche sechzig Jahre zuruckgeleget, wegen ihrem hohen Alter von neuen Vormundschaften befreiet, nicht aber von denen bereits aufhabenden, außer hinzustoßender Leibes- oder Gemüthsgebrechlichkeit, entlediget.

[1, 6, § 3] 128. Wegen natürlichen Gebrechen sind zu Vormundschaften unfähig: Blödsinnige, Stumme, Taube, Blinde, Preßhafte und dermaßen kränkliche Personen, daß sie ihren eigenen Geschäften behörig abzuwarten nicht im Stande sind.

[1, 6, § 3] 129. Wegen rechtmäßiger Hindernissen und Ehehaften sind von Vormundschaften befreiet: Abwesende aus gemeinwesiger Ursach, wirkliche Kriegsleute, Unsere wirkliche Räthe und andere in öffentlichen Aemtern und schweren Verrichtungen stehende Personen.

[1, 6, § 3] [1, 6, § 3] 130. Doch können dieselbe mit Unserer höchster Verwilligung nicht allein zu Vormundschaften gelangen sondern auch die vorhin aufhabende fortsetzen, und, wann ihnen mit Unserer Verwilligung eine Vormundschaft aufgetragen wird, sich dagegen mit der Befreiung nicht schützen.

(1-189) [1, 6, § 3] 131. Der Verdacht schließt Jemanden von der Vormundschaft aus, von deme entweder eine üble Erziehung der Waisen oder eine üble Verwaltung ihres Vermögens mit Grund zu besorgen ist.

[1, 6, § 3] 132. Aus dieser Ursache solle die aus Verbrechen abgeurtheilte oder auch in üblen Ruf stehende, oder sonst wegen ärgerlichen Lebenswandel beschrieene Personen zu keinen Vormundschaften zugelassen, wie auch jederzeit, damit der Vormund keiner widrigen Glaubenslehre beigethan seie, obacht getragen, und diesfalls in Ansehung anderer Glaubensgenossen denen Verfassungen jeden Landes nachgegangen werden.

[1, 6, § 3] 133. Desgleichen solle kundbaren Verschwenderen, über die Kräften Eingeschuldeten, in Rechnungsämtern oder vorhin gehabten Vormundschaften unrichtig Befundenen keine Vormundschaft anvertrauet werden, es wäre dann wegen geänderten Umständen keine weitere Gefahr einer üblen Verwaltung obhanden.

[1, 6, § 3] 134. Auch aus Jemandens Abneigung gegen die Waisen, Ausschließung des Erblassers, unerlaubter Bestrebung um die Vormundschaft, beträchtlichen Ansprüchen und Forderungen an dem Waisengut, Ungleichheit des Standes, Einfalt und Unerfahrenheit kann ein Verdacht oder Beisorge einer üblen Gebarung mit dem Waisengut erwachsen.

[1, 6, § 3] 135. Wer dahero mit dem Vater der Waisen bis zu dessen Absterben in schwerer Feindschaft gestanden ist, derselbe kann keinen Vormund abgeben, wann nicht befunden wird, daß die Unversöhnlichkeit nicht ihme, sondern dem Vater beizumessen und er von aller Rachgier entfernet seie.

[1, 6, § 3] 136. Nicht weniger solle es damals, wann ein Vater oder anderer Erblasser Jemanden von der Vormundschaft ausgeschlossen, bei dieser Ausschließung sein Bewenden haben, es erhelle dann aus denen Umständen, daß solche aus feindlichem Gemüth ohne allem gegründetem Anlaß geschehen.

[1, 6, § 3] 137. Wer sich auf unerlaubte Weise durch Gaben, Verkleinerung Anderer, Bedrohungen, Betrug und Arglist, oder sonstigen Unfug in die Vormundschaft einzudringen bestrebet, solle davon ausgeschlossen sein, nicht aber auch Jener, der sich auf redliche Weise selbst oder durch Andere darzu anerbietet oder sich hierum geziemend anmeldet.

[1, 6, § 3] 138. Ferners wer einen noch strittigen Anspruch an dem Waisengut oder einer denen Waisen, zugefallenen Erbschaft hat (es seie um das Erbrecht selbst oder um Vermächtnisse, um ein liegendes Gut oder um einen Theil davon, oder um eine namhafte Schuldforderung zu thun), solle nicht über diese Waisen Vormund sein können, bevor der Stritt nicht entschieden oder verglichen ist.

[1, 6, § 3] 139. Ebenso wenig kann auch Jener, gegen welchem dem Waisen ein unausgemachter Anspruch oder beträchtliche Forderung zustehet, zur Vormundschaft zugelassen werden, bevor nicht Alles in Richtigkeit gebracht, und dem Waisen Genügen gethan oder hinlängliche Sicherheit verschaffet worden.

[1, 6, § 3] 140. Dahingegen ist wegen richtigen Ansprüchen, oder Schuldforderungen, besonders wann sie gerichtlich vorgemerket sind, oder es nicht viel betrifft, Niemand von der Vormundschaft ausgeschlossen, wann er jedoch der Sachen Bewandtniß in der Zeit getreulich angezeiget, damit der Anspruch oder die Schuldforderung in die Beschreibung des Waisenguts eingezogen werde, und die Vormundschaftsgehörde das zum Besten der Waisen weiters nöthig Findende ankehren könne.

[1, 6, § 3] 141. Wer aber seine an dem Waisen oder des Waisen an ihme habende der Vormundschaftsgehörde damals unbekannte und nachhero hervorkommende Ansprüche und Schuldforderungen geflissentlich verhehlet, und ohne deren Anzeige die Vormundschaft angetreten, derselbe solle alles seines von ihme verschwiegenen Rechts gegen den Waisen sowohl, als auch in dem Fall der Gegenforderung des

(1-190) Waisen aller ihme sonst zu statten kommen mögenden Nachfrist und anderer rechtlicher Wohlthaten verlustig sein, und ihme über das die angetretene Vormundschaft benommen werden.

[1, 6, § 3] 142. Die Ungleichheit des Standes ist nur damals eine ausschließende Ursache, wann sie so groß ist, daß denen Waisen verkleinerlich fiele, einen Vormund niederen Standes zu haben, worauf der Richter insonderheit bei Bevormundung der Waisen höheren Standes acht zu tragen hat.

[1, 6, § 3] 143. Endlich schließt auch Einfalt und Unerfahrenheit von der Vormundschaft aus, wann die Umstände so beschaffen sind, daß hieraus ein Schaden des Waisen oder des Vormunds vernünftig vorhergesehen werden könne.

[1, 6, § 3] 144. Alle bisher angeführte Untauglichkeit, Verhinderniß oder Befreiung, welche von der Vormundschaft ausschließt, ist zugleich auch ein genugsame Entschuldigungsursach, wann einem solchen die Vormundschaft aufgetragen worden.

[1, 6, § 3] 145. Außer diesen gibt es aber noch andere Entschuldigungsursachen, wegen welcher, wann sie ordentlich vorgebracht und erwiesen werden, Niemand gezwungen werden kann, eine ihme aufgetragene Vormundschaft auch sich zu nehmen.

[1, 6, § 3] 146. Dergleichen sind Abwesenheit, viele Kinder, mehrere schon aufgehabte oder annoch aufhabende Vormundschaften und Sorgschaften, eigener Nothstand und Mittellosigkeit, Gehässigkeit, vorhergehender namhafter Verlust und Nachtheil.

[1, 6, § 3] 147. Nur jene Abwesenheit gereichet zur Entschuldigung, welche nothwendig und löblich, gegenwärtig oder nächst bevorstehend oder auch bloß zufällig ist, so lange sie daueret.

[1, 6, § 3] 148. Dahingegen entschuldiget weder eine freiwillige Abwesenheit wegen eigenen Nutzens oder Bequemlichkeit, noch weniger eine geflissentliche Abwesenheit, um der Vormundschaft zu entgehen. Wer aber aus einer schmählichen Ursache abwesend ist, als aus Furcht oder Flucht des Rechts, oder aus verhängter Strafe, bleibt ohnedieß seiner Schulden oder Verbrechen halber von der Vormundschaft ausgeschlossen.

[1, 6, § 3] 149. Die Vielheit eheleiblicher Kinder entschuldiget damals, wann ein Vater deren fünf oder mehrere annoch in seiner Gewalt und zu versorgen hat, worunter auch die Enkeln von einem Sohn für eines, jene von Töchtern hingegen gar nicht zu rechnen sind, wie dann auch die an Kindsstatt angenommenen oder uneheliche Kinder in gar keine Betrachtung kommen.

[1, 6, § 3] 150. Drei wirklich aufhabende oder schon aufgehabte Vormundschaften und Sorgschaften entschuldigen insgemein von der vierten. Doch kann auch nur eine wirklich verwaltende Vormundschaft, wann sie sehr weitläufig und beschwerlich ist, von Annehmung einer neuen Vormundschaft entschuldigen.

[1, 6, § 3] 151. In Gegentheil entschuldigen auch drei oder mehrere zugleich, oder nach und nach verwaltete Vormundschaften nicht, wann sie gar leicht zu besorgen oder von kurzer Dauer gewesen, oder annoch ohne sonderlicher Mühe zu bestreiten sind und umsoweniger, wann sich Jemand selbst darzu angetragen oder darum bestrebet hat.

[1, 6, § 3] 152. Für bedürftig und mittellos ist Jener anzusehen, der ein so geringes Vermögen hat, daß er durch schweres Gewerb oder tägliche Handarbeit sich und die Seinigen zu ernähren gezwungen werde, und dahero ihme nicht möglich falle, sich mit Vormundschaftsgeschäften zu beladen.

[1, 6, § 3] 153. Die Gehässigkeit muß eine gegründete Ursach haben, als daß Jemand von dem Vater der Waisen eine große Unbild erlitten habe, oder daß er von demselben aus bloßem Haß zum Vormund benennet worden, um ihme wegen Verwirrung des Vermögens, Unbändigkeit der Kinder oder hieraus entstehender Verfeindung mit Anderen Verdruß zu machen.

[1, 6, § 3] 154. Ueberhaupt ist alle Jemandem aus der ihme aufgetragenen Vormundschaft


(1-191) bevorstehende wahrscheinliche Gefahr, Schaden und Nachtheil, wann solcher nicht ausgiebig vermieden bleiben kann, eine genugsame Ursach sich von dem Auftrag zu entschuldigen.

[1, 6, § 3] 155. Doch solle in allen sowohl Entschuldigungs- als vorhin erwähnten Ausschließungsfällen das richterliche Ermessen statt haben, und allemal der Bedacht dahin genommen werden, damit Niemand sich unter nichtigem Vorwand der aufgetragenen Vormundschaft entziehe, gleichwie in Gegentheil auch Niemand zu seiner allzugroßen Beschwerniß und unersetzlichen Schaden damit beladen werde.

[1, 6, § 3] 156. Auch nach schon angetretener Vormundschaft können sich Umstände ergeben, welche den Vormund zu weiterer Fortsetzung derselben untüchtig machen, oder davon entschuldigen, in welcherlei Fällen all Jenes, was gleich anfangs eine Ausschließung, Ausnahme, Befreiung oder rechtmäßige Entschuldigung von der Vormundschaft nach sich gezogen hätte, auch während derselben die Entlassung oder Enthebung des Vormunds nach richterlichen Ermessen wirket.

Wie dann der Vormundschaftsgehörde von amtswegen oblieget, bei Wahrnehmung einer denen Waisen wegen Untüchtigkeit des Vormunds bevorstehenden Gefahr den Vormund abzuändern.

[1, 6, § 3] 157. Einem wissentlich Untauglichen oder von der Vormundschaft Ausgenommenen, wann dieser letztere sich nicht selbst hierum anmeldet, obschon er im letzten Willen benennet oder der nächste Blutsverwandte wäre, solle die Vormundschaft aufgetragen, umsoweniger seine Entschuldigung abgewartet, sondern die Vormundschaft sofort einem anderem weiterem darzu tauglichen Befreundten oder in dessen Ermanglung einem Fremden anvertraut, und dabei in dem gerichtlichen Auftrag ohne ausdrücklicher Anführung der Untauglichkeit des ersteren sich überhaupt auf erhebliche Ursachen bezogen werden.

[1, 6, § 3] 158. Fände sich aber der Vorbeigegangene hierdurch beschweret, so ist ihme auf sein Anmelden die Ursach seiner Ausschließung mittelst eines ordentlichen Bescheids zu erinneren, und stehet demselben frei, sich alsdann hierwegen bei dem höheren Richter im außerordentlichen Weg Rechtens zu beschweren, wo inmittelst es bei der anderweit bestellten Vormundschaft sein Verbleiben hat, die jedoch ihme, wann er von dem oberen Richter für tauglich erkennet worden, sodann gegen Leistung der Erfordernissen abgetreten werden muß.

[1, 6, § 3] 159. Um Jemands Tüchtig- oder Untüchtigkeit desto verläßlicher beurtheilen zu können, solle die Vormundschaftsgehörde jedesmal die Ausführung, Sitten und Vermögensstand dessen, deme die Vormundschaft aufzutragen ist, wann solche derselben nicht schon vorhero bekannt sind, auf eine ihme unnachtheilige Weise untersuchen, und die zu solchem Ende nöthige Kundschaften einziehen.

[1, 6, § 3] 160. Wer nun ohne allem Zweifel tüchtig befunden wird, deme kann und solle die Vormundschaft unbedenklich aufgetragen werden, ohne sich durch eine vermuthende Entschuldigungsursache abhalten zu lassen, sondern es bleibet ihme noch allzeit bevor, solche gehörig anzubringen.

(1-192) [1, 6, § 3] 161. Nach erhaltenem gerichtlichem Auftrag ist der bestellte Vormund schuldig die Vormundschaft anzunehmen, oder seine Entschuldigungsursachen in der hiernach ausgesetzten Zeit anzubringen.

[1, 6, § 3] 162. Die Annehmung der Vormundschaft ist entweder freiwillig oder nothwendig.

Freiwillig geschieht dieselbe entweder ausdrücklich durch schriftliche oder mündliche Erklärung, sich dem Auftrag unterziehen zu wollen, oder stillschweigend, wann in der ausgemessenen Frist keine Entschuldigungsursachen eingebracht werden.

[1, 6, § 3] 163. Nothwendig wird die Annehmung, wann die gerichtliche Auflage in Rechtskräften erwachsen oder, da sich darwieder an die höhere Gehörde verwendet worden, dieselbe alldort bestätiget worden ist.

[1, 6, § 3] 164. In einem wie in dem anderem Fall ist der bestellte Vormund nach Verlauf von vierzehen Tagen oder nach höherer Bestätigung des ihme gemachten Auftrags die vormundschaftliche Erfordernissen zu leisten, und sich auch selbst darzu anzumelden, folglich die Vormundschaft unweigerlich anzutreten schuldig.

Widrigens kann derselbe hierzu auf die weiter unten vorgeschriebene Art und Weis gerichtlich verhalten werden.

[1, 6, § 3] 165. Wer Entschuldigungsursachen zu haben vermeinet, muß solche, und zwar so viele deren er hat, alle auf einmal binnen vierzehen Tagen von Zeit des ihme zugekommenen gerichtlichen Auftrags ohne aller weiterer Erstreckung einbringen. Falls aber wegen seiner Abwesenheit oder weit entferneten Aufenthalts diese Frist zu kurz zu sein vorgesehen würde, so solle ihme gleich in dem Auftrag eine geraumigere Frist, jedoch gleichermaßen ohne aller Erstreckung, bestimmet werden.

[1, 6, § 3] 166. Die Entschuldigungsursachen müssen allemal bei derjenigen Gehörde eingebracht werden, von welcher der Auftrag der Vormundschaft geschehen.

Es wäre dann ein letztwillig benannter Vormund, oder von dem Gesatz darzu berufener Blutsverwandter einer anderen Gerichtsbarkeit unterworfen, welchen Falls dieselben bei der auftragenden Gehörde blos allein ihre Erklärung, ob sie die Vormundschaft annehmen oder sich davon entschuldigen wollen, in der obausgemessenen Frist einzubringen, die Entschuldigungsursachen aber bei ihrer Gerichtsbarkeit in gleicher Zeit vorzustellen haben.

[1, 6, § 3] 167. Werden die Entschuldigungsursachen rechtmäßig zu sein befunden, so hat es auch dabei sein gänzliches Bewenden.

Wann aber solche verworfen worden, wird dem andurch Beschwertem gestattet, sich an den unmittelbaren höheren Richter in der ausgesetzten rechtlichen Frist, doch ohne allen sonst erforderlichen Feierlichkeiten zu verwenden.

Widrigens erwachset die erste Erkanntniß zu Rechtskräften.

[1, 6, § 3] 168. Die höhere Gehörde hat dabei schleunig und also zu verfahren, wie es seines Orts bei außerordentlichen Zufluchten an den oberen Richter vorgeschrieben wird, und da von derselben die Entschuldigungsursachen rechtmäßig und übel verworfen worden zu sein erkennet würde, so wird der bestellte Vormund andurch von der Vormundschaft gänzlich losgezählet, und hat der verweigerten Annehmung halber keine Verantwortung auf sich.

[1, 6, § 3] 169. Wann hingegen wohl gesprochen zu sein befunden würde, so wird auch die Verwerfung der Entschuldigung und der gerichtliche Auftrag der Vormundschaft anmit von der höheren Gehörde bestätiget, und der Sachfällige ist für allen während seiner unbefugten Weigerung denen Waisen widerfahrenen Schaden zu stehen schuldig, obschon ihme nicht benommen ist, sich dieserwegen an Anderen, gegen welche er sich aufzukommen getrauet, zu erholen.

[1, 6, § 3] 170. Er kann demnach die Antretung der Vormundschaft nicht länger hinaus verschieben, sondern seine Obliegenheit ist, sich selbst sogleich den nächst

(1-193) darauffolgendem Gerichtstag, nachdeme die Auflage zu Rechtskräften erwachsen oder von dem höheren Richter bestätiget worden, eben also, als ob er sich der Vormundschaft freiwillig unterzogen hätte, zu Leistung der Erfordernissen bei der Gehörde geziemend anzumelden.

[1, 6, § 3] 171. Würde aber derselbe sich hierinnen säumig erzeigen, so solle ihme hierzu eine achttägige, und wann er auch diese verstreichen ließe, noch eine dreitägige Frist unter empfindlicher, bei ferneren Ungehorsam unnachsichtlich einzutreiben habender Geldstrafe, und bei unbemittleten und geringeren Leuten unter Bedrohung persönlichen Verhafts anberaumet werden.

[1, 6, § 3] 172. Wann jedoch weder die Bedrohung noch die Eintreibung der verhängten Geldstrafe, oder nach Unterschied der Personen der wenigstens durch vier Wochen fürzuwähren habende Arrest seinen Ungehorsam zu beugen vermögete, so ist zwar auf die Antretung der Vormundschaft nicht weiter anzudringen, sondern entweder der vorsichtsweise in der Zwischenzeit bestellte Vormund in der Vormundschaft zu bestätigen, oder ein anderer tauglicher Vormund zu benennen.

Doch bleibt der Ungehorsame für allen durch seine Weigerung denen Waisen zugegangenen Schaden verfänglich.

[1, 6, § 3] 173. Uebrigens solle bei Bevormundung geringer und unbemittleter Waisen, wo eben auch die Vormündere geringe Leute sind, noch schleuniger fürgegangen, der Vormund auch ohne schriftlichen Auftrag fürgeforderet, ihme die Vormundschaft auferleget, seine Entschuldigung zur Stelle angehöret, und solche entweder gutgeheißen, oder bei deren befindender Unerheblichkeit verworfen, folglich derselbe zur Leistung der Erfordernissen angehalten werden, ohne jedoch ihme, wann er sich beschweret zu sein glaubet, den Zug an den oberen Richter zu verschränken.

[1, 6, § 3] 174. Diese vormundschaftliche Erfordernissen, welche von einem jedwedem

(1-194) Vormund bei Antretung der Vormundschaft geleistet werden müssen, bestehen hauptsächlich in Verbürgung des Waisenguts und in Ablegung der vormundschaftlichen Eidespflicht.

(1-195) [1, 6, § 3] 175. Beide ist ein jedweder wahrer Vormund, welcher die Vormundschaft zu verwalten hat, und nicht etwann bloß Ehren halber oder beirathsweise zugezogen worden, zu leisten schuldig, ohnerachtet derselbe wohl bemittelt oder angesessen und des Waisen nächster Blutsverwandter, oder auch dessen leiblicher Vater, oder ein weiterer Aufsteigender wäre, oder der Erblasser, welcher ihn zum Vormund benennet, denselben von dieser Verbürgung ausdrücklich entbunden hätte.

[1, 6, § 3] 176. Nur in dem alleinigen Fall, wo ein Vater in seiner letztwilligen Anordnung dem von ihme benannten Vormund die Bürgschaftsleistung erlassen hätte, solle dem Richter zustehen, nach vernünftiger Erwägung der Umständen zu erkennen, was für eine Verbürgungsart demselben aufzuerlegen seie, niemalen aber ihme die Verbürgung gänzlich nachzulassen.

[1, 6, § 3] 177. Durch die Verbürgung wird das Waisengut sicher gestellet, und dahero ist solche auch dermaßen nothwendig, daß die Vormundschaftsgehörde, welche diese Vorsicht zu gebrauchen unterlassen hätte, alle Verantwortung der üblen Verwaltung des Vormunds auf sich selbst ladet, und für den entstandenen Schaden, insoweit solcher von dem Vormund nicht zu erhalten wäre, nach Erkanntniß des oberen Richters zu haften hat.

[1, 6, § 3] 178. Doch ist nicht nöthig, daß die Verbürgung nach dem ganzen Betrag des Waisenguts abgemessen werde, sondern es ist genug, dasselbe nur insoweit sicher zu stellen, als es einer Gefahr der Verminderung unterworfen ist, ohne jedoch darauf zu sehen, was durch ungefähre und außerordentliche Zufälle, wofür Niemand verfänglich wird, sich ereignen könnte.

[1, 6, § 3] 179. Kein Vormund ist solchemnach schuldig, Grund und Boden, oder andere dingliche Rechten, oder auch landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerkte Forderungen zu verbürgen, sondern die Verbürgung ist nach deme zu mäßigen, was dem Vormund von dem Waisengut also zu Handen kommt, daß er solches zu Nutzen verwenden oder verzehren, oder mit seiner Schuld zu Grund gehen lassen könne.

[1, 6, § 3] 180. Von dieser Art sind die Ertragnissen und Einkünften des Waisenguts, wie nicht minder Fahrnissen, Barschaften und unvorgemerkte Forderungen, so viel hiervon dem Vormund zu seinen Handen eingeantwortet wird.

(1-196) [1, 6, § 3] 181. Die Ertragnissen und Einkünften des Waisenguts sind nicht nach Maß der ganzen Zeit, welche die Vormundschaft fürzudaueren hat, zu nehmen, sondern es ist genug, daß die Verbürgung dem beiläufigen Betrag einjähriger Ertragniß gleich komme.

[1, 6, § 3] 182. Dieser Betrag der Einkünften kann aus dem bekannten Werth des Waisenguts, oder wie solcher auf andere Weis in Erfahrniß gebracht werden mag, bestimmet werden, ohne sich mit allzu genauer Untersuchung, wodurch die Bevormundung verzögeret würde, aufzuhalten.

[1, 6, § 3] 183. Ueberhaupt kommt es dabei auf vernünftiges Ermessen des Richters an, welchem unbenommen ist, ebenso wohl auf dem Fall, da nach der Hand die geleistete Sicherheit unzureichend zu sein befunden würde, von dem Vormund mehrere Sicherheit zu forderen, als demselben die Uebermasse der geleisteten Verbürgung auf sein Verlangen zu erlassen, wann nur mit dem Uebrigen das Waisengut hinlänglich gesicheret bleibt.

[1, 6, § 3] 184. Desgleichen ist von dem beweglichen Waisengut nur so viel zu verbürgen nöthig, als dem Vormund eingeantwortet wird, zumalen wegen dem übrigen die anderweitige Vorsehung hiernach folget.

Die Vormundschaftsgehörde hat dahero den nöthig erachtenden Betrag der Verbürgung auszumessen, und solchen dem Vormund zu seiner Nachricht zu bedeuten.

[1, 6, § 3] 185. Diese Verbürgung hat sogleich der Vormund mittelst landtäflicher, stadt- oder grundbücherlicher Verschreibung einer hinlänglichen Hypothek auf eines seiner liegenden Güter, oder landtäflich, stadt- oder grundbücherlich versicherter richtiger Forderungen aus seinem eigenem frei vererblichen Vermögen durch persönliche Bekanntniß vor Gericht oder Einlegung einer bündigen Versicherungsurkunde zu leisten.

[1, 6, § 3] 186. Worauf die Vormerkung, wann die verschriebene Hypothek unter der nämlichen Gerichtsbarkeit der Vormundschaftsgehörde befindlich ist, allsogleich veranlasset, falls aber dieselbe sich unter einer anderen Gerichtsbarkeit befände, diese gewöhnlichermaßen um die daselbstige Vormerkung ersuchet werden solle.

[1, 6, § 3] 187. Wollte aber ein Vormund, der es kundbar wohl zu thun vermögete, sich zu dieser Verbürgung nicht verstehen, so hat die Vormerkung des ausgeworfenen Versicherungsbetrags auf sein Vermögen, und vornehmlich auf jenes Gut, welches zur Sicherheit der Waisen das beste ist, von amtswegen zu geschehen.

[1, 6, § 3] 188. Wann hingegen ein Vormund kein unbewegliches Vermögen besitzet, oder das besitzende zur Sicherheit der Waisen nicht hinreichete, oder er dasselbe ohne seinem erweislichen großen Nachtheil mit dem ausgemessenen Verbürgungsbetrag nicht behaften könnte, so ist ihme eine vierzehntägige Frist ohne aller fernerer Erstreckung anzuberaumen, um sich binnen dieser Zeit um taugliche Bürgen, welche eine annehmliche sachliche Sicherheit für ihn zu leisten bereit wären, zu bewerben.

[1, 6, § 3] 189. Könnte aber der Vormund keine taugliche Bürgen, welche eine sächliche Sicherheit für ihn bestellen wollten und könnten, aufbringen, so solle auch in solchem Fall an persönlicher Verbürgung oder an Einlegung und Verpfändung beweglicher Habschaften, so viel hiervon zum Unterpfand nöthig ist, genug sein.

[1, 6, § 3] 190. Wann jedoch alles dieses ermanglete und gleichwohlen denen Waisen ersprießlich wäre, einen Solchen zum Vormund zu haben, so ist derselbe nichts destoweniger gegen deme zum Vormundschaftseid zuzulassen, daß er zugleich eidlich erhärte, wienach er weder die Verbürgung ohne seinem großen Nachtheil selbst leisten, noch mit einer anderen Bürgschaft aufkommen könne, dennoch aber Alles, was aus seiner Schuld und Verwahrlosung denen Waisen zum Schaden gereichen würde, getreulich zu ersetzen schuldig sein wolle und solle.

[1, 6, § 3] 191. Auf gleiche Weise ist insonderheit bei geringen Vormundschaften

(1-197) fürzugehen und sich wegen der Verbürgung nicht aufzuhalten, sondern auf das schleunigste mit möglichster Sicherstellung der Waisen zu verfahren, wann nur die Vormündere sonst taugliche und sicher geachtete Leute sind, und die eidliche Verstrickung nicht unterlassen wird.

[1, 6, § 3] 192. Um aber der getreuen Verwaltung halber desto gesicherter zu sein, so ordnen und wollen Wir hiermit, daß von einem jedwedem Vormund ohne Unterschied und Ausnahme vor Antretung der Vormundschaft ein körperlicher Eid bei derjenigen Gehörde, von welcher die Vormundschaft ihme aufgetragen worden, abgeleget werden solle, daß er sich der Waisen getreulich annehmen, sie zur Gottesforcht und Tugend anführen, und nach ihrem Stand zum Nutzen des gemeinen Wesen anleiten, ihr Vermögen gleich dem seinigen besorgen, ihre Rechten und Gerechtigkeiten in acht nehmen, Nutzen beförderen, Schaden abwenden, jährliche Raitung erlegen, und sich solcher Vormundschaft halber in Allem nach Unseren Gesetzen und Verordnungen, wie es sich einem getreuen und aufrichtigen Vormund gebühret, verhalten wolle und solle.

[1, 6, § 3] 193. An Seiten der Vormundschaftsgehörde ist bei Antretung der

(1-198) Vormundschaft erforderlich, damit eine ordentliche Beschreibung aller und jeder denen Waisen angehöriger Güter und Habschaften, von was für Gattung und Eigenschaft dieselben immer sein mögen, gerichtlich errichtet werde.

[1, 6, § 3] 194. Hiervon sollte kein Vormund befreiet sein, obschon ein Vater oder anderer Erblasser die gerichtliche Beschreibung seines Vermögens ihme nachgesehen oder auch ausdrücklich verboten hätte.

[1, 6, § 3] 195. Diese Beschreibung ist mit dem gerichtlichen Verlassenschaftsinventario, wovon in zweitem Theil gehandlet werden wird, nicht zu vermengen, sondern außer diesem noch besonders zu verfassen.

Es wäre dann ein Wais nach seinem Vater oder einem anderen Erblasser der alleinige Erb und hätte sonst kein anderes Vermögen.

[1, 6, § 3] 196. Desgleichen können Theilzetteln und Erbtheilungsvergleiche anstatt dieser Beschreibung andienen, wann zwischen dem Waisen und großjährigen Miterben die Erbtheilung geschehen, und in der Theilungsurkunde Alles, was dem Waisen aus der Verlassenschaft zugekommen, namentlich und deutlich enthalten ist, dieser auch außer deme kein sonstiges Vermögen hat.

[1, 6, § 3] 197. Sind aber seine Miterben ebenfalls noch minderjährig, so kann es bei dem Verlassenschafts-Inventario solange sein Bewenden haben, als besagte Miterben minderjährig sind, und unter einerlei Vormundschaft zu stehen haben, auch die Gemeinschaft ihnen zuträglich zu sein befunden wird.

[1, 6, § 3] 198. Hätte jedoch der Wais außerdeme noch ein anderes Vermögen, so muß dem Verlassenschafts-Inventario oder der Theilungsurkunde auch die Beschreibung des anderweiten Vermögens beigerucket, und somit eine vollständige Beschreibung des gesammten Waisenguts verfasset werden.

[1, 6, § 3] 199. Diese gerichtliche Beschreibung ist auf ganz gleiche Art und Weise zu errichten, wie es in zweitem Theil, in einundzwanzigstem Capitel, §. VII von dem gerichtlichen Verlassenschafts-Inventario geordnet wird, damit der ganze Vermögens- und Schuldenstand des Waisen daraus abgenommen werden könne.

[1, 6, § 3] 200. Zu der Beschreibung des Waisenguts ist die Gegenwart des Vormunds insgemein nicht nothwendig, obschon ihme nicht verwehret werden mag, derselben beizuwohnen.

Sie ist dahero nicht zu verschieben, wann es sich mit der Bevormundung verweilete, besonders wann die Gläubigere hierauf andringeten, oder die Sachen der Gefahr der Verderbung unterworfen wären, oder der Ort ihrer Aufbehaltung geraumet werden müßte.

[1, 6, § 3] 201. Was aber nach der ersten Beschreibung des Waisenguts denen Waisen nachhero durch Erbschaft, Vermächtniß, Schankung oder in andere Wege zufallt, oder sonst etwas, was denenselben gehörig ist, hervor käme, so in der ersten Beschreibung nicht enthalten wäre, all dessen absonderliche Beschreibung oder genüglich bewährte Anzeige ist der Hauptbeschreibung als ein Nachtrag beizufügen.

(1-199) [1, 6, § 3] 202. Wohingegen der sich etwann nach der Hand eräußerende Abgang in der errichteten Beschreibung anzumerken ist.

Die jährliche Ersparniß aber und aller aus deme, was bereits in der Beschreibung enthalten ist, sich ergebender Zuwachs muß in die jährliche Vormundschaftsrechnungen eingezogen werden.

[1, 6, § 3] 203. Wann ein neuer Vormund in des vorigen Stelle tritt, ist es keiner neuen gerichtlichen Beschreibung nöthig, sondern an deme genug, daß der abtretende oder dessen Erben dem antretenden Vormund das vorhändige Waisengut gemäß seiner Schlußrechnung und beigefügten Ausweis gegen behöriger Uebergabs- und Uebernahmsbescheinigung zustelle.

[1, 6, § 3] 204. Wäre das Waisengut unter verschiedenen Gerichtsbarkeiten in einem Erbland zerstreuet, so gebühret zwar einer jeden dieser verschiedenen Gerichtsbarkeiten die besondere Beschreibung des unter ihr befindlichen Waisenguts. Sie sind aber solche insgesammt der Vormundschaftsgehörde auf Ersuchen in beglaubigten Abschriften abzufolgen schuldig.

[1, 6, § 3] 205. Wann hingegen das Vermögen der Waisen in mehreren Erblanden befindlich, und somit die Vormundschaft abgeordneter Maßen in jedem Land besonders zu führen ist, so ist auch in jedem Land eine besondere Beschreibung des dahin gehörigen Waisenguts erforderlich, und da hernachmals etwas davon aus einem Land in das andere übertragen würde, solches jedes Mal in dem einen Land ab- und in dem anderen zuzuschreiben.

[1, 6, § 3] 206. Eine jedwede gerichtliche Beschreibung des Waisenguts solle in drei gleichlautende Urkunden verfasset, und eine davon bei dem Verlassenschafts-Inventario, die andere aber bei dem Vormundschafts- oder Waisenbuch aufbehalten, und die dritte dem Vormund zugestellet werden.

[1, 6, § 3] 207. Nach dieser Beschreibung hat die gerichtliche Einantwortung des Waisenguts an den Vormund also zu geschehen, daß ihme das bewegliche Vermögen, so viel ihme nach der unten zu erwähnenden Ausmessung hiervon auszufolgen nöthig befunden wird, übergeben, und er in das unbewegliche gerichtlich eingewiesen und eingeführet werde.

[1, 6, § 3] 208. Zugleich aber solle auch einem jedem Vormund eine gerichtliche Beglaubigungsurkunde von der Vormundschaftsgehörde über die ihme aufgetragene Vormundschaft zu dem Ende ertheilet werden, damit er sich anmit aller Orten, wo es nöthig, ausweisen möge, daß er der wahre und ungezweiflete Vormund seie, und andurch in Stand gesetzet werde, ohne Jemands Widerrede Alles, was die rechtliche Nothdurft erforderet, in Namen deren Waisen zu handlen und vorzukehren.

[1, 6, § 3] 209. Endlich solle bei allen Gerichtsstellen und Obrigkeiten, welchen die Bevormundung deren Waisen aus obhabender Gerichtsbarkeit zustehet, ein eigenes Vormundschafts- oder Waisenbuch errichtet, und mit aller erforderlichen Richtigkeit und Verläßlichkeit fortgeführet werden.

[1, 6, § 3] 210. In diesem Waisenbuch ist der Tod des Vaters mit allen aus dem Bericht der zur Sperr abgeordneten Gerichtspersonen hervorkommenden Umständen, die Anzahl, das Geschlecht, der Namen, das Alter der Waisen, die Bestellung

(1-200) des entweder durch letzten Willen oder durch die Nähe des Geblüts berufenen, oder von der Obrigkeit verordneten Vormunds, die Leistung deren vormundschaftlichen Erfordernissen, und wie solche geleistet werden, die Zeit der angetretenen Vormundschaft, die Beigebung eines Mitvormunds oder die nach Umständen nöthig befundene Anstellung eines curatoris, und überhaupt Alles, was den Anfang und Fortgang der Vormundschaft anbetrifft, vorzumerken.

[1, 6, § 3] 211. In dasselbe ist ferners der Betrag des Waisenguts mit Beilegung sowohl des Verlassenschafts-Inventarii und Theilungsurkunden, als der besonders darüber errichteten ein- oder mehrerer Beschreibungen, wie nicht weniger der jährliche Raitungserlag, deren befundene Richtigkeit oder erfolgte Richtigstellung und der jährlich verbleibende Vermögensstand mit allen und jeden bei dieser Vormundschaft vorfallenden Waisenhandlungen, Verwilligungen, Verordnungen, Auflagen, Bescheiden, Schuldzahlungen, Geldanlegungen, nöthigen Gelderborgungen und Behaftungen, Käufen, Verkäufen und andere derlei Geschäften mit deutlicher Beziehung auf jenes Ort, wo dieserwegen ein Mehreres zu finden seie, ordentlich und getreulich einzutragen.

[1, 6, § 3] 212. Desgleichen muß das neue Vermögen, was denen Waisen von anderwärts durch Erbschaften, Vermächtnissen, Schankungen oder in andere Wege zukommt, mit allen Umständen, von weme, wann, wieviel und auf was Art ihnen zugefallen seie, in eben demselben Waisenbuch angemerket und deme auch beigefüget werden, ob in Ansehung dieses Zuwachses ein besonderer Vormund bestellet worden seie, welchen Falls die zu dieser besonderen Vormundschaft gehörige Geschäfte darinnen von der ersten Vormundschaft abgesöndert anzuführen sind.

[1, 6, § 3] 213. Ferners solle die mit dem Vormund vorgehende Aenderung und die Anstellung eines neuen Vormunds in dieses Waisenbuch eingeschrieben, und währender zweiter Vormundschaft mit der Vormerkung so, wie bei der ersten, fortgefahren werden.

[1, 6, § 3] 214. Wann alsdann die Vormundschaft zu Ende gehet, muß gleichfalls der Erlag der Schlußrechnung, die vollständige Richtigkeitspflegung, die Zeit der erreichten Großjährigkeit, die erfolgte Großjährigkeitserklärung, die etwann von Uns erbetene Nachsicht des Alters, die Einantwortung des Vermögens und schließlichen die gerichtliche Loszählung des Vormunds, wie auch die Hauptquittung und Verzicht des großjährig werdenden Waisen darinnen angemerket werden.

[1, 6, § 3] 215. Dieses Waisenbuch hat den Nutzen, damit einerseits die Gerichten und Obrigkeiten von Allem, was währender Vormundschaft vorgegangen, zu allen Zeiten eine vollkommene Nachricht und Wissenschaft überkommen möge, um denen Waisen hiernach in allen Vorfällen desto behender vorzusehen.

[1, 6, § 3] 216. Andererseits aber, daß auch die Waisen nach erreichter Großjährigkeit und erfolgter Einantwortung ihres Vermögens hieraus zugleich alle deshalben nöthige Nachrichten mittelst gerichtlich beglaubter Abschriften oder Auszügen erhalten können.

§. IV.

[1, 6, § 4] 217. Nach angetretener Vormundschaft bestehet die Pflicht und Schuldigkeit eines Vormunds oder Gerhabens überhaupt in guter Erziehung der Waisen und in getreuer Verwaltung ihres Vermögens.

(1-201) [1, 6, § 4] 218. Diesemnach sollen sowohl die Vormündere als die ihnen vorgesetzten Vormundschaftsgehörden bei schwerer Verantwortung und unausbleiblicher Ahndung darob sein, damit die Waisen in der Gottesforcht, christlichen Tugenden, ehrbaren Wandel, guten Sitten, Wissenschaften, Künsten und Gewerben nach ihrem Stand und Fähigkeit erzogen, somit aber von dem Müssigang (!) und anderen gefährlichen Abwegen abgehalten werden.

[1, 6, § 4] 219. Die Erziehung der Waisen stehet besonders in ihrer Kindheit der Mutter zu, obschon dieselbe die Vormundschaft nicht hätte, oder zur anderen Ehe geschritten wäre, wann sonst kein erhebliches Bedenken dagegen fürwaltet.

[1, 6, § 4] 220. Auch nach denen Kindsjahren hat die mütterliche Erziehung so lange zu daueren, bis die Vormundschaftsgehörde für gut findet, denen Waisen ihres besseren Unterrichts halber oder aus anderen zu ihrem Besten abzielenden Ursachen eine anderwärtige Erziehung zu verschaffen.

[1, 6, § 4] 221. Wann die Mutter nicht mehr am Leben oder sonst ein Bedenken wider sie wäre, können die Waisen auch bei ihren Großeltern oder Jemandem von

(1-202) ihrer Freundschaft, oder bei dem Vormund selbst oder auch an einem anderen ehrbaren und anständigen Ort, wie es ihnen nach Ermessen der Vormundschaftsgehörde am vorträglichsten zu sein befunden wird, erzogen werden.

[1, 6, § 4] 222. Doch liegt dem Vormund allemal ob, die Waisen mögen bei der Mutter, ihrer Freundschaft oder irgendwo anderst erzogen werden, auf ihre gute Erziehung fleißig obacht zu tragen, und die wahrnehmenden Gebrechen sogleich der Vormundschaftsgehörde anzuzeigen.

[1, 6, § 4] 223. Unbemittelte Waisen ist zwar ein Vormund aus dem Seinigen zu ernähren und auf eigene Kosten zu erziehen nicht schuldig, er muß aber alle mögliche Sorgfalt anwenden, damit ihrer Dürftigkeit entweder durch erwirkende Beihilfe ihrer Befreundten oder durch Unterbringung in milde Stiftungen, oder auf andere Weise beigesprungen werde.

[1, 6, § 4] 224. Wo aber die Waisen ein eigenes Vermögen haben, solle der Aufwand auf ihren Unterhalt und Erziehung jedesmal von der Vormundschaftsgehörde bestimmet, und nach ihrem Stand, Geschlecht, Alter und nach denen Kräften des Vermögens dergestalten ausgemessen werden, damit der jährliche Betrag weder zum Ueberfluß, noch zum Abbruch der standesmäßigen Nothdurft gereiche.

[1, 6, § 4] 225. Auch da ein Vater oder anderer Erblasser etwas Gewisses darzu bestimmet hätte, so kann nichtsdestoweniger dasselbe nach gerichtlichem Ermessen bei befindender Uebermaß auf ein Weniges eingeschränket, oder bei dessen wahrnehmender Unerklecklichkeit, wann es die Vermögensumstände leiden, auf ein Mehreres erstrecket werden.

[1, 6, § 4] 226. Bei solcher gerichtlicher Ausmessung hat der Vormund zu beruhen und die erübrigenden Einkünften zur Vermehrung des Waisenguts in Ersparniß zu bringen, doch stehet ihme allezeit frei, wann der Nutzen oder die Nothdurft der Waisen einen größeren Aufwand erfordereten, um eine Vermehrung des bestimmten Betrags aus denen übrigen Einkünften bei der Gehörde einzukommen.

[1, 6, § 4] 227. Wann hingegen das Vermögen der Waisen so gering wäre, daß dessen Ertragniß zu denen nothdürftigen Unterhalts- und Erziehungskosten kaum erkleckete, so solle es der Bescheidenheit des Vormunds überlassen sein, die Ausgaben dergestalten wirthschaftlich einzurichten, damit, wo möglich, gleichwohl etwas mehr oder weniger ersparet, oder doch wenigstens das Hauptgut denen Waisen unvermindert erhalten werde.

[1, 6, § 4] 228. Wann jedoch die jährlichen Einkünften zur Erhaltung und Erziehung der Waisen nicht hinlänglich wären, oder wann besonders mittelst eines größeren Aufwands die Waisen in Stand gesetzet werden könnten, sich selbst künftighin eine beständige Nahrung zu verschaffen, so kann auch das Hauptgut, jedoch niemals anderst, als mit vorläufiger Einwilligung der Gehörde, angegriffen und darzu nach Erforderniß ganz oder zum Theil verwendet werden.

[1, 6, § 4] 229. Ueberhaupt ist ein Vormund in allen die Erziehung der Waisen betreffenden wichtigeren Vorfällen, besonders aber, wo es um die Bestimmung des Aufwands, den Ort der Erziehung, oder deren leichteren Unterhalts- und besserer Unterweisung halber nutzlich findende Versendung an andere Orte in Unseren Erblanden zu thun ist, an die Einwilligung und Genehmhaltung der Vormundschaftsgehörde gebunden.

[1, 6, § 4] 230. Dahingegen solle weder dem Vormund, noch der Vormundschaftsgehörde ohne Unserer besonderer höchster Verwilligung bei schwerer Strafe und Ahndung zugelassen sein, Waisen oder Minderjährige außer diesen Unseren Erblanden unter was immer für Vorwand anderswohin zu verschicken, wovon allein die Wanderschaften der Handwerker ausgenommen sind.

[1, 6, § 4] 231. Bei der Erziehung der Waisen hat ein Vormund wohl in acht zu nehmen, damit derselbe die Ausgelassenheit und Fehler ihrer Tugend gleich einem

(1-203) Vater mittelst glimpflicher Ermahnungen, ernstlicher Verweisen und mäßiger Bestrafungen, hauptsächlich aber durch Abschneidung übler und Sitten verderblicher Gelegenheiten zu verbesseren trachte, und wo dieses nicht verfinge, es der Gehörde zur ernstlicheren Einsicht und allenfalls wider die Verführere verhängenden scharfen Strafe zeitlich anzeige.

[1, 6, § 4] 232. Doch solle sich ein Vormund nicht nur selbst von übermäßiger Strenge gegen die Waisen enthalten, sondern auch sie wider Bedrängnissen Anderer schützen. Widrigens hat die Gehörde das ungeziemende Verfahren mit denen Waisen, sobald sie davon Wissenschaft erhält, abzustellen und nach Umständen ernstlich zu ahnden.

[1, 6, § 4] 233. Insonderheit lieget dem Vormund ob, wann arme Waisen zu dienen bemüssiget sind, oder irgendwo in die Lehre einer Wissenschaft, Kunst oder Gewerbs gegeben worden, fleißig nachzusehen und nachzuforschen, ob sie auch geziemend gehalten werden, und allem unbilligen Verfahren sogleich abhilfliche Maß zu verschaffen.

[1, 6, § 4] 234. Umsoweniger ist der Vormund selbst befugt die Waisen, wann ihme die Unterhaltskosten für sie bezahlet werden, in seinem Dienst oder Arbeit zu seinem Gewinn und Nutzen anzuwenden. Wann jedoch Dieselbe Mittellosigkeit halber zu dienen gezwungen sind, so ist ihme zwar nicht verwehret, sich ihrer mit Vorwissen der Gehörde zu seinen Diensten und Arbeiten zu gebrauchen, er muß aber ihnen dabei mit aller Glimpfe und Mäßigung begegnen.

[1, 6, § 4] 235. Wie die Beschirmung der Person der Waisen, also kommt auch die

(1-204) Besorgung und Verwaltung ihres Vermögens dem Vormund allein zu, also zwar, daß alle von denen Waisen und Minderjährigen ohne Vorwissen und Bewilligung

(1-205) ihrer Vormünderen eingegangene Verbindungen oder zu Verminderung ihres Vermögens oder Verstrickung ihrer Person abzielende Handlungen nicht von der mindesten Kraft, sondern ganz und gar null und nichtig sein sollen.

[1, 6, § 4] 236. Sie können dahero weder sich selbst auf was immer für Art und Weise rechtsgiltig verbinden, noch auch von ihren Habschaften und Rechten etwas, wie solches Namen haben mag, verkaufen, verpfänden, behaften oder in andere Wege veräußeren.

[1, 6, § 4] 237. Wer solchemnach sich mit einem Waisen oder Minderjährigen ohne Zuthat seines Vormunds in eine Handlung eingelassen, wodurch er etwas von dem Gut der Waisen an sich gebracht, ist solches sammt allen Nutzungen oder Zinsen, dann Schäden und Unkosten zuruckzustellen schuldig; deme hingegen der Wais oder Minderjährige etwas zu geben oder zu leisten sich verbunden hat, dieser hat deswegen wider Jenen keine Rechtsforderung.

[1, 6, § 4] 238. Wo aber der Wais oder Minderjährige von Jemandem etwas an Geld oder Geldswerth ohne Einwilligung des Vormunds zu seinen Handen empfangen hätte, so bereits ohne hiervon einen erweislichen Nutzen gehabt zu haben verthan oder verzehret wäre, kann an ihme deshalben nichts mehr geforderet werden.

[1, 6, § 4] 239. Da es hingegen annoch vorhanden oder erweislich zu des Waisen oder Minderjährigen Nutzen angewendet worden, so solle der Wais mit des Anderen Schaden nicht bereicheret, sondern Dasjenige, was noch hieran vorhanden oder zu des Waisen oder Minderjährigen Nutzen wirklich verwendet worden, diesem wider erstattet werden.

[1, 6, § 4] 240. Jene Handlungen aber, welche einem Waisen oder Minderjährigen zum Vortheil gereichen, sind zwar seinerseits, insoweit sie dessen Verbindlichkeit auf sich haben, unkräftig; doch ist Derjenige, mit deme solche eingegangen worden, hieran gebunden, und sie erlangen auch an Seite des Waisen oder Minderjährigen ihre vollkommene Wirkung, wann sie von dem Vormund auf davon erhaltene Wissenschaft gutgeheißen werden.

[1, 6, § 4] 241. Dahingegen haben auch ohne Vorwissen oder Gutheißen des Vormunds diejenige Handlungen ihre volle Kraft und Wirkung, welche zum bloßen Gewinn und Vortheil des Waisen oder Minderjährigen ohne seiner Gegenverbindung oder Verfänglichkeit

gereichen, als da sind Schankungen, Verheißungen oder Nachlaß einer Schuld und dergleichen.

[1, 6, § 4] 242. Wiewohlen aber die erreichte Vogtbarkeit, welche in diesen Unseren Erblanden bei Mannspersonen mit dem gänzlich erfülltem zwanzigsten und bei Weibspersonen mit dem zuruckgelegtem achtzehenten Jahr ihres Alters anfangen, und bis zur Großjährigkeit, das ist, bis auf das völlig erfüllte vierundzwanzigste Jahr, sowohl bei Manns- als Weibspersonen ohne Ausnahme daueren solle, denen Minderjährigen gewisse rechtliche Wirkungen zueignet; so haben nichtsdestoweniger auch die Minderjährigen noch unter der Vormundschaft zu verbleiben, und ebenso wenige Befugniß, wie die Unvogtbaren, sich in etwas zu verbinden oder von ihrem Vermögen ohne Vorwissen und Einwilligung ihres Vormunds etwas zu veräußeren und zu behaften.

[1, 6, § 4] 243. Dann die der Vogtbarkeit beigelegte rechtliche Wirkungen bestehen bloß allein in folgenden, als in der Macht einen letzten Willen zu errichten, welcher, wann er sonst die darzu erforderlichen Feierlichkeiten hat, allerdings zu Recht bestehen solle.

[1, 6, § 4] 244. Die Endschaft der der Waisenjahren und einer namentlich auf das Absterben eines unmündigen oder unvogtbaren Erbens gerichteten Erbsnachberufung, also, daß, wann ein Minderjähriger ohne letzten Willen verstirbt, Dasjenige, worinnen ein Anderer auf den Fall dessen sich in der Unmündigkeit oder Unvogtbarkeit ergebenden Todesfalls nachberufen worden, nicht dem nachberufenen, sondern

(1-206) dem nächsten Anverwandten nach Ordnung der rechtlichen Erbfolge zufalle, insoferne die Erbsnachberufung nicht ausdrücklich auf weitere Zeit erstrecket worden, wie davon in zweitem Theil, in dreizehentem Capitel das Mehrere geordnet wird.

[1, 6, § 4] 245. Der völlige Genuß des eigenen Vermögens und anmit aufhörende väterliche Nießbrauch, wie auch die eigene Ausübung solcher Rechten und Gerechtigkeiten, welche einem Eigenthümer zustehen, und weder zur Verbindlichkeit der Person, weder zur Verminderung des Vermögens, noch auch zur Beirrung der ordentlichen Verwaltung gereichen.

[1, 6, § 4] 246. Die Fähigkeit, öffentliche Aemter und Dienste zu bekleiden, Richter und Zeugen abzugeben, Andere in und außer Gericht zu vertreten, dieses jedoch ohne weiterer Verbindung, als insoferne sie mit des Anderen Schaden bereicheret, oder dem auf sich genommenen Amt zuwider handlen würden, und dieserwegen eine Ahndung gegen ihre Person verdieneten.

[1, 6, § 4] 247. Die Fähigkeit bei niederen Standspersonen, Handlung, Gewerbe- und sonstige Nahrung zu treiben, zu welcher sie geschickt sind, und worzu ihnen ihr Vermögen nach Maßgebung dessen, was hiervon unten folgen wird, eingeantwortet worden.

[1, 6, § 4] 248. Und endlich überhaupt die rechtliche Befugniß, alles Dasjenige zu thun, was zu ihrem oder anderer Leute Nutzen und Frommen ohne ihrem Nachtheil gereichen kann, und wodurch weder ihre Person zu einem Abtrag von dem Ihrigen verbunden, noch ihr Vermögen auf einerlei Weise beschweret oder verminderet wird.

[1, 6, § 4] 249. Dahingegen sollen auch der Minderjährigen wie immer Namen habende Verbindungen, Zusagen, Versprechen, Eheberednissen und andere Handlungen, welche zu ihnen nachtheiliger Verstrickung ihrer Person, um etwas aus dem Ihrigen zu geben oder zu leisten, oder auf die Veräußerung, Verminderung oder Behaftung ihres Vermögens abzielen, nicht die mindeste Kraft und Wirkung haben, und hierinfalls kein Unterschied zwischen denen Minderjährigen und denen Unvogtbaren oder unter väterlicher Gewalt Stehenden, sondern so die Einen wie die Anderen auf gleiche Art unfähig sein, derlei Verbindungen und Handlungen für sich selbst einzugehen.

[1, 6, § 4] 250. Wovon nur allein jene Minderjährige von burgerlichen oder anderen niederen Stand ausgenommen sind, welchen laut Unseres weiter unten vorkommenden Gesatzes auf richterlichen Befund nach erreichten vogtbaren Jahren und hierauf von Gericht erfolgter Vogtbarkeitserklärung die nämliche Fähigkeit zu allen Handlungen, wie denen Großjährigen eingestanden wird.

[1, 6, § 4] 251. Gleichwie aber ein Minderjähriger nach erreichter Vogtbarkeit den völligen Genuß seines Vermögens, folglich auch die eigene Gebarung mit denen ihme in der hiernach bestimmenden Maß zu seiner freien Schalt- und Waltung überlassenen Einkünften, doch allemal unter der Aufsicht des Vormunds hat, also muß es auch bei deme, was derselbe an Feilschaften und Waaren zu seinen und der Seinigen Bedürfnissen kaufet und baar bezahlet, sein Bewenden haben, wann der Kauf sonst nach Unseren Gesatzen zu Recht bestehet, und nicht also beschaffen ist, daß auch einem Großjährigen die richterliche Hilfe dagegen geleistet würde.

[1, 6, § 4] 252. Wann jedoch die von dem Minderjährigen erhandlete Sachen oder ausgenommene Waaren nicht baar bezahlet sind, und dieserwegen eine Anforderung hervorkommet, solchen Falls solle dem Verkaufer, wann er solche nicht zu des Minderjährigen Nutzen oder Nothdurft verwendet worden zu sein erweisen kann, keine Hilfe geleistet, sondern in alle Wege, wie in dem gleich hiernach berührenden Fall einer Geldvorleihung, verfahren werden, und denen Minderjährigen ohne Wissen und Willen ihres Vormunds einige Schulden zu machen unter keinerlei Vorwand erlaubet sein.

[1, 6, § 4] 253. Wir verbieten dahero nicht allein alle offenbare oder heimliche Geldvorleihungen,

(1-207) und auf Vereitlungen und Uebertretung dieses Verbots gerichtete Scheinhandlungen, wodurch denen Minderjährigen baare Gelder zugewendet, unnütze Waaren aufgedrungen oder zugeschlagen werden, sondern Wir entkräften auch alle diesfällige Verbindungen, Zusagen und Verschreibungen, also daß hieraus niemals eine rechtsbeständige Forderung entstehen, noch bei Gericht darauf gesehen werden solle.

[1, 6, § 4] 254. Diese Entkräftung und Vernichtung derlei Handlungen solle sich noch weiters auch dahin erstrecken, daß, wann gleich eine aus solchen Handlungen herrührende Forderung nach erlangter Großjährigkeit wirklich anerkennet und zu bezahlen neuerdings versprochen, oder zu einer aufrechten Schuld zugeschlagen, und darüber eine Verschreibung errichtet worden wäre, diese Anerkanntniß, Zusage oder Verschreibung nichtsdestoweniger ungiltig und kraftlos verbleiben, mithin auch zur Tilgung und Ausgleichung einer wahren und aufrechten Gegenforderung niemals behilflich sein, noch weniger eine von dem Minderjährigen dafür geleistete Bürgschaft, eingelegtes Pfand oder verschriebenes Unterpfand zu Recht bestehen solle.

[1, 6, § 4] 255. Und obschon in dem Fall, da ein Großjähriger sich für einen Minderjährigen zum Bürgen gestellet, oder sich anstatt desselben zum Selbstschuldner verbunden, oder seine eigene Sachen für ihn zum Pfand eingeleget, oder zum Unterpfand verschrieben hätte, die Verbindung in seiner Person gegen den Anderen, welchen er also versicheret hat, allerdings bestehet, so solle ihme jedoch wider den Minderjährigen zu keiner Zeit eine Ruckforderung gebühren.

[1, 6, § 4] 256. Wie Wir dann auch alle Verbindungen der Minderjährigen für Andere, es seie durch Bürgschaft oder Selbstübernahme der Schuld, Pfandseinlegung oder Verschreibung eines Unterpfands, oder wie es sonst geschehen möge, ebenso unkräftig, wie ihre für sich selbst eingegangene Verbindungen erklären.

[1, 6, § 4] 257. Damit sich aber Niemand gelüsten lasse, Minderjährigen mit Vorbeigehung ihrer Väter oder bestellter Vormünderen heimlich Geld zu leihen, oder durch verstellte Handlungen ihnen Geld zu verschaffen und zuzubringen, so solle nicht genug sein, daß ein Solcher, welcher einem Minderjährigen Geld vorgestrecket, oder Sachen und Waaren geborget hat, mit der ansuchenden Zahlung gar nicht gehöret werde, sondern derselbe solle (es möge bei dem Darlehen ein Betrug unterlofen sein oder nicht) nebst dem Verlust eines solchen Unserer Kammer anheimfallenden, und von dem Schuldner zu der nach Unseren anderweiten Verordnungen bestimmten Verwendung abzuführen habenden Darlehens noch über dieses um den nämlichen eben dahin zu entrichten kommenden Betrag der dargeliehenen Summe unnachsichtlich bestrafet werden.

[1, 6, § 4] 258. Die sich einschuldende Minderjährige hingegen sollen nach erreichter Großjährigkeit um so viel länger, als selbe in Vergleich ihres jährlichen Einkommens Schulden zu machen sich unterfangen, und bis sie nicht bessere Kennzeichen einer guten Wirthschaft geben werden, oder so lange es Uns gefällig sein wird, unter der Vormundschaft zu verharren, die nachgesetzten Gerichten aber und Fiscalen ohne einiger Rücksicht der Person unter eigener Vertretung auf das genaueste und strengste darob zu halten schuldig sein.

[1, 6, § 4] 259. Was jedoch einem Glaubiger auf ein solches Darlehen entweder währender Minderjährigkeit, oder auch nach erreichter Großjährigkeit bezahlet worden wäre, dieses solle von ihme zurückgeforderet, und sammt dem noch unbezahlten, wie auch mit dem über das zu erlegen kommenden anderfachen Strafbetrag je und allzeit zu Handen Unserer Kammer eingezogen werden.

[1, 6, § 4] 260. Hätte sich aber ein Glaubiger beinebst eines offenbaren Wuchers, oder der Verführung eines Minderjährigen und anderer sträflicher Gefährde schuldig gemacht, so solle derselbe über den Verlust des vorgeliehenen Gelds oder der geborgten Sachen, und über die schon ausgesetzte Strafe des anderfachen Betrags

(1-208) des Darlehens (welche bei Unvermöglichen nach Beschaffenheit der Umständen in zeitliche Gefängniß zu verwandlen ist) annoch nach Maß der mehr oder minder erschwerenden Umständen mit einer nach richterlichen Befund auszumessenden Strafe beleget werden.

[1, 6, § 4] 261. Wider diese Unsere gesatzgebige Anordnung solle Niemanden die vorgebliche Unwissenheit des minderjährigen Alters schützen können, sondern ein Jeder, der sich mit jungen Leuten in Handlungen außer denen zur wahrscheinlichen Nothdurft gereichenden Sachen einläßt, vorhero sich wohl zu erkundigen schuldig sein, ob sie bereits für großjährig erkläret, mithin fähig sind, rechtsgiltige Verbindungen einzugehen.

[1, 6, § 4] 262. Noch weniger mag die Vorstellung eines sich für großjährig ausgebenden Minderjährigen, weder die gemeine ihn dafür haltende Meinung, weder die vorgespieglete Einwilligung des Vaters oder Vormunds, noch was Anderes, wodurch der Glaubiger hintergangen worden zu sein vorgiebt, demselben zur Habhaftwerdung des geborgten Gelds oder Sachen, und zur Entbindung von der ausgesetzten Strafe behilflich sein.

[1, 6, § 4] 263. Doch solle dem Minderjährigen die Hintergehung des Glaubigers nicht ungeahndet hingehen, sondern, da solche erwiesen wird, ernstlich bestrafet werden. Und wann der Glaubiger durch Andere hintergangen worden, so bleiben ihme zu seiner Entschädigung alle diensame Rechtsmitteln wider dieselbe bevor.

[1, 6, § 4] 264. Was nun immer für Geschäften oder Handlungen an Seiten der Waisen und Minderjährigen in oder außer Gericht vorfallen mögen, diese alle gehören zur Verwaltung des Vormunds in Namen und zu Handen der Waisen und Minderjährigen, dessen Schuldigkeit ist, solche getreu und fleißig zu besorgen, der Waisen Nutzen in allen zu beförderen, und Schaden und Nachtheil abzuwenden.

[1, 6, § 4] 265. Unter gerichtlichen Geschäften ist das erste, die denen pflegbefohlenen Waisen und Minderjährigen durch letzten Willen oder nach Ordnung rechtlicher Erbfolge angefallene Erbschaften entweder gerichtlich anzutreten, oder sich derselben zu entschlagen, wie er Eines oder das Andere ihnen am zuträglichsten zu sein befinden würde.

[1, 6, § 4] 266. Die Antretung einer Erbschaft, es seie nach dem Vater, der Mutter, oder anderen Erblasseren, solle jedoch von dem Vormund niemalen anderst geschehen können, als mit ausdrücklich vorbehaltener Rechtswohlthat des gerichtlichen Inventarii, und ohne solcher keine Erbserklärung von einem Vormund bei Gericht angenommen werden.

[1, 6, § 4] 267. Fände aber der Vormund seinen Pflegbefohlenen nützlicher zu sein, sich der Erbschaft zu entschlagen, so solle derselbe allemal vorhero die eigentliche Beschaffenheit der Ursachen, wegen welcher er die Erbschaft auszuschlagen

(1-209) vermeinet, derjenigen Gehörde, von der er zum Vormund bestellet worden, getreulich anzeigen, diese aber die Sache reiflich erwägen, und den Vormund befindenden Dingen nach zu seinem Nachverhalt verbescheiden.

[1, 6, § 4] 268. Widrigens, da ein Vormund deme zuwider handlete, und entweder die Erbserklärung ohne Vorbehalt des gerichtlichen Inventarii, oder die Erbsentschlagung ohne vorläufiger Genehmhaltung der Vormundschaftsgehörde einbrächte, solle dergleichen Erbserklärung oder Erbsentschlagung bei keinem Gericht angenommen werden, sondern so Eine als die Andere ganz ungiltig und ohne Wirkung sein.

[1, 6, § 4] 269. Da aber jegleichwohlen seinen Pflegbefohlenen ein erweislicher Schaden hieraus erwachsen wäre, oder der Vormund einer dabei gebrauchten Arglist, Gefährde oder ungleicher Vorstellungen, wodurch bei der Gehörde die Gutheißung der Erbsentschlagung erschlichen worden, überführet werden könnte, so ist derselbe nicht allein zum Ersatz alles ihnen andurch zugefügten Schadens anzuhalten, sondern auch nach Maß seiner mitunterwaltenden Arglist und Gefährde zu bestrafen, und was an ihme nicht zu erholen wäre, dafür hat die Vormundschaftsgehörde zu haften, wann selbe sich hierinfalls eine Fahrlässigkeit zu Schulden kommen lassen.

[1, 6, § 4] 270. Wie in Erbfällen, also auch in allen anderen Gerichtshändeln hat ein Vormund seine Pflegbefohlene zu vertreten. Es lieget ihme dahero ob, die bei Gericht vor oder wider dieselbe anhängige Rechtsführungen ohne Saumsal zu Ende zu bringen, und dabei wohl zu überlegen, auch sich bei Rechtserfahrenen Raths zu erholen, ob seinen Pflegbefohlenen nutzlicher seie, den richterlichen Ausspruch abzuwarten, oder sich mit dem Gegentheil in eine Vergleichshandlung einzulassen.

[1, 6, § 4] 271. In Vergleichshandlungen, der Rechtsstreit möge schon vor oder erst nach angetretener Vormundschaft rechtsanhängig worden sein, solle sich von keinem Vormund ohne vorläufig angesuchter Verwilligung der Vormundschaftsgehörde eingelassen, noch auch solche anderst als durch Vermittlung einiger hierzu verordneten Gerichtspersonen vorgenommen, und der Vergleich selbst nicht ehender, als nachdeme derselbe der Vormundschaftsgehörde vorgeleget, von dieser, ob er zum Nutzen der Waisen gereiche, wohl erwogen, und auf Befund beangenehmet worden, geschlossen werden können.

[1, 6, § 4] 272. Widrigens bindet ein von dem Vormund für sich allein eingegangener Vergleich zwar den Gegentheil, welcher solchen mit ihme geschlossen, nicht aber auch die Waisen, wann er ihnen zum Nachtheil gereichete.

[1, 6, § 4] 273. Nicht weniger ist ein Vormund schuldig da, wo es die Nothdurft oder der Nutzen der Waisen erfoderet, in ihrem Namen sowohl neue Ladungen auszuwirken und Klage wider Andere anzustrengen, als auch Ladungen anzunehmen, sich auf Rechtsklagen einzulassen, und alles Nöthige bis zu der Sachen gänzlichen Ausgang bei Gericht vorzukehren, also daß allemal der Vormund in Namen der Waisen Andere belange und von Anderen belanget werde.

[1, 6, § 4] 274. Doch gehet Alles auf Gewinn und Verlust der Waisen, und ist der Vormund, da er sachfällig würde, außer Verantwortung, wann er seinerseits am Verlust des Rechtshandels keine Schuld traget, als da derselbe einen muthwilligen Rechtsstreit wissentlich angefangen oder fortgesetzet, oder wegen Ungehorsam, Fristversäumniß oder anderer Verwahrlosung den Rechtshandel verloren, oder wie sonst immer in Verlauf des Streits seinen Pflegbefohlenen ein Recht vergeben oder mit seiner Schuld einen Nachtheil zugezogen hätte, in welchen Fällen er allen erweislichen Schaden zu ersetzen hat.

[1, 6, § 4] 275. Eben also fällt dem Vormund auch die Schuld und Vernachlässigung Derjenigen zur Last, deren er sich in Rechtshändeln aus eigener Wahl gebrauchet. Deme vorzukommen stehet ihme frei, in vorfallenden schweren Rechtshändeln,

(1-210) wann er darinnen unerfahren ist, und einen Rechtsfreund zu wählen sich selbst nicht getrauet, bei der Vormundschaftsgehörde um Beigebung eines Rechtsobsorgers oder Curatoris anzuhalten, welcher eine oder mehrere Rechtsführungen, worzu er bestellet ist, gegen billiger Belohnung, oder, wo die Waisen arm sind, auch ohnentgeltlich zu besorgen, und die Schuld oder Vernachlässigung, wann solche dem Vormund nicht mit beigemessen werden mag, allein zu verantworten hat.

[1, 6, § 4] 276. Umsomehr ist die Bestellung eines Rechtsobsorgers oder Curatoris damals nothwendig, wann zwischen dem Vormund und seinen Pflegbefohlenen Rechtsansprüche fürwalteten, welche in Namen der Waisen von dem Curatore entweder gütlich, oder in Weg Rechtens zu End zu bringen sind.

[1, 6, § 4] 277. Was nun kraft der richterlichen Erkanntniß, oder des von der Vormundschaftsgehörde bestätigten Vergleichs der Vormund seinen Pflegbefohlenen zu entrichten hat, dieses muß derselbe unnachbleiblich erstatten, oder wenigstens hinlängliche Sicherheit dafür bestellen und die Zinsen davon richtig abführen, widrigens ist er durch die rechtliche Zwangsmitteln darzu anzuhalten.

[1, 6, § 4] 278. Was hingegen dem Vormund, es seie durch Spruch und Urtheil, oder durch gerichtlich bestätigten Vergleich von dem Waisengut gebühret, dafür kann er mit obervormundschaftlicher Bewilligung eben also, wie in Ansehung aller anderer richtiger und gerichtlich bewußter an denen Waisen habender Forderungen sich selbst aus dem Waisengut bezahlt machen, oder die Zinsen davon beziehen.

[1, 6, § 4] 279. Auch außer rechtsanhängigen Ansprüchen zwischen dem Vormund und Waisen solle diese letztere in allen anderen gerichtlichen und außergerichtlichen Vorfällen, welche so geartet sind, daß sowohl des Vormunds, als der Waisen Vortheil dabei unterwalte, und durch Vorziehung des eigenen Nutzens jener der Waisen außer acht gelassen werden könnte, durch einem eigenen Curatorem vertreten und über Alles, was in ihrem Namen geschlossen wird, die obervormundschaftliche Gutheißung mit Anzeige aller Umständen angesuchet werden.

[1, 6, § 4] 280. Von dieser Art sind die Theilung einer dem Vormund und Waisen zusammen angefallenen Erbschaft oder eines zwischen ihnen gemeinschaftlichen Guts, oder Forderung, oder deren Uebertragung und Abtretung an einen Dritten, die Ablassung von einem beiderseitigen Recht zu Gunst eines Dritten, die zwischen dem Vormund und Waisen schließen wollende Käufe und Verkäufe liegender Güter oder an Werth beträchtlicher Fahrnissen, und überhaupt alle Handlungen, wobei es um Vortheil und Verlust des Vormunds und Waisen gegeneinander zu thun ist.

[1, 6, § 4] 281. Dann keinerlei Handlung, Vergleich, Zusage, noch Verbindung kann zwischen dem Vormund und seinen Pflegbefohlenen zu Recht bestehen, wann diese nicht dabei obverordnetermaßen von einem Curatore vertreten werden, und die ausdrückliche Genehmhaltung der Vormundschaftsgehörde nicht hinzustoßt.

[1, 6, § 4] 282. Noch weniger ist einem Vormund erlaubet, das Waisengut auf einigerlei Weise anderst als mit obrigkeitlicher Bewilligung bei Nichtigkeit der Handlung an sich zu bringen.

[1, 6, § 4] 283. Wann dahero ein Waisengut wegen nothwendig oder nutzlich befundener Veräußerung gerichtlich feilgeboten wird, ist zwar dem Vormund nicht verwehret sich zu dem Kauf anzumelden, jedoch muß er diese seine Gesinnung der Vormundschaftsgehörde zeitlich anzeigen, und sich auf keinerlei Weis in den Verkauf einmischen.

Die Vormundschaftsgehörde aber hat die genaueste Untersuchung, ob keine Eigennützigkeit des Vormunds zur Benachtheiligung der Waisen dabei unterlaufe, zu veranlassen, und ihre Einwilligung hierzu nicht anderst, als bei befindender Unschädlichkeit des Vorhabens zu ertheilen, folglich denen Waisen einen Curatorem zu bestellen, der ihren bei diesem Geschäft unterwaltenden Nutzen zu beobachten hat.

[1, 6, § 4] 284. Endlich solle kein Vormund in Fällen, wo immer der Gewinn und


(1-211) Vortheil, Schaden oder Nachtheil mehrerer unter ihme stehender Waisen nicht einerlei ist, sondern einer an dem anderen etwas zu forderen hat, deren einen gegen den anderen vertreten können, sondern einem jedem ein besonderer Curator zu dessen Vertretung bestellet werden, als da ein Wais gegen den anderen einen Rechtsanspruch hätte, oder die Theilung eines zwischen ihnen gemeinschaftlichen Guts oder Erbschaft vorzunehmen wäre.

[1, 6, § 4] 285. Außer vorberührten Handlungen hat ein Vormund alle andere außergerichtliche Geschäften in Namen und zu Handen deren Waisen nach seinem besten Wissen und Befund zu besorgen und zu verwalten, wann sie nicht von so beträchtlicher Wichtigkeit sind, daß hierzu die Verwilligung und Genehmhaltung der Vormundschaftsgehörde erforderet werde.

[1, 6, § 4] 286. Zu deren einigen, als da sind die Veräußerung liegender Waisengüter, oder anderer landtäflich, stadt- oder grundbücherlich versicherter Rechten und Forderungen, sie geschehe durch Verkauf, Tausch, Abtretung, Ablassung, Verpfändung oder sonstige Beschwer- und Behaftung, der Ankauf liegender Güter, oder in einen großen Werth laufender Fahrnissen, Einschuldung der Waisen, und überhaupt Alles, was zur Verminderung und Schmälerung des Waisenguts gereichen kann, ist die obervormundschaftliche Einwilligung dergestalten nothwendig, daß die ohne derselben unternommene Handlung ganz und gar kraftlos seie, folglich bei keinem Gericht einiger Beistand hierwegen ertheilet, noch irgendwo zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Einverleibung angenommen werden solle.

[1, 6, § 4] 287. Bei minder wichtigen Geschäften und Handlungen ist zwar die Verwilligung der Vormundschaftsgehörde zu deren Giltigkeit und Fortgang nicht erforderlich; doch setzet sich der Vormund ohne deren Erwirkung der Verantwortung und nach Gestalt der Sachen der Schadloshaltung der Waisen aus.

[1, 6, § 4] 288. Wann demnach die Nothwendigkeit oder der Nutzen der Waisen erforderet, ein ihnen angehöriges liegendes Gut, Haus oder Grundstück zu verkaufen, so solle der Vormund solches bei der Vormundschaftsgehörde anzeigen, welche sodann nach Befund, dass dessen Veräußerung für die Waisen ersprießlicher seie, als dessen Beibehaltung, allemal eine öffentliche Feilbietung zu veranlassen, und entweder, wann das Gut unter ihrer eigenen Gerichtsbarkeit gelegen ist, solche selbst auszuschreiben, oder diejenige Gerichtsstelle, worunter es gehöret, hierum anzugehen hat.

[1, 6, § 4] 289. Gleichwie in Gegentheil, wann eine vortheilhafte Gelegenheit vorfiele, denen Waisen aus ihren darzu erklecklichen Mitteln zu ihrem Nutzen ein liegendes Gut, Haus oder Grundstuck anzukaufen, der Vormund schuldig ist, bei der Vormundschaftsgehörde die ihn hierzu bewegende Ursachen mit dem verläßlichen Anschlag

(1-212) des Guts, Hauses oder Grunds, dessen Ertragniß, Zugehörungen Herrlichkeiten, Anlagen, Beschwerden, Haftungen und den Preis desselben anzuzeigen.

[1, 6, § 4] 290. Nach all dessen reifer Erwägung und genauer Untersuchung, auch nöthigen Falls veranlaßter Besichtigung und daraus erhobenen Befund eines wahren Nutzens hat die Vormundschaftsgehörde dem Vormund die Bewilligung zu dem vorhabenden Kauf entweder bis auf einen bestimmten Preis, und mit Vorschrift der Kaufbedingnissen, oder aber mit Vorbehalt ihrer nach Einsicht des geschlossenen Kaufs erfolgenden Gutheißung zu ertheilen, und die Bewilligung oder Bestätigung des Kaufs allemal in den Kaufbrief einziehen zu lassen.

[1, 6, § 4] 291. Güter und Landwirthschaften, welche derorten insgemein von denen Besitzeren selbst besorgt und bestellet werden, darf kein Vormund ohne besonderer Ursach und von der Vormundschaftsgehörde darzu erhaltener Verwilligung verpachten, noch auch die zu verpachten gewöhnliche auf eine längere Zeit, als insgemein üblich ist, in Pacht geben.

[1, 6, § 4] 292. Dahingegen bedarf es bei Bestandgebung oder Vermiethung einzler Gründen, Nutzungen und Hauswohnungen dieser besonderen Verwilligung nicht, wann der Bestand oder die Miethung sich nicht über zwei Jahre hinaus erstrecket, und der bedungene Zins gegen dem vorhinigen nicht merklich herabfällt.

[1, 6, § 4] 293. So viel es aber das bewegliche Waisengut betrifft, so solle gleich bei dessen Beschreibung, folglich noch vor desselben Einantwortung an den Vormund, was davon zu veräußeren oder aufzubehalten für die Waisen nutzlich seie, erwogen werden.

[1, 6, § 4] 294. Was nicht bei dem Geschlecht zu verbleiben hat, oder von dem Vater, Vorelteren oder anderen Erblasseren aufzubehalten namentlich verordnet ist, oder als ein besonderes Denkmal für die Nachkommenschaft aufbehalten zu werden verdienet, oder von Grund und Boden unabsönderlich ist, alles dieses ist je eher je besser zu verkaufen, und der dafür erlöste Werth zur Benutzung sicher anzulegen.

[1, 6, § 4] 295. Sachen aber, welche denen Waisen dermaleinstens nutzlich sein können, und nicht leicht wieder zu haben, noch der Verderbungsgefahr unterworfen sind, sollen ohne Noth nicht verkaufet, noch auch mit der Veräußerung solcher Sachen geeilet werden, welche mit der Zeit bessere Käufer finden können, oder durch längere Aufbehaltung in ihrem Werth steigen.

[1, 6, § 4] 296. Ueberhaupt kommt die Beurtheilung dessen, was zu veräußeren oder aufzubehalten seie, dem vernünftigen Ermessen deren zur Beschreibung des Waisenguts abgeordneten Gerichtspersonen, des etwan mitanwesenden Vormunds und Befreundten und bei Verschiedenheit der Meinungen der obervormundschaftlichen Erkanntniß zu.

[1, 6, § 4] 297. Was aufzubehalten befunden wird, ist, so viel möglich, gleich bei der Beschreibung des Waisenguts von denen zum Verkauf bestimmten Sachen abzusönderen, beide aber sind durch beeidigte Schätzere, oder, wo diese ohne großen Kosten nicht zu haben sind, durch andere der Sachen verständige Kennere gewissenhaft, und also, wie sie ihre Schätzung auf Erforderen eidlich bekräftigen können, zugleich abzuschätzen, und die Schätzungspreise der gerichtlichen Beschreibung beizufügen.

[1, 6, § 4] 298. Könnte aber dieses bei der Beschreibung des Waisenguts ohne großem Aufwand oder Verzögerung nicht geschehen, so mag die Schätzung immittelst unterbleiben, und alsdann erst vorgenommen werden, wann zur Veräußerung oder Erbtheilung geschritten werden will.

[1, 6, § 4] 299. Mit der Veräußerung der zum Verkauf bestimmten Sachen ist nicht zu saumen, sondern solche des fördersamsten nach vorangegangener Schätzung entweder an dem Ort, wo die Sachen befindlich, oder auch anderwärts, wo sie

(1-213) leichter und besser an Mann gebracht werden können, doch niemalen anderst, als gerichtlich mittelst öffentlicher Feilbietung vorzunehmen.

[1, 6, § 4] 300. Das für die verkaufte Sachen gelöste Geld ist so, wie die bei der Beschreibung vorgefundene Barschaft bis auf so viel, als der Vormund zu vormundschaftlichen Ausgaben nöthig hat, von Zeit zu Zeit, wie solches eingehet, mittelst einer von denen dazu verordneten Gerichtspersonen über den gelösten Betrag jedesmal zu erstatten habenden Berichts bei Gericht zu hinterlegen, dem Vormund aber seiner Zeit eine gerichtliche Verzeichniß all dessen, was verkaufet worden, mit Anmerkung des dafür hinterlegten Preises zu Belegung seiner künftigen Rechnungen auszufolgen.

[1, 6, § 4] 301. Was wegen Mangel der Kauflustigen nicht verkaufet werden kann, solle dem Vormund eingeantwortet werden, damit derselbe diese Sachen so bald und so hoch wie möglich, doch niemalen unter der Schätzung zu verkaufen trachte, es würde ihme dann dieses ausdrücklich verwilliget, oder, da es Kleinigkeiten beträfe, ihme hierinnen freie Hand gelassen, den Verkauf so gut als möglich zu bewirken.

[1, 6, § 4] 302. Desgleichen sind demselben auch jene Sachen, welche für die Waisen aufzubehalten befunden worden, zur sorgfältigen Verwahrung einzuhändigen.

Doch, da sich ein erhebliches Bedenken äußerte, können und sollen dieselbe in gerichtlicher Verwahrung gehalten, oder an andere sichere Orte hinterleget, dem Vormund aber hierüber ein Hinterlegungsschein zur Belegung seiner Rechnungen hinausgegeben werden.

[1, 6, § 4] 303. Die Waisengelder, so viel hieran laut der Beschreibung des Waisenguts

(1-214) an Barschaft vorgefunden, oder aus dem verkauften Waisengut gelöset, und von so einem, als anderen über Abzug deren unausweichlichen Vormundschaftsausgaben erübriget, oder von der jährlichen Ertragniß ersparet, oder an Capitalien, Ausständen und Forderungen heimgezahlet oder eingetrieben wird, sollen nach Maßgebung Unserer hierwegen bestehenden besonderen Verordnung mit Vorwissen der Vormundschaftsgehörde verzinslich angeleget werden.

[1, 6, § 4] 304. Und im Fall sie an Privatpersonen auszuleihen befunden würde, so solle solches nicht anderst, als gegen landtäflich, stadt oder grundbücherlich auf einem liegenden Gut verschriebener hinlänglicher Versicherung, mit jedermal vorläufig einzuholen habender ausdrücklicher Gutheißung der Vormundsgehörde unter landesgewöhnlichen Zinsen geschehen können.

[1, 6, § 4] 305. Sowohl die über die neu angelegte Capitalien ausgestellte, als in der Beschreibung des Waisenguts einkommende Schuldbriefe sollen von der Vormundschaftsgehörde in gerichtliche Verwahrung genommen, und derorten, wo eigene Hinterlegungsämter von Uns aufgestellet sind, dahin gegen einem ordentlichen die Anzahl, Eigenschaft und Betrag dieser Schuldbriefen mit dem Jahr und Tag der Ausstellung, und allenfalls darauf befindlichen Vormerkung deutlich enthaltenden Hinterlegungsschein zur Verwahrung abgegeben, wo aber zur Zeit keine dergleichen Hinterlegungsämter sind, bei Gericht sicher aufbehalten werden.

[1, 6, § 4] 306. Dem Vormund jedoch sind zu seiner Nachricht Verzeichnissen und Abschriften davon zu geben: dahingegen die Schuldbriefe selbst nur damals zu seinem Handen auszufolgen, wann die Vormundschaftsgehörde solche demselben entweder zur Ausführung eines hierwegen entstandenen Rechtshandels, oder zu der von ihr bewilligten Erhebung, Uebertragung oder Umlage des Hauptgelds oder Capitals, oder auch zur bewirkenden Vormerkung der Schuldforderung, oder zur Eintreibung derselben, oder zu anderen derlei rechtlichen Nothdurften zuzustellen nöthig findet.

[1, 6, § 4] 307. Die in der Beschreibung des Waisenguts einkommende, oder sonst nachhero sich ergebende Forderungen und Ausstände der Waisen sind entweder in öffentlichen Fundis angeleget, oder auch landtäflich, stadt oder grundbücherlich versicheret oder nicht, die unversicherten entweder verbrieft oder unverbrieft, beide aber richtig oder unrichtig.

[1, 6, § 4] 308. Von denen in öffentlichen Fundis angelegten oder hinlänglich versicherten Capitalien hat der Vormund die abfallende Zinsen fleißig einzuforderen und keine Rückstände anwachsen zu lassen, sondern da auch zur zweiten Verfallzeit von dem Privatschuldner nicht eingehalten würde, den ganzen Rückstand sofort gerichtlich einzutreiben, und da die Unrichtigkeit öfters vorginge, oder wegen der Sicherheit ein Bedenken wäre, nach vorhergehender Anzeige an die Vormundschaftsgehörde und darüber erhaltener Genehmhaltung das Capital zur Heimzahlung aufzukündigen.

[1, 6, § 4] 309. Ueberhaupt solle kein Vormund für sich allein befugt sein, ein in öffentlichen Fundis anliegendes oder landtäflich, stadt- oder grundbücherlich vorgemerktes Capital ohne Bewilligung der Vormundschaftsgehörde aufzukündigen, zu deren Erwirkung derselbe allemal die Bewegursachen, warum er die Aufkündigung denen Waisen nothwendig oder nutzlich zu sein finde, ihr anzuzeigen hat.

[1, 6, § 4] 310. Dahingegen stehet einem jedwedem Schuldner frei, das bei ihme anliegende Capital der Waisen dem Vormund aufzukündigen, und dieser ist allerdings schuldig, die ihme behörig geschehene Aufkündigung anzunehmen und der Vormundschaftsgehörde hiervon die Anzeige zu machen.

(1-215) [1, 6, § 4] 311. In beiden Fällen, wo nämlich entweder mit Genehmhaltung der Vormundschaftsgehörde dem Schuldner aber von diesem dem Vormund das Capital aufgekündiget wird, hat die Vormundschaftsgehörde dem Vormund einen besonderen Bewilligungsbescheid zur Erhebung des Gelds und Ausstellung der Quittung zu ertheilen, ohne welche ihme von dem Schuldner das Capital nicht ausgezahlet, sondern zu Gerichtshanden erleget werden solle.

[1, 6, § 4] 312. Wie dann keine von dem Vormund über ein Capital der Waisen ausgestellte Quittung, Abtretung oder Verzicht bei Gericht angenommen, noch weniger irgendwo einverleibet werden darf, wann nicht zugleich die von der Vormundschaftsgehörde darzu habende Verwilligung beigebracht und sich hierauf in der ausstellenden Quittung, Abtretung oder Verzicht nicht ausdrücklich bezogen wird.

[1, 6, § 4] 313. Das heimgezahlte Capital ist sogleich anwiederum obverordneter Maßen mit Sicherheit zinsbar anzulegen, und hat der Vormund zugleich mit der Anzeige der Aufkündigung auch einen anderen sicheren Ort zur Wiederanlegung der Vormundschaftsgehörde vorzuschlagen und hierzu ihre Einwilligung anzusuchen.

[1, 6, § 4] 314. Wann aber der Vormund kein sicheres Ort ausfindig zu machen vermögete, so hat derselbe diesen Umstand wenigstens vier Wochen vor der Zahlungszeit der Vormundschaftsgehörde anzuzeigen, damit durch öffentliche Kundmachung (daß einige Waisengelder zur sicheren Anlegung vorhändig sind) oder in andere Wege dem aus unfruchtbarer Erliegung dieser Gelder besorglichen Schaden der Waisen vorgebogen werden könne.

[1, 6, § 4] 315. Würde hingegen ein Vormund deme, was hier oben verordnet worden, nicht nachkommen, sondern die Anzeige in der Zeit unterlassen, oder die obervormundschaftliche Bewilligung zur Erhebung und Quittirung nicht erwirken, und somit zur unfruchtbaren Erliegung oder zur gerichtlichen Hinterlegung des Waisengelds aus seiner Schuld Anlaß geben, so solle derselbe nicht allein die Unkosten der gerichtlichen Hinterlegung, sondern auch den wegen Nichtnutzung des Gelds denen Waisen inzwischen zugehenden Schaden bis zu dessen sicherer Wiederanlegung oder anderweiter nutzbarer Verwendung zu ersetzen schuldig sein, daß Geld oder bis dahin bei dem Hinterlegungsamt in Verwahrung gegeben, oder wo kein solches Amt befindlich, bei Gericht sicher aufbehalten werden.

[1, 6, § 4] 316. Bei unvorgemerkten, oder doch verbrieften Forderungen hat der Vormund aus dem Inhalt der Schuldbriefen die Bewandtniß der Schuldforderung abzunehmen, ob darinnen ein Unterpfand bestellet seie, oder nicht, ob und was für eine Aufkündigungszeit bedungen, oder was für eine Verfallzeit bestimmet, ob die Forderung richtig oder strittig, ob der Schuldner in zahlungsfähigem Stande oder unsicher seie.

[1, 6, § 4] 317. Unvorgemerkte Hauptbriefe, worinnen ein Unterpfand bestellet ist, sollen ohne Ausnahme zur Vormerkung gebracht, da aber in einer Schuldverschreibung kein Unterpfand bestellet wäre, zur Sicherheit der Waisen die ausdrückliche Bestellung eines genugsamen Unterpfands von dem Schuldner anbegehret und solche behörig vorgemerket, widrigens in der bedungenen Zeit die Zahlung geforderet und bei besorgender Gefahr immittelst auf die Sicherstellung der Waisen, wie es am füglichsten geschehen kann, fürgedacht werden.

[1, 6, § 4] 318. Allermaßen dann die Schuldigkeit eines jeden Vormunds mit sich bringt, alle verbriefte Forderungen, wofür keine hinreichende Sicherheit bestellet ist, noch von denen Schuldneren erhalten werden kann, unverlängt gütlich oder gerichtlich einzutreiben, und die erwartende Zahlung zu gleichem Ende, wie es oben von versicherten Capitalien erwähnet worden, der Vormundschaftsgehörde zeitlich anzuzeigen.

[1, 6, § 4] 319. Um so mehr lieget dem Vormund ob, alle unverbriefte Ausstände und Forderungen sobald möglich einzubringen, oder eine hinlängliche Sicherheit zu verschaffen, und ist derselbe befugt das eingehende Geld, ohne eine obervormundschaftliche

(1-216) Bewilligung hierzu nöthig zu haben, selbst zu erheben, welches er sofort in Rechnungsempfang zu nehmen und damit also zu verfahren hat, wie es in Ansehung vorräthiger Barschaft hiernach verordnet wird.

[1, 6, § 4] 320. Auf gleiche Art hat ein Vormund mit strittigen Forderungen fürzugehen, und solche entweder mittels eines von der Vormundschaftsgehörde genehmhaltenden Vergleichs oder in Weg Rechtens richtig zu stellen, dabei aber auch auf alle bewirken mögende Sicherheit fürzusorgen.

Doch solle keinem Vormund unter was immer für einem Vorwand Schuldforderungen der Waisen an sich zu lösen oder zu erhandlen gestattet sein.

[1, 6, § 4] 321. Vornehmlich aber hat die Vormundschaftsgehörde auf die genügliche Sicherstellung aller denen Waisen angebührenden Schuldforderungen auch jenen Falls, wo der Vormund an seiner Obliegenheit etwas erwinden ließe, von amtswegen fürzudenken. Widrigens wo selbe hierinfalls eines Saumsals überwiesen werden könnte, ist sie denen Waisen Dasjenige, um was diese aus ihrer Schuld erweislich gefährdet worden, und was von dem die Schuld mittragenden Vormund nicht erholet werden kann, aus dem Eigenen zu ersetzen schuldig.

[1, 6, § 4] 322. Von denen vorräthigen Barschaften, welche nach Abzug aller nothwendigen Vormundschaftsausgaben erübrigen, sollen vorzüglich die Waisenschulden baldmöglichst getilget werden, und dabei vor Allem auf die Entledigung des Waisenguts von denen darauf versicherten Haftungen der Bedacht genommen, auch hierüber vorhero allemal von dem Vormund der Vorschlag der leisten wollenden Zahlung der Vormundschaftsgehörde vorgeleget und ihre Genehmhaltung eingeholet, sodann aber die über die geleistete Zahlung erhaltene Quittungen und zuruckgestellte Schuldbriefe derselben zur Verwahrung übergeben werden.

[1, 6, § 4] 323. Was nach getilgten Schulden an der Barschaft übrig bleibt, solle mit Begenehmigung der Vormundschaftsgehörde zur Verbesserung des Waisenguts auf Zukaufung nutzlicher Grundstücken, Ablösung der auf dem Waisengut haftender Zinsen, Abgaben oder Dienstbarkeiten, oder in andere nutzliche Wege verwendet werden.

[1, 6, § 4] 324. Es kann auch ein außerordentliche Verbesserung deren Gütern und Gründen in allen Gattungen der Wirthschaft aus der vorhändigen Barschaft und weiteren Ersparnissen vorgenommen werden, wodurch die Ertragniß eines Guts vermehret und der Nutzen erhöhet werden kann, wann solche die Vormundschaftsgehörde ersprießlich zu sein findet und hierzu einwilliget.

[1, 6, § 4] 325. Diese Einwilligung ist insonderheit zu Aufführung neuer oder kostbarer Erneuerung alter Wohn oder auch Wirthschaftsgebäuden erforderlich, zu deren Erwirkung der Vormund jederzeit einen verläßlichen Ueberschlag deren darzu erforderlichen Kosten einzubringen, und den von der Vormundschaftsgehörde beangenehmten Betrag nicht zu überschreiten hat.

[1, 6, § 4] 326. Wann jedoch die Vormundschaftsgehörde keine Nothwendigkeit, Nutzbarkeit oder besondere Wohlanständigkeit dabei zu unterwalten findet, solle sein keineswegs hierein willigen, und umsoweniger die Unternehmung unnützer Gebäuden zu bloßem Pracht und Lust gestatten.

[1, 6, § 4] 327. Was aber die Herstellung und Erhaltung der Gründen und Gebäuden in guten Stand anbelanget, deren Besorgniß lieget dem Vormund ohnedies nach dem ordentlichen Wirthschaftstrieb ob, worzu er so viel, als nöthig ist, nicht allein aus denen Einkünften, sondern auch aus denen Barschaften und Ersparnissen ohne besonderer obervormundschaftlicher Verwilligung unter der Verrechnung verwenden kann.

[1, 6, § 4] 328. Außer derlei Vorfällen solle sie vorhändige Barschaft sowie die sich von Zeit zu Zeit ergebende Ersparnissen nach obstehender Anordnung mit Vorwissen und Genehmhaltung der Vormundschaftsgehörde verzinslich angelegt, widrigens

(1-217) aber der denen Waisen aus Schuld des Vormunds durch fruchtlose Erliegung der Gelder zugehende Schaden von ihme ersetzet werden.

[1, 6, § 4] 329. Wie kann ein jeder Vormund mit denen Waisengeldern ohne allem Eigennutz getreulich gebaren, und diese mit denen seinigen niemals vermischen, noch solche zu seinem eigenen Gebrauch, Nutzen oder Nothdurft bei schärfester Ahndung verwenden solle.

[1, 6, § 4] 330. Hätten die Waisen eine Handlung oder sonst verdienstliches Gewerb, dessen Beibehaltung und Fortsetzung zu ihren Handen von der Vormundschaftsgehörde für sie ersprießlich zu sein befunden würde, und der Vormund wäre wegen Unkundigkeit des Gewerbs, Handels oder Handtirung (!), oder wegen eigener Nahrungsgeschäften außer Stande dasselbe nach Erforderniß zu besorgen, kann derselbe bei der Vormundschaftsgehörde um Beigebung einiger tüchtiger und des Gewerbs erfahrener Leuten einkommen, und sich anmit von aller Verantwortung, wann durch diese denen Waisen ein Schaden widerfahren und seinerseits keine Schuld unterlaufen würde, entledigen.

[1, 6, § 4] 331. Wo er aber sich selbst Leute nach eigener Auswahl zu Führung des Gewerbs oder Handels erkiesete, hat derselbe alle Behutsamkeit, damit die Waisen durch sie nicht gefährdet werden mögen, anzuwenden, und wann seinerseits in deren Auswahl, nöthigen Vorsicht oder Einsicht eine Schuld unterliefe, für allen denen Waisen von diesen Leuten zugefügten Nachtheil selbst zu haften, obschon ihme die Schadenserholung wider Jene, welche hieran Schuld tragen, allerdings bevorstehet.

[1, 6, § 4] 332. Wann jedoch die Vormundschaftsgehörde aus denen Rechnungen oder sonst beglaubten Anzeigen den schlechten Fortgang des Gewerbs oder Handlung wahrnehmen würde, so solle dieselbe, falls der Mangel an dem Gewerb oder der Handlung selbst ist, die weitere Betreibung aufheben, und allenfalls das denen Waisen hierzu angebührende Recht wie es ihnen am vortheilhaftesten geschehen kann, an Andere zu überlassen trachten, oder da der Fehler an Seiten des Vormunds oder deren darzu angestellten Leuten, andere Tüchtigere, die das Gewerb unter eigener Verantwortung fortführen, benennen.

[1, 6, § 4] 333. Keinem aber, welcher die Handlung im Namen der Waisen führet, es seie der Vormund oder ein Anderer, ist erlaubt einen heimlichen Antheil an dem Gewinn zu nehmen, oder den Verdienst und Kundschaften unter der Hand an sich zu ziehen.

[1, 6, § 4] 334. Dahingegen kann ein Vormund, welcher schon mit dem Vater der Waisen oder mit einem anderen Erblasser, von deme das Gewerb auf die Waisen gekommen, in Gesellschaft gestanden, oder als Miterb mit denen Waisen in solche

(1-218) gerathet, solange dabei beharren, bis nicht die Vormundschaftsgehörde die Absönderung nöthig findet.

[1, 6, § 4] 335. In Erforschung der Kräften einer Handlung oder Gewerbs hat die Vormundschaftsgehörde mit aller Behutsamkeit fürzugehen, damit solche nicht entdecket werden, sondern zu Aufrechthaltung Trauens und Glaubens, so viel möglich, geheim bleiben mögen.

[1, 6, § 4] 336. Zu diesem Ende ist anstatt der sonst gewöhnlichen gerichtlichen Beschreibung des Waisenguts der Hauptstand der Handlung oder des Gewerbs von denen Handlungsbuchhalteren oder anderen Rechnungsführeren abzuheischen, solcher von zwei oder mehreren darzu bestellenden vertrauten Männern mit denen vorhandenen untadelhaften Handlungsbüchern zusammzuhalten, die gefundene Richtigkeit von ihnen an Eidesstatt oder nach Umständen mit einem körperlichen Eid unter Angelobung der Verschwiegenheit zu bekräftigen, bei Gericht zu hinterlegen, daselbst unter dem Gerichtssiegel zu verwahren und geheim zu halten.

[1, 6, § 4] 337. Auf gleiche Weise solle währender Vormundschaft von Jahr zu Jahr ein Hauptüberschlag der Schulden und Forderungen, Handlungsvorräthen, Gewinns und Verlusts abgeheischet, in Geheim untersuchet, und nach befundener oder hergestellter Richtigkeit bei Gericht hinterleget werden.

[1, 6, § 4] 338. Ueberhaupt bestehet das Amt eines Vormunds in Ansehung des

(1-219) ihme anvertrauten Waisenguts darinnen, daß derselbe alle von Landgütern, Grundstücken, Häusern, zinsbar angelegten Geldern, Renten, Gülten, oder wie sonst abfallende Nutzungen, wie auch den aus Gewerben und Handlungen beziehenden Gewinn empfange, gebührend verrechne, und das Vermögen der Waisen treu und emsig so, wie es ein guter und sorgfältiger Wirth und Haushalter mit seinem Eigenem nach dortigem Landesbrauch insgemein zu thun pfleget, verwalte, folglich dessen Nutzen und Aufnahme, wie bei Abwendung alles Schadens, so viel an ihm lieget, sich angelegen sein lasse.

[1, 6, § 4] 339. Er hat dahero für Gefährde und Arglist große, und leichte oder geringe Schuld zu haften, und allen aus seiner üblen Gebarung, Fahrlässigkeit und Verwahrlosung denen Waisen zugefügten Schaden unnachsichtlich zu ersetzen.

[1, 6, § 4] 340. Wo aber eine wahre Gefährde und Arglist mit unterwaltete, ist derselbe über das nebst Verlust der Vormundschaft dem Verbrechen gemäß zu bestrafen. Doch muß die Arglist offenbar und der Vormund eines solchen bösen Beginnens überführet sein.

Ansonst ist der schädliche Erfolg für keine Gefährde, sondern nach der im Zweifelsfall vordringenden milderen Ausdeutung einer Schuldtragung beizumessen, folglich es allein bei dem Ersatz des Schadens ohne weiterer Strafe und gestalter Dingen nach bei Benehmung der Vormundschaft bewenden zu lassen.

[1, 6, § 4] 341. Ob hingegen die bei der Untersuchung hervorgekommene Schuld für eine geringe, mithin die Verfänglichkeit zum Ersatz nach sich ziehende Schuld angesehen zu werden verdiene, und ob der Schaden dadurch erfolget oder der Nutzen deswegen zuruckgeblieben seie, dieses hangt vornehmlich von dem richterlichen Ermessen ab.

[1, 6, § 4] 342. Dann wo die Schuld guten Theils abgeleinet wäre, und nur der leichtesten und geringsten beikäme, oder kein sonderlicher Schaden daraus erfolget, oder kein beträchtlicher Nutzen deshalben zurückgeblieben, noch für das Künftige entgangen, oder endlich unvorgesehene Zufälle hinzugestoßen, außer welchen der Nachtheil nicht entstanden sein würde, da solle nicht so streng auf Ersatz gedrungen werden, obschon der Vormund nach Umständen zu mehreren Fleiß anzumahnen ist.

[1, 6, § 4] 343. Insgemein ist zwar ein Vormund für die geringste Schuld nicht verfänglich, wann sie aber also beschaffen ist, daß selbe aus erschwerenden Umständen nach richterlichen Befund zu einem größeren Grad der Schuld gerechnet werden könne, so solle auch hierwegen auf den Ersatz des verursachten Schadens oder unterbliebenen Nutzens erkennet werden.

[1, 6, § 4] 344. Bei Bestimmung des Ersatzes ist mit Rücksicht auf jene Maßregeln, welche deshalben im dritten Theil vorgeschrieben werden, nur auf den wesentlichen Schaden, oder verhinderten Nutzen, nicht aber auf übermäßige Schätzung oder bloße muthmaßliche Anschläge zu sehen.

[1, 6, § 4] 345. Zufälle hingegen, welchen keine Schuld vorgegangen, und die durch menschliche Vorsicht insgemein nicht verhütet werden können, fallen einem Vormund keineswegs zu Last, folglich kann ihme auch deswegen kein Ersatz aufgebürdet werden.

[1, 6, § 4] 346. Auch für fremde Schuld hat ein Vormund nicht zu haften, wanngleich durch Jene, deren sich derselbe zur Verwaltung des Waisenguts gebrauchet, denen Waisen ein Schaden zugefüget oder ein Nutzen entzogen worden wäre, insoferne seinerseits in Auswahl dieser Leuten keine Schuld begangen, und die sonst dabei erforderliche Vor und Einsicht nicht außer acht gelassen worden.

[1, 6, § 4] 347. Wiewohlen, er aber bei der Vormundschaftsgehörde, über Alles, was einigen Bedenken unterlieget und einer näheren Ausführung bedarf, zur Verantwortung gezogen werden muß, und dahero die Behörde auf seine Nachgesetzte nicht

(1-220) verweisen kann, so ist ihme jedoch unverwehret, Diejenige, deren er sich in Verwaltung der Vormundschaft besonders bei Wirthschaften, Handlungen und Gewerben gebrauchet hat, zur Mitverantwortung zu ziehen, und sich in deme, woran nicht er, sondern Jene die Schuld tragen, auszuführen.

[1, 6, § 4] 348. Ist die Vormundschaft zwischen mehreren Vormünderen entweder von dem Erblassere oder von Gericht vertheilet, so hat auch deren Jeder nach Maß des ihme anvertrauten Antheils die vormundschaftlichen Erfordernissen zu leisten und seinen Antheil zu verwalten, für dem anderen aber nichts zu verantworten.

[1, 6, § 4] 349. Wären aber mehrere Vormündere ohne Vertheilung der Verwaltung letztwillig benennet und gerichtlich bestätiget worden, so sind auch alle des Waisengut auf gleiche Weise zu versicheren und dafür mit gesammter Hand, das ist: Alle für Einem und Einer für Alle, zu haften schuldig, obschon ihnen unbenommen ist, die Verwaltung der Vormundschaft unter sich nach Gefallen zu vertheilen.

[1, 6, § 4] 350. Doch sollen sie gleich bei Antritt der Vormundschaft einen von ihnen unter sich zum Hauptvormund erwählen, welcher allein der der Vormundschaftsgehörde das Nöthige besorge, und über die Verwaltung der ganzen Vormundschaft mit Einziehung der von denen übrigen Mitvormünderen geführten Raitungen die Hauptrechnung erlege, die Mängel selbst verantworte, und gegen freistehender Wiederholung an denen Uebrigen richtig stelle, folglich deme auch allein von der Vormundschaftsgehörde das Erforderliche zukomme.

[1, 6, § 4] 351. Würden aber die Vormündere in Erkiesung eines Hauptvormunds saumig sein oder sich darüber nicht vereinigen können, so solle es eben dadurch von der getheilten Vormundschaft abkommen, und die Vormundschaftsgehörde den Tauglichsten aus ihnen zum Hauptvormund bestellen, somit aber diesem die Versicherung des gesammten Waisenguts und die Verwaltung der Vormundschaft allein auftragen, wodurch die Uebrigen von der Verbürgung und künftigen Verantwortung entbunden werden, und nur als Ehrenvormündere anzusehen sind.

[1, 6, § 4] 352. Außer dem Fall mehrerer letztwillig ernannter Vormünderen kann auch damals, wann die Weitläufigkeit oder Zertrennung des Waisenguts erforderet mehrere Vormündere obrigkeitlich zu bestellen, die Verwaltung der Vormundschaft von der Gehörde zwischen ihnen vertheilet, und von Allen zwar die Vormundschaftspflicht auf gleiche Weise, die Verbürgung aber nur von einem jedem nach Maß des von ihme zu verwaltenden (!) habenden Antheils abgenommen werden, welchem Falls ein jeder für seinen Antheil die Vormundschaft besonders zu verwalten, und für die Antheile der Anderen keine Verantwortung hat.

[1, 6, § 4] 353. Doch ist jener von ihnen, welchem die Besorgniß der Person der Waisen aufgetragen worden, insoweit für den Hauptvormund anzusehen, als zu seiner Verwaltung auch alles der Person folgende bewegliche Vermögen gehöret, und ihme allein alle Vertretung der Waisen in persönlichen Sprüchen oblieget, welches Alles in dem Waisenbuch, um allen künftigen Beirrungen vorzukommen, wohl anzumerken ist.

[1, 6, § 4] 354. Die Verwaltung der Vormundschaft gebühret nur wahren und

(1-221) wirklichen Vormünderen, welche die obvorgeschriebene Vormundschaftserfordernissen geleistet haben.

Diese sind dahero von Ehren-Vormünderen, Beiräthen oder Vormundschaftsgehilfen, Stattvormünderen, vermeintlichen Vormünderen und falschen Vormünderen zu unterscheiden.

[1, 6, § 4] 355. Ehrenvormündere sind jene, welche bloß den Namen eines Vormunds Ehren halber haben, und so von der Verwaltung der Vormundschaft, wie von Leistung der vormundschaftlichen Erfordernissen und von aller Verantwortung enthoben sind.

[1, 6, § 4] 356. Bei letztwillig bestellter Vormundschaft ist derjenige nur ein Ehrenvormund, deme entweder aus mehreren letztwillig benannten Vormünderen nur der Namen und die Ehre eines Vormunds, denen anderen aber die Verwaltung des Waisenguts aufgetragen worden, oder welcher aus mehreren letztwillig benannten Vormünderen, wann sie sich über die Auswahl eines Hauptvormunds nicht vergleichen können, von der Vormundschaftsgehörde in dem Auftrag der Verwaltung übergangen wird.

[1, 6, § 4] 357. Bei der Vormundschaft der nächsten Blutsfreunden ist jener nur ein Ehrenvormund, welchen die Vormundschaftsgehörde mit dem gerichtlichen Auftrag der Vormundschaft zwar nicht zu übergehen, jedoch aber aus erheblichen Ursachen

(1-222) einem weiteren Befreundten, oder auch einem Fremden die Verwaltung der Vormundschaft aufzutragen befunden hat.

[1, 6, § 4] 358. Endlich kann auch bei obrigkeitlich bestellter Vormundschaft Jemand von der Vormundschaftsgehörde als ein Ehrenvormund gleichsam zur Oberaufsicht über jenen, deme die Verwaltung des Waisenguts aufgetragen wird, ernennet werden, wann es nach Umständen erforderlich oder besonders rathsam erachtet wird, weshalben auf den Inhalt des vormundschaftlichen Auftrags zu sehen ist.

[1, 6, § 4] 359. Aus der alleinigen Ursache aber, daß unter mehreren Vormünderen, zwischen welchen die Verwaltung der Vormundschaft getheilet ist, einer von ihnen zum Hauptvormund bestellet oder dafür angesehen wird, sind die anderen deshalben nicht für bloße Ehrenvormündere zu achten, sondern dieselben sind alle wahre Mit oder Nebenvormündere, welche nach dem oben berührten Unterschied entweder sammt und sonders, oder deren jeder für seinem Antheil die Verantwortung zu tragen haben.

[1, 6, § 4] 360. Dahingegen sind Diejenigen, welche einer Mutter oder Großmutter zu vormundschaftlichen Beiständen ohne Auftrag der Mitverwaltung zugegeben werden, keine wahre Vormündere, sondern nur Beiräthe und Vormundschaftsgehilfen, obschon sie in gemeinem Gebrauch Mit oder Nebenvormündere benamset zu werden pflegen.

[1, 6, § 4] 361. Desgleichen sind auch Jene, welche einem wahren Vormund von der Vormundschaftsgehörde zu Besorgung gewisser Angelegenheiten, deren der Vormund selbst nicht kundig ist, als in Rechts, Wirthschafts, Handlungs oder Gewerbssachen, auf sein Ansuchen oder von amtswegen unter ihrer selbsteigenen Verantwortung zugegeben werden, nicht als Mitvormündere, sondern nur als Beiräthe und Vormundschaftsgehilfen anzusehen.

[1, 6, § 4] 362. Derlei vertraute und des Werks erfahrene Männer, wann der Nutzen der Waisen deren Beiziehung erforderet, hat die Vormundschaftsgehörde sich allenfalls von denen Mitteln und Zünften vorschlagen zu lassen, und sie unter Eidespflicht und allenfalls nöthig findender Sicherheitsleistung anzustellen, oder, da selbe einer anderen Gerichtsbarkeit unterworfen wären, mittelst gewöhnlicher Ersuchungsschreiben durch diese dahin anweisen zu lassen, damit sie denen Vormünderen gegen billiger unter einem auszuwerfen habender Belohnung an die Hand gehen sollen.

[1, 6, § 4] 363. Dieser Auftrag hat mittelst einer besonderen Beglaubigungsurkunde zu geschehen, damit diese Beistände sich nach Erforderniß aller Orten, wo es vonnöthen, mit solcher ausweisen mögen.

Doch gereichet die Auswahl solcher Leuten denen Gerichten zu keiner Verfänglichkeit, wann ihrerseits keine Gefährde oder schwere Schuld dabei unterlaufet.

[1, 6, § 4] 364. Wer wissentlich, daß er nicht Vormund seie, oder noch nicht darzu von der Behörde angestellet worden, in Fällen, wo entweder die Bevormundung durch Zufälle verzögeret würde, oder eine sonstige Nothdurft der Waisen, wo der Vormund nicht zugegen, einen unverlängten Beistand erheischete, sich aus guter Meinung einiger keinen Vorschub leidender Waisengeschäften, damit sie nicht unvertreten bleiben, freiwillig annimmt und solche besorget, wird ein Stattvormund genennet.

[1, 6, § 4] 365. Dieser an sich sehr löbliche Beistand ist jedermänniglich und insonderheit denen Blutsverwandten der Waisen zugelassen. Doch ist ein solcher Stattvormund schuldig, das von ihme zu Handen der Waisen vorgenommene Geschäft, sobald es geschehen kann, bei der Vormundschaftsgehörde anzuzeigen, und hierwegen nicht weniger, wie ein jeder wahrer und ordentlicher Vormund Red und Antwort zu geben, auch für Gefährde und Schuld zu haften.

[1, 6, § 4] 366. Wer hingegen von einer unbehörigen Gerichtsstelle oder Obrigkeit dessen unwissend zum Vormund bestellet worden, oder sich sonst in gutem Glauben

(1-223) für einen Vormund achtet, da er es doch nicht wäre, dieser ist zwar nur ein vermeintlicher Vormund, doch aber eben also, wie ein wahrer Vormund für die Zeit seiner Verwaltung aus solcher vermeintlicher Vormundschaft verfänglich.

[1, 6, § 4] 367. Ein solcher Vormund ist, welcher wohl wissend, daß er nicht Vormund seie, sich dafür ausgiebt, oder mit seinem Willen von Anderen dafür ausgeben läßt, und sich ohne Noth in die Waisengeschäften einmischt, in Namen derselben als Vormund handlet, und wie immer sich der Verwaltung der Vormundschaft über dieselbe anmaßet.

[1, 6, § 4] 368. Ein solcher falscher Vormund hat nicht nur alle Verbindlichkeiten eines wahren Vormunds auf sich, sondern er ist denen Waisen allen auch aus seiner mindesten Schuld oder Vernachlässigung entstehenden Schaden zu ersetzen schuldig, und sind beinebst alle von ihme unternommene Handlungen (wann solche nicht zum offenbaren Nutzen der Waisen gereichen) ganz unkräftig und nichtig. Wo aber auch Andere durch seine Arglist und Verstellung von ihme hintergangen worden, hat er nicht weniger gleichfalls diese schadlos zu halten, und ist über das wegen solcher unbefugten Anmaßung nach Umständen scharf zu bestrafen.

§. V.

[1, 6, § 5] 369. Alle Vormündere, welche das Waisengut verwalten, sind darüber Rechnung zu legen schuldig, wann sie auch durch letzten Willen des Erblassers davon befreiet wären. Wovon weder der leibliche Vater, wann er die bloße

(1-224) Verwaltung des Kinderguts ohne dessen Nutznießung hat, noch die leibliche Mutter, obschon in dem Heirathsbrief ein Anderes vorgesehen wäre, ausgenommen sind.

(1-225) [1, 6, § 5] 370. Nicht nur bei Endigung der Vormundschaft, sondern nach Ausgang eines jeden Jahrs soll ein jedweder verwaltender Vormund seine jährliche Raitung bei der Vormundschaftsgehörde erlegen.

[1, 6, § 5] 371. Wo Wirthschafts, Gewerbs oder andere Rechnungen mit unterlaufen, welche ordentlicherweise mit dem gemeinen Jahrgang geschlossen zu werden pflegen, sind die Jahrgänge von Anfang bis Ende eines jedweden gemeinen oder natürlichen Jahrs zu nehmen.

[1, 6, § 5] 372. Wann aber eine dergleichen Vormundschaft währendem solchen gemeinen Jahrslauf angetreten oder geendigt wird, ist in diesen Fällen für die Zwischenzeit eine Stuckrechnung von Anfang der angetretenen Vormundschaft bis zu Ende desselben Jahres, wie ingleichen in dem letzten Jahr, von dessen Anfang bis zur Beendigung oder Abwechslung der Vormundschaft nöthig.

[1, 6, § 5] 373. Bei anderen Vormundschaften hingegen ist der Jahreslauf von dem Tag der angetretenen Vormundschaft bis zu demselben Monatstag des folgenden Jahrs u. s. w. zu rechnen.

Wo aber die Vormundschaft unter diesem Jahrslauf sich endigen oder abgeänderet würde, ist für die Zeit von dem letzten Rechnungsschluß bis zu Abtretung der Vormundschaft die Raitung zu legen.

[1, 6, § 5] 374. Die Erlagszeit der vormundschaftlichen Rechnungen sind nach Ausgang des Jahrs, oder von dem Tag der geendigten Vormundschaft bei größeren Vormundschaften, wo Wirthschafts, Handlungs, oder andere besondere Rechnungen mit einschlagen, drei Monate, bei anderen minder wichtigen Vormundschaften aber, wobei es auf bloße Geldverrechnung ankommt, sechs Wochen.

[1, 6, § 5] 375. In dieser Zeit ist ein Vormund seine Rechnungen ohne weiterer Erinnerung zu erlegen schuldig. Doch kann ihme aus beibringenden erheblichen Ursachen in dem ersterem Fall eine vierwöchentliche, und in dem zweiten Fall eine vierzehentägige Nachfrist, wann solche vor Ausgang der Erlagszeit anverlanget wird, von der Vormundschaftsgehörde verstattet, dahingegen eine weitere außerordentliche Fristerstreckung nur allein bei Uns mit Anführung der unterwaltenden Ursachen angesuchet werden.

[1, 6, § 5] 376. Würde aber der Vormund nach Verlauf der anberaumten oder erstreckten Frist in Erlag der Rechnungen saumig sein, so wird derselbe nicht allein auf dem Fall der fortwährenden Vormundschaft für die Zeit dieses seines Saumsals


(1-226) der denen Vormünderen in dem hiernach folgendem §. ausgemessenen Belohnung verlustig, sondern er solle auch unter aussetzender Geldstrafe und mit anderen Zwangsmitteln hierzu angehalten, und gestalter Dingen nach ihme die Vormundschaft wohl gar abgenommen werden.

[1, 6, § 5] 377. Die Vormundschaftsrechnung muß ordentlich und deutlich, ohne aller Weitläufigkeit und Verwirrung dergestalten verfasset werden, damit hieraus nicht nur die Einnahme und Ausgabe, sondern zugleich auch der völlige Vermögen- und Schuldenstand der Waisen ohne Mühe abgenommen werden könne.

[1, 6, § 5] 378. Zu diesem Ende solle dieselbe in zweien Haupttheilen, als in dem Vermögenstand und in dem Schuldenstand bestehen, und der Vermögensstand das gesammte Vermögen der Waisen, und zwar bei der erstjährigen Rechnung nach der gerichtlichen Beschreibung, und bei denen nachfolgenden Rechnungen allemal nach dem Endauszug der vorigen Raitung sammt dem währenden jeden Rechnungslauf sich ergebenen neuen Zuwachs des Vermögens verläßlich anzeigen, dabei aber auch den Ausweis, was von so Einem als Anderem in Empfang genommen worden, oder noch in Bestand verbleibet, enthalten.

[1, 6, § 5] 379. In dem Schuldenstand müssen alle Schulden bei der erstjährigen Rechnung nach der gerichtlichen Beschreibung und bei denen nachfolgenden Rechnungen nach dem Endauszug der vorigen Raitung sammt dem neuen Zuwachs der Schulden währenden Rechnungslauf angezeiget, und beinebst sowohl die baare Ausgabe und dadurch bewirkte Schuldenverminderung, als auch der weitere Ruckstand derselben ausgewiesen werden.

[1, 6, § 5] 380. Dergestalten, daß sowohl Vermögen- als Schuldenstand in einem Anblick zweifach, nämlich in richtiger Anzeige und in richtigen Ausweis einkomme, und wie bei dem Vermögenstand, also auch bei dem Schuldenstand der Betrag der Anzeige sich mit dem Betrag des Ausweises vollkommen ausgleiche.

[1, 6, § 5] 381. Zu dem Zuwachs des Vermögens gehöret nicht nur alle zwischenzeitige Einnahme, sondern auch der Schuldenabfall, wodurch der Schuldenstand ohne baarer Bezahlung oder

sonstiger Vermögensabnahme verminderet wird, welcher bei dem Vermögensstand in baaren Empfang, bei dem Schuldenstand aber durchlaufend in Ausgab zu bringen ist.

[1, 6, § 5] 382. Zu dem Zuwachs der Schulden hingegen gehöret nicht nur alle zwischenzeitige Ausgabe, sondern auch aller Vermögensabfall, wodurch etwas aus der gerichtlichen Beschreibung, oder aus dem Endauszug der vorigen Raitung dem Vermögen der Waisen entgehet, und dasselbe anmit verminderet wird, welcher bei dem Schuldenstand in baare Ausgab, bei dem Vermögenstand aber durchlaufend in Empfang zu bringen ist.

[1, 6, § 5] 383. Sowohl der völlige Vermögenstand, als der völlige Schuldenstand solle nach seinen verschiedenen Gattungen unterschieden, und deren jedwede unter besonderen Inschriften nach dem Richtmaß der gerichtlichen Beschreibung oder des Endauszugs der vorigen Raitung gestellet werden.

[1, 6, § 5] 384. Wann aber ein Zuwachs des Vermögen- oder Schuldenstands sich ereignet, welcher zu denen in der gerichtlichen Beschreibung oder vorherigen Endauszug enthaltenen Gattungen und Inschriften nicht gehörig ist, so sollen neue und mehrere Gattungen unter gehörigen Inschriften unterschieden werden.

[1, 6, § 5] 385. Es ist auch nicht nöthig, wann viele unter einerlei Gattung und Inschrift gehörige Stücke vorkommen, alle Stuck für Stuck besonders in denen Rechnungen anzuführen, sondern es ist genug, den Betrag der Gattung unter ihrer Inschrift mit Beziehung auf die gerichtliche Beschreibung oder allschon bei Gericht befindliche, oder allenfalls neu beizulegen habende besondere Verzeichnissen auszusetzen.

[1, 6, § 5] 386. Alle und jede eintzle (!) Inschriften sind sowohl zu Ende des Vermögenstands,

(1-227) als zu Ende des Schuldenstands nochmalen in einer Hauptanzeige anzumerken, und deren Betrag in einem Hauptbetrag zusammzuziehen, somit aber zum Beschluß der Vormundschaftsraitung eine zweifache Ausgleichung zu machen, als die erste des völligen in der Raitung vorkommenden Vermögenstands gegen dem völligen Schuldenstand und die andere des zu der folgenden Raitung verbleibenden Vermögenstands gegen dem gleichfalls verbleibenden Schuldenstand.

[1, 6, § 5] 387. Aus deren einer und der anderen muß das klare Vermögen der Waisen hervorkommen, und auf beiderlei Art gleich viel betragen, worüber noch insonderheit eine namentliche Verweisung des verbleibenden sowohl Vermögen- als Schuldenstands der Vormundschaftsraitung beizufügen ist.

[1, 6, § 5] 388. Dahingegen sind die besonderen in die Vormundschaftsraitung einschlagenden Wirthschafts-, Handlungs-, Gewerbs- und dergleichen Rechnungen auf die Art und Weise einzurichten, nach welcher dieselben insgemein geführet zu werden pflegen.

[1, 6, § 5] 389. Hiervon ist in die Vormundschafts-Raitung ein Mehreres nicht einzuziehen, als was der Vormund von daher empfangen oder dahin vorgeschossen hat. Diese besondere Rechnungen aber sind allemal der Vormundschaftsraitung beizulegen, um den Wirthschafts-, Handlungs-, Gewerbs- oder anderen Bestand daraus insonderheit abnehmen zu mögen.

[1, 6, § 5] 390. Alles, was in der Vormundschaftsrechnung einkommt, vornehmlich aber, was in baaren Empfang und in baare Ausgab gebracht wird, muß mit Beilagen bewähret, und zwar jener, wann solcher sich sonst aus denen Rechnungen nicht selbst klar ausweiset, mit Gegenscheinen oder anderen Urkunden, wodurch bekräftiget werde, daß weder mehr noch weniger empfangen worden, diese aber mit Quittungen, Zahlscheinen oder anderen Urkunden, welche die geschehene Zahlung bestätigen, belegt werden.

[1, 6, § 5] 391. Nicht nur große, sondern auch kleine Ausgaben, wann sie einen Gulden oder darüber betragen, müssen mit Quittungen oder Zahlscheinen bewähret werden. Doch können mehrere Ausgaben in ein Verzeichniß zusammengezogen und unter Einem bescheiniget werden.

[1, 6, § 5] 392. Außer deme sollen die Beilagen also beschaffen sein, daß sowohl bei denen Empfangs- als Ausgabsposten der Tag, Monat und Jahr daraus deutlich abzunehmen seie, und mit der Raitung zutreffe.

[1, 6, § 5] 393. Sie müssen ferners der Raitung in Urschriften beigeleget werden, wovon nur Jene ausgenommen sind, deren ein Vormund zu seiner weiteren Rechtfertigung oder Nachverhalt bedarf.

Hiervon kann er zwar nur Abschriften beilegen, doch ist er schuldig, auf gerichtliches Erforderniß die Urschriften selbst jedesmal vorzuzeigen.

[1, 6, § 5] 394. Ueber die Rechnungsbeilagen und mit erlegende besondere Rechnungen ist eine doppelte Verzeichniß beizufügen, worinnen bei jedwedem Stuck ganz kurz angemerket werde, von was für Beschaffenheit die Beilage seie, von welchem Jahr, Monat und Tag sie laute, ob dieselbe in Urschrift oder gerichtlich beglaubigter, oder nur bloßer Abschrift beigelegt werde, und wo die Urschrift von denen beigelegten Abschriften befindlich seie.

[1, 6, § 5] 395. Eine dieser Verzeichnissen hat unter der Fertigung des Vormunds bei Gericht zu verbleiben. Die zweite hingegen ist nach befundener Richtigkeit aller darinnen beschriebenen Beilagen sammt dem Einlagsschein über die eingebrachte Rechnungen dem Vormund unter gerichtlicher Fertigung zu seiner Sicherheit zuruckzustellen.

[1, 6, § 5] 396. Die Rechnung selbst aber muß von dem Vormund mit seiner Handunterschrift und Petschaft bekräftiget, und mit ihren Beilagen bei Gericht aufbehalten werden. Falls jedoch der Vormund eine oder die andere Urkunde davon

(1-228) nöthig hätte, so ist demselben entweder eine gerichtlich beglaubte Abschrift oder nach befindender Nothdurft auch die Urschrift selbst gegen Zuruckhaltung einer gerichtlich beglaubten Abschrift hinauszugeben.

[1, 6, § 5] 397. Die solcher gestalten von dem Vormund zu der Vormundschaftsgehörde erlegte Raitungen sollen, sobald es möglich, von der Vormundschaftsgehörde aufgenommen, das ist untersuchet und erlediget werden, also zwar, daß auch die weitläufigste Vormundschaftsrechnung mit allen derselben beigelegten besonderen Nebenrechnungen noch vor Ausgang des Jahrs unfehlbar erlediget werde.

[1, 6, § 5] 398. Würde sich aber die Erledigung über den Jahrslauf hinaus verzögeren, welches jedoch nur in dem alleinigen und ganz besonderen Fall der durch längere Zeit gänzlich gehemmten Rechtspflege sich ergeben kann, so solle der Vormund nichtsdestoweniger in der obanberaumten Erlagszeit seine nächstjährige Rechnungen einbringen, und darinnen die bei dem vorjährigen Rechnungsschluß gemachte Verweisung des verbliebenen Vermögen- und Schuldenstands zum Grund nehmen.

[1, 6, § 5] 399. Die Aufnehmung und Untersuchung der Vormundschaftsraitungen liegt einer jeden Vormundschaftsgehörde ob, wann nicht derorten besondere Waisenraths- oder darzu gesetzte Raitungsmitteln vorhanden sind.

[1, 6, § 5] 400. Diese hat entweder von dem gesammten Mittel oder durch darzu eigens verordnete Mittelspersonen zu geschehen, welche über den Befund an das gesammte Mittel ihren Bericht zu erstatten haben.

[1, 6, § 5] 401. Die Rechnungs-Aufnehmere haben vor Allem darauf zu sehen, ob die Raitung nach vorstehender Vorschrift verfasset seie, in wessen Ermanglung dem Vormund die Außerachtlassung der vorgeschriebenen Rechnungsform ernstlich verhoben, und die Umfertigung der Raitung binnen zwei oder höchstens vier Wochen ohne aller weiterer Erstreckung unter einer auszumessenden Geldstrafe auferleget werden solle.

[1, 6, § 5] 402. Nach behörig eingerichteter Raitung ist deren vorbereitliche Untersuchung durch die bestellte Raithandlere, oder wo deren keine sind, durch die Aufnehmere selbst, oder auch durch einen in wirklicher Pflicht stehenden, oder eigens mit Pflicht

(1-229) zu belegenden, in Raitungssachen erfahrenen Mann zu veranlassen, und ein Gleiches in Ansehung deren beigelegten besonderen Rechnungen durch Wirthschafts-, Handlungs- oder Gewerbsverständige anzukehren.

[1, 6, § 5] 403. Die Schuldigkeit deren Rechnungsaufnehmeren ist Alles wohl und genau zu durchgehen, zu überrechnen, die Rechnungsfehler oder Mängeln anzuzeigen, nicht minder alle vernünftige Anstände mit Bescheidenheit auszustellen, und diese Arbeit, so viel immer möglich, zu beschleunigen.

[1, 6, § 5] 404. Die hauptsächlichere Anstände können sich in deme ergeben, und zwar bei dem Vermögenstand, ob Alles nach der gerichtlichen Beschreibung, oder nach dem vorhergegangenen gerichtlichen Endauszug darinnen enthalten, ob auch Alles, was seit dem Jahrgang oder dem letzteren Raitungsschluß dem Vermögen zugewachsen, oder doch zuwachsen hätte sollen, darunter begriffen, ob Barschaften mit obervormundschaftlicher Verwilligung und mit genugsamer Sicherheit angeleget, ob nicht einige Gelder ohne Noth durch längere Zeit unfruchtbar erliegen gelassen, oder wohl gar von dem Vormund zu seinem eigenem Nutzen verwendet, und ob endlich Alles zu rechter Zeit eingebracht und in baaren Empfang gestellet, oder in dem weiteren Vermögensbestand als ausständig angemerket worden, und ob der Empfang überall, wo es vonnöthen, mit Beilagen genugsam bewähret seie.

[1, 6, § 5] 405. Bei dem Schuldenstand hingegen, ob nicht die in der gerichtlichen Beschreibung, oder in dem letzt vorhergegangenen Endauszug einkommende Schulden hätten bezahlt werden können, ob die geleistete Zahlungen genüglich erwiesen, ob nicht mehr, als gebühret hat, bezahlet, oder mehr, als bezahlet, in Ausgab gebracht worden, ob alle Ausgaben nothwendig oder nutzlich gewesen, ob sie alle genugsam beleget, die Zinsen von Schulden abgeführet, der Schuldenstand mit oder ohne obervormundschaftlicher Verwilligung und aus was für Ursachen vermehret, und endlich ob die gerichtliche Ausmessung in Unterhalt der Waisen oder zu anderen namhaften Aufwand von dem Vormund angesuchet und nicht überschritten worden seie.

[1, 6, § 5] 406. Ueberhaupt aber ist darauf zu sehen, ob der Nutzen der Waisen in allen Vorfallenheiten beobachtet, und von dem Vormund sein Amt getreulich, vorsichtig und fleißig, wie es Unseren Verordnungen und seinen Pflichten gemäß ist, gehandlet, oder ob nicht gefährlicher oder fahrlässiger Weise von ihm etwas verwahrloset, oder sonst denen Waisen Schaden und Nachtheil zugezogen worden seie.

[1, 6, § 5] 407. Alle dergleichen vorkommende Anstände sollen bei Vortrag der Raitung von der Vormundschaftsgehörde in reife Erwägung gezogen, und nicht allein nach dem Gutachten deren Ausstelleren, sondern nach eigener Einsicht und Beurtheilung untersuchet, da sie aber unerheblich befunden würden, mit deren Uebergehung zur Erledigung der Vormundschaftsraitung geschritten werden.

[1, 6, § 5] 408. Wären hingegen die Bedenken erheblich, so sollen dieselben nach Ordnung der Raitung ausgezogen, und dem Vormund durch die Vormundschaftsgehörde mit der Auflage zugestellet werde, daß er an einem hierzu anzuberaumenden Tag selbst oder durch einen Anwalt erscheine, und seine Erläuterung darüber mündlich beibringe, um alle schriftliche Weitläufigkeit, so viel möglich zu vermeiden.

[1, 6, § 5] 409. Was nun der Vormund bei der Tagsatzung, wobei er ohne aller Ausflucht entweder selbst oder durch einen Bevollmächtigten zu erscheinen hat, genugsam erläuteret, oder selbst zum Ersatz gutwillig übernimmt, dieses Alles ist ordentlich zu vermerken, und das solcher gestalten Verhandlete von dem Vormund oder dessen Anwalt mit seiner Handunterschrift zu bestätigen, wobei es dann auch sein Verbleiben haben, und da auf diese Art Alles behoben worden wäre, zur schließlichen Erledigung der Vormundschaftsraitung geschritten werden solle.

[1, 6, § 5] 410. Was aber durch mündliche Verhandlung in einer oder mehreren Tagsatzungen nicht behoben werden können, sondern in Widerspruch verblieben, darüber

(1-230) allein solle die schriftliche Verfahrung zugelassen, und zu dem Ende das noch Unbehobene von denen bereits behobenen Anständen abgesönderet und besonders ausgezogen werden.

[1, 6, § 5] 411. Diese unbehobene Anstände und Bedenken sind dem Vormund als förmliche Raitungsmängeln auf eine Frist von vier Wochen zuzustellen, um binnen derselben entweder solche schriftlich zu erläuteren oder in widrigen den bei jedweder Mängelspost zugleich ausgesetzten Vergütungsbetrag ohne aller Erstreckung zu ersetzen.

[1, 6, § 5] 412. Nach Verlauf dieser Frist solle keine Erläuterung mehr angenommen, sondern zur Erledigung geschritten, und der Vormund zum Ersatz deren unerläuterten Mängelsposten ohne weiters angewiesen werden.

[1, 6, § 5] 413. Hätte aber der Vormund binnen dieser Frist eine schriftliche Erläuterung eingebracht, und andurch die Mängeln entweder gänzlich behoben oder in keinem Stuck abgeleinet, so solle keine weitere Schriftwechslung veranlasset, sondern die Verhandlung geschlossen, Dasjenige, was bis dahin verhandlet worden, an einem anzuberaumenden Tag in Gegenwart des Vormunds oder seines Anwalts, bei ihrem Ausbleiben aber von amtswegen beschrieben, Stuck für Stuck vorgemerket, zum Vortrag gebracht und darüber, was Rechtens ist, erkennet werden.

[1, 6, § 5] 414. Würden hingegen die Mängel durch die schriftliche Erläuterung zum Theil behoben und einigermaßen abgeleinet, so ist über das Unbehobene eine fernere Bemänglung auszuziehen, und dem Vormund unter einer abermaligen vierwochentlichen Frist zur schließlichen Erläuterung zuzustellen.

[1, 6, § 5] 415. Wann hierbei an Seiten des Vormunds eine Weisung durch Zeugen vorfiele, so ist denen Waisen ein Rechtsobsorger oder Curator zu bestellen, der sie bei der von dem Vormund verführenden Weisung vertretete.

Die Raithandlung aber ist dieserwegen gar nicht aufzuhalten, sondern wann der Vormund in seiner schließlichen Erläuterung nicht darzeiget, daß die Weisung zu Recht anhängig seie, ohne Vorbehalt, ansonst aber mit Vorbehalt, falls der Vormund mit seiner zu Recht anhängigen Weisung nicht aufkommen würde, auf den Ersatz des ausgestellten Mangels zu erkennen.

[1, 6, § 5] 416. Es ist dahero nach der von dem Vormund eingebrachten schließlichen Erläuterung, es möge eine Weisung durch Zeugen mit unterlaufen oder nicht, die Raithandlung vorbesagter Maßen zu beschließen, und die Rechnung ohne weiters zu erledigen.

[1, 6, § 5] 417. Mit der Vormundschaftsraitung müssen auch die derselben beigelegte besondere Nebenrechnungen zu gleicher Zeit und auf die nämliche Weise untersuchet und erlediget werden. Vornehmlich aber solle bei weitschichtigen Wirthschaftsrechnungen deren Untersuchung eigends bestellten Raithandleren oder anderen verpflichteten, der Landwirthschaft vollkommen kundigen Personen aufgetragen werden.

[1, 6, § 5] 418. Diese haben gleichfalls alles Dasjenige dabei in acht zu nehmen, was bishero bei der Untersuchung der Vormundschaftsrechnungen zu beobachten geordnet worden, hauptsächlich aber darauf zu sehen, ob die Waisengüter und Grundstücke behörig und nutzlich verwaltet worden, und ob nicht die Einnahme in Einem oder dem Anderem erhöhet, die Ausgabe gegentheils verminderet und die Wirthschaft besser empor gebracht, folglich ein größerer Nutzen verschaffet werden könne.

[1, 6, § 5] 419. Zu diesem Ende haben sie nicht nur über die Rechnung selbst, sondern auch vornehmlich über den daraus erhellenden Wirthschaftstrieb ihre Anstände und Bedenken zu entwerfen, dabei aber mit Bescheidenheit fürzugehen, und nicht voreilig auf einen Ersatz anzutragen, wo ihnen die Umstände, warum Dieses oder Jenes unterblieben, oder aus was Ursachen also und nicht anderst vorgekehret worden, nicht bekannt sind, sondern dahero die Erläuterung darüber abzuheischen.

[1, 6, § 5] 420. Was aber dieselben überhaupt zur Verbesserung der Wirthschaft dienlich

(1-231) finden, dieses solle von ihnen kurz und deutlich gefasset, und kein Anlaß zur unnöthigen Weitläufigkeit gegeben werden.

[1, 6, § 5] 421. Derlei Anstände, Bedenken und Erinnerungen haben die Rechnungsaufnehmere vorläufig zu erwägen, ob sie von der Wichtigkeit sind, daß der Vormund hierüber zur Rede gestellet werde, und nach dessen Befund ist vorstehendermaßen zu verfahren, dabei aber nicht nöthig die weitschichtige Wirthschaftsrechnungen in ihrem ganzen Inhalt nach deren von dem Raithandler vorhergegangener Untersuchung zu durchgehen, sondern es kann denen daraus verfaßten Rechnungsauszügen (welche ohnedies einer jeden Wirthschaftsrechnung beiliegen müssen) nachgegangen, und in deren Entgegenhaltung die hervorkommende Anstände beurtheilet werden.

[1, 6, § 5] 422. Bei denen mit der Vormundschaftsraitung erlegten besonderen Handlungs- oder Gewerbsrechnung ist die bereits oben angeordnete Geheimhaltung wohl in acht zu nehmen, und deren Untersuchung und Zusammenhaltung mit denen Handlungsbüchern denen beeidigten Handlungs- oder Gewerbsvorsteheren, in deren Ermanglung aber anderen der Handlung oder des Gewerbs erfahrnen Männern gegen Angelobung an Eidesstatt, daß sie die Untersuchung getreulich nach ihrem besten Wissen und Gewissen und mit der erforderlichen Verschwiegenheit vornehmen wollen, aufzutragen.

[1, 6, § 5] 423. Diese haben sodann ihre Anstände und Bedenken denen Raitungs-Aufnehmeren beizubringen, welche darüber eine Tagsatzung anordnen, die Ausstellere sowohl, als den Vormund, und die Handlungs- oder Gewerbs-Rechnungsführere darzu erforderen, die Anstände durch die Handlungsbücher oder gewechslete Briefe zu beheben, und die Richtigstellung auf die kürzeste und geheimste Art zu bewirken sich bestreben sollen.

[1, 6, § 5] 424. Wäre aber die Richtigkeit einer dergleichen Handlungs- oder Gewerbsrechnung auf vorstehende Weise zu erreichen nicht möglich, so solle über die ausgezogene, unbehobene, von denen schon behobenen eigens abzusönderende Mängeln dem Vormund eine schriftliche Erläuterung auferleget, und nach Erforderniß mit weiterer Bemänglung und schließlicher Erläuterung binnen obausgesetzten Fristen verfahren werden.

[1, 6, § 5] 425. Nach solchergestalten vollbrachter Untersuchung und Aufnehmung der vormundschaftlichen Rechnung mit allen derselben allenfalls beigelegten besonderen Nebenrechnungen ist ohnverweilt zu deren Erledigung zu schreiten. Diese hat mittelst eines hieraus zu verfassenden und dem Vormund zu seinem Richtmaß hinauszugebenden Endauszugs, und zugleich mitzuertheilenden Raitscheins zu geschehen.

[1, 6, § 5] 426. Der Endauszug ist eigentlich die gerichtliche Erkenntniß und Verbescheidung der Vormundschaftsgehörde über die von dem Vormund erlegte und von ihr aufgenommene Vormundschaftsrechnung.

[1, 6, § 5] 427. Ist die Rechnung in allen Stücken richtig befunden worden, so hat der Endauszug dahin zu lauten, daß es bei der erlegten Vormundschaftsraitung sein gänzliches Bewenden habe, und diesemnach der Vormund laut seiner eigenen richtig befundenen Rechnungsverweisung die darinnen enthaltene Posten (welche in dem Endauszug jedesmal namentlich auszusetzen sind) sowohl in dem Vermögen- als in dem Schuldenstand einbringen, und nebst dem sich ergebenden neuen Zuwachs in der folgenden Vormundschaftsraitung weitershin verrechnen solle.

[1, 6, § 5] 428. Hätte aber der Vormund etwas nachzutragen oder aus dem Seinigen zu ersetzen, oder es wäre ihme dagegen aus dem Waisengut etwas zu vergüten, so ist in solchem Fall der Endauszug dergestalten zu fassen, daß derselbe zur Richtigstellung der erledigten Vormundschaftsraitung über Dasjenige, was in seiner Rechnungsverweisung enthalten, und vorgeordnetermaßen in dem Endauszug namentlich auszusetzen ist, annoch jenes, was von ihme nachzutragen ist, in der

(1-232) folgenden Raitung in den Vermögenstand, und, wo er es aus dem Seinigen zu ersetzen hätte, in den baaren Empfang zu bringen schuldig, dagegen aber auch jenes, was etwann aus dem Schuldenstand ausgelassen worden, dahin nachzutragen, und, wo es ihme selbst zu guten ginge, in baare Ausgab zu bringen berechtiget seie.

[1, 6, § 5] 429. Der Raitschein hingegen ist eine gerichtliche Entbindung und Loszählung des Vormunds von aller weiteren Verantwortung wegen der von ihme erlegten, ordentlich aufgenommenen und gerichtlich erledigten Rechnungen, wodurch er, insoweit solche für richtig befunden, oder von ihme dem Endauszug Genügen geleistet worden, wider alle Ansprüche und Anfechtungen dieser Rechnungen halber sicher gestellet wird.

[1, 6, § 5] 430. Zu diesem Ende solle sich in dem Raitschein allemal auf das, was in dem End-Auszug dem Vormund auferleget worden, ausdrucklich bezogen, und alles dieses namentlich darinnen angeführet werden, vor dessen vollständiger Erfüllung der Raitschein den Vormund in deme, was von ihme nach Ausmessung des Endauszugs noch nicht befolget worden, nicht schützen kann.

[1, 6, § 5] 431. Der Endauszug muss nach Ordnung der erlegten Vormundschafts-Raitung verfasset werden, und sind darinnen nicht nur die klare Ersatz- und Vergütungsposten, sondern auch jene auszusetzen, deren Richtigkeit entweder an der noch anhängigen Weisung, oder an der von dem Vormund bei einem für sich habenden halbständigen Beweis angebotenen eidlichen Erhärtung, oder an der erwartenden richterlichen Erkanntniß über einen noch obschwebenden Rechtsstritt, oder an einem sonstigen künftigen Erfolg beruhet, weswegen ihme der Ersatz nur bedingter Weise auferleget, sowie die ihme angebührende Gutmachung zugesprochen werden kann.

[1, 6, § 5] 432. Doch ist nicht allemal, wann ein Mangel ausgestellet, und nicht abgeleinet worden, sofort auf den Ersatz zu erkennen, sondern, wo ein Vormund darzu mit Fug verhalten werden mag, muß der wesentliche Schaden oder entgangene Nutzen an Seiten des Waisen, und die Schuld des Vormunds in dem obbestimmten Grad offenbar oder doch genüglich erwiesen sein, widrigens solle in dem Endauszug bei Ermanglung des Einen oder des Anderen kein Ersatz auferleget werden können.

[1, 6, § 5] 433. Also hat ein Vormund nichts zu ersetzen, wann er etwas eigenmächtig unternommen hat, worzu er die obervormundschaftliche Bewilligung hätte ansuchen sollen, insoferne daraus der Wais keinen Schaden hat, wiewohlen die Beiseitssetzung der Vormundschaftsgehörde nicht ungeahndet zu lassen ist.

[1, 6, § 5] 434. Desgleichen kann ein Vormund deswegen nicht zum Ersatz angehalten werden, weilen er etwas gethan oder unterlassen, was jedoch noch verbesseret, und der Wais somit von allem Schaden befreiet werden kann, obschon er in solchem Fall nicht nur zur Verbesserung des Fehlers erinneret, sondern auch ihme seine Nachlässigkeit verhoben werden solle.

[1, 6, § 5] 435. Noch weniger ist ihme das zum Ersatz zu legen, woran nicht er, sondern jene, welche unter besonderer Verrechnung die Vormundschaftsgeschäften verwaltet, die Schuld tragen.

Doch muss derselbe diese Rechnungsführere über die ihme aus ihren Rechnungen zugekommene Mängeln zur Verantwortung ziehen, und sie bei der anberaumten Tagsatzung zur Erstattung der nöthigen Erläuterung gestellen.

[1, 6, § 5] 436. Ist die von ihnen gegebene Erläuterung hinlänglich, so entfällt der ausgestellte Mangel, und ist auch deshalben der Beamte gegen den Vormund entbunden, wann sonst keine andere bei Gericht nicht vorgekommene Ursach unterwaltet, wegen welcher der Beamte und Rechnungsführer dem Vormund noch insonderheit Red und Antwort zu geben schuldig wäre.

(1-233) [1, 6, § 5] 437. Wann hingegen auch mit Zuziehung des Rechnung legenden Beamten der Mangel nicht behoben worden, sondern zur förmlichen Ausstellung gegen den Vormund gelanget, so ist diesem ferners zugelassen, von dem betreffenden Rechnungsführer hierüber die schriftliche Erläuterung und auf zukommende weitere Bemängelung die schließliche Erläuterung abzuheischen, sodann aber solche mit deme, was er etwann selbst zu seiner eigenen Entschuldigung beizufügen hat, einzubringen.

[1, 6, § 5] 438. Worzu ihme in diesem alleinigen Fall über die anberaumte vierwochentliche Frist noch eine vierzehentägige Nachfrist auf sein Anlangen ertheilet werden mag.

[1, 6, § 5] 439. Bei Erwägung der über einen ausgestellten Mangel verhandleten Nothdurften hat die Vormundschaftsgehörde zu beurtheilen, ob die Schuld an dem Vormund selbst oder an dem rechnungsführenden Beamten erliege. Ersteren Falls ist dem Vormund der Ersatz aus seinem Eigenen aufzuerlegen, letzteren Falls aber aufzutragen, damit er den Rechnungsführer zum Ersatz anhalte.

[1, 6, § 5] 440. Doch ist der Vormund nicht schuldig, dafür zu stehen, er hätte dann an der Eintreibung oder Sicherstellung des Ersatzes etwas, so er füglich thun können, erwinden lassen, oder wissentlich untaugliche Beamten und Rechnungsführere aufgenommen, oder sie bei Befund der Untauglichkeit nicht abgeschaffet, oder in andere Wege sich für dieselben zu haften verfänglich gemacht.

[1, 6, § 5] 441. Ueber dergleichen besondere Rechnungen sind eben so viele besondere Endauszüge zu verfassen, und nebst dem Endauszug über die vormundschaftliche Hauptrechnung der Vormundschaft zuzustellen.

Was aber solchergestalten einmal von der vormundschaftlichen Behörde entschieden worden, deshalb ist der Beamte der Vormund Rechenschaft zu geben nicht mehr schuldig.

[1, 6, § 5] 442. Doch bleibet denen Vormünderen unbenommen, für sich selbst von ihren nachgesetzten Beamten und Rechnungsführeren die Rechnungen aufzunehmen, und mit deren Erledigung auf die in folgendem Capitel vorgeschriebene Art und Weis, so wie es einer jedweden Obrigkeit mit ihren unverraiteten Dienern und Beamten zustehet, zu verfahren.

[1, 6, § 5] 443. Einem jedwedem Endauszug sowohl in Ansehung der vormundschaftlichen Hauptraitung, als der besonderen Nebenrechnungen solle auch jenes beigefüget werden, was sonst dem Vormund zu nutzlicherer Verwaltung der Vormundschaft zu erinneren, und zu seinem künftigen Nachverhalt mitzugeben befunden würde.

[1, 6, § 5] 444. Der Endauszug hat die Kraft und Wirkung eines richterlichen Urtheils, und ist zugleich der Grund zur künftigen Rechnung, welchem, sobald er in Rechtskräften erwachsen ist, der Vormund in denen nächstfolgenden Raitungen vollkommenes Genügen leisten muß, wann nicht ihme nach Umständen oder nach Erheischung einer auf dem Verzug haftenden Gefahr eine kürzere Frist zur Genugthuung anzuberaumen nöthig erachtet worden wäre.

[1, 6, § 5] 445. Es ist aber dem Vormund allerdings gestattet, wann er sich durch den ihme hinausgegebenen Endauszug in einer oder der anderen Post beschweret zu sein findet, in der zur Berufung auf den oberen Richter seines Orts überhaupt ausgesetzten Zeit sich mit deutlicher Bemerkung derenjenigen Posten, bei welchen sich derselbe beschweret zu sein glaubet, an die höhere Gehörde zu verwenden, ohne jedoch andurch den Lauf der weiteren Rechnungen aufzuhalten.

[1, 6, § 5] 446. Wann demnach währender Rechtsanhängigkeit bei dem oberen Richter die Erlagszeit zur Einbringung der nächsten vormundschaftlichen Raitung herankommt, so muß ohnerachtet des an die höhere Gehörde eingewandten Zugs zur Vollständigkeit der Raitung immittelst diesem Endauszug jedoch dergestalten nachgegangen werden, daß in allen denenjenigen Posten, worüber sich von dem Vormund

(1-234) beschweret worden, der ergriffene weitere Rechtszug und die zur gewarten habende Erkanntniß des höheren Richters vorbehalten bleibe.

[1, 6, § 5] 447. Nach dieser Erkanntniß hat sich der Vormund schließlichen zu richten, also, daß wo der Endauszug von dem oberen Richter abgeänderet, und der Vormund ganz oder zum Theil von dem Ersatz entbunden worden wäre, dieser nur Dasjenige, was er nach dem oberrichterlichen Ausspruch zu ersetzen hat, bei denen nächstkünftigen Rechnungen in baaren Empfang zu nehmen, wovon er aber losgesprochen worden, nur durchlaufend in Empfang zu stellen, bei dem Schuldenstand hingegen mit Beilegung des oberrichterlichen Ausspruchs in baare Ausgab zu bringen habe.

[1, 6, § 5] 448. Wann hingegen der Endauszug von dem oberen Richter bestätiget worden, hat es bei dem auferlegten Betrag des Ersatzes sein Bewenden, und ist noch über das auch jenes, was etwann an Zinsen, Schäden und Unkosten denen Waisen bei der höheren Gehörde zugesprochen worden, bei der nächstfolgenden Rechnung in baaren Empfang zu nehmen.

[1, 6, § 5] 449. Der einem Vormund gestattete Zug an den oberen Richter ist auch einem nachgesetzten Beamten und Rechnungsführer nicht verschränket, welcher sich in dem über seine besondere Nebenrechnungen hinausgegebenen Endauszug beschweret zu sein glaubet, und hat in Ansehung deren über derlei Nebenrechnungen fertigenden Endauszügen alles Dasjenige statt, was von dem Endauszug über die Vormundschafts-Rechnungen bishero geordnet worden.

[1, 6, § 5] 450. Gleichwie aber ein zu Rechtskräften erwachsener, oder von dem oberen Richter bestätigter Endauszug, und der damit übereinstimmende Raitschein den Vormund von weiterer Verfänglichkeit nicht anderst entbinden kann, als bis von ihme allem Demjenigen, was demselben darinnen zum Ersatz auferleget worden, vollkommenes Genügen geschehen, also hat hingegen nach geleisteter Genugthuung ein derlei Endauszug die Wirkung, daß dagegen weder an Seiten der Waisen, noch an Seiten des Vormunds etwas weiter gereget werden könne.

[1, 6, § 5] 451. Doch sind nichtsdestoweniger gewisse Fälle ausgenommen, welche insgemein Vorbehaltsfälle von daher genennet zu werden pflegen, weilen, wann immer ein dergleichen Fall hervorkommet und genugsam erwiesen wird, sowohl dem Waisen gegen dem Vormund, als diesem gegen jenen der angebührende Ersatz oder Vergütung durch das Gesatz selbst vorbehalten bleibet.

[1, 6, § 5] 452. Diese Fälle sind:

Erstens: Ein klarer Rechnungsverstoß, wann ein Betrag irrig angesetzet, oder in Zusammenziehung mehrerer Posten, oder in Abziehung einer von der anderen, oder in sonstiger Rechnungsart geirret worden, welcherlei Irrthum zu verbesseren zu allen Zeiten freistehen solle.

[1, 6, § 5] 453. Zweitens: Die Auslassung aus dem Vermögenstand, wann der Vormund bei dem Vermögenstand aus Irrthum oder Vergessenheit etwas in Empfang zu nehmen unterlassen hätte, welches ihme doch als ein Waisengut erweislich übergeben, oder zu Handen gekommen wäre.

[1, 6, § 5] 454. Drittens: Die irrsame Ansetzung in dem Schuldenstand, wann der Vormund bei dem Schuldenstand aus bloßer Beirrung etwas, was er nicht bezahlet, in baare Ausgab gebracht, oder etwas, so er erweislich bezahlet, nicht in Ausgab geleget, oder auch etwas, so er doch erweislich niemalen erhalten, aus Irrthum in Empfang genommen hätte, ohne es hinwiederum in der Ausgab durchzuführen.

[1, 6, § 5] 455. Derlei menschliche Fehler sollen Niemandem zum Schaden gereichen, sondern zu allen Zeiten verbesseret werden können; dahingegen solle auch kein Theil mit Schaden des Anderen hieraus einen Vortheil ziehen, sondern Alles, was aus Anlaß eines solchen Fehlers, folglich ohne rechtmäßiger Ursach bei dem

(1-235) Vormund von dem Gut der Waisen, oder bei diesen von dem Gut des Vormunds zur Ungebühr geblieben, einem von dem anderen Theil mit allen behobenen Nutzungen, welche nicht immittelst von dem in hinlänglich erwiesenen Irrthum befangenen Besitzer mit guten Glauben verzehret worden, ersetzet und zuruckgestellet werden.

[1, 6, § 5] 456. Was hingegen ein Vormund von dem Waisengut wissentlich zuruckgehalten, unterschlagen, oder wie sonst immer aus Arglist und Gefährde erweislich an sich gezogen hat, dieses hat derselbe zu allen Zeiten, wann immer eine solche Veruntreuung auf ihn erwiesen wird, mit allen daraus behobenen noch vorhändigen und verzehrten, wie auch zu beheben gewesten, obschon von ihme nicht eingehobenen Nutzungen, dann Schäden und Unkosten denen Waisen zu ersetzen, und ist über das nach Schwere der begangenen Gefährde empfindlich zu bestrafen.

[1, 6, § 5] 457. Was bishero von Verfassung, Aufnehmung und Erledigung deren Vormundschafts-Raitungen geordnet worden, leidet bei geringen Vormundschaften geringer Leuten einen Abfall, wo das Vermögen der Waisen nicht beträchtlich, und auch nicht leicht einer Unordnung und Verwirrung unterworfen wird.

[1, 6, § 5] 458. In solcherlei Fällen lassen Wir es bei der unter diesen Leuten gewöhnlichen und den Begriff des gemeinen Volks nicht übersteigenden Raitungs- und Verfahrungsart gnädigst bewenden, nach welcher an deme genug ist, daß der Empfang und die Ausgab getreulich und ordentlich verzeichnet, wo es nöthig, beleget oder mit glaubwürdiger Aussage vor Gericht bestätiget, und das zur künftigen Verrechnung verbleibenden Vermögen, Barschaft und Vorrath vollständig ausgewiesen, sodann aber bei der Aufnahme und Erledigung derlei Rechnungen auf die leichteste und schleunigste Art verfahren werde.

[1, 6, § 5] 459. Wobei jedoch die Vormundschaftsgehörde darauf zu sehen hat, ob das Waisengut in Sicherheit seie, ob solches behörig genutzet, die Ausgaben gemäßiget, und ob von einem Raitungserlag zum anderen das Vermögen der Waisen erhalten, vermehret oder verminderet werde?

[1, 6, § 5] 460. Damit aber die Einfalt nicht zum Deckmantel einer ungetreuen Verwaltung mißbrauchet werde, solle bei Aufnehmung der Rechnung der Vormund über Alles, wo sich ein Zweifel oder Anstand ereignen kann, zur Red gestellet, der Stand des Waisenguts nicht allein von dem Vormund genau erforschet, sondern auch von anderwärts die erforderliche Nachricht eingeholet, wo es nöthig, der Augenschein eingenommen und nichts unterlassen werden, wodurch die Verwaltungsgebrechen entdecket, verbesseret, der Schaden ersetzet, deme in Zukunft vorgebogen, und der Nutzen der Waisen, so viel immer möglich, beförderet werden könne. Worüber der erhobene Befund in dem Waisenbuch jedesmal fleißig anzumerken, und dem Vormund hieraus ein Auszug in Kraft eines förmlichen Endauszugs und Raitscheins zu seiner Sicherheit und Nachachtung hinausgegeben ist.

§. VI.

[1, 6, § 6] 461. Gleichwie das beschwerliche Amt der Vormundschaft mit vieler Mühewaltung und Verantwortung begleitet ist, also erheischet auch die Billigkeit,

(1-236) daß getreue und emsige Gerhaben und Vormündere für ihre Mühe, Fleiß und Sorgfalt belohnet werden.

(1-237) [1, 6, § 6] 462. Diese Belohnung solle jederzeit nach der klaren Ertragniß des Waisenguts dergestalten abgemessen werden, damit selbe bei der ergiebigeren Einkünften reichlicher,

(1-238) dahingegen bei minderer Ertragniß desto mäßiger ausfalle, niemahlen aber, wo die Einkünften nicht zureichen, das Vermögen der Waisen andurch verminderet werde.

[1, 6, § 6] 463. Die Ausmessung dieser Belohnung hanget demnach allemahl von dem Befund der Vormundschaftsgehörde ab.

Wir wollen jedoch in jenen Landen, allwo solche bishero bei Vormundschaften der Landleuten durch die vorige Gesetze bis zu denen darinnen bestimmt gewesten Vogtbarkeitsjahren der Waisen auf den sechsten Theil der klaren Ertragniß des Waisenguts, von dieser Zeit aber für die noch übrige Jahre der Minderjährigkeit bis zu erfüllten vierundzwanzigsten Jahr auf den zwölften Theil für jedwedes Jahr bestimmt ware, es auch in Zukunft bei diesem Sechstel und Zwölftel da, wo die jährliche klare Ertragniß sich nicht über dreißigtausend Gulden erstrecket, gnädigst bewenden lassen.

[1, 6, § 6] 464. Unter der klaren Ertragniß aber wird nur jenes verstanden, was nach Abzug aller laufenden Ausgaben, als Steuern und Gaben, Grundschuldigkeiten, Zinsen von Schulden, wittiblichen und anderen Unterhaltsgeldern, Wirthschafts- und nöthigen Bauauslagen, jährlichen Bestallungen, Gerichts-, Reise-, dann vormundschaftlichen Rechnungsunkosten, und anderen dergleichen alljährlich nach dem ordentlichen Verwaltungs- und Wirthschaftslauf mehr oder weniger vorfallenden unausweichlichen Ausgaben, wie auch des Unterhalts und standmäßiger Erziehung der Waisen als klarer Nutzen erübriget wird.

[1, 6, § 6] 465. Es möge solches in baarem Geld vorhanden, oder zur Tilgung der Waisenschulden, Anlegung neuer Capitalien, Erkaufung einiger Gründen aber wie sonst immer über den ordentlichen Verwaltungs- und Wirthschaftstrieb zum Nutzen und Wohlstand der Waisen mit Verwilligung der Vormundschaftsgehörde angewendet worden sein.

[1, 6, § 6] 466. Was hingegen dem Vermögen der Waisen nicht aus dessen Fruchttragung

(1-239) oder anderen davon abfallenden Einkünften, sondern von anderwärts, als durch Erbschaft, Vermächtniß, Schankung oder wie sonst immer zugehet, wodurch dasselbe vergrößeret wird, dieses ist in die Berechnung des Sechstels oder Zwölftels nicht einzuziehen, obschon durch die davon eingehende Zinsen und Nutzungen so ein als anderes in vorstehender Maß vermehret werden kann.

[1, 6, § 6] 467. Desgleichen können auch Ausstände, obschon dieselben sicher und unfehlbar wären, Vorräthe, und was entweder noch weiter zu verrechnen ist, oder als ein Bestand von der vorhergehenden Rechnung herrühret, in keine Berechnung des Sechstels oder Zwölftels kommen.

[1, 6, § 6] 468. Doch leidet dieses bei der letztjährigen Schlußrechnung des Vormunds eine Ausnahme, maßen in solchem Fall auch auf diese Vorräthe und sichere Ausstände, welche erst künftig in baaren Empfang zu gelangen haben, in Ausmessung des Sechstels oder Zwölftels die Rücksicht genommen werden muß, damit dem abtretenden Vormund seine angebührende Belohnung davon nicht entgehe.

[1, 6, § 6] 469. Wiewohl aber demselben von deme, was zur Zeit noch nicht zu Geld gemacht oder noch nicht eingegangen, die baare Bezahlung nicht zugesprochen werden kann, so hat jedoch die Vormundschaftsgehörde entweder zu seiner Sicherheit in dem Endauszug die Verwahrung beizufügen, daß er bei dereinstiger Einbringung dieser Ausstände oder Verschleiß der Vorräthen das ihme davon gebührende Sechstel oder Zwölftel erhalten solle, oder aber nach Umständen ein billiges Abkommen auf etwas Gewisses hierwegen mit ihme zu treffen.

[1, 6, § 6] 470. Und zumalen ein Zweifel sich in deme ergeben könnte, ob an denen von jener Zeit, wo dem Vormund das Sechstel gebühret hätte, herrührenden Ausständen und Vorräthen, wann solche nachhero zur Zeit, als er nur das Zwölftel zu forderen hat, eingehen, oder zu Geld gemacht werden, ihme das Sechstel oder Zwölftel zuzuerkennen seie, so wollen Wir zu Behebung aller künftigen Anständen solchen dahin entschieden haben, daß dem Vormund in diesen Fällen allemal das Sechstel zugesprochen werden solle, wann seinerseits in Eintreibung deren Ausständen oder dem Verschleiß der Vorräthen kein geflissentlicher Saumsal zum Schaden der Waisen unterlaufen ist.

[1, 6, § 6] 471. Dieses Sechstel oder Zwölftel gebühret dem Vormund ohne Unterschied, ob das Vermögen der Waisen an liegenden Gütern, oder an verzinslich angelegten Geldern, oder anderen trockenen Gefällen, oder an was sonsten bestehe, und ob dessen Mühewaltung schwerer oder leichter seie, dann ob viel oder wenig an der klaren Ertragniß erübriget werde, wann solche nur dreißigtausend Gulden nicht übersteiget.

Wo aber gar nichts übrig bleibt, hat auch das Sechstel oder Zwölftel nicht statt.

[1, 6, § 6] 472. Kein Vormund ist jedoch befugt, sich dieses Sechstel oder Zwölftel eigenmächtig zuzueignen, bevor ihm dasselbe nicht von der Vormundschaftsgehörde in dem Endauszug zugesprochen, und solches in Ausgab zu bringen verwilliget worden.

[1, 6, § 6] 473. Es lieget ihm dahero ob, bei Erlag der jährlichen Raitung einen ordentlichen Ueberschlag von dem Betrag des vormundschaftlichen Sechstels oder Zwölftels nach den oben vorgeschriebenen Maßregeln zu verfassen und solchen der Rechnung beizulegen, dann hierüber die richterliche Erkanntniß abzuwarten.

[1, 6, § 6] 474. Diesen Ueberschlag solle die Vormundschaftsgehörde durch die bestellte Raithandlere oder Rechnungsaufnehmere untersuchen lassen, und nach Befund entweder so viel, als der Vormund hieran angesetzet, ihme in dem Endauszug, um solches in künftiger Rechnung in Ausgab zu legen, zusprechen oder nach dem eigentlichen Betrag mäßigen.

[1, 6, § 6] 475. Nichtsdestoweniger ist dem Vormund gestattet, nicht allein währendem

(1-240) Raitungserlag und Aufnahme sich an dem baaren Geldvorrath für dem Betrag der angesetzten Belohnung bis zum Erfolg des gerichtlichen Endauszugs zu halten, sondern auch nach dessen Habhaftwerdung sich mit so viel, als ihme hieran zuerkannt worden, aus der bei dem Rechnungsschluß vorhanden gebliebenen, oder nachher eingehenden Barschaft ohne Nachwartung bezahlt zu machen.

[1, 6, § 6] 476. Welches auch in jenem Fall statt hat, wann gleich der Vormund durch den Endauszug zu einigem Ersatz angewiesen wurde, in welchem Fall nicht nöthig ist, deswegen von der vormundschaftlichen Belohnung etwas abzuziehen, sondern die Richtigkeit wird dadurch hergestellet, daß der Vormund dagegen den Betrag des auferlegten Ersatzes in der künftigen Rechnung ordentlich in Empfang zu bringen schuldig ist.

Es hätte dann die Vormundschaftsgehörde bei Ermanglung anderweiter Sicherheit nothwendig zu sein befunden, sich an der vormundschaftlichen Belohnung des zu leisten habenden Ersatzes halber zu halten, und solches in dem Endauszug namentlich ausgedrucket.

[1, 6, § 6] 477. Würde hingegen der Vormund bei deme, was ihme in dem Endauszug an dem angesetzten Sechstel oder Zwölftel zugesprochen worden, nicht beruhen wollen, so ist ihme unbenommen, binnen vierzehen Tagen von der ihme kundgemachten richterlichen Erkanntniß seine Beschwerde auch außer der Ordnung bei dem höheren Richter anzubringen.

[1, 6, § 6] 478. Wann jedoch das Vermögen der Waisen an jährlicher klarer Ertragniß mehr dann dreißigtausend Gulden abwirft, so solle Uns allein vorbehalten sein, die vormundschaftliche Belohnung nach Umständen jedesmal auszumessen.

[1, 6, § 6] 479. In allen anderen Landen aber, wo durch die vorige Gesetze nichts Gewisses zur vormundschaftlichen Belohnung festgesetzet ist, sondern deren jedesmalige Bestimmung von dem richterlichen Ermessen abhanget, solle es auch fernershin dabei sein Verbleiben haben, und die Belohnung jederzeit mit Mäßigung und Sparsamkeit ausgeworfen werden.

[1, 6, § 6] 480. Zu diesem Ende hat die Vormundschaftsgehörde, wann der Vormund bei Erlag der Raitung hierum geziemend anlanget, nicht allein auf die Ertragniß des Waisenguts, sondern vornehmlich auch auf die Beschaffenheit der Vormundschaft, mehrere oder wenigere Mühewaltung des Vormunds, die Kräften des Vermögens, und andere zu betrachten billige Umstände zu sehen, und eine denenselben angemessene Belohnung zuzusprechen, welche zwar nach Befund der Umständen weniger, niemalen aber ein Mehreres, als das oben ausgesetzte Sechstel oder Zwölftel nach dem Unterschied der Unvogtbarkeit oder Minderjährigkeit der Waisen betragen kann und solle.

[1, 6, § 6] 481. Wäre die ausgeworfene Belohnung zu gering oder zu übermäßig, so solle wie ersteren Falls dem Vormund, also auch im letzteren Fall denen Befreundten der Waisen freistehen, sich bei höherer Gehörde außerordentlich hierwegen zu beschweren.

[1, 6, § 6] 482. Wann aber das Vermögen der Waisen so gering ist, daß von dessen klarer Ertragniß ein gar Weniges in jährliche Ersparniß falle, so solle dem Vormund nicht bei jedesmaliger Raitungserledigung die Belohnung zuerkannt werden, sondern er ist immittelst die Vormundschaft bis zu Ende derselben unentgeltlich zu führen schuldig.

[1, 6, § 6] 483. Falls sodann nach Erledigung der Vormundschaft befunden würde, daß der Vormund in Allem die Richtigkeit gepflogen, und gleichwohlen einen kleinen Vermögenszuwachs für die Waisen erübriget, oder mit besonderer Mühe und Fleiß ihr Vermögen bis dahin unverminderet erhalten, oder durch gute Erziehung und Anleitung die Waisen in den Stand gesetzet habe, ohne Schmälerung ihres Vermögens sich selbst künftighin einen ehrbaren Unterhalt zu


(1-241) verschaffen, so ist ihme eine mäßige Erkenntlichkeit von der Vormundschaftsgehörde zuzusprechen.

[1, 6, § 6] 484. Ueberhaupt erforderet die Billigkeit, daß, wo es wegen Unzulänglichkeit der Vermögensumständen nicht thunlich ist, getreue und fleißige Vormündere nach Maß ihrer Bemühung zu belohnen, die Vormundschaftsgehörden bedacht sein sollen, ihnen auf andere Weis einige Vergeltung zu verschaffen, und zu dem Ende denenselben bei sich ereignender Gelegenheit eine oder andere vermöglichere Vormundschaft, wovon sie sich einer ergiebigeren Belohnung getrösten können, zukommen zu lassen.

§. VII.

[1, 6, § 7] 485. Die Vormundschaft endiget sich entweder an Seiten der Waisen oder an Seiten des Vormunds. An Seiten der Waisen hat dieselbe ihr Ende durch Absterben der Waisen, oder Ablegung feierlicher Ordensgelübde, durch deren

(1-242) Annehmung an Kindesstatt, durch Erreichung der Großjährigkeit und bei Gewerbs- und Handelsleuten niederen Standes, durch Erreichung der Vogtbarkeit, dann endlich durch Nachsicht des Alters.

[1, 6, § 7] 486. Wann ein Wais mit Tod abgehet, oder in einem geistlichen Orden die feierliche Gelübde ableget, wird zwar andurch die Vormundschaft über denselben geendiget, doch hat der Vormund das nachgebliebene Vermögen insolange zu besorgen, bis daß es Denenjenigen, welchen es von Rechts wegen zuzukommen hat, eingeantwortet werden kann.

(1-243) [1, 6, § 7] 487. Würde das Vermögen nach dem Verstorbenen anderen unter der nämlichen Vormundschaft stehenden Waisen erblich anfallen, so hat auch solches unter der Verwaltung eben desselben Vormunds weitershin zu verbleiben, und hanget es von dem Befunde der Vormundschaftsgehörde, welcher der Vormund den Todesfall unverlängt anzuzeigen hat, ab, ob dieser denen übrigen Waisen zugefallene Erbtheil unter ihnen getheilet, oder annoch ungetheilt in der Gemeinschaft belassen werden solle.

[1, 6, § 7] 488. Falls aber die Verlassenschaft nebst denen übrigen unter der nämlichen Vormundschaft stehenden Waisen zugleich auch entweder großjährigen, oder zwar noch minderjährigen, doch aber nicht unter dieser, sondern unter anderer Vormundschaft befindlichen Miterben zufiele, so muß die Theilung, sobald solche geschehen kann, ohne Verzug gerichtlich vorgenommen werden, und hat nur so viel unter der Verwaltung des Vormunds zu verbleiben, als davon nach der Theilung auf die übrige unter seiner Vormundschaft stehende Waisen gelanget.

[1, 6, § 7] 489. Durch Annehmung eines Waisen an Kindsstatt endiget sich die Vormundschaft dergestalten, daß der an Kindsstatt Angenommene bis zu seiner Großjährigkeit aus der Vormundschaft seines bisherigen Vormunds in die Gewalt oder Vormundschaft seines Wahlvaters übertritt.

[1, 6, § 7] 490. Die gemeinste Art der Beendigung einer Vormundschaft ist, wann die Waisen die Großjährigkeit erreichen, welches damals geschieht, wann sie das vierundzwanzigste Jahr ihres Alters völlig erfüllet haben.

[1, 6, § 7] 491. Dahingegen wird durch Erreichung er Vogtbarkeit allein die Vormundschaft insgemein nicht geendiget, sondern auch die vogtbar geworbene Waisen haben, so lange sie minderjährig sind, unter der Vormundschaft zu bleiben.

[1, 6, § 7] 492. Doch hat die Vogtbarkeit, die oben in §. IV von num. 243 bis num. 251 beschriebene rechtliche Wirkungen, außer welchen übrigens in allen anderen Handlungen die Minderjährige denen Unvogtbaren gleich zu halten sind, und ebenso wie diese zur Giltigkeit ihrer Verbindungen den vormundschaftlichen Beistand nöthig haben.

[1, 6, § 7] 493. Es hat dahero der Vormund nicht weniger wie bei Unvogtbaren auf ihr Thun und Lassen obacht zu tragen, sie mit allen Nöthigen nach obervormundschaftlicher Ausmessung zu versehen, ihnen zu Wissenschaften und standesgemäßen Uebungen oder Hantierungen die Anleitung zu geben, oder durch Andere zu verschaffen, ihre gute oder üble Aufführung zu beobachten, von letzterer sie bescheidentlich abzumachen, und, da dieses nicht verfinge, ihr unanständiges Betragen der Vormundschaftsgehörde zur ernstlichen Einsicht zeitlich anzuzeigen.

[1, 6, § 7] 494. Desgleichen währet die vormundschaftliche Verwaltung des Vermögens der Minderjährigen eben also, wie in der Unvogtbarkeit, fort, wobei aber der Vormund hauptsächlich dahin zu trachten hat, damit der Minderjährige nach und nach geschickt gemacht werde, sein Vermögen bei erreichender Großjährigkeit selbst nutzlich zu verwenden.

[1, 6, § 7] 495. Zu diesem Ende solle denen Minderjährigen von der Beschaffenheit ihres Vermögens, von denen dabei vorfallenden Ankehrungen, Wirthschaftseinrichtungen, Verbesserungen, Haftungen und Beschwerden, zustoßenden Schäden, Strittigkeiten und Rechtsvertheidigungen, und überhaupt von Allem, was ihnen zum nöthigen oder nutzlichen Unterricht und dereinstiger Warnung gereichen kann, kein Geheimniß gemacht, sondern vielmehr ihr eigener Begriff darüber zum öfteren geprüfet, ein besserer beigebracht und alle nöthige Anleitung auf künftige Fälle gegeben werden, welche sie zur dereinstigen nutzlichen und wirthschaftlichen Verwaltung des Ihrigen geschickt und tauglich mache.

[1, 6, § 7] 496. Die Minderjährigen aber sollen hierbei alle Aufmerksamkeit bezeigen, ohne sich jedoch in die vorfallende Geschäften einzumischen, oder dem Vormund

(1-244) darinnen hinderlich zu fallen, oder zuwider zu sein, wie dann Wir in dieser Absicht den Vormund darzu verbunden haben wollen, bei Erlag der jährlichen Raitungen der Vormundschaftsgehörde allemal besonders anzuzeigen, wie selbe sich in dem Begriff der Wirthschaft anlassen, wie ihre Aufführung beschaffen seie, und ob sie sich unachtsam oder widerspänstig gegen seine Anleitungen bezeigen?

[1, 6, § 7] 497. Um damit jedoch die Minderjährigen nach und nach zur ordentlichen Haushaltung angewöhnet werden, und die Kennzeichen der von ihnen zu gewarten habenden guten oder üblen Wirthschaft sich desto deutlicher veroffenbaren, solle der Vormund denenselben von Zeit zu Zeit nicht allein von denen für sie gewidmeten Unterhaltsgeldern nach seiner Bescheidenheit mehr oder weniger zu ihren Handen ausfolgen, und auf dessen behöriger Verwendung besonders obacht haben, sondern auch, wo es die Kräften des Vermögens zulassen, von ihren Einkünften nach obervormundschaftlichen Ermessen etwas zu ihrer freien Verwendung abreichen, und hierauf, wie selbe sich dessen gebrauchen, ohne daß sie es vermerken, fleißige Aufsicht tragen, um nach Beschaffenheit ihrer Gebarung die ihnen eingestandene Freiheit zu erweiteren oder einzuschränken.

[1, 6, § 7] 498. Wann ein Minderjähriger bereits mit Bewilligung der Gehörde verehelichet wäre, oder schon in einem öffentlichen Amt oder Bedienstung stünde, oder der Wohlstand es sonst aus anderen Ursachen erforderete, so solle ihme die Führung seiner eigenen Haushaltung nach Maß des ihme von der Vormundschaftsgehörde ausgeworfenen Unterhaltsbetrags überlassen werden.

[1, 6, § 7] 499. Würde aber der Vormund bemerken, daß die Barschaft unnütz verwendet werde, und die Bezahlung der nothwendigen Bedürfnissen in Ruckstand gerathe, so hat derselbe solches der Gehörde zeitlich anzuzeigen, damit der Minderjährige nach erheischenden Umständen in der freien Gebarung beschränket, und der besorglichen Einschuldung durch dienliche Wege vorgebogen werde.

[1, 6, § 7] 500. Durch die Heirath allein, wann gleich solche mit Bewilligung der Gehörde geschehen, wird kein Minderjähriger, noch weniger ein Unvogtbarer von der Vormundschaft entlediget, obschon ihme in solchem Fall zu seinem und der Seinigen Unterhalt ein ergiebigeres Auskommen von der Vormundschaftsgehörde auszumessen ist.

[1, 6, § 7] 501. Wann aber eine minderjährige oder noch unvogtbare Weibsperson mit Vorwissen und Bewilligung der Vormundschaftsgehörde sich verehelichet, fällt sie bis zur erreichenden Großjährigkeit unter die Vormundschaft ihres Ehegattens, wann dieser bereits großjährig ist, deme sofort der bis dahin geweste Vormund die Vormundschaft abzutreten und zugleich die Verwaltung ihres Vermögens zu übergeben hat, welche derselbe mit eben der Verbindlichkeit, wie ein jedweder anderer Vormund, jedoch ohne einiger Belohnung, statt welcher er sich mit deme, was ihme in dem Heirathsbrief verschrieben worden, zu begnügen hat, zu führen schuldig ist.

[1, 6, § 7] 502. Wäre hingegen derselbe noch minderjährig, obschon Wir ihme die Nachsicht des Alters ohne solche namentlich auf diese Vormundschaft zu erstrecken, ertheilet hätten, oder ihme sonst die freie Verwaltung seines eigenen Vermögens beschränket, so hat das Vermögen seiner minderjährigen oder noch vogtbaren Ehegattin unter der Verwaltung des bis dahin gewesten oder neu zu bestellenden Vormunds zu verbleiben, bis daß der Mann die Großjährigkeit und somit die Vormundschaft über dieselbe erlange, oder sie selbst großjährig werde.

[1, 6, § 7] 503. Würde aber der Mann, unter dessen Vormundschaft seine minderjährige oder noch unvogtbare Ehegattin gestanden, vor deren erreichter Großjährigkeit versterben, so ist der minderjährigen, oder noch unvogtbaren Wittib ein anderer Vormund zu bestellen.

[1, 6, § 7] 504. Damit jedoch Jemand für großjährig geachtet werde, und die Macht

(1-245) mit dem Seinigen frei zu schalten und zu walten erlange, ist an der Erfüllung des vierundzwanzigsten Jahrs nicht genug, sondern er muß beinebst von Gericht aus für großjährig erkläret, und ihme sein Vermögen eingeantwortet werden, welches die Vormundschaftgehörde sogleich, als Jemand die ausgesetzte Jahre hat, wann sonst keine erhebliche Ursachen entgegenstehen, ohne weiters zu veranlassen hat.

[1, 6, § 7] 505. Derlei erhebliche Bedenken sind, wann Jemand währender Minderjährigkeit deutliche Kennzeichen einer üblen Wirthschaft von sich gegeben hätte, und es dahero ohne seinem besorglichen Verfall nicht rathsam wäre, ihme die freie Hand über sein Vermögen zu lassen.

[1, 6, § 7] 506. In welchem Fall mit der Erklärung der Großjährigkeit und Einantwortung des Vermögens Anstand genommen, zugleich aber dieser Vorfall mit allen Ursachen der nöthig findenden Zuruckhaltung unverlängt Uns angezeiget und Unsere höchste Entschließung darüber abgewartet werden solle.

Wo es sodann bei Uns beruhen wird, die Vormundschaft annoch auf eine Uns gefällige weitere Zeit hinaus zu erstrecken.

[1, 6, § 7] 507. Wir wollen jedoch von der Nothwendigkeit der zur selbsteigenen Schalt- und Waltung mit dem Seinigen für insgemein erforderlichen Großjährigkeit die Gewerbs- und Handelsleute niederen Standes in Städten und Märkten, wie auch das gemeine Landvolk gnädigst entbunden und hiermit verordnet haben, daß, wann selbe nach erreichten vogtbaren Jahren einer burgerlichen Nahrung, Gewerb, Handlung oder Hantierung selbst vorzustehen fähig befunden werden, sie keiner Nachsicht des Alters nöthig haben, sondern denen Vormundschaftsgehörden für allgemein die Macht eingeraumet sein solle, nach Befund der Tauglichkeit solcher junger Leuten auf deren, oder ihrer Befreundten oder Vormünderen Ansuchen selbst fürzugehen und ohnerachtet der noch fürwährenden Minderjährigkeit die Einantwortung des Vermögens zu veranlassen.

[1, 6, § 7] 508. Es solle aber der Vormund des Minderjährigen, wann er nicht selbst darum anhält, allemal vorhero darüber vernommen und beinebst genugsame Zeugniß beigebracht werden, daß der Minderjährige ehrbaren und bescheidenen Wandels, und zur vorhabenden Handlung, Gewerb oder anderen burgerlichen Nahrung, worzu die eigene Schaltung mit dem Seinigen und die Freiheit sich zu verbinden erforderlich ist, fähig seie.

[1, 6, § 7] 509. Wann nun die Vormundschaftsgehörde denselben zu diesem Gewerb oder Nahrung zuzulassen befindet, so hat sie ihme sein Vermögen ohne weiters einzuantworten, dabei jedoch auf das Betragen solcher junger Leuten ein wachsames Aug zu halten, und bei wahrnehmender Unwirthschaft in Zeiten solche Vorkehrungen zu treffen, damit ihrem weiteren Verfall vorgebogen werde.

[1, 6, § 7] 510. Diese gerichtliche Einantwortung macht der über sie bestellt gewesten Vormundschaft ein Ende, und sie erlangen andurch die Fähigkeit zu allen Handlungen und Verbindungen, zu deren Giltigkeit sonst bei Anderen die Großjährigkeit oder eine Besondere Nachsicht des Alters erforderet wird.

[1, 6, § 7] 511. Nur zur Vormundschaft über ihre minderjährige oder noch unvogtbare Weiber sind sie vor erreichter Großjährigkeit nicht fähig, sondern diese beharren bis dahin unter ihrer vorigen Vormundschaft.

Wo sie aber schon vogtbar sind, und an dem Gewerb ihres Manns mit gerichtlicher Verwilligung Antheil nehmen, so ist ihnen ohnangesehen ihrer Minderjährigkeit ihr Vermögen einzuantworten, und kann auch ihnen in diesem Fall nach dem Tod des Manns die Vormundschaft über ihre Kinder zu Fortsetzung der Nahrung, jedoch mit Beigebung eines gewerbsverständigen Mitvormunds aufgetragen werden.

[1, 6, § 7] 512. Endlich endiget sich die Vormundschaft an Seiten der Waisen durch

(1-246) die von Uns aus landesfürstlicher Machtsvollkommenheit Jemandem ertheilte Nachsicht des Alters, welchem Falls sich nach dem Inhalt Unserer Verleihung zu achten, und hiernach die Einantwortung des Vermögens mit denen allenfalls darinnen enthaltenen Einschränkungen zu veranlassen, forthin aber auf seine Gebarung fleißig acht zu tragen, und bei Verspürung eines üblen Gebrauchs dieser ihme verliehenen Gnade der besorgliche Verfall seines Vermögens Uns von der Gehörde allsogleich anzuzeigen ist, um die nöthig ermessende Vorsehung treffen zu mögen.

[1, 6, § 7] 513. Außer diesen Fällen entweder einer von Uns erwirkten Nachsicht des Alters oder der bei Personen minderen Standes und gemeinen Leuten von der Vormundschaftsgehörde befundenen, selbsteigenen Nahrungs- oder Gewerbsfähigkeit solle keinem Minderjährigen sein Vermögen einantwortet, sondern dessen Verwaltung von dem Vormund fortgesetzet werden.

[1, 6, § 7] 514. Solange aber auch bei schon Großjährigen die Einantwortung des Vermögens nicht erfolget, ist ein solcher, obschon nach dem Alter großjährig Gewordener, oder zur eigenen burgerlichen Nahrung tüchtig Befundener, oder von Uns mit der Nachsicht des Alters Begnadigter forthin einem Minderjährigen gleich zu halten, mithin zu einigerlei Verbindungen unfähig.

[1, 6, § 7] 515. Was bishero von der Großjährigkeitserklärung und Einantwortung des Vermögens geordnet worden, ist nur von solchen Minderjährigen zu verstehen, die ein unter vormundschaftlicher Verwaltung befindliches Vermögen haben, maßen in dessen Ermanglung nichts eingeantwortet werden kann, folglich auch keine vorläufige Großjährigkeitserklärung nöthig ist, sondern gleichwie derlei unvermögliche Waisen nach erreichter Vogtbarkeit für die Erwerbung ihres Unterhalts selbst zu sorgen haben, und dem Schicksal ihres Fortkommens überlassen bleiben, also hat auch die weitere Vormundschaft ihr Ende, und sie sind an der Giltigkeit ihrer Verbindungen nicht gehemmet.

[1, 6, § 7] 516. An Seiten des Vormunds endiget sich die Vormundschaft durch

(1-247) dessen Tod, wegen dessen Unfähigkeit oder rechtmäßiger Entschuldigung, wegen übler Verwaltung und daher auf sich ladendem Verdacht, und endlich aus Anordnung des Gesetzes oder des Erblassers.

[1, 6, § 7] 517. Durch den Tod des Vormunds höret die Vormundschaft auf und erstrecket sich keineswegs auf dessen Erben.

Doch müssen diese die rückständigen Raitung legen, verantworten und richtig stellen, wie auch das Waisengut mit gleicher Obliegenheit, wie der Verstorbene, insolang besorgen, bis eine andere Vorsehung getroffen und dessen Ausantwortung an den nachfolgenden Vormund veranlasset wird. Wo es aber zufällig geschehen würde, daß der Erb des Vormunds auch dessen Nachfolger in der Vormundschaft werde, ist es jedennoch nicht die vorige, sondern eine neue Vormundschaft.

[1, 6, § 7] 518. Die Unfähigkeits- und Entschuldigungsursachen sind alle bereits oben §. III. erwähnet worden.

Was dahero Jemanden gleich anfänglich zur Uebernehmung der Vormundschaft unfähig macht oder bei deren Auftrag zur Enschuldigung (!) (= ENtschuldigung) berechtiget, alles dieses ist insgemein auch hinreichend, wann es sich währender Vormundschaft ereignet, daß deswegen der Vormund von der aufhabenden Vormundschaft entlassen oder auf Verlangen davon befreiet werde, insoferne die Ursachen nicht also beschaffen sind, daß solche nach vorerwähnter obiger Ausmessung zwar von einer neu aufgetragenen, nicht aber auch von der schon wirklich aufhabenden Vormundschaft entschuldigen.

[1, 6, § 7] 519. Wann ein Vormund der üblen Verwaltung überwiesen, oder dessen Untreue offenkundig ist, solle demselben die Vormundschaft ohne weiters benommen werden.

Wiezumalen aber für die Waisen allzugefährlich wäre, es auf den Fall einer wirklichen Veruntreuung ankommen zu lassen, so ist es auch schon an einem gegründeten Verdacht der üblen Verwaltung genug, zur Aenderung der Vormundschaft zu schreiten.

[1, 6, § 7] 520. Dieser Verdacht kann aus verschiedenen Umständen wider den Vormund entstehen, da er aus eigener böser Gemüthsart, Fahrlässigkeit oder Arglist wider seiner Pflicht etwas thut oder unterläßt, was einen gegründeten Argwohn erreget, daß er sein vormundschaftliches Amt nicht getreulich handle.

[1, 6, § 7] 521. Als da derselbe die Waisen übel hielte, sie zum Ueblen anführete, durch böse Beispiele zu ihrer Verführung Anlaß gäbe, wissentlich übel gesitteten Leuten sie anvertrauete, es ihnen an standesmäßiger Erziehung ermanglen ließe, die Ausmessung eines genüglichen Unterhalts nicht ansuchete, oder durch unwahrhafte Vorstellungen hintertriebe, oder den ausgeworfenen Betrag, da er es wohl thun kann, nicht darzu anwendete.

[1, 6, § 7] 522. Ferners, wann er sich durch ungeziemende Mittel zur Vormundschaft eingedrungen oder sich darinnen auf solche Art zu erhalten suchet, wann er sich in Eigennutz betreten läßt, wann er ein ihme wohl bewußtes Vermögen der Waisen der Vormundschaftsgehörde nicht zeitlich oder nicht getreulich angezeiget, und um so mehr, wann er solches anfänglich ganz oder zum Theil verleugnet und unterschlagen hätte, wann er das Waisengut ohne obervormundschaftlicher

(1-248) Verwilligung eigenmächtig veräußeret, verpfändet oder sonst, wiewohlen ungiltig, beschweret, vernachlässiget oder gar verderben läßt.

[1, 6, § 7] 523. Nicht weniger, wann er die Steuern und Anlagen davon nicht entrichtet, sondern solche ohne Noth zum Nachtheil der Waisen anwachsen läßt, wann er mit dem Waisengut einen verbotenen oder sehr unsicheren Handel waget, wann er ohne Verwilligung der Vormundschaftsgehörde neue Schulden macht oder die vorhandenen, wo er kann, nicht abzahlet, wann er nach überkommener Vormundschaft, ohne zu begreifen, woher, kostbarer, als er nicht sonst gewohnet ware, zu leben anfängt, oder an ihme eine Verschwendung seines eigenen Vermögens bemerket wird.

[1, 6, § 7] 524. Endlich, wann derselbe den Raitungserlag lang über die ausgesetzte Zeit verspätet, wann er auf Erforderen der Vormundschaftsgehörde außer habenden Ehehaften nicht erscheinet, wann er die ihme zugegebene Beiräthe oder Vormundschaftsgehilfen in Sachen, die in ihre Wissenschaft, Kunst und Gewerbe einschlagen, nicht beiziehet, oder ihren Rath und Meinung eigensinnig verwirft, und überhaupt etwas thut oder unterläßt, was guten und getreuen Vormünderen zu thun oder zu unterlassen nicht geziemet.

[1, 6, § 7] 525. Alle Vormündere ohne Ausnahme können sich verdächtig machen, worwider sie weder das Zutrauen des Erblassers, weder das nahe Blutband, weder der obrigkeitliche Auftrag der Vormundschaft, weder der gute Ruf und Leumuth, weder die geleistete Bürgschaft, weder die kundbare Zahlfähigkeit, noch sonst etwas schützen kann, sondern es solle bei sich ergebendem Verdacht nach Erheischung der Umständen ohne Ansehen der Person des Vormunds mit Untersagung der ferneren Verwaltung und hiernach folgender anderweiter Vorsehung fürgegangen werden.

Doch muß der Verdacht gegründet und die Anzeigen einer üblen Verwaltung an sich schon offenbar sein, oder von glaubwürdigen Leuten und nicht etwann aus Mißgunst, Haß oder Leichtsinnigkeit herrühren, noch sonst unwahrscheinlich, sondern vielmehr nach vernünftigen Ermessen des Richters durch geheime zu keiner Verkleinerung des Vormunds gereichende Nachforschung, oder andere beitretende Umstände vorerst bestärket sein.

[1, 6, § 7] 526. Nicht nur die Vormundschaftgehörde selbst ist schuldig, auf das Betragen des Vormunds acht zu haben, sondern auch jene, welchen einen Theil an der Vormundschaft haben, als Mitvormündere, Ehrenvormündere, vormundschaftliche Beistände, oder zugegebene Beiräthe und Gehilfen sind unter eigener Verantwortung verbunden, die Handlungen des Vormunds zu beobachten, und den vermerkenden Unfug oder Gefahr der Vormundschaftsgehörde sogleich anzuzeigen.

[1, 6, § 7] 527. Ueber das solle nicht allein allen Befreundten der Waisen, sondern auch einem jedwedem Anderem zugelassen sein, aus redlichem Antrieb und Beherzigung des unter der Vernachlässigung der Waisen und ihres Vermögens leidenden gemeinen Wohlstands verdächtige Vormündere bei der Gehörde anzugeben.

[1, 6, § 7] 528. Es ist aber dabei keine förmliche Anklage nöthig, sondern an deme genug, daß der Verdacht mit allen Umständen bei der Vormundschaftsgehörde angezeiget werde, welche des Angebrachte zu beurtheilen, nach Erforderniß gehörig zu untersuchen, und das weiter nöthig Findende vorzukehren hat. Wann selbe jedoch die billige Abhilfe versagete, kann solche bei dem höheren Richter angesuchet werden.

[1, 6, § 7] 529. Ist das Angeben unwahrscheinlich und nicht mit genugsamen Anzeigen begleitet, der Vormund hingegen guten Rufs und bekannten Wohlverhaltens, so solle dasselbe zur Stelle verworfen, gänzlich unterdrucket, und da es muthwillig zu sein befunden würde, dem Angeber nachdrucksam verwiesen, auch gestalter Dingen nach bestrafet, hierbei aber vermieden werden, damit es dieserhalben zwischen dem Vormund und dem Angeber zu keiner weitläufigen Rechtsführung gelange.

[1, 6, § 7] 530. Wäre aber die Anzeige zwar nicht ungegründet, jedoch an sich von

(1-249) keiner besonderen Erheblichkeit und an dem Verzug der Abhilfe keine Gefahr, so ist die Verwaltung des Vormunds nicht zu unterbrechen, sondern unter der Hand der Sachen Bewandtniß nachzuforschen, und der befundene Unfug allsobald abzustellen, oder beschaffenen Umständen nach in der Ausstellung der Mängeln über die erlegte Vormundschaftsraitungen auf das Angeben der Bedacht zu nehmen, und somit dem weiterem Uebel vorzubeugen.

[1, 6, § 7] 531. Wäre hingegen die Anzeige gegründet und das Angegebene auch an sich erheblich, so solle nicht gesaumet werden, dem Vormund in der weiteren Verwaltung der Vormundschaft Einhalt zu thun, denselben zu Rede zu stellen und, da er den Verdacht von sich abzuleinen nicht vermögete, der Vormundschaft halber eine andere Vorsehung zu veranlassen, wobei auf das schleunigste zu verfahren ist, damit die Waisen durch längeren Verzug keinem größeren Schaden ausgesetzet bleiben.

[1, 6, § 7] 532. Doch solle alles dieses dem Vormund an seiner Ehre und guten Leumuth nicht nachtheilig sein, noch auch dieserhalben ein förmlicher Rechtsspruch wider dem Vormund geschöpfet werden, sondern es ist an deme genug, daß einem Anderem die Vormundschaft aufgetragen, und unter Einem der verdächtige Vormund ohne Erwähnung des Verdachts, sondern nur mit der überhaupt lautenden Beziehung auf erhebliche Ursachen mittelst gerichtlicher Auflage dahin angewiesen werde, dem neuen Vormund das Waisengut zu übergeben, und seiner bisherigen Verwaltung halber die vollständige Richtigkeit zu pflegen.

[1, 6, § 7] 533. Würde aber der Vormund nicht dabei beruhen wollen, sondern sich an die höhere Gehörde verwenden, so sind ihme die wahre Ursachen des Verdachts schriftlich zu bedeuten, und eben also dem höheren Richter in dem abforderenden Bericht ohne Ruckhalt anzuzeigen, welches jedoch dem Vormund an seiner Ehre noch keinen Nachtheil zuziehet.

[1, 6, § 7] 534. Nur in dem alleinigen Fall wird der Vormund seiner Ehre verlustig, wann wider ihn wegen begangener Untreue und Gefährde in dem schöpfenden Urtheil nebst der Entsetzung von der Vormundschaft auch zugleich die Ehrlosigkeit ausdrücklich verhänget worden.

[1, 6, § 7] 535. Durch das Gesatz unmittelbar wird die Vormundschaft an Seiten des Vormunds in zweien Fällen beendiget, als:

Erstens, wann von mehreren unter der Vormundschaft stehenden Geschwisteren ein Bruder die Großjährigkeit erreichet, welchen Falls derselbe über sein übriges noch minderjähriges Geschwister die Vormundschaft begehren kann, durch welche Aenderung sie an Seiten des vorherigen Vormunds geendiget wird.

[1, 6, § 7] 536. Zweitens, wann die Mutter, welche die Vormundschaft über ihre Kinder erhalten hat, zur anderen Ehe schreitet, ohne die Verwilligung solche beibehalten zu dürfen ausgewirket zu haben, wie es bereits oben in §. II. geordnet worden.

[1, 6, § 7] 537. Aus Anordnung des Erblassers höret die Vormundschaft an Seiten des Vormunds auf, wann der Erblasser in seinem letzten Willen Jemanden nur bis auf eine gewisse Zeit, oder bis zum Erfolg oder Ausgang einer beigesetzten Bedingniß zum Vormund benennet hat, die Zeit aber vorüber, und die Bedingniß erfüllet oder erloschen ist.

[1, 6, § 7] 538. Wie immer aber die Vormundschaft beendiget werde, so ist der Vormund oder dessen Erben allemal schuldig die Schlußraitung in der ausgesetzten Zeit zu erlegen, und das Vermögen entweder dem nachfolgenden Vormund, oder dem großjährig erklärten, oder auch noch minderjährigen Waisen, wann derselbe in obigen beiden Fällen, da er entweder nach erreichter Vogtbarkeit zu einer burgerlichen Nahrung oder Gewerb fähig befunden worden, oder die Nachsicht des

(1-250) Alters erhalten hätte, aus der Vormundschaft austritt, auf obervormundschaftliche Anordnung einzuantworten.

[1, 6, § 7] 539. Wann die Vormundschaft aus Anordnung des Gesatzes oder des Erblassers aufhöret, oder der Vormund sonst eine rechtmäßige Ursache hätte, seine Entbindung von der Vormundschaft anzuverlangen, so lieget ihme ob, diesen Umstand bei der Vormundschaftgehörde gebührend anzuzeigen, und um anderweite Bevormundung der Waisen anzuhalten, bis dahin aber die Verwaltung fortzusetzen.

[1, 6, § 7] 540. Wann hingegen die Vormundschaftsgehörde, es seie wegen übler Verwaltung, gegründeten Verdachts, oder wegen zugestoßener Unfähigkeit, mit dem Vormund eine Aenderung zu treffen befindet, so muß von derselben sogleich denen Waisen mit einem anderem tüchtigem Vormund vorgesehen werden.

[1, 6, § 7] 541. Wo aber die Vormundschaft an Seiten der Waisen durch deren erreichte Großjährigkeit, oder befundene Gewerbsfähigkeit oder von Uns erwirkte Nachsicht des Alters gänzlich aufhöret, hat der Vormund bis zu der von der Vormundschaftsgehörde anordnenden Einantwortung des Vermögens die Verwaltung fortzuführen.

[1, 6, § 7] 542. Die von dem abtretenden Vormund einbringende Schlußraitung solle allemal mit Zuziehung des antretenden Vormunds, oder seines aus der Vormundschaft gänzlich ausgetretenen Pflegbefohlenen aufgenommen und erlediget, wie auch die aus der verwalteten Vormundschaft entstandene Sprüche und Gegensprüche zwischen dem abtretenden und antretenden Vormund, oder einem für die Waisen eigens zu bestellen habenden Rechtsvertreter, oder auch denen die eigene freie Schalt- und Waltung überkommenden Pflegbefohlenen gerichtlich ausgeführet werden.

[1, 6, § 7] 543. Unmittelbar aber kann es zwischen dem Vormund und seinen Pflegbefohlenen zu keinen Rechtssprüchen kommen, weilen diese weder für sich selbst den Vormund belangen, noch von ihme belanget werden können, sondern durch den nachfolgenden Vormund, oder einen nach Erforderniß eigens zu bestellenden Rechtsobsorger, und durch die Vormundschaftsgehörde selbst bis zu Erlangung der eigenen freien Verwaltung vertreten werden müssen.

[1, 6, § 7] 544. Die Einantwortung des Vermögens an die aus der Vormundschaft

(1-251) Austretende hat allemal auf vorläufige gerichtliche Verordnung, und zwar da, wo noch keine vormundschaftliche Raitung vorhergegangen, nach der gerichtlichen Vermögensbeschreibung, ansonst aber nach dem letzten gerichtlichen Endauszug zu geschehen, und muß beinebst Alles, was seit deme zugewachsen und nach Abzug der Ausgaben übrig ist, nach Ausweis der Schlußraitung überantwortet werden.

[1, 6, § 7] 545. Diese Einantwortung kann die Vormundschaftsgehörde, wann auch kein Theil darum anhielte, nach vorläufiger Großjährigkeitserklärung von amtswegen verordnen, und solle dieselbe wegen noch nicht verfaßter oder erlegter Schlußraitung nicht aufgehalten, sondern das Vermögen immittelst entweder nach der gerichtlichen Beschreibung oder nach dem letzten Endauszug übergeben, und so die Uebergabe, wie die Uebernahme inzwischen gegen einander bescheiniget, die Schlußraitung aber in der von dem Tag der Großjährigkeitserklärung zu laufen habenden obausgemessenen Frist ohnfehlbar erleget werden.

[1, 6, § 7] 546. Die einem aus der Vormundschaft Ausgetretenen wider seinen gewesten Vormund zustehende Sprüche zielen hauptsächlich auf Erlag der Raitungen und auf Erstattung alles dessen ab, was demselben von seinem Vermögen annoch abgehet, oder aus Schuld des Vormunds abgehen dörfte, und entweder in seiner Gestalt oder in seinem Werth sich bei dem Vormund befindet, wie auch auf Ersetzung alles ihme durch des Vormunds Gefährde, schwere oder geringe Schuld bereits zugestoßenen oder annoch zustoßen mögenden erweislichen Schadens.

[1, 6, § 7] 547. Die Gegensprüche des gewesten Vormunds aber gehen auf seine Entschädigung in Ansehung dessen, was er von dem Seinigen in die Verwaltung erweislich einverwendet, und wessen Vergütung derselbe noch nicht erhalten, oder was er aus der Verwaltung Schaden erlitten hat, wie auch auf seine vollständige

(1-252) Entbindung von allen währender vormundschaftlicher Verwaltung für seine Pflegbefohlene eingegangenen Verbindungen, ferners auf die Erlassung der wegen der aufgehabten Vormundschaft geleisteten Sicherheit oder Bürgschaft, und endlich auf eine gerichtliche Hauptquittung und Verzicht von allen an ihme der verwalteten Vormundschaft halber gemachten oder weiters machen mögenden Ansprüchen und Forderungen.

[1, 6, § 7] 548. In diese Sprüche und Gegensprüche kommt jedoch nichts, was durch die vorherige zu Rechtskräften erwachsene gerichtliche Endauszüge, wann solchen bereits vollständiges Genügen geleistet worden, allschon behoben und abgethan ist, mit alleiniger Ausnahme deren oben erklärten Vorbehaltsfällen, wegen welcher zu allen Zeiten die Richtigkeit von so einem, wie dem anderen Theil geforderet werden kann.

[1, 6, § 7] 549. Außer diesen bleiben alle vorhin erhaltene Raitscheine in ihrem Inhalt bei Kräften, und wirken in allem deme, was durch den Endauszug richtig befunden und hernach erweislich richtiggestellet worden, eine wahre und vollkommene Loszählung des darmit bescheinigten Vormunds.

[1, 6, § 7] 550. Gleichwie dahero der geweste Vormund insgemein nur für Jenes Red und Antwort zu geben schuldig ist, was von Schluß der letzten gerichtlich erledigten Rechnung vorgefallen, oder etwann in dem darüber hinausgegebenen Endauszug zur weiteren Verantwortung oder Genugthuung vorbehalten worden, also hat auch an Seiten des gewesten Vormunds auf Dasjenige kein weiterer Anspruch statt, was ihme in denen vorigen Endauszügen oder sonst durch richterliche Erkanntniß bereits bereits rechtskräftig abgesprochen, oder von ihme in die vorige schon erledigte Raitungen bei damals bereits fürgewester Gegenforderung einzubringen wissentlich unterlassen worden, wann nicht vorbesagter Maßen ein- oder andererseits ein erweislicher Vorbehaltsfall unterwaltet.

[1, 6, § 7] 551. Zur Habhaftwerdung des Vermögens nach einmal gerichtlich angeordneter Einantwortung solle dem großjährig Erklärten mit gerichtlichen Zwangsmitteln wider den saumseligen Vormund, oder wider Jenen, bei weme immer sich etwas von diesem Vermögen ohne Ursach befindet, verholfen und allenfalls auch derselbe mittelst Gerichtshilfe ohne Verschub in den Besitz seiner Güter gesetzet werden.

[1, 6, § 7] 552. Desgleichen hat er zu Erhaltung des ihme durch den gerichtlichen in Rechtskräften erwachsenen Endauszug zuerkannten Ersatzes, dann aller ihme durch Saumsal des Vormunds verursachten Schäden und Unkosten sich derjenigen Rechtsmitteln zu gebrauchen, welche zu Vollstreckung deren Rechtssprüchen eingeführet sind.

[1, 6, § 7] 553. Der abtretende Vormund hingegen kann zur Habhaftwerdung dessen, was ihme durch den zu Rechtskräften gediehenen, gerichtlichen Endauszug zugesprochen worden, oder was er nach seiner Schlußraitung annoch zu forderen hat, einen seiner Gegenforderung ausgemessenen Betrag von dem verwalteten Vermögen bis zu seiner Befriedigung zuruckhalten.

Falls aber derselbe nicht so viel zuruckgehalten hätte, so kann er das, was ihme zu seiner Schadloshaltung, oder an der vormundschaftlichen Belohnung zuerkannt worden, so viel hieran noch ausständig ist, durch gleichmäßige Rechtsmitteln ansuchen.

[1, 6, § 7] 554. Die Sprüche und Gegensprüche, welche zwischen einem großjährig Erklärten und seinem gewesten Vormund bestehen, gelangen demnach selten zu der Nothwendigkeit einer darüber ordentlich auszuführen habenden Rechtstheidigung, sondern der über die erledigte Schlußrechnung ausgefertigte gerichtliche Endauszug giebt schon Ziel und Maß, was einem von dem anderen Theil zu erstatten seie.

[1, 6, § 7] 555. Nur allein bei sich ergebenden Vorbehaltsfällen, welche nach allen

(1-253) erledigten Vormundschaftsraitungen hervorkommen, kann eine ordentliche Rechtsführung zwischen dem großjährig Erklärten und seinem gewesten Vormund platzgreifen, worinnen auch der Lauf Rechtens keinerdings zu hemmen ist.

[1, 6, § 7] 556. Alle diese Sprüche und Gegensprüche betreffen vornehmlich denjenigen Vormund, welcher die Vormundschaft verwaltet hat, und wo solche von Mehreren verwaltet worden, auch Alle, welche die Verwaltung geführet haben.

[1, 6, § 7] 557. Es ist aber in dem Fall, wo mehrere Vormündere bestellet worden, der dreifache Unterschied zu beobachten, als

erstens, ob Alle zugleich die Vormundschaft ungetheilt verwaltet haben, oder

andertens, ob die Verwaltung unter ihnen und von weme getheilet, oder

drittens, ob solche von Einem oder Mehreren allein, von denen Uebrigen aber nicht geführet worden.

[1, 6, § 7] 558. In dem ersten Fall sind Alle für Einen und Einer für Alle denen an sie wegen der vormundschaftlichen Verwaltung machenden Ansprüchen verfänglich, und stehet dem großjährig Erklärten frei, jedweden von ihnen, welchen er will, um die Erstattung dessen, was sie ihme schuldig sind, zu belangen, ohne daß der Belangte sich hierwegen auf die Anderen berufen oder eine Theilung des schuldigen Ersatzes einwenden könne.

[1, 6, § 7] 559. Doch bleibet Demjenigen, welcher den Ersatz geleistet, bevor, sich deswegen an denen Uebrigen für den dieselbe mitbetreffenden Antheil mittelst einer besonderen Rechtsfertigung zu erholen. Dahingegen ist auch der großjährig Erklärte Allen für ihre erweisliche Gegensprüche gerecht zu werden schuldig.

[1, 6, § 7] 560. In dem zweiten Fall ist zu unterscheiden, ob die Verwaltung von dem Erblasser oder von Gericht unter mehrere Vormündere vertheilet, oder aber von ihnen selbst untereinander eigenmächtig abgesönderet worden.

[1, 6, § 7] 561. Wann die Theilung von dem Erblasser oder von Gericht geschehen, so stehet ein Jeder nur für dem Antheil seiner Verwaltung, und kommen ihme auch nur insoweit seine Gegensprüche zu statten. Dahingegen hat Keiner für dem Anderen zu haften, außer insoferne Einer die üble Gebarung des Anderen wissentlich vertuschet, und in der Zeit bei Gericht anzuzeigen unterlassen hätte, welchen Falls derselbe auch um das, was an dem Schuldtragenden nicht erholet werden mag, belanget werden kann.

[1, 6, § 7] 562. Wo aber mehrere Vormündere die Verwaltung unter sich eigenmächtig vertheilet hätten, so sind zwar Alle, wie in dem ersten Fall verordnet worden, für den von deren Einem verursachten Schaden zu haften verbunden.

Nichtsdestoweniger solle in diesem Fall vorerst Derjenige, der hieran Schuld traget, hierum belanget, und was von ihme nicht erholet werden kann, alsdann von ihnen dergestalten eingetrieben werden, daß nur ein Jeder einen gleichen Antheil zu tragen habe, und was an diesem Antheil von Einem nicht eingebracht werden mag, von denen Uebrigen anwiederum zu gleichen Theilen ersetzet werde.

[1, 6, § 7] 563. In dem dritten Fall, wo die Verwaltung nur von Einem oder Mehreren und nicht von Allen geführet worden, ist darauf zu sehen, ob Allen zusammen oder nur Einem oder Einigen aus ihnen die Verwaltung aufgetragen worden. Haben Alle den Auftrag erhalten, und sich Einige eigenmächtig davon entzogen, so hat auch alles Dasjenige statt, was in dem gleich vorhergehenden Fall der eigenmächtigen Vertheilung verordnet worden.

[1, 6, § 7] 564. Ist aber der Auftrag nur Einem oder Einigen von ihnen geschehen, so haben nur die Verwaltenden und nicht auch die Anderen, welche davon enthoben geblieben, Red und Antwort zu geben. Es wäre dann, daß ihre Schuld entweder wegen Selbsteinmengung in die Verwaltung, oder wegen unterlassener Anzeige der ihnen wohl bekannten Gebrechen des verwaltenden Vormunds mit unterlaufe.

(1-254) [1, 6, § 7] 565. Für mitverwaltende Vormündere aber sollen alle Diejenige gehalten werden, welche die Vormundschaftsrechnung mit unterschrieben haben, ohne Unterschied, ob ihnen die Verwaltung aufgetragen worden, oder dieselbe sich eigenmächtig darein gemischet haben.

[1, 6, § 7] 566. Auch bei Stattvormünderen und vermeintlichen Vormünderen haben diese vormundschaftliche Sprüche und Gegensprüche so, wie bei einem wahren Vormund statt.

Falsche Vormündere hingegen sind zwar denen Waisen verfänglich, an diesen aber haben sie nur insoweit eine Gegenforderung, als selbe mit ihrem Schaden erweislich bereicheret worden.

[1, 6, § 7] 567. Die Verbindlichkeit der Vormünderen gegen die Waisen, sowie dieser gegen jene, gehet auch auf beiderseitige Erben, also, daß die Erben des einen Theils dem anderen für das, zu deme ihr Erblasser verbunden ware, nicht weniger gerecht werden müssen, als sie befugt sind, Dasjenige, was der andere Theil ihrem Erblasser schuldig gewesen, von ihme oder dessen Erben einzuforderen.

[1, 6, § 7] 568. Damit jedoch die Erben eines Vormunds mit Recht zum Ersatz angehalten werden mögen, muß entweder die Gefährde oder schwere Schuld ihres Erblassers erweislich, oder die Klage wider den verstorbenen Vormund noch bei dessen Lebzeiten erhoben, oder der Mangel ausgestellet worden sein, welchen Falls die Erben auch für dessen geringe oder leichte Schuld zu haften haben.

[1, 6, § 7] 569. Endlich, wo der Ersatz weder von denen Vormünderen, noch deren Erben zu erholen wäre, kann auch wider die Vormundschaftsgehörde selbst die nachhilfliche Rechtsforderung bei dem höheren Richter angestrenget werden.

[1, 6, § 7] 570. Zu dieser Rechtsforderung ist nothwendig, daß

erstens die wirklich erleidende Beschädigung,

zweitens, daß Kläger den Ersatz weder von dem gewesten Vormund, noch von dessen Bürgen oder Erben, noch von jemandem Anderen erhalten könne, und

drittens, die Gefährde, oder wenigstens schwere Schuldtragung der Vormundschaftsgehörde rechtsbeständig erwiesen werde.

[1, 6, § 7] 571. Zur schweren Schuld wird gerechnet, wann von derselben gar kein oder ein untüchtiger Vormund bestellet worden, wann sie Gaben und Verehrungen von ihme angenommen, wann von ihme keine hinlängliche Sicherheit, die er doch wohl hätte leisten können, geforderet, der wider ihn hervorgebrochene gegründete Verdacht nicht untersuchet oder kein Einhalt gethan, bei sich geäußerten großen Ruckstand auf die Richtigkeitspflegung oder Sicherstellung nicht angedrungen, sondern längerhin nachgesehen worden, und was sonst nach Erwägung der Umständen für eine schwere Schuld zu achten ist.

[1, 6, § 7] 572. Bei dergleichen erwiesenen Umständen ist die Vormundschaftsgehörde zum Ersatz desjenigen daher entstandenen Schadenbetrags zu verurtheilen, welcher von denen hieran unmittelbar Schuldtragenden, ihren Bürgen und Erben nicht erholet werden kann.

[1, 6, § 7] 573. Dahingegen verbindet die geringe oder leichte Schuld, wofür die Fahrlässigkeit in allzu genauer Beobachtung der Vorgeschriebenen heilsamen Vorsichten oder des obervormundschaftlichen Amts anzusehen ist, nur insoweit zu dem Ersatz, als solchen der höhere Richter nach Erwägung der Umständen billig zu sein ermessen wird. Die geringste oder leichteste Schuld aber ziehet gar keine Verbindlichkeit nach sich, noch viel weniger ein zufällig erfolgter Schaden.

[1, 6, § 7] 574. Doch sind nur diejenige Mitglieder der Vormundschaftsgehörde und deren Erben zur nachhilflichen Entschädigung verbunden, welche an der Gefährde oder Schuldtragung Antheil haben, nicht aber auch jene, welche entweder zu dieser Zeit gar nicht von diesem Mittel waren, oder bei Veranlassung dessen, was zum

(1-255) Schaden der Waisen ausgeschlagen, nicht gegenwärtig gewesen, oder sich ausdrücklich dagegen verwahret, oder wenigstens darzu nicht mit eingestimmet haben.

[1, 6, § 7] 575. Auch deren Schuldigen Erben sind nicht weiter verfänglich, als insoferne die Gefährde oder schwere Schuld ihrer Erblasseren erweislich, oder wegen geringer Schuld die Klage schon bei ihren Lebzeiten wider dieselbe erhoben worden.

[1, 6, § 7] 576. Diese nachhilfliche Rechtsforderung hat aber nur in dem Fall statt, wann der Schaden von dem Vormund zugefüget worden und sich dessen in keinerlei andere Wege erholet werden kann. Wo aber die Vormundschaftsgehörde selbst den Schaden unmittelbar zugefüget hätte, als da der Vormund von denen aus seiner erlegten Raitung hervorgekommenen Mängeln zur Ungebühr losgesprochen, oder weniger als rechtmäßig gebühret hätte, zum Ersatz anerkannt worden wäre, ist die Rechtsforderung aus übler Erkanntniß wider dieselbe auf so viel, als dem Kläger andurch erweislich Unrecht geschehen, anzustrengen.

[1, 6, § 7] 577. Wann es um Raitungserledigung, Sprüche oder Gegensprüche zwischen Vormünderen und Denenjenigen zu thun ist, welche zwar noch nicht großjährig sind, doch aber entweder von Uns die Nachsicht des Alters erhalten haben, oder nach erreichter Vogtbarkeit zur burgerlichen Nahrung und Gewerb fähig erkläret worden, so solle ihnen ein eigener Rechtsobsorger oder Curator um sie dabei zu vertreten, und die vollständige Richtigkeit für sie zu bewirken, beigegeben werden, welcher sodann nebst ihnen die Hauptquittung und Verzicht auszustellen hat.

[1, 6, § 7] 578. Ansonst hat ein jeder für großjährig Erklärter, deme sein Vermögen eingeantwortet wird, diese Hauptverzichts-Quittung nach gänzlich hergestellter Richtigkeit für sich allein auszustellen, und, wann damit verweilet würde, kann auf Anlangen des gewesten Vormunds und allenfalls auch von amtswegen darauf gedrungen werden.

[1, 6, § 7] 579. Diese Verzicht auf alle weitere Ansprüche und Forderungen der verwalteten Vormundschaft halber solle allemal persönlich vor Gericht und in Beisein des gewesten Vormunds oder eines von diesem darzu eigends bevollmächtigten Anwalts geschehen, die ausgestellte Hauptquittung allda vorgelesen, von dem Quittirenden sich hierzu ausdrücklich bekennet, und alsdann da, wo es zur Entbindung von der bestellten Sicherheit oder sonst noch nöthig ist, eingetragen und vorgemerket, und sonach dem gewesten Vormund zugestellet werden.

[1, 6, § 7] 580. Wann aber der Quittirende aus erheblichen Ursachen hierzu persönlich nicht erscheinen könnte, so kann auch auf Anzeige der Ehehaften die Verzicht durch einen von ihme eigends darzu Bevollmächtigten mit denen in drittem Theil zu derlei gerichtlichen Bekanntnissen vorgeschriebenen Feierlichkeiten bei Gericht vorgenommen, und da, wo nöthig, sammt der ausgestellten Vollmacht eingetragen werden.

[1, 6, § 7] 581. Diese Urkunde solle nicht allein die Bescheinigung und Quittirung des gewesten Vormunds über die vollständige Uebergabe des bis dahin von ihme verwalteten Vermögens, und über die gänzliche Genugthuung für alles das, was derselbe laut des über seine vormundschaftliche Schlußraitung verfaßten Endauszugs zu erstatten gehabt, sondern auch beinebst die Verzicht auf alle weitere Ansprüche, folglich dessen Loszählung von der ferneren Verantwortung und die Ablassung von der bestellten Sicherheit enthalten.

[1, 6, § 7] 582. Auf gleiche Weise müssen auch bei vorfallender Aenderung der Vormundschaft die abtretende von denen nachfolgenden Vormünderen, wie nicht weniger die Erben eines verstorbenen Vormunds zu ihrer Entledigung losgesprochen werden.

[1, 6, § 7] 583. Dann nach Einantwortung des Vermögens, sie geschehe an den aus der Vormundschaft austretenden Pflegbefohlenen, dessen Erben, oder den nachfolgenden Vormund, wird der abtretende Vormund von aller weiterer Gefahr entbunden,


(1-256) und hat jener, deme die Einantwortung geschieht, nebst der übernehmenden Gefahr auch alle Rechten und Gerechtigkeiten von dieser Zeit an zu besorgen, folglich auch allen in Namen der fürgewesten Vormundschaft eingegangenen Verbindungen Genüge zu thun, ohne daß der abgetretene Vormund wegen der unter seiner Verwaltung vorgegangenen Handlungen Jemanden besprechen oder von Anderen hierwegen besprochen werden könne.

[1, 6, § 7] 584. Er habe sich dann für seine Person gegen Jemanden zu etwas verbindlich gemacht, und es wäre bei Erledigung der Schlußraitung ihn von solcher Verbindung nicht zu entheben befunden worden, aber es käme ihme die Wiederholung des ihme zu leisten auferlegten Ersatzes an Anderen zu statten.

[1, 6, § 7] 585. Außer deme entbindet vorbemelte Hauptverzichts-Quittung auch alle Andere, denen wegen deren mit dem gewesten Vormund vorgegangenen Handlungen daran gelegen ist, und solle unter keinerlei Vorwand mit alleiniger Ausnahme deren Vorbehaltsfällen etwas darwider zu regen gestattet sein.

[1, 6, § 7] 586. Auch solle wider dergleichen Verzicht seine Herstellung in den vorigen Stand unter dem alleinigen Vorwand der damaligen Minderjährigkeit angesuchet werden können.

Wiewohlen Wir Uns übrigens allerdings vorbehalten, einem dadurch erweislich zu Schaden Gekommenen aus unterwaltenden besonderen Umständen, wann Uns solche behörig vorgestellet werden, derlei Herstellung in vorigen Stand aus Unserer landesfürstlicher Machtsvollkommenheit angedeihen zu lassen.

§. VIII.

[1, 6, § 8] 587. Der einmal nach erreichten gesetzmäßigen Jahren, oder von Uns erwirkter Nachsicht des Alters aus der Vormundschaft ausgetreten, fällt in dieselbe nicht mehr zurück. wann er gleich seinen Sachen selbst vorzustehen unfähig.

(1-257) oder verhindert wird, sondern derlei Personen sind eigenen Obsorgere oder Curatores zu ihrer Vertretung und Verwaltung ihres Guts zu bestellen.

[1, 6, § 8] 588. Diese Obsorgere oder Curatores kommen mit denen Vormünderen oder Gerhaben in ihren Amtsbefugnissen und Verbindlichkeiten fast durchaus überein, und wann jene Obsorgere, die besonders nur zu gewissen einzlen Handlungen bestellet sind, ausgenommen werden, so sind die übrigen von denen Vormünderen nur dem Namen nach unterschieden.

[1, 6, § 8] 589. Die Bestellung eines Obsorgers erforderet demnach allemal entweder an Seiten dessen, deme ein solcher bestellet wird, die Unfähigkeit oder Verhinderniß, seinen Sachen selbst vorstehen zu können, oder die Nothwendigkeit einer rechtlichen Vorsehung in Fällen, wo es um ein Gut zu thun ist, welches noch keinen bestimmten Eigenthümer hat, oder in Sicherheit gebracht werden muß, oder wo es in einzlen Vorfällen um das Recht solcher Personen zu thun ist, welche weder sich selbst vertreten, noch durch ihre ordentliche Vertretere wegen Theilnehmung an der fürgehenden Handlung dabei vertreten werden können, oder endlich, wo es um eine landtäfliche, stadt- oder grundbücherliche Auslöschung einer schon getilgten Haftung zu thun ist, welche von Jenem der sie zu bewirken schuldig wäre, nicht befolget werden kann oder will.

[1, 6, § 8] 590. Die Untüchtigkeit seinen Sachen selbst vorzustehen, rühret entweder von der Gemüths- oder Leibesgebrechlichkeit, oder von der unmäßigen Neigung zur Verschwendung des Seinigen her.

[1, 6, § 8] 591. Unter denen Gebrechlichen werden alle Blödsinnige, Sinnlose, Unsinnige, Wahn- oder Aberwitzige, Rasende, Stumme und Taube, Blinde und fortwürig preßhafte Menschen verstanden, welche aus Mangel der gesunden Vernunft oder wegen Mühseligkeit und Leibesschwachheit außer Stande sind, ihre Habschaften und Gerechtsame selbst zu besorgen, oder durch andere von ihnen darzu Gestellte besorgen zu lassen.

[1, 6, § 8] 592. Derlei gebrechlichen Leuten sind Obsorgere zu bestellen, welche für ihre Verpflegung sorgen und ihr Vermögen getreulich verwalten sollen, und dieses ohne Unterschied, ob sie aus Zufall oder ihrer selbsteigenen Schuld in solche mißliche Umstände gerathen sind.

[1, 6, § 8] 593. Wo aber Jemand noch währender Minderjährigkeit und der über ihn fortdauernden Vormundschaft mit einer dergleichen Gebrechlichkeit befallen würde, wird nach erreichter Großjährigkeit die Vormundschaft in eine Curatel verwandlet.

(1-258) [1, 6, § 8] 594. Doch muß eine so beschaffene Gemüths- und Leibesgebrechlichkeit allemal vorhero wohl untersuchet und befunden worden sein, daß ein solcher ganz und gar zur selbsteigenen Verwaltung unfähig seie.

Widrigens kann keinem Großjährigen wider seinen Willen die eigene freie Schalt- und Waltung benommen werden.

[1, 6, § 8] 595. Also bedarf jener Blödsinnige keines Obsorgers, der von Zeit zu Zeit dergestalten zu sich kommt, daß er mit dem Seinigem vernünftig ordnen und sein Vermögen mit Beihilf anderer sich wählender Personen auch für die Zeit des ihme zustoßenden Uebels verwalten könne.

[1, 6, § 8] 596. Ebensowenig hat ein mit Leibesgebrechen Behafteter einen Obsorger nöthig, wann er, obschon der Sprache, des Gehörs oder Gesichts beraubet, oder stets liegerhaft, jegleichwohlen von dem Stand seiner Geschäften und Habschaften durch schriftliche oder mündliche Berichte, obgleich mit einiger Beschwerniß, von Anderen Kundschaft einziehen, seinen Willen darüber vernünftig erklären und das Nöthige durch Andere vorkehren kann.

[1, 6, § 8] 597. Es hanget dahero allemal von dem richterlichen Ermessen derjenigen Gehörde ab, deren Gerichtsbarkeit der Blödsinnige oder Gebrechliche unterstehet, ob in Erwägung aller fürwaltenden Umständen nothwendig seie, Jemanden, der schon großjährig ist, wegen Blödsinnigkeit oder Gebrechlichkeit für unfähig zur selbsteigenen Verwaltung seines Vermögens zu erklären, und ihme einen Obsorger zu bestellen.

[1, 6, § 8] 598. Es wäre dann, daß der Blödsinnige in der vernünftigen Zwischenzeit, oder der Gebrechliche aus eigener Erkanntniß seiner Schwachheit zur Sicherheit seines Vermögens selbst darum anhielte, oder darein willigete, welchen Falls kein weiteres Bedenken zu tragen ist.

[1, 6, § 8] 599. Diese Gattung der Obsorge kommt mit der Vormundschaft auch in deme überein, daß ein Vater seinen blödsinnigen oder gebrechlichen Kindern in seinem letzten Willen einen
Obsorger bestellen könne, und solle, wann dieser nothwendig zu sein befunden wird, von der Auswahl des Vaters nicht leicht abgegangen werden.

[1, 6, § 8] 600. Nicht weniger gebühret diese Obsorge vorzüglich denen nächsten Verwandten, welche auch vor Anderen darzu angehalten werden sollen, wie dann Jedermann, deme sie gerichtlich aufgetragen wird, solche auf sich zu nehmen, oder hinlängliche Entschuldigungsursachen, welche bereits oben bei der Vormundschaft erkläret worden, beizubringen schuldig ist.

[1, 6, § 8] 601. Derlei Obsorgere oder Curatores haben alles Dasjenige zu beobachten, was oben von Vormünderen wegen der Antretung und dabei vorgeschriebenen Erfordernissen, Verwaltung und alljähriger Raitlegung geordnet worden, wogegen aber auch ihnen eine gleichmäßige Belohnung, wie denen Vormünderen zu statten kommen solle.

[1, 6, § 8] 602. Diese Curatel, wann sonst wegen Todsfall, Untauglichkeit, Entschuldigung oder Verdachts keine Aenderung zu machen nöthig ist, hat so lange zu daueren, als die Blödsinnigkeit oder Gebrechlichkeit fürwähret.

[1, 6, § 8] 603. Wann aber der Blödsinnige zur Vernunft gelanget oder der Gebrechliche geneset, hat die Curatel ihr Ende, und muß alsdann in Ansehung der Schlußraitung und beiderseitiger Richtigkeitspflegung alles Dasjenige beobachtet werden, was bei Endigung der Vormundschaft angeordnet worden.

[1, 6, § 8] 604. Doch solle die Curatel nicht ehender aufgehoben werden, als bis es entweder kundbar oder genugsam erwiesen seie, daß der Pflegbefohlene den Gebrauch seiner Vernunft, oder die Gesundheit wieder erlanget habe, und daß nach Urtheil der Aerzten die Wiedergenesung dauerhaft zu sein befunden werde.

(1-259) [1, 6, § 8] 605. Blödsinnigen kommen Verschwendere zum nächsten bei, welche muthwilliger Weise ihr Vermögen versplitteren, und in unnützen Ausgaben kein Ziel

(1-260) nach Maß halten, folglich eben andurch dem Ihrigen selbst vorzustehen sich unfähig machen.

[1, 6, § 8] 606. Es erforderet demnach der gemeine Wohlstand, damit der Unwirthschaft derlei Leuten behöriger Einhalt geschehe, und sie eben also, wie andere, zur eigenen Verwaltung untaugliche Personen von derjenigen Gehörde, welcher sie untergeben sind, mit Obsorgeren oder Curatoren versehen werden.

[1, 6, § 8] 607. Niemand aber solle aus bloßen Vermuthungen für einen Verschwender gehalten, sondern, wo sich bei Jemanden Kennzeichen einer üblen Wirthschaft oder Verminderung seines Vermögens aus vielen unnützen Aufwand, unmäßiger Freigebigkeit, vernachlässigter Wirthschaft, muthwilliger Einschuldigung und Versplitterung seiner Habschaften, oder aus sonst anderen Umständen äußereten, und von der Freundschaft oder Anderen, denen an Erhaltung seines Vermögens gelegen ist, angegeben oder auch sonst von der Gehörde selbst bemerket würden, solchen Falls eine besondere Aufmerksamkeit auf sein Betragen gerichtet, und ohnverlängt auf den Grund der Sachen zu kommen getrachtet werden.

[1, 6, § 8] 608. Zu diesem Ende sind alle angebrachte Umstände unter der Hand zu untersuchen, die übermäßig scheinende Ausgaben mit denen Kräften des Vermögens, wahrscheinlichen anderweiten Verdienst, und der befindenden Nothdurft oder Wohlstand zusammenzuhalten, sofort aber, wann daraus die vermuthete Verschwendung noch mehr bestärket würde, der angegebene Verschwender in geheim vor Gericht fürzuforderen und zur getreulichen Anzeige seines Vermögens und Schuldenstandes anzuhalten.

[1, 6, § 8] 609. Würde aber dieser Verdacht von ihm genüglich abgeleinet, oder die Unwirthschaft nicht sehr beträchtlich befunden, so kann es dabei, und zwar gestalter Dingen nach mit ernstlicher Ermahnung zur besseren Wirthschaft und Vermeidung weiteren Verdachts sein Bewenden haben.

[1, 6, § 8] 610. Wann hingegen die Anzeigen der Verschwendung von ihme nicht abgeleinet würden, oder auch sein eigentlicher Vermögen- und Schuldenstand nicht getreulich veroffenbaret werden wollte, so ist nicht zuzuwarten, bis sein Zahlungsstand zweifelhaft werde, sondern ihme nebst nachdrucksamer Erinnerung eine verläßliche Anzeige seines Vermögen- und Schuldenstandes binnen einer kurzen Frist aufzuerlegen, und inzwischen auch auf sein Betragen genau obacht zu geben.

[1, 6, § 8] 611. Zu dieser Absicht solle ihme ein vertrauter Mann, welcher auf sein Thun und Lassen acht habe, und auf allmaliges Erforderen von dem zu- oder abnehmenden Wirthschaftsstand Nachricht ertheilen könne, an die Seite gestellet, anbei aber alle böse Rathgebere und zur Verschwendung verleitende Personen hintangehalten, und überhaupt solche von dem richterlichen Befund abhangende Maßregeln genommen werden, wodurch der Endzweck einer wirthschaftlichen Gebarung erreichet, dabei aber der Wohlstand auch nicht verletzt werde.

[1, 6, § 8] 612. Fruchtete aber alles dieses nicht, oder es äußerete sich gleich anfangs eine Gefahr ob dem Verzug, so solle einem solchen in der That befundenen Verschwender ohne Aufschub ein Obsorger bestellet, diesem die Verwaltung des Vermögens gerichtlich aufgetragen, und solches anbei auf eine zum wenigsten

(1-261) verkleinerlich fallende Art mit dem Verbot öffentlich kundgemacht werden, daß Niemand dem Pflegbefohlenen Geld oder Geldswerth zu borgen, oder sich in andere zur Beschwerung oder Veräußerung seines Vermögens gereichende Handlungen mit demselben ohne Zuthat seines Obsorgers, und ohne allenfalls nöthiger gerichtlicher Verwilligung bei Nichtigkeit der Handlung und gleichmäßiger Bestrafung, welche oben bei Minderjährigen verhänget worden, einzulassen unterfangen solle.

[1, 6, § 8] 613. Doch ist bei höheren Standspersonen mit Bestellung eines Obsorgers und vorgedachter öffentlicher Kundmachung ohne Unserem höchsten Vorwissen nicht fürzugeben, sondern der Vorfall Uns vorhero einzuberichten, und Unsere darauf erfolgende höchste Entschließung abzuwarten.

[1, 6, § 8] 614. Diese Vorkehrung hat die Wirkung, daß der Pflegbefohlene der eigenen Verwaltung seines Vermögens andurch entsetzet werde, und ohne Einwilligung des Obsorgers nichts davon veräußeren, verpfänden, beschweren, noch einige zu dessen Verminderung gereichende Handlungen mit Anderen eingehen könne.

[1, 6, § 8] 615. Zu diesem Ende muß dem bestellten Obsorger das gesammte Vermögen des Pflegbefohlenen zur Verwaltung eingeantwortet, die nachgesetzte zur Verwaltung nöthige Beamten in allen ihren Amtshandlungen an den Obsorger angewiesen, und ihme die Macht, solche nach Befund, jedoch in Ansehung deren Vornehmeren nicht anderst, als mit gerichtlicher Genehmhaltung, abänderen zu können eingeraumet werden.

[1, 6, § 8] 616. Wir gestatten jedoch dem Pflegbefohlenen, daß die zu seinem ohnentbehrlichen Gebrauch benöthigte Habschaften auf seine davon zu machen habende Anzeige nach Ermessen der Gehörde von der Verwaltung des Obsorgers ausgenommen, annebst aber ihme ein gewisser jährlicher Betrag zu seinem Unterhalt ausgeworfen werde, mit welchem sich derselbe begnügen, und in die Verwaltung seines Vermögens gar nicht einmischen, noch weniger den Obsorger darinnen auf einigerlei Weise behinderen, sondern gegentheils dieser ausgiebig dabei geschützet werden solle.

[1, 6, § 8] 617. Derlei Pflegbefohlene werden in Ansehen ihrer Handlungen und Verbindungen denen Minderjährigen vollkommen gleich geachtet, außer daß selbe zur Verehelichung die Einwilligung des Obsorgers, oder des Gerichts nicht nöthig haben, obschon der errichtende Heirathsbrief zu seiner Giltigkeit die gerichtliche Genehmhaltung erforderet.

[1, 6, § 8] 618. Uebrigens ist sich in Ansehung dieser Curatel, deren Antretung, Verwaltung, Raitungslegung und was dahin einschlägt, nach denen bei der Vormundschaft vorgeschriebenen Maßregeln zu achten.

[1, 6, § 8] 619. Doch solle die Auswahl eines Obsorgers (wovon sich Niemand anderer gestalt, als aus denen oben bei Vormundschaften erklärten rechtmäßigen Entschuldigungsursachen entledigen kann) die Nothwendigkeit sowohl einer gerichtlichen Beschreibung, als der Verbürgung, die eidliche Verstrickung und die Ausmessung der Belohnung nach Beschaffenheit der Umständen dem gerichtlichen Ermessen vorbehalten sein, wie dann statt der gerichtlichen Vermögensbeschreibung in Fällen, wo der Zahlungsstand ungezweiflet ist, eine gerichtliche Uebergabs- und Uebernahmverzeichniß hinlänglich ist.

[1, 6, § 8] 620. Desgleichen wird diese Curatel eben also, wie die Vormundschaft geendigt.

Insonderheit aber erreichet dieselbe ihr Ende, wann der Pflegbefohlene verläßliche Anzeigen einer besseren Wirthschaft giebt, welche bei höheren Standespersonen Uns zu Verfügung des Weiteren einzuberichten, bei Leuten niederen Standes hingegen von der Gehörde selbst wohl zu erwägen sind.

[1, 6, § 8] 621. Wird nun von der Gehörde befunden, daß dem Pflegbefohlenen sein Vermögen zur eigenen freien Verwaltung anwiederum eingeraumet, und mit

(1-262) Aufhebung sowohl der Curatel als des Verbots der Einschuldigung fürgegangen werden könne, so solle ein solches zu Jedermanns Wissenschaft gleicher gestalt öffentlich kundgemacht werden.

[1, 6, § 8] 622. Nach aufgehobener Curatel hat wegen Erledigung der Schlußraitung, Sprüchen und Gegensprüchen alles Dasjenige statt, was in gleichem Fall bei Beendigung der Vormundschaft geordnet worden.

Doch haben die Gehörden auf die weitere Aufführung eines solchen von der Curatel losgesprochenen Pflegbefohlenen ein wachsames Aug zu tragen, damit er nicht wiederum in die vorige üble Wirthschaft verfalle.

[1, 6, § 8] 623. Wobei insonderheit darauf acht zu geben ist, daß derselbe nicht etwan neue Schulden mache, oder die währendem Verbot in geheim gemachte bezahle, oder durch Neuerung bestätige, bei dessen Wahrnehmung sogleich zu denen vorigen Einhaltsmitteln geschritten, und vornehmlich gegen Diejenige, die sich währender Curatel haben gelüsten lassen, dem Pflegbefohlenen Geld oder Waaren zuwider dem Verbot zu borgen, wann sie auch nach Aufhebung der Curatel die Zahlung wie immer erschlichen hätten, mit denen auf verbotene Geldborgungen oben ausgesetzten Strafen unnachsichtlich fürgegangen, dabei aber ein mit unterlaufender Wucher oder andere Gefährde noch über das an denen Wuchereren und verführerischen Geldzubringeren nach aller Strenge Unserer Gesetzen bestrafet werden solle.

[1, 6, § 8] 624. Welches sich jedoch auf die vor dem kundgemachten Verbot oder nach Aufhebung desselben aufrecht und ohne Wucher oder Gefährde gemachte Schulden nicht erstrecket, sondern diese sind allerdings zu bezahlen, wann denenselben sonst nichts entgegen stehet.

[1, 6, § 8] 625. Wann hingegen Jemandens Verschwendung offenbar und von ihme keine Besserung zu hoffen ist, auch ein so großer Verfall des Vermögens wahrgenommen wird, daß die Zahlungsunfähigkeit besorget werde, so solle solchen Falls nicht angestanden werden, denselben ohne weiteren Unweg (!) für einen Verschwender gerichtlich erklären, ihme die Verwaltung zu benehmen, einen Obsorger zu bestellen, die weitere Einschuldung und Verbindung zu verbieten, und alles dieses nebst der gerichtlichen Verschwendungserklärung zu Jedermanns Warnigung öffentlich kund zu machen.

[1, 6, § 8] 626. Derlei gerichtlich erklärte Verschwendere verlieren über das nach Ausmessung dessen, was davon oben in eilftem Capitel, erstem Artikel, §. II. geordnet worden, die Macht und Fähigkeit letztwillig zu ordnen.

Wo aber bei hervorbrechender Zahlungsunfähigkeit ein Auflauf der Glaubigeren entstünde, kommt es von dieser Gattung der Curatel ab, und ist dagegen zum Besten der Glaubigeren ein Vermögensobsorger zu bestellen, von welcherlei Fällen und wie derlei sich muthwillig außer Zahlungstand setzende und ihre treuherzige Glaubigere hintergehende Schuldnere zu bestrafen sind, seines Orts mit Mehreren gehandelt werden wird.

[1, 6, § 8] 627. Außer vorangezeigten Fällen der eigenen Unfähigkeit seinen Sachen

(1-263) selbst vorstehen zu können, giebt es noch andere, worinnen die Bestellung eines Obsorgers zur Vertretung gewisser Personen, Güter oder Rechten nöthig ist.

[1, 6, § 8] 628. Ein dergleichen Fall ergiebt sich bei Jemandens Abwesenheit, der zwar sonst die freie Schalt- und Waltung mit dem Seinigen, doch aber zu dessen Besorgung Niemanden zurückgelassen hat, folglich dessen Gut einer Benachtheiligung bloßgestellet ist, oder dessen Rechten, weilen sie von Niemanden vertreten werden, ein Abbruch und Verkürzung geschehen könnte.

[1, 6, § 8] 629. Um also allem ihme hieraus widerfahren mögenden Schaden vorzubeugen, solle einem Abwesenden bei vorfallender Nothdurft, wann entweder dessen Aufenthalt unbekannt, oder die Entfernung allzuweit ist, oder die Unverschieblichkeit des Vorfalls keinen Verzug gestattet, und derselbe entweder keinen bestellten Sachwalter zurückgelassen hätte, oder dieser mit Tod abgegangen oder unfähig worden wäre, zu seiner Verwaltung ein Obsorger bestellet werden.

[1, 6, § 8] 630. Diesem liegt anförderist ob, den Ort des Aufenthalts seines Pflegbefohlenen, wo möglich, zu erforschen, ihme von deme, was in Ansehen seiner Güter oder Rechten vorfällt, Nachricht zu geben, und die Nothwendigkeit, daß er entweder selbst zurückkomme, oder einen genugsam bevollmächtigten Sachwalter bestelle, zu erinneren.

[1, 6, § 8] 631. Den in Erfahrniß gebrachten Aufenthalt desselben hat er sofort der Gehörde anzuzeigen, damit, wenn es nöthig befunden würde, derselbe nach Gestalt der Sachen abgerufen oder ordentlich fürgeladen, und bei Nichterscheinen gegen ihme, wie Rechtens, verfahren werden könne.

[1, 6, § 8] 632. Inzwischen ist der bestellte Obsorger die Curatel, falls er nichts Erhebliches zu seiner Entschuldigung einzuwenden hat, auf sich zu nehmen und selbe, wann sie nicht etwan eine einzle Sache oder Recht beträfe, nach vorläufiger gerichtlicher Beschreibung auch allenfalls nöthig findender Verbürgung und Einantwortung der Güter und Habschaften anzutreten, dann nach der Sache oder rechten Eigenschaft getreulich zu verwalten schuldig.

[1, 6, § 8] 633. Würde der Pflegbefohlene länger ausbleiben, so hat auch der Curator über die Einnahme und Ausgabe jährliche Raitung zu legen, sich der Raithandlung und Allem, was deme anhängig, zu unterziehen, sodann aber bei erfolgender Rückkehr des Abwesenden oder nach dessen Absterben und Hervortretung der rechtmäßigen Erben die aus seiner Verwaltung herrührende und bis dahin noch nicht gerichtlich abgethane Sprüche und Gegensprüche mit ihme oder dessen Erben auszuführen.

[1, 6, § 8] 634. Wie dann überhaupt bei allen Curatelen, welche mit der Verwaltung eines in mehrerlei Sachen oder Rechten bestehenden Vermögens verknüpfet sind, all jenes, was oben von Vormundschaft geordnet worden, beobachtet werden, und nur allein die Ausmessung der Belohnung von dem richterlichen Befund mit Rücksicht auf die mehrere oder mindere Mühewaltung des Curators abhangen solle.

(1-264) [1, 6, § 8] 635. Von dieser Art sind jene Obsorgere, welche über die Habschaften Zahlflüchtiger oder über Verlassenschaften verstorbener Schuldner zum Besten der Glaubiger, oder über ein strittiges Gut oder Erbschaft bis zu Ausgang des Rechtsstritts, oder zur Vertretung der Leibesfrucht einer schwanger hinterlassenen Wittib, und in dieser Absicht zur mittlerweiligen Verwaltung des ganzen Vermögens oder eines Theils desselben, oder zur Besorgung einiger Erbschaften oder Vermächtnissen, worzu sich noch Niemand gemeldet oder sein Erbrecht genugsam ausgewiesen hat, oder welche aus anderen Ursachen denen Erbsnehmeren zur Zeit noch nicht eingeantwortet werden können, bestellet werden.

[1, 6, § 8] 636. Eine ganze andere Beschaffenheit aber hat es mit denen zu einzlen Sachen, Handlungen oder Rechten bestellten Obsorgeren, welchen nichts zur Verwaltung anvertrauet wird, als z. B. bei Erbtheilungen, Verkäufen, Nachlassung eines Rechts oder Verbindlichkeit, oder zur landtäflichen, stadt- oder grundbücherlichen Ausquittirung, oder endlich in Rechtsführungen an Seiten des Klägers oder Beklagten.

[1, 6, § 8] 637. Welcherlei Fälle sich verschiedentlich auch in Ansehung solcher Personen, die bereits einen Vertreter, als z. B. den Vater, in dessen Gewalt sie befindlich sind, oder den Vormund, oder einen anderweitigen Obsorger haben, ereignen können.

[1, 6, § 8] 638. Dann allemal, wann ein Rechtshandel oder auch eine außergerichtliche Gewinn oder Verlust nach sich ziehende Handlung Denjenigen, welcher Jemanden hierbei von amtswegen zu vertreten hätte, unmittelbar oder mittelbar zugleich mit angehet, solle dem zu vertreten habenden Pflegebefohlenen ein eigener Obsorger, der ihn hierbei vertrete, bestellet werden.

[1, 6, § 8] 639. Nicht weniger, da Jemand in einem solchem Handel mehrere pflegebefohlene Personen gegeneinander zu vertreten hätte, ist jederzeit deren Jedweder ein eigener Obsorger zu bestellen; jener aber, deme die Vertretung sonst obliegete, hat sich in derlei Fällen der Vertretung sowohl des Einen, als des Anderen zu enthalten, damit aller Anlaß einer Vorliebe und Parteilichkeit vermieden werde, wie schon anderwärts davon geordnet ist.

[1, 6, § 8] 640. In allen diesen und dergleichen Fällen, wobei keine zur ordentlichen Verrechnung verbindende Verwaltung mit unterlaufet, bestehet das Amt und die Schuldigkeit des Obsorgers lediglich in deme, daß er das Geschäft, welches ihme anvertrauet wird, zu Handen des dabei zu vertreten Habenden getreu und fleißig handle, und sich diesfalls nichts zu Schulden gehen lasse, noch weniger einer Gefährde unterfange.

Dahingegen er auch vollständig schadlos gehalten und ihme nach richterlichem Befund eine billige Belohnung für seine Mühe ausgemessen werden solle.

(1-265) Caput VII.

Von Dienstleuten.

Inhalt:

§. I. Von der Schuldigkeit der Dienstleuten. §. II. Von der Gegenverbindlichkeit des Herrn. §. III. Von der Verbindlichkeit der unter Raitung stehenden Bedienten und Beamten insonderheit. §. IV. Von dem Recht des Herrn wider unverraitete Diener.

§. I.

[1, 7, § 1] Num. 1. Bishero ist von jenen Personen gehandlet worden, welche unmittelbar zu dem Hausstand gehören und deren daher fließenden Rechten theilhaftig werden. Nun erübriget annoch von Dienstleuten zu handlen, die zwar eigentlich an denen Rechten des Hausstandes keinen Theil haben, doch aber insoweit bei der häuslichen Gesellschaft in Betrachtung kommen, als das häusliche Wesen ohne denenselben nicht wohl bestritten werden mag.

(1-266) [1, 7, § 1] 2. Das Band, welches sie an die häusliche Gesellschaft knüpfet, bestehet in einem ausdrücklichen oder stillschweigenden Beding, wodurch dieselbe sich in die Dienste verdingen und in solche aufgedungen werden.

[1, 7, § 1] 3. Aus diesem Beding werden alle Rechten und Schuldigkeiten zwischen dem Herrn und seinen Dienstleuten abgeleitet, welche entweder allgemein sind und allen Herren und Dienstleuten überhaupt ohne Unterschied der bekleidenden Bedienstung unter einander zustehen, oder sie sind einer jedweden Bedienstung nach Gestalt der ihr anklebenden verschiedenen Verrichtungen insonderheit angemessen.

[1, 7, § 1] 4. Diese Letztere erhalten ihre Bestimmung aus der Verschiedenheit deren zwischen Herren und Dienenden eingegangenen Bedingen, aus der Eigenschaft der Dienenden, und aus der Beschaffenheit der manchfältigen Verrichtungen und Geschäften, welche entweder der Dienst oder das Amt in seiner Art erheischet, oder besonders aufgetragen werden.

[1, 7, § 1] 5. Sie können dahero wegen ganz unbeschränkter Manchfaltigkeit menschlicher Bedürfnissen, Wohlstands und Gemächlichkeit, ja auch bloßer Willkür, aus deren Antrieb so verschiedene Dienstleuten in dem gesellschaftlichen Leben aufgenommen zu werden pflegen, in einer eigenen Abhandlung nicht erschöpfet werden.

[1, 7, § 1] 6. Ueberhaupt aber lassen sich Dienstleute in zwei Hauptgattungen eintheilen, als Eine, welche außer ihrer besonderer Amtsschuldigkeit zu nichts Mehreren, als an die allen Dienenden insgesammt zukommende allgemeine Dienstpflichten gebunden sind, und die Anderen, welche noch besonders das ihnen zur Verwaltung anvertraute Gut ihres Herrn zu verrechnen haben und somit unter Raitung stehen.

[1, 7, § 1] 7. Nach diesem Unterschied wird in gegenwärtigen Capitel in denen zweien ersteren §§. vorher von allen Dienstleuten überhaupt, hernach aber in denen folgenden zweien §§. von denen unter Raitung stehenden Bedienten und Beamten insonderheit gehandlet.

[1, 7, § 1] 8. Die allgemeinen Dienstpflichten bestehen in Gehorsam, Fleiß, Treue und

(1-267) ehrbaren Wandel, welche ein jeder Herr von seinen Dienstleuten zu forderen und selbe auch gestalter Dingern nach mit mäßigen Zwang hierzu anzuhalten berechtiget ist.

[1, 7, § 1] 9. Weder der Diener kann sich währender Dienstzeit seinem Herrn entziehen, noch darf jemand denselben abwendig machen. Widrigens ist der Herr befugt, nicht allein den flüchtigen Diener aller Orten in Anspruch zu nehmen, damit derselbe anwiederum in seinen Dienst gestellet werde, sondern auch Denjenigen, welcher ihn abwendig gemacht oder wissentlich einen Aufenthalt giebt, zur Ausfolgung unter einer nach richterlichen Befund zu bestimmenden Geldstrafe nebst Ersetzung der erweislichen Dienstversäumniß und aller Schäden und Unkosten zu belangen.

[1, 7, § 1] 10. Hierbei solle ohne aller Weitläufigkeit schleunig verfahren und sich vor Allem, wann die noch fürwährende Dienstzeit ohne Zweifel ist, der Person des entwichenen Dieners mittelst Bürgschaft oder eidlicher Verstrickung, daß er weiter nicht entweichen wolle, auch beschaffenen Umständen nach mittelst dessen Handfestmachung versicheret, sodann aber nach Befund, daß er sich seinem Herrn widerrechtlich entzogen habe, auf die Stellung in seinen Dienst erkennet und solche durch die gehörige Zwangsmitteln veranlasset werden.

[1, 7, § 1] 11. Von diesfälliger Erkanntniß ist kein weiterer Rechtszug gestattet, falls jedoch der Entwichene genugsame Ursache den Dienst zu verlassen, oder ein Anderer ein stärkeres Recht an ihme zu haben vermeinte, solle es so Einem wie dem Anderen nach vorheriger Stellung des Dieners unverwehret sein, bei eben demselben Gericht ihre Gerechtsamen auszuführen.

[1, 7, § 1] 12. In Dienst selbst müssen sich Dienstleuten ehrlich, fromm und getreu aufführen, ihrem Herrn geziemende Ehrerbietung und Gehorsam bezeugen, desselben Nutzen beförderen, Schaden abwenden und den ihnen anvertrauten Dienst mit allem erforderlichen Fleiß verrichten.

[1, 7, § 1] 13. Was einem frommen und redlichen Lebenswandel entgegen ist, dieses

(1-268) lieget dem Herrn ob, durch ernstliche Ermahnungen und gutes Beispiel so viel möglich, zu verbesseren, hierinnen nicht nachzusehen, noch viel weniger sie durch gebende Aergerniß in dem Bösen zu bestärken.

[1, 7, § 1] 14. Nahmhaftere wider die guten Sitten oder wider die gemeinwesige Ordnung laufende Verbrechen kann der Herr selbst an seinen Dienstleuten nicht bestrafen und hierdurch der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorgreifen, wohl aber stehet ihme frei, den Thäter sogleich abzuschaffen und längershin in seinen Diensten nicht zu gedulden.

[1, 7, § 1] 15. Die Untreue, welche im Dienst begangen wird, kann ein Herr in Kleinigkeiten selbst ahnden und bestrafen, falls sie aber beträchtlich wäre oder gar ein Hausdiebstahl begangen würde, so ist die öffentliche Bestrafung derlei ungetreuer und diebischer Dienstleuten nach Aussatz Unserer peinlichen Gerichtsordnung denen Gerichten zu überlassen.

[1, 7, § 1] 16. Unehrerbietigkeit, Ungehorsam in billigen Sachen, Widersetzlichkeit und dergleichen Unfug, der unmittelbar gegen den Herrn oder gegen die Seinige laufet, ist derselbe nicht nur scharf zu verweisen, sondern auch gestalter Dingen nach mit mäßiger Züchtigung zu ahnden, und, da dieses nicht verfinge, den widerspänstigen Dienstboten vor Ausgang der Dienstzeit zu entlassen, auch allenfalls eine empfindlichere Bestrafung bei Gericht anzusuchen berechtiget.

[1, 7, § 1] 17. Ein jeder Diener ist auch außer seinen ordentlichen Dienstverrichtungen des Herrn Nutzen, so viel er kann, zu beförderen und Schaden abzuwenden schuldig. Hätte er aber dieses zu thun geflissentlich unterlassen, so kann solches nicht nur gegen ihme geahndet, sondern, da eine Arglist, Gefährde oder schwere Schuld mit unterliefe, nach Umständen auch von Gericht aus bestrafet werden.

[1, 7, § 1] 18. In ihren Dienstverrichtungen hingegen sind Dienstleute nicht nur den durch Arglist, Gefährde oder schwere Schuld, sondern auch den durch eine jede wiewohlen geringe, doch so beschaffene Schuld, welche ein fleißiger und sorgfältiger Diener verhüten kann und insgemein zu verhüten pfleget, zugefügter Schaden zu ersetzen oder abzudienen schuldig.

[1, 7, § 1] 19. Die geringste Schuld aber wegen etwan unterlassener ganz besonderer Achtsamkeit, welche auf mehr, dann gemeine Weise sonst fleißiger Diener, anzuwenden gewesen wäre, verbindet dieselben zu keinem Ersatz, wann nicht das aufgetragene Amt oder Geschäft in seiner Art den größten Grad des Fleißes erforderet, oder der Diener sich zu dessen Anwendung und im Widrigen zu der Vergütung nicht ausdrücklich verbunden hat.

§. II.

[1, 7, § 2] 20. Dagegen ist aber auch der Herr verbunden, denen Dienstleuten alles Dasjenige zu reichen, was denenselben bedungen worden, und er kann auch einen

(1-269) Dienstboten vor Ausgang der bestimmten Zeit ohne erhebliche Ursache wider dessen Willen des Dienstes nicht entlassen.

[1, 7, § 2] 21. Ist kein gewisser Lohn und sonstiger Gehalt bedungen, sondern dessen Ausmessung von dem in die Dienste Tretenden dem Herrn überlassen worden, so hat dieser das Recht einen ihme billig scheinenden Lohn seiner Zeit auszuwerfen.

Wo aber der Herr dem Diener gestattet hätte einen Lohn, den er verdienet zu haben glaubete, anzubegehren, so mag der Diener solches thun.

[1, 7, § 2] 22. Wann jedoch so ein- als anderenfalls der Herr und Diener hierinnen nicht übereinkämen oder deswegen zwischen ihnen gar nichts verabredet worden, so tritt das richterliche Ermessen ein, und solle auf Jenes gesehen werden, was für dergleichen Dienste derorten insgemein an Liedlohn und anderem Gehalt gereichet zu werden pfleget.

[1, 7, § 2] 23. Wäre einem Diener ein gewisser Lohn für ein Jahr bedungen oder auch ohne Beding mit dessen Zufriedenheit gereichet worden, und er bliebe über diese Zeit länger in Diensten, ohne weiter einen Lohn zu bedingen, so lauft auch für die folgende Zeit der dem erstjährigen Lohn angemessene Betrag fort.

[1, 7, § 2] 24. Eben also, da ein neuer Diener von nicht geringerer Fähigkeit an die Stelle des vorigen eintritt, ohne etwas des Lohns oder Gehalts halber auszumachen, wird darfürgehalten, daß

man sich um den vorigen Lohn stillschweigend verglichen habe.

[1, 7, § 2] 25. In Liedlohnstrittigkeiten solle schleunig und außerordentlich verfahren, und, wann eine unbillige Vorenthaltung oder Verkürzung des bedungenen oder in das Verdienen gebrachten Lohns vorkäme, mit ausgiebigem Ernst darauf gedrungen werden, damit die Dienstleute ohne Verschub zu dem Ihrigen nebst Ersatz aller erweislichen Schäden und Unkosten gelangen mögen.

[1, 7, § 2] 26. Worwider die Einwendungen, daß ein Dienstbot eine wenige Zeit seinem Dienst nicht vorgestanden, daß währendem seinem Dienst ein Schaden geschehen seie, daß sich dessen Arbeit verminderet habe und dergleichen, zur Aufhaltung des Lohns nicht zureichend sind, wann derselbe durch Krankheit oder sonstigen Zufall eine kurze Zeit seinem Dienst abzuwarten verhinderet worden, an dem Schaden keine erweisliche Schuld trägt, und der Lohn nicht nach Menge der Arbeit, sondern nach der Dienstzeit verglichen ist.

[1, 7, § 2] 27. Dahingegen ist der Herr bei länger anhaltender Krankheit eines Dienenden den Lohn fortzuzahlen nicht verbunden; es würde dann von dem Diener ein anderer zu dieser Dienstleistung Tauglicher und dem Herrn Annehmlicher für die Zeit seiner Krankheit anstatt seiner bestellet.

[1, 7, § 2] 28. Doch hat der Herr in Krankheitsfällen für die Wiedergenesung des Dieners zu sorgen.

Wo er aber Unkosten darauf verwendet hätte, kann er solche zurückforderen

(1-270) oder sich abdienen lassen, wie dann auch ihme die vorgeschossene Begräbnißunkosten aus des Dieners Verlassenschaft zu ersetzen sind.

[1, 7, § 2] 29. Einem Dienstboten, der vor der Zeit wider Willen des Herrn aus dem Dienst tritt, ist der Herr den Lohn ausfolgen zu lassen nicht schuldig, sondern vielmehr befugt, auf dessen Wiederstellung zum Dienst anzudringen und sich an dem verfallenen Liedlohn der Dienstversäumniß und verursachten Unkosten halber zu halten, woferne nicht ein erweisliches hartes und unbilliges Verfahren des Herrn den Diener aus dem Dienst zu weichen bemüssiget hätte.

[1, 7, § 2] 30. Uebrigens ist ein Herr seinen Diener zu schützen, gegen unbillige Zudringlichkeiten zu vertheidigen, ihme den des Dienstes halber an dessen Sachen ohne eigener Schuld erleidenden Schaden zu ersetzen, und wegen etwan in einer anbefohlenen gefährlichen Verrichtung oder aus sonstiger Veranlassung des Herrn widerfahrener Beschädigung an dessen Leib und Gliedern Genugthuung zu leisten schuldig, und hat hierinfalls der Richter den sich beschwerenden Diener nach der sich aus der That selbst ergebenden Billigkeit klaglos zu stellen.

[1, 7, § 2] 31. Wie weit aber ein Herr aus denen Handlungen der Dienstleuten mit


(1-271) Anderen verbunden werde, weilen er entweder dieselbe seinen Geschäften vorgesetzet oder ihre Handlungen gutgeheißen hat, hierüber folget die Ausmessung in dem dritten Theil, allwo von persönlichen Verbindungen gehandlet wird.

[1, 7, § 2] 32. Und weilen überhaupt dem gemeinen Wesen daran gelegen ist, damit die Untreue und Bosheit der Dienstleuten, ihre sträfliche Fahrlässigkeit und Unfleiß, unzeitige Dienstverlassung, übermäßige Gehaltserpressung, Muthwillen, Liederlichkeit und sonstiger Unfug, sowie an Seiten der Herren das harte und unbillige Verfahren mit Dienstleuten hintangehalten werde, so solle in allem diesem Unseren in jedwedem Lande diesfalls besonders bestehenden Polizeiordnungen und löblich hergebrachten Gewohnheiten auf das genaueste nachgelebet werden.

§. III.

[1, 7, § 3] 33. Ueber die gemeine Schuldigkeiten aller Dienstleuten haben jene Bedienten und Beamten, denen das Gut ihres Herrn zu verwalten anvertrauet wird,

(1-272) noch die besondere Verbindlichkeit auf sich, daß sie über das von ihnen verwaltende Gut ihrem Herrn Rechnung zu legen schuldig sind.

[1, 7, § 3] 34. Ein jeder unter Raitung stehender Diener ist dahero verbunden nicht nur das ihme anvertraute Gut mit dem erforderlichen Fleiß und also, wie es seinem Herrn nutzlich ist, zu verwalten, und sich von allem dieser Pflicht zuwiderlaufenden Unfug, und besonders von aller Veruntreuung, sie geschehe durch Eingriff, Unterschlagung, heimliche Entwendung, Vorenthaltung oder durch andere Gefährde und Arglist, zu enthalten, sondern auch sich nach Beschaffenheit oder Erforderniß seines Amts oder Dienstes zu betragen, folglich Empfang und Ausgab, Zuwachs und Abnahme seinem Herrn ordentlich zu verrechnen, bei Legung der Raitung den Bestand auszuweisen und den Abgang vollständig zu ersetzen.

(1-273) [1, 7, § 3] 35. Die Rechnungsart, wie auch die Zeit, wann die Rechnung zu legen ist, hat zwar der Herr zu bestimmen, doch erforderet die gute Ordnung und die selbsteigene Sicherheit sowohl des Herrn, als des unter Raitung stehenden Dieners, daß die Rechnungsrichtigkeit längstens von Jahr zu Jahr gepflogen werde.

[1, 7, § 3] 36. Dahero dann sowohl der Herr den Rechnungsführer wenigstens zur alljährigen Rechnungslegung anhalten, als auch der Rechnungsleger bei dem Herrn nach jedwedem Jahrgang die Aufnehmung und Erledigung seiner für dieses Jahr gelegten Rechnungen ansuchen kann.

[1, 7, § 3] 37. Wann hierauf der Herr binnen drei Monaten, vom dem Tag des bei ihme eingebrachten Erledigungsgesuchs des Raitungslegers zu rechnen, weder zur Rechnungserledigung schreitet, noch ihme die Mängeln zustellen läßt, so solle demselben die obrigkeitliche Erkanntniß (woferne ihme solche nach Maß dessen, was hiernach davon geordnet wird, sonst zustünde) über diese Rechnungen weiter nicht gebühren, sondern, da es darüber zur Strittigkeit käme, und der Herr Kläger würde, die Nothdurft bei dem ordentlichen Richter des Rechnungsführers verhandlet werden. Es wollte sich dann der Rechnungsführer der späteren Erkanntniß des Herrn freiwillig unterziehen.

[1, 7, § 3] 38. Nebst deme ist bei solcher Verzögerung der Rechnungsführer zugleich berechtiget, den Dienst aufzusagen, wann er sich gleich auf längere Zeit zu dienen verbunden hätte. Wo ihme sodann freistehet, die Rechnungserledigung und vollständige Loszählung bei dem Richter des Herrn anzusuchen.

[1, 7, § 3] 39. Da er aber jegleichwohlen in Diensten verbleiben, und der Herr die Erledigung deren Raitungen längstens binnen dreien Jahren und achtzehen Wochen vom dem Tag ihres Erlags zu End zu bringen unterlassen würde, so sollen solche Rechnungen aus Gewalt des Rechts für richtig gehalten und kein Theil vom dem anderen hierwegen weiter angefochten werden.

[1, 7, § 3] 40. Wie Wir dann hiermit die Rechnungsführere von der Schuldigkeit entbinden, weitere Red und Antwort über diejenige Rechnungen zu geben, von deren Erlag die vorbesagte Zeit verstrichen ist.

[1, 7, § 3] 41. Wovon die alleinige in gleich vorhergehendem Kapitel, §. V erwähnte Vorbehaltsfälle und der etwann eingestandene Raitrest ausgenommen bleiben, wegen welcher der Rechnungsführer jederzeit zur Verantwortung, doch nicht nach der Erkanntniß des Herrn, sondern des ordentlichen Richters verbunden ist.

[1, 7, § 3] 42. Die Rechnungen der Bedienten und Beamten betreffen verschiedene Gegenstände nach Manchfältigkeit der Güter oder Geschäften, welche ihnen unter Verrechnung zu verwalten anvertrauet werden.

Hauptsächlich aber sind es Haus-, Wirthschafts-, Gewerbs- oder Handlungsrechnungen.

[1, 7, § 3] 43. Wie bei anderen, also auch bei Hausrechnungen, ob sie schon nicht allzu beträchtlich wären, muß der Rechnungsführer den Hauptempfang, das ist jenes, was ihme bei Antritt des Dienstes an baarem Geld oder anderen Sachen und Fahrnissen übergeben worden, oder von der vorigen Rechnung als ein Bestand übrig geblieben ist, wie nicht weniger den weiteren Empfang an Hauptgeldern, Zinsen, Einkünften, Nutzungen und allen anderen Zugängen getreulich anzeigen, und solchen da, wo es zur Beglaubigung nöthig ist, mit Gegenscheinen, Urkunden, Zeugnissen und dergleichen Beweismitteln belegen.

[1, 7, § 3] 44. Ingleichen muß derselbe die Ausgaben mit Bemerkung des Jahrs, Monats und Tags ordentlich anzeigen, mit Quittungen, Scheinen und anderen Beweisen bewähren, und anbei, wo es nicht unausweisliche oder überhaupt anbefohlene Zahlungen betrifft, die hierzu erhaltene schriftliche Anschaffung beibringen.

[1, 7, § 3] 45. Da aber der Rechnungsführer sich nur auf mündliche Anschaffungen

(1-274) beriefe, so muß derselbe bei ermanglendem vollem Beweis solche wenigstens halbständig erweisen, in welchem Fall er zur eidlichen Erhärtung der erhaltenen Anschaffung zuzulassen, außerdeme hingegen seinem bloßen Vorgeben ohnerachtet des zugleich anerbietenden Eides kein Glauben beizumessen ist.

[1, 7, § 3] 46. Doch kommt die Ausgab dem Rechnungsführer auch bei unerweislicher Anschaffung insoweit zu Guten, als selbe zu erweislichen Nutzen des Herrn gediehen ist.

[1, 7, § 3] 47. Endlich muß der Rechnungsführer den nach Abzug der Ausgaben verbleibenden Bestand an Geld oder anderen Sachen baar oder in seiner Gestalt, Zahl, Gewicht und Maß vollständig ausweisen, und den allenfalls sich ergebenden Abgang ersetzen.

[1, 7, § 3] 48. Dann ein jeder Rechnungsführer hat für die Richtigkeit seiner Rechnung zu stehen, und die Mängeln zu verantworten, wann er seinem Amt zuwider gehandlet, den gehörigen Fleiß anzuwenden unterlassen, Dasjenige, worzu er sich besonders verbunden, nicht erfüllet, oder die von seinem Herrn ihm eigens ertheilte Befehle nicht befolget hat.

[1, 7, § 3] 49. Der Herr ist demnach berechtiget, über die erlegte Rechnungen Mängeln auszustellen und den Ersatz zu forderen, wann einerseits die Schuld des Rechnungsführers und andererseits der Schaden des Herrn erweislich ist.

[1, 7, § 3] 50. Dagegen aber ist auch dem Rechnungsführer zugelassen, die ausgestellten Mängel zu erläuteren, und auf die weitere Bemängelung seine Schlusserläuterung einzubringen.

[1, 7, § 3] 51. Ueber die allen Rechnungsführeren insgemein obliegende Schuldigkeit

(1-275) erheischet noch besonders die Pflicht der Wirthschaftsbeamten, insoweit sie denen Unterthanen und Landvolk vorgesetzet sind, ob denen gemeinwesigen Verordnungen feste Hand zu halten und selbe genau zu befolgen, hiernächst aber auch die Gerechtsamen und den Nutzen nicht nur ihrer Herren, sondern auch ihrer Untergebenen alles Fleißes zu beobachten.

[1, 7, § 3] 52. Sie sind dahero schuldig, Unsere landesfürstliche Verordnungen und die von denen vorgesetzten Gehörden ihnen zukommende Befehle ihren Untergebenen unverweilt, und da es erforderlich, auch zu wiederholten Malen kund zu machen, mithin darob zu sein, daß Niemand eine Unwissenheit vorschützen könne.

Widrigens sollen dieselbe den aus solcher Unwissenheit ihrem Herrn oder denen Unterthanen etwa erwachsenden Schaden zu ersetzen gehalten sein.

[1, 7, § 3] 53. Umsoweniger sollen sie gestatten, daß Jemand von ihren Untergebenen Unseren Verordnungen zuwider handle, vielmehr die Uebertretere, insoweit es ihnen zustehet, bestrafen oder zu anderweiter Bestrafung denen Gehörden bei schwerer Verantwortung anzeigen.

[1, 7, § 3] 54. Nicht minder lieget ihnen ob, die Unterthanen und andere Untergebene zu schützen, da, wo es nöthig, zu vertreten, dieselbe auf keinerlei Weise Unseren Verordnungen und der Billigkeit zuwider an ihren Rechten und Gerechtigkeiten zu kränken, und sich anbei von allem Eigennutz und Erpressung oder Annehmung auch freiwillig von ihnen anbietender Geschenken über das, was die ausgesetzten Gebühren betragen, wie auch von unbilligen Bedrohungen, Verfolgung und unmäßiger Härte zu enthalten.

[1, 7, § 3] 55. Insonderheit aber sind sie auch in jenem Fall, wo ihnen zugleich die Aufsicht über Städte, Märkte, Dorfschaften und andere Gemeinden, Gotteshäuser und milde Stiftungen mit oder ohne Verwaltung der Einkünften aufgetragen worden, für die Erhaltung und Aufnahme derselben zu sorgen, widrigens den mit ihrer Schuld oder Vernachlässigung erfolgenden Schaden zu ersetzen schuldig, und beinebst beschaffenen Umständen nach denen anderweit ausgemessenen Strafen verfänglich.

(1-276) [1, 7, § 3] 56. Und da ihnen zugleich die Besorgung der obrigkeitlichen Gerichtsbarkeit, die Haltung der Grundbüchern, und was überhaupt in die Rechtspflege einschlägt, anvertrauet wäre, sollen dieselbe nach Vorschrift deren Satz- und Ordnungen, und ihren aufhabenden schweren Pflichten gemäß fürgehen, widrigen Falls aber zum Ersatz des zugefügten Schadens angehalten, und noch darzu mit einer nach Umständen verhängenden Strafe beleget werden.

[1, 7, § 3] 57. Denen Herrschaften und Obrigkeiten stehet zwar frei, ihren Beamten diensame Maßregeln zur Beobachtung vorzuschreiben, doch müssen dieselbe Unseren Gesetzen und Verordnungen, wie auch der Landesverfassung und wohlhergebrachten Gewohnheiten nicht zuwiderlaufen.

[1, 7, § 3] 58. Nach dieser Vorschrift, sonst aber aus der Eigenschaft des aufhabenden Amts oder Dienstes ist die Pflicht eines Wirthschaftsbeamten, folglich auch die Schuld zu beurtheilen, für welche derselbe zu haften hat.

[1, 7, § 3] 59. Insgemein ist ein Wirthschaftsbeamter zu keinem mehreren Fleiß verbunden, als welchen gute, emsige und sorgfältige Wirthe anzuwenden pflegen. Wann er dahero bei der Wirthschaft ohne Befehl etwas unternimmt, was ein guter und fleißiger Wirth insgemein nicht unternommen haben würde, oder wann derselbe in Gegentheil bei der Wirthschaft entweder selbst etwas vorzukehren oder wenigstens der Herrschaft zur anzuordnenden Vorkehrung zeitlich anzuzeigen unterlassen hätte, was ein guter und fleißiger Wirth insgemein vorzukehren nicht unterlassen haben würde, so gereichet ihme der hieraus erweislich entstandene Schaden allerdings zur Schuld.

[1, 7, § 3] 60. Nicht weniger fallt ihme zur Schuld, wann er einen auch nur zufälligen jedoch von einem guten Wirth vorzusehen und abzuwenden gewesten Schaden nicht verhütet, oder einen durch anderer ihme untergebener Dienstleuten Unachtsamkeit verursachten Schaden, deme er bevorkommen kann, nicht hintan hält, oder wann aus seiner Unwissenheit ein Schaden geschieht, da er nämlich Dasjenige nicht weiß, was er vermöge auf sich genommenen Amts wohl wissen sollte.

[1, 7, § 3] 61. Desgleichen, wann durch seine Unverträglichkeit oder bedenkliche Verständniß mit anderen Beamten, oder durch seine allzu große Nachsicht, da er den Unfug seiner Untergebenen weder selbst abstellet, noch solchen der Herrschaft zur Abstellung in der Zeit anzeiget, oder auch durch fälschliche Verkleinerung anderer Dienstleuten dem Herrn ein Schaden zugezogen wird.

[1, 7, § 3] 62. Dahingegen hat ein Beamter für die Unterlassung einiger Verbesserungen, welche vielleicht die besten und allerfleißigsten Wirthe angekehret haben würden, oder für eine ihme anmuthen mögende geringste Schuld nicht zu haften, er hätte sich dann ausdrücklich zu dem ausbündigsten Fleiß verbunden, oder die Eigenschaft des Amts oder Geschäfts selbst hätte den größten Fleiß erforderet.

[1, 7, § 3] 63. Solche Verbesserungen hingegen, welche nicht anderst, als mit Beschwerung der Unterthanen, mit unbilliger Benachtheiligung der nachgesetzten minderen Beamten und Dienstleuten, mit Entkräftung der Bestandleuten, mit Bekränkung der Nachbarschaft oder wie immer mit Belästigung des gemeinen Wesens bestehen können, solle kein Beamter bei nachdrucksamer Ahndung in Vorschlag zu bringen, noch weniger selbst vorzunehmen sich anmaßen, widrigens den der Herrschaft oder denen Untergebenen durch dergleichen gemeinverderbliche und aus seiner Verleitung veranlaßte Vorkehrungen etwan zugegangenen Schaden zu ersetzen gehalten sein.

[1, 7, § 3] 64. Ueberhaupt hanget die Beurtheilung dessen von dem vernünftigen Ermessen ab, ob und was für eine Schuld an Seiten des Wirthschaftsbeamten unterwalte, wobei auf die verschiedene Umstände der Person, der Zeit, des Orts, des Amts und mehr Anderes zu sehen ist, was in Ansehung der verschiedenen Gattungen der Schuldtragung in drittem Theil seines Orts erkläret wird.

[1, 7, § 3] 65. Wie dann zuweilen auch eine an sich sonst geringste Schuld zur mittleren

(1-277) Schuld erwachsen kann, wann z. B. eine Warnigung von der Herrschaft oder von dem vorgesetzten Oberbeamten, oder ein besonderer Befehl, deme nicht genau nachgelebet worden, vorhergegangen, oder ein Dritter an Anwendung des allergrößten Fleißes verhinderet worden wäre.

[1, 7, § 3] 66. Gleichwie im Gegentheil auch die sonst mittlere Schuld sich in die geringste verwandlen kann, wann etwann ein Zufall, eine anderweitige Verhinderniß, fremde Schuldtragung, vorherige nicht abzustellen geweste gleiche Beobachtung, Kleinigkeit des Schadens, anderweiter beträchtlicher Nutzen und dergleichen die Schuld minderende Umstände unterliefen.

[1, 7, § 3] 67. Eine gleiche Beschaffenheit hat es mit jenen unter Raitung stehenden Dienstleuten, welchen eine Handlung, Gewerb oder sonstige in Empfang und Ausgab bestehende Verwaltung anvertrauet ist, und die deswegen, weilen sie in alleiniger Bedienstung, Verpflegung und Besoldung ihres Herrn stehn, andurch von bestellten Sachwalteren unterschieden sind, welche fremde Geschäften lediglich kraft übernommener Vollmacht besorgen.

[1, 7, § 3] 68. Ein Herr kann von seinem unter Raitung stehenden Diener zu allen

(1-278) Zeiten Rechenschaft forderen, den Stand deren ihme anvertrauten Gütern und Habschaften erforschen, und bei gegründetem Verdacht oder wirklichem Befund einer üblen Gebarung sich der Person und Habseligkeiten des Dieners entweder selbst, inwieweit er aus obrigkeitlicher Gewalt darzu berechtiget ist, oder mittelst gerichtlicher Hilfe versicheren, bis daß der Diener oder Beamte vollständige Richtigkeit gepflogen, den Abgang ersetzet oder annehmliche Sicherheit für Alles bestellet habe.

[1, 7, § 3] 69. Einigen Herren ist gestattet, über die von ihren Dieneren und Beamten gelegte Rechnung und dabei vorgefallene Mängeln dergestalten zu erkennen, daß ihre Erkanntniß in Rechtskräften erwachse, wann nicht davon, sowie von anderen Rechtssprüchen sich zu der höheren Gehörde gewendet wird.

(1-279) [1, 7, § 3] 70. Alle übrige Herren hingegen können sich zwar mit ihren Dieneren und Beamten auf die hiernach folgende Art berechnen, doch, wann es hierüber zur Strittigkeit kommt, muß solche bei der ordentlichen Gehörde verhandlet und entschieden werden.

[1, 7, § 3] 71. Dieser Unterschied rühret von dem besonderen Vorrecht her, welches Wir allen Besitzeren landschaftlicher oder Lehengüter in diesen Unseren deutschen Erblanden hiermit verleihen und bestätigen, daß selbe in Rechnungssachen ihrer Beamten und anderer zur Landwirthschaft gehöriger Dienstleuten als die erste Gehörde auf nachstehende Weise fürgehen, und, was Rechtens ist, erkennen mögen.

[1, 7, § 3] 72. Welche obrigkeitliche Befugniß denenselben auch in Hausrechnungssachen, jedoch bloß allein in jenem Fall gebühren solle, wann die Hausrechnungsführere in ihrem alleinigen Dienst und Gehalt stehen, und auf dem landschaftlichen oder Lehengut ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

[1, 7, § 3] 73. Damit aber in derlei Rechnungswesen ordentlich verfahren werde, muß bei Antritt eines unter Raitung stehenden Dienstes dem eintretenden Diener oder Beamten Alles richtig übergeben werden, was er künftig zu verrechnen hat.

[1, 7, § 3] 74. Wann aber der Herr dem aufgenommenen Diener befohlen hätte, sich unerwartet einer ordentlichen Uebergabe der zu verraiten habenden Amtsverwaltung zu unterziehen, so kann der Rechnungsführer nach der Zeit nicht verhalten werden, seinen Empfang mit einem Eid der Anzeige zu bestätigen, doch ist dem Herrn unbenommen, den mehreren Empfang über das, was von dem Rechnungsführer angegeben wird, durch andere rechtliche Beweismitteln darzuthun.

[1, 7, § 3] 75. Woferne hingegen ein anderer bringender Umstand den Beamten bemüssigete, einen solchen Dienst ohne vorhergegangener Uebergabe unverschieblich anzutreten, so ist derselbe den Empfang,falls er sich darüber keine andere Bescheinigung hätte geben lassen, auf Verlangen des Herrn mit einem Eid der Anzeige zu erhärten schuldig.

[1, 7, § 3] 76. Die Uebergabe solle von dem Herrn oder einem Anderen in desselben Namen oder von dem Vorfahrer in Amt oder Dienst in Beisein des Herrn oder eines anderen von ihme hierzu Abgeordneten geschehen, alles Uebergebene, es seie baarer Bestand, Vorräthe oder Ausstände, nach seiner Zahl, Gewicht und Maß beschrieben und diese Beschreibung von dem Herrn oder von dem statt seiner darzu Verordneten gefertiget, dem antretenden Rechnungsführer zugestellet und eine gleichlautende von dem Rechnungsführer mit Bescheinigung der Uebernahme gefertigte Urkunde bei dem Herrn aufbehalten werden.

[1, 7, § 3] 77. Wäre aber der Vorfahre todt oder flüchtig, so kann der Herr nicht allein zu seiner Sicherheit die Sperr alsobald anlegen, sondern auch mit Zuziehung zweier glaubwürdigen Personen die Beschreibung des vorhandenen Bestandes vornehmen lassen, und hienach die Uebergabe an den Nachfolger vollziehen, welche alsdann diesem zur Bewährung des Hauptempfangs und somit zum Grund der künftigen Rechnung andienet.

[1, 7, § 3] 78. Nach angetretenem Dienst hat der Herr das Recht, von seinem unter Raitung stehenden Diener und Beamten die Rechnungen abzuforderen, aufzunehmen und zu erledigen, welche wenigstens von Jahr zu Jahr oder in denen bedungenen oder von dem Herrn darzu bestimmten kürzeren Fristen, und vornehmlich bei Ausgang des Dienstes jedes Mal längstens binnen denen nächst darauffolgenden sechs Wochen ohne weiterer Nachfrist geleget werden sollen.

Widrigens kann der Herr den Rechnungsführer nach deren Verlauf mit Zwangsmitteln darzu anhalten.

[1, 7, § 3] 79. Nichtsdestoweniger bleibet auch unter dieser Zeit dem Herrn unbenommen, von seinem unter Raitung stehenden Diener und Beamten nach Gefallen den Ausweis des vorhändigen Bestandes von denen ihme anvertrauten Geldern oder

(1-280) anderen Habschaften abzuforderen, und falls hieraus eine Unrichtigkeit hervorkäme, unmittelbar binnen nächsten sechs Wochen den Erlag der Rechnungen anzuverlangen.

[1, 7, § 3] 80. Eine dergleichen Bestandlegung zielet einzig und allein zu des Herrn eigener Sicherheit ab, mithin gereichet solche auch dem Beamten zu keiner Verkleinerung. Hierbei ist dem Herrn gestattet, sogleich mit der Sperr und Versieglung der vorhändigen Geldern und alles dessen, was der Beamte unter seiner Verrechnung hat, wie auch mit Versieglung seiner Handbücher und aller zur Rechnung gehöriger Schriften den Anfang zu machen.

[1, 7, § 3] 81. Sodann sind in Beisein des Rechnungsführers die Gelder und alle übrige zu verrechnen habende Sachen nachzuzählen, nachzumessen oder nachzuwiegen, und nebst denen Schriften und Urkunden dem Befund gemäß zu beschreiben; bis daß aber nicht Alles beschrieben worden, ist dem Rechnungsführer zugelassen, sein eigenes Siegel mitanzulegen.

[1, 7, § 3] 82. Nach diesem ist die Schuldigkeit des Rechnungsführers aus denen Rechnungsschriften die Ausstände entweder zur Stelle anzuzeigen, oder binnen drei Tagen herauszuziehen, zu welchem Ende ihme nicht verwehret werden solle, sich nach Nothdurft in denen Schriften zu ersehen, wobei jedoch die erforderliche Behutsamkeit gebrauchet werden mag, damit von ihme darinnen nichts geänderet oder verrucket werde.

[1, 7, § 3] 83. Dieser Ausweisung kann der Rechnungsführer auch jene Ausstände beifügen, die er etwan in seinen Schriften aufzuzeichnen vergessen hätte, und wann er sodann darmit zu Stand gekommen, muß solche in die Beschreibung des Bestands mit eingezogen werden. Doch beruhet es bei dem Herrn, die Mitbeamte und andere Personen, worauf sich der Rechnungsführer eines Ausstands halber beziehet, zur Bestätigung der Richtigkeit oder Bekanntniß der Schuld fürzuforderen, oder gestalter Dingen nach hierüber zu vernehmen.

[1, 7, § 3] 84. Was von ihnen eingestanden wird, ist als ein wirklicher Bestand anzusehen, das Widersprochene aber als zweifelhaft anzumerken und zur weiteren Untersuchung auszusetzen, dann immittelst die Beschreibung zur beiderseitigen Nothdurft gleichlautend auszufertigen.

[1, 7, § 3] 85. Fände sich ein Abgang an Geld oder anderen Sachen, oder es würden bei dem Ausweis beträchtliche Posten widersprochen, oder es äußerete sich sonst eine gefährliche Verwirrung oder ein gegründeter Verdacht einiger Veruntreuung, so kann der Herr obverordneter Maßen nicht allein den wirklichen Rechnungserlag abforderen, sondern auch, da genugsame Ursach vorhanden wäre, sich sowohl der Person des Rechnungsführers, als seiner Sachen versicheren.

[1, 7, § 3] 86. In Ansehung der Art und Weis, wie Wirthschafts- und andere derlei Privatrechnungen zu verfassen sind, hat es bei dem landesüblichen Gebrauch oder bei denen von jedem Herrn nach eigener Willkühr hierinnen gemachten besonderen Einrichtungen sein Bewenden.

[1, 7, § 3] 87. Wie aber die Rechnungen zu legen, wie Empfang und Ausgab zu bewähren, und ein richtiger Verweis des Ueberrests zu machen seie, ist aus deme abzunehmen, was in gleich vorhergehendem Capitel von Vormundschaftsrechnungen geordnet worden, und auf alle weitläufigere Rechnungen überhaupt seine gute Anwendung hat.

[1, 7, § 3] 88. Die gelegte Rechnungen ist der Herr selbst aufzunehmen oder durch Andere aufnehmen zu lassen berechtiget, und solle vor Allem die Rechnung durchgegangen, untersuchet, die vorkommende Bestände und Anstände ausgezogen, diese dem Rechnungsleger zu seiner Ersehung auf eine ihme anzuberaumende hinlängliche Zeit zugestellet, sonach derselbe darüber mündlich vernommen, was behoben

(1-281) oder von demselben eingestanden wird, verzeichnet, diese Verhandlung von dem Rechnungsleger unterschrieben, und ihme zu seiner Nothdurft eine Abschrift davon zugestellet werden.

[1, 7, § 3] 89. Wann nun solchergestalt Alles behoben worden, so ist dem Rechnungsführer nach Ersetzung deren etwan von ihme eingestandenen Mängeln die Loszählung unverlängt zu ertheilen.

Da er aber mit dem Ersatz säumete, dieser ihme mittelst eines obrigkeitlichen Endauszugs binnen vierzehn Tagen aufzulegen, und ferner zu verfahren, wie hiernach geordnet wird.

[1, 7, § 3] 90. Würden hingegen dabei einige Anstände und Bedenken unbehoben bleiben, so sollen dieselbe als förmliche Mängeln abgefasset, dem Rechnungsleger zur schriftlichen Erläuterung zugestellet, und was hierdurch nicht abgethan würde, darüber durch weitere Bemänglung des Herrn und die Schlußerläuterung des Rechnungslegers, weiter aber nicht, als mit vier Schriften verfahren, und, da eine Zeugenführung vorfiele, die Verhandlung deswegen nicht aufgehalten, sondern dabei jenes beobachtet werden, was in vorstehendem Capitel in gleichem Fall bei Aufnehmung der Vormundschaftsrechnung geordnet worden.

[1, 7, § 3] 91. Nach also gewechsleten Schriften ist die Verhandlung ohne weiters zu schließen, und über Alles, was sowohl mündlich, als schriftlich verhandlet worden, eine Verzeichniß unter des Rechnungslegers Unterschrift, oder da dieser hierbei in der ihme zu bestimmenden vierzehentägigen Frist nicht erscheinen würde, von amtswegen zu verfassen, hierauf aber binnen vier Wochen, von dem Tag der geschlossenen Nothdurftshandlung zu rechnen, zur obrigkeitlichen Erkanntniß zu schreiten, nach deren Verlauf dieselbe dem Herrn nicht mehr gebühren, sondern dem ordentlichen Richter allein überlassen sein solle.

[1, 7, § 3] 92. Diese Erkanntniß möge von dem Herrn oder von Anderen in seinem Namen geschöpfet sein, so muß sie jedesmal von dem Herrn selbst unterfertiget werden. Er wäre dann abwesend und hätte zu seinen Rechtsvorfallenheiten Jemanden genugsam bevollmächtiget, durch welchen sodann die Fertigung in Vollmacht des Herrn geschehen kann.

[1, 7, § 3] 93. Die Rechnungserledigung muß ordentlich von Post zu Post, wobei Mängeln vorgekommen, in der nämlichen Ordnung, welche bei der Rechnung beobachtet worden, abgefasset und der Rechnungsleger entweder von denen Mängeln losgesprochen oder zu den Ersatz angewiesen werden.

[1, 7, § 3] 94. Doch muß die Erkanntniß des Ersatzes in jenen Fällen, wo es noch auf weiteren Beweis durch Zeugen oder auf die eidliche Erhärtung ankommt, mit dem Vorbehalt, wann der Rechnungsleger dieses oder jenes nicht erweisen oder beschwören würde, geschehen, und auch überall die Ursachen des auferlegten Ersatzes beigefügt werden.

[1, 7, § 3] 95. Ueberhaupt sollen in der nach rechtlicher Ordnung zu vollführenden Raithandlung dem Rechnungsführer die Mitteln zu seiner Vertheidigung keineswegs beschränket, noch weniger ihme dessen Schriften, daferne er solche zu seiner Rechtfertigung bedarf, vorenthalten werden.

[1, 7, § 3] 96. Vielmehr sind ihme dieselben zu seiner Einsicht sowohl währender mündlicher als schriftlicher Verhandlung unweigerlich, obschon mit freistehender Anwendung der nöthigen Behutsamkeit vorzulegen, und entweder in Urschriften gegen Bescheinigung oder in beglaubten Abschriften zu seiner Nothdurft auszufolgen, wie nicht minder auf gleiche Weise demselben die benöthigten Urkunden aus seinen vorhin gelegten oder anderen dahin einschlagenden Raitung seiner Mitrechnungsführeren in Abschrift mitzutheilen.

[1, 7, § 3] 97. Die Raithandlung solle nicht verzögeret, sondern die oben zum Erlag

(1-282) der Rechnungen sowie zu deren Erledigung ausgesetzte Fristen genau beobachtet, hernach aber in nachfolgenden Rechtsfristen unnachbleiblich fürgegangen werden.

[1, 7, § 3] 98. Die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung kann von dem Herrn so oft als nöthig, jedoch ganz kurz aufeinander bestimmet werden.

Wo aber der Rechnungsleger nicht erschiene, ist der Herr befugt, über die Anstände, welche dieser mündlich hätte beheben können, Mängeln auszustellen, worüber derselbe sich sodann schriftlich zu verantworten hat.

[1, 7, § 3] 99. Wann hingegen bei dessen Erscheinen die mündliche Verhandlung geschlossen wird, solle der Herr dem Rechnungsleger längstens binnen vier Wochen bei befundener Richtigkeit die Loszählung ertheilen, oder die mündlich nicht behobene Mängeln zur schriftlichen Erläuterung zustellen. Widrigens wird derselbe der obrigkeitlichen Erkanntniß verlustig.

[1, 7, § 3] 100. Eine gleiche vierwochentliche Frist ist dem Rechnungsleger zu seiner schriftlichen Erläuterung, ferners dem Herrn zur weiteren Bemänglung und endlich dem Rechnungsleger zu seiner Schlusserläuterung ohne aller Erstreckung anberaumet, also zwar, daß, wann binnen dieser Zeit ein- oder andererseits auf die zugestellte Schrift des Gegentheils nichts einkommt, die Verhandlung geschlossen, und nach Demjenigen, was eingebracht worden, jedoch mit Beobachtung der Billigkeit, gesprochen werden kann.

[1, 7, § 3] 101. Wann demnach der Raitungsleger seine Erläuterung über die ausgestellte Mängeln, oder seine Schlusserläuterung über die ihme zugekommene weitere Bemänglung in der obbestimmten Frist nicht eingebracht, ist der Herr nicht mehr schuldig, die später einreichende Schrift anzunehmen, sondern kann vorbesagter Maßen die Verhandlung schließen, und über die verhandleten Schriften, was Rechtens, erkennen.

[1, 7, § 3] 102. Gleichwie gegentheils, wann der Herr in der obanberaumten Frist die weitere Bemänglung dem Rechnungsleger nicht zustellet, dieser nicht mehr verhalten werden kann, sich darüber weiter einzulassen, sondern ihme stehet frei mit Verwerfung der später eingebrachten Schrift des Herrn die Schließung des Verhandleten und die Schöpfung der obrigkeitlichen Erkanntniß anzuverlangen.

[1, 7, § 3] 103. Wo aber der Herr auf eine oder die andere Weis die obrigkeitliche Erkanntniß verlieret, solle er den Rechnungsführer bei seiner ordentlichen Gehörde belangen, und die Rechnungssache, wann bereits einige Nothdurft darinnen verhandlet worden, so, wie sie liegt, alldahin zum weiteren Verfahren übergeben.

[1, 7, § 3] 104. Würde er hingegen längstens binnen drei Jahren und achtzehen Wochen von dem Tag des Erlags der Rechnungen die Raitungssache bei Gericht nicht anbringen, so sollen obverordneter Maßen nach Verlauf dieser Frist die gelegten Rechnungen bis auf den etwann eingestandenen Rest, und die allzeit ausgenommene Vorbehaltsfälle für richtig gehalten, und dem Rechnungsleger ohne weiters zu seiner Loszählung verholfen werden.

[1, 7, § 3] 105. Nebst deme ist auch der Herr in jenem Fa