| 7047 | Universität ist die aus der Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden seit dem 12. Jh. erwachsende, die gesamte Breite der Wissenschaften erfassende Lehranstalt. Die erste juristische U. entsteht auf scholastischer Grundlage um die Glossatoren (→Irnerius, Bulgarus, Hugo, Jacobus, Martinus) in Bologna (als offizielles Gründungsjahr 1088 angesehen, um 1200 ca. 1000 juristische Studenten, Statuten von 1252). Spätere Universitäten umfassen meist neben der einführenden artistischen (philosophischen) Fakultät (der artes liberales) die drei höheren Fakultäten Theologie, Jurisprudenz und Medizin. Leiter der U. ist der Rektor, Leiter der Fakultät ist der Dekan. Als Schutzherren treten anfangs vor allem Papst und Kaiser auf, später auch Landesherren und Städte. Frühe bekannte europäische Universitäten entwickeln sich in →Paris (Statuten von 1215), →Oxford (nach 1139), →Cambridge (seit 1209), →Montpellier (seit etwa 1170), →Salerno (995-1087?, Medizin), Perugia (1208), Salamanca 1218/1219, →Padua (1222) oder →Neapel (1224), Lissabon (1290), Pisa (1343), Florenz (1349), Siena (1357) oder Pavia (1361). Eine erste deutsche U. entsteht in →Prag 1348 (, Beginn humanistischen Einflusses). Es folgen mit bescheidenen Anfängen →Wien (1365), (ab 1378 Verringerung des päpstlichen Einflusses infolge des Schismas,) →Heidelberg (1386), →Köln (1388), →Erfurt (1392), (um 1400 europaweit rund 30 Universitäten, Aufkommen territorialer Universitäten,) →Leipzig (1409), →Rostock (1419), →Freiburg im Breisgau (1425), →Greifswald (1456), →Löwen (1425 bzw. 1457), →Basel (1460), →Ingolstadt (1472), →Trier (1472), Kopenhagen (1475), Uppsala (1477), →Tübingen (1477) und →Mainz (1477) (zwischen 1348 und 1510 18 erfolgreiche Universitätsgründungen im deutschsprachigen Raum, bis 1550 mehr als 300000 Immatrikulierte, 30-50 Prozent mit Prüfung). Die Zahl der Studierenden nimmt beständig zu (im ausgehenden 14. Jahrhundert in Deutschland vielleicht jährlich 600, im ausgehenden 15. Jh. in Deutschland jährlich etwa 3000 Studienanfänger, von 1385 bis 1505 in Deutschland insgesamt rund 200000 Studerende, davon 164000 an den 12 Universitäten Wien, Löwen, Basel, Heidelberg, Köln, Erfurt, Leipzig, Rostock, Greifswald, Freiburg im Breisgau, Ingolstadt und Tübingen – deren Matrikel im Gegensatz zu Prag, Trier und Mainz nicht verloren ist -, bis zur Reformation im Heiligen römischen Reich rund, - in Köln zu vier Fünfteln aus Städten stammende - 300000 Studierende, davon 250000 der artistischen Fakultät, 13 % (rund 39000) der juristischen Fakultät, 2,6 % der theologischen Fakultät und 0,4 % der medizinischen Fakultät). Angestrebte, aber vielfach nicht erreichte Grade sind Bakkalaureus, Lzentiat, Magister und Doktor. Die Reformation (1527 erste lutherische Universität in Marburg, 1559 erste reformierte Universität in Genf) fördert die Differenzierung der Lehre, die Professionalisierung der Universitätslehrer und die Vorstellung der Freiheit der Studierenden, aber auch Gegenbewegungen (1538 höheres Studium der Dominikaner auf Haiti, ab 1550 jesuitische Hochschulen) und europäische Ausbreitung (1575 Leiden, 1724 Sankt Petersburg) wie außereuropäische Ausdehnung (1650 Stiftungshochschchule John Harvards in Nordamerika, 1701 Yale, 1785 New Brunswick, 1829 Cape Town, 1850 Sidney, 1857 Bombay, 1877 Tokio, 1883 Istanbul, 1898 Peking). Juristische Reformuniversitäten werden →Halle (1694), →Göttingen (1734) und →Berlin (1810, Humboldtsches Bildungsideal) (um 1800 190 Universitäten weltweit). Im 19. Jh. werden naturwissenschaftliche Fächer eröffnet. Im Verlauf des Jh.s öffnet sich die U. allmählich den Frauen. In der Wertschätzung stehen in Deutschland Berlin, München, Leipzig, Bonn, Heidelberg und Göttingen vor den anderen Universitäten. Die zweite Hälfte des 20. Jh.s führt zu vielen Massenuniversitäten (1985 86500 deutsche Studenten der Rechtswissenschaft, um 1990 rund 750 Universitäten und 6500 weitere Hochschulen weltweit). Der Anteil der Akademiker an der Gesamtbevölkerung wird zum Vergleichsmaßstab unter den verschiedenen Staaten. Allmählich steigt der Anteil der Frauen an den Studierenden auf die Hälfte und mehr. Dem folgt mit deutlicher Verzögerung auch der Anteil der Frauen an der Professo-renschaft. 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