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Aufklärer im Baltikum. Europäischer Kontext und regionale Besonderheiten, hg. v. Kronauer, Ulrich (= Akademiekonferenzen 12). Winter, Heidelberg 2022. 265 S., 7 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

Aufklärer im Baltikum. Europäischer Kontext und regionale Besonderheiten, hg. v. Kronauer, Ulrich (= Akademiekonferenzen 12). Winter, Heidelberg 2022. 265 S., 7 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das spätestens seit dem ausgehenden Frühmittelalter von ugro-finnischen und balto-slawischen Stämmen (Esten, Liven, Kuren, Lettgaller, Selen, Semgaller) besiedelte Gebiet am östlichen Rand der südlichen Ostsee wird seit dem Ende des 12. Jahrhunderts von Deutschen (Riga 1201) und Dänen (Reval 1219) beeinflusst. Seit dieser Zeit bestehen vielfältige Beziehungen zueinander, auch wenn das Gebiet 1561 an Polen und Schweden und im 18. Jahrhundert mehr und mehr an Russland fällt. Die Verbindungen sind niemals völlig abgebrochen und seit der Lösung des Baltikum von der Sowjetunion und dem Eintritt Estlands, Lettlands und Litauens in die Europäische Union wieder verstärkt worden, woran auch die Heidelberger Akademie der Wissenschaften einen bestimmten Anteil hat.

 

Der erste Ansatz ging dabei vom Deutschen Rechtswörterbuch in Heidelberg aus, das im April 2002 in der Heidelberger Akademie der Wissenschaften eine Fachtagung zur baltisch-europäischen Rechtsgeschichte abhielt, deren Beiträge 2009 von Ulrich Kronauer und Thomas Taterka 2009 veröffentlicht wurden. Dem folgt der jetzige Band nach. Er stellt vor allem streitbare Publizisten, gelehrte Sammler, Theologen mit philosophischen, philologischen und historischen Interessen, Juristen, Pädagogen und nicht zuletzt die deutsch-russische Kaiserin Katharina II. in den Vordergrund und ordnet ihnen mit Riga, Dorpat, Reval und Sankt Petersburg einen Raum im Nordosten Europas zu, in dem aufgeklärte Gedanken zwar spät wirksam wurden, aber lange bedeutsam blieben.

 

Insgesamt vereint der schmale, leider eines Sachregisters entbehrende Sammelband zwölf Referate, deren Verfasser in Riga, Osnabrück, Karlsruhe, Tartu, Marburg, Berlin, Tallinn, Pärnu und Würzburg wirken. Sie betreffen die aufgeklärte Volksaufklärung durch Lesebuch, Naturrecht und Naturgeschichte, die Familie Jochmann in Pernau, die Idee der Spätaufklärung, rationalistische Selbstaufklärung, Aufklärung über Ehen, Heinrich Baumann, , die deutsch baltische frühneuzeitliche Literatur, die Grundlegung der Jurisprudenz an der Universität Dorpat durch Christoph Christian Dabelow (Dietmar Willoweit), Rechtslexik bei Johann Gotthelf Lindner (1762) und Gustav Bergmann (1785) sowie die Politik Katharinas II. und deren staatliche Reformen. Möge das interdisziplinäre Gespräch in fruchtbarer Weise andauern.

 

Innsbruck                                            Gerhard Köbler