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Heider, Mirjam, Die Geschichte der Vormundschaft seit der Aufklärung. (= Schriften zum Familien- und Erbrecht 4). Nomos, Baden-Baden 2011. 243 S. Besprochen von Werner Schubert.

Heider, Mirjam, Die Geschichte der Vormundschaft seit der Aufklärung. (= Schriften zum Familien- und Erbrecht 4). Nomos, Baden-Baden 2011. 243 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Das Werk bringt eine umfassende Darstellung des Vormundschaftsrechts seit dem 18. Jahrhundert bis in die jüngste Zeit. Zunächst befasst sich Heider mit den Stellungnahmen der wichtigsten naturrechtlichen Autoren (Grotius, Pufendorf, Thomasius, Wolff) zum Vormundschaftsrecht. Es folgt ein Abschnitt über den Codex Maximilianeus Bavaricus civilis von 1756, der die vormundschaftlichen Rechte der Familie bereits zum Teil auf den Staat verlagerte, eine Entwicklung, die im preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 ihren Höhepunkt erreichte. Der Code civil überließ dagegen die Vormundschaft weitgehend der Regelung durch einen Familienrat, eine Institution, die in Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf große Sympathien stieß (hierzu Christoph Rachel, Die Diskussion um den französischen Familienrat in Deutschland im 19. Jahrhundert, Berlin 1994). Der badische Gesetzgeber wollte zunächst das Vormundschaftsrecht des Code civil übernehmen; doch entschied sich Baden im zweiten Einführungsedikt gegen die Übernahme des Familienrats und beließ die Vormundschaft bei der Verwaltung (vgl. W. Schubert, Französisches Recht in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1977, S. 488ff.). Das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811/1812 kannte in Übereinstimmung mit den naturrechtlichen Postulaten umfangreiche Eingriffsrechte der staatlichen Obrigkeit in die Führung der Vormundschaft. S. 105ff. wird das gemeinrechtliche, auf dem römischen Recht basierende Vormundschaftsrecht dargestellt. Es folgt ein Abschnitt über das Vormundschaftsrecht des sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuchs, das sich dem gemeinen Recht und der sächsischen Vormundschaftsordnung von 1782, die nicht näher herangezogen wird (vgl. S. 144), anschloss. Bahnbrechend für die weitere Entwicklung des deutschen Vormundschaftsrechts war die preußische Vormundschaftsordnung von 1875, die den Vormund weitgehend selbständig sein Amt, wenn auch unter staatlicher Aufsicht, ausüben ließ. Im Einzelnen hätte die preußische Reformgeschichte hinsichtlich des Vormundschaftsrechts von der Gesetzrevision an detaillierter herangezogen werden sollen (vgl. W. Schubert, in: Das Preußische Allgemeine Landrecht. Politische, rechtliche und soziale Wechsel- und Folgewirkungen, hrsg. von Jörg Wolff, Heidelberg 1995, S. 237ff.). Das Vormundschaftsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs, das entsprechend den Vorschlägen Gottlieb Plancks weitgehend auf der Vormundschaftsordnung von 1875 beruht, brachte mit der Zulassung der Amts- und Anstaltsvormundschaft (vgl. Art. 136 EGBGB) und der Anerkennung der elterlichen Gewalt der Mutter über ihr Kind eine wichtige Weiterentwicklung des Kindschafts- und Vormundschaftsrechts. Die Amtsvormundschaft über nichteheliche Kinder wurde durch das Jugendwohlfahrtsgesetz von 1922 verallgemeinert. Weitere Änderungen des Vormundschaftsrechts brachten u. a. das Gleichberechtigungsgesetz von 1957, das Familienrechtsänderungsgesetz von 1961, das Nichtehelichengesetz von 1969 und das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge von 1979 (S. 192ff.). Das Betreuungsgesetz von 1999 führte zur Abschaffung der Entmündigung mit anschließender Vormundschaft. Das Vormundschaftsrecht der Deutschen Demokratischen Republik wird auf S. 195ff. dargestellt. Die Institution des Familienrats war bereits durch das Gesetz von 1979 im BGB gestrichen worden. Das Vormundschaftsgericht fand sein Ende mit dem FGG-Reformgesetz von 2008, das die Vormundschaftssachen dem Familiengericht übertrug. Das Werk wird abgeschlossen mit der Darstellung des gegenwärtigen Rechtszustandes (S. 215ff.) und einer Übersicht über die Reformbestrebungen auf dem Gebiet des Vormundschaftsrechts sowie einer kurzen Schlussbetrachtung.

 

Im Hinblick darauf, dass die Darstellung auf die einzelnen Kodifikationen und das gemeine Recht ausgerichtet ist, wäre es nützlich gewesen, wenn Heider zum Schluss die Geschichte der einzelnen Regelungsbereiche des Vormundschaftsrechts zusammenfassend gekennzeichnet hätte. Insgesamt liegt mit dem Werk Heiders eine zuverlässige und detailreiche Darstellung des Vormundschaftsrechts seit der Aufklärungszeit vor. Weitere Arbeiten zum Vormundschaftsrecht müssten dessen Praxis auch unter Berücksichtigung der Judikatur und die einschlägigen Gesetzesmaterialien stärker aufgreifen.

 

Kiel

Werner Schubert