Der Codex Theresianus und seine Umarbeitungen, hg. und mit Anmerkungen versehen v. Harrasowsky, Philipp Harras Ritter von, Band 1-3 Codex Theresianus. Carl Gerold’s Sohn, Wien 1883, 1884, 1884. 290, 534, 440 S., digitalisiert von Gerhard Köbler, bearbeitet v. Struber, Bianca und anderen Innsbrucker Studierenden. http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CodexTheresianus1766-hgvHarrasowsky1883.pdf http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CodexTheresianus.htm. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der den dreißigjährigen Religionskrieg im Heiligen römischen Reich beendende westfälische Friede von Münster und Osnabrück gestand den etwa 300 vorhandenen Reichsgliedern verschiedener Größe und Bedeutung wesentliche Rechte wie etwa das Bündnisrecht zu. Damit verstärkte er die verhältnismäßige Selbständigkeit der Teile. Dementsprechend erwachte allmählich ein Interesse an Vereinheitlichung auch bei fehlender gebietlicher Geschlossenheit.

 

Für die habsburgischen Herrschaftsgebiete regte deshalb bereits Leibniz einen das Recht vereinheitlichenden Codex Leopoldinus Leopolds I. an und setzte Joseph I. 1709 Kompilationskommissionen in Prag und Brünn ein. In Brandenburg-Preußen richtete Friedrich Wilhelm I. 1714 an die juristische Fakultät der Universität Halle ein Ersuchen um einige einheitliche Konstitutionen. Beiden Vorhaben blieb aber ein Erfolg versagt.

 

In Preußen griff Friedrich der Große diese Überlegungen wieder auf. In kurzer Zeit verfasste sein Großkanzler Samuel von Cocceji 1747 ein Project eines Codicis Fridericiani Pomeranici und 1748 ein Project eines Codicis Fridericiani Marchici. Als nächstes war ein Project eines Corpus juris Fridericiani geplant.

 

Zur gleichen Zeit veröffentlichte Charles Montesquieu 1748 seine allgemeinen Überlegungen zur Gesetzgebung. In seinem anonym publizierten Hauptwerk De l’esprit des lois sah er zum Schutz der persönlichen Freiheit des Einzelnen gegen das Gewaltmonopol des Herrschers die Dreiteilung der Gewalt vor. Das an die Zustimmung des Volkes gebundene Gesetz sollte der Gerechtigkeit entsprechen, vom gesamten jeweiligen Volk verstanden werden, für alle einheitlich sein und den gesamten Stoff umfassen.

 

In der Rechtswirklichkeit erschien 1749 das Personenrecht des Corpus juris Fridericiani, dem 1751 das Sachenrecht folgte. Für Bayern legte Vizekanzler Wiguläus Xaverius Aloysius Kreittmayr am 10. Juli 1751 einen Codex iuris Bavarici criminalis vor, an das sich 1753 ein Codex iuris Bavarici iudiciarii anschloss. Gleichzeitig kam in Preußen das Obligationenrecht zum Abschluss.

 

Von daher lässt es sich gut verstehen, dass Maria Theresia, die 1749 die österreichische Monarchie mit Ausnahme der ungarischen Länder von einer Union in eine Einheit umgewandelt hatte, ebenfalls ältere Planungen wieder aufgriff. 1753 setzte sie eine Kompilationskommission zur Abfassung einer allgemeinen Gerichtsordnung und eines gleichen Landrechts in allen benachbarten österreichisch-deutschen Erblanden ein. Dieser Codex Theresianus sollte Provinzialrechte, die Gesetze anderer Staaten und das allgemeine Recht der Vernunft berücksichtigen.

 

In Bayern konnte das Gesetzgebungsprogramm 1756 mit einem Codex Maximilianeus Bavaricus civilis abgeschlossen werden. Dagegen scheiterte Preußen daran, dass der Entwurf des Obligationenrechts bei seiner Versendung verloren ging. In Österreich konnte zwar 1766 ein umfangreicher Codex Theresianus vorgelegt werden, doch blieb seine Umsetzung aus, weil Maria Theresia ihn auf Vorschlag des Staatsrats als misslungen ansah.

 

Da das Vorhaben für das Recht des 18. Jahrhunderts gleichwohl von großer Bedeutung ist und im Ergebnis über weitere Zwischenstufen 1811 auch zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs führte, verdient die am Ende des 19. Jahrhunderts vorgelegte Edition auch in der Gegenwart eine zeitgemäße Verbreitung. Sie ist zunächst als Bild erfolgt. Dem kann sich auf Grund der besonderen Leistungsfähigkeit Bianca Strubers und zahlreicher weiterer Innsbrucker Studierender auch ein digitalisierter, leicht zitierbarer Text anschließen. Er umfasst 520000 graphische Einheiten in knapp 12000 Absätzen mit bisher mehr als 30000 Wortformen der drei nur getrennt digital bearbeitbaren Teile und kann hoffentlich allgemein den Umgang mit dieser wichtigen, bisher vernachlässigten Rechtsquelle erleichtern.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler