Vorwort

 

Das Germanische ist die Vorstufe des Deutschen und damit für dieses das Bindeglied einerseits zu den anderen germanistischen Sprachen (z. B. Friesisch, Englisch, Skandinavisch) und andererseits zum Indogermanischen und dessen Einzelsprachen. Sein im Wesentlichen mangels unmittelbarer Überlieferung nur rekonstruierbarer Wortschatz ist nach meiner Einschätzung von der philologischen Forschung bisher nur unzulänglich zusammengefasst worden. Daher hat sich für mich der Versuch der Zusammenstellung möglichst vieler Elemente des Germanischen als notwendig erwiesen (Köbler, G., Germanisches Wörterbuch, 1980). Die dabei noch nötige Aufnahme der Überlieferung des frühen einzelsprachlichen Materials kann in einem zweiten Schritt aufgegeben werden, womit sich zugleich eine engere zeitliche Eingrenzung auf die Zeit bis zur Völkerwanderung ermöglichen ließ. In diesem Rahmen ist der germanische Wortschatz erneut zusammengestellt worden. Dem ist in Parallele zu einem neuhochdeutsch-indogermanischen Wörterbuch ein neuhochdeutsch-germanisches Wörterbuch zur Seite gestellt worden, Außerdem ist eine kurze Einführung in die germanische Sprachwissenschaft beigegeben worden,

Erschlossene Wörter sind dabei durch * gekennzeichnet.

Der technische Fortschritt hat inzwischen den globalen Zugriff auf alles Wissen ermöglicht. Deswegen ist auch der germanische Wortschatz maschinenlesbar aufgenommen worden.

Für die freundliche Unterstützung bei dieser Art der Veröffentlichung bin ich Veronika Schönegger und Bonnie Yen sehr zu Dank verpflichtet.

 

Gießen, den 2003                                                    Gerhard Köbler

 

 


 

 

Literatur

 

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Köbler, G., Altenglisch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-altenglisches Wörter­buch, 1985

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Kurze Einführung in die germanische Sprachwissenschaft

 

 

A. Begriff

 

Das Germanische ist eine indogermanische Sprache, die zur Gruppe der sogenannten Kentum‑Sprachen gehört, aber mit keiner zweiten indogermanischen Sprache enger verwandt ist. Am nächsten stehen ihm das Keltische, das Italische, das Venetische, das Illyrische, das Baltische und das Slawische. Jedenfalls vom Keltischen ist es in früher Zeit auch beeinflusst worden. Das Germanische ist im Zeitpunkt seiner ersten schriftlichen Überlieferung, wie sie nach wenigen älteren Einzelwörtern und Einzelnamen seit dem ersten nachchristlichen Jahrhundert allmählich einsetzt, keine einheitliche Sprache (mehr), sondern gliedert sich in verschiedene Sprachgruppen. Hierbei werden insbesondere Westgermanisch (Vorläufer des Altenglischen, Altfriesischen, Altniederdeutschen [Altniederfränkischen, Altsächsischen], Althochdeutschen einschließlich des Thüringischen und Langobardischen), Nordgermanisch (Urnordisch bis etwa 800 n. Ch.) und Ostgermanisch (Gotisch, Gepidisch, Vandalisch, Burgundisch, Rugisch, Skirisch) unterschieden, von denen das Nordgermanische und das Ostgermanische gegenüber dem Westgermanischen eine Reihe von gemeinsamen Unterscheidungs­merkmalen aufweisen (u. a. Fehlen der Verben tun, gehen, stehen, Umbildung von uu zu ggw im Nordgermanischen und Ostgermanischen gegenüber uw im Westgermanischen), Wie weit dem eine völlig einheitliche germanische Sprache vorausgeht, ist umstritten, Sie lässt sich jedenfalls durch tatsächliche Überlieferung nicht fassen. Immerhin lässt sich mit den gleichen guten Gründen wie für das Indogermanische ein im wesentlichen einheitlicher Grundbestand des Germanischen vermuten, der allerdings nur im Wege der hypothetischen Rekonstruktion aus den überlieferten jüngeren Einzelsprachen zu gewinnen ist (Beispiel : urnord. gastiR, got. gasts, ae. giest, as. gast, ahd. gast führen auf germ. *gastiz Gast, anord. fiskr, got. fisks, ae. fisk, afries. fisk, as. fisk, ahd. fisk führen auf germ. *fiskaz Fisch).

 

 

B. Akzent

 

Das Germanische verlegt - zeitlich nach dem sog. grammatischen Wechsel - den freien Wortakzent des Indogermanischen auf die jeweils erste Silbe eines Wortes. Dies geschieht in einem Zeitpunkt, in dem Nominalkomposita bereits eine feste Verbindung eingegangen waren, sodass die Vorsilbe den Akzent erhalten konnte (vgl. ahd. *úrloub), während Verbalkomposita noch nicht als einheitliche Gebilde anerkannt worden waren (ahd. irloúban). Die Folge der Akzentuierung der ersten Silbe ist vor allem die Abschleifung der auslautenden Silben (Endungen).

 

 

C. Vokale

 

I. Kurze Vokale

a     germ.       *akraz       Acker        (idg.       *agros     Acker)

a     germ.       *ahtau       acht          (idg.       *oktæu     acht)

a     germ.       *fader       Vater         (idg.       *pýter      Vater)

e     germ.       *etan        essen         (idg.       *ed-        essen)

i      germ.       *fiskaz       Fisch         (idg.       *piskos    Fisch)

u     germ.       *sunuz       Sohn         (idg.       *sunus     Sohn)

 

II. Lange Vokale

Ð/Ú   germ.       *sÐan        säen          (idg.       *sÐ-        säen)

Ð2    germ.       *hÐr         hier           (idg.       *¨eir       hier)

Æ      germ.       *swÆnaz      Schwein      (idg.       *suÆno     Schwein-)

æ     germ.       *mæder      Mutter        (idg.       *mõter     Mutter)

æ     germ.       *blæjan      blühen        (idg.       *bhlæ      blühen)

ð     germ.       *mðs        Maus         (idg.       *mðs       Maus)

 

III. Diphthonge (kurze Diphthonge)

ai     germ.       *gaitiz       Geiß          (idg.       *ghaidis    Geiß)

ai     germ.       *ainaz       ein           (idg.       *oinos     ein)

au    germ.       *aukan      mehren       (idg.       *aug-      wachsen)

au    germ.       *raudaz      rot            (idg.       *roudhos   rot)

ei     germ.       *steigan     steigen        (idg.       *steigh-    schreiten)

eu    germ.       *þeudæ      Volk         (idg.       *teutõ      Volk)

 

Den langen Diphthongen kommt keine besondere Bedeutung zu.

 

IV. Silbische Liquide und Nasale des Indogermanischen erscheinen im Germanischen als ur-, ul-, um- und un-.

ur    germ.       *murþaz     Tötung       (idg.       *m¥tis      Tod)

ul    germ.       *wulfaz      Wolf          (idg.       *ø¢kÝos    Wolf)

um   germ.       *kwumdiz   Kommen     (idg.       *gÝ£tis    Kommen)

un    germ.       *mundiz     Gedenken    (idg.       *m¤tis     Denken)

 

V. Neben dieser allgemeinen Entwicklung der Vokale vom Indogermanischen zum Germanischen treten gewisse Veränderungen innerhalb des Germanischen unter gewissen Bedingungen ein (sogenannter kombinatorischer Lautwandel). Dazu gehören folgende Erscheinungen:

E wird zu i vor i, j (oder u) der folgenden Silbe sowie vor Nasal und Konsonant.

 

      germ.       *siduz       Sitte          (idg.       *sedhus    Sitte)

 

I und u gehen vor a der Folgesilbe (z. T. erst einzelsprachlich) in e und o über (Brechung).

 

i      germ.       *weraz       Mann         (idg.       *øiros      Mann)

u     germ.       *jukam      Joch          (idg.       *Øugom    Joch)

 

Durch i oder j der folgenden Silbe werden später a, æ, u, ð, und u- Diphthonge umgelautet.

 

Ebenso werden in einzelnen Sprachen Vokale durch ein u und w in der Folgesilbe umgelautet, wie überhaupt die Einzelsprachen durch weitere Veränderungen im Vokalismus gekennzeichnet sind.

 

Allgemein wird im Germanischen ein kurzer Vokal gedehnt, wenn n vor h schwindet.

 

germ.     *þinhan  got.    teihan     gedeihen     idg.  *tenk‑     gedeihen

 

Außerdem wird ein langer Vokal vor Liquida oder Nasal und Konsonant gekürzt.

germ.     *windaz  Wind                           idg.  *øÐntos   Wind

 

In Nebentonsilben (nichtakzentuierten Silben) treten zum Teil weitere Veränderungen ein.

 

VI. Die große Mehrzahl der Vokale steht seit der Zeit der indogermanischen Grundsprache in einem festen Beziehungsverhältnis zueinander und kann miteinander nach festen Gesetzen wechseln (Ablaut). Dabei kann sich die Qualität des Vokals (i - a, sogenannte Abtönung) ändern oder die Qualität (Länge - Kürze, sogenannte Abstufung) wechseln. Entfällt ein Vokal ganz, spricht man - im Gegensatz zur Normalstufe - von Schwundstufe, wird aus einem kurzen Vokal ein langer von Dehnstufe. Das Germanische baut den aus der indogermanischen Grundsprache ererbten Ablaut aus. Es benutzt ihn vor allem dazu, verschiedene Bedeutungen besser zum Ausdruck zu bringen. Dabei werden insbesondere sechs (sieben) Ablautreihen unterschieden, die zur Unterscheidung der verschiedenen Formen des sogenannten starken Verbs dienen, aber auch sonst erscheinen.

 

 

D. Konsonanten

Das Germanische unterscheidet sich vom Indogermanischen vor allem durch die Veränderung der Verschlusslaute (p, b, bh, t, d, dh, ¨, , h, k, g, gh, kø, gø, und gøh) (sogenannte erste oder germanische Lautverschiebung).

 

I. Die indogermanischen stimmlosen Verschlusslaute (Tenues) erscheinen im Germanischen als stimmlose Reibelaute, sofern nicht dem stimmlosen Verschlusslaut ein Reibelaut alter oder neuer Art vorangeht (z. B. sp‑, st‑, sk‑, ft, ht).

f          germ.      *fader             Vater       (idg.  *pýter      Vater)

þ         germ.      *þreijiz, *þreiz   drei        (idg.  *treØes     drei)

h(χ)       germ.      *hundaz          Hund       (idg.  *¨uon-     Hund)

h(χ)       germ.      *hafjan           heben      (idg.  *kap-      nehmen)

hw (χÝ)   germ.      *hwe              wer         (idg.  *køo       wer)

 

Liegt der indogermanische Wortakzent nicht auf der unmittelbar vorhergehenden Silbe, so wird der inlautende oder auslautende indogermanische stimmlose Verschlusslaut über den stimmlosen Reibelaut in stimmhafter Umgebung zum stimmhaften Reibelaut (sogenannter grammatischer Wechsel, Vernersches Gesetz). Dabei wird       f zu b (as. b, ae. f, afries. v) (*fémf(e): *sebún)

                       th zu d- (*bróþar: *haidúz)

                       h) zu g (*téhun: *angà)

                       hw(χ Ý) zu g (g oder w) (*léihwan-: *sag(w)én)

Das gilt auch für s, das zu z wird (z. B. germ. *snuzæ Schwiegertochter: idg. *snusõ Schwiegertochter).

Da bei diesem Vorgang der indogermanische Wortakzent von wesentlicher Bedeutung ist, kann sich auch innerhalb zusammengehöriger Wortkategorien dieser Wechsel von stimmlosen zu stimmhaften Reibelauten finden (z. B. germ. *werþæ [ich werde], *warþ(a) [ich wurde], *wurdum(i) [wir wurden], *wurdan(a)z [geworden]; oder germ. *liþan gehen, *laidjan gehen machen).

 

II. Die indogermanischen stimmhaften behauchten Verschlusslaute (Mediae aspiratae) werden im Germanischen zu stimmhaften Reibelauten.

b          germ.      *beran            tragen      (idg.  *bher-      tragen)

d          germ.      *duram           Türe        (idg.  *dhurõ     Tür)

g          germ.      *seguz            Sieg        (idg.  *sehos    Sieg)

g          germ.      *gastiz            Gast        (idg.  *ghostis    Fremder)

g, gw?    germ.      *sengwan         singen      (idg.  *sengÝh-    tönen)

 

III. Die indogermanischen stimmhaften Verschlusslaute (Mediae) werden im Germanischen zu stimmlosen (harten) Verschlusslauten.

g, gw?    germ.      *sengwan         singen      (idg.  *sengÝh-    tönen)

p          germ.      *reipan           ernten      (idg.  *reib-?     reißen)

t          germ.      *terwæn           Baum      (idg.  *d(e)reu-   Baum)

k          germ.      *keusan           kosten      (idg.  *eus‑     kosten)

k          germ.      *aukan            mehren     (idg.  *aug-      mehren)

kw, k     germ.      *kweman         kommen    (idg.  *gÝem-     kommen)

Insgesamt kennt also das Germanische gegenüber den 15 Verschlusslauten des Indogermanischen nur noch vier (p, t, k, kw), weist aber gegenüber dem Indogermanischen eine große Zahl von Reibelauten (f, þ, h, (χ), b, d, g, (s, z)) auf.

 

IV. Der stimmlose indogermanische Reibelaut s ist im Germanischen stimmlos erhalten, soweit nicht das Vernersche Gesetz wirkt. Der seltene stimmhafte Reibelaut z bleibt im Germanischen vor stimmhaften Konsonanten stimmhaft, wird aber vor stimmlos gewordenen Konsonanten stimmlos.

           germ.      *sebun            sieben      (idg.  *sept£     sieben)

           germ.      *astaz             Ast         (idg.  *ozdos     Ast)

 

V. Die Sonorlaute (Nasale und Liquide) des Indogermanischen sind im Germanischen ebenfalls vorhanden.

m         germ.      *mæder           Mutter      (idg.  *mõter     Mutter)

n          germ.      *neujaz           neu         (idg.  *neøos     neu)

r          germ.      *raudaz           rot          (idg.  *roudhos   rot)

l          germ.      *lahsaz            Lachs       (idg.  *laksos     Lachs)

 

VI. Die Halbvokale Ø und ø können im Germanischen als j und w erhalten sein, ‑ jedenfalls später ‑ fehlen oder zu ØØ und øø verschärft sein.

j          germ.      *jeram            Jahr        (idg.  *Øero       Jahr)

w         germ.      *waldan          walten      (idg.  *øaldh-     stark sein)

 

VII Als kombinatorischer Lautwandel treten außer den schon für das Indogermanische wahrscheinlichen Erscheinungen im Germanischen weitere Veränderungen ein. So wird aus dl, sl, ln jeweils ein ll.

           *stadlaz    *stallaz           Standort    (idg.  *stýdhlo    Standort)

Aus nø, sn wird vielfach nn.

           germ.      *kinnuz           Kinn       (idg.  *enÝ      Kinn)

Aus sm, ms, mn, nm und vielleicht auch bm wird oft mm.

Fraglich ist, ob Doppeltenues pp, tt, kk aus der Verbindung indogermanischer Verschlusslaute mit einem folgenden n entstanden ist.

N verschwindet vor h unter gleichzeitiger Ersatzdehnung eines vorangehenden kurzen Vokals.

Ebenso schwindet ein indogermanischer dentaler Verschlusslaut zwischen n und i, n und n sowie vor s und Konsonant.

           germ.      *sunjaz           seiend      (idg.  s¤tØos      wirklich)

Indogermanisch ø schwindet zwischen Konsonant und i.

Auch darüber hinaus können Konsonanten an andere Konsonanten angeglichen werden (Assimilation) oder mehrere gleiche Konsonanten ungleich gemacht werden (Dissimilation) oder Laute in ihrer Reihenfolge umgestellt werden (Metathese) oder Konsonanten außerhalb der Lautgesetze verdoppelt werden.

 

VIII. Für den Auslaut der Wörter gelten zusätzliche, vor allen durch den Akzent bestimmte Regeln, die zum Verlust von Konsonanten und Vokalen oder zur Abstufung (Qualitätsminderung) geführt haben. Zeitlich gehen dabei die Auswirkungen auf die Konsonanten den Auswirkungen auf die Vokale voraus, Dabei wird m allmählich zu n.

           germ.      *hurnam          Horn       *hurnan           Horn

N schwindet vielfach allmählich, insbesondere in den Flexionsendungen. Ebenso schwinden die dentalen Verschlusslaute allmählich. Auslautendes s wird vielfach an auslautendes z angeglichen, das dann in den germani(sti)schen Einzelsprachen schwindet.

Bei den Vokalen werden Längen zu Kürzen und schwinden Kürzen.

           germ.      *ahtau            acht        (idg.  *oktæu     acht)

           germ.      *femf(e)          fünf        (idg.  *penqÝe    fünf)

 

 

E. Substantiv

 

Das Substantiv besteht im Germanischen regelmäßig aus einer Wurzelsilbe, einem Stammbildungselement (Wortbildungselement) und einem Flexionselement. Nach dem Wortbildungselement unterscheidet man folgende Deklinationsklassen, die grundsätzlich nur noch Einzahl und Mehrzahl, Nominativ (einschließlich Vokativ), Genitiv (einschließlich von Teilen des idg. Ablativs), Dativ (idg. Dativ, Instrumental, Lokativ und teilweise Ablativ) und Akkusativ (sowie vereinzelt noch Vokativ und Instrumental) kennen.

 

I. a- Stämme (idg. o‑ Stämme) (männlich, sächlich) z. B. *dagaz  Tag, *hurnam  Horn, zu denen auch mit gewissen Besonderheiten die germ. ja-Stämme (idg. Øo‑Stämme) (z. B. germ. *harjaz Heer) und die wa-Stämme (idg. øo‑Stämme) gehören (z. B. germ. *knewam  Knie). Sie kennen folgende Formen:

Sg.Nom.  (meist) -az                    *dagaz          (idg. -os)

Sg.Gen.   -ezo, -es(a), -as(a)             *dagez(o)       (idg. -eso, -oso)

Sg.Dat.    -ai, -ei                         *dagai           (idg. -oi)

Sg.Akk.   -am, -an                       *dagam          (idg. -om)

Sg.Vok.   meist wie Nominativ          *dagi            (idg. -e Å, endungslos])

Sg.Instr.   nur z. T. erhalten, -u                           (idg. -æ)

Pl.Nom.   (meist) ‑oz, ‑os                *dagoz          (idg. -æs)

Pl.Gen.   z, T, -em, -on                 *dagen, *dagon (idg. -æm)

Pl.Dat.    -miz, -imiz                    *dagamiz        (idg. -omis)

Pl.Akk.   (meist) -ans, -anz              *daganz         (idg. -ons)

 

II, æ‑Stämme (idg. õ‑Stämme) (weiblich) (z. B. germ. *gebæ  Gabe), zu denen auch mit gewissen Besonderheiten die jæ‑Stämme (idg. Øõ) (z. B. germ. *sibjæ Sippe) und wæ‑Stämme (idg. øõ) gehören,

Sg.Nom.  *gebæ                                           (idg. ‑õ)

Sg.Gen.   *geboz                                          (idg. ‑õs)

Sg.Dat.    *gebai, *gebæ, *geboi                          (idg. ‑õi)

Sg.Akk.   *gebæm, *gebæn                                (idg. ‑õm)

Pl.Nom.   *gebæz                                          (idg. ‑õs)

Pl.Gen.   *gebæ(no), *gebæn                             (idg. -æm?, ‑õm?)

Pl.Dat,    *gebæmiz                                       (idg. ‑æmis)

Pl.Akk.   *gebæz                                          (idg. ‑õns)

 

III. i‑Stämme (männlich, weiblich, selten sächlich) (z. B. germ. *gastiz  Gast, *anstiz Gunst).

Sg.Nom.  ‑iz                             *gastiz           (idg. ‑is)

Sg.Gen.   z. T, (‑esa, ‑asa),‑iso          *gastiso         (idg. ‑eis, ‑ois)

Sg.Dat.    z. T. (‑ai), ‑iji‑                *gastai          (idg. ‑i)

Sg.Akk.   ‑im, ‑in                        *gastin          (idg. ‑im)

Sg.Vok.                                  *gasti            (idg.)

Pl.Nom.   ‑ijiz                           *gastijiz         (idg. ‑eies)

Pl.Gen.   ‑em?                          *gastion         (idg. ‑i(i)æm)

Pl.Dat.    ‑ims, ‑miz                     *gastimiz        (idg. ‑imis)

Pl.Akk.   ‑ins, ‑inz                      *gastinz         (idg. ‑ins)

 

IV. u‑Stämme (männlich, weiblich, sächlich) (z. B. germ. *sunuz Sohn)

Sg.Nom.  ‑uz                            *sunuz          (idg. ‑us)

Sg.Gen.   ‑aus, ‑auz                      *sunauz         (idg. ‑eðs, ‑oðs)

Sg.Dat.    ‑au, ‑eu, ‑awi                  *sunawi         (idg. ‑Ðu, ‑æu)

Sg.Akk.   ‑um, ‑un                       *sunun          (idg. ‑um)

Pl.Nom.   ‑iøiz                           *suniw(e)z      (idg. ‑eøes)

Pl.Gen.   ‑iwo, ‑em?                    *suniwe‑        (idg. ‑eøæm)

Pl.Dat.    ‑umiz                          *sunumiz        (idg. ‑umis)

Pl.Akk.   ‑uns, ‑unz                     *sununz         (idg. ‑uns)

 

V. s‑Stämme (idg. ‑s) (sächlich), nur in Resten erhalten

Sg.Nom.  germ. *rekwez  Finsternis, *lambiz  Lamm

 

VI. r‑Stämme (idg. ‑er)

Sg.Nom.  *broþar  Bruder, *broþriz, *broþri, *broþarun

 

VII. nd‑Stämme (idg. ‑nt)

Sg.Nom.  *frijonds  Freund, Gen.?, *frijondi, *frijondun

 

VIII. n‑Stämme

Sie werden im Germanischen zur sogenannten. schwachen Deklination ausgebaut (‑an, ‑jan, ‑æn, ‑jæn, ‑Æn‑Stämme) (z. B. männlich *hanæn  Hahn, weiblich *tungwæn  Zunge, sächlich *augæn  Auge).

Sg.Nom   *hanan                                         (idg. ‑Ðn, ‑æn, ‑æ)

Sg.Gen.   *hananiz                                        (idg. ‑enes, ‑enos)

Sg.Dat.    *hanani                                         (idg. ‑eni)

Sg.Akk.   *hananum, ‑un                                 (idg. ‑on£ )

Pl.Nom.   *hananiz                                        (idg. ‑ones)

Pl.Gen.   *hananan, *hananem?                          (idg. ‑onom)

Pl.Dat.    *hanonmiz                                      (idg. ‑omis)

Pl.Akk.   *hananuns, ‑unz                                (idg. on¤s)

 

IX. Wurzelnomina

Sie sind nur noch in Resten erhalten, am besten noch die weiblichen Wurzelnomina (zu. B. germ. *burg  Burg).

Sg.Nom.  *burg(s)          

Sg.Gen.   *burgiz, ‑az, ‑is, ‑as          

Sg.Dat.    *burgi                        

Sg.Akk.   *burgum, ‑un                 

Pl.Nom.   ‑iz

Pl.Gen.   (wie i‑ und a‑Stämme)

Pl.Dat.    (wie i‑Stämme)

Pl.Akk.   ‑iz

 

X. Indogermanische r‑ und n‑Stämme werden zu eindeutigen r‑ oder n‑Stämmen.

 

 

F. Pronomen

 

I Personalpronomen

1.P.Sg.Nom.         germ.   *ek, *ik    ich              (idg. *eg‑, *eg(h)om)

1.P.Sg.Gen.

1.P.Sg.Dat.           germ.   *mez* *miz                  (idg. *me‑)

1.P.Sg.Akk.          germ.   *mek                        (idg. *me‑)

Dual Nom.          germ.   *wit        wir beide       (idg. *øed‑)

Dual Gen.

Dual Dat.           germ.   *unk       uns beide       (idg. *¤‑)

Dual Akk.           germ.   *unk       uns beide       (idg. *¤‑)

1.P.Pl.Nom.          germ.   *wiz        wir              (idg. *øeØes)

1.P.Pl.Gen.

1.P.Pl.Dat.                   germ.       *uns             uns  (idg. *¤s)

1.P.Pl.Akk.          germ.   *uns        uns              (idg. *¤s)

1.P.Sg.Nom.         germ. *þu          du               (idg. *tð)

1.P.Sg.Gen.

1.P.Sg.Dat.           germ. *þez         dir              (idg. *te‑)

1.P.Sg.Akk.          germ. *þek         dich             (idg. *te‑)

Dual Nom.          germ. *jut          ihr beide        (idg. *Øud)

Dual Gen.

Dual Dat.           germ.   *ink        euch beiden

Dual Akk.           germ.   *ink        euch beide

2.P.Pl.Nom.          germ. *iuz, *iiz     ihr              (idg. *iðs)

2.P.Pl.Gen.

2.P.Pl.Dat.                   germ.       *izwiz           euch (idg. *øes)

2.P.Pl.Akk.          germ.   *izwiz, *uizuiz  euch        (idg. *øes)

3.P.Sg.Nom.Mask.   germ.   *iz, *ez     er               (idg. *ei‑, *is)

3.P.Sg.Nom.Fem.    germ.   *si‑         sie

3.P.Sg.Nom.Neutr.   germ.   *ita         es

 

II. Reflexivpronomen

Gen.

Dat.                 germ.   *sez        sich             (idg. *se‑)

Akk.                 germ.   *sek        sich             (idg. *se‑)

 

III. Possessivpronomen

Sg.                   germ.   *minaz     mein            (idg. *meino‑)

                      germ.   *þinaz      dein             (idg. *teino-)

                      germ.   *sinaz      sein             (idg. *seino‑)

Dual                 germ. *unkera      unser beider

                      germ. *inkera      euer beider

Pl.                   germ. *unsera‑      unser            (idg. *¤sero‑)

                      germ. *izwera‑      euer

 

IV. Demonstrativpronomen: der, die, das

Sg.Mask.Nom.       germ.   *sa         der              (idg. *so)

Sg.Mask.Gen.        germ.   *þez(a)     des              (idg. *teso)

Sg.Mask.Dat.        germ.   *þazm‑     dem             (idg. *tosmÐ)

Sg.Mask.Akk.        germ.   *þan       den              (idg. *tom)

Sg.Fem.Nom.        germ.   *sa, *siæ    die              (idg. *sa, *siõ)

Sg.Neutr.Nom.       germ.   *þat        das              (idg. *tod)

Pl.Mask.Nom.       germ.   *þai        die              (idg. *toi)

Pl.Fem.Nom.        germ.   *þæz       die              (idg. *tõs)

Pl.Neutr.Nom.       germ.   *þæ        die              (idg. *tõ)

 

Diese, diese, dieses:

ist von der, die, das abgeleitet.

Jener:                germ.   *jaina, *jena, *jana          (idg. *Øe-, *Øo-)

Vgl. auch *hi(z), *he(z): dieser

 

V. Ein einheitliches Relativpronomen findet sich nicht.

 

VI. Interrogativpronomen

Mask.                germ.   *hwaz      wer              (idg. *kÝos)

Fem.                 germ.   *hwo       wer              (idg. *kÝa)

Neutr.               germ.   *hwat      was              (idg. *kÝod)

 

VII. Als Indefinitpronomen »irgendeiner« werden germ. *hwaz, *sumaz und *ainaz gebraucht. Wörter für »niemand« und »keiner« werden mit Hilfe von Verneinungen und Partikeln gebildet, Der Begriff »jeder« wird ebenfalls mit Hilfe von Partikeln oder durch Präfixe ausgedrückt.

 

 

G. Adjektiv

 

Das Adjektiv hat im Germanischen drei Geschlechter und kann stark oder schwach flektiert werden, wobei die starke Flexion ursprünglich mit den vokalischen Substantivdeklinationen der a‑, æ-, ja‑, jæ‑, wa‑, wæ‑, i‑, u‑ (und nd‑) Stämme (idg. ‑o, ‑õ, jo‑, jõ‑, i‑, u‑, nt‑Stämme), die zusätzliche, im Indogermanischen noch sehr seltene schwache Flexion mit der n‑Stammdeklination übereinstimmt, Die schwachen Adjektivformen haben ursprünglich individualisierende (bestimmte) Bedeutung und werden daher mit dem bestimmten Artikel verbunden.

Die Steigerung wird regelmäßig mit Hilfe des Suffixes ‑is bzw. ‑iz ‑gebildet, an das im Komparativ ein n‑haltiges Suffix, im Superlativ das idg. Suffix ‑to tritt. Daneben finden sich auch die Suffixe (gotisch) ‑æza, ‑æsts. Unregelmäßig gesteigert werden germ. *godaz  gut, *ubilaz  schlecht, *mekilaz  groß und *litilaz  klein.

 

 

H. Adverb

 

Adverbien werden vielfach auf ‑æ gebildet, doch wird auch der Nom. Akk. Sg. Neutr. des Adjektivs als Adverb verwandt.

 

 

I. Numerale

 

I. Grund zahl en

germ.     *ainaz                     ein                  (idg.    *oinos)

germ.     *twa(i)                    zwei  - deklinabel   (idg.    *d[u]øo[u])

germ.     *þre(ji)z, *þreiz          drei                  (idg.    *treØes)

germ.     *fedwor(e)z               vier                  (idg.    *kÝetøer)

germ.     *femf(e), *femfi           fünf                  (idg.    *penkÝe)

germ.     *sehs, *seks               sechs                (idg.    *s[ø]eks)

germ.     *sebun                    sieben               (idg.    *sept£)

germ.     *ahtau, *ahtæu            acht                 (idg    *oktæ[u])

germ.     *newun(þ)                neun                 (idg.    *neøn)

germ.     *tehun(þ), *tehan         zehn                 (idg.    *dek£)

germ.     *ainalibi                  elf

germ.     *twalibi                   zwölf

Die Zahlen von 13 bis 19 werden durch Zusammensetzung mit *tehun, *tehan, die Zahlen 20 bis 60 mit *‑tehu‑  ‑zig, die Zahlen von 70 bis 90 (120) uneinheitlich gebildet,

Hundert heißt *hunda‑, *hundarada, tausend *þus(h)und‑.

 

II Ordnungszahlen

germ.     *fruma, *furista, *airista  erste

germ.     *anþaraz                  zweite

germ.     *þridjan                  dritte                (idg. *tritØo)

Die Ordnungszahlen von 4 bis 12 werden mit dem idg. Suffix ‑to‑, germ. ‑þan gebildet, die weiteren ursprünglich durch Nebeneinanderstellung der Ordnungszahlen der Einer und Zehner, später auch teilweise der Grundzahlen der Einer und der Ordnungszahlen der Zehner.

 

 

K. Verb

 

Das Verb kennt die beiden Verbalgeschlechter (Genera) des Aktiv als Bezeichnung der vom Subjekt nach außen hin ausstrahlenden (aktiven) Tätigkeit und das Mediopassiv als Bezeichnung einer die Sphäre des Subjekts berührenden oder interessierenden Tätigkeit, aus dem sich das Passiv entwickelt. Aussageweisen sind Indikativ für die Aussage über die (subjektiv empfundene) Wirklichkeit, Optativ für das Wünschen (und das Wollen) und Imperativ für das Befehlen. Handlungsarten (Zeiten, Tempora) sind Präsens und Präteritum, dass beim starken Verb formal dem indogermanischen Perfekt entspricht, bedeutungsmäßig aber alle anderen Vergangenheitsfunktionen mit übernahm und für das schwache Verb neu gebil­det wird. Von den drei Numeri Einzahl, Mehrzahl, Dual ist der Dual bis auf geringe Reste verschwunden. Dagegen ist die Dreiheit der Personen pro Numerus grundsätzlich erhalten. Außerdem gehören zum Verb der Infinitiv Präsens als Verbalsubstantiv und die Partizipien Präsens und Präteritum als Verbalobjektive. Innerhalb der Verben ist zwischen starker und schwacher Konjugation zu unterscheiden. Die starken Verben bilden das Präteritum durch Ablaut, die schwachen Verba durch ein dentales Element. Die meisten Präsentia flektieren thematisch d. h. mit Thema‑ oder Bindevokal zwischen Wurzel und Personalendung, das starke Praeteritum und die sogenannten Wurzelverba dagegen athematisch.

 

I. Starkes Verb (z. B. germ. *beran  tragen)

Akt.Ind.Präs.Sg.1.P.     *bero                             (idg.    *bhero)

Akt.Ind.Präs.Sg.2.P.     *beris(i), *beriz(i)                (idg.    *bheresi)

Akt.Ind.Präs.Sg.3.P.     *beriþ(i), *beridi                 (idg.    *bhereti)

Akt.Ind.Präs.Du.1.P.    *beraþ(i)z                        (idg.    *bheroøes)

Akt.Ind.Präs.Du.2.P.    *beriþ(i)z, *beraþ(i)z            (idg.    *bheret[h]es)

Akt.Ind.Präs.Du,3,P,    ‑                                  (idg.    *bheretes)

Akt.Ind.Präs.Pl.1.P.     *beram(i)z                        (idg.    *bheromes)

Akt.Ind.Präs.Pl.2.P.     *beriþ(i), *beridi                 (idg.    *bherete)

Akt.Ind.Präs.Pl.3.P.     *beranþ(i), *berand(i)            (idg.    *bheronti)

Das starke Präteritum wird durch den Ablaut gekennzeichnet, vereinzelt auch durch Reduplikation.

 

Akt.Opt.Präs.Sg.1.P.    ‑aØu(n)                            (idg.    -oim)

Akt.Opt.Präs.Sg.2.P.    ‑ais, -aiz                          (idg.    -ois)

Akt.Opt.Präs.Sg.3.P.    ‑aiþ, -aid                         (idg.    -oit)

Akt.Opt.Präs.Sg.Du.    ‑aiwa                             (idg.    -oiøe)

Akt.Opt.Präs.Pl.1.P.     ‑aima                             (idg.    -oimÐ)

Akt.Opt.Präs.Pl.2.P.     ‑aiþ, ‑aid                         (idg.    -oite)

Akt.Opt.Präs.Pl.3.P.     ‑ain                               (idg.    -oint)

Imperativ Präs.Sg.2.P.   *ber                              (idg.    *bhere)

Imperativ Präs.Pl.2.P.   *beriþ(i)                         (idg.    *bherete)

 

Das Medium (Medio‑Passivum) ist noch in spärlichen Resten (Teile des Indikativs und Optativs des Präsens) erhalten.

Der Infintiv Präsens ist bildungsmäßig der erstarrte Akkusativ Singular eines neutralen Verbalabstraktums.

germ.                   *beran                            (idg.    *bheronom)

Die Partizipien sind Verbaladjektive.

Partizip Präsens

germ.                   *berandi                          (idg.    *bheronti)

Partizip Präteritum

germ.                   *buranaz, *burinaz               (idg.    *bh¥onos,

                                                                    *bhrenos)

 

II. Schwaches Verb

Die schwachen Verben werden nach der Art der Stammbildung in vier Klassen eingeteilt.

1. ‑i‑, ‑j‑ + Bindevokal:   germ. *nazjan    retten        (idg.    éØæ-)

Hierzu gehören vor allem Kausative zu starken Verben (germ. *satjan  sitzen machen, setzen zu *setan  sitzen) und Faktitiva zu Adjektiven (germ. *hailjan  heil machen zu germ. *hailaz  heil).

2. ‑æ‑:                      germ. *salbæn    salben       (idg. ‑õ‑)

Hierzu gehören (athematisch flektierende) Deverbativa mit vorwiegend intensiver Bedeutung (z. B. germ. *sprangæn  sprudeln zu *sprengan  springen) und (thematisch flektierende) Denominativa (germ. *fiskæn  fischen zu *fiskaz  Fisch).

3. ‑ai‑, ‑a‑, ‑Ðn:            germ. *haban, *habÐn  haben (idg. ‑ÐØ. ‑Ð‑)

Hierzu gehören Deverbativa mit vorwiegend durativer oder inkohativer Bedeutung (germ. *wezan, *wezÐn  währen) und Denominativa mit inkohativer Bedeutung (germ. *fulan, *fulÐn  faulen).

(5. -næ-, -nõ-:              germ. *fullnan   voll werden [idg.    -nõ, -ný-])

Hierzu gehören Verben mit intransitiv‑inkohativer Bedeutung, die sich vor allem im Gotischen finden).

Akt.Ind.Präs.Sg.1.P.1.Kl.                     germ. *nazijæ        ich rette     (idg. *noséØæ)

                           germ. *sokijæ     ich suche    (idg.    *sõgiØo)

Akt.Ind.Präs.Sg.2.P.1.Kl.                     germ. *nazijiz(i)     du rettest    (idg. *noséØesi)

                           germ. *sokijiz     du suchst    (idg.    *sagiØesi)

Akt.Ind.Präs.Sg.1.P.2.Kl.                     germ. *salbojo       ich salbe     (idg. ‑aio)

Akt.Ind.Präs.Sg.2.P.2.Kl.                     germ. *salbojis      du salbst

Akt.Ind.Präs.Sg.1.P.3.Kl.                     germ. *habØæ        ich habe

Akt.Ind.Präs.Sg.2.P.3.Kl.                     germ. *habejis(i)    du hast

Das Präteritum wird aus dem Verbalstamm und Präteritalformen des Verbums germ. *don  tun gebildet.

Akt.Ind.Prät.Sg.1.P.1.Kl.  germ. *nazidæ(m) ich rettete

Akt.Ind.Prät.Sg.2.P.1.Kl.  germ. *nazidÐs    du rettetest

Akt.Ind.Prät.Sg.3.P.1.Kl.  germ. *nazidÐ(d)  er rettete

Der Optativ und der Imperativ sowie Mediopassivum, Infinitiv und Partizipien werden teilweise wie beim starken Verb gebildet. Das Partizip Präteritum wird mit dem Suffix ‑da‑ (idg. ‑tó‑) geformt.

 

III. Besonderheiten gelten für einzelne kleinere Verbalklassen und einzelne Ver­ben. So verwenden die Präterito‑Präsentia (Perfektstämme, die nach dem Verlust der ursprünglichen resultativen Zustandsbedeutung präsentische Bedeutung ange­nommen haben z. B. ich habe gesehen = ich weiß) als »Präsens« ablautende Präteritalformen nach Art der starken Verben und neue Präterita nach Art der schwachen Verben. Hierher gebören:

*wait‑                   *witan              wissen

*aih‑                    *aigan              haben

*daug‑                  *dugan              taugen

*kann‑                  *kunnan            verstehen

*þarf‑                   *þurfan             bedürfen

*gadars‑                 *gadursan           wagen

*ann‑                   *unnan              gönnen

*skal‑                   *skulan             sollen

*man‑                   *munan             meinen

*mag‑                   *mugan             können

*ganah‑                 *ganahan           genügen

*gamot‑                 *gamotan           können

Athematische Wurzelverben (Verben, welche die Personalendung unmittelbar an die Verbalwurzel anfügen):

sein (idg. Wurzeln *es‑ (Schwundstufe s-) und *bhu-): *es-

Präs.Akt.Ind.Sg.1.P.     germ.   *im         ich bin      (idg.    *esmi)

Präs.Akt.Ind.Sg.2.P.     germ.   *is          du bist      (idg.    *es(s)i)

Präs.Akt.Ind.Sg.3.P.     germ.   *ist         er ist        (idg.    *esti)

Präs.Akt.Ind.Pl.1.P.     germ.   *ezum      wir sind     (idg.    *[e]smes)

Präs.Akt.Ind.Pl.2.P.     germ.   *ezuþ       ihr seid      (idg.    *[e]sté)

Präs.Akt.Ind.Pl.3.P.     germ.   *sind        sie sind      (idg.    *senti)

Andere Formen werden von dem starken Verb germ. *wesan  sein gebildet

 

tun (idg. Wurzel *dhe‑, *dho‑  tun): *don

Präs.Akt.Ind.Sg.1.P.     germ.   *dom       ich tue      (idg.    *dhome)

Präs.Akt.Ind.Sg.2.P.     germ.   *dos        du tust      (idg.    *dhosi)

Präs.Akt.Ind.Sg.3.P.     germ.   *dod        er tut        (idg.    *dhoti)

Präs.Akt.Ind.Pl.1.P.     germ.   *domes     wir tun      (idg.    *dhomes)

Präs.Akt.Ind.Pl.2.P.     germ.   *dod        ihr tut       (idg.    *dhote)

Präs.Akt.Ind.Pl.3.P.     germ.   *dond       sie tun       (idg.    *dhonti)

Prät.Akt.Ind.Sg.1.P.     germ.   *dido       ich tat       (idg.    *dhedhom)

Prät.Akt.Ind.Sg.2.P.     germ.   *dedes      du tatest     (idg.    *dhedhes)

Prät.Akt.Ind.Sg.3.P.     germ.   *dedo       er tat        (idg.    *dhedhet)

Prät.Akt.Ind.Pl.1.P.     germ.   *dedum     wir tatem    (idg.    *dhedhomes)

Prät.Akt.Ind.Pl.2.P.     germ.   *deduth     ihr tatet     (idg.    *dhedhote)

Prät.Akt.Ind.Pl.3.P.     germ.   *dedun     sie taten     (idg.    *dhedhonti)

 

gehen                   germ.   *gen, gan   gehen        (idg.    *ghe‑)

stehen                  germ.   *sten, *stan‑ stehen       (idg.    *sta‑)

wollen                  germ.   *weljan     wollen       (idg.    *øel‑)

Die Präsensformen des Verbums »wollen« sind ihrer Herkunft nach Optative.

 

 

L. Wortbildung

 

Wörter als Zeichen für Vorstellungen nehmen an Sprachentwicklungen außer bezüglich der äußeren Form auch bezüglich der inneren Bedeutung teil. Sie können im Laufe der Zeit sich aber nicht nur ändern, sondern sogar gänzlich untergehen. Andererseits werden neue Wörter ständig entweder von außen übernommen oder innerhalb der Sprache neu geschaffen. Diese Schaffung neuer Wörter kann ohne Verwendung von bereits vorhandenem Wortgut spontan erfolgen (»Urschöpfung«) oder ‑ jedenfalls in entwickelteren Sprachen ‑ häufiger aus bereits vorhandenem Wortgut durch Zusammensetzung (Komposition) oder Ableitung durch formantische Elemente (Suffixe) geschehen.

 

 

I. Zusammensetzung

Bei der Zusammensetzung ist zwischen nominaler und verbaler Komposition zu unterscheiden. Außerdem trennt man zwischen der (älteren) echten Komposition, die als Vorderglied einen ‑ in den meisten Fällen unveränderten ‑ reinen Nominalstamm verwendet (z. B. germ. *brudigumæn  Bräutigam, *nahtagalæn  Nachtigall, zahlreiche Personennamen), und der im Germanischen erst in späteinzelsprachlicher Zeit produktiven unechten Komposition, die eine aus mehreren Wörtern bestehende syntaktische Verbindung in ihrer bestehenden ‑ flektierten ‑ Form zusammenrückt (zeitlich früheste Beispiele got. baurgewaddjus  Stadtmauer, vorahd. *sunnuntag  Sonntag). Die Nominalkomposita lassen sich nach dem logischen Verhältnis ihrer Bestandteile gliedern in Kopulativkomposita, bei denen zwei verschiedene, aber gleichgeordnete Begriffe zusammengeschlossen werden (z. B. germ. *þreiztehun  dreizehn), Determinativkomposita, bei denen das Hinterglied durch das Vorderglied, das auch ein Partikel wie un‑ oder ga‑ sein kann, näher bestimmt wird (z. B. *brudigumæn  Bräutigam, *nahtagalæn  »Nacht­sängerin«), sowie sogenannte exozentrische Komposita (meist sogenannte. Bahu‑vrihis), deren Glieder einen außerhalb des Kompositums liegenden Begriff charakterisieren oder bezeichnen (z. B. *managfald ‑ viele Falten habend, unterschiedlich). Die verbale Komposition ist ganz überwiegend Präfixkomposition und grundsätzlich unechte Komposition. Die wichtigsten Präfixe sind ab‑, (af‑). ana‑, and‑, at‑, *bi‑, fer‑, for‑, fra‑, ga‑ (kollektivierend, perfektivierend), in‑, to‑, uber‑, uf‑, umbi‑, uz‑. Vielfach bleibt die freie Trennbarkeit von Präfix und Verb erhalten (anders Präfix und Nomen). Die verbalen Präfixe sind im Gegensatz zu den nominalen grundsätzlich unbetont. Alle Verbalkomposita sind Determinativkomposita.

 

II. Ableitung

Die Wortbildung durch Ableitung (im Gegensatz zur Zusammensetzung) kann als nominale Stammbildung oder als verbale Stammbildung erfolgen. Dabei werden in einem analogischen Vorgang formantische Elemente, die vielfach keine selbständige Eigenbedeutung mehr erkennen lassen, an Wortstämme angehängt (Suffixe), mit denen zusammen sie, solange sie produktiv sind, neue Wörter von bestimmten formalen und semantischen Eigenschaften zu bilden vermögen. Ableitungen, denen ein Nomen zugrundeliegt, heißen denominal, solche, denen ein Verb zugrunde liegt, deverbativ. Dem Suffix, das an die Wurzel oder den Stamm tritt, folgt meist dann noch ein flexivisches Element (Flexionsendung), doch gibt es außer bloßen Wurzelwörtern wie z. B. germ. *mðs  Maus, auch Wörter, die nur aus Stamm und Suffix bestehen (z. B. germ. *fadar, *fader  Vater). Wie weit Suffixe zur Wurzel gerechnet werden, ist im übrigen im einzelnen unterschiedlich (sogenannte Wurzelerweiterungen durch Suffixe, deren Funktion nicht mehr nachweisbar ist). Die meisten Suffixe des Germanischen sind aus dem Indogermanischen ererbt, wobei neue Suffixe meist durch Kombination oder Erweiterungen bestehender Suffixe entstanden sind.

Im Indogermanischen konnten für die - neben suffixlosen Wurzelnomina stehenden Ableitungen grundsätzlich alle Vokale und Konsonanten sowohl allein wie auch in verschiedenen Verbindungen vereint werden. Davon verlieren allerdings die rein vokalischen Suffixe (-o-, -a-, -i-, -u-) im Germanischen wegen des Vokalschwundes in Endsilben rasch ihre Produktivität. Wichtiger sind demgegenüber daher die Suffixe, die mindestens einen gegenüber den Lautveränderungen widerstands­fähigen Konsonanten in sich tragen.

 

1. Nominale Stammbildung

a) Von den Indogermanischen anfangs sehr wichtigen Wurzelnomina sind im germanischen noch einige Dutzend bezeugt (z. B. germ. *fotuz  Fuß, *lðs  Laus, *mðs  Maus), die meist elementare Begriffe des menschlichen Lebens und seiner Umwelt bezeichnen.

b) Vokalsuffix

Das Suffix -a- (idg. -o-) bildet seit indogermanischer Zeit Nomina agentis und Nomina actionis, von denen insbesondere die Nomina actionis auch im Germanischen sehr häufig sind (z. B. germ. *snaigwaz  Schnee, *drankaz  Trank, *hræpiz  Ruf).

Das Suffix -o- (idg. -a-) wird seit indogermanischer Zeit vor allem für Nomina actionis verwandt und bleibt im Germanischen für die Bildung solcher Verbalabstrakte produktiv (z. B. germ. *gebæ  Gabe, *kwalæ  Qual).

Das Suffis -i- (idg. -ei-, -i-) bildet im Germanischen hauptsächlich Nomina actionis (z. B. germ. *bitiz  Biss, *muniz  Gedanke, *wÐniz  Hoffnung).

Das Suffix -i- (idg. -i-) wird im Indogermanischen meist für Femina zu maskulinen Stämmen auf -o- verwandt, die im Germanischen nur noch in Spuren greifbar ist.

Das Suffix ‑u‑, das im Indogermanischen vor allem primäre Adjektive und Substantive aus Verbalwurzeln bildet, ist schon seit vorgermanischer Zeit nicht mehr produktiv (z. B. germ. *harduz  hart, *fehuz  Vieh).

Das Suffix ‑u‑ wird im Indogermanischen für persönliche Femina und Abstrakta verwandt, ist aber einzelsprachlich nicht mehr produktiv,

Das Suffix ‑ja‑, ‑jæ‑ (idg. ‑Øo‑, ‑Øõ‑) wird zur Bildung primärer Adjektive, Nomina agentis und Verbalabstrakta sowie zur Bildung sekundärer Ableitungen gebraucht (z. B. germ. *kunjam  Geschlecht, *wadjam  Pfand).

‑Æ‑, ‑jæ‑ (idg. Æ): im Germanischen selten

‑ju‑ (idg. Øu‑): im Germanischen selten

‑wa‑, ‑wæ‑ (idg. ‑øo‑, øõ‑): im Indogermanischen ein typisches Adjektivsuffix, das auch im Germanischen anfangs noch produktiv ist (z. B. germ. *kwikwaz lebendig, *grÐwaz  grau, *lasiwaz  schwach).

‑wja‑, ‑wjæ‑ (idg. ‑(u)øØo-, ‑(u)øØõ‑): (z. B. germ. *fadurwjaz  Vaterbruder)

c) Liquidasuffixe

‑r‑ (idg. ‑(e)r‑ : im Indogermanischen in Verwandtschaftsnamen und Heteroklita, im Germanischen nur in Resten erhalten (z. B. germ. *taikuraz  Mannesbruder)

‑ra‑, ‑ræ (idg. ‑ro‑, ‑rõ‑): im Indogermanischen vor allem Adjektive, aber auch Substantive (z. B. germ. *wakraz  wacker, *akraz  Acker)

‑ru‑ (idg. ‑ru‑) : im Indogermanischen selten, im Germanischen nur in wenigen Substantiven (z. B. germ. *hungruz  Hunger)

‑ri‑ (idg. ‑ri‑): im Germanischen nur vereinzelt nachweisbar (z. B. germ. *deuriz  teuer)

‑ero‑ (idg. ‑ero‑): im Indogermanischen und Germanischen Adjektive zu Lokaladverbien und Pronomina (z. B. germ. *unsaraz  unser)

‑arja‑: im Germanischen Nomina der Tätigkeit, aus lat. ‑arius oder ‑arium, teilweise noch voreinzelsprachlich

‑la‑, ‑læ‑ (idg. ‑lo‑, ‑lõ‑), ‑ila‑, ‑ala‑, ‑ula‑: im Indogermanischen wie im Germanischen für Adjektive wie vor allem deminutivische Substantive produktiv (z. B. germ. *fulaz  faul, *lapilaz Löffel, *þrahilaz   Läufer?)

‑li‑ (idg. ‑li‑): selten

‑lu‑ (idg. ‑lu‑): selten

‑sla‑, ‑slæ‑(idg. ‑slo‑, ‑slõ‑), ‑isla, ‑islija‑, ‑islan‑: im Indogermanischen wie im Germanischen produktiv für Abstraktbezeichnungen und Konkretbezeichnungen (z. B. germ. *þehsalæn  Axt)

d) Nasalsuffixe

‑an‑, ‑æn‑ (idg. ‑en‑): vor allem Erweiterung ursprünglicher a‑ und æ‑ Stämme (idg. o‑ und õ‑ Stämme). Die Funktion ist grundsätzlich individualisierend (z. B. germ. *hanæn  [Sänger,] Hahn).

‑jan‑, ‑jæn‑ (idg. ‑Øen‑): vor allem Erweiterung ursprünglicher ja‑ und jæ‑ Stämme (z. B. germ. *gudjæn  [Rufer,] Priester)

‑in‑: bildet feminine Eigenschaftsabstrakta (z. B. germ. *managin  Menge) sowie persönliche und Konkretbezeichnungen

‑na‑, ‑næ‑ (idg. ‑no‑, ‑nõ‑), ‑ana‑, ‑ina‑, ‑una: bildet partizipale Adjektive und Nomina actionis (z. B. germ. *mainaz  falsch, *aiganaz  eigen, *swebnaz  Schlaf, *raganaz  Rat), ‑ana‑ den Infinitiv (neutrales Verbalsubstantiv) der starken Verben (z. B. germ. *beranaz zu tragen)

‑Æna‑ (idg. Æno, ‑eino‑): vor allem für Adjektive, die Beschaffenheit, Art und Abstammung zum Ausdruck bringen (z. B. germ. *gaitinaz  Geiß‑, *gulþinaz  golden).

‑sna‑, ‑snæ‑ (idg. ‑sno‑, ‑snõ‑), ‑asna‑, ‑isna‑ (idg. ‑esno‑, osno‑): meist feminine Konkretbezeichnungen (z. B. germ. *segasnæn  Sense)

‑erna‑, ‑arna‑,‑urna‑ (idg. ‑rno‑): (z. B. germ. *ahurna  Ahorn)

‑ni‑ (idg. ‑ni‑ ), ‑ani‑ , ‑ini‑, ‑aini‑, ‑æni‑: verbale Adjektive und Substantive aus der Wurzel, im Germanischen schon selten (z. B. germ. *segwniz  sichtbar, *taikniz  Zeichen)

‑sni‑ (idg. ‑sni‑): einige alte Abstraktbildungen (z. B. germ. *busniz  Gebot)

‑nu‑ (idg. ‑nu‑): selten (z. B. germ. *sunuz  Sohn, *druknuz  trocken)

‑nÆ‑, ‑njæ‑ (idg. ‑ni‑, ‑niõ‑), injæ-, ‑unjæ‑: spät produktiv für Feminina, Abstrakta und Konkretbezeichnungen

‑nja‑ (idg. ‑nØo‑): selten

‑ænja‑. Adjektive der Himmelsrichtung (z. B. germ. *austronjaz  östlich)

-ma‑, ‑mæ‑ (idg. ‑mo‑, ‑mõ‑) verbale Adjektive und Substantive, im Germanischen kaum noch produktiv (z. B. germ. *warmaz  warm, *armaz  Arm).

‑uma‑ (idg. ‑£mo‑) superlativische Raumadjektive (z. B. germ. *fruma-  erste)

‑mi‑ (idg. ‑mi‑): selten (z. B. germ. *wurmiz Wurrn)

-man- (idg. -men-: im Indogermanischen häufig, im Germanischen seltener, Nomina actionis und deren Ergebnis (z. B. germ. *namæn  Namen)

‑sman‑ (idg. smen‑): (z. B. germ. besmæn Besen)

‑munja‑, ‑umnja‑:

e) s‑ Suffixe

‑iz‑, ‑az‑, ‑uz‑ (idg. ‑es‑, ‑os‑, ‑is‑, ‑us‑): Nomina actionis (z. B. germ. *hatiz  Hass)

‑isjæ‑, ‑usjæ(n)‑: Abstrakt‑ und Konkretbezeichnungen (z. B. germ. *akuzjæ  Axt)

‑sa‑, ‑sæ‑ (idg. ‑so‑, ‑sõ‑), ‑isa‑, ‑asa‑, ‑san‑, ‑sæn: Abstrakt- und Konkretbezeichnungen (z. B. germ. *gaizaz  Speer, *sahsam  Messer)

‑is‑ (idg. ‑Øes‑), ‑izan‑, ‑ista‑, ‑æzan‑, ‑osta‑: Komparativsuffix

f) Labialsuffix:

‑ba‑, ‑bæ‑ (idg. ‑bho‑. ‑bhõ‑): im Indogermanischen in Farbadjektiven, Tiernamen, adjektivischen Ableitungen von Substantiven, Abstraktbildungen zu Adjektiven und Substantiven u. a., im Germanischen selten (gotische Adverbien auf ‑ ba)

g) Dentalsuffixe:

‑þ‑ (idg. ‑t‑), ‑aþ‑, ‑iþ‑, ‑uþ‑: im Indogermanischen erweiterndes Determinativ, im Germanischen meist nur mit Bindevokal (z. B. germ. *haluþ  Mann, Held)

*þa‑, ‑þæ‑ (idg. ‑to‑, ‑tõ‑), ‑iþa‑, ‑iþo‑: im Indogermanischen meist Verbaladjektive, denominale Adjektive, verbale und denominale Abstraktbezeichnungen, Superlativsuffix, im Germanischen vielfach noch erhalten (z. B. germ. *dauþaz  tot, *murþaz  Tötung, *kindam  Kind, *rakudaz  Haus, *haubiþæ  Höhle)

‑þan‑ (idg. ‑to‑), ‑aþan‑, ‑iþan‑: im Nord‑ und Westgermanischen maskuline Abstraktbegriffe (z. B. germ. *andæn  Hauch, Atem, *jukkiþæn  Jucken)

‑þja‑ (idg. ‑tØo‑), ‑iþja‑, westgerm. ‑odja‑: im Germanischen Verbaladjektive, adjektivische Ableitungen von Raumadverbien und Substantiven, Kollektivbegriffe und Deminutivbegriffe (z. B. germ. *mæþaz  müde, *auþjaz  öde, *hamiþjam  Hemd).

‑þjæ-, ‑þjæn (idg. ‑t‑, ‑to‑): im Germanischen nicht mehr Produktiv (z. B. germ. *wastjæ  Kleid)

‑þi‑ (idg. ‑ti‑): im Indogermanischen Verbalabstrakta, wobei die Handlung als objektiver Vollzug bezeichnet wird, im Germanischen häufig als Nomina actionis (z. B. germ. *naudiz  Not), Nomina agentis (z. B. germ. *gastiz  Gast) zu starken, meist zusammengesetzten Verben

‑þu‑ (idg. ‑tu‑), ‑oþu‑ (idg. ‑õtu‑): im Indogermanischen Verbalabstrakta, wobei die Handlung als subhektive Disposition oder in ihrem Vollzug am Subjekt bezeichnet wird, im Germanischen teilweise nicht mehr deutlich erkennbar, aber auch beim schwachen Verb produktiv (z. B. germ. *friþuz  Friede, *þurstuz  Durst)

‑assu- (idg. ‑tu‑ Rildung zu Verben mit ‑atja‑ Suffix), ‑issu‑, ‑-ussu‑ : Im Gotischen vor allem maskuline Verbalabstrakta zu Verben auf ‑æn (got. *fraujinassus  Herrschaft), im Westgermanischen stark variiert

‑dðþi‑ (idg. ‑tðti‑): nur im Gotischen belegt (got. *managduþs  Menge)

-þwa‑, ‑þwæ‑ (idg. ‑tøo‑, ‑tøõ‑): im Indogermanischen primäre Verbaladjektive und deren Abstraktbegriffe sowie denominale Abstraktbegriffe, im Germanischen einige, meist der sozialen Sphäre zugebörige Abstraktbegriffe (z. B. germ. *frijaþwæ  Liebe).

‑st‑ (idg. ‑sto‑, ‑stõ‑, ‑sti‑, ‑stu‑): im Indogermanischen verstärkte ‑t‑ Suffixe, im Germanischen kaum noch produktiv (z. B. germ. *traustaz  Zuversicht, Vertrag, *rustaz  Rost, *fu(h)stiz  Faust)

‑nd‑, ‑und‑, ‑Æ(n)‑ (idg. ‑nt‑, ‑¤t‑): im Indogermanischen Verbaladjektive (Präsenspartizipien), im Germanischen noch produktiv, wobei das Femininum auf Æ(n) gebildet wird (z. B. germ. *frijænd  Freund, *fijand  Feind)

‑munda‑ (idg. m¤to‑): im Germanischen nur in Resten erhalten (z. B. germ. *hleumundaz  Leumund)

‑t‑ (idg. ‑d‑), ‑ta‑: im Indogermanischen und Germanischen Tierbezeichnungen, Konkretbezeichnungen, Adjektive und Adverbien, Nomina actionis, denominative Abstraktbezeichnungen (z. B. germ. *hrunkita  Runzel)

‑atja‑, ‑itja‑ (idg. ‑itØa‑?): im Germanischen einzelsprachlich teils für Nomina actionis und andere Abstraktbezeichnungen sowie teils als Kollektivsuffix.

‑d‑ (idg. ‑dh‑): im Germanischen nicht eindeutig feststellbar (z. B. germ. *huzdam  Hort, *seduz  Sitte)

‑der‑ (idg. ‑ter‑): im Indogermanischen in Verwandtschaftsnamen und Nomina agentis, im Germanischen vor allem in Verwandtschaftsnamen (z. B. germ. mæder  Mutter)

‑dar‑, ‑þar (idg. ‑tero‑, ‑toro‑, ‑tro‑): im Indogermanischen Komparationssuffix, im Germanischen vor allem zum Ausdruck eines räumlichen Gegensatzes gebraucht (z. B. germ *hweþar  welcher von zweien, *niþra  nieder)

‑dil‑ (idg. ‑tel‑): im Indogermanischen für Nomina agentis (z. B. germ. *friodilaz  Geliebter)

‑þra‑, ‑þræ‑, ‑dra‑, ‑dræ‑ (idg. ‑tro‑, ‑trõ-): im Indogermanischen für Nomina actionis und Instrumentalbezeichnungen (z. B. germ. *wundram  Wunder, *murþram Tötung, *smerþram  Fettigkeit, *apaldraz  Apfelbaum)

‑stra‑: germ. *lahstraz  Schmähung

‑istrijæ‑, -astrijæ‑, -ustrijo‑: im Germanischen einzelsprachlich Feminina

‑aldra‑, ‑uldra‑, ‑aldræ‑, ‑uldræ‑: im Germanischen in Baumnamen und Konkretbezeichnungen

‑þri‑ (idg. ‑tri‑?): selten

‑þla‑, ‑dla‑, ‑þlæ‑ (idg. ‑tlo‑, ‑tlõ‑): im Indogermanischen Abstrakt‑ und Instrumentalauffix (z. B. germ. *buþlaz  Haus)

h) Gutturalsuffixe:

‑ha‑, ‑ga‑ (idg. ‑ko‑, ¨o‑), ‑aha‑, ‑aga‑, ‑iga‑, ‑uga‑: im Indogermanischen vor allem denominale Ableitung und Weiterbildung, im Germanischen adjektivische Ableitungen von substantivischen Grundwörtern sowie identifizierende Erweiterungen (z. B. germ. *skelgaz, *skelhaz  scheel, schief, *stainagaz  steinig, *handugaz  geschickt)

‑ahta‑, uhta‑, ‑ihta‑: im Germanischen Erweiterung zu ‑ha‑, ‑ga-

‑ahja‑: einzelsprachliches Kollektivsuffix

‑ska‑, ‑skæ‑ (idg. ‑sko‑, ‑skõ‑): im Indogermanischen vielfach Verbalnomina, im Germanischen vor allem Adjektivsuffix (z. B. germ. *hurskaz  rasch)

‑iska‑ (idg. ‑iskæ‑): im Westindogermanischen zur Bezeichnung der Art verwandt, im Germanischen zur Bezeichnung der Herkunft oder Zugehörigkeit (z. B. germ. *manniskaz  menschlich)

‑agjæn‑, ‑igjæn‑: im Germanischen einzelsprachlich feminine Nomina agentis

‑inga‑, ‑unga‑ (idg. ‑enko, ‑¤ko‑): im Germanischen zur Bildung individueller Personal‑ und Sachbezeichnungen nach charakteristischen Merkmalen, sehr produktiv in späterer Zeit (z. B. germ. *kuningaz  König, *skillingaz  Schilling)

‑linga‑: s. -inga-, im Germanischen in einzelsprachlicher Zeit produktiv (z. B. germ. *gadilingaz  Verwandter)

‑ingæ‑, ‑ungæ‑: s. -inga‑, im Germanischen in späterer Zeit feminine Abstraktbegriffe zu Nomina und schwachen Verben

‑k‑ (idg. ‑g‑, ‑k‑?), ‑ka‑, ‑kæ‑, ‑aka‑, ‑ika‑, ‑uka‑: im Germanischen in Einzelsprachen verschieden produktiv (z. B. germ. *habukaz  Habicht)

‑ikÆna‑: im Germanischen späte einzelsprachliche Erweiterung des ‑k‑ Suffixes zur Bezeichnung von Deminutiva

‑inklina‑ : im Germanischen spätes einzelsprachliches Deminutivsuffix

‑kla‑ : im Germanischen selten

i) Kompositionesuffixe ‑ d. h. aus ursprünglich selbständigen Wörtern über häufige Zusammensetzungen entstandene Suffixe ‑ sind im Germanischen nicht selten, meist aber relativ spät und einzelsprachlich gebildet. Sie können aus Adjektiven oder Substantiven entstanden sein:

‑dæma‑: im Germanischen ursprünglich ein persönlicher Zustand oder eine soziale Stellung

‑haidu‑: im Germanischen ursprünglich Art, Stand, Würde, Rang

‑skapi‑, skafti‑: im Germanischen ursprünglich Beschaffenheit, Form (z. B. germ. *fijandskapiz  Feindschaft)

‑laika‑: im Germanischen Spiel

‑stabi‑: im Germanischen Stab

‑daga‑, ‑dagan‑: im Germanischen Tag

‑warja‑: im Germanischen Bewohner (z. B. lat.‑germ. Angrivarii), fällt aber bald mit ‑arja‑ zusammen

‑apa‑: im Germanischen Wasser

‑lika‑: im Germanischen Leib, Körper (z. B. germ. *hwelÆkaz, *hwilÆkaz  welcher)

‑sama‑: im Germanischen derselbe (z. B. germ. *lustusamaz  erfreulich)

‑kunda‑: im Germanischen kommend, stammend

‑hafta‑: im Germanischen behaftet

‑fasta‑: im Germanischen fest

‑wandja‑: im Germanischen gewendet

 

2. Verbale Stammbildung

Die verbale Stammbildung erfolgt ‑ außer bei Wurzelverben ‑ durch Suffixe (und ein der Wurzel eingefügtes ‑n‑). Sie kann durch Ableitung von Verbalstämmen und Verbalwurzeln (deverbal) geschehen oder durch Ableitung von Nominalstämmen (denominal). Sie kann die Tempus‑ und Modusbildung betreffen oder die Aktionsarten (durativ, punktuell, bzw. iterativ, intensiv, desiderativ, deminutiv, inkohativ, kausativ, faktitiv). Am produktivsten ist die Verbalbildung im Bereich der (zweiten Klasse der) schwachen Verben.

Verben ohne stammbildendes Suffix (athematische Wurzelverben): im Indogermanischen häufiger und sehr alt, im Germanischen nur sein, tun, gehen und stehen.

Verben mit Präsensreduplikation: im Germanischen nur in wenigen Resten vorhanden

Verben mit thematischem Vokal (germ. ‑i‑/‑a‑, idg. ‑e‑/‑o‑): im Indogermanischen häufig, im Germanischen grundsätzlich das Präsens der starken Verben

Verben mit stammbildendem ‑o‑ (idg. ‑a‑): im Westgermanischen sehr produktiv (zweite schwache Verbalklasse z. B. germ. *fiskæn  fischen, *hwarbæn  wandeln)

Verben mit ‑j‑ Suffix (idg. ‑eØe‑, ‑eØo‑): teils starke Verben, teils schwache Verben (z. B. germ. *sitjan  sitzen, *swarjan  schwören. *drankjan  tränken, *dauþjan  töten, *habÐn  haben, *libÐn  leben)

Verben mit Nasalinfix oder Nasalsuffix: z. B. germ. *standan  stehen, ‑nan im Gotischen

Verben mit ‑s‑ Suffix: z. B. germ. *þensan ziehen

Verben mit sk‑ Suffix: im Germanischen nur in Resten vorhanden: z. B. germ. *waskan  waschen

Verben mit ‑t‑ Erweiterung (idg. ‑te‑/‑to‑): z. B. germ. *fehtan  fechten

Verben mit ‑st‑ Erweiterung: z. B. germ *brestan  bersten

Verben mit ‑d‑ Erweiterung (idg. ‑dh‑): z. B. germ. *waldan  walten

Verben mit ‑t‑ Erweiterung (idg. ‑d‑): relativ häufig, z. B. germ. *meltan  schmelzen

Verben mit ‑atja‑, ‑itja‑ Suffix (idg. d‑Øo‑?): z. B. germ. *laugatjan  lohen

Verben mit -k‑ Suffix (idg. g, z. T. k): z. B. germ. *walkan  walken

Verben mit ‑l‑ Suffix: fehlt im Gotischen noch

Verben mit ‑r‑ Suffix: einzelsprachlich

Verben mit ‑(i)næn‑ Suffix: einzelsprachlich verschieden

 


Übersicht über die indogermanisch-germanischen Lautentsprechungen

 

Indogermanisch =

Germanisch

Germanisch =

Indogermanisch

a, õ

a, æ

a

a, o, ý

b

p

b

bh

bh

b

 

 

d

t

d

dh

dh

d

 

 

e, Ð, ý

e, i, a, Ð

e, Ð

e, Ð

 

 

f

p

g, 

k, k

g

gh, h, ghÝ, ghø, gÝh

gh, h

g, g

 

 

ghÝ, ghø, gÝh

gw, g, w

 

 

 

 

h (c)

K, ¨, (q)

 

 

hw, cø

kÝ, (qÝ)

i, Æ

i, Æ

i, Æ

i, Æ

Ø

j

j

Ø

k, ¨, (q)

h (c)

k, k

g, 

kÝ, (qÝ)

kw, (cø)

kw

gÝ, (gø, ø)

l, (¢)

l, (ul)

l, (ul)

l, (¢)

m, (£)

m, (um)

m, (um)

m, (£)

n, (¤)

n, (un)

n, (un)

n, (¤)

o, æ

a, æ

o, æ

o, a, æ, õ

p

f

p

b

 

 

(q, s. a. k.)

gÝ, (gø, ø)

r, (¥)(

r, (ur)

r, (ur)

r, (¥)

s

s, z

s

s, z

t

þ

t

d

 

 

þ

t

u, ð

u, ð

u, ð

u, ð

ø

w

w

ø, ghÝ, ghø, gÝh

z

z, s

z

s, z

 

 

 


 

M. Fremdsprachliche Einflüsse auf den Wortschatz

 

Mit den verschiedenen Möglichkeiten fremdsprachlichen Einflussses auf den Wort­schatz hat sich vor allem Werner Betz am Beispiel des Althochdeutschen befasst. Er ist dabei zu folgender Systematik gelangt.

 

 

Fremdsprachlicher Einfluss

 

 

 


                                            

   bezüglich der Form                               bezüglich des Inhaltes

   (Fremdwort oder                                  (Lehnprägung)

   Lehnwort)

                                                       

 

 

 


                                         Lehnbildung               

                                                                     

                                                                     

                                                                           

 

 


                                Lehnformung       

                                                     

                                                     

                                                     

 

 

Fremd-      Lehn-     Lehnüber-      Lehnüber-      Lehnschöpf-    Lehnbe-

wort         wort      setzung z. B.   tragung z. B.   ung z. B.       deutung

z. B.         i. e. S.    lat. con-scien-  lat. paenin-     frz. cognac      z. B. lat.

blue         z. B.      tia dt. Ge-     sula dt.         dt. Wein-       deus dt.

jeans        Bischof   wiss-en         Halbinsel       brand           Gott

                       

 

Dabei sind Fremdwörter und Lehnwörter Übernahmen des Wortmaterials (d. h. der Lautgestalten oder Ausdrucksseiten) fremder Sprachen. Fremdwort ist das aus einer fremden Sprache unter völliger oder weitgehender Bewahrung seiner Lautgestalt übernommene Wort (z. B. nhd. blue jeans), Lehnwort das aus einer fremden Sprache unter eindeutiger erkennbarer Abänderung der Lautgestalt übernommene Wort (z. B. lat. episcopus, nhd. Bischof), wobei die Grenze zwischen Bewahrung und Abänderung der Lautgestalt (, also zwischen Fremdwort und Lehnwort,) nicht in jedem Fall eindeutig gezogen werden kann.

Lehnprägungen sind Wiedergaben fremdsprachlicher Wörter oder Bedeutungen mit eigensprachlichen Mitteln. Lehnbildung ist die formal-äußerliche Nachbildung des frem­den Wortes mit eigensprachlichem Material. Dabei formt die Lehnübersetzung das - mehrgliedrige - fremde Wort Glied für Glied nach (z. B. lat. conscientia, nhd. Ge­wis­sen). Die Lehnübertragung folgt teilweise dem - mehrgliedrigen - Vorbild und teil­weise nicht (z. B. lat. paeninsula, nhd. Halbinsel). Die Lehnschöpfung verdankt dem Vorbild nur den gedanklichen Anstoß (z. B. frz. cognac, nhd. Weinbrand), geht aber als neues formales Wortgebilde auf dieses zurück. Die Lehnbedeutung schließlich ist die bloße inhaltliche Erweiterung bzw. Veränderung der Bedeutung eines ererbten eigensprachlichen Wortes unter dem Einfluss eines fremdsprachlichen Wortes (z. B. Veränderung der Bedeutung von Gott, Geist, Seele nach lateinisch-christlichem Vorbild).

Innerhalb dieser verschiedenen Möglichkeiten des fremdsprachlichen Einflusses sind Fremdwort und Lehnwort relativ einfach zu erkennen, Lehnprägungen dagegen oft nur mühsam und unsicher zu ermitteln. Im einzelnen können hierbei folgende Merkmale auf fremdsprachlichen Einfluss deuten: Bauentsprechung zwischen fremdsprachlichem Wort und eigensprachlichem Wort, späte Produktivitätszeit eines Wortbildungs­elementes, fremdsprachliche Regelmäßigkeit einer Wortbildung, Komplexität einer Wortbildung, geringe Belegzahl (insbesondere hapax legomenon), spätes Auftreten, Fehlen in ande­ren germanistischen Sprachen oder anderen eigensprachlichen Sprachstufen, mitein­ander konkurrierende Interpretamente für ein einziges Lemma, Textcharakter (z. B. Interlinearversion, Glosse) oder kulturelle Beeinflussung. Je mehr dieser Merkmale in einem Fall gegeben sind, desto sicherer kann der fremdsprachliche Einfluss vermutet werden. Darum bemüht sich im Wörterbuch die Rubrik Interferenz (I.), die vor­sichtige Hinweise auf vermutete fremdsprachliche Vorlagen bieten will.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abkürzungsverzeichnis

 

 

A.           =  Akkusativ

Adj.         =  Adjektiv

Adv.         =  Adverb

ae.           =  altenglisch

afries.        =  altfriesisch

ahd.         =  althochdeutsch

ai.           =  altindisch

air.          =  altirisch

Akk.         =  Akkusativ

Akt.         =  Aktiv

an.           =  altnordisch

and.         =  altniederdeutsch

anfrk.        =  altniederfränkisch

anom.       =  anomal

as.           =  altsächsich

brit.         =  britisch

D.           =  Dativ, Dual

Dat.         =  Dativ

Du.          =  Dual

E.           =  Etymologie

EWAhd.     =  Etymologisches Wörter-

                 buch des Althoch-

                 deutschen

F.            =  Femininum

Fem.         =  Femininum

G.           =  Genitiv

gall.         =  gallisch

Gen.         =  Genitiv

germ.        =  germanisch

got.          =  gotisch

gr.           =  griechisch

hebr.        =  hebräisch

Hw.         =  Hinweis

I.            =  Interferenz, Instrumental

idg.          =  indogermanisch

Ind.          =  Indikativ

Interj.       =  Interjektion

kelt.         =  keltisch

Kl.           =  Klasse

Konj.        =  Konjunktion

kymr.        =  kymrisch

L.           =  Literatur

lang.         =  langobardisch

lat.          =  lateinisch

Lbd.         =  Lehnbedeutung

Lbi.         =  Lehnbildung

Lsch.        =  Lehnschöpfung

Lüs.         =  Lehnübersetzung

Lüt.         =  Lehnübertragung

Lw.          =  Lehnwort

M.           =  Maskulinum

Mask.        =  Maskulinum

mlat.         =  mittellateinisch

N.           =  Neutrum

ne.           =  neuenglisch

Neutr.       =  Neutrum

nhd.         =  neuhochdeutsch

Nom.        =  Nominativ

Num. Kard.  =  Grundzahl

Num. Ord.   =  Ordnungszahl

Opt.         =  Optativ

P.            =  Person

Pk.          =  Pokorny, Indogermani-

                 sches Etymologisches

                 Wörterbuch

Pl.           =  Plural

Poss.-Pron.  =  Possessivpronomen

Präf.         =  Präfix

Präp.        =  Präposition

Präs.         =  Präsens

Prät.-Präs.   =  Präteritopräsentium

Pron.        =  Pronomen

red. V.      =  reduplizierendes Verb

rom.         =  romanisch

s.            =  siehe

Sb.          =  Substantiv

subst.        =  substantiviert

Sg.           =  Singular

Suff.         =  Suffix

st.           =  stark

sw.          =  schwach

V.           =  Verb

vgl.          =  vergleiche

Vw.         =  Verweis

westgerm.    =  westgermanisch

z. B.         =  zum Beispiel

z. T.         =  zum Teil