Wedel, Joachim von, Zur Entwicklung des deutschen parlamentarischen Zweikammersystems (= Schriften  zur Verfassungsgeschichte 82). Duncker & Humblot, Berlin 2011. 372 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das klassische Zweikammersystem nimmt seinen Ausgang in England, in dem in langwierigen Auseinandersetzungen Adelige im Oberhaus und Nichtadelige im Unterhaus des gemeinen Mannes ein Mitsprachrecht neben dem König erringen. Dabei wird das ursprünglich modifizierende Oberhaus im Laufe der Zeit ein eher retardierendes Moment. Dem folgen im Wesentlichen souverän gewordene deutsche Staaten nach dem Untergang des Heiligen Römischen Reichs seit 1806.

 

Demgegenüber untersucht der Verfasser nach Schließung des Senats als zweiter Kammer im Freistaat Bayern im Jahre 2000 drei Projekte, die sich in diesen Gesamtablauf eines allgemeinen Modernisierungsvorgangs nur mit Schwierigkeiten einfügen lassen. Sie betreffen die erste Kammer in Preußen (1848/1854), die berufsständischen Parlamente des Volkswirtschaftsrats (1880/1881), des Reichswirtschaftsrats (1920-1934) und des bayerischen Senats (1946-1999) sowie den ökologischen Senat (1990f.). Ihren Betreibern ging es nach den Erkenntnissen des Verfassers statt um Moderation von Modernisierung um Ersetzung der Verfassung durch eine Endordnung.

 

Im Ergebnis erweist sich das nichtföderale deutsche Zweikammersystem vor allem als Übergangsphase zur freiheitlichen Demokratie. Damit soll eine brauchbare Antwort auf eine zunehmende Ideologisierung von Politik versucht werden. Verkürzend zusammengefasst ordnet der Verfasser am Ende seiner vielfältigen Darlegungen selbst die drei behandelten Gegenstände als verfassungskonform entschärfte Überreste misslungener politischer Totalrevisionen ein, die aber als eine Form zur Politisierung des Ultrapolitischen einen eigenen Wert haben und im weiten Gesamtrahmen der Verfassungsgeschichte auch einen festen Platz verdienen.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler