Weber, Petra, Gescheiterte Sozialpartnerschaft - Gefährdete Republik. Industrielle Beziehungen, Arbeitskämpfe und der Sozialstaat. Deutschland und Frankreich im Vergleich (1918-1933/39) (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 77). Oldenbourg, München 2010. 1245 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die 1958 geborene, nach dem Studium  von Politikwissenschaft, Germanistik und Geschichte in Freiburg 1987 mit der von Wilhelm Hennis betreuten Dissertation über Sozialismus als Kulturbewegung - frühsozialistische Arbeiterbewegung und das Entstehen zweier feindlicher Brüder Marxismus und Anarchismus - promovierte Verfasserin, die seit 1995 als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Zeitgeschichte in München wirkt, ist auch bereits durch die Bearbeitung der Sitzungsprotokolle der SPD-Fraktion im deutschen Bundestag 1949-1947 und eine umfangreiche, das gesamte Geschehen berücksichtigende Biographie Carlo Schmids (1896-1979) hervorgetreten. Das vorliegende stattliche Werk fällt zeitlich gewissermaßen in die Mitte ihrer bisherigen Untersuchungen. Ihr besonderes Kennzeichen ist die mit zusätzlichen Schwierigkeiten verbundene vergleichende Ausrichtung über die nationale Geschichte hinaus.

 

Gegliedert ist die Untersuchung nach einer einführenden Einleitung in insgesamt sieben chronologisch geordnete Kapitel, für welche die Weichenstellungen der Zeit vor dem ersten Weltkrieg die Grundlage bilden. Den Krieg selbst sieht die Verfasserin in der Spannung zwischen Reform und Radikalisierung und als Ursache der Generalstreiks des Frühjahrs 1920. Es folgen Unternehmeroffensive und Inflationskrisen, Fortschritt und Blockaden, gescheiterte Krisenstrategien, Machtergreifung der Nationalsozialisten im Deutschen Reich und Volksfront und Modernisierung der industriellen Beziehungen in Frankreich mit dem 6. Februar 1934 als Wendepunkt.

 

Im Ergebnis sieht die Verfasserin die Zwischenkriegszeit als eine Zeit der gemeineuropäischen Krise. Ob daraus eine Katastrophe entstand, hing nicht zuletzt von den schon vor 1914 ausgebildeten nationalen Traditionen und Eigenarten ab. Deren sorgfältige vergleichende Gegenüberstellung erleichtert dementsprechend das Verständnis unterschiedlicher Entwicklungen sehr, ohne dass einfache einseitige Bewertungen notwendig und möglich sind, weil sich bei der Bewältigung der Probleme an vielen Stellen günstige Ansätze feststellen lassen, die infolge weiterer konkurrierender Umstände freilich nicht an allen Orten auch nur vorteilhafte Ergebnisse zeitigten.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler