Weißhuhn, Christian, Alfred Hueck 1889-1975 - Sein Leben, sein Wirken, seine Zeit (= Rechtshistorische Reihe 383). Lang, München 2009. XVI, 252 S. Besprochen von Lieselotte Jelowik.

 

Die von Gerhard Lingelbach (Jena) angeregte und betreute Dissertation verbindet die Darstellung einer Gelehrtenbiographie mit wissenschaftsgeschichtlichen Intentionen. Der Autor selbst sieht in ihr „eine Abhandlung zur Privatrechtswissenschaft im 20. Jahrhundert“ und in Alfred Hueck „eine(n) der führenden Zivilrechtler des 20. Jahrhunderts“ (S. 2). In der Tat verkörperte Hueck diese rechtswissenschaftliche Disziplin in einem über das Gewöhnliche hinausgehenden Maße. Untrennbar verbunden ist sein Name vor allem mit dem Arbeitsrecht. Sein – gemeinsam mit H. C. Nipperdey verfasstes – Lehrbuch und der gleichnamige Grundriss avancierten, auch gemessen an der Zahl ihrer Auflagen zwischen 1928 und 1970, zu Standardwerken des Fachs. Nicht minder erfolgreich war Hueck durch seine Arbeiten zum Handels- und Gesellschaftsrecht, die ebenfalls viele Auflagen erlebten.

 

Huecks akademische Laufbahn führte ihn von Münster, wo er sich 1918 mit einer Arbeit über eine schuldrechtliche Thematik habilitierte und bis 1925 als Privatdozent tätig war, zunächst auf einen Lehrstuhl für deutsches, bürgerliches, Handels- und Verkehrsrecht in Jena. Von dort folgte er 1936 einem Ruf nach München, wo er mit kurzer zwangsweiser Unterbrechung nach Kriegsende bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1958 als Ordinarius wirkte. Weißhuhn folgt anhand der Universitätsarchivalien und diverser anderer Quellen staatlicher Archive sowie Aussagen von Zeitzeugen diesen drei Stationen des akademischen Lebenswegs Alfred Huecks unter Einbeziehung und Bewertung seines jeweiligen wissenschaftlich-literarischen Schaffens. Er attestiert ihm eine „enorme schriftstellerische Aktivität“ (S. 34), deren Schwerpunkt in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg fiel. Sieht man von der episodenhaften Amtsenthebung Huecks 1945/46 ab, so wurde seine akademische Laufbahn von den politisch-staatlichen Wendungen seines Zeitalters nicht unterbrochen. Um einen ungewöhnlichen Befund handelt es sich dabei freilich nicht. Immerhin kamen „ca. 90 % der Professoren, die während der NS-Zeit tätig gewesen waren, ... auch nach 1945 wieder zu ihrem Amt“ (S. 163 Anm. 17).

Folgt man dem Eindruck, den Weißhuhn im Ergebnis seiner Studien von der Persönlichkeit Huecks gewonnen hat, so handelte es sich um einen Wissenschaftler, dessen Leben und Wirken von „politischer Zurückhaltung“ geprägt war (S. 202). Weder in seinen Werken noch im öffentlichen Leben äußerte er sich in einer Art und Weise, die Rückschlüsse auf seine politische Einstellung erlaubt hätte. Nicht nur deshalb bereitet dem Autor die Beurteilung der Tätigkeit Huecks während der NS-Zeit offensichtlich Probleme, zumindest ist ein gewisses Unbehagen spürbar, zumal er sich mit „Stimmen, welche Hueck mit dem NS-Staat in Verbindung bringen“ (S. 1), auseinanderzusetzen hatte. Die allerdings hatte Hueck durch seine Mitarbeit in der Akademie für Deutsches Recht selbst besorgt. Immerhin gehörte er ihr seit 1935 an und war in der Folgezeit Mitglied, teilweise sogar Vorsitzender diverser Haupt-, Unter- und Sonderausschüsse der Akademie. Weißhuhn räumt ein, dass diese Aktivitäten Huecks ebenso wie sein Wirken als Hochschullehrer und Autor zumindest „nicht von einer generellen Distanz zum NS-Staat zeugen“ und sieht darin „Ansätze der Identifikation“ (S. 154). Eine „geistige Nähe zum System“ (S. 159) ist für ihn aber nicht erkennbar. Inwieweit er bei dieser Einschätzung unter dem Eindruck der späteren Versicherung Huecks stand, er habe „den Nationalsozialismus auf das schärfste abgelehnt“ und dessen Lehren „auf das Tiefste verabscheut“ (. S. 161), sei dahingestellt.

 

Für Weißhuhn „verkörperte Hueck das Idealbild eines umfassend versierten Juristen“ (S. 203). An den Typus des historisch überholten Universaljuristen ist dabei sicher nicht gedacht. Soweit damit die Leistungen und Verdienste Huecks auf den von ihm vertretenen Rechtsgebieten erfaßt werden, handelt es sich um eine durchaus zutreffende Bewertung. Sie schließt die Breite seines wissenschaftlichen Schaffens ebenso ein wie die durch ökonomische Einsichten geförderte Praxisnähe und die Nachhaltigkeit seiner Wirkung. Schließlich galten seine Lehrbücher und Kommentare über Jahrzehnte als „Klassiker“ auf ihren Fachgebieten.

 

Im Anhang der Arbeit finden sich eine tabellarische Übersicht der Lebensdaten Huecks und ein 24 Seiten umfassendes ausführliches Verzeichnis seiner Schriften.

 

Den positiven Gesamteindruck des Buches schmälern gelegentliche Ausdrucksschwächen und die ungenügende Korrektur von Druck- und Flüchtigkeitsfehlern.

 

Halle (Saale)                                                               L i e s e l o t t e   J e l o w i k