Tüxen, Markus, Kollegialprinzip oder Einzelrichter (= Rechtshistorische Reihe 395). Lang, Frankfurt am Main 2009. 305 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Werner Schubert angeregte und betreute, im Wintersemester 2008/2009 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel angenommene Dissertation des Verfassers. Sie betrifft den praktisch wichtigen Übergang vom Spruchkollegium am Landgericht (§ 60 GVG) zum Einzelrichter, der bereits wenige Jahre nach Inkrafttreten der Zivilprozessordnung des Deutschen Reiches von 1877 im Jahre 1879 gefordert wurde. Erst im Jahre 2002 wurde der Gedanke eines erstinstanzlich originär zuständigen Einzelrichters am Landgericht allerdings tatsächlich verwirklicht.

 

Gegliedert ist die Untersuchung nach einer kurzen Einleitung in vier chronologisch geordnete Teile. Sie betreffen die Entwicklung des zivilrechtlichen Spruchkörpers bis zum Ende des zweiten Weltkriegs, die Entwicklung des Spruchkörpers erster Instanz zwischen dem Ende des zweiten Weltkriegs und den Reformen der 1960er und 1970er Jahre, die Reformen dieser Jahre und die Zivilprozessreform des Jahres 2002. Am Ende bietet der Verfasser eine Bewertung und einen Ausblick und rundet sein Werk mit zwei interessanten Anlagen über Entwürfe und Beteiligte sowie ein Quellenverzeichnis und ein Literaturverzeichnis ab.

 

Hauptargument für die Kammern bildete die Beimessung höherer Qualität für die Kammerentscheidung. Gegenargument ist die stetig ansteigende Zahl der Zivilprozesse, wobei den Kammern vorgehalten wurde, zu langsam und zu ineffektiv zu arbeiten. Durch ein Zurückdrängen des Kammersystems sollten die vorhandenen, wegen Knappheit der öffentlichen Mittel nicht wesentlich vermehrbaren Personalressourcen eine Eindämmung der Prozessflut ermöglichen.

 

Im Ergebnis stellt der Verfasser nach eingehender Überprüfung fest, dass Gerichtsverfassung (§ 60 GVG) und Zivilprozessrecht (§ 348 ZPO) jedenfalls seit 2002 grundsätzlich auseinanderfallen und zudem das Kammerprinzip des Gerichtsverfassungsgesetzes auch in der Rechtswirklichkeit zu Lasten des rechtsuchenden Bürgers die Ausnahme geworden ist. Als entscheidenden Wendepunkt auf diesem Weg ermittelt er bereits das Gesetz zur Entlastung der Landgerichte und zur Vereinfachung des gerichtlichen Protokolls vom 1. Januar 1975. Da nach seiner Ansicht die Entscheidung eines Rechtsstreits durch ein Kollegium oder durch einen Einzelrichter nur wenig Einfluss auf die Verfahrensdauer hat, hält er die jetzige Lösung in der Auseinandersetzung zwischen Befürwortern des Kollegialprinzips und Fürsprechern des entscheidenden Einzelrichters mit der Einführung des originären Einzelrichters angesichts vermutlich weiter steigender Zahl von Zivilprozessen noch nicht für endgültig entschieden und schlägt allgemein die weitere Arbeit an Regeln für den Zugang und den Ablauf des Verfahrens vor.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler