Tiroler Urkundenbuch, Abteilung 2, Die Urkunden zur Geschichte des Inn-, Eisack- und Pustertals, Bd. 1 Bis zum Jahr 1140, bearb. v. Bitschnau, Martin/Obermair, Hannes, mit Registern v. Schretter, Claudia/Zeindl, Gertraud, hg. v. Meighörner, Wolfgang im Auftrag der Tiroler Landesmuseen-Betriebsges. m. b. H. Wagner, Innsbruck 2009. CXII, 400 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Nicht alle Blütenträume reifen in der rauhen Wirklichkeit des menschlichen Lebens in der geplanten Weise. So konnte auch die vom 1823 gegründeten tirolischen Landesmuseum Ferdinandeum 1907 geschaffene historische Kommission durch Franz Huter 1937 (bis 1200), 1949 (bis 1230) und 1957 (bis 1253) nur drei Bände der ersten Abteilung des von ihr angestrebten Tiroler Urkundenbuchs veröffentlichen, welche das mittelalterliche Urkundenmaterial der südlichen Landesteile des deutschsprachigen Tirol der Bistümer Trient und Chur im Vinschgau und im Etschtal zwischen Meran, Bozen und Salurn betrafen, während weiterführende Überlegungen zunächst hauptsächlich hinter aktuellen Ausstellungsaufgaben zurücktreten mussten. Um so mehr ist es zu begrüßen, dass bereits vor mehr als 20 Jahren die Bearbeiter den Entschluss zu einer Weiterführung hinsichtlich der nördlichen Landesteile fassten und nunmehr in einem ersten Band auch umsetzen konnten.

 

Im kurzen Vorwort und in der Einleitung berichten sie knapp und klar über die Bedingungen und Verdienste der früheren Editionen. Danach umreißen sie ihre eigenen Auswahlkriterien, die sämtliche eruierbaren Überlieferungen mit regionalem Bezug (Aussteller, Gegenstand, Empfänger) im geografischen Umfang des Bundeslandes Tirols sowie Südtirols in ihrem jeweiligen ehemaligen Brixener (bzw. Salzburger) Umfang unabhängig vom Archivzusammenhang der Überlieferungsträger auf Grund möglichst eigener Inaugenscheinnahme vollinhaltlich einbeziehen. Dabei hat sich ergeben, dass von den erfassten 380 Stücken nur 77 den elf tirolischen Überlieferungsgruppen zuzuordnen sind, während die restlichen 303 Stücke mehr als 60 nichttirolischen, überwiegend heute noch bayerischen Überlieferungsgruppen entstammen.

 

Eine wichtige arbeitspraktische Vorentscheidung wurde allerdings hinsichtlich der Brixener bzw. Neustifter Traditionen getroffen. Das relativ gut edierte Brixener Material ist - von wenigen späten Doppelüberlieferungen abgesehen - nicht neu abgedruckt worden und auch das Neustifter, „in gut zwei Editionen“ verfügbare Material, soll nicht aufgenommen werden. Die Berücksichtigung beider, Überlieferungsgruppen hätte zudem eine nicht vertretbare Vermehrung der Stoffmenge mit sich gebracht, die ohnehin in drei Bände (bis 1140, bis 1200 und bis 1253 aufgeteilt und durch urbarielle, einer eigenen Ausgabe vorbehaltene Texte ergänzt werden muss.

 

Die Urkundenerschließung folgt den gängigen formalen Kriterien. In ihrem Rahmen sind den Bearbeitern zahlreiche neue Einzelerkenntnisse gelungen. Dementsprechend legt das Urkundenbuch einen neuen Grund für alle künftigen Forschungen zur mittelalterlichen tirolischen Geschichte.

 

Der Edition vorangestellt sind ein detailliertes Verzeichnis der Überlieferungsgruppen von Tirol bis Paderborn und Rom, ein Verzeichnis der benutzten Archive von Belgien bis zum Vatikan und ein umfangreiches Verzeichnis der gedruckten Quellen und Literatur. Die Edition selbst beginnt mit der Synode von Sardika (in Bulgarien) von 343/344 und endet mit einer unechten Urkunde Bischof Reginberts von Brixen für das Stift Wilten von 1140. 27 auszuscheidende oder fragliche Stücke und ein umfangreiches Register der Orts- und Personennamen schließen den wichtigen Band, dem bald die vorgesehene Fortsetzung folgen möge, gelungen ab.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler