Stähler, Melanie, Der freie Dienstvertrag in der Rechtsprechung seit 1900 (= Europäische Hochschulschriften 2, 5016). Lang, Frankfurt am Main 2010. 265 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Obwohl der freie Dienstvertrag neben dem Arbeitsvertrag, der wiederholt Gegenstand rechtshistorischer Arbeiten war, eine nicht geringe Rolle spielt, hat er in der Rechtsgeschichte nur geringe Aufmerksamkeit gefunden. Es ist deshalb zu begrüßen, dass mit dem Werk Melanie Stählers eine detailreiche Untersuchung über die Judikatur zum Recht des freien Dienstvertrags vorliegt. Die Untersuchungen verfolgen das Ziel, „anhand derjenigen Regelungsprobleme des freien Dienstvertrages, die häufiger Gegenstand der Entscheidungen des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs waren, die Entwicklung der Rechtsprechung ab Beginn des 20. Jahrhunderts aufzuzeigen“ (S. 16). Grundlage der Arbeit sind 185 RG- und BGH-Entscheidungen (vgl. die Übersicht S. 237ff.). Die Darstellung ist an sechs „Hauptregelungsproblemen des freien Dienstvertrags“ ausgerichtet: Verträge von Organen juristischer Personen, Einschränkungen der Vertragsfreiheit, Pflichten der Vertragsparteien, Leistungsstörungen, Haftung des Dienstverpflichteten und Kündigung des freien Dienstvertrags. Die Abgrenzung des (freien) Dienstvertrags vom Werkvertrag hat Stähler aus Gründen der Stoffbegrenzung und weil zu dieser Thematik bereits Untersuchungen vorliegen, nicht ausführlicher behandelt. Auf die Entstehung der für die Untersuchungen relevanten Normen geht Stähler nur am Rande ein (vgl. S. 168, 200, 211). Eine Vielzahl der Entscheidungen betraf die freien Dienstverträge von Ärzten, Rechtsanwälten und Organen juristischer Personen. Internats- und Unterrichtsverträge spielten in der höchstrichterlichen Judikatur erst seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts eine größere Rolle (S. 201ff.). Es lässt sich feststellen, dass der Bundesgerichtshof die Rechtsprechung des Reichsgerichts konsequent fortführte und sie nur dann abänderte bzw. weiterführte, wenn dies die gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen nahelegten. Die Änderungen beziehen sich u. a. auf die Wettbewerbsverbote von Ärzten und Anwälten, die ärztliche Dokumentationspflicht und das Einsichtsrecht des Patienten sowie die Zulässigkeit von Haftungsbeschränkungen bei Rechtsanwälten (S. 236). Maßgebend hierfür waren Änderungen in den jeweiligen Berufsauffassungen, eine Abkehr vom überkommenen Standesrecht sowie die zunehmende Spezialisierung. Eng damit zusammen hängt die Ausweitung des Pflichtenkreises der Dienstverpflichteten wohl auch mit Rücksicht auf die Möglichkeit der Versicherbarkeit der Berufsrisiken. Zwar ist die Entwicklung der Judikatur für die einzelnen Vertragstypen einheitlich, doch ging sie mit einer sich immer weiter ausdehnenden Einzelfalljudikatur einher (S. 236). Die Arbeit wird abgeschlossen mit einem Überblick über die „Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Rechtsprechung zu den Hauptregelungsproblemen des freien Dienstvertrags“ (S. 225ff.) und mit einer präzisen Zusammenfassung (S. 229ff.). Insgesamt vermitteln die Untersuchungen Stählers einen zuverlässigen und detaillierten Überblick über die Inhalte und Entwicklung der Judikatur des 20. Jahrhunderts zum freien Dienstvertragsrecht unter Berücksichtigung der jeweiligen rechtsdogmatischen und rechtspolitischen Diskussion. Insoweit stellt das Werk eine gute Grundlage dar für eine weitere Erschließung insbesondere des zivilrechtlichen Berufsrechts der Rechtsanwälte und Ärzte.

 

Kiel

Werner Schubert