Schorsch, René, Eberhard Georg Otto Freiherr von Künßberg (1881-1941. Vom Wirken eines Rechtshistorikers (= Rechtshistorische Reihe 405). Lang, Frankfurt am Main 2010. 408 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist von Stefan Chr. Saar angeregte und betreute, im Juni 2007 der juristischen Fakultät der Universität Potsdam als Dissertation vorgelegte und im April 2008 verteidigte  Dissertation des Verfassers. Nach dem rückwärtigen Umschlagtext kann Eberhard Freiherr Künßberg als der letzte große Germanist im umfassenden Sinne Jakob Grimms bezeichnet werden. Demgegenüber scheint das Deutsche Rechtswörterbuch dort nicht auf.

 

Gegliedert ist das erfreulicherweise mit 17 Schwarzweißabbildungen bereicherte Werk außer in die kurze Einleitung und die Schlussgedanken in zwei Teile. Zunächst behandelt der Verfasser Künßbergs Leben von der Kindheit über die Familie, die Schulzeit, das Studium in Wien, die Zeit in München bis zur 36 Jahre währenden Zeit in Heidelberg. Danach beschreibt er das wissenschaftliche Werk von der Arbeit am Deutschen Rechtswörterbuch über die Vertretung einer untergehenden Epoche, den Einfluss des persönlichen Erlebens, die rechtsvergleichende Methode und rechtssprachliche Arbeiten bis zur rechtlichen Volkskunde.

 

Eberhard von Künßberg entstammte einem nordbayerischen Adelsgeschlecht, das in der Mitte des 12. Jahrhunderts als Ministeriale der Herzöge von Meranien erscheint, sich um 1225 bei Creußen eine namengebende Burg Kindsberg (Künßberg) erbaute und in der Linie Ermreuth-Obersteinbach in Wien am 25. 4. 1690 in den Reichsfreiherrnstand erhoben wurde. Der Großvater war promovierter Jurist, der in Obersteinbach 1847 geborene Vater wechselte 1862 nach Galizien in Österreich, wo er Forstmeister in Porohy in den Waldkarpaten wurde und mit seinen insgesamt elf Kindern in bescheidenen Verhältnissen lebte. Die Mutter hatte polnische Vorfahren.

 

Die Familie sprach deutsch. der am 28. Februar 1881 geborene Eberhard wurde evangelisch erzogen. „Eberhard kam mit fünf Jahren in die Schule kommen“, wobei er seit Herbst 1886 mit etwas seinem älteren Bruder  in Graz bei seiner Tante Hulda Koller, geborene von Künßberg wohnte.

 

Im humanistischen Gymnasium gehörte er jedenfalls nicht zu denen, welche die Matura mit Auszeichnung bestanden. Die Schulzeit war mitunter auch schwierig, wobei eine Lungenentzündung eine teilweise beschädigte Lunge hinterließ. Da es Situationen gab, in denen Eberhard von größeren Jungen und sogar von einem seiner Lehrer schikaniert und eingeschüchtert wurde, begann er zu stottern, wenn er sich nicht sicher fühlte.

 

Zum Wintersemester 1889 schrieb er sich für Rechtswissenschaft an der Universität Wien ein, besuchte aber auch Vorlesungen für deutsche und slawische Philologie. 1902 begann er eine Arbeit (Doktorarbeit) „Der Wald im deutschen Bergrecht“, die er 1903 abschloss und 1904 im Jahrbuch der Bergakademie im Umfang von 91 Seiten veröffentlichte. Kurz nach Studienende absolvierte er nach dem Verfasser die drei Rigorosen mit ausgezeichnet, genügend und genügend und wurde im März 1904 zum Doktor der Rechts- und Staatswissenschaften promoviert, wobei er für seine Arbeit den mit 2000 Kronen dotierten ersten Preis der Samitsch-Stiftung erhielt.

 

Nach seinem Lebenslauf von etwa 1910 rieten ihm seine Lehrer von Schwind, Mengel und Stooß zur Habilitation, vielleicht von Schwind auch zu einem Jahr Auslandsstudium in Deutschland. Jedenfalls schrieb er sich zu Ostern 1904 mit einem österreichischen Stipendium an der philosophischen Fakultät der Universität München ein, um sich dem Studium der geschichtlichen Hilfswissenschaften und der Rechtsgeschichte zu widmen. Bald wurde er einer der wenigen Schüler Karl von Amiras, der seinen Blick über das deutsche Recht hinaus auf das germanische recht und über das Recht hinaus auf weitere Bereiche der Kultur lenkte.

 

Im Frühjahr 1905 verließ er München auf der Suche nach einer Tätigkeit im Staatsdienst Österreichs. Als er dabei war, sich in Wien zu verpflichten, meldet sich nach dem Verfasser bei ihm der Heidelberger Professor Richard Schroeder (meist Richard Schröder), der Leiter des an der Universität Heidelberg untergebrachten Wörterbuchs der älteren deutschen Rechtssprache, der Künßbergs Fähigkeiten kannte, weil Künßberg ihm während seiner Zeit in München mit einigen kleineren Arbeiten für das Wörterbuch geholfen hatte, und bot ihm eine Assistentenstelle am Rechtswörterbuch an, die Künßberg zum April 1905 annahm.

 

Rasch verwuchs er mit dieser Tätigkeit, wurde 1910 unter der Obhut Richard Schröders für deutsches Recht habilitiert, heiratete am 14. 10. 1910 die promovierte, aus einer jüdischen Tuchhändlersfamilie stammende Zoologien Katharina Samson und übernahm nach Schröders Tod 1917 die Leitung des Rechtswörterbuchs, die er trotz aller Widrigkeiten bis zu seinem Tod am 3. Mai 1941 mit großem Erfolg fast bis zur Vollendung des vierten Bandes (letzter von ihm stammender Artíkel Hanse im fünften Band) behielt. Daneben arbeitete er über Hühnerrecht und Hühnerzauber, über deutsche Bauernweistümer, über die Strafe des Steintragens, geheime Grenzzeugen, vergleichende Rechtsarchäologie, die Acht, die Rechtssprachgeographie, Flurnamen, Rhythmus und Reim sowie Rechtsbrauch und Kinderspiel als Felder der rechtlichen Volkskunde. Um das Deutsche Rechtswörterbuch hat er sich in bester Weise hochverdient gemacht, so dass dem inzwischen als Rechtsanwalt arbeitenden Bearbeiter sehr dafür zu danken ist, dass er diese Verdienste in der Form einer umfangreichen Monographie ausführlich gewürdigt hat.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler