Sächsische Lebensbilder, Band 6, hg. v. Wiemers, Gerald, 2 Teilbände A-K, L-Z (= Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 33). Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig in Kommission bei Steiner, Stuttgart 2009. 1-432, VIII, 433-878 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Band 6 der Sächsischen Lebensbilder – Band 5 ist 2003 erschienen – bringt 39 Biographien und ist dem 600jährigen Bestehen der Universität Leipzig gewidmet. Obwohl der Schwerpunkt im 19./20. Jahrhundert liegt, sind auch Biographien für das 16.-18. Jahrhundert vertreten (u. a. der Beitrag über Moritz von Sachsen). Der Band 6 bringt drei Biographien über Rechtswissenschaftler. Bernd-Rüdiger Kern geht in seiner Biographie über Carl Georg von Waechter (1797-1880; S. 785ff.) auf die einzelnen Lebensabschnitte und Tätigkeitsbereiche Waechters ein, der unter den Zeitgenossen als einer der bedeutendsten Juristen des 19. Jahrhunderts galt. Diese Einschätzung werde, so Kern, heute weithin nicht mehr geteilt (S. 797). Jedoch haben neuere Arbeiten zu einer vorsichtigen Neubewertung Waechters geführt. Besonderes Interesse kann die Biographie von Martin Otto über Erwin Jacobi (1884-1965; S. 365ff.) beanspruchen, der, da er väterlicherseits jüdischer Abstammung war, zum Wintersemester 1933/34 in den Ruhestand versetzt worden war. Nach 1945 hatte Jacobi insbesondere als Rektor der Universität Leipzig (1947) den „durchaus offiziellen Status eines ,Nicht-Marxisten’, der jedoch der ,neuen gesellschaftlichen Entwicklung aufgeschlossen gegenüber steht’“ (S. 372). In das Kreuzfeuer der offiziellen Kritik geriet die Festschrift zum goldenen Doktorjubiläum am 23. 12. 1957, deren Autoren formalistische Objektivität und Verhaftetsein in bürgerlichem Rechtsdenken vorgeworfen wurde. Jacobis Bedeutung ist vor allem in seinen Arbeiten aus der Weimarer Zeit zum Arbeitsrecht und zum Staatsrecht zu sehen, die seit den 1980er Jahren zunehmend wieder Beachtung gefunden haben (hierzu auch die Biographie von Otto, Von der Eigenkirche zum Volkseigenen Betrieb. Ernst Jacobi [1884-1965] – Arbeits-, Staats- und Kirchenrecht zwischen Kaiserreich und DDR, Tübingen 2008). – Rolf Lieberwirth berichtet über den exzeptionellen und schwierigen Lebensweg Gertrud Schubart-Fikentschers (1896-1985; S. 707ff.). Schubart-Fikentscher hatte nach Abschluss ihrer Ausbildung als Wohlfahrtspflegerin (1921) und der Nachholung des Abiturs (1924) von 1924-1928 Rechtswissenschaften studiert. Nach ihrer Promotion 1933 unter Heymann über das Eherecht im Brünner Schöffenbuch waren ihr weitere Schritte auf dem Weg zur Hochschullehrerin verwehrt. Nach ihrer Habilitation in Leipzig 1946 erhielt sie 1948 als erste Frau an einer deutschen Universität ein Ordinariat und war von 1950/1951 die erste Dekanin in der Geschichte der deutschen Rechtsfakultäten. Ihr ist es zu verdanken, dass die Rechtsgeschichte an der neuen Rechtsfakultät – im Juni 1951 war die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät aufgelöst worden – ein eigenes Institut erhielt, von dem wichtige Initiativen zur Neubegründung der Thomasius-Forschung ausgingen. Eine Würdigung des wissenschaftlichen Werkes von Schubart-Fikentscher steht auch nach der Biographie durch Lieberwirth noch aus.

 

Anders als die meisten Biographischen Handbücher bieten die „Sächsischen Lebensbilder“ den Autoren hinreichend Raum für ihre Beiträge, die mitunter über 30 Seiten umfassen. Insoweit sind die Beiträge über die drei Rechtswissenschaftler eher knapp ausgefallen. Bd. 6 der Lebensbilder wird abgeschlossen durch ein umfangreiches Personenregister. Nützlich wäre auch ein separates Autorenverzeichnis gewesen.

 

Kiel

Werner Schubert