Recht mitgestalten. 150 Jahre Deutscher Juristentag 1860-2010, hg. v. Deutscher Juristentag. Text und Bild Waldmann, Anke/Becker, Wibke. Beck, München 2010. 146 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Parallel zur Festschrift „150 Deutscher Juristentag“ veröffentlichte der Deutsche Juristentag eine Geschichte der Juristentage von seinen Anfängen an bis 2008. Das erste der vier Kapitel befasst sich unter der Überschrift „Der Weg zur Rechtseinheit“ mit der Zeit von 1860-1900. Bereits zum ersten Berliner DJT kamen 700 Juristen; allerdings ließ sich die hohe Teilnehmerzahl nicht auf die Dauer halten (1882: 300 Teilnehmer des DJT). 1886 stellte Gneist fest, von den 120 wichtigsten Fragen, die der DJT bisher behandelt habe, seien mehr als 100 von der Gesetzgebung in seinem Sinne entschieden worden (S. 34). Zu S. 37 ist darauf hinzuweisen, dass die 1. BGB-Kommission 1874 nicht vom Reichstag, sondern vom Bundesrat eingesetzt wurde. Im Zeitraum zwischen 1900 und 1931 beriet der DJT u. a. über die Automobilhaftpflicht bereits 1902, nahm sich seit 1906 der sozialen Frage an (Arbeitsrecht), beschäftigte sich seit 1902 mit der Strafrechtsreform und seit 1921 mit Fragen der Reform des Familienrechts (Unehelichenrecht, Güterstandsrecht). 1904 hatte Marie Raschke (seit 1902 im Mitgliederverzeichnis des DJT geführt) als erste Frau auf dem Innsbrucker Juristentag das Wort ergriffen und hatte Marie Munk ein Gutachten für den DJT 1931 erstattet.

 

Auf den Seiten 65ff. beschäftigt sich die Schrift ausführlich mit der Absage des für September 1933 geplanten Deutschen Juristentags durch die Ständige Deputation, dessen Mitglieder S. 74-83 biographisch vorgestellt werden. Bedeutsam erscheint, dass die Deputation einen kollektiven Rücktritt ablehnte und sich auch der Verein DJT sich nicht auflöste, aber dann durch ein Gesetz vom 27. 5. 1937 zwangsweise aufgelöst wurde. Die Juristentage von 1949 bis 1989 werden unter der Überschrift „Rechtspolitik in der Bundesrepublik“ behandelt. Die DJT von 1949 bis 1951 präsidierte Ernst Wolff (1949 Präsident des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone), der aus Großbritannien zurückgekehrt war. Als erste Frau kam Marie Elisabeth Lüders in die Ständige Deputation des Deutschen Juristentags. Eine über die „legislative Korrektur hinausgehende, direkte Auseinandersetzung mit der NS-Justiz“ (S. 92) unterblieb zunächst. Erst 1966 befasste sich die Deputation und anschließend der Essener Juristentag – dieser in einer Sonderveranstaltung – mit dem Problem der Verfolgung und Ahndung von nationalsozialistischen Gewaltverbrechen. Für die Folgezeit stellt die Schrift die wichtigsten Beratungsthemen bis 2008 zusammen und weist auf wichtige Satzungsänderungen hin. Die Schrift bringt seltene Abbildungen (S. 8f. von der Eröffnungsveranstaltung des DJT 1863 in Wien; S. 40f. der Sitzung des Strafrechtsausschusses des Reichstags 1930 unter dem Vorsitz Kahls) und außerhalb der laufenden Darstellung Kurzbiographien wichtiger Präsidenten des Deutschen Juristentags. Insgesamt ergänzt und vervollständigt der Band die gleichzeitig erschienene Festschrift um zahlreiche Details aus der wechselvollen Geschichte des Deutschen Juristentags.

 

Kiel

Werner Schubert