Österreichs Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB). Eine europäische Privatrechtskodifikation, Band III Das ABGB außerhalb Österreichs, hg. v. Berger, Elisabeth (= Schriften zur europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte 57).. Duncker & Humblot Berlin 2010. 413 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Österreichs Allgemeines  Bürgerliches Gesetzbuch wurde nach jahrzehntelangen Vorarbeiten, der Niederlage gegen Napoleon bei Wagram am 5./6. Juli 1809 im fünften Koalitionskrieg und dem anschließenden, verlustreichen Frieden von Schönbrunn am 1. Juni 1811 kundgemacht und trat am 1. Januar 1812 in Kraft. Damit erhielt die Habsburgermonarchie ein einheitliches Privatrecht. 2011 jährt sich dieser bedeutsame Vorgang zum zweihundertsten Mal, so dass nicht zuletzt nach dem Vorbild des entsprechenden französischen Vorgangs eine ausführliche Würdigung sehr angezeigt erscheint.

 

Als erster von drei deswegen beabsichtigten Bänden ist die von Elisabeth Berger herausgegebene Geschichte des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs außerhalb Österreichs erschienen. Sie gliedert sich nach einem kurzen Vorwort in insgesamt zehn Teile. Die Herausgeberin selbst behandelt das AGB in Liechtenstein, Christian Neschwara das ABGB in Ungarn, József Szalma das AGBG in der Woiwodina, Nikola Gavella (mit Igor Gliha, Tatjana Josipović und Zlatan Stipković) das ABGB in Kroatien, Andrzej Dziadzio das ABGB in Polen, Werner Schubert (mit Jarmila Pokorna, Josef Fiala und Hans-Christian Krasa) das ABGB in der Tschechoslowakei und Maria Rosa Di Simone das ABGB in Italien. Den Einfluss des ABGB auf die Schweiz, Deutschland und Serbien schildern Barbara Dölemeyer, Werner Schubert und József Szalma.

 

Dabei ergibt sich, dass das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch zwar nicht den überragenden Einfluss auf die europäische Gesetzgebungsgeschichte hatte wie der 1804 geschaffene Code civil Frankreichs, aber beispielsweise auch in den deutschen Kodifikationsbemühungen eine nicht unerhebliche Rolle spielte, wenn es auch im Gegensatz zum Code als solches kaum zu unmittelbarer Geltung in deutschen Staaten kam. Auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert nahmen zwar österreichische Juristen an den Diskussionen des deutschen Juristentags über zahlreiche rechtspolitische Fragen des Zivilrechts Teil, traten aber nur selten für eine Übertragung der Regelungen des österreichischen bürgerlichen Rechts auf das neu zu schaffende deutsche Recht ein. Dementsprechend kann Werner Schubert in seiner sorgfältigen Einzelbetrachtung eigentlich nur auf die besondere Bedeutung des 1751 von Darjes vorgeschlagenen Parentelensystem des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches hinweisen und die fehlende Vereinheitlichung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs und des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs nach dem Anschluss Österreichs im Jahre 1938 mit der Ablehnung von österreichischer Seite und dem Bevorstehen eines einheitlichen, aber bereits früh gescheiterten Volksgesetzbuchs erklären.

 

Insgesamt leistet der wichtige Band eine klare und zuverlässige Bestandsaufnahme. Möge die Fortführung in ähnlicher Weise gut gelingen. Dann wird das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs auch nach zweihundertjähriger Geltung die ihm gebührende Anerkennung in der europäischen Rechtsgeschichte weiterhin sichern und wahren.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler