Nonn, Ulrich, Die Franken (= Urban Taschenbuch 579). Kohlhammer, Stuttgart 2010. 177 S., 5 Kart. Besprochen von Clausdieter Schott.

 

Das Vakuum des zusammenbrechenden weströmischen Imperiums wurde durch germanische Völkerschaften ausgefüllt, von denen sich in Westeuropa und Mitteleuropa vor allem die Franken als dauerhaft gestaltende Kraft durchzusetzen vermochten. Das Franken-Thema hat die Geschichtswissenschaft bis anhin in einer Weise beschäftigt, dass die Literatur kaum noch überblickbar ist. Bei diesem Stand der Dinge sind kompetente, fassliche Darstellungen, die den Forschungsstand wiedergeben, nicht nur willkommen, sondern geradezu unerlässlich. Das spezifisch rechtshistorische Interesse an der fränkischen Geschichte konzentriert sich allerdings quellenbedingt auf die Zeit nach dem Erlass der Lex Salica durch Chlodwig (507-511). Diese merowingische Epoche ist im oben bezeichneten Sinn bereits abgedeckt durch einen „Klassiker“, nämlich Eugen Ewigs „Die Merowinger und das Frankenreich“ (Urban Taschenbücher 392, inzwischen 5. Aufl. 2006). Die letzten Auflagen hat Ulrich Nonn durch Literaturnachträge aktualisiert. Nonn hat es jetzt unternommen, die fränkische Frühgeschichte, der Ewig nur einige einleitenden Seiten widmet, in einem eigenen Band darzustellen. Das schwierige Unterfangen, aus heterogenen und einseitig römischen bzw. galloromanischen Quellen und einem sich daran anschließenden Diskussionsfächer ein plausibles Gesamtbild zu formen, darf als gelungen bezeichnet werden. Die dabei beobachtete Quellennähe erlaubt es, die jeweiligen Interpretationen nachzuvollziehen. Dadurch dass der Verfasser der Versuchung einer stofflichen Überfrachtung widersteht und sich durchweg um Stringenz bemüht, vermag er dem Leser eine informative, etwa fünf Jahrhunderte übergreifende Geschichte der Franken bzw. der fränkischen Teilstämme zu bieten.

 

Die Darstellung ist in sechs Kapitel unterteilt. Das erste befasst sich mit Name, Volk und Land der Franken. Das zweite Kapitel behandelt den Zeitraum bis zum Ende des 4. Jahrhunderts, in dem die Franken in die porös werdenden Grenzen des Imperiums eindringen und wiederholt zurückgedrängt werden, schließlich aber auch als foederati oder dediticii Siedelrecht erhalten. Das dritte Kapitel ist den fränkisch-römischen Beziehungen in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts gewidmet, d. h. der Ära Stilichos und des Aetius, wo dann die Salier unter ihrem König Chlodio deutlicher auf der historischen Bühne erscheinen. Das vierte Kapitel beschreibt den Aufstieg des salfränkischen Königtums in der Belgica II und die Figur Childerichs, dessen 1653 in Tournai aufgefundenem Grab ein eigener Abschnitt zugedacht ist. Im fünften Kapitel werden Lebensform und Kultur der Franken behandelt, wobei neben archäologischen Funden vornehmlich die Lex Salica als retrospektive Quelle dient. Schließlich wird noch auf die elitäre Selbsteinschätzung der Franken eingegangen, wie sie im „Langen Prolog“ der Lex Salica und der nach Troja weisenden Herkunftslegende zum Ausdruck kommt.

 

Zumikon und Zürich                                                                            Clausdieter Schott