Migrationserfahrungen – Migrationsstrukturen, hg. v. Schunka, Alexander/Olshausen, Eckart (= Stuttgarter Beiträge zur Historischen Migrationsforschung Band 7). Steiner Stuttgart 2010. 205 S., 7 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Seit Beginn seiner Geschichte wandert der Mensch auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen auf der Erde umher. Vermutlich ausgehend von Ostafrika griff er immer weiter in alle ihm möglichen Richtungen aus. Erst vor rund 10000 Jahren ermöglichten ihm Viehzucht und Ackerbau die einigermaßen dauerhafte Niederlassung in festen Häuser und Siedlungen im vorderen Orient.

 

Diese Verstetigung war trotz der damit verbundenen ökonomischen Vorteile allerdings niemals eine vollständige. Ortswechsel geschehen nach wie vor in großem Umfang teils freiwillig, teils mehr oder weniger unfreiwillig. Unter dem modernen Stichwort Migration stellt sich deshalb aus übergeordneter Sicht die Frage, wie Ortswechsel Denken und Handeln der Menschen prägten und prägen.

 

Unter diesem Blickwinkel fand im Jahre 2006 ein Kolloquium des vor fast 20 Jahren gegründeten Stuttgarter Arbeitskreises für Historische Migrationsforschung statt. Seine Beiträge wollen in epochenübergreifender Perspektive die erfahrungsgeschichtliche Dimension mit strukturellen Überlegungen verknüpfen. Zwar konnten nicht alle geschichtlichen Zeitabschnitte angemessen erfasst werden, doch umfassen die insgesamt 10 Beiträge als Fallstudien doch ein weites zeitliches und sachliches Betrachtungsfeld.

 

Dieses beginnt nach einer einführenden Einleitung der Herausgeber mit dem Warten Ciceros auf Caesar im selbstgewählten Exil (Eckart Olshausen). Zeitlich folgen dann Völkerwanderung (Holger Sonnabend), württembergische Aufständische des Bauernkriegs von 1525 (Wolfgang Dietz), die Migrationserfahrung des Grafen Heinrich Matthias von Thurn am Bosporus (Alexander Schunka), die Missionsreise des Samuel Kirkland zu den Seneca-Indianern (Ulrike Kirchberger), die 1848 gewonnene Revolutionserfahrung von ungarischen und deutschen politischen Flüchtlingen in Amerika (Heléna Toth) bzw. Australien (Johannes H. Voigt), die Desertion im kaiserzeitlichen Württemberg (Daniel Kirn), die Migrationserfahrungen in Ivo Andrićs Brücke über die Drina (Carsten Kretschmann) und das Ausstellungsprojekt „Meine Stuttgarter Geschichte“ (Caroline Gritschke) aufeinander. Gemeinsam wollen die am Ende vital grob umrissenen Autorinnen und Autoren durch ihre vielfältigen, durch ein Register der Personen und Orte aufgeschlüsselten Erkenntnisse zu weiterführender Forschung in einem gerade im Zeitalter der Globalisierung wohl endlosen Bereich anstoßen und einladen.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler