Meurer, Bärbel, Marianne Weber. Leben und Werk. Mohr (Siebeck), Tübingen 2010. XIX, 688 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die 1944 geborene, nach dem Studium von Soziologie, Psychologie und Stadtplanung in Frankfurt am Main, Münster und an der Technischen Universität in Berlin 1972 über Mensch und Kapitalismus bei Max Weber (zum Verhältnis von Soziologie und Wirklichkeit) dort im Fachbereich Gesellschafts- und Planungswissenschaften promovierte, 1984 in Osnabrück mit einer Schrift über bürgerliche Kultur und Sozialdemokratie, eine politische Ideengeschichte der deutschen Sozialdemokratie von den Anfängen bis 1875 habilitierte und seitdem als außerordentliche Professorin dort tätige Verfasserin ist bereits 2004 als Herausgeberin von Beiträgen zu Werk und Person Marianne Webers hervorgetreten. Dieser ebenfalls bei Mohr erschienene Aufsatzband war eine wichtige Vorarbeit, die den Gedanken an eine Biographie nahelegte. Der daraus entspringende Plan einer ersten Gesamtdarstellung des Lebens und Wirkens Marianne Schnitgers (verheiratete Weber, Oerlinghausen/Lippe 2. August 1870-Heidelberg 12. 3. 1954) wird durch den wenige Jahre danach vorgelegten gewichtigen Band in eindrucksvoller Art und Weise unter Einbeziehung umfangreichen unveröffentlichten Quellenmaterials verwirklicht.

 

Gegliedert ist die Untersuchung in insgesamt acht Abschnitte. Sie folgen in klassischer Ordnung zeitlich aufeinander. Über Kindheit und Jugend (1870-1893), Ehe und Krankheit, Frauenbewegung und Wissenschaft (1893-1900), Ehe, Frauenbewegung und Wissenschaft (1900-1907), Arbeit und Leben (1907-1914), Leben im Krieg und demokratischer Neuanfang (1914-1920), Max Webers Nachlass, Frauenbewegung, Aufbruch in ein neues Leben (1920-1933), Leben im Nationalsozialismus (1933-1945) verläuft das vielfältige Geschehen bis zu Nachkriegszeit und demokratischem Neuanfang (1945-1954), wobei der Tod Max Webers in München am 14. 7. 1920 wohl den gewichtigsten Einschnitt bildet.

 

Sehr ausführlich behandelt die Verfasserin nach einer Betrachtung des Wandels der Geschlechterverhältnisse im 19. Jahrhundert den engen, verwickelten familiären Hintergrund, auf dem Marianne Schnitger als Tochter des misstrauischen, von kranken Ideen geplagten, bald psychisch kranken Landarzts Eduard Schnitger und der Leinenfabrikantentochter Anna Weber geboren, nach dem frühen Tod der Mutter (1873) zur Großmutter väterlicherseits in Lemgo und nach dem Besuch der Volksschule und der höheren Mädchenschule 1887 in ein Mädchenpensionat in Hannover gebracht wird. Am 20. September 1893 heiratet sie nach einigen Wirrungen den mit ihr über die Eheleute Karl August Weber (1796-1872) und Marie Lucie Wilmans (1804-1882) nahe verwandten, 1864 geborenen, mütterlicherseits aus einer der reichsten deutsch-englischen Familien stammenden, nach dem Studium in Heidelberg, Straßburg, Berlin und Göttingen 1889 promovierten und 1891 habilitierten Max Weber, der 1894 nach Freiburg im Breisgau berufen wird. Marianne Weber studiert als Gasthörerin Philosophie und Sozialwissenschaften, nimmt erste Kontakte zur örtlichen Frauenbewegung auf und wechselt 1896/1897 mit ihrem Mann nach Heidelberg.

 

Bereits 1898 beginnen die schweren Nervenleiden Max Webers. Dessenungeachtet kann Marianne Weber trotz Fehlens einer abgeschlossenen akademischen Ausbildung 1900 eine erste größere Veröffentlichung über Fichtes Sozialismus und sein Verhältnis zur Marxschen Doktrin vorlegen. 1907 veröffentlicht sie als Autodidaktin das bedeutende universalgeschichtliche Werk Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, nach dem Tod Max Webers die Biographie Max Weber - Ein Lebensbild (1926), für die sie den Ehrendoktorgrad der Universität Heidelberg erhält, sowie zahlreiche nachgelassene Werke ihres Mannes.

 

Insgesamt erweist das einfühlsame, sorgfältig dokumentierende Werk Marianne Weber als eine auch um das Recht sehr verdiente Frau. Trotz Fehlens professioneller Tätigkeitsfelder wurde sie durch Wirken in Politik und Frauenbewegung mittels Einladungen und Veröffentlichungen in Wort und Schrift eine angesehene Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Wer immer sich mit Leben und Werk sowohl Marianne Webers wie auch Max Webers vertieft befassen will, wird in dem mit Bildern, Zeittafel, Verwandtschaftstafeln, Bibliographie, Literaturverzeichnis, Personenverzeichnis von Jane Addams bis Carl Zuckmayr, Personenregister, Ortsregister und Sachregister vorteilhaft abgerundeten Werk dauerhaft eine wichtige und hilfreiche Grundlage haben.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler