Mecke, Christoph-Eric, Begriff und System des Rechts bei Georg Friedrich Puchta. Vandenhoeck & Ruprecht unipress, Göttingen 2009. 975 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist eine leicht veränderte und etwas gekürzte Fassung der von Ralf Dreier betreuten, im Sommersemester 2007 von der juristischen Fakultät der Universität Göttingen angenommenen, sehr umfangreichen Dissertation des Verfassers, mit der Stephan Meder die von ihm herausgegebenen Beiträge zur Grundfragen des Rechts eröffnet. Sie betrifft eine wesentliche Entwicklungsphase der deutschen Rechtsgeschichte. Sie beleuchtet sie sowohl von der Geschichte her wie auch von der Rechtstheorie aus.

 

In seiner umfangreichen Einleitung behandelt der Verfasser Problemstellung, Forschungsstand und Ziel der Untersuchung. Die Problemstellung ergibt sich aus der negativen Bewertung Puchtas. Demgegenüber will der Verfasser Puchtas Auffassung vom Begriff und System des Rechts systematisch überprüfen, indem die Elemente der wissenschaftlichen Rechtsfindung im 19. Jahrhundert aus ihren eigenen Voraussetzungen entwickelt werden.

 

Ziel ist es, aus Puchtas Prämissen Puchtas Begriff des Rechts und der Rechtswissenschaft zu ermitteln und die sich hieraus ergebenden Folgerungen für seine Rechtslehre darzustellen. Dazu werden nacheinander die von Puchta bestimmte Geltungsgrundlage und die von ihm formulierten Voraussetzungen für die Geltung des Rechts, Puchtas Begriff der Rechtswissenschaft einschließlich der abgewandelten Beziehung der Rechtswissenschaft zu den übrigen Rechtsquellen, die Beziehungen zwischen Recht, Freiheit und Gleichheit, die daraus zu ziehenden Folgerungen für ein umfassendes Gesamtrechtssystem und Puchtas Auffassung der juristischen Methode der Rechtsanwendung in Theorie und Praxis untersucht. Am Ende der Arbeit werden die Ergebnisse zusammengefasst und in ihrer Bedeutung für die gegenwärtige Rechtsmethodologie bewertet.

 

Das erste Kapitel behandelt vorweg Leben und Werk Puchtas. Es gliedert sich einleuchtend in drei zeitliche Abschnitte. Sie betreffen die frühen Prägungen in Nürnberg zwischen 1798 und 1828, die Professuren in München, Marburg und Leipzig zwischen 1828 und 1842 sowie den kurzen Höhepunkt als Nachfolger Savignys in Berlin zwischen 1842 und 1846.

 

Das zweite Kapitel betrifft die Grundlagen von Puchtas Rechts- und Staatsverständnis. Als solche erörtert der Verfasser sehr ausführlich die Volksgeistlehre, das objektive Recht als Ausdruck des allgemeinen Willens, die Geltungsvoraussetzungen des Rechts und das Verhältnis von Recht und Staat. Im Ergebnis wird der Staat durch das Recht beschränkt.

 

Das dritte Kapitel befasst sich mit den Rechtsquellen, von denen das Gewohnheitsrecht in der Konzeption vor 1837 und der Konzeption als Juristengewohnheitsrecht seit 1837 an der Spitze steht. Es folgt das gesetzte Recht als Recht des Gesetzgebers und als autonomisches Recht. Schließlich wird als drittes die Begründung des Rechts der Wissenschaft als eigenständige Rechtsquelle gegenüber dem Gewohnheitsrecht herausgearbeitet.

 

Das vierte Kapitel widmet sich den geschichtlichen Rechtsprinzipien und den aus dem Begriff des Rechts folgenden Grundprinzipien allen Rechts. Als inhaltliches Grundprinzip des Rechts wird die Freiheit hervorgehoben, die Puchta über das kantische Verständnis des Rechts als der Gesamtheit aller rechtlichen Pflichten zum Verständnis des Rechts als der Gesamtheit aller subjektiven Rechte fördert und führt. Darüber hinaus wird die Gleichheit als das eigenste Grundprinzip des Rechtes erwiesen.

 

Das fünfte Kapitel untersucht das System der Rechtsbegriffe. Besonderes Gewicht wird dabei zu Recht der Unterscheidung zwischen System im nur formellen Sinne und innerem System im eigentlichen Sinne beigemessen. Puchtas intensive Suche nach einem inneren System  als einem geschlossenen System von nach ihren Gegenständen grundverschiedenen Rechten führt ihn zu Rechten an Sachen, Rechten an Handlungen, Rechten an Personen außer uns, Rechten an in uns übergegangenen Personen und Rechten an der eigenen Person.

 

Das sechste Kapitel schließlich hat das System der Rechtssätze und die juristische Methode zum Gegenstand. Dabei dienen die Rechtssätze des reinen und regelmäßigen Rechts als Grundlage der rechtsquellentheoretischen Produktivität der Rechtswissenschaft und wird die juristische Methode als Annex zur Erkenntnis des Systems im Recht verstanden. Dem Vorwurf der Lebensferne von Puchtas Rechts- und Methodenverständnis setzt der Verfasser einleuchtend Puchtas Glauben an die Wahrheit rechtswissenschaftlicher Begründung und das Spannungsverhältnis des pandektistischen Purismus zu zeitgenössischen Verkehrsbedürfnissen gegenüber.

 

Am Ende fasst der Verfasser seine vielen neuen Erkenntnisse in einem Überblick zusammen und erklärt dabei die inneren Widersprüche, die verhinderten, dass Puchtas Überlegungen leisteten, was sie hätten leisten können und müssen. Im Ausblick auf die Gegenwart spricht der Verfasser Puchta einen wesentlichen und eigenständigen Anteil ab der Entwicklung des Begriffs des subjektiven Rechts zu einem Schlüsselbegriff heutiger Rechtsdogmatik zu. Abgerundet wird die vielleicht zur Hälfte aus vielfältigen Anmerkungen bestehende eigenständige und weiterführende theoriegeschichtliche Untersuchung durch umfangreiche Verzeichnisse der Quellen, Literatur, Personen und Sachen.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler