Leben nach dem Tod. Rechtliche Probleme im Dualismus Mensch-Rechtssubjekt, hg. v. Gulczyński, Andrzej (= Grazer rechtswissenschaftliche Studien 64). Leykam, Graz 2010. 359 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Leben und Tod betreffen Universum und Geschichte vielleicht vom Anfang bis zum Ende. Bei natürlicher Betrachtung bilden sie sich ausschließende Gegebenheiten. Dessenungeachtet hat den Menschen die Frage eines Lebens nach dem Tod möglicherweise bereits seit der Bewusstseinsbildung beschäftigt, so dass es nicht wirklich überraschen kann, dass in Posen im April 2008 auf Einladung des Herausgebers des Bandes eine internationale Gruppe Interessierter zusammenkam, um hierzu bestehende Fragen zu erörtern.

 

Die Spannbreite der von Herbert Schempfs „Er schläft, von den Sorgen seiner Welten entladen“ bis zu Andrzej Gulczyńskis Aspekten der postmortalen Persönlichkeit im Posener Dom reichenden Untersuchungen ist sehr groß und reicht von der Rechtsethnologie bis zur Rechtsikonographie. Versinnbildlicht wird sie durch das Umschlagfoto eines Teiles der Wandtafel für den Domherrn Franciszek Woliński im Posener Dom, nach der sterbliche Überreste verfallen, aber die Würde bleibt. Aus der Sicht der Rechtsgeschichte wird einerseits das antike römische Recht einbezogen und wird andererseits vor allem das neuzeitliche Zivilrecht angesprochen.

 

So behandelt etwa Andreas Wacke die erbrechtliche Sukzession unter der Fragestellung der Persönlichkeitsfortsetzung. Detlef Liebs hebt das ewige Gedenken durch freigelassene Sklaven hervor, während András Földi sich der mors servorum im römischen Recht widmet. Petr Dostalik verfolgt den Transfer der sacra familiaria an Hand Cicero und Jacek Wiewiorowski äußert einige Bemerkungen zum ius postliminii.

 

Markus Steppan fragt, ob die Gefährlichkeit eines Rechtsbrechers durch seinen „physischen“ bzw. „rechtlichen“ Tod gebannt ist. Vilém Knoll und Michal Šejvl erörtern die rechtlichen Folgen des Bannes als Tod bei lebendigem Leib für outlaw, homo sacer und Werwolf, wobei sich auch Wolfgang Schild zum Verhältnis von Tier, Person und Mensch äußert. Pavel Salák greift die nach dem Tod des Bestraften fortdauernden Strafen unter dem Stichwort de cadaveribus punitorum auf.

 

Thomas Gergen untersucht die angesichts wachsender Kommerzialisierung des menschlichen Daseins immer bedeutsamere Nachfolge in die Rechte eines verstorbenen Urhebers, während Leonard Górnicki und Dorota Sokołowska Gedanken zum Urheberrecht Polens beisteuern. Zum Medizinrecht tragen Adrian Schmidt-Recla und Joanna Haberko weiterführende Überlegungen bei. Mit der Todeserklärung in Ungarn, Tschechien, Deutschland und Polen befassen sich schließlich Adriana Švecová, Karel Schelle, Ilona Schelleová, Maciej Kowalcyk und Aleksandra Włosińska.

 

Auf diese Weise werden viele mit dem unverständlichen, aber hinzunehmenden Tod zusammenhängende Fragen in Geschichte und Gegenwart angesprochen. Jeder Interessierte wird daraus reichen Gewinn schöpfen können. Möge die interdisziplinäre und internationale Zusammenarbeit auch weiterhin fruchtbar sein.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler