Landstände in Thüringen - Vorparlamentarische Strukturen und politische Kultur im Alten Reich, hg. v. Thüringer Landtag (= Schriften zur Geschichte des Parlamentarismus in Thüringen 27). Wartburg-Verlag, Weimar 2008. 376 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Landstände sind vom Hochmittelalter bis in das 19. Jahrhundert eine zentrale Einrichtung der Landesverfassungsgeschichte. In wichtigen Einzelheiten können sie sich von Land zu Land erheblich unterscheiden. Die Geschichte der Landstände in Thüringen ist wohl auch deswegen bislang wenig erforscht, weil während dieser gesamten Zeit Thüringen als tatsächliche politische Einheit nicht wirklich bestanden hat, sondern Thüringen in eine größere Zahl kleinerer Länder wechselnder Gestalt geteilt war.

 

Dem heutigen Thüringer Landtag ist sehr dafür zu danken, dass er in Form der Herausgeberschaft des Sammelbandes Interesse an der Geschichte der Landstände zeigt, obwohl die Landstände nicht mit dem Landesparlament gleichgesetzt werden können. Bedingungen, Umstände, Rechte und Zuständigkeiten weichen erheblich voneinander ab. Dennochdoch lassen sich gewisse Verbindungslinien zwischen den älteren Landständen und dem neueren Parlament durchaus ziehen.

 

Nach einem kurzen Geleitwort der Landtagspräsidentin vereinigt der Sammelband insgesamt 13 Beiträge. Sie folgen letztlich insgesamt chronologisch aufeinander. Nach einer einführenden Untersuchung Peter Claus Hartmanns über Reichsverfassung, Landschaft, Landstände, Kreisstände, Reichsstände im Rahmen vorparlamentarischer Verfahrenskultur und Aufgabenerfüllung nach dem Subsidiaritätsprinzip beginnt Uwe Schirmer deswegen mit den ernestinischen Ständen von 1485-1572.

 

Danach befasst sich Gerhard Müller im Einzelnen mit Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Gotha-Altenburg in den Jahren von 1572 bis 1848, Josef Matzerath mit Thüringern auf dem kursächsischen Landtag, Andreas Wolfrum mit Sachsen-Gotha-Altenburg und Sachsen-Altenburg (1603-1831), Dieter Stievermann mit Sachsen-Gotha, Johannes Mötsch mit der Grafschaft Henneberg, Katharina Witter mit Meiningen und Hildburghausen, Christian Espig mit den reußischen Territorien, Hermann J. Braun mit dem Kurmainzer Eichsfeld, Ludolf Pelizaeus mit der Rolle Schmalkaldens in Ständevertretungen im alten Reich und Frank Boblenz mit den Ständen in der Grafschaft Honstein während der Zugehörigkeit zu Braunschweig-Wolfenbüttel zwischen 1593 und 1628/1636. Den zeitlichen Rahmen schließt Jochen Lengemann mit den Nazionalrepräsentationen in den napoleonischen Musterstaaten Königreich Westphalen und Großherzogtum Frankfurt, an denen er zeigt, dass auch thüringische Gebiete in repräsentierende Parlamente des kurzen Übergangs vom alten Reich zum deutschen Konstitutionalismus einbezogen waren. Insgesamt steht damit zwar eine zusammenfassende Geschichte der Landstände in Thüringen noch aus, doch sind hierfür in zahlreichen Einzelheiten neue Erkenntnisse gewonnen und die gesamte Dringlichkeit des Forschungsvorhabens der Allgemeinheit überzeugend vor Augen geführt.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler