Klein, Jean-Philippe, Die Unwirksamkeit von Verträgen nach französischem Recht. Eine konzeptionelle Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsgeschichte (= Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 245). Mohr (Siebeck), Tübingen 2010. XIX, 401 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Ernst A. Kramer betreute, während der Assistentenzeit des Bearbeiters entstandene, im Frühjahr 2008 von der juristischen Fakultät der Universität Basel angenommene Dissertation des Verfassers. Sie gliedert sich in fünf im Wesentlichen chronologisch geordnete Teile. Dabei beginnt sie mit dem römischen Recht und endet mit dem geltenden Recht.

 

Der erste Teil behandelt die Unwirksamkeit von Verträgen im klassischen römischen Recht, im vulgarisierten (nachklassischen) römischen Recht, im vulgarisierten römischen Recht auf (heute) französischen Gebiet (leges Romanae, Gesetze der Barbaren) und im römischen Recht des Mittelalters. Der zweite Teil widmet sich der Unwirksamkeit von Verträgen im französischen Recht bis zur französischen Revolution und unterscheidet dabei (zumindest terminologisch zweifelhaft) zwischen den coutumes (900-1300) und der monarchischen Periode (14.-18. Jahrhundert). Mit dem Code civil von 1804 setzt der dritte Teil ein, der sachlich durch die Unwirksamkeit von Verträgen in der Rechtsprechung (inexistence im Eherecht, Unwirksamkeit im übrigen Zivilrecht) und durch abschließende Betrachtungen und Schlussthesen zum geltenden Recht ergänzt wird.

 

Der damit angesprochene Problemkreis hat an Bedeutung im Laufe der Zeit stetig gewonnen, weil mit dem Übergang von der Hauswirtschaft zur Marktwirtschaft die Zahl der Verträge fortwährend wachsen musste. In ihrem Bereich muss die Regel pacta sunt servanda das Prinzip bleiben. Wann immer auf Grund von Unwirksamkeit hiervon abgewichen wird, wird der eine Beteiligte dadurch begünstigt und der andere benachteiligt, so dass die Anerkennung von Unwirksamkeit als Ausnahme in ihren Voraussetzungen, Grenzen und Wirkungen zu allen Zeiten streitig war, ist und bleiben wird.

 

Als Ergebnis seines mutigen Ganges durch die römisch-französische Rechtsgeschichte anerkennt der Verfasser absolute Unwirksamkeit (nullité de plein droit) und relative Unwirksamkeit (nullité par voie d’action). Entstehung, Untergang und Durchsetzbarkeit von Verbindlichkeiten sind ihm zu Recht heute im Kern allein Werk des Gesetzgebers, so dass bei absoluter Unwirksamkeit das entsprechende Geschäft nach Ansicht des Verfassers entgegen moderner Lehre nicht vorerst gültig und nur vernichtbar ist, sondern nur bei Streit unter den Parteien die Unwirksamkeit wegen des Gewaltmonopols des Staates gerichtlich besonders festgestellt werden muss. Die inexistence als dritte, von der nullité de plein droit abzugrenzende Form der Unwirksamkeit wurde vom Gesetzgeber nicht besonders vorgesehen und nicht besonders ausgeschlossen, sollte aber nach Ansicht des Verfassers Konstellationen vorbehalten werden, die sich nach dem Willen des Gesetzgebers noch außerhalb (angestrebter) rechtlicher Relevanz befinden.

 

Im Anhang behandelt der Verfasser das im Zuge europäischer Angleichungsbemühungen unter dem Vorsitz Pierre Catalas zwischen 2002 und 2005 erarbeitete Avant-Projet de réforme du droit des obligations et du droit de la prescription und die für Frankreich überraschenden und befremdenden Principes contractuels communs von 2008. Bibliographie und Register runden die gelungene Arbeit ansprechend ab. Zwar kann sie naturgemäß die mit der Unwirksamkeit verbundenen Rechtsfragen nicht vollständig befriedigend lösen, doch kann sie unter Einbeziehung der langen Vorgeschichte den gegenwärtigen Zustand und die wahrscheinliche Relativität auch aller zukünftigen gesetzgeberischen Lösungen besser verständlich machen.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler