Keller, Alexandra, Schwarzbuch Agrargemeinschaften. Studienverlag, Innsbruck 2009. 134 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Zum Wesen des Menschen gehört sein auf dem Selbsterhaltungstrieb beruhender individueller Egoismus, dessen rationale Erkenntnis zu seiner vielfach negativen Einordnung geführt hat. Seitdem versucht der Mensch in vielfältigster Weise, das entsprechende Verhalten zu verschleiern und zu verbrämen. Angesichts verbreiteter Netzwerke wird dabei nur selten von wenigen Aufklärern versucht, Licht ins Dunkel zu bringen, und noch seltener ist der Dokumentation schwarz auf weiß selbst in weißer Schrift auf schwarzem Grund und roter Auszeichnung durchschlagender Erfolg beschieden - weil eben fast alle so sind, wie sie eben sind.

 

Als die ersten Siedler in die späteren Länder kamen und sich dort dauerhaft niederließen, trieben sie Ackerbau und Viehzucht. Mit der Entstehung des Eigentums wurden sie Eigentümer des von ihnen benutzten Landes. Mit der Verknappung des Bodens entstand neben dem Individualeigentum an Haus und Hof Gemeinschaftseigentum an den weniger wertvollen Randbereichen.

 

Seit der Industrialisierung geht der Anteil dieser im Gegensatz zu Bürgern und Rittern bald Bauern genannten Menschen dramatisch zurück, während die anfangs geringe Zahl von Kundigen, Kämpfern und Händlern in der Form von Arbeitern, Verwaltern und Unterhaltern in entsprechend großer Zahl steigt. Selbst in ländlichen Randzonen wie Tirol verlieren die Bauern auch in den kleinen Gemeinden die Mehrheit. Deshalb ist spätestens seit der Mitte des 20. Jahrhunderts die Macht der Bauern über nichtindividuell zugeordneten Grund und Boden gefährdet.

 

Um sie trotz der sich grundsätzlich verändernden gesellschaftlichen Verhältnisse zu erhalten, übertrug die von bäuerlichen Lobbyisten und Netzwerken beherrschte Agrarbehörde Tirols in Wahrung berufsständischen Egoismusses ab 1950 mittels Bescheid Grund und Boden von 176 Gemeinden im Umfang von 2104,73 Quadratkilometern und damit von etwa einem Sechstel der gesamten Fläche des österreichischen Bundeslands Tirol an 399 Agrargemeinschaften. Damit wurden diese Grundstücke dem Einfluss der nicht mehr nur von Bauern beherrschten politischen Gemeinden entzogen. Da für diese Übertragungen die Rechtsgrundlage fehlte, führten sie zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Agrargemeinschaften und damit weniger zu Lasten der Gemeinden und damit aller.

 

Im Juni 2008 stellte der Verfassungsgerichtshof Österreichs am Beispiel der Stubaier Gemeinde Mieders fest, dass das Gemeindegut den Agrargemeinschaften nie rechtmäßig übertragen wurde und den Gemeinden deshalb alle Einkünfte aus diesem Gemeindegut zustehen, die nichts mit der Holz- und Weidenutzung zu tun haben. Die als freie Redakteurin in Innsbruck lebende Verfasserin schildert diesen mit „bemerkenswert krimineller Energie“ betriebenen „Krimi“ nach einer kurzen Einleitung in sieben chronologisch geordneten Kapiteln (wem Tirol gehört, die Regulierungen, die Behörde, die Jahre des Schweigens, die 1980er, das Erwachen, das Erkenntnis). Wo mutmaßliches Schwein aber ohne jede öffentliche Empörung auf höchster Ebene als Schweigen behauptet und mit manipulierten Aufnahmen bestritten werden kann, wird man freilich Zweifel haben müssen, ob bei nur etwas Licht im Dunkel im Kampf um Geld das Recht die Macht besiegen können wird, so dass man mit der mutigen Verfasserin derzeit feststellen muss, dass die Geschichte der Tiroler Gemeindeguts-Agrargemeinschaften zumindest ein Krimi bleibt, dessen Ende noch kein gutes ist und vielleicht auch noch lange Zeit nicht werden wird.

 

Innsbruck                                                                   .Gerhard Köbler