Kautzsch, Michael, Die GmbH - Ergebnis eines Rechtstransfers? (= Rechtsgeschichtliche Studien 34). Kovač, Hamburg 2010. 200 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Obwohl die Entstehung des GmbH-Gesetzes von 1892 schon wiederholt Gegenstand rechtshistorischer Arbeiten war, fehlte bislang eine Untersuchung der Frage, ob und in welchem Umfang der Entstehung des GmbHG ein Rechtstransfer (in Anlehnung an den empirischen Ansatz von Watson von 1970; S. 31ff.) des englischen Rechts der limited company zugrunde liegt. Kautzsch zieht zur Beantwortung dieser Frage die privaten Gesetzentwürfe von 1884/1888, die Stellungnahmen der Handelskammern, des Deutschen Industrie- und Handelstags, die Arbeiten des Reichsjustizamts unter Federführung Eduard Hoffmanns (RJA), und die Reichstagsverhandlungen (einschließlich der Verhandlungen der Ausschüsse) heran. Ausführlich berichtet Kautzsch auch über die historische Entwicklung und Struktur der Limited Company aufgrund der Companies Act von 1882 (S. 91ff.). Kautzsch weist zunächst einen „Initialzusammenhang zwischen dem wirtschaftlichen Erfolg der limited company und der Einholung der Gutachten, die letztendlich zur Vorlage des GmbH-Gesetzentwurfs geführt hat“ nach (S. 60). Darüber hinaus lagen dem GmbHG die Zulassung der Haftungsbeschränkung in personalistischen Gesellschaften, die Gewährung der Vertragsfreiheit sowie die allgemeine Anlehnung der neuen Gesellschaftsform an die Aktiengesellschaft zugrunde. Die Regelung des § 51 Abs. 2 GmbHG beruht auf einer unmittelbaren Übernahme des englischen Rechts. Allerdings ging die amtliche Begründung zum GmbHG-Entwurf davon aus, dass die GmbH im Regelfall keine personalistische Realstruktur aufweisen werde (S. 79ff.). Kautzsch führt dies im Wesentlichen darauf zurück, dass man von Seiten des Reichsjustizamts das Gesetzesvorhaben nicht unnötig mit dem Widerspruch der Gegner einer Haftungsbeschränkung in personalistischen Gesellschaften belasten wollte (S. 181ff.). Insgesamt ist dem Ergebnis der Untersuchungen zuzustimmen, dass man zwar für die aufgezeigten Bereiche von einem Rechtstransfer sprechen könne, nicht jedoch für die neue Gesellschaftsform „als solche, da der Gesetzgeber in wesentlichen Fragen (Gläubigerschutz, Erfordernis eines Mindeststammkapitals) von dem englischen Recht abgewichen sei“ (S. 184f.). Nicht uninteressant wäre es in diesem Zusammenhang gewesen zu erfahren, inwieweit sich der deutsche Gesetzgeber mit der Reaktion Frankreichs auf das englische Gesellschaftsrecht auseinandergesetzt hat. Im Ganzen liegt mit den Untersuchungen von Kautzsch ein wichtiger Beitrag zu den vielfältigen, zum Teil subtilen Rechtstransfers im 19. Jahrhundert und zugleich ein weiterer Baustein zur Genese des GmbH-Gesetzes von 1892 vor.

 

Kiel

Werner Schubert