Karst, Sandra, Die Entkriminalisierung des § 173 StGB (= Europäische Hochschulschriften 2, 4819). Lang, Frankfurt am Main 2009. XIV, 243, XV-XLI S., 3 Tab. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von dem bei Jan Schröder im Vereinsrecht promovierten und bei Fritjof Haft in Tübingen habilitierten Konstanzer Strafrechtler und Strafprozessrechtler Jörg Eisele betreute, im Wintersemester 2007/2008 von der Universität Konstanz angenommene Dissertation der danach in der Innenverwaltung Baden-Württembergs tätigen Verfasserin. Sie geht davon aus, dass kaum ein anderes Phänomen so universell und so allgegenwärtig in der Menscheinheitsgeschichte zu sein scheine wie der Inzest. Vielleicht lässt sie ihr durchaus verständliches Interesse auch in den anschließenden Sätzen ein wenig über das Ziel hinausschießen, da Jurisprudenz, Ethnologie, Psychoanalyse, Biologie und Genetik möglicherweise doch noch nicht die Gesamtheit der menschlichen Wissenschaften bilden.

 

Gegliedert ist die Untersuchung in sieben Kapitel. Dabei folgen der Einleitung ein rechtshistorischer, aber auf die Strafrechtsgeschichte Rüpings zumindest im anhängenden Literaturverzeichnis verzichtender Überblick von der christlichen und islamischen Religionsgeschichte über die Stammeskulturen/Antike (Allgemeines, Ägypten, Inkas, Perser, Griechen, Römer, Germanen), Mittelalter, Barock, Aufklärung, Romantik und 19. Jahrhundert (Inzestverbot, Eheverbot) bis zum 20. und 21. Jahrhundert und ein (wohl rechtsvergleichender) Überblick über Strafbarkeit des Inzests in anderen Ländern, für welche die Verfasserin zwischen Allgemeinem und Australien unterscheidet. Danach behandelt sie Herkunft, Sinn und Zweck des Inzestverbots, ohne dass sich eine befriedigende Antwort auf die Fragen, woher das Inzestverbot stammt und warum es besteht, finden lässt.

 

Kapitel 4 erörtert § 173 im Normgefüge des Strafgesetzbuchs, Kapitel 5 die Rechtsgüter, Kapitel 6 die Legitimation des § 173 StGB auf der Grundlage anderer Legitimierungsmodelle und Kapitel 7 die Verfassungsmäßigkeit des § 173 StGB. Im Ergebnis sieht die engagierte Verfasserin in § 173 StGB einen nicht gerechtfertigten und somit unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht des Art. 6 I GG eines potentiellen Inzesttäters. Möglicherweise kehrt daraufhin die Entwicklung eines Tages wieder an einen unbekannten Ausgangspunkt zurück.

 

Innsbruck                                                                                                                  Gerhard Köbler