Kannowski, Bernd, Die Umgestaltung des Sachsenspiegelrechts durch die Buch’sche Glosse (= Monumenta Germaniae Historica, Schriften 56). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2007). XLVI, 655 S. Besprochen von Hiram Kümper.

 

Mit der vorliegenden Studie ist der Verfasser 2005 in Frankfurt am Main habilitiert worden. Schon zuvor und auch seitdem ist er in zahlreichen Veröffentlichungen als intimer Kenner der Buch’schen Landrechtsglosse hervorgetreten. In der Tat stellt diese umfangreiche Analyse des Glossenwerks einen Meilenstein in der Glossenforschung dar, der im Verbund mit der wenige Jahre zuvor erschienenen kritischen Edition in der neue Serie der „Fontes iuris germanici antiqui“ der Monumenta Germaniae Historica (Bd. 7, 1-3, 2002, hg. v. Frank-Michael Kaufmann) ein solides Fundament für die Erforschung und Nutzung dieses wichtigen Grundtextes des mittelalterlich-frühneuzeitlichen sächsischen Rechts legt.

 

Hatte das Kaufmann’sche Editionsprojekt sich bewusst für eine reduzierte Handschriftengrundlage entschieden, um so nach rund einem Jahrhundert immer wieder gescheiterter Unternehmungen in diese Richtung endlich zu einem Ergebnis zu kommen, so schöpft Kannowski nun, wo nötig, aus der Gesamtheit der 78 überlieferten Textzeugen (S. 34ff.). Entsprechend spielt auch die Auseinandersetzung mit der Glossenedition eine prominente Rolle im Grundlagenkapitel der Studie. So kann der Verfasser anhand exemplarischer Probebohrungen bestätigen, dass „die Handschriften der Kaufmann’schen Edition an jedem dieser Punkte die älteste Textschicht der Buch’schen Glosse wiedergeben“ (S. 590) – was dann mit guter Wahrscheinlichkeit auch auf den Gesamttext zu übertragen wäre.

 

Eigentliches Ziel der Arbeit aber ist es, „aufgrund einer breiter angelegten Analyse eine Gesamtschau des Werkes zu ermöglichen“ (S. 1). Das gelingt Kannowski mit viel Einfühlungsvermögen in den Gedankengang des Glossators (einschließlich eines Rekonstruktionsversuch dieses Ganges S. 471ff.) und souveräne Textkenntnis, nicht nur in der Glosse und ihren Überlieferungsträgern, sondern auch in den anderen Basistexten des sächsischen Rechts – und nicht zuletzt auch der Forschungsliteratur der letzten zweihundert Jahre, die auf breiter Grundlage diskutiert wird. Gerade in den kleinen Details und Anmerkungen stecken oft Hinweise auf Unbekanntes und Vergessenes, beispielsweise wenn zu den immer wieder als Kuriosa genannten Urteilen des Reichsgerichts in Zivilsachen, die noch in den 1930er Jahren den Sachsenspiegel zitieren, nun auch Rechtsentscheide des 19. Jahrhunderts beigebracht werden, die explizit auf die Glosse Bezug nehmen (S. 33).

 

Ein umfassenderes Referat der Einzelbefunde verbietet sich an dieser Stelle. Der Verfasser kommt zu dem Schluss, es gehe „Johann nicht darum, das Recht als ein widerspruchsfreies System zu präsentieren, wohl aber darum, es in seiner Gesamtheit darzustellen“ (S. 593). Damit – und das stellt Kannowski in vielen Beispielen heraus – geht er über den Sachsenspiegel weit hinaus, bearbeitet vielmehr sächsisches Recht und steht damit am Anfang einer vitalen Rechtsliteratur, die sich auf diesem Gebiet entfalten sollte. Dass er nicht der einzige war, kommt etwas kurz: auf gewisse Problemlagen sucht ja bereits die Überlieferung des Sachsenspiegels selbst Antwort, etwa in systematisierenden Bearbeitungen, Registern etc., deren Entstehung in ungefähr denselben Zeitraum fällt. In dieser Hinsicht wäre es sicher auch spannend, Kannowskis Befund mit der bereits ein rundes Jahrhundert später einsetzenden Distinktionenliteratur zu kontrastieren, über die gerade für den Bereich des sächsischen Rechts, obschon breit überliefert, bislang kaum Näheres bekannt ist. Hier zeigt sich: diese Studie legt nicht nur eine solide Grundlage in der Kenntnis des Buch’schen Glossenwerkes, sondern bietet auch einiges Potenzial für Anschlussforschungen.

 

Es gilt heute als Usus, Rezensionen nicht ohne Kritik – und sei es auch an Kleinigkeiten – zu beschließen. Natürlich lassen sich diese Kleinigkeiten finden, etwa die vergleichsweise häufigen Tippfehler in den bibliographischen Nachweisen. Auch bei manchen Deutungen, etwa zum Widerstandsrecht (S. 327ff.), kann man geteilter Meinung sein – ohne aber je dem Verfasser vorwerfen zu können, er argumentiere nachlässig oder vorschnell.

 

Kannowskis grundlegende Studie ist durchweg flüssig und jargonfrei geschrieben, was dem Verfasser dankbare Leser auch außerhalb des engeren Kreises der Rechtsbücherforschung sichern dürfte. Sehr hilfreich hierfür dürften zudem die ausführlichen Register sein, die nicht nur Orte und Personen, sondern auch Quellen und Sachstichworte erschließen.

 

Bielefeld                                                                                             Hiram Kümper