Holmbergh, Sture, Rundvandringar i Svea hovrätts byggnader (= Rättshistoriska studier 24). Institutet för rättshistorisk forskning/Rönnells Antikvariat AB, Stockholm 2009. 222 S., 102 Abb. Besprochen von Dieter Strauch.

 

Der Titel lautet in deutscher Übersetzung: „Rundwanderungen in den Gebäuden des schwedischen Hofgerichts“. Es wurde als oberstes schwedisches Gericht durch die neue Prozessordnung am 10. Februar 1614 gegründet. Aber schon bald zeigte sich, dass es nicht imstande war, die Revision aller schwedischen Urteile zu bearbeiten. Deshalb errichtete der König 1623 das finnische Hofgericht in Åbo (heute: Turku), 1630 das Hofgericht in Dorpat für Livland und 1634 das götländische Hofgericht in Jönköping. Damit wurde der Geschäftsbereich von Svea Hovrätt auf den nördlichen Teil Schwedens beschränkt. Der schwedische Gerichtsaufbau war nach der Prozessordnung von 1614 dreistufig: Auf dem Lande war unterstes Gericht das Bezirksgericht, in dem der Bezirksrichter mit 12 Bauern richtete. Berufungen gingen an das Lagmannsgericht, das aus dem Lagmann (Rechtsprecher) und 12 Schöffen bestand. In  den Städten bildete das Kammergericht die unterste Instanz. Ihm saß ein Mitglied des Stadtrates vor, der mit Beisitzern aus der Bürgerschaft richtete. Die Berufungen gegen seine Urteile gingen an das Rathausgericht, bestehend aus Ratsherren unter Vorsitz des Bürgermeisters. Die dritte Instanz bildeten die Hofgerichte. Die Lagmannsgerichte, Rathausgerichte und Hofgerichte dienten nicht nur als Rechtsmittelinstanz, sondern wurden in einigen Fällen auch erstinstanzlich tätig. Gegen die Urteile der Hofgerichte konnte man Revision beim König einlegen, der oberster Richter des Reiches blieb, wenn dieses Amt auch häufig der Reichsrat oder der König mit dem Reichsrat wahrnahm. Diese oberste Gerichtsbarkeit ist heute abgelöst durch Högsta Domstolen (das höchste schwedische Gericht im Bondeschen Palast), so dass die Hofgerichte jetzt in etwa den deutschen Oberlandesgerichten gleichen[1].

 

Der vorliegende Band schildert die verschiedenen Orte, an denen das schwedische Hofgericht tagte. Diese haben mit den Zeitläuften gewechselt: Zuerst war es im alten Stockholmer Stadtschloss „Tre Kronor“ (drei Kronen) untergebracht. Das Schloss brannte jedoch am 7. Mai 1697 ab, so dass das Gericht heimatlos wurde und zunächst im Lilieska Haus am heutigen Gustav-Adolfs-Torg unterkam (nördlich von Helgeandsholmen, dort steht heute die Oper), später im Bondeschen Palast am Riddarhustorget und in verschiedenen anderen Gebäuden unterschlüpfte. Erst als die Königsfamilie 1754 aus dem Wrangelschen Palast (den es nach dem Schlossbrand bezogen hatte) in das neue Schloss übersiedelte, wies man dem Gericht den Wrangelschen Palast auf Riddarholmen als Sitz zu, wo es unter anderem heute noch arbeitet. Seine Tätigkeit ist allerdings inzwischen so angewachsen, dass es jetzt fünf Gebäude benutzt: außer dem Wrangelschen Palast auch Schering Rosenhanes Palast, den Oxenstiernaschen (jetzt: Hessensteinschen) und den Stenbockschen Palast (den der Verfasser nicht näher beschrieben hat) sowie Teile von Gamla riksdagshuset, des alten Reichstagsgebäudes.

 

Der Verfasser stellt zunächst Riddarholmens Bebauung mit Palästen durch schwedische Adelsfamilien dar und schildert dann die Baugeschichte des Wrangelschen Palastes. Er geht in seinen Anfängen auf 1529 zurück; sein Mittelteil wurde in den 1630er Jahren von Lars Sparre errichtet. Der Reichsadmiral Carl Gustav Wrangel vergrößerte es bis 1664, doch erlitt das Haus im April 1693 einen Brandschaden. Nach dem Auszug des Königs wurde es in den Jahren 1755/56 umgebaut. Der Verfasser beschreibt seine einzelnen Räume und vergisst auch den Keller nicht, wo Jakob Johan Anckarström, der Mörder Gustafs III. (1771-1792) seiner Verurteilung durch Svea hovrätt und Hinrichtung harrte. Der Festsaal des Palastes, im ersten Stockwerk in der Mitte des Hauses gelegen, war im 18. Jahrhundert Reichssaal und ist später in mehrere kleinere Räume aufgeteilt worden (Pläne S. 68f). Auch der Wrangelsche Palast blieb nicht ungeschoren: Er brannte 1802 ab, wurde wieder aufgebaut, 1898 und 1928 renoviert, umgebaut und nach 1900 modernisiert.

 

Schering Rosenhanes Palast war bereits 1656 fertig, er wurde nach dem Schlossbrand 1697 als königliche Kanzlei, Archiv etc. benutzt. Seine Eigentümer und Benutzer, die zwei neue Flügel anbauten, wechselten. Der Palast wurde 1927/28 für statskontoret (eine Abteilung des Finanzministeriums) und wieder 1976/78 für Svea Hovrätt renoviert, das es seitdem nutzt. Auch die Innenaufteilung wechselte (S. 98f; 116) und wurde den jeweiligen Bedürfnissen angepasst.

 

Der jetzige Hessensteinsche Palast wurde für Resare-Bengt Oxenstierna in den 1630er Jahren erbaut, in den 1640er Jahren durch zwei Flügel erweitert und 1680/81 für den Kanzleipräsidenten Bengt Oxenstierna umgebaut. 1731 kaufte König Friedrich I. (1720-1751) das Gebäude und schenkte es seiner Mätresse Hedvig Taube, geadelt v. Hessenstein. Den Umbau des Hauses erlebte sie nicht, doch bezog es ihr Sohn Fürst Fredrik Wilhelm von Hessenstein 1760. Später wurde es verkauft, 1853 und schließlich 1983/84 für Svea Hovrätt renoviert, das seitdem auch dort arbeitet.

 

Schließlich gehört zu den Tagungsstätten dieses Gerichts das alte Reichstagshaus. Das Grundstück hat eine bewegte Geschichte: Bereits 1270 begann dort der Bau von Gråbrödraklostret (des Klosters der Franziskaner). Nach der Reformation wurden die Bauten verschiedenen Zwecken zugeführt. 1666 erwarb Bengt Horn, der schwedische Gouverneur in Riga, das Grundstück und ließ dort unter Verwendung mittelalterlicher Reste einen Palast errichten, der später um zwei Flügel erweitert wurde. Seit dem 18. Jahrhundert diente das Gebäude verschiedenen Ämtern als Unterkunft. 1830 wurde der Palast den drei nichtadeligen Ständen des Reichstages (den Priestern, Bürgern und Bauern) als Bleibe zugewiesen. Das östlich davon liegende Grundstück erwarb Johan Sparre 1628, der dort einen zweigeschossigen Palast aufführen ließ. In den 1760er Jahren kaufte der Kommerzienrat Simon Bernhard Hebbe das Anwesen, das auch seinen Namen trug. 1865/66 wurden alle diese Gebäude zum Haus des Reichstags zusammengefügt, der dort bis 1904 tagte. Als der neue Bau auf Helgeandsholmen 1905 fertig war, und der Reichstag dorthin umzog, erhielt der Architekt Aron Johansson den Auftrag, das alte Gebäude umzubauen, und es durch einen Anbau im Süden zu ergänzen. In dem großen Bauwerk amtieren zur Zeit mehrere schwedische Gerichte und Ämter, u. a. der schwedische oberste Verwaltungsgerichtshof und dessen Sekretariat sowie das Kammerkollegium und der Kammergerichtshof (Verwaltungsgericht für Steuersachen und einige Verwaltungsstreitigkeiten). Svea Hovrätt ist dort vertreten mit den Abteilungen 2 und 16, einem Versammlungssaal, einem Sitzungssaal und Räumen für die Parteien. Vom alten Reichstagshaus wird behauptet, dass dort der Benediktinermönch Gideon aus dem französischen Kloster Corbie spuke. Er sei auf seiner Missionsreise nach einem Schiffbruch just dort an Land gespült worden. Sein Spuk ist harmlos: Man meint, er verstecke die Akten der dort arbeitenden Beamten (worauf man sich mit Vorliebe beruft, wenn sie unauffindbar sind).

 

Der Verfasser hat mit seinen reichhaltigen Aufnahmen nicht nur die Bauten und ihre Räume dargestellt sondern auch die Innenausstattung und das Mobiliar im einzelnen abgebildet. Der an die nüchterne Ausstattung deutscher Gerichte gewöhnte Leser versteht, dass – trotz zweier Weltkriege – die Tradition in Schweden ungebrochen ist und dementsprechend auch die überkommene Ausstattung der Gerichtsgebäude den Geist der letzten drei Jahrhunderte atmet. Das Buch schließt mit den Kurzporträts der Präsidenten von Svea Hovrätt von Magnus Brahe (1564-1633) bis Johan Hirschfeldt (Präsident 1996-2007). Auch einige Vizepräsidenten sind erwähnt. Ein Lageplan der einzelnen Gebäude (im Vorspann) ermöglicht es, sie auf Riddarholmen aufzufinden.

 

Das gut ausgestattete Buch ist eine Schatztruhe der Tradition eines hohen schwedi­schen Gerichts.

 

Köln am Rhein                                                                                                           Dieter Strauch



[1]    Vgl. Dieter Strauch, Quellen, Aufbau und Inhalt des Gesetzbuches, in: Das schwedische Reichsgesetzbuch von 1734 (Ius Commune Sonderhefte 29), Frankfurt am Main 1986, S. 61-106 (100f).