Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in den Beratungen des Deutschen Juristentages, hg. v. Bayer, Walter (= Jenaer Studien zum deutschen, europäischen und internationalen Wirtschaftsrecht). Jenaer Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Jena 2010. 736 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Deutsche Juristentag ist ein eingetragener und als gemeinnützig anerkannter Verein, der wissenschaftlich die Notwendigkeit der Änderung der Rechtsordnung untersucht, öffentliche Vorschläge für Rechtsänderungen unterbreitet und auf von ihm angenommene Missstände im Recht hinweist. Als Versammlung von Juristen fand er erstmals in Berlin 1860 statt, so dass er inzwischen auf lange Jahre Geschichte zurückblicken kann. In seinen Themen spiegeln sich die wichtigsten bewegenden Rechtsfragen dieser Zeit wieder.

 

Diese Erkenntnis war für Angehörige des Lehrstuhls für bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Privatversicherungsrecht und internationales Privatrecht der Universität Jena Anlass, die vielfältigen Beratungen zu Themen des Gesellschaftsrechts und Kapitalmarktrechts nachzuzeichnen, zu analysieren und in zusammengefasster Form zu würdigen. Erfasst werden dabei 21 Juristentage von 1869 bis 2008. Sie sind Gegenstand von insgesamt 16 Beiträgen, die sich mit den Gutachten, den Referaten und der Diskussion befassen, die jeweiligen Fragestellungen in den Kontext der jeweiligen Zeit einordnen und Verbindungslinien bis zur Gegenwart aufzeigen.

 

Dies beginnt mit Jan Lieder, der in den ersten drei Beiträgen das Ende des Konzessionserfordernisses bei Aktiengesellschaften (1869), Reformbestrebungen im Vorfeld der zweiten Aktienrechtsnovelle (1884) und die Unternehmensverfassung der Aktiengesellschaft (1904) behandelt, woran sich der Aufsichtsrat in der Diskussion (1906, Jessica Schmidt) anschließt. 1914 kommt die Vereinheitlichung des deutschen und österreichischen Rechts der Gesellschaft mit beschränkter Haftung in den Blick (Claudia Schwennicke), doch erfolgt umgehend eine Rückkehr zu Erleichterungen der Kapitalbeschaffung durch das Aktienrecht (1924, Thomas Hoffmann), und zur Frage der grundlegenden Reform des Aktienrechts (1926 Jessica Schmidt). Ab 1970 greifen die Fragestellungen weiter aus und erfassen speziellere Themen (1970 Jessica Schmidt, Grenzüberschreitende Unternehmensverbindungen, Carmen Hohlbein, Sanierung von Unternehmen, 1984 Thomas Hoffmann, Eigenkapitalinsuffizienz, 1957/1992 Jessica Schmidt, Konzernrecht, 1996 Jessica Schmidt, Depotstimmrecht, 2000 Timo Fiebelkorn, Beschlussmängelklagen, 1884/1976/2002 Kristian Stange, Kapitalmarkt und Anlegerschutz, 2006 Claudia Schwennicke, Reform des Gläubigerschutzes und 2008 Walter Bayer, Stärkere Differenzierungen zwischen börsennotierten und nichtbörsennotierten Aktiengesellschaften).

 

Als auffällig bemerkt der Herausgeber bereits in seinem kurzen Vorwort, dass einerseits zahlreiche Rechtsprobleme, die in der Vergangenheit diskutiert wurden, in der Gegenwart noch genauso aktuell sind wie damals, so dass ein allseits befriedigender Rechtszustand trotz unverkennbarer Fortschritte nicht erreicht ist und vielleicht sogar schwerlich erreichbar bleibt. Weiterhin hält er es andererseits zu Recht für bemerkenswert, dass manche anfangs abgelehnten Vorschläge sich auf die Länge doch durchsetzen konnten.. Insgesamt ergibt sich in jedem Fall aus den Beiträgen der acht Verfasser ein eindrucksvolles Bild von den in den letzten 150 Jahren die Allgemeinheit bewegenden Grundfragen des Gesellschaftsrechts und Kapitalmarktrechts, das dankenswerterweise durch ein Stichwortverzeichnis aufgeschlossen wird.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler