Faulenbach, Björn Florian, Rolle und Bedeutung der Lehre in der Rechtsprechung der internationalen Gerichtshöfe im zwanzigsten Jahrhundert (= Rechtshistorische Reihe 407). Lang, Frankfurt am Main 2010. 335 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Mathias Schmoeckel „in außergewöhnlich guter und intensiver Zusammenarbeit“ unterstützte, 2010 von der Universität Bonn angenommene Dissertation des nach dem Studium in Bonn und am University College London zweitweise als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bonn tätigen Verfassers. Sie behandelt die wichtige Frage nach der Bedeutung der Lehre als Rechtsquelle des Völkerrechts. Dabei konzentriert sie sich innerhalb eines sachgerecht weiter gespannten Rahmens im Kern auf die Rechtsprechung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs (1920-1946) und des Internationalen Gerichtshofs (1945/1946ff.). Einleuchtend gliedert sie sich in Einleitung, Hauptteil und  Schlussbetrachtung.

 

Im Hauptteil fragt der Verfasser zunächst nach Unterschieden zwischen Mehrheitsentscheidungen und Sondervoten einzelner Richter, dann nach Veränderungen im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts. Im Anschluss hieran verfolgt er die Bedeutung der klassischen Autoren des Völkerrechts und die Bedeutung der internationalen Juristenvereinigungen. Als Auswertungsabschnitte verwendet er die Entscheidungen und Rechtsgutachten der Jahre 1922-1927 (13 bzw. 14), 1948-1953 (13 bzw. 7) und 1993-1998 (19 bzw. 2), in denen er in den Gutachten 4, 55 und 162 und in den Entscheidungen 41, 159 und 693 Bezugnahmen auf die Lehre findet.

 

Dabei gelangt er zu einleuchtenden Ergebnissen. Während in Mehrheitsentscheidungen Bezugnahmen auf die Lehre fast völlig fehlen, sind sie in Sondervoten einzelner Richter verhältnismäßig häufig, wobei insgesamt im Laufe des 20. Jahrhunderts eine deutliche Zunahme erkennbar ist, so dass der vielfach angenommene Bedeutungsverlust der Doktrin  im Material der Verfassers nicht nachweisbar ist. Dabei tritt die Bedeutung der klassischen Autoren des Völkerrechts (z. B. Emer de Vattel) mit 1,25 Prozent gegenüber den zeitgenössischen Autoren zurück und ist das Gewicht der internationalen Juristenvereinigungen zwar gestiegen, aber nicht überragend, woraus der Verfasser insgesamt den Schluss wagt, dass der Internationale Gerichtshof dann, wenn Völkervertragsrecht und andere Rechtsgeltungsquellen fehlen, die völkerrechtliche Lehre auch in Zukunft als verlässliche Rechtserkenntnisquelle über geltendes Völkerrecht heranziehen wird.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler