Esch, Arnold, Wahre Geschichten aus dem Mittelalter. Kleine Schicksale selbst erzählt in Schreiben an den Papst. Beck, München 2010. 223 S., 25 Abb. Besprochen von Hiram Kümper.

 

Dies ist ein lehrreiches und elegantes, vor allem aber ein spannendes Buch. Der Verfasser, selbst langjähriger Direktor des Deutschen Historischen Instituts zu Rom, das mit der Herausgabe des Repertorium Poenitentiariae Germanicum betraut ist, erzählt aus ‚seinem’ Material. Da hören wir viele Stimmen, die andernfalls wenig „Überlieferungschance“ – eine ebenfalls von Esch in einem heute geradezu klassischen Aufsatz (Überlieferungs-Chance und Überlieferungs-Zufall als methodisches Problem des Historikers, in: Historische Zeitschrift 240, 1985, S. 529-570) geprägte Figur –  gehabt hätten. Dabei handelt es sich in vorliegendem Bändchen hauptsächlich um geistliche Bittsteller des 15. Jahrhunderts an den Papst; aber auch Kaufleute, Söldner und Wirtshauspersonal kommen zu Wort. Jüngst hatte schon Ludwig Schmugge in einem ganz ähnlich angelegten Band (Ehen vor Gericht. Paare der Renaissance vor dem Papst, Berlin 2008) die Überlieferung der päpstlichen Pönitentiarie zum Sprechen gebracht. Diesmal steht das Erzählen noch mehr in Vordergrund, weil es weniger um das Verstehen eines wichtigen gesellschaftlichen Instituts (eben der Ehe), sondern vielmehr um Eindrücke aus der Vielfalt der Probleme und Konflikte des Spätmittelalters geht. Das sind Geschichten, die oft genug an die Novellen eines Boccaccio erinnern mögen – womit Esch ganz zu Recht auch selbst kokettiert (S. 172f.). Dem Rechtshistoriker kann dieses Büchlein vieles über die Entstehung und das Eskalieren von Konflikten in ziemlich alltäglichen Situationen – im Wirtshaus, im Kloster, am Dorfteich – sagen. Tiefer gehende Einsichten oder Neuigkeiten mit Blick auf Prozessgeschichte oder Kirchenrecht darf man naturgemäß nicht erwarten. Dafür ist ein solcher Band nicht konzipiert; mit Esch selbst wäre dem interessierten Neuling auf diesem Gebiet eher der oben genannte Band von Schmugge anzuempfehlen (S. 12). Für die Alltagsgeschichte des Spätmittelalters aber liegt hier eine sehr schätzenswerte Sammlung vor, die hoffentlich auch einmal Fortsetzung findet – Material dürfte das Archiv der Pönitentiarie noch für mehrere hergeben. Ein Endnotenapparat versorgt mit den vollständigen, exakten Nachweisen sämtlicher besprochener Fälle sowie sparsamen Literaturverweisen.

 

Bielefeld                                                                                 Hiram Kümper