Elzer, Herbert, Konrad Adenauer, Jakob Kaiser und die „kleine Wiedervereinigung“. Die Bundesministerien im außenpolitischen Ringen um die Saar 1949-1955 (= Geschichte, Politik & Gesellschaft 9). Röhrig Universitätsverlag, Sankt Ingbert 2008. 1137 S., zahlreiche Abbildungen. Besprochen von Thomas Gergen.

 

 

In seinem Buch „Die deutsche Wiedervereinigung an der Saar. Das Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen und das Netzwerk der pro-deutschen Opposition 1949 bis 1955“ stellte Elzer bereits die „kleine Wiedervereinigung“ der Saar vor und berichtete von dem Machtkampf der Verbände und Parteien für und gegen die Rückkehr der Saar zur Bundesrepublik Deutschland[1].

 

Das Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen (BMG) oder ab 1969 das Bundesministerium für Innerdeutsche Beziehungen (BMB) kümmerte sich in den 1950er Jahren unter den Ministern Jakob Kaiser und später Ernst Lemmer um die Rettung der staatlichen Einheit Deutschlands und die Wahrung des Zusammenhalts der Deutschen in Ost und West. Da man kein kommunistisches Deutschland wollte, musste der Kommunismus nicht nur in der „Zone“, sondern auch in Westdeutschland entschlossen bekämpft werden. Daneben kümmerte sich das BMG nicht nur um Nord-Schleswig, Eupen und sogar Südtirol, sondern war ebenfalls für das Saarland zuständig[2].

 

Elzer macht sich in seinem neuen Werk zur Aufgabe, nachzuweisen, dass sich Adenauers Einflüsse keineswegs auf die Verhandlungen mit Frankreich, sondern auch auf das Saarland ausdehnten; Adenauer streckte nämlich in aller Stille seine Fühler aus, die bis zu Ministerpräsident Johannes Hoffmann reichten. Der regierungsinterne Gegenspieler, der Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen Jakob Kaiser, plädierte indes deutlich für die „kleine Wiedervereinigung“ des Saarlandes mit der Bundesrepublik Deutschland. Dabei spielte die Diskussion über die völkerrechtliche Zugehörigkeit der Saar zu Deutschland eine wichtige Rolle. Elzer legt hierzu eine konsistente Studie der völkerrechtlichen Verhältnisse der damaligen Zeit vor, d. h. über die völkerrechtliche Zugehörigkeit der Saar als Bestandteil Gesamtdeutschlands in den Grenzen von 1937 (Teil IV: S. 833-907). Auf der Basis des Auswärtigen Amtes und des Bundesministeriums für Gesamtdeutsche Fragen (BMG) vermag der Autor sodann einen faszinierenden Machtkampf zwischen dem „kaltblütig-pragmatischen“ Adenauer und dem „leidenschaftlich-patriotischen Kaiser zu skizzieren.

 

Elzers Buch gliedert sich in fünf Teile: Im ersten legt er den Grundstein und bringt die geschichtlichen und institutionellen Voraussetzungen, indem er die Saarfrage von 1945 bis 1949 und die Bildung der zuständigen Behörden (BMG, Kanzleramt, Auswärtiges Amt) in Bonn 1949/50 zusammenführt. Teil II umfasst den besagten Entfremdungsprozess zwischen Kanzleramt/Auswärtigem Amt und dem BMG in der Saarpolitik (1949 bis 1954), personalisiert durch Adenauer einerseits und Kaiser andererseits. Im Teil III schildert Elzer das mühsame Miteinander von Auswärtigem Amt und BMG anhand des Pariser Saarabkommens und der Volksabstimmung (23. Oktober 1954 bis 23. Oktober 1955)[3]. Wie bereits erwähnt widmet Elzer der völkerrechtlichen Situation den Teil IV, ehe er dann – schon synthetisierend in Teil V - Bundeskanzler Adenauers Position zu Europa, Deutschland und der Saar analysiert. Es folgen eine detaillierte Schlussbetrachtung, ein umfänglicher Dokumentenanhang, Quellen, Literatur, Glossar und ein sehr hilfreiches Personenregister.

 

Wenn Elzer allerdings resümierend die „undemokratischen“ Verhältnisse im Saarland als These formuliert, muss er sich fragen lassen, von welcher Warte er die Demokratie beurteilt. Sieht er diese vonseiten der heutigen Ordnung der Bundesrepublik? Sollte es um einen historischen Verfassungsvergleich gehen, so wäre ein historischer Vergleich mit der Demokratie mit der Bundesrepublik und des Saarlandes vonnöten. Denn auch die in der Demokratie noch „ungeübte“ Bundesrepublik musste das erst 1949 entstandene Grundgesetz, in den Verästelungen der staatlichen Gewaltenteilung umsetzen und Verfassungswirklichkeit schaffen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus den 1950er und 1960er Jahre beweist indes, dass Gesetzgebung und Exekutive nicht immer grundgesetzkonform arbeiteten, was das Bundesverfassungsgericht regelmäßig monieren musste. Inwieweit also „demokratische“ oder – sehr konträr gesprochen – „undemokratische“ Verhältnisse im Saarland, das selbst auf der Grundlage der Verfassung von 1947 lebte, herrschten kann m. E. besser im direkten Verfassungsvergleich mit der Verfassungspraxis der damaligen Bundesrepublik beurteilt werden.

 

Man mag in der Summe mit den Beurteilungen Elzers nicht immer gänzlich konform gehen; die Studie, die er vorlegt, bezeugt gleichwohl, dass bei der Gesamtbeurteilung der Saarfrage bislang wesentliche Archive fehlten, die seit über 15 Jahren zugänglich sind und unser Bild schärfer konturieren sollten.

 

Saarbrücken                                                                                                  Thomas Gergen



[1] Über den Inhalt dieses Buches, seine neue Quellenbasis der nach 1994 freigegebenen Geheimakten des Bestandes „B 137 Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen“ und die Notwendigkeit, dieses Buch künftighin bei der Beurteilung der Saarfrage zu konsultieren, war bereits die Rede in der Besprechung: Thomas Gergen, ZRG Germ. Abt. 126 (2009), S. 873-874.

[2] Diese Rolle klärt nun auch das Buch von Stefan Creuzberger, Kampf für die Einheit. Das gesamtdeutsche Ministerium und die politische Kultur des Kalten Krieges 1949-1969 (Droste Verlag, Düsseldorf 2008, 604 S.).

[3] Gergen, Thomas, Von der Saarprovinz zum Saarland. Die Vorgängerorganisationen des Saarlandes bis zu den Volksabstimmungen von 1935 und 1955, in: SKZ (Saarländische Kommunalzeitschrift) 9 (2005), S. 211-230; Gergen, Thomas, Europäisches Statut für die Saar? Eine Erinnerung an die Volksabstimmung vom 23. Oktober 1955, in: JZ 10 (2005), S. 994-995, sowie Rechtsanwälte in und aus dem Landkreis Saarlouis, in: Unsere Heimat (Mitteilungsblatt des Landkreises Saarlouis für Kultur und Landschaft) 3 (2008), S. 102-109 und neuerdings auch in der Saarbrücker Bibliothek, http://archiv.jura.uni-saarland.de/projekte/Bibliothek/text.php?id=548 [21. 12. 2009].