Die Berliner Universität im Kontext der deutschen Universitätslandschaft nach 1800, um 1860 und um 1910, hg. v. Bruch, Rüdiger vom unter Mitarbeit von Müller-Luckner, Elisabeth (= Schriften des Historischen Kollegs 76). Oldenbourg, München 2010. XVII, 259 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Mit 52 Lehrenden und 256 Studierenden nahm die auf Betreiben des von Johann Gottlieb Fichte und Friedrich Schleiermacher beeinflussten Wilhelm von Humboldt (Leiter der Abteilung für Kultus und Unterricht im Ministerium des Inneren Preußens) am 16. August 1809 gegründete Universität Berlin unter dem Rektor Theodor Schmalz in den Fakultäten Jura, Medizin, Philosophie und Theologie ihren Betrieb auf. 1828 nach dem gründenden König in Friedrich-Wilhelms-Universität und nach derm Untergang Preußens 1949 nach dem Initiator in Humboldt-Universität umbenannt, beging sie 2010 die zweihundertste Wiederkehr ihres Eröffnungsjahrs. Rüdiger vom Bruch, 1978 mit der Arbeit Wissenschaft, Politik und öffentliche Meinung - Gelehrtenpolitik im wilhelminischen Deutschland (1890-1914) in München promoviert, 1987 mit der Untersuchung Von der Kameralistik zur Wirtschaftswissenschaft habilitiert und seit 1993 als Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Humboldt-Universität tätig, nahm dies zum Anlass, den Obliegenheiten eines Stipendiaten des Historischen Kollegs gemäß vom 29. bis 31. März 1997 ein Kolloquium zu dem Thema Die Berliner Universität im Kontext der deutschen Universitätslandschaft nach 1800, um 1860 und um 1910 abzuhalten, dessen Ergebnisse der vorliegende Band jubiläumsgerecht der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt.

 

Das Personenverzeichnis der Tagung weist insgesamt 12 Teilnehmer aus Bonn, Berlin, Jena, Frankfurt am Main, Graz, Göttingen, Albuquerque/New Mexico, Leipzig, Dresden, Würzburg und Bern aus, das Inhaltsverzeichnis neben der kurzen Einführung des Veranstalters elf damit nicht vollständig deckungsgleiche Referate. Sie gliedern sich in vier Abteilungen. Diese betreffen (1) den Gestaltwandel der deutschen Universität um 1800, (2) das Selbstverständnis und Umbauten der Universität im deutschsprachigen Raum 1850/60, (3) strukturelle Rahmenbedingungen im Wandel und (4) stolze Selbstwahrnehmung - Konkurrenzen - Verwerfungen. Die deutsche Universität am Vorabend des Ersten Weltkriegs, entsprechen also der Gliederung des Titels ebenfalls nicht völlig.

 

Am Beginn steht Notker Hammerstein mit Aufbruch in Reformen, am Ende Charles E. McClelland mit der Frage nach inszenierter Weltgeltung einer prima inter pares im Jahre 1910, in dem der allmähliche Abstieg der vor allem von Berlin repräsentierten Geltung deutscher Wissenschaft vielleicht schon absehbar wird. Dazwischen werden viele wichtige allgemeinwissenschaftsgeschichtliche Themenfelder in und um Berlin berührt, deren Betrachtung zu zahlreichen neuen Erkenntnissen führt. Summaries der einzelnen Untersuchungen und Register der Orte und Personen (darunter auch Savigny, Marx und Mommsen) schließen sie benutzerfreundlich auf.

 

Innsbruck                                                                                                                  Gerhard Köbler