Deutsches Verfassungsrecht 1806-1918. Eine Dokumentensammlung nebst Einführungen, Band 2 Bayern, hg. v. Kotulla, Michael. Springer, Berlin 2007. XL, 2038 S. Besprochen von Andreas Kley.

 

Michael Kotulla legt den zweiten Band seiner monumentalen Dokumentensammlung dar. Der Band wird durch eine umfangreiche historische Einleitung eröffnet (S. 3-390). Die Einleitung ist ausgesprochen sachhaltig und verweist stets auf die Dokumente und die entsprechenden Artikel. Wie präzise der Autor arbeitet, zeigt sich beispielhaft im Abschnitt über Bayerns verfassungsrechtliche Stellung im Deutschen Reich nach 1871. Kotulla erläutert die Regelungen der Reichsverfassung von 1871. Freilich hatte sich Bayern –  außerhalb der Verfassung – zusätzliche Sonderrechte ausbedungen. Im Bereich des Militärwesens galten nicht die Bestimmungen der Art. 61-68 der Reichsverfassung, sondern die Regelungen von Abschnitt III § 5 Nrn. I-VII des Bündnisvertrages; „was der ungeachtet dessen prinzipiell nur noch beschränkt weiter bestehenden Militärhoheit des bayerischen Königs gegenüber derjenigen anderer Einzelstaaten immerhin eine besondere Note verlieh“ (S. 340).

 

Der dokumentarische Teil ist äußerst reich ausgestattet: Er umfasst die gesamte verfassungswesentliche Gesetzgebung. Im Konstitutionalismus waren das vor allem kurfürstliche bzw. königliche Verordnungen, später Gesetze des Landtags und der Krone. Die historischen Dokumente verweisen stets auf die umfangreiche Einführung und erlauben dem Leser vorab eine gute Orientierung. Das Werk ist deshalb auch für die interessierten Laien sehr geeignet, da es zum Verständnis der Dokumente die nötigen Hilfestellungen bietet.

 

Das Werk endet, seinem Konzept entsprechend 1918. Dort ist als letztes Dokument, die Anifer Erklärung des Königs von Bayern, abgedruckt. Dieser bekannte, dass er Zeit seines Lebens stets mit dem Volk und für das Volk gearbeitet habe. Schon diese Formulierung zeigt, dass das Königtum in sein letztes Stadium getreten ist. Der König nimmt die Formulierung auf die etwa Abraham Lincoln in seiner Gettysburg Rede am 19. November 1863 gebraucht hatte und die im 19. Jahrhundert von verschiedenen Rednern schon früher gebraucht worden war. Lincoln gelobte, „dass die Herrschaft des Volkes durch das Volk und für das Volk nicht von dieser Erde verschwinde“ (H. Schambeck u. a., Dokumente zur Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, Berlin 1993, S. 374f., S. 375). Von allein schließt sich da die Frage an, warum sich der König von Bayern denn mit dem Volk legitimieren will? Allein die Tatsache, dass er es tut, bedeutet seine Abdankung. Schließlich entbindet der König am Ende seiner Anifer Erklärung seine Untergebenen vom geleisteten Treueid und stellt damit alle Beamte, Offiziere und Soldaten frei. So gehen diese Personen und damit auch Bayern – im Rückblick muss man sagen scheinbar – ihrer Freiheit entgegen.

 

Zürich                                                                                     Prof. Dr. Andreas Kley