Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V. Der Reichstag zu Augsburg 1555, in vier Bänden bearb. v. Aulinger, Rosemarie/Eltz, Erwein H./Machoczek, Ursula (= Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe, Bd. 20). Oldenbourg, München 2009. 1-644, 645-1677, 1679-2577, 2579-3223 S. Besprochen von J. Friedrich Battenberg.

 

Zusammen mit dem „Geharnischten“ Reichstag von 1547/1548 ist der Augsburger Reichstag von 1555, mit dem eine Wende in der Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches eingeleitet wurde, der wohl wichtigste Reichstag der Reichsgeschichte im 16. Jahrhundert überhaupt. Nicht ohne Grund ist diesem deshalb die bisher umfangreichste Quellenedition der Reihe „Deutsche Reichstagsakten“ gewidmet. Zugleich wurde nach den dem Augsburger Reichstag von 1547/1548 gewidmeten drei Teilbänden (Rezension ZRG GA 125, S. 724-725) und den dem Augsburger Reichstag von 1550/1551 gewidmeten zwei Teilbänden (Rezension ZRG GA 124, S. 550-552) die Serie der „Jüngeren Reihe“ zum Abschluss gebracht, auch wenn nach wie vor einige der zeitlich frühere Bände ausstehen. Die Bearbeiter der Bände 18 und 19, Ursula Machoczek und Erwein Eltz, sind zusammen mit Rosemarie Aulinger zugleich Bearbeiter der vorliegenden vier Teilbände, so dass auch die Kontinuität in der Anwendung der bisher praktizierten Bearbeitungsprinzipien gewahrt blieb (vorgestellt in Band 10 der Reihe, erschienen Göttingen 1990, auf S. 59 bis 69, ergänzt in Bd. 16, München 2003, S. 51-54). Angesichts des umfangreich vorhandenen Quellenmaterials mussten indes weitere Abstriche gemacht werden; vor allem sind nicht alle Akten der Hauptverhandlungen vollständig abgedruckt. Auswahlkriterien für die Aktenstück waren deren reichsrechtliche Relevanz bzw. ihre Bedeutung für die Dokumentation des Reichstags von 1555.

 

Die Akten einschließlich der Vorakten des Augsburger Reichstags von 1555 sind in insgesamt neun Kapiteln zusammengestellt. Im ersten Kapitel geht es um die Vorbereitung des Reichstags, chronologisch gegliedert in die Periode von den Passauer Beschlüssen von 1552 bis zur dritten Prorogation, dann bis zur vierten Prorogation und schließlich bis zur Eröffnung des Tages. In Kapitel 2 sind die Instruktionen der Fürsten und Städte für ihre Abgesandten enthalten. Kapitel 3 umfasst die Protokolle des Kurfürstenrats und des Dr. Johann Ulrich Zasius sowie Berichtsprotokolle aus unbekannter Hand. Allein der Abdruck der hier aufgeführten Protokolle füllt einen ganzen, nämlich den zweiten Teilband der Edition. Kapitel 4 ist den Verhandlungen über den Religionsfrieden gewidmet, und zwar von der Proposition und den ersten Beratungen, den ersten Bedenken, den Versuchen zur Vergleichung bis hin zur Konstitution König Ferdinands über den Religionsfrieden vom 21. September 1555. Gleichen Raum nimmt das fünfte Kapitel über „Friede und Recht“ ein, in dem es um den Landfrieden und die Reichskammergerichtsordnung geht. Beide Komplexe (Kapitel 4 und 5) füllen allein den dritten Teilband. Im vierten Teilband der Edition werden die Supplikationen ediert (Kapitel 6), einige den genannten Materien nicht zuordenbare „Varia“ (Kapitel 7), darunter auch Abschiede von Reichskreistagen, Berichte und Mandate, die Korrespondenzen der Habsburger sowie einzelner Reichsfürsten (Kapitel 8) sowie die Reichsabschiede (Kapitel 9)., darunter der Abschied vom 25. September 1555 (Nr. 390), ein Münzmandat König Ferdinands gleichen Datums (Nr. 391) sowie ergänzend dazu ein Bericht der kursächsischen Gesandten über die Arbeit des interkurialen Ausschusses zur Abfassung des Reichsabschieds über das Ende des Reichstags vom 25/26. September 1555 (Nr. 392). Ein Register der Personennamen und Ortsnamen (unter „Reich“ auch einige Sachbetreffe wie „Reichskammergericht“, auch der Sammelbegriff „Juden“) beschließen den Band.

 

Für den rechtshistorischen Gebrauch sind die vier Bände zum Augsburger Reichstag von 1555 zweifellos von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Sie bieten nicht nur zuverlässige Editionen des Religionsfriedens samt „Declaratio Ferdinandea“ (Nrr. 230-232, S. 2125-2134), der Reichskammergerichtsordnung (Nr. 274, S. 2553-2557) sowie weiterer Reichsabschiede vom 25. September 1555 (Nrr. 391-392, S. 3102-3161), sondern auch die Texte begleitender Verhandlungen, von Entwürfen, Berichten und Stellungnahmen, die jeweils zur Interpretation und zur Beurteilung der Entstehungsgeschichte herangezogen werden können. Hinsichtlich des Textes der Reichskammergerichtsordnung konnte weitgehend auf den in Band XVIII der Jüngeren Reihe der Reichstagsakten bereits edierten der Ordnung von 1548 (dort Nr. 116 D) verwiesen werden, zumal der Gesamttext bereits 1976 in einer Edition von Adolf Laufs vorgelegt worden ist (Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, als Bd. 3 der „Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich), die nach wie vor ihren Wert besitzt.

 

Die Bearbeiter bzw. Bearbeiterinnen haben sich jedoch nicht auf eine bloße Edition der Texte beschränkt; sie haben vielmehr in einer ausführlichen Einleitung nicht nur über ihre Bearbeitungsgrundsätze und die Anlage der Bände, über die von ihnen benutzten Quellen, die Forschungsliteratur (warum unter dieser die von Bettina Dick 1981 als Band 10 der „Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich“ veröffentlichte Arbeit über „Die Entwicklung des Kameralprozesses nach den Ordnungen von 1495 bis 1555“ fehlt, ist unklar, wie überhaupt ausgesprochen rechtshistorische Arbeiten kaum aufgeführt werden) und über die Vorgeschichte des Reichstags beriechtet, sondern legen im Übrigen auch detailliert den Verlauf des Augsburger Tages unter ständigem Verweis auf die edierten Aktenstücke dar. Damit wird es dem Leser ermöglicht, in einem ersten Überblick Schneisen durch das Dickicht der kaum noch übersehbaren Aktenstücke zu schlagen. Die rechtshistorische Arbeit wird damit etwas erleichtert. Doch wird damit noch nicht der Verzicht auf ein Sachregister ersetzt, denn erst durch die Bildung von juristisch relevanten Sachbegriffen hätte eine vollständige Benutzung der Texte im Hinblick auf konkrete rechtshistorische Fragestellung ermöglicht werden können. Dies ist freilich nicht den Autoren zum Vorwurf zu machen, da diese Entscheidung auf den Vorgaben der Herausgeber der „Jüngeren Reihe“ beruht.

 

Darmstadt                                                                                          J. Friedrich Battenberg