Braun, Michael, Der Badische Landtag 1918-1933 (= Handbuch der Geschichte des deutschen Liberalismus). Droste, Düsseldorf 2009. 645 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Eine umfassende Darstellung der parlamentarischen Entwicklung eines deutschen Landtages während der Weimarer Zeit lag bisher mit einem Werk Horst Möllers nur für den preußischen Landtag vor. Es ist deshalb zu begrüßen, dass mit den Untersuchungen Michael Brauns der Blick auf die Parlamentsgeschichte eines weiteren Landes ausgeweitet worden ist. Braun behandelt zunächst den badischen Weg in die Republik und anschließend die Entstehung der noch vor der Reichsverfassung ergangenen, von der Badischen Nationalversammlung verabschiedeten Verfassungsurkunde vom 21. 3. 1919 (S. 87ff.; zum Verfasser des maßgebenden Entwurfs Andreas Hunkel, Eduard Dietz [1866-1940] – Richter, Rechtsanwalt und Verfassungsschöpfer, Frankfurt am Main 2009). Es folgt ein Abschnitt über die Gesetzgebung des Badischen Landtags (Vorhaben im Bereich des öffentlichen Rechts, des Bereichs „Wirtschaft“, der Schulgesetzgebung sowie der Haushalts- und Finanzgesetzgebung). Im folgenden Abschnitt geht es um „Wahlen und Gewählte“ (S. 367ff.; Landtagswahlrecht; Ergebnisse der Wahlen 1921, 1925 und 1928 sowie Zusammensetzung der Fraktionen). Im Abschnitt über die Regierungsbildungen stellt Braun heraus, dass fast zehn Jahre lang in Baden grundsätzlich die Weimarer Koalition (Zentrum, SPD, DDP, teilweise auch DVP) amtierte. Die stärkste Partei, das badische Zentrum, hatte sich als erster Landesverband auf den Boden des neuen Staates gestellt (S. 504). Das Zentrum und die Sozialdemokratie waren sich „über viele Jahre hinweg deutlich näher als irgendwo in Deutschland“ (S. 513). Erst mit der Reichstagswahl im Juni 1932 zeigte sich, dass die Koalition mit 43,9% der Stimmen keine Mehrheit in der Bevölkerung mehr hatte (S. 408). Die politischen Parteien und Akteure waren in hohem Maße konflikt- und konsensfähig (S. 466), was in einem pragmatischen Politikstil zum Ausdruck kam (S. 440). Die badischen Politiker handelten hinsichtlich des Nationalsozialismus „mit eben jener Entschiedenheit und Konsequenz, die auf Reichsebene vielfach fehlte“ (S. 488). Im Schlussabschnitt befasst sich Braun mit dem Ende des 1929 letztmals gewählten Landtags in den Jahren 1932/33 (S. 475ff.). Das Schlusskapitel geht der Frage nach, ob in Baden „alles anders“ gewesen sei (S. 503ff.). Im Anhang bringt Braun eine synoptische Darstellung der Verfassung und der Entwürfe (S. 572ff.). Der Anhang enthält ferner u. a. Übersichten über die Wahlergebnisse, über die Gesetzgebung des Landtags, die Fraktionen, die Zusammensetzung des Badischen Staatsministeriums und über die Fraktionsvorsitzenden. Neben einem Personenregister (S. 638ff.) wäre auch ein Sachregister nützlich gewesen.

 

Die Untersuchungen Brauns beruhen auf einer detaillierten Auswertung der archivalischen Quellen und der umfangreichen Landtagsverhandlungen, die hinsichtlich der Badischen Nationalversammlung und der 1. Sitzungsperiode des Landtags nur teilweise „stenografisch“ sind (S. 25). Nicht ganz einsichtig ist die Entscheidung Brauns, die Gesetzgebung des Landtags vor den Abschnitten über die Wahlen und die Regierungsbildungen zu behandeln. Weshalb „die Rolle Badens – ähnliches gilt für die anderen Länder – im Reichsrat wenig konturiert“ sei (S. 26), wird nicht näher erläutert. Für den Bereich der Straf- und Zivilgesetzgebung lässt sich dies, wenn diese auch weitgehend nicht zustande kamen, nicht allgemein sagen (vgl. die nicht wenigen Anträge und Stellungnahmen Badens zum formellen Strafrecht bei W. Schubert [Hrsg.], Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, Abt. I Bd. 4, Berlin 1999). Die Darstellung Brauns hätte an Farbigkeit noch gewonnen, wenn sie stärker auf die Biographie der führenden badischen Parlamentarier und Minister eingegangen wäre. Wenn man von der breiten Darstellung der Verfassungsgebung (S. 87), der Schulgesetzgebung (S. 288ff.) und der Haushalts- und Finanzgesetzgebung (S. 322ff.) absieht, werden die übrige Gesetzgebung und rechtspolitische Diskussionen (etwa zu der Frage, ob und wieweit Fragen der Justiz behandelt wurden) nur knapp angesprochen. Insgesamt liegt mit dem Werk Brauns eine detaillierte Darstellung des badischen Parlamentarismus von 1919 bis 1933 vor, die auch für den Rechts- und Verfassungshistoriker eine willkommene Bereicherung darstellt.

 

Kiel

Werner Schubert