Bibel und Exegese in der Abtei Saint-Victor zu Paris. Form und Funktion eines Grundtextes im europäischen Rahmen, hg. v. Berndt, Rainer (= Corpus Victorinum, Instrumenta 3). Aschendorff, Münster 2009. 692 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Band legt die Ergebnisse einer vom 18. bis zum 21. April 2004 im Erbacher Hof, der Katholischen Akademie des Bistums Mainz, abgehaltenen Tagung vor. Eingeleitet wird er durch den Herausgeber, der den Ausgangspunkt, Gegenstand und Bedeutung, Forschungskontexte und inhaltliche Gliederung umreißt. Danach folgen insgesamt drei Teile.

 

Der erste Teil betrifft die Heilige Schrift und Schreiber im Kontext sowie als Felder der Schriftauslegung die Liturgie und die Kirchenväter. Dabei zeigt etwa Joachim Ehlers den Einzugsbereich und die Wirkung der Kanonikergemeinschaft Saint Victor in Europa im 12. Jahrhundert auf. Matthias M. Tischler dekonstruiert einen Mythos an Hand der ältesten Sammlungen glossierter Bibelhandschriften im 12. und 13. Jahrhundert.

 

Der zweite Teil behandelt die Schriftauslegung einzelner Viktoriner und die Hermeneutik der Schriftauslegung. Dabei untersucht beispielsweise Ursula Vones-Liebenstein die Rolle der Bibel im Leben von Regularkanonikerabteien durch einen Vergleich zwischen Saint-Ruf und Saint-Victor. Ursula Nilgen stellt die frühen illuminierten Lombardus-Kommentare zum Psalter und zu den Paulusbriefen vor.

 

Im dritten Teil geht es um Exegese am Scheideweg und Texte und Kontexte viktorinischer Exegese. Dabei schildert der Herausgeber die Grundstruktur christlicher Theologie bei den Viktorinern an Hand der Exegese des Alten Testaments. Christoph Egger legt die viktorinische Exegese in Süddeutschland im 12. und 13. Jahrhundert dar.

 

Insgesamt verbessern die 24 Beiträge die Kenntnisse über die Abtei Sankt Viktor in vielen Beziehungen. Dabei werden neue Einsichten in den räumlichen und zeitlichen Ausgangspunkt gewonnen, die Absichten der Autoren erhellt und Wirkungen Sankt Viktors aufgezeigt. Umfangreiche bibliographische Nachweise und Register erschließen das vielfältige, in internationaler Zusammenarbeit entstandene Werk, dessen grundsätzliche Aussagen auch die Rechtsgeschichte anregen können.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler