Bevers, Jürgen, Der Mann hinter Adenauer. Hans Globkes Aufstieg vom NS-Juristen zur Grauen Eminenz der Bonner Republik. Ch. Links Verlag, Berlin 2009. 240 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der nach Studium von Rechtswissenschaft in Köln und Medienwissenschaften, Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte in Köln und Osnabrück seit 1976 als freier Journalist und Redakteur für Zeitungen und Zeitschriften sowie seit 1985 für Hörfunk und Fernsehen tätige Verfasser untersucht den bemerkenswerten Lebenslauf eines sowohl im Dritten Reich wie auch in der frühen Bundesrepublik Deutschland an führender Stelle tätigen Juristen. Trotz dieses interessanten Gegenstands ist kein Interessent als Rezensent für das auf einer Fernsehdokumentation des Jahres 2008 beruhende Werk hervorgetreten. Deswegen soll es wenigstens vom Herausgeber angezeigt werden.

 

Hans Maria Globke wurde in Düsseldorf am 10. September 1898 als Sohn eines Tuchhändlers geboren, besuchte nach dem Umzug der streng katholischen Familie nach Aachen das dortige Kaiser-Karls-Gymnasium, leistete von 1916 bis 1918 Kriegsdienst bei einer Artillerieeinheit an der Westfront und studierte anschließend in Bonn und Köln Rechts- und Staatswissenschaften. Er wurde Mitglied im Cartellverband der katholischen deutschen Verbindungen, dessen Wirken mit der Abkürzung cv für cuvall oder Zufall verknüpft wird, und 1922 in der Zentrumspartei, in der er auf örtlicher Ebene Angehöriger des Vorstands und des Parteiausschusses wurde. 1922 wurde er mit 24 Jahren in Gießen mit einer nur im Auszug gedruckten Untersuchung über die Immunität der Mitglieder des Reichstags und der Landtage mit der Note magna cum laude promoviert.

 

Nach dem Abschluss des juristischen Vorbereitungsdiensts wurde er in der Verwaltungslaufbahn des öffentlichen Dienstes Preußens 1925 Vertreter des Polizeipräsidenten von Aachen, 1926 Regierungsassessor. 1929 wechselte er als Regierungsrat in das Ministerium des Inneren Preußens. 1932 wurde er Referent für Verfassungsrecht und Staatsrecht mit Zuständigkeit für Standesamtssachen und Namensänderungen.

 

In dieser Eigenschaft erarbeitete er Richtlinien zur Behandlung von Namensänderungen. Nach ihnen dient der Familienname der Kenntlichmachung der blutmäßigen Zusammenhänge. „Jede Namensänderung im Verwaltungsrechtswege beeinträchtigt (deshalb) die Erkennbarkeit der Herkunft aus einer Familie, verschleiert die blutmäßige Abstammung und erleichert damit die Verdunkelung des Personenstandes“, weshalb „Bestrebungen jüdischer Personen, ihre jüdische Abkunft durch Ablegung oder Änderung ihrer jüdischen Namen zu verschleiern“, „nicht unterstützt werden“ können.

 

Nach dem Verfasser zeigten bei diesen Worten vielleicht Zeitströmungen bei Globke Wirkung. Vielleicht war es auch einfach Anpassung unter politischem Druck, der Verzicht auf offene Opposition, um die eigene Karriere nicht zu gefährden. Möglicherweise kamen mehrere Beweggründe zusammen, wobei Globke loyal „bis in die Zehenspitzen“ gegenüber seinem Dienstherrn war.

 

Nach der nicht zu einer regierungsfähigen Mehrheit in Preußen führenden Landtagswahl vom 24. 4. 1932, der das Exekutivrecht in Preußen der Reichsregierung übertragenden Notverordnung des Reichspräsidenten, der Bestellung des früheren Zentrumspolitikers Franz von Papen zum Reichskommissar für Preußen am 6. 2. 1933, der Schaffung eines (vom Verfasser zeitlich nicht näher bestimmten) Ermächtigungsgesetzes Preußens und der Bestellung Hermann Görings zum Ministerpräsidenten Preußens am 10. 4. 1933 wirkte Globke am Ermächtigungsgesetz Preußens vom 1. 6. 1933, am Gesetz über den Provinzialrat, am Gesetz über die Landesregierung, am Gesetz über den Staatsrat (vom 8. 7. 1933 - dessen Präsident bis 1933 Konrad Adenauer war -) und am Gesetz über die Anpassung der Landesverwaltung an die Grundsätze des nationalsozialistischen Staates mit. In der von Roland Freisler als Staatssekretär im Justizministerium Preußens und von Ludwig Grauert als Staatssekretär im Innenministerium Preußens herausgegebenen Gesesetzessammlung „das neue Recht in Preußen“ kommentierte Globke unter anderem das Ermächtigungsgesetz und die Gesetze über den Staatsrat und den Verwaltungsrat. Dabei führte er etwa aus: „Wenn nach dem Siege der nationalen Revolution eine Opposition oder gar Obstruktion des Landtags gegenüber der Regierung auch nicht mehr in Frage kommt, so ist damit doch nicht gleichzeitig auch die Schwerfälligkeit des parlamentarischen Gesetzgebungswegs beseitigt worden“, so dass sein Ersetzen durch ein vereinfachtes Gesetzgebungsverfahren daher bei der Fülle der zu bewältigenden Aufgaben dringendes Erfordernis blieb.

 

Am 1. 12. 1933 wurde Globke, dessen Zentrumspartei sich am 5. 7. 1933 selbst aufgelöst hatte, zum Oberregierungsrat befördert. Am 1. 11. 1934 wurde das Innenministerium Preußens mit dem Innenministerium des Deutschen Reiches vereinigt. Globke wurde als Referent mit Zuständigkeit für Namensänderungsfragen und Personenstandsfragen übernommen, wobei er 1956 sein Verbleiben im Amt damit begründete, dass er gerade aus oppositionellen Kreisen immer wieder gebeten worden sei, nicht aus seinem Amt auszuscheiden, und zudem vortrug, er habe sich dem Diensteid auf Adolf Hitler während der Eideszeremonie dadurch entzogen, dass er sich in eine Nische zurückgezogen habe, wenn er auch eine Vereidigungsbestätigung am 27. 8. 1934 unterschrieb.

 

Trotz weiterer Zuständigkeiten für allgemeine Rassefragen, Einwanderungen und Auswanderungen, Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Blutschutzgesetz vom 15. 9. 1935 sowie internationalen Fragen auf dem Gebiet des Staatsangehörigkeitswesens und der Optionsverträge (1937) war Globke nach dem Verfasser an der Formulierung der Nürnberger Rassegesetze nicht unmittelbar beteiligt. Nach einer Stellungnahme im Jahre 1961 arbeitete er bei der ersten Ausführungsverordnung zum Reichsbürgergesetz und zum Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der Ehre vorübergehend mit, um „die Wünsche des Stellvertreters des Führers, die auf eine Verschärfung der Gesetze hingingen, dabei mit Hilfe anderer Beamter zu unterbinden“, wobei nach dem Verfasser mit den anderen Beamten in erster Linie der „Judenreferent“ Bernhard Lösener gemeint gewesen sein dürfte. Seine auch auf diese Vorgänge gegründeten moralischen Zweifel an Globke kleidet der Verfasser in die Wendung, dass man sich nicht ständig an staatlichen Terrormaßnahmen beteiligen und sich später auf seinen angeblichen inneren Vorbehalt berufen könne, um sich von jeglicher Schuld freizusprechen.

 

1936 gab Globke, zu dessen Aufgabenbereich die Vorbereitung von Gesetzeskommentaren gehörte, zusammen mit seinem vorgesetzten Staatssekretär Wilhelm Stuckart (1922 NSDAP, 1935 Staatssekretär) den ersten amtlichen Kommentar zu den Nürnberger Rassegesetzes heraus. Das Vorwort schrieb Stuckart. Die Kommentierung verfasste Globke, der etwa den Dreiachteljuden, der einen volljüdischen und einen halbjüdischen Großelternteil besitzt, als Mischling mit einem volljüdischen Großelternteil und den Fünfachteljuden mit zwei volljüdischen und einem halbjüdischen Großelternteil als Mischling mit zwei volljüdischen Großeltern bezeichnete und im Übrigen nach den Worten des Verfassers nationalsozialistische Rassenpolitik mit katholischer Sexualmoral verquickte.

 

Am 25. 4. 1938 zählte der Reichsinnenminister Oberregierungsrat Globke unzweifelhaft zu den befähigtsten und tüchtigsten Mitarbeitern seines Ministeriums. Danach wurde Globke trotz seiner langjährigen Zugehörigkeit zur Zentrumspartei zum Ministerialrat ernannt, als welcher er 1941 einen später abgelehnten Antrag auf Aufnahme in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei stellte. Nach Ablösung des bisherigen Innenministers wurde er im Kriegsgeschäftsverteilungsplan vom 1. 7. 1943 als Referent für die Verbindung zur Reichskanzlei genannt.

 

Am Ende des Monats März 1945 verließ Globke nach eigenen Worten unter einem Vorwand Berlin und begab sich im Krankenstand nach Ermittlungen des Verfassers (aber erst) nach dem 12. 4. 1945 zu seiner Familie in Kochel in Bayern. Am 20. 8 1945 wurde er verhaftet, danach in Bad Tölz, Starnberg, Moosburg und Freising interniert und anschließend in das Ministerial Collecting Center in Hessisch-Lichtenau eingewiesen. Dort traf er auf den aus seiner Zeit im Innenministerium bekannten Robert M. W: Kempner, der später stellvertretender Hauptankläger der Nürnberger Prozesse wurde und nach den Worten des Verfassers zwar Innenminister Frick an den Galgen lieferte, aber seine schützende Hand über Globke hielt.

 

Am 28. 12. 1945 wurde Globke vor allem dank der Unterstützung Robert Kempners aus dem Internierungslager für Ministerialbeamte entlassen und (dank seiner relativen Kooperationsbereitschaft) Rechtsberater für die britische Militärregierung, für die er Rechtsgutachten erstellte und ein schnelleres Entnazifizierungsverfahren vorschlug. Von einem deutschen Gericht wurde er als unbelastet eingestuft. Am 20. Juni 1946 schied er als Rechtsberater der britischen Militärregierung aus, wurde am 1. 7. 1946 Stadtkämmerer in Aachen und trat der Christlich Demokratischen Union bei.

 

Nach Scheitern als Kandidat für die Stellung als Oberbürgermeister in Trier (1948) wurde er 1949 Vizepräsident des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen in Krefeld. Obwohl Konrad Adenauer als Oberbürgermeister Kölns den Vizepolizeipräsidenten Aachens oder als Staatsratspräsident Preußens den für das Gesetz über den Staatsrat vom 8. 7. 1933 wichtigen Verwaltungsbeamten nicht gekannt haben soll, kamen sie nach Angaben des Verfassers doch in Beziehung zueinander. Konrad Adenauer beauftragte ohne besondere Zuständigkeit als Präsident des Parlamentarischen Rates den ihm aus dem Beirat der britischen Besatzungszone in Hamburg bekannten Dr. Erich Keßler, der 1945 Ministerialdirigent des Reichsinnenministeriums und 1948 Ministerialrat bei dem Rechnungshof der britischen Besatzungszone war, mit Vorbereitungen für den personellen Aufbau einer künftigen Bundesregierung. Kessler wählte als Mitarbeiter den Stadtkämmerer Globke und den ebenfalls zeitweise im Reichsinnenministerium tätigen Hans Ritter von Lex aus, war von den Fähigkeiten Globkes tief beeindruckt und ließ Adenauer über dessen Referenten Herbert Blankenhorn (ehemaliges Mitglied der Nationalsozialistischen Partei Deutschlands, 1951 Leiter der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amts) mehrfach voll des Lobes darüber berichten. Konrad Adenauer, der dem bizonalen Personalamt in Frankfurt am Main misstraute, belohnte seine drei Helfer damit, dass er Globke im Oktober 1949 zum Ministerialdirigenten, im Frühjahr 1950 zum Ministerialdirektor und Leiter der Hauptabteilung für innere Angelegenheiten sowie 1953 zum Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Ritter von Lex zum Staatssekretär und Keßler zum Unterabteilungsleiter im Bundesinnenministerium bestellte.

 

Auf diese Weise wurde Hans Globke zum Mann hinter Konrad Adenauer, der sich bei Bedarf entschieden hinter ihn stellte. Er war ein auf Fortkommen bedachter, stets pflichtgetreuer Beamter und loyaler Diener wechselnder Herren ohne besondere Skrupel und mit nötigenfalls vollständig fehlender Erinnerung, der mit etwas Glück in der Bundesrepublik Deutschland bis zu einer grauen Eminenz mit später nie mehr erreichter Machtfülle aufsteigen konnte. Nach Adenauers Abtritt geriet er in Vergessenheit, aus der ihn Film und Buch des Verfassers zu Recht ein wenig hervorholen wollen, obwohl viele Akten noch nicht geöffnet sind und eine kritische Analyse der Rolle des in Bonn am 13. 2. 1973 verstorbenen Globke noch fehlt.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler