Beutler, Johannes E., Die Reallast im Spannungsfeld veränderter Anwendungsbereiche und herkömmlicher Inhaltsbestimmung (= Arbeiten zum Sachenrecht 4). Lang, Frankfurt am Main 2009. 167 S. Besprochen von Hans-Michael Empell.

 

Die Untersuchung wurde 2009 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln als Dissertation angenommen. Im Vorwort (S. 5) teilt der Autor mit, dass Jürgen F. Baur die Arbeit angeregt und begleitet und Hanns Prütting sie geprüft hat. Einem kurzen Lebenslauf kann entnommen werden, dass der 1930 geborene Verfasser mehrere Jahrzehnte lang im Bankwesen gearbeitet hat.

 

In einer knappen Einleitung (S. 13f.) formuliert der Autor die für die Untersuchung maßgebliche Fragestellung: „Wozu brauchen wir heute noch die Reallast?“ Der historische Hintergrund, der durch die Frage angedeutet wird, ist darin zu sehen, dass die Reallast aus einer Zeit stammt, in der Deutschland überwiegend landwirtschaftlich geprägt war. Die Bauern hatten ihren (weltlichen oder geistlichen) Grundherren wiederkehrende Leistungen zu erbringen, zum Beispiel einen festgelegten Anteil des Ertrages. Während des 19. Jahrhunderts wurden derartige Pflichten im Zuge der „Befreiung des Bodens“ zum Teil aufgehoben, zum Teil blieben sie als Reallasten und Dienstbarkeiten erhalten und wurden erst 1918/1919 beseitigt. Ein weiterer, wichtiger Anwendungsbereich war das bäuerliche Altenteilsrecht. Der frühere Eigentümer eines Hofes erhielt vom Übernehmer nicht nur ein dingliches Wohnrecht, sondern auch ein dinglich gesichertes Recht auf wiederkehrende Sach- und Dienstleistungen (vor allem Verköstigung, Pflege im Krankheitsfall). Die Industrialisierung führte dazu, dass die Landwirtschaft an Bedeutung verlor. Um die Frage zu beantworten, wozu „wir heute noch die Reallast“ brauchen, hat der Autor die über das Internet zugängliche Juris-Datei (Stichwort „Rechtsprechung – Reallast“) ausgewertet, um eine „typologische Ordnung“ der aktuell bedeutsamen Fälle auszumachen. Die Abhandlung umfasst fünf Teile.

 

Der erste Teil (S. 15ff.) behandelt die „Reallast im geltenden deutschen Recht“. Ausgangspunkt sind die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 1105-1112). Eine Reallast liegt vor, wenn ein Grundstück in der Weise belastet wird, dass zugunsten des Berechtigten „wiederkehrende Leistungen aus dem Grundstücke zu entrichten sind“ (§ 1105 Abs. 1 BGB). Der Verfasser erläutert die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches sowie landesrechtliche Vorschriften, die aufgrund des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch in Kraft geblieben sind. Nützlich ist eine Tabelle der heute gültigen Landesgesetze, die es dem Leser ermöglicht, sich rasch zu informieren (S. 42.). Eine Sonderstellung nimmt die Erbbauzinsreallast ein, die dem Zweck dient, einen Erbbauzins als wiederkehrende Leistung zu sichern (Gesetz über das Erbbaurecht vom 15. 1. 1919). Die Analyse von 239 gerichtlichen Beschlüssen und Urteilen aus den Jahren von 1980 bis 2007 führt zu dem Resultat, dass die Reallasten überwiegend „im weitesten Sinne persönlichen oder familiären Versorgungsaufgaben dienen“ (S. 48). Nur einige wenige Fälle lassen sich danach gewerblich einordnen. Eine Tabelle (S. 49) gibt einen Überblick über diese und weitere Ergebnisse der Auswertung.

 

Im zweiten Teil der Untersuchung (S. 51ff.) mit dem Titel „Die Reallast zwischen Sachenrecht und Schuldrecht“ widmet sich der Autor dogmatischen Fragen. Er behandelt die „rechtliche Natur der Reallast“ (S. 51ff.), untersucht ferner, ob die Reallast eher als Nutzungsrecht oder als Sicherungsrecht einzuordnen ist (S. 61ff.), geht auf die “Entstehung der Reallast“ (S. 64ff.) und die „Ansprüche des  Reallastgläubigers“ ein (S. 68ff.) und befasst sich ausführlich mit dem „Leistungsbegriff der Reallast“ (S. 70ff.) sowie der „Reallast im Rechtsverkehr“ (S. 79ff.). Schließlich wendet er sich der „Reallast in der Zwangsvollstreckung“ zu (S. 81ff.).

 

Der dritte Teil (S. 85ff.) ist einer „Typologie der Reallast“ gewidmet. Grundlegend ist danach die in §§ 1105 Abs. 2 und 1111 BGB festgelegte Unterscheidung zwischen der subjektiv-dinglichen Reallast (zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks) und der subjektiv-persönlichen Reallast (zugunsten einer bestimmten Person). Der größte Anteil der ausgewerteten Reallasten ist subjektiv-persönlicher Natur. Sie dienen meistens einem Versorgungszweck; überwiegend sind sie als Altenteilsrechte ausgestaltet. Der Autor unterscheidet zusätzlich danach, ob das belastete Grundstück zumindest teilweise der Existenzsicherung des Übernehmers dient (wie beim traditionellen Altenteil in agrarischen Verhältnissen) oder nicht (bei städtischen Wohngrundstücken). Als weiteren Typ der subjektiv-persönlichen Reallast nennt der Verfasser die Rentenreallast; die „wiederkehrenden Leistungen“ bestehen hier in einer Rente. Die subjektiv-dinglichen Reallasten gliedert der Autor in die Erbbauzinsreallast und solche Reallasten, bei denen der Grundstückseigentümer verpflichtet ist, Naturalien, Wasser, Wärme oder Energie zu liefern (relativ selten) oder Leistungen für den Betrieb und die Instandhaltung baulicher Anlagen zu erbringen. Dieser Typ ist von Bedeutung, wenn bauliche Anlagen im Eigentum eines Einzelnen stehen, jedoch gemeinschaftlich, zusammen mit Nachbarn, genutzt werden. Die Erstattung der Kosten durch alle Nutzer kann durch Reallasten an den Nachbargrundstücken gesichert werden.

 

Der vierte Teil (S. 115ff.) mit dem Titel „Die Suche nach der versteigerungsfesten Reallast“ befasst sich mit der Frage, wie bei personenbezogenen Versorgungsreallasten sichergestellt werden kann, dass die Reallast im Vollstreckungsfall erhalten bleibt. Eine Klärung der Frage ist notwendig, weil die geltenden Regelungen, die dem Zweck dienen, solche Reallasten in der Zwangsvollstreckung zu schützen, allgemein als unzureichend angesehen werden. Dem Autor zufolge stellte sich die Frage bei der Übergabe landwirtschaftlich genutzter Grundstücke an die folgende Generation in früheren Zeiten nicht in gleichem Maße wie in der Gegenwart; heute sei den Berechtigten stärker an rechtlicher Absicherung gelegen. Der Verfasser geht ausführlich auf mehrere in Rechtsprechung und Literatur diskutierte Vorschläge ein und kommt zu dem Ergebnis, dass die Diskussion noch nicht zu einem allgemein akzeptierten Lösungsmodell geführt hat.

 

Im fünften Teil behandelt der Verfasser die „Zwangsvollstreckung aus der Reallast“ (S. 145ff.), das heißt: die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung des belasteten Grundstücks sowie die Vollstreckung in das übrige Vermögen. Eine knappe „Zusammenfassung“ folgt (S. 159f.). Abgeschlossen wird die Untersuchung durch ein Literaturverzeichnis (S. 161ff.) und ein Abkürzungsverzeichnis (S. 167).

 

Die Arbeit ist mit einigen kleineren Mängeln behaftet. Der Verfasser beschränkt sich häufig darauf, die herrschende Meinung zu referieren, ohne abweichende Ansichten darzustellen und zu erörtern. Die in den Anmerkungen verwendeten Abkürzungen werden im Abkürzungsverzeichnis in zahlreichen Fällen nicht aufgelöst. Das knappe Literaturverzeichnis ist unterteilt in Kommentare, Lehrbücher, Monografien, Festschriften, Dissertationen einerseits und Aufsätze andererseits. Im ersten Teil fehlen meistens die Vornamen der Autoren, was die Recherche in Katalogen und Bibliographien erschweren kann. Ungeachtet dieser und weiterer, vergleichbarer Monita ist dem Autor für eine Untersuchung zu danken, in der die Frage: „Wozu brauchen wir heute noch die Reallast?“ überzeugend beantwortet wird. Da der Verfasser immer wieder rechtshistorische Hinweise und Erläuterungen einfügt, ist die Arbeit gerade auch für den rechtshistorisch interessierten Leser von Nutzen.

 

Heidelberg                                                                                         Hans-Michael Empell