Anreiter, Peter/Chapman, Christian/Rampl, Gerhard, Die Gemeindenamen Tirols. Herkunft und Bedeutung. Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 2009. 650 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Namen sind ein Spiegelbild der Geschichte, erklären die Verfasser am Ende ihrer trotz aller sachlichen Schwierigkeiten gut verständlichen Einführung. Deswegen eröffnen die Namen den Blick auf die Vergangenheit eines Gebietes. Bei der großen Gesamtzahl aller Namen, die sich in Tirol finden lassen, können die 279 Gemeinden, auf die der Titel das Werk beschränkt, nur einen Ausschnitt bieten, doch ist er mit den Verfassern als repräsentativer Querschnitt anzusehen.

 

Gegliedert ist das Werk nach den neun Bezirken Tirols. Sie sind wie die Namen selbst alphabetisch geordnet (Imst, Innsbruck, Kitzbühel, Kufstein, Landeck, Lienz, Reutte, Schwaz). Der Nutzer muss also den übergeordneten Bezirk eines Namens kennen oder den am Ende befindlichen Namenindex benutzen, der von Abfaltern bis Zwerchbach rund 1000 Namen enthält.

 

Die 279 Artikel gliedern sich streng in vier Abschnitte. Diese betreffen das Referenzobjekt, die bodenständige Aussprache, die ältesten Belege und die Belegwürdigung und Etymologie. Unter den ältesten Belegen wird eine möglichst aussagekräftige und lückenlose Belegkette vom die unsicherere Vermutung durch den eindeutigen Nachweis ablösenden Erstbeleg bis mindestens in das 15. Jahrhundert wiedergegeben, die vor allem auf Peter Anreiters Frühnennungen der Nord- und Osttiroler Gemeindenamen beruht.

 

Von besonderem Gewicht ist jeweils der Abschnitt Belegwürdigung und Etymologie, der auf der sorgfältigen Berücksichtigung aller Gegebenheiten beruht, die vorangehende Literatur umsichtig verwertet und zahlreiche bessere Erklärungen versucht. Dabei wird, wie im Vorwort einsichtig dargelegt, im Wesentlichen zwischen sehr seltenen vorindogermanischen Namen (Alpen, Tauern), wenigen Namen der seit der zweiten Hälfte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends eindringenden Indogermanen (Isel, Drau, Inn, Sill, Gail), ihrer von den Verfassern – faute de mieux – ostalpenindogermanisch benannten Schicht (der Breonen, Genaunen und Fokunaten) mit ihren Bezeichnungen vor allem für Sumpfgebiete und Geröllhalden (Mötz, Leutasch, Mieders, Natters, Rinn, Sistrans, Itter, Fließ, Tösens, Pill, Weer, Mils, Rum, Roppen, Grins u. a., Tirol?), jüngeren und spärlichen keltischen Namen (wie Fritzens, Axams, Ampass, Jamtal), kaum nachweisbaren nichtindogermanischen, mit dem Etruskischen verwandten rätischen Namen, den mit der Eroberung durch die Römer zwischen 25 und 14 v. Chr. einsetzenden römischen bzw. romanischen Namen (z. B. Arzl), den mit dem 6. Jahrhundert beginnenden germanischen Namen (Oetz, Gries, Hötting, Hall, Reutte, Innsbruck, Seefeld, Baumkirchen, Kitzbühel, Hopfgarten, Landeck u. a.) und den ebenfalls im 6. Jahrhundert einsetzenden slawischen Namen Osttirols (z. B. Dölach, Dölsach, Trelebitsch) unterschieden.

 

Insgesamt liegt mit dem gewichtigen Buch ein vorzügliches, trotz der sachlichen Schwierigkeiten auch für einen breiten Interessentenkreis verfasstes und ihm dienliches Standardwerk vor, ohne dass künftige Verbesserungen von vornherein ausgeschlossen sind. Sie könnten auch in Richtung auf die Einbeziehung weiterer Ortsnamen und Flurnamen und die Erweiterung um Südtirol gehen. Hilfreich könnte möglicherweise auch ein chronologisch geordneter Index der Entstehungszeit bzw. der Erstbelegszeit sein.

 

Innsbruck                                            Gerhard Köbler