Vitali, David, Mit dem Latein am Ende? Volkssprachlicher Einfluss in lateinischen Chartularen aus der Westschweiz (= Lateinische Sprache und Literatur des Mittelalters 41). Lang, Frankfurt am Main 2007. X, 643 S., 4 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die rhetorisch betitelte Arbeit ist die von Peter Stotz betreute, im Wintersemester 2004/2005 von der philosophischen Fakultät der Universität Zürich angenommene Dissertation des als Assistent am dortigen Seminar tätigen Verfassers. Ihr Ziel ist vor dem Hintergrund der Ablösung der lateinischen Schriftsprache durch die Volkssprache im Übergang zum Spätmittelalter die Auslotung der Dimensionen lexikalischer Interferenz mit der Volkssprache an einem geschlossenen Textkorpus. Dieses besteht aus dem zwischen 1200 und 1240 redigierten Chartular des Domkapitels von Lausanne, daneben dem Chartular der Zisterzienserabtei Hauterive, der Zisterzienserabteil Hautcrêt, des Zisterzienserpriorats Romainmôtier und der Sammlung Schweizer Schiedsurkunden.

 

Nach einer kurzen Einleitung beschreibt der Verfasser im Teil Darstellung zunächst seine Quellen. Danach erörtert er ausführlich den Begriff Interferenz. Anschließend geht er auf Lautliches (volkssprachlich bedingte Besonderheiten, Schreibfehler und Mediävismen), Wortschatz (Neologismen, Stratigraphien und Strukturanalysen, Bedeutung für die Erforschung des romanischen Wortschatzes, Lehnprägungen, volkssprachlich induzierte Wortwahl) und den Prozess der lexikalischen Entlehnung aus dem Frankoprovenzalischen ein.

 

Im Ergebnis konnte die Eingliederung des volkssprachlichen Wortguts in den meisten Fällen wegen der nahen Verwandtschaft zwanglos ablaufen, so dass sie sich gelegentlich von Nichteingliederung kaum trennen lässt. Inhaltlich sieht der Verfasser in den Interferenzerscheinungen nicht Symptome eines graduellen Übergangs vom Lateinischen zur Volkssprache, sondern den Ausdruck von Eigenschaften einer ganz bestimmten Fachsprache, deren Entstehung und Entwicklung allerdings noch überprüft werden müsse. Unter dem Strich bleibe ein reicher Beitrag an die lateinische (und romanistische) Lexikographie.

 

Diesen stellt der zweite Teil als alpabetisch geordnetes Material dar. Er beginnt mit accensire und endet nach schätzungsweise 750 Artikeln mit vuidator. Möge sich der Wunsch des Verfassers, dass sein Ergebnis als feinmaschiges Netz zum Ausgangspunkt weiterer Untersuchungen werde, wie andere Wortsammlungen für seine eigene, umfassend erfüllen.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler