Schwedler, Gerald, Herrschertreffen des Spätmittelalters - Formen - Rituale - Wirkungen. Thorbecke, Ostfildern 2008. 568 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 619 Ritualdynamik der Deutschen Forschungsgemeinschaft entstandene, von Jürgen Miethke betreute, mit Mitteln des Hauses Wittelsbach geförderte und im Wintersemester 2006/2007 von der philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg angenommene Dissertation des Verfassers. Der Kern der Fragestellung geht auf die Forschungen Gerrit Schenks zum Herrschereinzug zurück. Der Umschlag zeigt zwei sich grüßende Könige und verbildlicht damit die Frage des Verfassers nach dem Verhältnis der verhandelten Inhalte zu den dabei gebrauchten zeremoniellen und rituellen Umgangsformen.

 

Untersucht wird der Raum zwischen Spanien im Südwesten, Litauen im Nordosten, Norwegen im Norden und Sizilien im Süden. Zeitlich werden die Jahre zwischen 1270 und 1440 erfasst. Für diesen Raum in dieser Zeit konnte der Verfasser insgesamt 204 geplante oder durchgeführte Monarchenbegegnungen ausfindig machen.

 

In seiner Einleitung beschreibt der Verfasser den unzureichenden Forschungsstand, seine  Fragestellung sowie den Aufbau und die Untersuchungsebenen seiner Arbeit. Danach gliedert er seine Untersuchung in zwei Teile. Im ersten Teil erfasst er die Begegnungsformen europäischer Machthaber. Im zweiten Teil widmet er sich den Abläufen und Elementen.

 

Der erste Teil beginnt mit dem Verhältnis von Text und Ritual. Danach werden Verhandlungen und Formen der Konsensbildung (Albrecht I. von Habsburg und Philipp IV. von Frankreich), Vertragsschlüsse und Eide unter Königen (Reise König Sigismunds nach England), Belehnungsakte zwischen Königen (Otakar und Rudolf von Habsburg), Treffen mit gefangenen Königen (Johann II. von Frankreich), zwei Könige desselben Reiches (Ludwig IV. der Bayer und Friedrich der Schöne von Habsburg), Waffenstillstand und Friedensschluss (Vertrag von Troyes), Zeremoniell und Inszenierung (Reise Kaiser Karls IV. nach Paris im Januar 1378) untersucht. In der Regel schließt der Verfasser die einzelnen Abschnitte mit klaren Zusammenfassungen seiner vielfältigen Erkenntnisse ab.

 

Der zweite Teil widmet sich zunächst der Chronologie einer Begegnung von der Vorbereitung über das tatsächliche Zusammentreffen mit Begrüßung, Empfang und Beisammensein bis zum Abschied. Als Einzelelemente betrachtet der Verfasser die Insignien, Symbole und Kleidungsstücke, das Mahl und die Repräsentation sowie die Aufwendungen und Geschenke. Besondere Bedeutung misst er dem am Anfang wie am Ende stehenden Kuss zu.

 

Insgesamt kann der Verfasser eindrucksvoll zeigen, dass Herrschertreffen ein als allgemeine Erscheinung bisher wenig beachtetes, aber vielfach zielgerichtet eingesetztes herrscherliches Handlungsinstrument waren. Mit ihnen konnte - wie in der Gegenwart - der Machthaber die eigene Stellung innerhalb und außerhalb seines Herrschaftsgebiets ausbauen. Auf allgemeinerer Ebene konnte sich dabei eine ungefähre Vorform eines europäischen Staatsprotokolls entwickeln.

 

Im Anhang bietet der Verfasser ein Repertorium der Herrschertreffen, das er durch Übersichten nach Reichen und Herrschern ergänzt und hinsichtlich der Häufigkeit graphisch veranschaulicht. Das umfangreiche Verzeichnis der Quellen und Literatur weist die verwerteten Vorlagen nach. Ein von Absetzung bis Zipser Neudorf reichendes Register schließt die ansprechende Untersuchung auf.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler