Rebitsch, Robert, Matthias Gallas (1588-1647). Generalleutnant des Kaisers zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Eine militärische Biographie (= Geschichte in der Epoche Karls V. 7). Aschendorff, Münster 2006. VII, 483 S. Ill. Besprochen von Rotraud Becker.

 

Eine Biographie des langjährigen Generalleutnants der kaiserlichen Armee Matthias Gallas (italienisch Galasso) zu verfassen, ist kein dankbares Unternehmen. Das Interesse nicht nur der deutschen Literatur und ihrer Leserschaft, sondern auch der umfangreichen historischen Forschung galt stets den frühen Phasen des Dreißigjährigen Krieges, und hier den Persönlichkeiten Gustav Adolfs von Schweden und Wallensteins, nicht den langen Jahren des weiteren Kriegsführens, in denen Gallas an der Spitze des kaiserlichen Heeres stand. Der Beschäftigung mit dessen Leistungen stand darüber hinaus im Wege, dass über ihn mit der vernichtenden, oft wiederholten Bezeichnung „Heerverderber“ alles gesagt zu sein schien. Auch die Quellenlage erweist sich, wie die vorliegende Untersuchung zeigt, als ungünstig für eine seine Persönlichkeit insgesamt würdigende Darstellung: Das vom Verfasser ausgewertete Material ist aussagekräftig hinsichtlich der militärischen Karriere und ihrer sozialen und ökonomischen Umstände, nicht aber zur Zeichnung anderer Aspekte seines Lebens. Unvermeidlich ist, dass über weite Strecken einfach Kriegsgeschichte mitgeteilt werden muss. Dass der Buchtitel die Arbeit als militärische Biographie bezeichnet, ist darum gut begründet.

 

Für die Zeitspanne bis zum Tod Wallensteins 1634 kann die Darstellung weitgehend auf den publizierten Quellensammlungen und der fast unübersehbar reichen Literatur aufbauen. Dies gilt auch für die Behandlung der heiklen, wegen ihres Zusammenhangs mit dem stets Aufmerksamkeit findenden Ende Wallensteins unumgänglichen und schon in älteren Werken erörterten Frage nach Gallas Rolle bei der Absetzung und Ermordung des Generalissimus. Diesem Teil der Biographie und der Kriegsdarstellung ist jedoch – anders als üblich – der kleinere Teil des Buches gewidmet. Für die weitere Darstellung des Kriegsgeschehens musste der Autor umfangreiches und weit verstreutes Archivmaterial heranziehen, um auf verlässlicher Grundlage die Umstände der einzelnen Kriegszüge und die persönlichen Leistungen der kommandierenden Offiziere klären und beurteilen zu können. Es gelingt ihm, ein sachliches Bild von der ermüdenden Folge militärischer Erfolge und Misserfolge zu zeichnen und dabei die überaus schwierige Gesamtsituation aufzuzeigen, wo einerseits der Kaiser als oberster Befehlshaber nicht selten politisch, nicht militärisch motivierte Entscheidungen vorgab, wo Kurfürst Maximilian unabhängige Kommandogewalt beanspruchte, wo andere Reichsstände keine Unterstützung gewährten und der ständige Mangel an Geld für Ausrüstung und Lebensmittel verzweifelte Zwangslagen herbeiführte.

 

Es ergibt sich, dass die später fast durchwegs negative Beurteilung der Leistungsbilanz des Generalleutnants einerseits der Kriegspropaganda der feindlichen Seite folgte, die gröbste Verunglimpfungen nicht scheute. Grundsätzliche und abfällige Kritik ging aber auch von Bayern aus und wurde schon im Jahr nach Gallas großem Sieg bei Nördlingen laut wegen konträrer Ansichten über die im Feldzug gegen Frankreich sinnvolle Strategie und wegen der leidigen, sich wiederholenden Streitigkeiten um brauchbare Winterquartiere. Auch neidische Abneigung gegen die „welschen“ Offiziere ist zeitgenössisch. - Der Autor verfällt nicht der Neigung vieler Biographen, aus seinem umfassenderen Wissen über tragische Umstände und unglückliche Bedingungen heraus seinen Helden unbedingt gerechtfertigt und in schönem Licht zeigen zu wollen. Er bietet aber einen aus reicher Quellen- und Literaturkenntnis schöpfenden Bericht, der viele Ereignisse im Leben des Dargestellten im Zusammenhang der Kriegsereignisse begreiflich macht. Sehr verdienstvoll ist seine Arbeit, weil er hier die späten Kriegsjahre nicht aus der Perspektive der sich anbahnenden Friedensverhandlungen, sondern aus der von der Forschung wenig behandelten Sicht der weiterhin im Feld stehenden Militärs in den Blick nimmt.

 

Rechtshistorische Probleme werden insofern berührt, als der Autor sich auch mit dem Thema der Ausschreitungen der Soldatesca befasst und die Versuche auf der Kommandoebene, ihnen entgegenzutreten, in seine Darstellung aufnimmt. Das Gebiet der Militärgerichtsbarkeit wird nicht ignoriert; hier zeigt sich aber ein fühlbarer Mangel an Vorarbeiten, die speziell die kaiserliche Armee unter Gallas betreffen.

 

Zum Quellenbestand könnte ergänzt werden, dass sich im Vatikanischen Archiv, Segr. Stato, Nunziature delle Paci, bisher nicht ausgewertete Quellen zur diplomatischen Tätigkeit Gallas bei den Friedensverhandlungen in Cherasco befinden. Bei einigen italienischen Zitaten, z. B. S. 50 und 117 Anm. 28, scheinen Kopierfehler unterlaufen zu sein. Das S. 51 Anm. 31 erwähnte Borrolengo könnte Pozzolengo (bei Solferino) sein. S. 91 ist missverständlich von einer von Wallenstein geforderten Entschädigung mit dem Herzogtum Mecklenburg die Rede. Bei der sodisfazione del ducato di Mechelburg geht es aber darum, dass Entschädigung dafür verlangt wurde, dass das vom Kaiser Wallenstein verliehene Land inzwischen an die früheren Herrscher zurückgefallen war.

 

Regensburg

 

Rotraud Becker