Ramm, Thilo, Ferdinand Lassalle. Der Revolutionär und das Recht (= Juristische Zeitgeschichte 4, 8). Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2004. XV, 367 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Thilo Ramm, 1925 in Darmstadt geboren, legte nach dem 1942 begonnenen und nach kriegsbedingter Unterbrechung 1947 mit der ersten juristischen Staatsprüfung abgeschlossenen Studium der Rechtswissenschaft in Marburg und Frankfurt am Main bereits 1948 seine erste Arbeit über Lassalle (Lassalles System der erworbenen Rechte) in der unveröffentlichten Festschrift für Gustav Radbruch vor. Dem folgte am 23. 2. 1950 die Promotion bei Fritz von Hippel in Marburg mit der Arbeit Staat und Recht – Eine Untersuchung der Rechtstheorie Ferdinand Lassalles. Seitdem hat der Revolutionär den rasch habilitierten Gelehrten nicht mehr losgelassen und ihn zu insgesamt zehn Studien und zuletzt zu einem seinem 1942 gefallenen, elf Jahre älteren, ihm auf dem Weg zur Wissenschaft zum Vorbild gewordenen Bruder Harry in Dank, Trauer und Schmerz gewidmeten Sammelband bewegt.

 

Dieses Buch enthält vier bereits früher veröffentlichte Schriften. Der ersten Arbeit über Lassalle als Rechts- und Sozialphilosoph sind als biographische Ergänzung die Einleitung zur Lassalle-Auswahl Ramms und zwei Aufsätze über das besondere Verhältnis zwischen Marx und Lassalle beigegeben. Neu hinzugekommen sind die drei bilanzierenden Abhandlungen Der Revolutionär, Meine Beschäftigung mit Lassalle und Stand und Aufgaben der Lassalle-Forschung.

 

Dabei besagt die unveränderte Vorlage der ersten Untersuchung, dass der Verfasser die vor mehr als einem halben Jahrhundert nach damals mehr als fünfjähriger Befassung mit Lassalle erzielten Ergebnisse nach wie vor für gültig hält. Sein methodisches Anliegen ist dasselbe geblieben und hat nur noch einen weiteren zusätzlich wichtigen Anwendungsbereich gefunden. Nunmehr ist die Rolle als werktreuer Interpret auf Lassalles Eigenwertung seiner Theorie und seines Lebens erstreckt, wobei es nach wie vor darum geht, Lassalle in seiner Zeit zu begreifen.

 

Gegliedert ist das auf diese Weise im Kern sich treu gebliebene und nur vervollkommnete Werk in drei Teile, wobei der Rechts- und Sozialphilosoph (Einleitung, Der Staat, Das Recht, Ergebnisse) an der Spitze steht. Es folgt im zweiten Teil das Leben, das außer der Einheit von Theorie und Praxis nunmehr Lassalle als Revolutionär erschließt (Die Selbstcharakterisierung, der junge Lassalle, die Hatzfeldt-Händel – in deren Verlauf Lassalle zur Erlangung von Dokumenten Bestechung verübt -, das nachrevolutionäre Geschehen von 1848/49, der Gelehrte, die neue Aera, Verfassungskonflikt und Arbeiteragitation, das Ende [nach einem durch Beleidigung einer gewollten und doch aus nicht leicht verständlichem Ehrgefühl abgewiesenen Geliebten provozierten Duell], Würdigung, Erbe). Den Beschluss bildet das schwierige, vielfältige Verhältnis zwischen Lassalle und Marx.

 

Im Anhang weist der Verfasser seine Arbeiten über Lassalle bibliographisch nach und beschreibt seine Beschäftigung mit Lassalle mit autobiographischer Offenheit. Es folgen die Bio-Bibliographie Lassalles und eine meisterliche Analyse des Standes und der Aufgaben der Lassalle-Forschung. Am Ende wird die Frage nach einer neuen Biographie gestellt, die niemand wohl besser schreiben könnte als Thilo Ramm, so dass sich jedermann nur wünschen kann, dass sie trotz aller damit verbundenen Schwierigkeiten gelingt und damit eine noch offene wesentliche Lücke der Rechtsgeschichte, Sozialgeschichte und Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts werkgetreu und eigenständig vom besten Sachkenner angemessen und ansprechend geschlossen wird.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler